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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.03.2002
Aktenzeichen: T-31/99
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 1999/60/EG
Vorschriften:
EGV Art. 81 | |
EGV Art. 85 | |
Entscheidung 1999/60/EG Art. 3 |
1. Zu den Garantien, die die Gemeinschaftsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, gehört u. a. der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen.
Insoweit beeinträchtigt das bedauerliche Verhalten eines Mitglieds der Gruppe, die bei der Kommission mit Ermittlungen in einer die Beeinträchtigung der Wettbewerbsregeln betreffenden Sache betraut ist, für sich genommen die Rechtmäßigkeit der in dieser Sache ergehenden Entscheidung nicht. Selbst wenn dieser Beamte nämlich gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat, ist die angefochtene Entscheidung nicht von ihm, sondern vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffen worden.
( vgl. Randnrn. 99, 104 )
2. Handlungen nach dem Erlass einer Entscheidung der Kommission, mit der eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln geahndet wird, können deren Gültigkeit nicht beeinträchtigen. Dies gilt auch für eine gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßende abwertende Bemerkung eines Mitglieds der mit den Ermittlungen in der fraglichen Sache betrauten Gruppe in Bezug auf den Ruf des beschuldigten Unternehmens, wenn die Entscheidung der Kommission diesem Unternehmen zwar noch nicht zugestellt wurde, aber bereits ergangen ist.
( vgl. Randnr. 103 )
3. Ist erwiesen, dass ein Unternehmen auf der Ebene des Konzerns, zu dem es gehört, in ein Kartell verwickelt war, so ist auch der Beweis dafür, dass die Kommission ihre Überzeugung von der Verwicklung des fraglichen Konzerns in das Kartell während des Verwaltungsverfahrens verfrüht bekundet hat, nicht geeignet, dem Beweis für eine solche Verwicklung seine Stichhaltigkeit zu nehmen.
( vgl. Randnr. 106 )
4. Bei der Ermittlung der wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festzusetzenden Geldbuße kann allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen.
( vgl. Randnr. 239 )
5. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet es, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichzubehandeln, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist.
Diesen Grundsatz missachtet die Kommission, wenn sie, nachdem sie in der Entscheidung, mit der eine Geldbuße wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgesetzt wird, ausdrücklich anerkannt hat, dass sich ein Unternehmen dadurch von den anderen beschuldigten Unternehmen unterschied, dass es den wesentlichen Sachverhalt nicht bestritt, keine Differenzierung zwischen dem diesem und den anderen Unternehmen wegen der Zusammenarbeit während der Untersuchung zu gewährenden Nachlass vornimmt.
( vgl. Randnrn. 240, 242-244 )
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 20. März 2002. - ABB Asea Brown Boveri Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Kartell - Fernwärmerohre - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) - Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung - Geldbuße - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Berechtigtes Vertrauen. - Rechtssache T-31/99.
Parteien:
In der Rechtssache T-31/99
ABB Asea Brown Boveri Ltd mit Sitz in Zürich (Schweiz), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Weitbrecht und S. Völcker, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver und É. Gippini Fournier als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung von Artikel 3 der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße,
erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
(Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten P. Mengozzi sowie der Richterin V. Tiili und des Richters R. M. Moura Ramos,
Kanzler: G. Herzig, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2000,
folgendes
Urteil(1)
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1 Die Klägerin ist ein in den Bereichen Kraftwerke, Stromübertragung und -verteilung, Industrie- und Bausysteme und Verkehr tätiger multinationaler Konzern. Innerhalb des Konzerns ABB Asea Brown Boveri Ltd (im Folgenden: ABB-Konzern) sind im Fernwärmesektor das dänische Unternehmen ABB IC Møller A/S (im Folgenden: ABB IC Møller) mit Sitz in Fredericia (Dänemark) sowie weitere Produktions- und/oder Vertriebsunternehmen mit Sitz in Deutschland, Finnland, Polen und Schweden tätig.
...
2 Am 21. Oktober 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 1999/60/EG in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch Entscheidung vom 6. November 1998 berichtigt wurde (C[1998] 3415 endg.) (im Folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung); darin stellte sie fest, dass verschiedene Unternehmen, darunter die Klägerin, an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) mitgewirkt hätten (im Folgenden: Kartell).
3 In der Entscheidung wird ausgeführt, dass sich die vier dänischen Hersteller von Fernwärmerohren Ende 1990 auf die Grundsätze für eine allgemeine Zusammenarbeit auf ihrem Inlandsmarkt geeinigt hätten. An dieser Vereinbarung hätten ABB IC Møller, die auch unter dem Namen Starpipe bekannte Dansk Rørindustri A/S (im Folgenden: Dansk Rørindustri), die Løgstør Rør A/S (im Folgenden: Løgstør) und die Tarco Energi A/S (im Folgenden: Tarco) teilgenommen (im Folgenden gemeinsam: dänische Hersteller). Eine der ersten Maßnahmen sei die Koordinierung einer Preiserhöhung sowohl auf dem dänischen Markt als auch auf den Auslandsmärkten gewesen. Zur Aufteilung des dänischen Marktes seien Quoten vereinbart und sodann von einer aus den Verkaufsleitern der betreffenden Unternehmen bestehenden "Kontaktgruppe" angewandt und überwacht worden. Bei jedem geschäftlichen Projekt (im Folgenden: Projekt) habe das Unternehmen, dem der Auftrag von der Kontaktgruppe zugeteilt worden sei, die anderen Beteiligten darüber informiert, zu welchem Preis es ein Angebot abzugeben gedenke, und diese hätten dann Angebote mit einem höheren Preis abgegeben, um den vom Kartell vorgesehenen Anbieter zu schützen.
