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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 07.11.1996
Aktenzeichen: T-298/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 1543/93, EG-Vertrag
Vorschriften:
VO (EWG) Nr. 1543/93 Art. 8 | |
EG-Vertrag Art. 177 | |
EG-Vertrag Art. 173 |
Die Klage eines Kartoffelstärkeerzeugers gegen die Verordnung Nr. 1868/94 zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung ist unzulässig. Der Umstand, daß durch diese Verordnung für einen Mitgliedstaat eine besondere Regelung eingeführt wird, ist unerheblich.
Diese Verordnung ist nämlich generell und abstrakt formuliert und gilt in allen Mitgliedstaaten, ohne daß die Lage der einzelnen Erzeuger in irgendeiner Weise berücksichtigt würde, so daß sie für objektiv bestimmte Tatbestände gilt und Rechtsfolgen für eine generell und abstrakt umschriebene Personengruppe zeitigt. Die einem Mitgliedstaat zugestandene besondere Behandlung ist Teil des allgemeinen Zieles dieser Verordnung und ist daher nicht an die besonderen Eigenschaften der durch die unterschiedliche Behandlung betroffenen Personen geknüpft. Darüber hinaus kann nicht angenommen werden, daß der Kläger durch diese Verordnung deshalb individuell betroffen wäre, weil diese für eine beschränkte Zahl von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern gilt, da die Anwendung der Verordnung aufgrund einer Situation erfolgt, die in ihr im Zusammenhang mit ihrer Zielsetzung objektiv umschrieben ist, nämlich der Gewährung einer Gemeinschaftsunterstützung durch die Mitgliedstaaten an die stärkeerzeugenden Unternehmen, denen die früheren Maßnahmen der Gemeinschaft zugute gekommen sind.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 7. November 1996. - Roquette Frères SA gegen Rat der Europäischen Union. - Gemeinsame Agrarpolitik - Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung - Verordnung (EG) Nr. 1868/94 - Nichtigkeitsklage - Geschlossener Kreis von Wirtschaftsteilnehmern - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-298/94.
Entscheidungsgründe:
Rechtlicher Rahmen
1 Grundverordnung für die Kartoffelstärkeerzeugung ist die Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide (ABl. L 181, S. 21, im folgenden: Grundverordnung), die sich auch auf Kartoffeln erstreckt, die bei der Stärkeerzeugung an die Stelle von Getreide treten können. Aufgrund der Erwägung, daß die spezifischen Probleme insbesondere struktureller Art, durch die der Stärkesektor belastet wird, eine Korrektur zugunsten dieses Sektors rechtfertigt, hat der Rat gemäß Artikel 8 Absatz 4 der Grundverordnung die Verordnung (EWG) Nr. 1543/93 des Rates vom 14. Juni 1993 zur Festsetzung der den Kartoffelstärkeerzeugern in den Wirtschaftsjahren 1993/94, 1994/95 und 1995/96 zu gewährenden Prämien (ABl. L 154, S. 4, im folgenden: Verordnung Nr. 1543/93) erlassen. Nach dieser Verordnung haben die Mitgliedstaaten den Kartoffelstärkeerzeugern für das Wirtschaftsjahr 1993/94 eine Prämie pro Tonne der hergestellten Stärke zu überweisen. Dieselbe Prämie soll für die Wirtschaftsjahre 1994/95 und 1995/96 gelten, sofern die Gesamterzeugung von Kartoffelstärke nicht die Menge von 1,5 Millionen Tonnen während eines oder zwei der vorhergehenden Wirtschaftsjahre überschritten hat.
2 Da die Erzeugung im Wirtschaftsjahr 1993/94 1,5 Millionen Tonnen überschritten hat, hat der Rat aber gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 1543/93 die Änderungsverordnung (EG) Nr. 1868/94 des Rates vom 27. Juli 1994 zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung (ABl. L 197, S. 4, im folgenden: Verordnung Nr. 1868/94 oder angefochtene Verordnung) erlassen.
