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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.10.1999
Aktenzeichen: T-309/97
Rechtsgebiete: Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom, EG
Vorschriften:
Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom | |
EG Art. 169-Vertrag (jetzt EG Art. 226) |
Der Beschluß 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten, der einen Verhaltenskodex für diesen Bereich enthält, ist ein Rechtsakt, der den Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten im Besitz der Kommission gewährt. Mit dem Beschluß soll der Grundsatz eines möglichst umfassenden Zugangs der Bürger zur Information umgesetzt werden, um den demokratischen Charakter der Gemeinschaftsorgane und das öffentliche Vertrauen in die Verwaltung zu stärken. Nach dem Beschluß, der allgemein gilt, kann jedermann Einsicht in jedes beliebige unveröffentlichte Kommissionsdokument beantragen, ohne seinen Antrag begründen zu müssen.
Zwar gelten für dieses Einsichtsrecht Ausnahmen, die zu zwei Kategorien gehören; diese sind jedoch eng auszulegen, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der Öffentlichkeit einen möglichst umfassenden Zugang zu Dokumenten zu gewähren, nicht zu beeinträchtigen. Nach dem - zwingend gefassten - Wortlaut der Regelung über die erste Kategorie von Ausnahmen verweigern die Organe u. a. "den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten)".
Die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, rechtfertigt es im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses, daß der Zugang zu Dokumenten in bezug auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten. Würden nämlich Dokumente, die sich auf die Untersuchungsphase eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) beziehen, während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat verbreitet, so könnte dies den ordnungsmässigen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen und sein Ziel gefährden, es dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seine Vertragspflichten freiwillig zu erfuellen oder gegebenenfalls seine Position zu rechtfertigen. Hinsichtlich eines vorbereitenden Dokuments, das sich auf diese Phase bezieht, sind deshalb die erforderlichen Voraussetzungen dafür gegeben, daß die Kommission die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses geltend macht.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 14. Oktober 1999. - The Bavarian Lager Company Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Transparenz - Zugang zur Information - Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten - Tragweite der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses - Entwurf einer mit Gründen versehenen Stellungnahme gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG). - Rechtssache T-309/97.
Entscheidungsgründe:
Rechtslage
1 Die Mitgliedstaaten nahmen in die am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichnete Schlussakte des Vertrages über die Europäische Union folgende Erklärung (Nr. 17) zum Recht auf Zugang zu Informationen auf:
"Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen."
2 Am 2. Juni 1993 legte die Kommission die Mitteilung 93/C 166/04 über die Transparenz in der Gemeinschaft vor (ABl. C 166, S. 4), in denen sie Grundsätze für den Zugang zu Dokumenten darlegte.
3 Am 6. Dezember 1993 verabschiedeten der Rat und die Kommission einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im folgenden: Verhaltenskodex) und verpflichteten sich, vor dem 1. Januar 1994 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der im Kodex festgelegten Grundsätze zu ergreifen.
4 Um dieser Verpflichtung nachzukommen, erließ die Kommission am 8. Februar 1994 den Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58). Gemäß Artikel 1 dieses Beschlusses gilt der in seinem Anhang wiedergegebene Verhaltenskodex als angenommen.
5 Der Verhaltenskodex statuiert folgenden allgemeinen Grundsatz:
"Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates. Der Ausdruck "Dokument" bezeichnet unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz der Kommission oder des Rates befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen."
6 Der Verhaltenskodex regelt zunächst, wie Anträge auf Zugang zu Dokumenten einzureichen und zu bearbeiten sind, und beschreibt sodann das Verfahren der Ablehnung eines solchen Antrags:
"Beabsichtigen die zuständigen Dienststellen des betreffenden Organs, diesem die Ablehnung des Antrags vorzuschlagen, so setzen sie den Antragsteller davon in Kenntnis und weisen ihn darauf hin, daß er das Organ binnen eines Monats durch Einreichung eines Zweitantrags um Überprüfung dieses Standpunkts ersuchen kann und daß anderenfalls davon ausgegangen wird, daß er seinen Erstantrag zurückgezogen hat.