4 Ab Herbst 1991 hätten auch zwei deutsche Hersteller - die Gruppe Henss/Isoplus (im Folgenden: Henss/Isoplus) und die Pan-Isovit GmbH (im Folgenden: Pan-Isovit) - an den regelmäßigen Treffen der dänischen Hersteller teilgenommen. Bei diesen Treffen hätten Verhandlungen über die Aufteilung des deutschen Marktes stattgefunden, die im August 1993 zu Vereinbarungen über die Festlegung von Verkaufsquoten für jedes beteiligte Unternehmen geführt hätten.
5 Zwischen all diesen Herstellern seien 1994 Quoten für den gesamten europäischen Markt vereinbart worden. Dieses europaweite Kartell habe eine zweistufige Struktur gehabt. Der "Geschäftsführer-Klub", dem die Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer der am Kartell beteiligten Hersteller angehört hätten, habe die Quoten festgelegt, die jedem Unternehmen sowohl auf dem Gesamtmarkt als auch auf den einzelnen Inlandsmärkten - insbesondere Dänemark, Deutschland, Finnland, Italien, Niederlande, Österreich und Schweden - zugeteilt worden seien. Für bestimmte Inlandsmärkte seien "Kontaktgruppen" eingerichtet worden, die in der Regel aus den jeweiligen Verkaufsleitern bestanden hätten; diesen sei die Aufgabe übertragen worden, die Vereinbarungen durch Zuteilung einzelner Aufträge und durch Koordinierung der Angebote umzusetzen.
6 Zum deutschen Markt heißt es in der Entscheidung, nach einem Treffen der sechs größten europäischen Hersteller (die Klägerin, Dansk Rørindustri, Henss/Isoplus, Løgstør, Pan-Isovit und Tarco) und der Brugg Rohrsysteme GmbH (im Folgenden: Brugg) am 18. August 1994 habe am 7. Oktober 1994 das erste Treffen der Kontaktgruppe für Deutschland stattgefunden. Die Treffen dieser Kontaktgruppe seien noch lange nach den Ende Juni 1995 vorgenommenen Nachprüfungen der Kommission fortgeführt worden, auch wenn sie von diesem Zeitpunkt an außerhalb der Europäischen Union, in Zürich, stattgefunden hätten. Die Treffen in Zürich seien bis zum 25. März 1996 fortgesetzt worden.
7 Als Bestandteil des Kartells wird in der Entscheidung u. a. die Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen genannt, um mit Powerpipe das einzige nicht am Kartell beteiligte Unternehmen von Bedeutung auszuschalten. Bestimmte Teilnehmer des Kartells hätten wichtige Mitarbeiter von Powerpipe abgeworben und Powerpipe klargemacht, dass sie sich vom deutschen Markt zurückziehen solle. Nachdem Powerpipe im März 1995 den Zuschlag für ein bedeutendes deutsches Projekt erhalten habe, habe in Düsseldorf ein Treffen stattgefunden, an dem die sechs genannten Hersteller und Brugg teilgenommen hätten. Bei diesem Treffen sei ein kollektiver Boykott der Kunden und Zulieferer von Powerpipe beschlossen worden, der anschließend durchgeführt worden sei.
8 Die Kommission legt in ihrer Entscheidung die Gründe dar, aus denen nicht nur die ausdrückliche Aufteilung der Marktanteile unter den dänischen Herstellern ab Ende 1990, sondern auch die Wettbewerbsverstöße ab Oktober 1991 insgesamt als eine verbotene "Vereinbarung" im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag betrachtet werden könnten. Das "dänische" und das "europaweite" Kartell seien nur Ausprägungen eines einzigen Kartells, das in Dänemark begonnen habe, dessen längerfristiges Ziel aber von Beginn an die Ausdehnung der Kontrolle der Teilnehmer auf den gesamten Markt gewesen sei. Die fortdauernde Vereinbarung zwischen den Herstellern habe eine merkliche Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten gehabt.
9 Aus diesen Gründen enthält die Entscheidung folgenden verfügenden Teil:
"Artikel 1
ABB Asea Brown Boveri Ltd, Brugg Rohrsysteme GmbH, Dansk Rørindustri A/S, die Gruppe Henss/Isoplus, KE KELIT Kunststoffwerk Ges.mbH, Oy KWH Pipe AB, Løgstør Rør A/S, Pan-Isovit GmbH, Sigma Tecnologie Di Rivestimento S.r.l. und Tarco Energi A/S haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen, indem sie in der in der Begründung ausgeführten Weise und dem genannten Umfang an miteinander verbundenen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sektor der vorisolierten Rohre mitgewirkt haben, die im November/Dezember 1990 von den vier dänischen Herstellern eingeleitet und anschließend auf andere nationale Märkte ausgeweitet wurden und Pan-Isovit sowie Henss/Isoplus einbezogen haben, und Ende 1994 aus einem umfassenden Kartell bestanden, das sich auf den gesamten Gemeinsamen Markt erstreckte.
