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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 18.01.2000
Aktenzeichen: T-290/97
Rechtsgebiete: Verordnung 1430/79/EWG


Vorschriften:

Verordnung 1430/79/EWG Art. 13
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 In allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ist die Gewährung rechtlichen Gehörs ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt werden, wenn eine Regelung für das fragliche Verfahren fehlt. Angesichts des Beurteilungsspielraums der Kommission beim Erlaß einer Entscheidung unter Anwendung der auf Billigkeitserwägungen beruhenden Generalklausel des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben muß das rechtliche Gehör in den Verfahren nach dieser Verordnung erst recht sichergestellt werden.

Der Wirtschaftsteilnehmer, der eine Erstattung von Einfuhrabgaben nach dieser Klausel beantragt, hat daher Anspruch darauf, in dem Verfahren, in dem über seinen Antrag entschieden wird, gehört zu werden.

Der mit Artikel 905 der Verordnung Nr. 2454/93 geschaffene Mechanismus der Akteneinsichtserklärung, wonach jedem Antrag auf Erstattung von Einfuhrabgaben eine Erklärung beizufügen ist, in der der Antragsteller bestätigt, daß er die von den Behörden übermittelte Akte zur Kenntnis genommen hat, und gegebenenfalls erklärt, daß er nichts hinzuzufügen hat, entspricht diesem Grundsatz nur zum Teil. Er ermöglicht es dem Betroffenen zwar, sein Anhörungsrecht im ersten Abschnitt des Verwaltungsverfahrens wirksam zur Geltung zu bringen, der auf nationaler Ebene abläuft, er stellt hingegen in keiner Weise die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im zweiten Abschnitt dieses Verfahrens sicher, der nach Übermittlung der Akte durch die nationalen Behörden vor der Kommission abläuft, denn die Akteneinsichtserklärung wird zu einem Zeitpunkt abgegeben, zu dem die Kommission noch keine Gelegenheit hatte, die Situation des Betroffenen zu untersuchen oder gar zu seinem Antrag auf Erstattung vorläufig Stellung zu nehmen. Das Anhörungsrecht muß jedoch im Rahmen beider Abschnitte sichergestellt werden. Eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs könnte allerdings nur dann zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung führen, wenn das Verfahren ohne diese Unregelmäßigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

(vgl. Randnrn. 44-47)

2 Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder berufen, bei dem die Gemeinschaftsverwaltung begründete Erwartungen geweckt hat. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat. (vgl. Randnr. 59)

3 Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79, wonach die Eingangsabgaben bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden können, sofern der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt hat, ist eine Generalklausel, die andere als die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fälle erfassen soll, für die bei Erlaß der Verordnung eine besondere Regelung geschaffen werden konnte. Diese Bestimmung findet insbesondere Anwendung, wenn es angesichts des Verhältnisses zwischen Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltung unbillig wäre, den Wirtschaftsteilnehmer einen Schaden tragen zu lassen, den er bei normalen Verlauf nicht erlitten hätte.

Bei der Anwendung dieser Bestimmung verfügt die Kommission über einen Beurteilungsspielraum, den sie in der Weise ausüben muß, daß sie das Interesse der Gemeinschaft an der Beachtung der Zollbestimmungen und das Interesse des gutgläubigen Wirtschaftsteilnehmers daran, keine Nachteile zu erleiden, die über das normale Geschäftsrisiko hinausgehen, gegeneinander abwägt.

Es stellt keine besonderen Umstände dar, die einen Erlaß oder eine Erstattung der Einfuhrabgaben rechtfertigen, wenn gutgläubig Papiere vorgelegt worden sind, die sich später als gefälscht oder unrichtig erweisen. Ein Zollspediteur haftet dem Wesen seiner Tätigkeit entsprechend sowohl für die Zahlung der Eingangsabgaben als auch für die Ordnungsmäßigkeit der Dokumente, die er den Zollbehörden vorlegt, so daß für die abträglichen Folgen des Fehlverhaltens seiner Kunden nicht die Gemeinschaft einstehen kann. Der Erhalt ungültiger, wenngleich von den Zollbehörden der in ihnen genannten Länder ausgestellter Ursprungserzeugnisse gehört zu den mit der Tätigkeit des Zollspediteurs verbundenen Berufsrisiken. (vgl. Randnrn. 76-78, 82-83)

4 Die nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung eines Rechtsakts brauchen jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts diesen Erfordernissen genügt, nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet. (vgl. Randnr. 92)


Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 18. Januar 2000. - Mehibas Dordtselaan BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Einfuhren von Geflügel - Artikel 13 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 - Entscheidung der Kommission, durch die die Erstattung von Agrarabschöpfungen abgelehnt wird - Rücknahme der Entscheidung - 'Erklärung zur Akte' - Zulässigkeit - Vertrauensschutz - Rechtssicherheit - Offensichtliche Beurteilungsfehler - Begründungspflicht. - Rechtssache T-290/97.

Parteien:

In der Rechtssache T-290/97

Mehibas Dordtselaan BV, Gesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz in Rotterdam (Niederlande), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Bos, J. Helder und M. Slotboom, Rotterdam, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts M. Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. van Lier, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Beistand: Rechtsanwalt J. Stuyck, Brüssel, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung C(97) 2331 der Kommission vom 22. Juli 1997, mit der ein Antrag des Königreichs der Niederlande auf Erstattung von Agrarabschöpfungen zugunsten der Klägerin abgelehnt wurde,

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke sowie des Richters R. García-Valdecasas und der Richterin P. Lindh,

Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175, S. 1), geändert durch Artikel 1 Absatz 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 (ABl. L 286, S. 1), bestimmt:

"Die Eingangsabgaben können... bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden, sofern der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt hat."

2 Artikel 905 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1) lautet:

"Die der Kommission übermittelte Vorlage muß alle für eine vollständige Prüfung des Falles notwendigen Angaben enthalten.

Die Kommission bestätigt dem betreffenden Mitgliedstaat unverzüglich den Eingang der Vorlage.

Die Kommission kann zusätzliche Angaben anfordern, wenn sich herausstellt, daß die von dem Mitgliedstaat mitgeteilten Angaben nicht ausreichen, um in voller Kenntnis der Sachlage über den Fall zu entscheiden."

3 Artikel 907 dieser Verordnung bestimmt:

"Nach Anhörung einer Sachverständigengruppe, die aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht und im Rahmen des Ausschusses zur Prüfung des Falles zusammentritt, entscheidet die Kommission, ob die besonderen Umstände die Erstattung oder den Erlaß rechtfertigen oder nicht.

Diese Entscheidung ist innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Vorlage nach Artikel 905 Absatz 2 bei der Kommission zu treffen. Sieht sich die Kommission veranlaßt, bei dem Mitgliedstaat zusätzliche Auskünfte anzufordern, um eine Entscheidung fällen zu können, so wird die Frist von sechs Monaten um die Zeit verlängert, die zwischen dem Zeitpunkt der Absendung des Auskunftsersuchens der Kommission und dem Zeitpunkt des Eingangs der Auskünfte verstrichen ist."

4 Artikel 909 dieser Verordnung lautet:

"Hat die Kommission innerhalb der in Artikel 907 genannten Frist keine Entscheidung getroffen oder dem betreffenden Mitgliedstaat innerhalb der in Artikel 908 genannten Frist keine Entscheidung bekanntgegeben, so gibt die Entscheidungszollbehörde dem Antrag auf Erstattung oder Erlaß statt."