Beschließt das betreffende Organ, den Zugang zu einem Dokument nach einem Zweitantrag zu verweigern, so ist dieser Beschluß, der binnen eines Monats nach Einreichung des Zweitantrags ergehen muß, dem Antragsteller so bald wie möglich schriftlich mitzuteilen; er ist ordnungsgemäß zu begründen und muß eine Angabe der möglichen Rechtsmittel enthalten: Klageerhebung bzw. Beschwerde beim Bürgerbeauftragten gemäß Artikel 173 [nach Änderung jetzt Artikel 230 EG] bzw. 138e [jetzt Artikel 195 EG] des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft."
7 Der Verhaltenskodex legt weiter fest, aus welchen Gründen ein Gemeinschaftsorgan einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten ablehnen darf:
"Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf
- den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);
- den Schutz des einzelnen und der Privatsphäre;
- den Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses;
- den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft;
- die Wahrung der Vertraulichkeit, wenn dies von der natürlichen oder juristischen Person, die die Information zur Verfügung gestellt hat, beantragt wurde oder aufgrund der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der die Information bereitgestellt hat, erforderlich ist.
Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten."
8 In ihrer am 4. März 1994 veröffentlichten Mitteilung 94/C 67/03 über die Verbesserung des Zugangs zu den Dokumenten (ABl. C 67, S. 5) hat die Kommission im einzelnen erläutert, wie der Beschluß 94/90 durchgeführt wird. Nach dieser Mitteilung "kann... jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument einschließlich der vorbereitenden Dokumente und sonstiger Materialien beantragen". Zu den im Verhaltenskodex vorgesehenen Ausnahmen heisst es in der Mitteilung: "Die Kommission kann der Auffassung sein, daß der Zugang zu einem Dokument verweigert werden muß, da seine Weitergabe öffentliche und private Interessen schädigen und die Arbeit des Organs beeinträchtigen könnte... Es gibt keine automatische Ablehnung. Jeder Antrag wird einzeln geprüft."
Sachverhalt
9 Die klagende Gesellschaft wurde am 28. Mai 1992 gegründet, um in das Vereinigte Königreich deutsches Bier zu importieren, das für den dortigen Verbrauch in Gaststätten, und zwar hauptsächlich in Nordengland, bestimmt ist.
10 Die Klägerin war jedoch am Absatz ihres Erzeugnisses dadurch gehindert, daß im Vereinigten Königreich viele Gastwirte durch Bierlieferungsverträge gebunden sind, die sie zum ausschließlichen Bierbezug von einer bestimmten Brauerei verpflichten.
11 Nach der britischen Bierlieferungsverordnung (Supply of Beer [Tied Estate] Order 1989 SI 1989/2390) müssen jedoch britische Brauereien mit Lieferungsrechten für mehr als 2 000 Gaststätten es deren Betreibern gestatten, auch von einer anderen Brauerei Bier zu beziehen, allerdings - gemäß Artikel 7 (2) (a) der Verordnung - nur Faßbier mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Vol.-%. Diese Regelung wird allgemein als "Güst Beer Provision" (im folgenden: GBP) bezeichnet.
12 Als "Faßbier" gilt gemäß Artikel 7 (3) der Verordnung Bier, "das in dem Behältnis, dem es zum Verzehr entnommen wird, weiter gärt". Die meisten ausserhalb des Vereinigten Königreichs erzeugten Biere werden jedoch vor Ende des Brauvorgangs gefiltert und gären deshalb nach Abfuellung in Fässer nicht weiter. Sie sind deshalb kein "Faßbier" im Sinne der GBP und fallen somit nicht unter diese Regelung.
13 Da die Klägerin die GBP für eine mit Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) unvereinbare Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Einfuhrbeschränkung erachtete, erhob sie mit Schreiben vom 3. April 1993 eine Beschwerde bei der Kommission.