Die Dauer der Zuwiderhandlungen war wie folgt:
- im Falle von ABB... zwischen November/Dezember 1990 bis wenigstens März/April 1996
...
Die wesentlichen Merkmale der Zuwiderhandlungen waren:
- Aufteilung der nationalen Märkte und schließlich des gesamten europäischen Marktes anhand von Quoten;
- Zuteilung von nationalen Märkten an einzelne Hersteller und Vorkehrungen für den Rückzug anderer Hersteller;
- Vereinbarung von Preisen für vorgedämmte Rohre und für einzelne Vorhaben;
- Zuteilung einzelner Vorhaben an ausgewählte Hersteller und Manipulierung der Ausschreibungsverfahren für diese Vorhaben, um zu gewährleisten, dass der vorgesehene Hersteller den Zuschlag erhält;
- Vereinbarung und Durchführung aufeinander abgestimmter Maßnahmen, um das Kartell vor dem Wettbewerb des einzigen großen Nichtmitglieds Powerpipe AB zu schützen, dessen Geschäft zu behindern und zu schädigen bzw. dieses Unternehmen aus dem Markt zu verdrängen.
...
Artikel 3
Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlungen folgende Geldbußen festgesetzt:
a) ABB Asea Brown Boveri Ltd eine Geldbuße von 70 000 000 ECU,
..."
...
Begründetheit
10 Die Klägerin beruft sich im Wesentlichen auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie materielle Fehler bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Mit dem zweiten Klagegrund macht sie eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend. Der dritte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung. Der vierte Klagegrund wird aus einem Verstoß gegen allgemeine Rechtsgrundsätze und Beurteilungsfehlern bei der Bemessung der Geldbuße abgeleitet. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Begründungspflicht bei der Bemessung der Geldbuße gerügt.
Zum ersten Klagegrund: Materielle Fehler bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
Vorbringen der Parteien
11 Die Klägerin wirft der Kommission vor, ihre Behauptungen, dass die Unternehmensleitung des ABB-Konzerns in das Kartell verwickelt gewesen sei und dass ABB seine Ressourcen als multinationales Unternehmen zur Steigerung der Wirksamkeit des Kartells benutzt habe, nicht belegt zu haben.
12 Zunächst treffe es nicht zu, dass das Kartell einem strategischen Plan entsprochen habe, "der auf der höchsten Ebene der Unternehmensleitung konzipiert, gebilligt und gelenkt wurde". Erstens könne die Konzipierung des Kartells nicht der höchsten Ebene des ABB-Konzerns zur Last gelegt werden. Die höchstrangige in das Kartell verwickelte Führungskraft sei damals der Generaldirektor der dänischen Tochtergesellschaft Asea Brown Boveri A/S Odense (im Folgenden: ABB Odense), Herr V., gewesen, der erst im Januar 1993 Executive Vice President des Konzerns geworden sei, während die erste Kartellabsprache bereits Ende 1990 getroffen worden sei. Zweitens gebe es keinen Beweis dafür, dass neben Herrn V. ein weiteres Vorstandsmitglied von ABB in die Sache verwickelt gewesen sei. Herr V. habe keine Maßnahme billigen können, die er angeblich selbst "konzipiert" habe. Drittens sei Herr V. nach seiner Ernennung zum Executive Vice President zwar weiter über bestimmte Aktivitäten des Kartells informiert worden, habe daran aber nicht so stark mitgewirkt, dass er es "gelenkt" haben könnte. Schließlich sei unter der "Unternehmensleitung" nach dem normalen Wortsinn die Beteiligung von Führungskräften aus mehr als einem Geschäftsfeld zu verstehen. Dies sei aber weder bei Herrn V. vor dessen Ernennung zum Executive Vice President des Konzerns noch bei den folgenden Generaldirektoren von ABB IC Møller der Fall gewesen.
13 Ferner habe die Kommission keinen Beweis dafür erbracht, dass die Unternehmensleitung Maßnahmen getroffen habe, um die Zuwiderhandlung zu leugnen und zu verbergen und die mit ihr verbundenen Aktivitäten nach Beginn der Untersuchung der Kommission fortzuführen. Insoweit sei auf die von der Unternehmensleitung gegenüber dem Geschäftsbereich Fernwärme eingeleiteten Schritte hinzuweisen, die gezeigt hätten, dass die Leitung des Fernwärmebereichs die Unternehmensleitung getäuscht habe.