Sachverhalt

5 Die Klägerin, die Mehibas Dordtselaan BV (früher Expeditie- en Controlebedrijf Codirex BV), ist Zollspediteur im Hafen von Rotterdam.

6 Zwischen Februar 1981 und Juni 1983 erstellte die Klägerin 98 Zollerklärungen für Einfuhren von Gefluegelstücken durch die Gesellschaft Ruva BV (nachstehend: Ruva). Diese Erklärungen waren auf der Grundlage der von Ruva vorgelegten Rechnungen ausgefuellt und führten zur Erhebung von Agrarabschöpfungen. Die betreffenden Waren wurden in der Gemeinschaft in den freien Verkehr überführt.

7 Im Laufe des Jahres 1984 entdeckten die niederländischen Zollbehörden, daß die von Ruva vorgelegten Rechnungen gefälscht waren. Der Wert der eingeführten Waren war in Wirklichkeit höher, so daß höhere Abschöpfungen hätten entrichtet werden müssen.

8 Die niederländischen Zollbehörden forderten die Klägerin im Oktober 1986 auf, zusätzliche Agrarabschöpfungen zu entrichten; diese zahlte daraufhin 677 476 HFL (nachstehend: streitige Abschöpfungen).

9 Am 29. Oktober 1990 reichte die Klägerin bei den niederländischen Zollbehörden einen Antrag auf Erstattung der streitigen Abschöpfungen ein. Die Behörden leiteten den Antrag mit Schreiben vom 29. April 1994 an die Kommission weiter, das bei dieser am 16. Mai 1994 einging, und ersuchten sie, über die Berechtigung der Erstattung gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 zu entscheiden.

10 Mit Entscheidung vom 14. November 1994 erklärte die Kommission den Antrag auf Erstattung für nicht gerechtfertigt.

11 Mit Klageschrift, die am 26. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Klägerin Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. November 1994 (Rechtssache T-89/95).

12 Am 31. Mai 1996 nahm die Kommission angesichts des Urteils des Gerichts vom 9. November 1995 in der Rechtssache T-346/94 (France-aviation/Kommission, Slg. 1995, II-2841; nachstehend: Urteil France-aviation) ihre Entscheidung vom 14. November 1994 zurück.

13 Die Kommission teilte den niederländischen Behörden diese Rücknahme mit Schreiben von 4. Juni 1996 mit, in dem sie ausführte, daß aufgrund des Urteils France-aviation jedem Antrag auf Erstattung von Einfuhrabgaben eine Erklärung beizufügen sei, in der der Antragsteller bestätige, daß er die von den Behörden übermittelte Akte zur Kenntnis genommen habe, und gegebenenfalls erkläre, daß er nichts hinzuzufügen habe (nachstehend: Akteneinsichtserklärung). Unter Hinweis darauf, daß der Erstattungsantrag vom 29. April 1994 "weder gültig noch zulässig" sei, weil ihm keine Akteneinsichtserklärung beigefügt gewesen sei, forderte die Kommission die niederländischen Behörden zugleich auf, ihr diese von der Klägerin unterzeichnete Erklärung zu übermitteln.

14 Am 17. Oktober 1996 nahm die Klägerin ihre Klage in der Rechtssache T-89/95 zurück, die daraufhin mit Beschluß vom 17. Dezember 1996 im Register des Gerichts gestrichen wurde.

15 Mit Schreiben vom 10. Dezember 1996 teilten die niederländischen Behörden der Klägerin mit, die Kommission habe wegen des Urteils France-aviation ihre Entscheidung vom 14. November 1994 zurückgenommen; Erstattungsanträgen müsse aufgrund dieses Urteils eine Akteneinsichtserklärung beigefügt werden. Sie forderten somit die Klägerin auf, ihnen eine solche Erklärung zu übermitteln.

16 Mit Schreiben vom 6. Februar 1997 übersandte die Klägerin den niederländischen Behörden die geforderte Akteneinsichtserklärung nebst Bemerkungen zu den Folgen, die sich ihrer Auffassung nach aus dem Urteil France-aviation für ihren Erstattungsantrag ergaben. Zugleich forderte sie die niederländischen Behörden auf, der neuen Akte vor der Übermittlung an die Kommission ihre Klageschrift und ihre Erwiderung in der Rechtssache T-89/95 beizufügen.

17 Mit Schreiben vom 17. Februar 1997 unterbreiteten die niederländischen Behörden der Kommission einen neuen Erstattungsantrag mit allen genannten Einzelheiten.

18 In der an das Königreich der Niederlande gerichteten Entscheidung C (97) 2331 vom 22. Juli 1997 (nachstehend: streitige Entscheidung) vertrat die Kommission die Auffassung, dieser Erstattungsantrag sei nicht begründet. Der Umstand, daß Rechnungen sich als falsch herausstellten, stelle für jeden Zollanmelder ein Berufsrisiko dar, das er tragen müsse, und könne allein nicht als besonderer Umstand betrachtet werden. Auch die Tatsache, daß die Fristen für die nachträgliche Erstattung in den nationalen Rechtsvorschriften für den Fall, daß der Verdacht strafbarer Handlungen bestehe, anders ausgestaltet seien, könne nicht als besonderer Umstand im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 gewertet werden.

Verfahren und Anträge der Parteien

19 Mit Klageschrift, die am 10. November 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

20 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

21 Die Parteien haben in der Sitzung vom 4. Mai 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

22 Die Klägerin beantragt,

- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären,

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23 Die Kommission beantragt, - die Klage abzuweisen,

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

24 Die Klägerin stützt ihre Klage auf vier Klagegründe: erstens, Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2454/93, Ermessensüberschreitung und Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, zweitens, Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, drittens, Verstoß gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 und viertens, Verletzung der Begründungspflicht.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung Nr. 2454/93, Ermessensüberschreitung und Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit

Vorbringen der Parteien

25 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Verordnung Nr. 2454/93 bei Einreichung ihres ersten Erstattungsantrags keine Vorlage einer Akteneinsichtserklärung verlangt habe. Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 26. Oktober 1994 in der Rechtssache C-430/92 (Niederlande/Kommission, Slg. 1994, I-5197, Randnr. 19) macht sie geltend, die sechsmonatige Frist nach Artikel 907 dieser Verordnung habe, da ihr Antrag vollständig gewesen sei, mit dem Tag zu laufen begonnen, an dem der Antrag bei der Kommission eingegangen sei, d. h. am 16. Mai 1994. Da die Kommission ihre Entscheidung vom 14. November 1994 am 31. Mai 1996 zurückgenommen habe, müsse davon ausgegangen werden, daß sie über den ersten Erstattungsantrag nicht fristgemäß entschieden habe und daß daher die niederländischen Behörden gemäß Artikel 909 der Verordnung Nr. 2454/93 verpflichtet seien, die streitigen Abschöpfungen zu erstatten. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, daß die Kommission, da ihre Entscheidung vom 14. November 1994 zwei Tage vor Ablauf der sechsmonatigen Frist erlassen worden sei, nach ihrer Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996 nur noch zwei Tage zur Verfügung gehabt habe, um über ihren Erstattungsantrag zu entscheiden, und es sich daher selbst unmöglich gemacht habe, eine neue Entscheidung zu erlassen.