14 Nach Untersuchung des Sachverhalts beschloß die Kommission am 12. April 1995, gegen das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ein Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) einzuleiten. Sie teilte der Klägerin am 28. September 1995 mit, daß sie den Fall untersucht und dem Vereinigten Königreich am 15. September 1995 ein Mahnschreiben übermittelt habe. Am 26. Juni 1996 beschloß die Kommission, an das Vereinigte Königreich eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu richten; diesen Beschluß gab sie am 5. August 1996 in einer Pressemitteilung bekannt.
15 Am 15. März 1997 kündigte der Minister für Handel und Industrie des Vereinigten Königreichs ein Vorhaben zur Änderung der GBP an, wonach neben Faßbier künftig auch Flaschenbier einer anderen Brauerei verkauft werden könne. Die Kommission setzte ihre Entscheidung, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Vereinigte Königreich zu richten, zweimal, am 19. März und am 26. Juni 1997, aus. Ihr zuständiger Referatsleiter (der Leiter des Referats II "Anwendung der Artikel 30 bis 36 EWG-Vertrag [Notifizierung, Beschwerde, Verstösse usw.] und Beseitigung der Handelshemmnisse" der Direktion B "Freier Warenverkehr und öffentliches Auftragswesen" der Generaldirektion Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen [GD XV]) teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21. April 1997 dementsprechend mit, daß das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag wegen der geplanten Änderung der GBP ausgesetzt und die mit Gründen versehene Stellungnahme der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht übermittelt worden sei; das Verfahren werde eingestellt, sobald die Änderung in Kraft trete. Die neue Fassung der GBP wurde am 22. August 1997 zu geltendem Recht. Demgemäß wurde die mit Gründen versehene Stellungnahme dem Vereinigten Königreich nie übersandt und das Vertragsverletzungsverfahren mit Beschluß der Kommission vom 10. Dezember 1997 endgültig eingestellt.
16 Mit Telefax vom 21. März 1997 ersuchte der Vertreter der Klägerin den Generaldirektor der GD XV, ihm gemäß dem Verhaltenskodex die "mit Gründen versehene Stellungnahme" in Kopie zu übermitteln. Mit Schreiben vom 16. Mai 1997 lehnte der Generaldirektor, Herr Mogg, diesen Antrag mit der Begründung ab, nach einer internen Regelung werde eine mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission vertraulich behandelt, sofern nicht die Kommission im Einzelfall ihre Veröffentlichung beschließe.
17 Mit Schreiben vom 27. Mai 1997 wiederholte der Vertreter der Klägerin seinen Antrag unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache T-194/94, Carvel und Guardian Newspapers/Rat (Slg. 1995, II-2765), und den Grundsatz der ordnungsmässigen Verwaltung. Mit Schreiben vom 9. Juli 1997 lehnte Generaldirektor Mogg den Antrag erneut ab, wobei er sich nun auf den Verhaltenskodex und die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses stützte. Er führte aus, die Mitteilung des Schriftstücks könne
- einer geordneten Rechtspflege und insbesondere der Durchführung des Gemeinschaftsrechts abträglich sein;
- die Beilegung gemeinschaftsrechtlicher Verstösse gefährden;
- das Klima gegenseitigen Vertrauens beeinträchtigen, das zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat bestehen müsse, um im Wege eines eingehenden und offenen Meinungsaustauschs die Einhaltung der Vertragspflichten durch diesen Staat sichern zu können.
18 Die Klägerin, der diese Begründung nicht tragfähig erschien, stellte daraufhin mit Schreiben ihres Vertreters vom 7. August 1997 beim Generalsekretär der Kommission den im Verhaltenskodex vorgesehenen Zweitantrag.
19 Mit Schreiben vom 18. September 1997 (im folgenden: streitige Entscheidung) bestätigte der Generalsekretär der Kommission die Ablehnung des bei der GD XV gestellten Antrags und die dafür gegebene Begründung wie folgt:
"Nach Prüfung Ihres Antrags muß ich die Weigerung von Herrn Mogg bestätigen, Ihnen Einsicht in das fragliche Schriftstück zu gewähren, da seine Offenlegung den Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere die Wahrnehmung der Inspektions- und Untersuchungsaufgaben der Kommission beeinträchtigen könnte. Diese Ausnahme ist in dem von der Kommission am 8. Februar 1994 verabschiedeten Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions- und Ratsdokumenten ausdrücklich vorgesehen.