14 Schließlich gebe es in den Akten keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin als multinationaler Konzern ihre Ressourcen und ihre Tätigkeiten außerhalb des Fernwärmemarkts benutzt habe, um die Wirksamkeit des Kartells zu steigern oder dafür zu sorgen, dass sich die Kartellmitglieder nach ihren Wünschen richteten. Der einzige wirtschaftliche Einfluss, den der Fernwärmebereich zur Durchsetzung des Kartells ausgeübt habe, habe sich aus seiner Marktposition und nicht aus einer Subvention oder Hilfeleistung durch die Leitung oder die Ressourcen des Konzerns ergeben.
15 Insoweit seien die von der Kommission vor dem Gericht angeführten Beweise für die Nutzung oder angedrohte Nutzung ihrer Wirtschaftsmacht nicht stichhaltig. Das Vorhaben, einen wichtigen Mitarbeiter von Powerpipe abzuwerben und ihn dann als "Berater" in ihrer Interessenvertretung in Brüssel mit Tätigkeiten ohne Bezug zum Fernwärmebereich zu beschäftigen, sei Teil einer Absprache zwischen ihr und Løgstør gewesen. Dass der Betreffende letztlich außerhalb des Fernwärmebereichs beschäftigt worden sei, habe auf einer Beschwerde von Powerpipe wegen des Wettbewerbsverbots in dessen früherem Vertrag beruht. Hinsichtlich der Drohung mit gerichtlichen Schritten und "Vergeltungsmaßnahmen" sei zu berücksichtigen, dass der Rechtsberater von ABB, der das Schreiben an Powerpipe in Anhang 17 der Mitteilung der Beschwerdepunkte unterzeichnet habe, zu diesem Zeitpunkt - da er selbst vom Geschäftsbereich Fernwärme getäuscht worden sei - davon überzeugt gewesen sei, dass die Anschuldigungen von Powerpipe unbegründet seien und dass er im berechtigten Interesse des Unternehmens handele.
16 Wie sich aus Randnummer 169 der Entscheidung ergebe, habe die Kommission in der Entscheidung aufgrund all dieser in Abrede gestellten Vorwürfe die Geldbuße erhöht, um sicherzustellen, dass sie in Anbetracht der angeblichen Verwicklung der Unternehmensleitung eine hinreichend abschreckende Wirkung habe. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten komme somit in Randnummer 169 der Entscheidung nicht die Absicht zum Ausdruck, die Verantwortung der Klägerin als Konzern darzulegen. Die durch die Inanspruchnahme des Konzerns aufgeworfenen Fragen, insbesondere die Bestimmung des Adressaten der Entscheidung und die Relevanz des Umsatzes des Geschäftsbereichs Fernwärme im Rahmen von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, würden an anderer Stelle der Entscheidung gesondert behandelt.
17 Die Beklagte führt zur Verwicklung von Führungskräften von ABB in das Kartell aus, die Akten enthielten zahlreiche Beweise für die unmittelbare Beteiligung leitender Mitarbeiter, die der Führungsebene der Unternehmensleitung zuzurechnen seien, an den Aktivitäten des Kartells. Dies gelte nicht nur für Herrn V., sondern auch für seine beiden Nachfolger als Generaldirektor von ABB IC Møller, des führenden Unternehmens im Geschäftsbereich "Fernwärme", zu dem mehr als 30 Unternehmen des ABB-Konzerns gehörten, darunter die ABB Isolrohr GmbH als wichtigste deutsche Tochtergesellschaft des Konzerns.
18 Anders als die Klägerin darzutun versuche, werde in der Entscheidung nicht behauptet, dass die Lenkung des Kartells dem gesamten Vorstand des Konzerns anzulasten sei. In der Entscheidung gehe es nur um die Frage, ob Führungskräfte, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden könne, dass sie Leitungsaufgaben im ABB-Konzern übernommen hätten, die Konzeption und Umsetzung des Kartells gebilligt hätten und darin verwickelt gewesen seien. Dafür seien in der Entscheidung genügend Beweise erbracht worden. Der Versuch der Klägerin, die Beteiligung der Konzernspitze am Kartell herunterzuspielen, sei wenig sinnvoll, da sie sich nicht gegen den aus dieser Beteiligung gezogenen Schluss wende, dass der gesamte ABB-Konzern die Verantwortung trage.
19 Zur Ausnutzung ihrer Wirtschaftskraft als multinationales Unternehmen heiße es in der Entscheidung nicht, dass die Klägerin Ressourcen aus anderen Geschäftsbereichen als der Fernwärme genutzt habe. In der Entscheidung werde nur die unstreitige Tatsache festgestellt, dass die Klägerin ihre Wirtschaftskraft und ihre Ressourcen als multinationales Unternehmen in den Dienst des Kartells gestellt habe. Selbst wenn man der Auslegung der Klägerin folge, enthalte die Entscheidung mehrere Beispiele für die Nutzung oder angedrohte Nutzung der Wirtschaftskraft der Klägerin.
Würdigung durch das Gericht
20 Die Ausführungen der Kommission zur Rolle der höchsten Ebene der Unternehmensleitung im Kartell werden durch die von ihr angeführten Beweismittel hinreichend untermauert; dies gilt insbesondere für die Rolle von Herrn V., der zunächst als Generaldirektor von ABB Odense für die Tätigkeiten des ABB-Konzerns in Dänemark verantwortlich und ab November 1992 Executive Vice President des ABB-Konzerns war, und für das Verhalten der folgenden Generaldirektoren von ABB IC Møller.