26 Ferner habe die Kommission von ihr nicht verlangen dürfen, einen zweiten Erstattungsantrag nebst einer Akteneinsichtserklärung einzureichen. Hierfür führt sie drei Gründe an.

27 Erstens ergebe sich dieses Erfordernis nicht aus dem Urteil France-aviation. Wenn die Kommission den Grundsatz der Anhörung im Rahmen von Verfahren über die Erstattung von Zöllen, wie er in diesem Urteil bestätigt worden sei, habe beachten wollen, hätte sie lediglich gemäß Artikel 905 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2454/93 die niederländischen Behörden aufzufordern brauchen, die Klägerin anzuhören.

28 Zweitens dürfe die Kommission die Einreichung von Anträgen auf Erstattung von Einfuhrabgaben von einer neuen Bedingung nur in klarer und eindeutiger Weise abhängig machen (Urteile des Gerichtshofes vom 9. Juli 1981 in der Rechtssache 169/80, Gondrand Frères, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17, und des Gerichts vom 7. Februar 1991 in den Rechtssachen T-18/89 und T-24/89, Tagaras/Gerichtshof, Slg. 1991, II-53, Randnr. 40), d. h. durch eine Änderung der Verordnung Nr. 2454/93. Diese Änderung sei übrigens später mit der Verordnung (EG) Nr. 12/97 der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Änderung der Verordnung Nr. 2454/93 (ABl. 1997, L 9, S. 1) erfolgt. Da diese Verordnung aber erst am 20. Januar 1997 in Kraft getreten sei, könne sie im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.

29 Drittens sichere die Akteneinsichtserklärung dem Betroffenen ohnehin nicht das Recht, angehört zu werden. Diese Erklärung beziehe sich nämlich nur auf die Akte, die der Kommission von den nationalen Behörden übermittelt werde, und werde daher vor deren Prüfung des Erstattungsantrags abgegeben. Nach dem Urteil France-aviation (Randnr. 36) müsse aber die Kommission die nationalen Behörden auffordern, den Antragsteller anzuhören, wenn sie beabsichtige, einen solchen Antrag zurückzuweisen.

30 Die Kommission stellt zunächst heraus, daß sie die sechsmonatige Frist nach Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93 eingehalten habe. Der erste Erstattungsantrag sei nämlich am 16. Mai 1994 bei ihr eingegangen und mit ihrer Entscheidung vom 14. November 1994 beschieden worden. Der zweite Erstattungsantrag sei bei ihr am 25. Februar 1997 eingegangen und am 22. Juli 1997 zurückgewiesen worden.

31 Selbst wenn sie aber ihre Entscheidung nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist getroffen hätte, wäre es gemäß Artikel 909 der Verordnung Nr. 2454/93 Sache der niederländischen Behörden gewesen, die streitigen Abschöpfungen zu erstatten. Die Klägerin hätte daher die Entscheidung dieser Behörden und nicht die streitige Entscheidung anfechten müssen.

32 Im übrigen sei sie gemäß Artikel 176 EG-Vertrag (jetzt Artikel 233 EG) verpflichtet gewesen, die sich aus dem Urteil France-aviation ergebenden Maßnahmen auch für die bereits anhängigen Erstattungsverfahren zu ergreifen (Urteile des Gerichtshofes vom 9. Juli 1981 in den Rechtssachen 59/80 und 129/80, Slg. 1981, 1883, Randnr. 72, und vom 26. April 1988 in den Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86, Asteris u. a./Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnrn. 28 und 30). Im vorliegenden Fall ergebe sich unmittelbar aus den Gründen des Urteils France-aviation (Randnr. 39), daß aufgrund einer durch die niederländischen Behörden und die Klägerin ergänzten Akte ein neues Verwaltungsverfahren hätte eingeleitet werden müssen. Aus diesem Grund habe sie ihre Entscheidung vom 14. November 1994 zurückgenommen und die niederländischen Behörden aufgefordert, einen neuen Erstattungsantrag nebst einer von der Klägerin unterzeichneten Akteneinsichtserklärung zu übermitteln, um sodann binnen sechs Monaten nach Erhalt dieses neuen Antrags eine neue Entscheidung zu erlassen. Der Mechanismus der Akteneinsichtserklärung stelle sicher, daß die Akte sowohl die von den Zollbehörden als auch die von dem Antragsteller übermittelten Angaben enthalte, und sei daher eine geeignete Maßnahme, um dessen Anhörungsrecht zu garantieren. Das Urteil France-aviation verpflichte sie nicht, selbst den Antragsteller anzuhören, sondern lediglich, ihre Entscheidung auf der Grundlage einer vollständigen Akte zu treffen. In ihrem Schreiben an die niederländischen Behörden vom 4. Juni 1996 habe sie den Mechanismus der Akteneinsichtserklärung klar und genau beschrieben, und diese Behörden hätten nach dem mit der Verordnung Nr. 2454/93 geschaffenen Verfahren die Klägerin in vollem Umfang informiert.

Würdigung durch das Gericht

33 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission angesichts des Urteils France-aviation zu Recht die Rücknahme ihrer Entscheidung vom 14. November 1994 beschlossen hat (vgl. Beschluß des Gerichts vom 16. September 1996 in der Rechtssache T-22/96, Langdon/Kommission, Slg. 1996, II-1009, Randnr. 12); diese Rücknahme entspricht in vollem Umfang den Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung ergeben.

34 In diesem Urteil hat das Gericht nämlich entschieden, daß der Wirtschaftsteilnehmer, der die Erstattung von Zollabgaben beantragt, in dem Verfahren zum Erlaß einer Entscheidung nach Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 ein Recht auf Anhörung hat und daß eine Verletzung dieses Rechts zur Nichtigerklärung der Entscheidung führt (vgl. Randnrn. 34 bis 40). Wie sich aus der Begründung der Entscheidung der Kommission vom 31. Mai 1996 ergibt, hat diese ihre Entscheidung vom 14. November 1994 gerade deshalb zurückgenommen, weil zum einen das Verfahren zu ihrem Erlaß das gleiche war wie das im Urteil France-Aviation als Verletzung des Anhörungsrechts bewertete Verfahren und diese Entscheidung zum anderen mit einer Nichtigkeitsklage vor dem Gericht angefochten worden war. Überdies ist festzustellen, daß die Klägerin mit dieser Klage die Rechtswidrigkeit der Entscheidung insbesondere aus dem Grund gerügt hatte, daß ihr Anhörungsrecht nicht beachtet worden sei.

35 Das Vorbringen der Klägerin wirft zwei Hauptfragen auf, die die Befugnis der Kommission betreffen, im Anschluß an ihre Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996 eine neue Entscheidung über den Erstattungsantrag der Klägerin zu treffen, sowie die Ordnungsmäßigkeit der Modalitäten des Erlasses der streitigen Entscheidung.

1. Zur Befugnis der Kommission zum Erlaß einer neuen Entscheidung im Anschluß an die Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996

36 Die Kommission hat in ihrer Entscheidung vom 31. Mai 1996 ausdrücklich eingeräumt, daß die Rücknahme ihrer Entscheidung vom 14. November 1994 auf deren Rechtswidrigkeit zurückzuführen sei (vgl. Beschluß Langdon/Kommission, Randnr. 12). Zum anderen hat diese Rücknahme rückwirkende Kraft (Urteile des Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2305, Randnr. 61, und vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 46). Außerdem hat die Klägerin selbst eingeräumt, daß sie nach der Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996 kein Interesse mehr an einer Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. November 1994 gehabt und daher ihre Klage in der Rechtssache T-89/95 zurückgenommen habe.