Wie Ihnen Herr Mogg mit Schreiben vom 9. Juli 1997 bereits erläutert hat, ist es von wesentlicher Bedeutung, daß die Kommission als Hüterin der Verträge in ihrer Zuständigkeit liegende Sachverhalte unter Wahrung der Vertraulichkeit des Verfahrens untersuchen kann. In Vertragsverletzungsverfahren sind eine offene Zusammenarbeit und ein Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat unerläßlich, um eine Streitigkeit im Wege von Verhandlungen und der Kompromißsuche frühzeitig beilegen zu können.
Das Gericht erster Instanz hat in der Rechtssache T-105/95 (WWF/Kommission) bereits entschieden, "daß es die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten in solchen Situationen von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses [rechtfertigt], daß der Zugang zu den Dokumenten in bezug auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist" (Randnr. 63).
Ich weise weiter darauf hin, daß die Untersuchung einer etwaigen Vertragsverletzung weiter anhängig ist, da die Kommission beschlossen hat, die Versendung einer mit Gründen versehenen Stellungnahme an die britischen Behörden bis auf weiteres zu verschieben.
Anders als die fakultative Ausnahme zum Schutz des Interesses der Kommission an der Vertraulichkeit ihrer Beratungen setzt die zwingende Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses auch keine Interessenabwägung voraus. Wie das Gericht in der Randnummer 58 des genannten Urteils ausgeführt hat, "ist die Kommission verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die nachweislich unter eine der Ausnahmen dieser ersten Gruppe fallen"."
Verfahren und Anträge der Beteiligten
20 Die Klägerin hat daraufhin mit Klageschrift, die am 9. Dezember 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
21 Mit Schriftsatz, der am 25. Mai 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland beantragt, zur Unterstützung der Anträge der Beklagten als Streithelfer zugelassen zu werden. Mit Beschluß vom 7. Juli 1998 hat der Präsident der Dritten Kammer des Gerichts dem Antrag stattgegeben.
22 Da die Klägerin keine Erwiderung eingereicht und der Streithelfer auf die Einreichung eines Streithilfeschriftsatzes verzichtet hat, wurde das schriftliche Verfahren am 9. September 1998 abgeschlossen.
23 Die Klägerin beantragt,
- die in den Schreiben vom 16. Mai 1997, 9. Juli 1997 und 18. September 1997 enthaltene Entscheidung der Kommission, die Einsicht in ihre nach einer Untersuchung über die Anwendung des Artikels 7 (3) der Supply of Beer (Tied Estates) Order 1989 SI 1989/2390 gefertigte "mit Gründen versehene Stellungnahme" zu verweigern, aufzuheben;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
24 Die Beklagte beantragt,
- die Klage, soweit sie sich auf eine Entscheidung vom 16. Mai 1997 und 9. Juli 1997 bezieht, für unzulässig zu erklären;
- die Klage im übrigen abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
25 Die Regierung des als Streithelfer beteiligten Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland schließt sich den Anträgen der Kommission an.
26 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren Antrag auf Nichtigerklärung einer in den Schreiben vom 16. Mai und 9. Juli 1997 enthaltenen Entscheidung der Kommission zurückgenommen.
Zur Begründetheit
Zum einzigen Klagegrund: Verstoß gegen den Beschluß 94/90
Vorbringen der Parteien
27 Die Klägerin beruft sich auf das Urteil vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95 (WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313; im folgenden: Urteil WWF), in dem das Gericht festgestellt habe, daß der Beschluß 94/90 die Antwort der Kommission auf die Forderungen des Europäischen Rates darstelle, dem in den Rechtsvorschriften der meisten Mitgliedstaaten anerkannten Recht der Bürger auf Zugang zu den im Besitz der Behörden befindlichen Dokumente auch auf Gemeinschaftsebene Geltung zu verschaffen. Sie bezieht sich weiter auf die Randnummern 34 bis 37 des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-58/94 (Niederlande/Rat, Slg. 1996, I-2169), und die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro in dieser Rechtssache (Nrn. 14 bis 16). Bei richtiger Auslegung seien der Verhaltenskodex und das Urteil WWF wie folgt zu verstehen:
- Es bestehe ein Recht auf Zugang zu Dokumenten; der Antragsteller brauche für seinen Antrag kein berechtigtes Interesse geltend zu machen.