21 Insoweit wendet sich die Klägerin nicht gegen die Feststellungen der Kommission zur Rolle jedes der oben genannten leitenden Mitarbeiter im Kartell, sondern sie macht geltend, nicht alle diese Mitarbeiter hätten zur Unternehmensleitung des ABB-Konzerns gehört.
22 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann der Begriff "Unternehmensleitung" jedoch nicht auf die für mehr als einen Geschäftsbereich des Konzerns zuständigen Führungskräfte beschränkt werden. Nach den Angaben der Klägerin zur Struktur des ABB-Konzerns ist der Fernwärmesektor nicht völlig eigenständig, da alle Unternehmen dieses Sektors ihre wirtschaftliche Tätigkeit unter der Leitung eines für den Fernwärmesektor verantwortlichen Direktors ausüben, der zugleich Generaldirektor von ABB IC Møller ist, während sie zudem der Hauptfiliale von ABB in ihrem Land oder ihrer Region unterstehen. Unter diesen Umständen können sowohl die Personen, die in einem Land oder einer Region für die Tätigkeiten von ABB verantwortlich sind, als auch die auf der Ebene des ABB-Konzerns mit der wirtschaftlichen Leitung aller Fernwärmeunternehmen betraute Person zur Unternehmensleitung des ABB-Konzerns gezählt werden. Überdies geht aus den Jahresberichten des ABB-Konzerns hervor, dass sowohl die für ein Land oder eine Region verantwortlichen Führungskräfte als auch diejenigen, die für alle in einem bestimmten Sektor tätigen Unternehmen zuständig sind, in der Liste des "Managements" des ABB-Konzerns aufgeführt sind.
23 Gegen die Zuordnung der Generaldirektoren von ABB IC Møller zur Unternehmensleitung des ABB-Konzerns spricht nicht, dass der Geschäftsbereich Fernwärme nach dem Aufbau des ABB-Konzerns auch in den unmittelbaren Verantwortungsbereich eines Vorstandsmitglieds, nämlich von Herrn V., fällt. Die zusätzliche Verantwortung eines Mitglieds des obersten Organs von ABB hindert nicht daran, auch die Führungskräfte, die auf der Ebene des Konzerns ausdrücklich für alle in einem bestimmten Sektor tätigen Unternehmen zuständig sind, zur Unternehmensleitung zu zählen.
24 Da nicht nur Herr V. als Executive Vice President des ABB-Konzerns, sondern auch die nachfolgenden Generaldirektoren von ABB IC Møller sowie Herr V. - vor seiner Aufnahme in den Vorstand des ABB-Konzerns - als Verantwortlicher für die Tätigkeiten von ABB in Dänemark Funktionen auf der Ebene der Unternehmensleitung des ABB-Konzerns ausübten, kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass Herr V. das einzige für den Fernwärmebereich verantwortliche Vorstandsmitglied des ABB-Konzerns gewesen sei, um daraus abzuleiten, dass das Kartell nicht auf der höchsten Ebene der Unternehmensleitung konzipiert, gebilligt und gelenkt worden sein könne.
25 Zu den von der Unternehmensleitung des ABB-Konzerns auch noch nach den Nachprüfungen getroffenen Maßnahmen zur Leugnung oder Verschleierung des Vorhandenseins des Kartells ist zunächst festzustellen, dass der Generaldirektor von ABB IC Møller, wie die Klägerin nicht bestreitet, ABB bei den Treffen der Geschäftsführer vertrat, die bis März 1996 fortgesetzt wurden. Nach den eigenen Angaben der Klägerin wurde bei einem Treffen der Geschäftsführer nach den Nachprüfungen der Kommission beschlossen, Datum und Ort der Treffen geheim zu halten und alle Treffen des Geschäftsführer-Clubs außerhalb der Europäischen Union durchzuführen (Antwort der Klägerin vom 13. August 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996). Diese Angaben der Klägerin sind in Verbindung mit den Angaben von Løgstør zu sehen, ABB habe nach den Nachprüfungen starken Druck ausgeübt, um die Vereinbarung aufrechtzuerhalten, und alle anderen hätten Angst gehabt (Stellungnahme von Løgstør zur Mitteilung der Beschwerdepunkte). Herr V. wurde auch nach seiner Aufnahme in den Vorstand von ABB weiterhin über die Aktivitäten des Kartells informiert, wie interne Vermerke von ABB vom 19. und 22. April und vom 2. Juli 1993 (Anhänge 26, 29 und 48 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zeigen. In Bezug auf die abgestimmten Maßnahmen gegen Powerpipe ergibt sich aus den Schreiben, die Herr V. in Beantwortung von Anschuldigungen wegen der wettbewerbswidrigen Aktivitäten von ABB, als deren Opfer sich Powerpipe sah, am 4. März und am 2. Mai 1994 an Powerpipe richtete, dass Herr V. weiterhin die Existenz solcher wettbewerbswidriger Aktivitäten leugnete (Anhänge 2 und 7 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Zudem geht aus den Fernkopien in den Anhängen 11, 13 und 16 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass Herr V. im Dezember 1994 in die Ausarbeitung der Stellungnahme von ABB zu den Anschuldigungen der Rechtsanwälte von Powerpipe einbezogen war, in der bestritten wurde, dass sich das Unternehmen in wettbewerbswidriger Weise betätigt hatte. Folglich waren sowohl der Generaldirektor von ABB IC Møller als auch Herr V. als Mitglieder der Unternehmensleitung des ABB-Konzerns in die Bemühungen zur Leugnung oder Verschleierung des Kartells einbezogen.