37 Unter diesen Umständen hatte die Kommission entsprechend den Anforderungen, wie sie sich aus dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit ergeben, im Rahmen des Verfahrens nach der Verordnung Nr. 2454/93 eine neue Entscheidung zu treffen, um den Erstattungsantrag der Klägerin zu bescheiden, nachdem sie dieser Gelegenheit gegeben hatte, ihr Recht auf Anhörung auszuüben.

2. Zu den Modalitäten des Erlasses der streitigen Entscheidung

38 Zunächst war es - ganz ähnlich wie in dem Fall, daß die Entscheidung vom 14. November 1994 vom Gemeinschaftsrichter für nichtig erklärt worden wäre - Aufgabe der Kommission, die Anwendbarkeit von Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1430/79 auf den Sachverhalt erneut zu prüfen und dabei der Klägerin Gelegenheit zu geben, ihr Anhörungsrecht auszuüben, wobei die Frist nach Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93 mit dem Tag zu laufen begann, an dem die Entscheidung der Rücknahme der Entscheidung vom 14. November 1994 getroffen wurde, d. h. mit dem 31. Mai 1996 (Urteil des Gerichtshofes vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-61/98, De Haan, Slg. 1999, I-5003, Randnr. 48).

39 Im vorliegenden Fall wurde die streitige Entscheidung am 22. Juli 1997 erlassen, d. h. mehr als sechs Monate später als die Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996. Es ist indessen festzustellen, daß die Kommission die niederländischen Behörden bereits am 4. Juni 1996 aufgefordert hatte, eine Stellungnahme der Klägerin einzuholen, die ihr diese aber erst am 17. Februar 1997 übermittelten. Gemäß Artikel 907 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2454/93 ist aber die Zeit, die zwischen den beiden letztgenannten Zeitpunkten verstrichen ist, bei der Berechnung der sechsmonatigen Frist nach Satz 1 des genannten Absatzes nicht zu berücksichtigen. Damit hat die Kommission die streitige Entscheidung innerhalb der ihr von der Verordnung Nr. 2454/93 eingeräumten Frist erlassen.

40 Allerdings weist das Verfahren, in dem die Kommission die streitige Entscheidung erlassen hat, Unregelmäßigkeiten auf.

41 Erstens war zwar die Zurückweisung des ersten Erstattungsantrags der Klägerin in der Entscheidung vom 14. November 1994 ausschließlich mit dem Fehlen besonderer Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 begründet, aus den Akten und insbesondere aus dem Schreiben der Kommission an die niederländischen Behörden vom 4. Juni 1996 ergibt sich indessen, daß sie diesmal der Auffassung war, daß der gleiche Antrag "weder gültig noch zulässig" sei, weil ihm keine Akteneinsichtserklärung beigefügt gewesen sei. Es steht jedoch fest, daß zu dem Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags eine solche Erklärung nicht erforderlich war.

42 Zwar ist richtig, daß die Verordnung Nr. 12/97 Artikel 905 der Verordnung Nr. 2454/93 eine Bestimmung hinzugefügt hat, wonach der an die Kommission weitergeleiteten Akte eine Akteneinsichtserklärung beigefügt sein muß; diese Verordnung ist jedoch erst am 20. Januar 1997 in Kraft getreten, und die neue Bestimmung konnte auf den ersten Erstattungsantrag der Klägerin nicht angewandt werden.

43 Damit aber hat die Kommission, indem sie in dieser Weise rückwirkend den ersten Erstattungsantrag der Klägerin von einer neuen Zulässigkeitsvoraussetzung abhängig gemacht hat, nicht nur ihre Befugnisse nach der Verordnung Nr. 2454/93 überschritten, sondern auch den Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt.

44 Zweitens entspricht der Mechanismus der Akteneinsichtserklärung, den die Kommission eingeführt hat, nur zum Teil den Grundsätzen, die im Urteil France-aviation aufgestellt worden sind. Der Wirtschaftsteilnehmer, der eine Erstattung beantragt - und nicht notwendig an der Zusammenstellung der Akte beteiligt war, die die zuständigen nationalen Behörden der Kommission übermitteln -, kann sich nämlich so lediglich der Vollständigkeit der Akte vergewissern und sie gegebenenfalls um das ihm nützlich Erscheinende ergänzen. Zwar ermöglicht es dieser Ablauf dem Betroffenen, sein Anhörungsrecht im ersten Abschnitt des Verwaltungsverfahrens wirksam zur Geltung zu bringen, der auf nationaler Ebene abläuft, stellt hingegen in keiner Weise die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im zweiten Abschnitt dieses Verfahrens sicher, der nach Übermittlung der Akte durch die nationalen Behörden vor der Kommission abläuft. Die Akteneinsichtserklärung wird nämlich zu einem Zeitpunkt abgegeben, zu dem die Kommission noch keine Gelegenheit hatte, die Situation des Betroffenen zu untersuchen oder gar zu seinem Antrag auf Erstattung vorläufig Stellung zu nehmen.

45 Nach dem Urteil France-aviation muß aber das Anhörungsrecht in einem Verfahren, wie es in der vorliegenden Rechtssahe in Frage steht, im Rahmen beider Abschnitte sichergestellt werden. So ist das Gericht in Randnummer 36 dieses Urteils davon ausgegangen, daß die Kommission, wenn sie beabsichtigt, den Erstattungsantrag eines Wirtschaftsteilnehmers mit der Begründung abzulehnen, daß er offensichtlich fahrlässig gehandelt habe, obwohl die zuständigen nationalen Behörden vorgeschlagen hatten, dem Antrag zu entsprechen, weil dem Antragsteller kein fahrlässiges Handeln zur Last gelegt werden könne, dafür sorgen muß, daß dieser durch die nationalen Behörden angehört wird. Das Gericht hat seinen Standpunkt in späteren Urteilen für Fälle bekräftigt, in denen dem eine Erstattung beantragenden Wirtschaftsteilnehmer nur einfache Fahrlässigkeit vorgeworfen worden war (Urteile des Gerichts vom 19. Februar 1998 in der Rechtssache T-42/96, Eyckeler & Malt/Kommission, Slg. 1998, II-401, Randnr. 85, und vom 17. September 1998 in der Rechtssache T-50/96, Primex Produkte Import-Export u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3773, Randnr. 68).