3 Im Rahmen der Kontingentierungsregelung wird jedem Mitgliedstaat, der Kartoffelstärke erzeugt hat, ein Kontingent zugeteilt, das nach seiner durchschnittlichen prämienbegünstigten Stärkeerzeugung in den Wirtschaftsjahren 1990/91, 1991/92 und 1992/93 berechnet wird. In Anbetracht des Übergangs von der in den neuen Bundesländern vor der Herstellung der Einheit bestehenden Planwirtschaft zur Marktwirtschaft, der damit einhergehenden Veränderung der landwirtschaftlichen Produktionsstrukturen sowie der dazu erforderlichen Investitionen wurde Deutschland ein nach der durchschnittlichen Erzeugung im Wirtschaftsjahr 1992/93 berechnetes Kontingent zugeteilt, das um eine zusätzliche Menge von 90 000 Tonnen erhöht wurde. Ausserdem wurde eine Reserve mit einer Hoechstmenge von 110 000 Tonnen geschaffen, um die in Deutschland im Wirtschaftsjahr 1996/97 erreichte Erzeugung abzudecken, sofern diese Erzeugung aus Investitionen folgt, die in irreversibler Weise vor dem 31. Januar 1994 eingeleitet wurden.
4 Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Kontingente auf die kartoffelstärkeerzeugenden Unternehmen für die Wirtschaftsjahre 1995/96, 1996/97 und 1997/98 aufzuteilen. Die Kontingente jedes einzelnen Stärkeerzeugers werden denjenigen zugeteilt, die eine Prämie erhalten haben, und werden entweder nach Maßgabe der durchschnittlichen Stärkemenge, die in den Wirtschaftsjahre 1990/91, 1991/92 und 1992/93 erzeugt worden ist, oder nach Maßgabe der im Wirtschaftsjahr 1992/93 erzeugten Stärkemenge berechnet. Bei der Berechnung dieser Kontingente haben die Mitgliedstaaten ausserdem die Investitionen zu berücksichtigen, die die Unternehmen vor dem 31. Januar 1994 im Hinblick auf ihre Kartoffelstärkeerzeugung getätigt haben.
Sachverhalt und Verfahren
5 Die Klägerin betreibt in Frankreich zwei kartoffelstärkeerzeugende Unternehmen. Sie erhielt im Wirtschaftsjahr 1993/94 eine Prämie pro Tonne hergestellte Stärke gemäß der Verordnung Nr. 1543/93. Sie hatte daher auch Anspruch auf ein Kontingent nach der durch die Verordnung Nr. 1868/94 eingeführte Kontingentierungsregelung.
6 Die Klägerin hält diese Regelung für diskriminierend und hat mit Klageschrift, die bei der Kanzlei des Gerichts am 30. September 1994 eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 1868/94 erhoben.
7 Mit bei der Kanzlei des Gerichts am 8. November 1994 eingegangenem Schriftsatz hat der Rat mit der Begründung eine Unzulässigkeitseinrede erhoben, daß die Klägerin durch den angefochtenen Rechtsakt weder unmittelbar noch individuell betroffen sei.
8 In ihren am 12. Dezember 1994 eingereichten Erklärungen zur Unzulässigkeitseinrede hat die Klägerin die Zurückweisung dieser Einrede beantragt.
9 Am 13. Februar 1995 hat die Kommission einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates gestellt; diesem Antrag ist durch Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 3. April 1995 stattgegeben worden.
10 Der Streithilfeschriftsatz der Kommission zur Zulässigkeit ist am 26. April 1995 eingegangen.
11 Durch Beschluß vom 25. Oktober 1995 hat die Vierte Kammer des Gerichts die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten.
12 Am 24. Januar 1996 hat die Kommission einen Streithilfeschriftsatz in der Sache eingereicht.
13 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
14 Die Beteiligten haben in der öffentlichen Sitzung vom 11. Juli 1996 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet. Dabei hat die Klägerin angegeben, sie habe auch beim Tribunal administratif Amiens Klage mit dem Antrag erhoben, die französischen Verordnungen mit den Durchführungsbestimmungen der angefochtenen Verordnung für nichtig zu erklären; im Rahmen dieses Verfahrens sei das Tribunal administratif aufgefordert worden, Artikel 177 EG-Vertrag anzuwenden und den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach der Gültigkeit der angefochtenen Verordnung zu fragen.
Anträge der Beteiligten
15 Die Klägerin beantragt,
- die Verordnung Nr. 1868/94 für nichtig zu erklären;
- dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
16 Der Beklagte beantragt,
- die Klage für unzulässig zu erklären und - hilfsweise - sie als nicht begründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
17 Die Streithelferin beantragt,
- die Klage für unzulässig zu erklären und - hilfsweise - sie als nicht begründet abzuweisen.