26 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission in den Randnummern 121 und 169 der Entscheidung zu Recht festgestellt hat, dass die Kartellteilnahme der Klägerin auf der höchsten Ebene der Unternehmensleitung des ABB-Konzerns konzipiert, gebilligt und gelenkt wurde, ebenso wie die Bemühungen, das Vorhandensein des Kartells zu leugnen und zu verbergen, und die Fortführung des Kartells nach Beginn der Untersuchung. Die Behauptung, die Unternehmensleitung sei schon im November 1995 tätig geworden, damit der Geschäftsbereich Fernwärme die Wettbewerbsregeln einhalte, kann an dieser Feststellung nichts ändern.
27 Zur Nutzung der Wirtschaftskraft und der Ressourcen der Klägerin als multinationales Unternehmen genügt der Hinweis, dass in der Entscheidung mehrere von der Klägerin nicht bestrittene Tatsachen angeführt werden, die davon zeugen, dass diese ihre Wirtschaftskraft insbesondere bei ihren Versuchen zur Erlangung von Beteiligungen an anderen Unternehmen der Branche nutzte (Randnrn. 37, 46, 48, 91 und 106 der Entscheidung).
28 Wie in Randnummer 156 der Entscheidung ausgeführt wird, geht aus den Akten darüber hinaus hervor, dass die Bemühungen der Klägerin zur Ausschaltung von Powerpipe und zur Wahrung der Interessen des Kartells durch Unternehmen außerhalb des Geschäftsbereichs Fernwärme vorgenommen wurden.
29 Insoweit ergibt sich erstens in Bezug auf die Einstellung eines wichtigen Mitarbeiters von Powerpipe aus dem internen Vermerk von ABB in Anhang 27 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass ursprünglich geplant war, den Betreffenden in einer spanischen Tochtergesellschaft von ABB einzusetzen, die nichts mit dem Fernwärmesektor zu tun hatte. Auch wenn sein Einsatz im Fernwärmesektor aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht möglich war, ist gleichwohl festzustellen, dass die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs Fernwärme der Klägerin, die seine Abwerbung vorbereiteten, wissen mussten, dass andere Unternehmen des ABB-Konzerns bereit waren, ihr Vorgehen zu unterstützen.
30 Zweitens wurden die gegen Powerpipe gerichteten Maßnahmen des Geschäftsbereichs Fernwärme von Personen verfolgt und unterstützt, die bei Unternehmen tätig waren, die nach dem Aufbau des ABB-Konzerns nicht zum Geschäftsbereich Fernwärme gehörten. Zunächst geht aus dem Schriftwechsel in den Anhängen 9, 11, 13, 15 und 16 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, dass der von ABB bei ihren Kontakten zu Powerpipe eingenommene Standpunkt nicht nur mit Herrn V. und dem Generaldirektor von ABB IC Møller abgestimmt wurde, sondern auch mit einem Mitarbeiter der deutschen Tochtergesellschaft Asea Brown Boveri AG Mannheim. Zudem belegen die Schreiben in den Anhängen 144 und 146 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass ein Vorstandsmitglied dieser deutschen Tochtergesellschaft im März 1995 im Zusammenhang mit der Vergabe des Projekts in Leipzig-Lippendorf tätig wurde und dem Bauherrn riet, den Auftrag nicht an Powerpipe zu vergeben. Schließlich zeigt die Fernkopie in Anhang 159 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, dass die von Powerpipe abgeworbene Person auch nach ihrer Einstellung bei einem Unternehmen des Geschäftsbereichs Verkehr von ABB in Belgien weiterhin die Aktivitäten von Powerpipe verfolgte und den Generaldirektor von ABB IC Møller darüber informierte. Auch wenn es sich im letztgenannten Fall um eine Person handelte, die im Fernwärmesektor tätig gewesen war, und bei der Asea Brown Boveri AG Mannheim um ein Unternehmen, das zugleich in Deutschland als Muttergesellschaft für die auf dem dortigen Fernwärmemarkt tätigen Unternehmen von ABB auftrat, wurde das Vorgehen gegen Powerpipe doch von Mitarbeitern verfolgt, die zu Unternehmen von ABB außerhalb des Fernwärmesektors gehörten.