46 Es trifft zwar zu, daß die Verordnung Nr. 2454/93 Kontakte zum einen nur zwischen dem Betroffenen und der nationalen Verwaltung und zum anderen zwischen dieser und der Kommission vorsieht (Urteile France-aviation, Randnr. 30, und Primex Produkte Import-Export u. a./Kommission, Randnr. 58). Der betreffende Mitgliedstaat ist daher nach der geltenden Regelung der einzige Gesprächspartner der Kommission. Nach ständiger Rechtsprechung ist jedoch die Gewährung rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen können, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt werden, wenn eine Regelung für das fragliche Verfahren fehlt (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Februar 1992 in den Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnr. 44), vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92 (Fiskano/Kommission, Slg. 1994, I-2885, Randnr. 39) und vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-32/95 P (Kommission/Lisrestal, Slg. 1996, I-5373, Randnr. 21). Angesichts des Beurteilungsspielraums der Kommission beim Erlaß einer Entscheidung unter Anwendung der auf Billigkeitserwägungen beruhenden Generalklausel des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 muß das rechtliche Gehör in den Verfahren betreffend den Erlaß oder die Erstattung von Einfuhrabgaben erst recht sichergestellt werden (Urteile France-aviation, Randnr. 34, Eyckeler & Malt/Kommission, Randnr. 77, und Primex Produkte Import-Export u.a./Kommission, Randnr. 60).

47 Aus diesen Erwägungen folgt, daß das Verfahren, das die Kommission vor Erlaß der streitigen Entscheidung befolgt hat, Unregelmäßigkeiten aufwies. Diese könnten allerdings nur dann zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung führen, wenn das Verfahren ohne diese Unregelmäßigkeiten zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 47, und vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1992, I-959, Randnr. 48; Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 243).

48 Im vorliegenden Fall ist es ohne Auswirkung geblieben, daß die Kommission den ersten Erstattungsantrag der Klägerin als "weder gültig noch zulässig" betrachtet hat. Wie das Gericht bereits ausgeführt hat, verfügte die Kommission auf jeden Fall über die sechsmonatige Frist nach Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93, um eine neue Entscheidung zu erlassen; diese Frist begann mit der Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996 und verlängerte sich um die Zeit, die der Klägerin für die Ausübung ihres Anhörungsrechts zur Verfügung gestellt wurde.

49 Zum anderen konnte sich die Klägerin nicht nur vergewissern, daß die der Kommission übermittelte Akte vollständig war, und konnte dieser weitere Einzelheiten hinzufügen, sondern sie konnte auch ihren Standpunkt in sachdienlicher Weise vortragen, weil sie bei Einreichung des zweiten Antrags bereits die vorläufige Auffassung der Kommission kannte, die diese in der Entscheidung vom 14. November 1994 zum Ausdruck gebracht hatte. Im übrigen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß sie ihren Standpunkt unbehindert habe darlegen können und ihr Anhörungsrecht im vorliegenden Fall beachtet worden sei.

50 Unter diesen Umständen ist nicht belegt, daß die festgestellten Unregelmäßigkeiten zu einer anderen Entscheidung in der Sache hätten führen können. Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes

Vorbringen der Parteien

51 Die Klägerin macht geltend, die streitige Entscheidung verletze den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil die Kommission bei ihr berechtigte Erwartungen geweckt habe, daß ihr die streitigen Abschöpfungen erstattet würden. Für diesen zweiten Klagegrund führt sie drei Argumente an.

52 Erstens habe die Kommission die Zulässigkeit ihres am 16. Mai 1994 eingegangenen ursprünglichen Antrags auf Erstattung mit der Begründung, es fehle eine Akteneinsichtserklärung, erst am 31. Mai 1996 in Zweifel gezogen. Aufgrund dieses Zeitraums habe sie davon ausgehen dürfen, daß dieser Antrag wirksam gestellt worden sei.

53 Zweitens habe sie aus der Rücknahme der Entscheidung vom 14. November 1994 zu Recht den Schluß ziehen dürfen, daß die Kommission über ihren ersten Erstattungsantrag nicht innerhalb der Frist nach der Verordnung Nr. 2454/93 entschieden habe, und erwarten können, daß die niederländischen Behörden folglich die streitigen Abschöpfungen erstatten würden.

54 Drittens habe sie im Rahmen der Rechtssache T-89/95 die Nichtigerklärung der Entscheidung vom 14. November 1994 mit der Begründung beantragt, daß sie regelwidrig ausgefertigt worden sei. Am 4. September 1995 habe der zuständige Sachbearbeiter bei der Kommission während eines Telefongesprächs ihrem Rechtsberater erklärt, daß die Entscheidung tatsächlich einen Formfehler aufweise und die Kommission unter diesen Umständen bereit sei, die Angelegenheit gütlich zu regeln. Sie habe daher darauf vertrauen dürfen, daß sie obsiegt habe und die Kommission ihrem Erstattungsantrag stattgeben werde.

55 Die Kommission entgegnet, die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, daß ihr erster Erstattungsantrag begründet sei und ihm daher stattgegeben werde.

56 Sie habe ihre Entscheidung vom 14. November 1994 in angemessener Frist zurückgenommen, nachdem sie das Urteil France-aviation zur Kenntnis genommen und festgestellt habe, daß das Verfahren zu ihrem Erlaß nicht dem Gemeinschaftsrecht entsprochen habe.

57 Infolge des Urteils France-aviation habe sie erneut über den Erstattungsantrag der Klägerin entscheiden und dabei darauf achten müssen, daß diese ihr Anhörungsrecht wahrnehmen könne.

58 Zwar sei richtig, daß in der Rechtssache T-89/95 ihr Bediensteter erklärt habe, die Entscheidung vom 14. November 1994 sei regelwidrig ausgefertigt worden, nicht jedoch, daß sie bereit sei, aus diesem Grund in Verhandlungen einzutreten. Am 13. Oktober 1995 habe ihr Bediensteter bei einem zweiten Telefongespräch mit dem Rechtsberater der Klägerin diesem erklärt, die Rücknahme der Entscheidung hänge davon ab, wie der Gerichtshof in der Rechtssache C-286/95 P über ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-37/91 (ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1901) wegen desselben Formfehlers entscheiden werde. Sie habe dann letztlich die Entscheidung aus einem anderen Grund zurückgenommen, der mit den im Urteil France-aviation aufgestellten Anforderungen an die Wahrung des rechtlichen Gehörs zusammenhänge.

Würdigung durch das Gericht

59 Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes kann sich jeder berufen, bei dem die Gemeinschaftsverwaltung begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile des Gerichtshofes vom 11. März 1987 in der Rechtssache 265/85, Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products/Kommission, Slg. 1987, 1155, Randnr. 44, und vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, Randnr. 26; Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache T-203/96, Embassy Limousines & Services/Parlament, Slg. 1998, II-4239, Randnr. 74, sowie Urteil Exporteurs in Levende Varkens, Randnr. 148). Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (Urteile des Gerichts vom 14. September 11995 in der Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr. 72, und vom 29. Januar 1998 in der Rechtssache T-113/96, Dubois et Fils/Rat und Kommission, Slg. 1998, II-125, Randnr. 68).

60 Die von der Klägerin vorgebrachten Argumente belegen in keiner Weise, daß die Kommission ihr die Zusicherung gegeben hätte, daß die streitigen Abschöpfungen ihr erstattet würden.

61 Erstens durfte die Klägerin zwar davon ausgehen, daß ihr erster Erstattungsantrag zulässig war (vgl. Randnrn. 41 und 42 dieses Urteils), sie durfte jedoch daraus nicht den Schluß ziehen, daß die Gewährung der beantragten Erstattung gerechtfertigt war. Die Kommission mußte nämlich nach Rücknahme der Entscheidung vom 14. November 1994, wie bereits in den Randnummern 36 und 37 dieses Urteils ausgeführt wurde, das Verwaltungsverfahren wiedereröffnen und eine neue Entscheidung treffen, nicht ohne der Klägerin zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, ihr Recht auf Anhörung wahrzunehmen.