- Die Transparenz sei Selbstzweck. Die Kommission dürfe die Einsichtnahme in ein Schriftstück gemäß der zwingenden Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses nur ablehnen, wenn sie nachweise, daß die Einsichtnahme das öffentliche Interesse wirklich "beeinträchtigen" könne.
- Das öffentliche Interesse sei nur "beeinträchtigt", wenn feststehe, daß die Offenlegung des Schriftstücks einem Dritten oder der Allgemeinheit einen erheblichen Schaden zuzufügen drohe; die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses solle hingegen nicht die Interessen der Kommission schützen.
- Der Verhaltenskodex berechtige die Kommission nicht dazu, ganze Kategorien von Schriftstücken von der Einsichtnahme auszuschließen oder interne Regelungen zu erlassen, wonach bestimmte Kategorien von Dokumenten per se vertraulich seien. Vielmehr sei jeder Antrag anhand der Bestimmungen des Verhaltenskodex zu prüfen.
28 Der Begriff des öffentlichen Interesses, von dem die Kommission in ihrem Schreiben vom 9. Juli 1997 ausgehe, sei in zweierlei Hinsicht verfehlt. Erstens bestehe vorrangig ein öffentliches Interesse an einer ordnungsmässigen Verwaltung. Als Hüterin des Vertrages müsse die Kommission ihre Aufgaben wirksam und im Interesse der Gemeinschaft wahrnehmen, und dies müsse für die Völker Europas auch sichtbar werden. Im Fall der GBP habe es zumindest den Anschein, daß die Kommission nicht dafür gesorgt habe, daß das Vereinigte Königreich seine Pflichten aus dem EG-Vertrag einhalte. Das öffentliche Interesse gebiete eine Offenlegung der mit Gründen versehenen Stellungnahme in der ursprünglichen, die offizielle Position der Kommission zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der GBP wiedergebenden Fassung, denn nur so könne eine völlige Transparenz des Entscheidungsprozesses und damit Vertrauen in das Handeln der Kommission hergestellt werden.
29 Zweitens könne sich die Kommission hier nicht darauf berufen, daß das Vereinigte Königreich als ein Mitgliedstaat, dem ein Vertragsverletzungsverfahren drohe, Anspruch auf Vertraulichkeit habe, denn in ihrem Schreiben vom 16. Mai 1997 habe sie klargestellt, daß das Vertragsverletzungsverfahren gleich nach dem - zum 22. August 1997 auch eingetretenen - Wirksamwerden der geänderten GDP eingestellt werden würde. Nach dem Urteil WWF (Randnr. 63) jedoch dürften die Mitgliedstaaten von der Kommission die Wahrung der Vertraulichkeit dann erwarten, wenn gegen sie eine Untersuchung anhängig sei, die erst noch zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könne. Das Erfordernis der Vertraulichkeit könne also nur dann geltend gemacht werden, wenn ein Vertragsverletzungsverfahren erst in Aussicht genommen, aber nicht, wenn es schon eingestellt sei.
30 Die Kommission widerspricht der klägerischen Auffassung, daß die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses hier nicht eingreife. Zwar obliege ihr, wenn sie aufgrund dieser Ausnahme die Einsichtnahme in Dokumente verweigern wolle, nach der Rechtsprechung und insbesondere dem Urteil WWF die Beweislast dafür, daß die Ausnahme rechtfertigende Umstände vorlägen (Urteile in den Rechtssachen Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Randnr. 64, und WWF, Randnr. 58) und daß sich die fraglichen Dokumente auch auf diese Umstände bezögen (Urteil WWF, Randnr. 64). Andererseits sei zu berücksichtigen, daß der Verhaltenskodex verschiedene Aspekte des öffentlichen Interesses, die öffentliche Sicherheit, die internationalen Beziehungen, die Währungsstabilität, die Rechtspflege und Inspektionstätigkeiten eigens nenne und für diesbezuegliche Schriftstücke somit eine Vermutung bestehe, daß ihre Offenlegung das öffentliche Interesse beeinträchtigen würde. Das Gericht habe im Urteil WWF auch ausdrücklich festgestellt, daß Dokumente, die sich auf Untersuchungen mit der möglichen Folge eines Vertragsverletzungsverfahrens bezögen, unter den Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere in den Bereich der Inspektionstätigkeiten fielen (Randnr. 63).