Vorbringen der Beteiligten
18 Die Klägerin stützt ihre Anträge auf zwei Gründe für die Nichtigerklärung: Zum einen liege insoweit ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot vor, als es keine sachliche Rechtfertigung für die spezifische Behandlung Deutschlands gebe; zweitens werde gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen, da die spezifische Behandlung Deutschlands zumindest übertrieben sei.
19 Der Rat und die Kommission machen in erster Linie geltend, die Klage sei unzulässig; hilfsweise tragen sie vor, sie sei nicht begründet.
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Beteiligten
20 Der Rat trägt vor, die Klägerin sei durch die angefochtene Verordnung weder unmittelbar noch individuell betroffen.
21 Damit ein einzelner als unmittelbar betroffen angesehen werden könne, müssten die Wirkungen einer angefochtenen Verordnung sich notwendigerweise und automatisch aus dem Rechtsakt ergeben, ohne daß es einer weiteren unabhängigen Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans oder eines Staates in Ausübung eines Ermessens bedürfe (siehe Urteile des Gerichtshofes vom 16. Juni 1970 in der Rechtssache 69/69, Alcan Aluminium Rären u. a./Kommission, Slg. 1970, 385, und vom 6. März 1979 in der Rechtssache 92/78, Simmenthal/Kommission, Slg. 1979, 777).
22 Die individuellen Kontingente würden nicht unmittelbar in der Verordnung 1868/94 bestimmt, sondern von den Mitgliedstaaten bei der in deren Ermessen liegenden Wahl des anwendbaren Bezugszeitraums festgelegt; der eine oder der andere Bezugszeitraum könne erhebliche Folgen für die Höhe der individuellen Kontingente haben, vor allem wenn es während des berücksichtigten Zeitraums erhebliche Änderungen bei den hergestellten Mengen gegeben habe, was in Deutschland der Fall sei.
23 In diesem Zusammenhang seien die Mitgliedstaaten auch verpflichtet, "vor dem 31. Januar 1994 getätigten Investitionen Rechnung [zu tragen], die keine Erzeugung in dem von diesem Mitgliedstaat gewählten Bezugszeitraum mit sich gebracht haben" (siehe Artikel 2 Absatz 2 der angefochtenen Verordnung).
24 Die angefochtene Verordnung stelle einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung dar, der Wirkungen für alle Wirtschaftsteilnehmer entfalte. Es handele sich daher nicht um eine als Verordnung ergangene Entscheidung im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages. Der Gerichtshof habe festgestellt, daß eine Handlung ihren Charakter als Verordnung nicht dadurch verliere, daß sich die Personen, auf die sie in einem gegebenen Zeitpunkt anzuwenden sei, der Zahl nach oder sogar namentlich bestimmen ließen, sofern nur feststehe, daß sie aufgrund eines durch sie im Hinblick auf ihren Zweck festgelegten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar sei (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1968 in der Rechtssache 6/68, Zuckerfabrik Watenstedt/Rat, Slg. 1968, 612, und vom 24. November 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-15/91 und C-108/91, Buckl u. a./Kommission, Slg. 1992, I-6061, Randnr. 25). Die Klägerin befinde sich in der gleichen Lage wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, nämlich in der gleichen Lage wie alle stärkeerzeugenden Unternehmen, die während des einen oder des anderen Bezugszeitraums Stärke hergestellt hätten. Die angefochtene Verordnung berühre die Klägerin daher nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 20).
25 Die Klägerin ist der Auffassung, der als Verordnung erlassene angefochtene Rechtsakt sei jedoch als eine Entscheidung anzusehen, die sie unmittelbar und individuelle betreffe; sie habe daher ein persönliches Rechtsschutzinteresse nachgewiesen.
26 Was die Notwendigkeit angehe, unmittelbar betroffen zu sein, so betrage der Unterschied zwischen dem Ergebnis der einen oder anderen der beiden in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Berechnungsmethoden in Frankreich nur 0,2 %. Da der Beurteilungsspielraum der französischen Regierung somit gegen Null tendiere, sei davon auszugehen, daß der nationale Vollzug rein automatischen Charakter habe (siehe u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 29. März 1979 in der Rechtssache 113/77, NTN Toyo Bearing u. a./Rat, Slg. 1979, 1185).
27 Die Vorschrift in der angefochtenen Verordnung, wonach den vor dem 31. Januar 1994 getätigten Investitionen Rechnung zu tragen sei, wirke sich auf die Bestimmung der individuellen Kontingente in Frankreich nicht aus, weil die französischen Stärkehersteller keine Investitionen getätigt hätten.