62 Zweitens durfte die Klägerin die Rücknahme der Entscheidung vom 14. November 1994 nicht dahin verstehen, daß die Kommission nicht innerhalb der sechsmonatigen Frist entschieden habe. Die Kommission mußte nämlich, wie bereits in den Randnummern 38 und 39 dieses Urteils ausgeführt wurde, eine neue Entscheidung über den Erstattungsantrag der Klägerin erlassen, nachdem diese zuvor angehört worden war, wobei die Frist nach Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93 mit der Rücknahmeentscheidung vom 31. Mai 1996 zu laufen begann.

63 Schließlich ist nicht nachgewiesen, daß die Kommission der Klägerin im Rahmen der Rechtssache T-89/95 die Zusicherung gegeben hätte, daß ihrem Erstattungsantrag nach Verhandlung stattgegeben werde. Außerdem ist zu bedenken, daß die Kommission, selbst wenn die Entscheidung vom 14. November 1994 vom Gericht wegen eines Fehlers bei ihrer Ausfertigung für nichtig erklärt worden wäre, nach Behebung des festgestellten Formmangels eine neue Entscheidung über den Antrag hätte erlassen können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-305/94, T-306/94, T-307/94, T-313/94, T-314/94, T-315/94, T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 1999, II-931, Randnr. 98).

64 Demgemäß ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79

Vorbringen der Parteien

65 Die Klägerin rügt, die Kommission habe mit ihrer Annahme, eine Erstattung der streitigen Abschöpfungen nach dieser Vorschrift sei nicht gerechtfertigt, obwohl die beiden Voraussetzungen für ihre Anwendung vorgelegen hätten, gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 verstoßen.

66 Die Kommission entgegnet unter Hinweis auf Randnummer 34 des Urteils France-aviation, daß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 ihr einen weiten Beurteilungsspielraum zugestehe, so daß nur offensichtliche Beurteilungsfehler vom Gemeinschaftsrichter geahndet werden könnten. Sie habe aber im vorliegenden Fall keinen Fehler begangen. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen, habe der Abgabenschuldner nicht ohne weiteres ein Recht auf Erstattung.

- Zum Vorliegen besonderer Umstände

67 Die Klägerin beruft sich auf zwei Gesichtspunkte, die für die Kommission hätten Anlaß sein müssen, besondere Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 festzustellen.

68 Erstens schreibe das niederländische Recht, wie es zum maßgebenden Zeitpunkt gegolten habe, für die Nacherhebung von Einfuhrabgaben eine Verjährungsfrist von drei und für die Nacherhebung von Agrarabschöpfungen eine Verjährungsfrist von 30 Jahren vor. Nach dem Zollrecht der Gemeinschaft beliefen sich diese Fristen hingegen in beiden Fällen auf drei Jahre (Artikel 2 der Verordnung [EWG] Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet, ABl. L 197, S. 1; nachstehend: Verordnung Nr. 1697/79). Wenn im vorliegenden Fall eine Frist von drei Jahren angewandt worden wäre, hätte die Zahlung der streitigen Abschöpfungen nicht mehr von ihr verlangt werden dürfen. Ferner sehe das niederländische Recht im Gegensatz zum Zollrecht der Gemeinschaft vor, daß Auftraggeber und Beauftragter gemeinsam für die Einfuhrabgaben hafteten, während bei Agrarabschöpfungen nur der Auftraggeber verantwortlich gemacht werden könne. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin klargestellt, daß die niederländischen Behörden jedenfalls die streitigen Abschöpfungen nicht mehr bei Ruva hätten erheben können, weil dieses Unternehmen in der Zwischenzeit zahlungsunfähig geworden sei und sich im Konkurs befinde. Aus den gleichen Gründen habe sie sich nicht mehr bei Ruva schadlos halten können. Letztlich müsse die Gemeinschaft die Folgen dieses Konkurses tragen.

69 Zweitens lege Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 die Voraussetzungen fest, unter denen die nationalen Behörden auf die nachträgliche Erhebung noch nicht entrichteter Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben verzichten könnten. Nach der Rechtsprechung seien diese Voraussetzungen gegeben, wenn "ein Wirtschaftsteilnehmer gutgläubig Angaben macht, die zwar unrichtig oder unvollständig, gleichwohl aber die einzigen sind, die er vernünftigerweise kennen oder sich beschaffen und damit in der Zollerklärung verwenden konnte" (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache C-348/89, Mecanarte, Slg. 1991, I-3277, Randnr. 29).

70 Die Klägerin verweist weiter darauf, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 1. April 1993 in der Rechtssache C-250/91 (Hewlett Packard France, Slg. 1993, I-1819, Randnr. 46) für Recht erkannt habe, daß die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 im Lichte der Voraussetzungen von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 zu würdigen seien. Die Kommission müsse daher einem Erstattungsantrag gemäß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 stattgeben, wenn sich der Betroffene auf ähnliche Umstände wie die in Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 genannten berufe.

71 Solche Umstände seien aber im vorliegenden Fall gegeben. Die niederländischen Behörden hätten nämlich ständig anerkannt, daß sie in ihren Zollanmeldungen gutgläubig die Einfuhrangaben von Ruva übernommen habe. Bei ihren Anmeldungen habe sie die von Ruva erstellten Rechnungen einer Reihe von amtlichen Stellen vorgelegt, die zu keiner Zeit an der Richtigkeit der dort angegebenen Beträge gezweifelt hätten. Im übrigen hätten die niederländischen Behörden das betrügerische Verhalten von Ruva erst nach einer gründlichen Untersuchung aufgedeckt, die mit Mitteln durchgeführt worden sei, über die sie nicht verfüge. Da sie keinen Zugang zur Buchführung von Ruva gehabt habe, habe sie auch die Zahlen in den Rechnungen dieses Unternehmens inhaltlich nicht überprüfen können.

72 Die Kommission macht geltend, die Klägerin berufe sich zu Unrecht darauf, daß die gemeinschaftliche Zollregelung Einfuhrabgaben und Agrarabschöpfungen in gleicher Weise behandele. Zwar treffe Artikel 2 der Verordnung Nr. 1697/79 keine Unterscheidung zwischen diesen beiden Abgabenarten, jedoch bestimmte Artikel 3 dieser Verordnung, daß die Nacherhebung durch die zuständigen Behörden gemäß den in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen erfolge, wenn die Behörden feststellten, daß sie den Betrag der Abgaben infolge von Handlungen, die strafrechtlich verfolgbar seien, nicht genau hätten ermitteln können. Weiterhin habe der Gerichtshof entschieden, daß Artikel 3 der Verordnung Nr. 1697/79 nach Maßgabe des nationalen Rechts auszulegen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 27. November 1991 in der Rechtssache C-273/90, Meico-Fell, Slg. 1991, I-5569, Randnr. 12). Folglich seien Unterschiede zwischen den Verordnungen normal und stellten damit keine besonderen Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 dar.