31 Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin eine Kopie der mit Gründen versehenen Stellungnahme erbeten habe, sei die Untersuchung wegen einer möglichen Verletzung des Gemeinschaftsrechts anhängig gewesen. Es handele sich seinem Wesen nach auch um ein Schriftstück, das mit dem Vertragsverletzungsverfahren "zusammenhänge" und damit unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses falle. Die Kommission habe somit nicht ganze Kategorien von Schriftstücken von der Einsichtnahme ausgeschlossen, sondern wegen seines Charakters nur dieses Dokument.
32 Die fragliche Ausnahme greife hier ein, da die Mitgliedstaaten bei der Untersuchung eines möglichen Verstosses gegen Gemeinschaftsrecht von der Kommission Vertraulichkeit erwarten dürften; dieser Anspruch auf Vertraulichkeit folge nach dem Urteil WWF aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten solle im Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag zunächst durch Verhandlungen mit dem betroffenen Staat in Form eines offenen Dialogs gesichert werden. Das Interesse der Mitgliedstaaten als auch das an der Untersuchung selbst gebiete es, daß dieser Dialog nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stattfinde, sondern den Mitgliedstaaten die Option eines vertraulich geschlossenen Kompromisses offenstehe.
33 Die Klägerin lege auch das Urteil WWF und den Verhaltenskodex falsch aus. Dem Urteil lasse sich nicht entnehmen, daß nur dann Vertraulichkeit beansprucht werden könne, wenn ein Vertragsverletzungsverfahren erst in Aussicht genommen sei. Was den Verhaltenskodex angehe, so mache er vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu Kommissionsdokumenten Ausnahmen zweierlei Art. Falle ein Dokument unter eine zwingende Ausnahme, darunter die zum Schutz des öffentlichen Interesses, so müsse die Kommission die Einsichtnahme versagen; falle ein Schriftstück unter eine nur fakultative Ausnahme, so habe sie Ermessen. Bei der Ausübung dieses Ermessens habe sie das Interesse des Bürgers an der Einsichtnahme in das fragliche Dokument gegen das etwaige Interesse der Kommission an der Wahrung der Vertraulichkeit ihrer Beratungen abzuwägen. Es stimme zwar, daß die Klägerin kein eigenes Interesse an der begehrten Einsichtnahme nachzuweisen brauche, aber sie könne weder geltend machen, daß vorrangig ein öffentliches Interesse an einer ordnungsmässigen Verwaltung bestehe, noch sich auf ihr besonderes geschäftliches Interesse berufen, denn im vorliegenden Fall sei überhaupt keine Interessenabwägung erforderlich. Die Ordnungsmässigkeit der Verwaltung werde gerade dadurch gewährleistet, daß die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses angewendet werde, wenn ihre Voraussetzungen festgestellt seien.
34 In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ihr Vorbringen dahin präzisiert, daß das hier zu schützende öffentliche Interesse das an dem ordnungsmässigen Funktionieren der Gemeinschaft sei. Das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag könne seinen Zweck nur erfuellen, wenn die Mitgliedstaaten sicher sein könnten, daß das Mahnschreiben und die mit Gründen versehene Stellungnahme nur dem Gerichtshof offenbart würden. Sei die Vertraulichkeit nicht gegeben, so schränke dies den Spielraum für die sachliche Erörterung und einvernehmliche Beilegung von Streitigkeiten ein, was die Zahl gerichtlicher Verfahren erhöhen würde. Derzeit werde der Gerichtshof mit weniger als 10 % der Verfahren befasst, die die Kommission gemäß Artikel 169 EG-Vertrag einleite. Eine Veröffentlichung der mit Gründen versehenen Stellungnahme, möglicherweise sogar nach Beendigung eines Vertragsverletzungsverfahrens, widerspräche dem Interesse aller Gemeinschaftsbürger an einer effizienten Arbeitsweise der Gemeinschaftsorgane und geordneten Rechtspflege in der gesamten Union.