31 Somit hat die Kommission in Randnummer 169 der Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Klägerin ihre Wirtschaftsmacht und ihre Ressourcen als ein bedeutendes multinationales Unternehmen nutzte, um die Wirksamkeit des Kartells zu steigern und zu gewährleisten, dass andere Unternehmen sich nach ihren Wünschen richten.
32 Folglich ist der Klagegrund zurückzuweisen.
...
Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung
Vorbringen der Parteien
33 Die Klägerin führt aus, die Erfordernisse ordnungsgemäßen Verwaltungshandelns, der Objektivität und der Neutralität müssten die Richtlinien für die Behandlung von Wettbewerbssachen darstellen. Der Hauptverantwortliche der Kommission für ihren Fall habe sich jedoch während des gesamten Verfahrens ihr gegenüber als voreingenommen gezeigt, und dies sei auch in der vom Kollegium der Kommissionsmitglieder erlassenen Entscheidung zum Ausdruck gekommen. Für die Voreingenommenheit des Leiters der Untersuchung gebe es mehrere Beweise.
34 Erstens habe dieser Beamte im Frühjahr 1996 Vertretern von Løgstør nach einem Treffen mit ihnen versichert, dass Løgstør nichts zu befürchten habe, sondern ABB das Hauptziel der Untersuchung sei.
35 Zweitens habe derselbe Beamte die Klägerin zu Beginn der Anhörung am 24. November 1997 grundlos herabgewürdigt, indem er sich wie folgt geäußert habe: "ABB rühmt sich, "Europas geachtetstes Unternehmen" zu sein.... Nach dem Bekanntwerden des Sachverhalts des vorliegenden Falles werden sie möglicherweise sehr hart arbeiten müssen, um diesen Ruf behalten zu können." In der Anhörung habe er der Klägerin dann eine Reihe nicht sachdienlicher Fragen gestellt, die nur als Versuch verstanden werden könnten, sie dort bloßzustellen.
36 Drittens habe er am 9. November 1998, noch bevor die Kommission ABB IC Møller den Text der Entscheidung zugestellt habe, in einem Vortrag bei einer Konferenz zum Wettbewerbsrecht abfällige Bemerkungen gemacht. Bei seiner Schilderung des Fernwärmetechnik-Kartells habe er angemerkt, dass die Abkürzung ABB eine neue Bedeutung erlangen werde: "A Bad Business". Für diesen Vorfall habe sich der Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb später entschuldigt. Die von der Beklagten gegebene Erklärung, dass "A Bad Business" der Titel eines zuvor in The Parliament veröffentlichten Artikels sei, sei irrelevant, da für Kommissionsbeamte, die sich in offizieller Eigenschaft zu einem Fall äußerten, andere Verhaltensregeln als für den Verfasser eines Leitartikels gelten müssten.
37 In Bezug auf den letztgenannten Vorfall könne nicht geltend gemacht werden, dass er nach dem Erlass der Entscheidung stattgefunden habe, denn er werde nicht als Verfahrensmangel angeführt, sondern als Beweis für die hartnäckige Voreingenommenheit des Hauptverantwortlichen für den Fall während des gesamten Verfahrens bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung.
38 Die Entscheidung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder sei durch die Voreingenommenheit des für den Fall Verantwortlichen beeinflusst worden. So seien bestimmte Mängel der Entscheidung wahrscheinlich mit dem Bestreben dieses Beamten zu erklären, speziell die Klägerin zur Rechenschaft zu ziehen. In der Entscheidung werde ABB als das einzige in den Fall verwickelte multinationale Unternehmen bezeichnet, obwohl auch drei andere Unternehmen, Oy KWH Tech AB (im Folgenden: KWH), Pan-Isovit und Sigma Technologie di rivestimento Srl (im Folgenden: Sigma), zu internationalen Konzernen gehörten und die Akten im Fall von Pan-Isovit zeigten, dass Führungskräfte in das Kartell verwickelt gewesen seien. Ferner enthalte die Entscheidung unbestätigte und irreführende Behauptungen zur Beteiligung von Führungskräften des ABB-Konzerns am Kartell, die dazu gedient hätten, das Kollegium der Kommissionsmitglieder gegen die Klägerin einzunehmen und es zu veranlassen, ihr eine besonders hohe Geldbuße aufzuerlegen. Angesichts der Beweise für die Voreingenommenheit des Verantwortlichen und den Niederschlag, den diese Voreingenommenheit in der Entscheidung gefunden habe, müsse die Kommission dartun, dass sich die Voreingenommenheit nicht auf die vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffene Entscheidung ausgewirkt habe.
39 Die Beklagte führt aus, selbst wenn der geschilderte Sachverhalt zutreffen sollte, lasse er keine Voreingenommenheit erkennen. Zu den erwähnten Bemerkungen sei festzustellen, dass die Bemerkung bei der Konferenz nach Erlass der Entscheidung gemacht worden sei und somit weder deren Inhalt noch deren Gültigkeit habe beeinflussen können. Im Übrigen sei "A Bad Business" nicht nur der Titel eines zuvor erschienenen Artikels, sondern auf diesen Artikel sei auch bei der Konferenz ausdrücklich Bezug genommen worden.