73 Im übrigen bestreite sie, daß die betrügerische Erstellung der Rechnungen durch Ruva ein besonderer Umstand sein könne, der eine Erstattung der streitigen Abschöpfungen rechtfertigen könne. Nach der Rechtsprechung habe der gutgläubige Importeur die Entrichtung der Abgaben für die Einfuhr einer Ware zu übernehmen, wenn der Exporteur bei diesem Anlaß einen Zollverstoß begangen habe (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-97/95, Pascoal & Filhos, Slg. 1997, I-4209, Randnr. 55 bis 61). Er habe nämlich das Risiko einer Erstattungsklage zu tragen und im Rahmen seiner Vertragsbeziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen ein solches Risiko abzusichern (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Mai 1996 in den Rechtssachen C-153/94 und C-204/94, Faroe Seafood u. a., Slg. 1996, I-2665, Randnr. 114, und Pascoal & Filhos, Randnr. 60). Andernfalls gäbe es einen Anreiz für den Importeur, weder die Richtigkeit der Angaben, die der Exporteur den Behörden des Exportlandes mache, noch dessen Gutgläubigkeit zu überprüfen, was zu Mißbräuchen führe (Urteil Pascoal & Filhos, Randnr. 57).

- Zum Fehlen einer betrügerischen Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit

74 Die Klägerin bringt vor, eine betrügerische Absicht könne ihr im vorliegenden Fall nicht vorgeworfen werden, da sie in keiner Weise an der Fälschung der Rechnungen durch Ruva beteiligt gewesen sei. Sie habe auch nicht offensichtlich fahrlässig gehandelt, weil sie äußerlich die betrügerische Anfertigung dieser Rechnungen nicht habe bemerken können (Urteil Eyckeler & Malt/Kommission, Randnrn. 141 und 142). Da die Kommission dies alles in der streitigen Entscheidung nicht berücksichtigt habe, habe sie gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 verstoßen.

75 Die Kommission steht auf dem Standpunkt, daß das Fehlen einer betrügerischen Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit auf Seiten der Klägerin eine Erstattung der streitigen Abschöpfungen nicht rechtfertigen könne. Diese hätte nämlich weiter belegen müssen, daß besondere Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 vorgelegen hätten.

Würdigung durch das Gericht

76 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß es sich nach ständiger Rechtsprechung bei Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 um eine auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel handelt, die andere als die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Fälle erfassen soll, für die bei Erlaß der Verordnung eine besondere Regelung geschaffen werden konnte (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1983 in der Rechtssache 283/82, Papierfabrik Schoellershammer, Slg. 1983, 4219, Randnr. 7, vom 26. März 1987 in der Rechtssache 58/86, Coopérative agricole d'approvisionnement des Avirons, Slg. 1987, 1525, Randnr. 22, und vom 18. Januar 1996 in der Rechtssache C-446/93, SEIM, Slg. 1996, I-73, Randnr. 41; Urteil Eyckeler & Malt/Kommission, Randnr. 132).

77 Diese Bestimmung findet insbesondere Anwendung, wenn es angesichts des Verhältnisses zwischen Wirtschaftsteilnehmer und Verwaltung unbillig wäre, den Wirtschaftsteilnehmer einen Schaden tragen zu lassen, den er bei normalem Verlauf nicht erlitten hätte (Urteile Coopérative agricole d'approvisionnement des Avirons, Randnr. 22, und Eyckeler & Malt/Kommission, Randnr. 132).

78 Bei der Anwendung von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 verfügt die Kommission zwar über einen Beurteilungsspielraum (Urteil France-aviation, Randnr. 34), sie muß dabei aber das Interesse der Gemeinschaft an der Beachtung der Zollbestimmungen und das Interesse des gutgläubigen Wirtschaftsteilnehmers daran, keine Nachteile zu erleiden, die über das normale Geschäftsrisiko hinausgehen, gegeneinander abwägen (Urteil Eyckeler & Malt/Kommission, Randnr. 133).

- Zum Vorliegen besonderer Umstände

79 Zum ersten Punkt, den die Klägerin insoweit anführt, ist darauf hinzuweisen, daß nach der ausdrücklichen Regelung des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1697/79, wenn "die zuständigen Behörden fest[stellen], daß sie den Betrag der Abgaben infolge von Handlungen, die strafrechtlich verfolgbar sind, nicht genau ermitteln konnten,... die Nacherhebung durch die zuständigen Behörden gemäß den in den Mitgliedstaaten geltenden Bestimmungen [erfolgt]". Da bei der in dieser Vorschrift geregelten Fallgestaltung ausdrücklich bestimmt wird, daß die Nacherhebung der Zollabgaben gemäß den Modalitäten des nationalen Rechts erfolgt, können in der Tat Unstimmigkeiten zwischen den nationalen Rechtsvorschriften und der für andere Fälle geltenden gemeinschaftlichen Zollregelung auftreten.

80 Das Auftreten solcher Unstimmigkeiten ist ein objektiver Umstand, der für eine unbegrenzte Zahl von Wirtschaftsteilnehmern gilt und damit keinen besonderen Umstand im Sinne des genannten Artikels 13 darstellt (Urteil Coopérative agricole d'approvisionnement des Avirons, Randnr. 22).

81 Dem Vorbringen der Klägerin, sie habe die streitigen Abschöpfungen von Ruva nicht zurückerhalten können, weil dieses Unternehmen in der Zwischenzeit zahlungsunfähig geworden sei, kann nicht gefolgt werden. Insoweit genügt der Hinweis, daß Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 ganz offenbar nicht den Zweck hat, Zollspediteure gegen den Konkurs ihrer Kunden zu schützen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 13. November 1984 in den Rechtssachen 98/83 und 230/83, Van Gend & Loos/Kommission, Slg. 1984, 3763, Randnr. 16).

82 Auch dem zweiten Argument der Klägerin, der betrügerische Charakter der ihr von Ruva vorgelegten Rechnungen stelle einen besonderen Umstand im Sinne des genannten Artikels 13 dar, kann nicht gefolgt werden. Die Kommission hat mit ihrer Annahme, daß dies zu den Berufsrisiken gehöre, denen sich ein Zollspediteur entsprechend seinen Aufgaben aussetze, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

83 Nach ständiger Rechtsprechung stellt es nämlich keine besonderen Umstände dar, die einen Erlaß oder eine Erstattung der Einfuhrabgaben rechtfertigen, wenn gutgläubig Papiere vorgelegt worden sind, die sich später als gefälscht oder unrichtig erweisen (Urteil Eyckeler & Malt/Kommission, Randnr. 162). Ein Zollspediteur haftet dem Wesen seiner Tätigkeit entsprechend sowohl für die Zahlung der Eingangsabgaben als auch für die Ordnungsmäßigkeit der Dokumente, die er den Zollbehörden vorlegt (Urteil Van Gend & Loos/Kommission, Randnr. 16), so daß für die abträglichen Folgen des Fehlverhaltens seiner Kunden nicht die Gemeinschaft einstehen kann. So ist z. B. in der Rechtsprechung entschieden worden, daß es keinen besonderen Umstand darstellt, daß Ursprungszeugnisse, die sich als ungültig herausstellten, von den Zollbehörden der in ihnen genannten Länder ausgestellt worden waren. Dies gehört zu den mit der Tätigkeit des Zollspediteurs verbundenen Berufsrisiken.

84 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin lediglich geltend, sie habe den Zollbehörden gutgläubig gefälschte Dokumente vorgelegt. Sie bringt indessen nichts dafür vor, daß dieser Betrug über das normale und von ihr zu tragende geschäftliche Risiko hinausgegangen wäre.