35 Die Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland schließt sich dem Vorbringen der Kommission an.
Rechtliche Würdigung
36 Der Beschluß 94/90 ist ein Rechtsakt, der den Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten im Besitz der Kommission gewährt (Urteil WWF, Randnr. 55; Urteile des Gerichts vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-83/96, Van der Wal/Kommission, Slg. 1998, II-545, Randnr. 41, und vom 6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, Randnr. 46). Mit dem Beschluß soll der Grundsatz eines möglichst umfassenden Zugangs der Bürger zur Information umgesetzt werden, um den demokratischen Charakter der Gemeinschaftsorgane und das öffentliche Vertrauen in die Verwaltung zu stärken (vgl. zu den entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten [ABl. L 340, S. 43], Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T-174/95, Svenska Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, II-2289, Randnr. 66).
37 Wie das Gericht bereits entschieden hat, ergibt sich aus der Systematik des Beschlusses 94/90, daß er für Anträge auf Zugang zu Dokumenten allgemein gilt und daß jedermann Einsicht in jedes beliebige unveröffentlichte Kommissionsdokument beantragen kann, ohne seinen Antrag begründen zu müssen (Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 48, und, zu den entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 93/731, das Urteil in der Rechtsache Svenska Journalistförbundet/Rat, Randnr. 109).
38 Allerdings sieht der von der Kommission mit dem Beschluß 94/90 angenommene Verhaltenskodex vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu Kommissionsdokumenten bestimmte Ausnahmen vor, die zu zwei Kategorien gehören. Die Ausnahmen der ersten Kategorie, darunter auch die hier von der Kommission geltend gemachte zum Schutz des öffentlichen Interesses, sind nach dem Wortlaut der Regelung zwingend: "Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in bezug auf [u. a.] den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten)."
39 Die Ausnahmen vom Zugang zu Dokumenten sind jedoch eng auszulegen, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der Öffentlichkeit "möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission" zu gewähren, nicht zu beeinträchtigen (Urteile WWF, Randnr. 56, und in der Rechtssache Interporc/Kommission, Randnr. 49).
40 Die Kommission hat die angefochtene Entscheidung damit begründet, daß die Offenlegung der mit Gründen versehenen Stellungnahme "den Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere die Wahrnehmung der Inspektions- und Untersuchungsaufgaben der Kommission beeinträchtigen könnte". Sie hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf verwiesen, daß "in Vertragsverletzungsverfahren... eine offene Zusammenarbeit und ein Klima gegenseitigen Vertrauens zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat unerläßlich [seien], um eine Streitigkeit im Wege von Verhandlungen und Kompromissen frühzeitig beilegen zu können". Insoweit stützt sich die Kommission im wesentlichen auf das Urteil WWF.
41 Entgegen der Auffassung der Kommission erfasst die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses nach der Rechtsprechung und insbesondere dem Urteil WWF allerdings nicht sämtliche Dokumente, die mit Vertragsverletzungsverfahren zusammenhängen. Nach dem Urteil WWF rechtfertigt es die Vertraulichkeit, die die Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, im Hinblick auf den Schutz des öffentlichen Interesses, daß der Zugang zu Dokumenten in bezug auf solche Untersuchungen verweigert wird, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluß dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist (ebd., Randnr. 63).