28 Sodann macht die Klägerin geltend, die Verordnung betreffe sie individuell. Die angefochtene Verordnung gelte für eine beschränkte Zahl von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern, deren besondere Lage sich auf den Inhalt der Verordnung ausgewirkt habe, denn das zugeteilte Kontingent werde nach Maßgabe der in den letzten Jahren hergestellten Mengen berechnet. Die Klägerin habe daher eine "besondere Eigenschaft", da sie diese nur mit einer sehr beschränkten Zahl von Wirtschaftsteilnehmern teile, und "die sie heraushebenden Umstände" lägen darin, daß sie in den letzten Wirtschaftsjahren die prämienbegünstigte Stärkemenge hergestellt habe (siehe Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, und vom 18. November 1975 in der Rechtssache 100/74, CAM/Kommission, Slg. 1975, 1393, sowie Beschlüsse des Gerichtshofes vom 7. Dezember 1988 in der Rechtssache 138/88, Flourez u. a./Rat, Slg. 1988, 6393, vom 4. Dezember 1991 in der Rechtssache C-225/91 R, Matra/Kommission, Slg. 1991, I-5823, und vom 24. Mai 1993 in der Rechtssache C-131/92, Arnaud u. a./Rat, Slg. 1993, I-2573).
29 Die Kommission trägt zunächst vor, der angefochtene Rechtsakt sei vom Rat erlassen worden, um die Entwicklung der Kartoffelstärkeherstellung unter Kontrolle zu bringen, die im Wirtschaftsjahr 1993/94 die zuvor festgesetzte Schwelle von 1,5 Millionen Tonnen überschritten habe. Dieser Akt habe Normcharakter und stelle keine in Form einer Verordnung erlassene Entscheidung dar, da er in Anbetracht einer objektiv festgestellten und unbestrittenen Marktlage die Maßnahme zur Beschränkung der Erzeugung eingeführt habe, die dem Gemeinschaftsgesetzgeber als am besten geeignet erschienen sei. Diese Beschränkungsmaßnahme richte sich allgemein und abstrakt an Personengruppen, die nach ihrer objektiven Eigenschaft als kartoffelstärkeerzeugende Unternehmen bestimmt seien.
30 Die Kommission weist sodann das Vorbringen der Klägerin zurück, wonach diese deshalb individuell betroffen gewesen sei, weil sie zu einem geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehöre, deren besondere Stellung sich auf den Inhalt des angefochtenen Aktes ausgewirkt habe.
31 Nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des Gerichtshofes sei nicht die Feststellung, daß es einen Kreis von betroffenen Personen gebe, ausschlaggebend für die Entscheidung über die Frage, ob die Klägerin individuell betroffen sei oder nicht, sondern vielmehr der objektive Inhalt und die Geltungsdauer der betreffenden Verordnung. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach eine Handlung ihren Charakter als Verordnung nicht dadurch verliere, daß sich die Personen, auf die sie in einem gegebenen Zeitpunkt anzuwenden sei, der Zahl nach oder sogar namentlich bestimmen ließen, sofern nur feststehe, daß sie aufgrund eines durch sie im Hinblick auf ihren Zweck festgelegten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar sei (siehe Urteil Zuckerfabrik Watenstedt/Rat, a. a. O.).
32 Darüber hinaus müsse ein Kausalzusammenhang zwischen der Kenntnis, die das Organ von der Lage der Klägerin habe, und der erlassenen Maßnahme bestehen (siehe Schlussanträge des Generalanwalts Van Gerven zu den Urteilen des Gerichtshofes vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-213/91, Abertal/Kommission, Slg. 1993, I-3177, und in der Rechtssache C-264/91, Abertal/Rat, Slg. 1993, I-3265).