85 Schließlich ist zu der Parallele, die die Klägerin zwischen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 und Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 sehen will, darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof zwar entschieden hat, daß die beiden Vorschriften denselben Zweck verfolgen, nämlich die Nacherhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben auf die Fälle zu beschränken, in denen sie gerechtfertigt und mit dem fundamentalen Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist, daß er jedoch die beiden Vorschriften nicht als übereinstimmend angesehen hat. Vielmehr hat er sich auf die Erwägung beschränkt, daß die Erkennbarkeit des Irrtums der zuständigen Behörden im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1697/79 der betrügerischen Absicht oder der offensichtlichen Fahrlässigkeit im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 entspricht, so daß dessen Anwendungsvoraussetzungen im Licht der Voraussetzungen des genannten Artikels 5 Absatz 2 zu beurteilen sind (Urteil Eyckeler & Malt/Kommission, Randnrn. 136 und 137).

86 Die Kommission hat daher mit ihrer Annahme, daß die von der Klägerin angeführten Umstände keine besonderen Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 seien, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

- Zum Fehlen einer betrügerischen Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit

87 Die Anwendung des Artikels 13 der Verordnung Nr. 1430/79 hängt nach seinem Wortlaut von zwei nebeneinander zu erfuellenden Voraussetzungen ab, nämlich dem Vorliegen besonderer Umstände sowie dem Fehlen offensichtlicher Fahrlässigkeit oder betrügerischer Absicht, so daß die Erstattung der Abgaben bereits dann zu versagen ist, wenn eine der beiden Voraussetzungen fehlt (Urteil des Gerichts vom 5. Juni 1996 in der Rechtssache T-75/95, Günzler Aluminium/Kommission, Slg. 1996, II-497, Randnr. 54).

88 In der streitigen Entscheidung ist die Kommission davon ausgegangen, daß der Erstattungsantrag nicht gerechtfertigt sei, weil die Klägerin das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 nicht nachgewiesen habe. Unter diesen Umständen war sie nicht verpflichtet, die zweite Voraussetzung des Fehlens einer betrügerischer Absicht oder offensichtlicher Fahrlässigkeit der Klägerin zu prüfen.

89 Demgemäß greift der dritte Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 nicht durch.

Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

90 Die Klägerin bringt vor, die streitige Entscheidung weise zwei Begründungsfehler auf. Zum einen gebe sie nicht die Gründe an, weshalb die Kommission davon ausgegangen sei, daß der erste Erstattungsantrag nicht wirksam gestellt worden sei und sie diesen Antrag mit einer neuen Entscheidung bescheiden könne. Die streitige Entscheidung habe lediglich festgestellt, daß dieser Antrag "nicht die erforderlichen Voraussetzungen [erfuellt]". Sie habe erst bei Durchsicht des Schreibens der Kommission vom 4. Juni 1996 an die niederländischen Behörden verstanden, daß mit diesen "Voraussetzungen" die Akteneinsichtserklärung gemeint gewesen sei. Wenn diese Behörden ihr nicht eine Kopie dieses Schreibens übermittelt hätten, wäre sie nicht in der Lage gewesen, ihre Interessen in diesem Verfahren wahrzunehmen. Zum anderen gebe die streitige Entscheidung auch nicht die Gründe an, weshalb es nicht als besonderer Umstand im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 angesehen werden könne, daß das niederländische Recht die Nacherhebung von Einfuhrabgaben und von Agrarabschöpfungen unterschiedlichen Verjährungsfristen unterwerfe. Da die Frage diskriminierender Nacherhebungsfristen noch nie vom Gemeinschaftsrichter geprüft worden sei, hätte die Kommission sich damit in ihrer Begründung befassen müssen.

91 Die Kommission hält die streitige Entscheidung für ausreichend begründet. Zum einen sei klar angegeben, daß die Entscheidung vom 14. November 1994 wegen des Urteils France-aviation zurückgenommen werde, und zwar deshalb, weil das Verfahren, in dem die Entscheidung getroffen worden sei, der Klägerin keine Gelegenheit gegeben habe, ihr Anhörungsrecht auszuüben. Da zum anderen die Kommission nicht zuständig sei, die Nacherhebungsfristen, wie sie von den Mitgliedstaaten für den Fall strafbarer Handlungen festgelegt worden seien, abzuändern oder zu kommentieren, habe sich die streitige Entscheidung auf die Feststellung beschränken dürfen, daß unterschiedliche Fristen gälten und daß diese Unterschiede keine besonderen Umstände darstellten, die die Erstattung der streitigen Abschöpfungen rechtfertigen könnten.

Würdigung durch das Gericht

92 Nach ständiger Rechtsprechung muß die nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung eines Rechtsakts brauchen jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts diesen Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 6. Juli 1993 in den Rechtssachen C-121/91 und C-122/91, CT Control [Rotterdam] und JCT Benelux/Kommission, Slg. 1993, I-3873, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache T-195/97, Kia Motors und Broekman Motorships/Kommission, Slg. 1998, II-2907, Randnr. 34).

93 Die erste Rüge der Klägerin entbehrt jeder Grundlage. Wie sie selbst einräumt, kannte sie das Schreiben vom 4. Juni 1996, mit dem die Kommission den niederländischen Behörden mitteilte, daß dem Antrag auf Erlaß oder Erstattung, um das Anhörungsrecht des betreffenden Antragstellers zu gewährleisten, eine vom ihm unterzeichnete Akteneinsichtserklärung des Inhalts beigefügt sein müsse, daß er Einsicht in die Akte genommen und dieser nichts hinzuzufügen habe. In diesem Schreiben hat die Kommission zugleich erklärt, daß der erste Erstattungsantrag "weder gültig noch zulässig" sei, weil eine Akteneinsichtserklärung fehle. Die gleichen Erläuterungen wurden der Klägerin von den niederländischen Behörden mit Schreiben vom 30. Dezember 1996 übermittelt. Unter diesen Umständen mußte die Klägerin ohne weiteres verstehen, daß mit den "erforderlichen Voraussetzungen", die in der streitigen Entscheidung genannt wurden, die Akteneinsichtserklärung gemeint war. Im übrigen ist festzustellen, daß sowohl die beiden Schreiben als auch die streitige Entscheidung klar zum Ausdruck bringen, daß die Entscheidung vom 14. November 1994 wegen des Urteils France-aviation mit der Begründung zurückgenommen wurde, daß das Anhörungsrecht der Klägerin im Verwaltungsverfahren nicht beachtet worden sei, zumal sie bereits Gegenstand einer Nichtigkeitsklage geworden war.

94 Ferner ist festzuhalten, daß in der streitigen Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß für den Fall strafbarer Handlungen die Nacherhebung von Abgaben nach den Fristen des nationalen Rechts erfolgt, so daß Unterschiede auftreten können, die aber keine besonderen Umstände im Sinne von Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 darstellen. Dieser Feststellung ist durchaus zu entnehmen, daß nach Auffassung der Kommission die Geltung abweichender nationaler Rechtsvorschriften einer Rechtswirklichkeit entspricht, die allgemein und objektiv für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gilt, so daß die Lage der Klägerin keinerlei Besonderheit aufweist.

95 Demgemäß kann der Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht nicht durchdringen.

96 Die Klage ist somit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

97 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die gesamten Kosten.

Ende der Entscheidung

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