42 Dabei ist die Qualifizierung des Schriftstücks, das die Klägerin einsehen möchte, als eine "mit Gründen versehene Stellungnahme" rechtlich und tatsächlich verfehlt. Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß den Mitgliedern der Kommission, als sie am 26. Juni 1996 die Abgabe einer mit Gründen versehenen Stellungnahme beschlossen, der Entwurf für diese Stellungnahme nicht vorlag. Der Entwurf wurde vielmehr erst nach diesem Beschluß der Kommission von Dienststellen im Verantwortungsbereich von deren zuständigem Mitglied ausgearbeitet. Das fragliche Dokument wurde also von der Kommissionsverwaltung durchaus zu dem Zweck erstellt, es dem Vereinigten Königreich als eine mit Gründen versehene Stellungnahme zu übermitteln. Ihren Beschluß, eine solche Stellungnahme an das Vereinigte Königreich zu richten, setzte die Kommission sodann am 19. März 1997 aus, und so wurde das Schriftstück letztlich von deren zuständigem Mitglied nicht unterzeichnet und dem Vereinigten Königreich nicht zugestellt. Das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag erreichte damit nicht das Stadium, in dem die Kommission "eine mit Gründen versehene Stellungnahme" abgibt, sondern es blieb bei einem blossen Entwurfstext.
43 Auch wenn die Beklagte der Ansicht, das streitige Dokument sei eine "mit Gründen versehenen Stellungnahme", nicht widersprochen hat, ist diese fehlerhafte Einordnung richtigzustellen. Der Prüfung der Klage darf nämlich eine solche verfälschende Einordnung nicht zugrunde gelegt werden, denn darin läge ein Rechtsfehler, der die Rechtswidrigkeit des Urteils des Gerichts zur Folge hätte (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnr. 42, und vom 16. September 1997, C-362/95 P, Blackspur DIY u. a./Rat und Kommission, Slg. 1997, I-4775, Randnr. 29, und Beschlüsse des Gerichts vom 6. Oktober 1997 in der Rechtssache C-55/97 P, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1997, I-5383, Randnr. 25, und vom 16. Oktober 1997 in der Rechtssache C-140/96 P, Dimitriadis/Rechnungshof, Slg. 1997, I-5635, Randnr. 35).
44 Bei der Prüfung der Frage, ob ein Anspruch auf Einsichtnahme in das fragliche Schriftstück besteht, ist daher dessen Entwurfscharakter zu berücksichtigen. Dabei kann gemäß der Mitteilung 94/C 67/03 der Kommission vom 4. März 1994 "jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument einschließlich der vorbereitenden Dokumente und sonstiger Materialien beantragen".
45 Auf dieser Grundlage ist somit zu prüfen, ob - und gegebenenfalls in welchem Umfang - die Kommission die von der Klägerin beantragte Einsichtnahme in das Dokument aufgrund der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses ablehnen durfte.
46 Da das fragliche Schriftstück ein Entwurf war und die Kommission bei Einreichung des Antrags auf Einsichtnahme ihren Beschluß, eine mit Gründen versehene Stellungnahme abzugeben, ausgesetzt hatte, befand sich das Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag noch im Stadium der Inspektion und Untersuchung. Wie das Gericht in seinem Urteil WWF festgestellt hat, dürfen die Mitgliedstaaten aber während anhängiger Untersuchungen, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen können, von der Kommission Vertraulichkeit erwarten (Randnr. 63). Käme es nämlich während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat zu einer Verbreitung von Dokumenten, die sich auf die Untersuchungsphase beziehen, so könnte dies den ordnungsmässigen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen und sein Ziel gefährden, es dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seine Vertragspflichten freiwillig zu erfuellen oder gegebenenfalls seine Position zu rechtfertigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-191/95, Kommission/Deutschland, Slg. 1998, I-5449, Randnr. 44). Die Sicherung dieses Zweckes rechtfertigt es, zum Schutz des öffentlichen Interesses den Zugang zu einem Entwurf zu verweigern, der sich auf die Untersuchungsphase eines Verfahrens gemäß Artikel 169 EG-Vertrag bezieht.
47 Da nach alledem der einzige Klagegrund nicht durchgreift, ist die Klage abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
48 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr, wie von der Beklagten beantragt, die Kosten aufzuerlegen.
49 Der Streithelfer trägt gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ausser ihren eigenen Kosten die Kosten der Beklagten.
3. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt seine eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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