33 In diesem Zusammenhang beruft die Kommission sich auch darauf, daß der Gerichtshof in den Urteilen Abertal/Kommission und Abertal/Rat (a. a. O.), im Beschluß Arnaud u. a./Rat (a. a. O.), sowie in den Beschlüssen vom 21. Juni 1993 in den Bananen betreffenden Rechtssachen (siehe Beschluß in der Rechtssache C-257/93, Van Parijs u. a./Rat und Kommission, Slg. 1993, I-3335) die Klagen nach der Feststellung für unzulässig erklärt habe, daß die angefochtenen Bestimmungen aufgrund eines objektiv bestimmten Tatbestands anwendbar seien und Rechtsfolgen für generell und abstrakt umschriebene Personengruppen zeitigten, auch wenn die Klägerinnen geltend gemacht hätten, daß sie einen geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern bildeten. Die Klägerin habe keinen einzigen Gesichtspunkt vorgebracht, anhand dessen sich feststellen ließe, daß ihre Lage bei Erlaß des streitigen Aktes notwendigerweise hätte berücksichtigt werden müssen oder daß ein Kausalzusammenhang zwischen der besonderen Lage der Klägerin und diesem Akt bestuende.
34 Schließlich habe die Klägerin jedenfalls nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür vorgebracht - und noch weniger nachgewiesen -, daß sie sich in einer spezifischen Lage befunden hätte, die Gegenstand eines besonderen Schutzes gewesen sei, der durch den angefochtenen Akt beeinträchtigt worden sei, oder daß ihre wirtschaftliche Tätigkeit durch diesen Akt ernstlich gestört worden sei.
Würdigung durch das Gericht
35 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts können die einzelnen nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages gegen jede Entscheidung vorgehen, die sie, obwohl sie als Verordnung ergangen ist, unmittelbar und individuell betrifft. Mit dieser Bestimmung soll insbesondere verhindert werden, daß die Gemeinschaftsorgane allein durch die Wahl der Form der Verordnung die Klage eines einzelnen gegen die Entscheidung ausschließen können, die ihn unmittelbar und individuell betrifft; auf diese Weise soll klargestellt werden, daß die Wahl der Form die Rechtsnatur einer Handlung nicht ändern kann (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juni 1980 in den verbundenen Rechtssachen 789/79 und 790/79, Calpak und Società Emiliana Lavorazione Frutta/Kommission, Slg. 1980, 1949, und Beschluß des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-476/93, FRSEA und FNSEA/Rat, Slg. 1993, II-1187).
36 Das Merkmal für die Unterscheidung zwischen Verordnung und Entscheidung ist darin zu sehen, ob die fragliche Maßnahme allgemeine Geltung hat; dabei sind die Rechtsnatur der angefochtenen Maßnahme und insbesondere die Rechtswirkungen, die sie erzeugen soll oder tatsächlich erzeugt, zu untersuchen (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 26/86, Deutz und Geldermann/Rat, Slg. 1987, 941, Randnr. 7, und Beschlüsse des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Randnr. 28, und vom 24. April 1996 in der Rechtssache C-87/95 P, CNPAAP/Rat, Slg. 1996, I-2003, Randnr. 33).
37 Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß eine Vorschrift, die nach ihrer Rechtsnatur und ihrer Tragweite allgemeinen Charakter hat, eine natürliche oder juristische Person individuell betreffen kann, wenn diese wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und daher in ähnlicher Weise individualisiert wird wie der Adressat einer Entscheidung (siehe z. B. Urteile Plaumann/Kommission, a. a. O., S. 238, und Codorniu/Rat, a. a. O., Randnrn. 19 und 20, sowie Beschluß Asocarne/Rat, a. a. O., Randnr. 41).
38 Im vorliegenden Fall weist die angefochtene Verordnung kein Merkmal auf, aufgrund deren sie sich als in Form einer Verordnung erlassene Entscheidung qualifizieren ließe. Sie ist nämlich generell und abstrakt formuliert und gilt in allen Mitgliedstaaten, ohne daß die Lage der einzelnen Erzeuger in irgendeiner Weise berücksichtigt würde. Ihr Zweck besteht darin, die gesamte kartoffelstärkeerzeugende Gemeinschaftsindustrie zu bewirtschaften, was dadurch veranschaulicht wird, daß die erlassenen Maßnahmen in der Verordnung Nr. 1543/93 vorgesehen sind, wonach der Rat dann, wenn die Erzeugung der Kartoffelstärkeindustrie insgesamt 1,5 Millionen Tonnen überschreitet, über die zu treffenden Maßnahmen entscheidet (siehe oben, Randnrn. 1 bis 4).
39 Die angefochtene Verordnung gilt daher für objektiv bestimmte Tatbestände und zeitigt Rechtsfolgen für eine generell und abstrakt umschriebene Personengruppe.
40 Diese Schlußfolgerung wird nicht dadurch entkräftet, daß die durch die angefochtene Verordnung eingeführte Regelung einschließt, daß Deutschland eine besondere Behandlung zugestanden wird, denn diese besondere Behandlung ist tatsächlich Teil des allgemeinen Ziels dieser Verordnung und daher nicht an die besonderen Eigenschaften der durch die unterschiedliche Behandlung betroffenen Personen geknüpft.
41 Was das Vorbringen angeht, die Klägerin sei durch die angefochtene Verordnung deshalb "individuell betroffen", weil die Verordnung für eine beschränkte Zahl von bestimmten Wirtschaftsteilnehmern gelte, deren besondere Lage sich auf den Inhalt der Verordnung ausgewirkt habe, ist festzustellen, daß der Umstand, daß ein Wirtschaftsteilnehmer zu einem geschlossenen Kreis von Wirtschaftsteilnehmern gehört, zu dem im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung kein Rechtssubjekt hinzukommen konnte, für sich allein nicht ausreicht, um diesen Wirtschaftsteilnehmer als individuell betroffen anzusehen (siehe Urteile des Gerichts vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache T-489/93, Unifruit Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-1201, Randnr. 25, und vom 10. Juli 1996 in der Rechtssache T-482/93, Weber/Kommission, Slg. 1996, II-0000, Randnrn. 63 bis 65).
42 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts verliert ein Rechtsakt nämlich seine allgemeine Geltung und damit seinen Normcharakter nicht dadurch, daß sich die Rechtssubjekte, auf die er zu einem bestimmten Zeitpunkt Anwendung findet, der Zahl oder sogar der Identität nach mehr oder weniger genau bestimmen lassen, solange feststeht, daß diese Anwendung aufgrund einer objektiven rechtlichen oder tatsächlichen Situation erfolgt, die in dem Rechtsakt im Zusammenhang mit seiner Zielsetzung umschrieben ist (siehe z. B. Urteil Zuckerfabrik Watenstedt/Rat, a. a. O., S. 621, Beschluß des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-183/94, Cantina cooperativa fra produttori vitivinicoli di Torre di Mosto u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1941, Randnr. 48, und Urteil Weber/Kommission, a. a. O., Randnr. 64).
43 Im vorliegenden Fall wird die Klägerin durch die in Frage stehenden Vorschriften aber gerade aufgrund einer Situation berührt, die in der angefochtenen Verordnung im Zusammenhang mit deren Zielsetzung umschrieben wird. Wenn die Zahl der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer beschränkt ist, so liegt dies nämlich an der Natur der durch diese Verordnung geschaffenen Regelung als solche, d. h. der Gewährung einer Gemeinschaftsunterstützung durch die Mitgliedstaaten an die stärkeerzeugenden Unternehmen, denen die früheren Maßnahmen der Gemeinschaft zugute gekommen sind. In diesem Zusammenhang ist ausserdem anzumerken, daß, wie der Rat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, eine solche Situation im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik nicht aussergewöhnlich ist.
44 Nach alledem befindet die Klägerin sich in der gleichen Lage wie alle anderen stärkeerzeugenden Unternehmen, die in den Wirtschaftsjahren 1990 bis 1993 eine Stärkemenge hergestellt und dafür eine Prämie erhalten haben. Keine persönliche Eigenschaft und kein tatsächlicher Umstand hebt die Klägerin daher aus dem Kreis der sonstigen Wirtschaftsteilnehmer heraus, die sich in der gleichen Lage befinden. Die Klägerin ist folglich durch die angefochtene Verordnung nicht individuell betroffen.
45 Im übrigen hat die Klägerin die französischen Verordnungen, durch die ihr ein individuelles Kontingent gemäß der Verordnung Nr. 1868/94 zugeteilt worden ist, bei dem zuständigen nationalen Gericht angefochten (siehe oben, Randnr. 14); dieses Gericht kann gegebenenfalls dem Gerichtshof nach Artikel 177 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages, in dessen Rahmen der Gerichtshof zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Gemeinschaft befugt ist, eine Frage zur Vorabentscheidung vorlegen.
46 Die Klage ist folglich als unzulässig abzuweisen, ohne daß es erforderlich wäre, sich mit der Frage zu befassen, ob die Klägerin durch diese Verordnung unmittelbar betroffen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
47 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und der Rat beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, sind ihr ausser ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates aufzuerlegen. Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Kommission als Streithelferin ihre eigenen Kosten
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten des Rates.
3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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