40 Die Klägerin habe jedenfalls nicht angegeben, welcher Bestandteil der Entscheidung wegen der angeblichen Voreingenommenheit rechtswidrig sein solle. Die Feststellungen der Kommission in der Entscheidung und die gegen die Kartellteilnehmer festgesetzten Geldbußen beruhten auf deren eigenem Verhalten und seien aufgrund der durch die Akten voll und ganz bestätigten Tatsachen und Umstände gerechtfertigt.
Würdigung durch das Gericht
41 Zu den Garantien, die die Gemeinschaftsrechtsordnung für Verwaltungsverfahren vorsieht, gehört u. a. der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der die Verpflichtung des zuständigen Organs umfasst, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1, Randnr. 86, vom 26. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 34, und vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Métropole télévision/Kommission, Slg. 1996, II-649, Randnr. 93).
42 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sich die Klägerin bei ihrer Anhörung am 24. November 1997, wie aus deren Protokoll hervorgeht, einer abwertenden Bemerkung in Bezug auf ihren Ruf und einer Reihe tendenziöser Fragen zu von ihr nicht mehr bestrittenen Tatsachen seitens eines mit dem Fall, der Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist, betrauten Beamten der Kommission ausgesetzt sah. Es ist unstreitig, dass sich derselbe Beamte bei einer Konferenz zu Fragen des Wettbewerbsrechts am 9. November 1998 unter Verwendung eines Zitats äußerte, das die Aktivitäten der Klägerin diskreditierte.
43 Es trifft zu, dass diese Bemerkungen von unbedachten Verhaltens- und Ausdrucksweisen eines Mitglieds der bei der Kommission mit dem vorliegenden Fall betrauten Gruppe zeugen. Dies wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass sich der Generaldirektor für Wettbewerb der Kommission im Anschluss an die Bemerkung bei der Konferenz vom 9. November 1998 bei der Klägerin entschuldigte.
44 Solche Bemerkungen, so bedauerlich sie auch sein mögen, sind jedoch nicht geeignet, Zweifel an der Sorgfalt und Unparteilichkeit zu wecken, mit der die Kommission ihre Untersuchung der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung durchführte. Das Gleiche gilt - dessen Richtigkeit unterstellt - für den Kommentar, den derselbe Beamte gegenüber Vertretern von Løgstør abgegeben haben soll, wobei die Klägerin dafür allerdings keinen Beweis erbracht hat.
45 Was die Bemerkung bei der Konferenz vom 9. November 1998 anbelangt, so war zu diesem Zeitpunkt die Entscheidung, auch wenn sie der Klägerin noch nicht zugegangen war, doch bereits erlassen worden. Nach der Rechtsprechung können aber Handlungen nach dem Erlass einer Entscheidung deren Gültigkeit nicht beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 15 und 16).
46 Soweit die Klägerin aus der Gesamtheit der Bemerkungen des fraglichen Beamten den Beweis für eine Voreingenommenheit gegen sie abzuleiten versucht, ist festzustellen, dass das bedauerliche Verhalten eines Mitglieds der mit einem Fall betrauten Gruppe für sich genommen die Rechtmäßigkeit der in dieser Sache ergehenden Entscheidung nicht beeinträchtigt. Selbst wenn dieser Beamte nämlich gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hat, ist die angefochtene Entscheidung nicht von ihm, sondern vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffen worden.
47 Das Vorbringen der Klägerin ist jedenfalls nicht zum Nachweis dafür geeignet, dass eine etwaige Voreingenommenheit des fraglichen Beamten gegen die Klägerin in der Entscheidung selbst zum Ausdruck gekommen wäre. Zum einen genügt zu den Ausführungen in Bezug auf die Beteiligung der höchsten Ebene der Unternehmensleitung des ABB-Konzerns am Kartell der Hinweis auf die obigen Randnummern 33 bis 44, in denen festgestellt wird, dass diese Ausführungen durch die von der Kommission gesammelten Beweise untermauert werden. Zum anderen ist zu dem Umstand, dass die Kommission ABB als das einzige in die Sache verwickelte multinationale Unternehmen ansah, festzustellen, dass die Kommission keine ausreichenden Anhaltspunkte gefunden hat, um die Zuwiderhandlung den Konzernen anzulasten, zu denen KWH, Pan-Isovit und Sigma gehören, so dass es Sache der Klägerin ist, den Beweis für ihre Auffassung zu erbringen, dass sich die Verwicklung dieser Konzerne aus den Akten ergebe. Sie hat sich jedoch auf die unbewiesene Behauptung beschränkt, die Leitung des Konzerns, zu dem Pan-Isovit damals gehört habe, sei über die Aktivitäten des Kartells informiert gewesen und habe diese gebilligt. Was die Konzerne anbelangt, zu denen KWH und Sigma gehörten, so verweist die Klägerin auf keinen Beleg in den Akten für deren Verwicklung in das Kartell. Da sich die Kommission, wie aus den Randnummern 156 und 169 der Entscheidung hervorgeht, auf eine Reihe von Anhaltspunkten stützte, als sie dem ABB-Konzern die Zuwiderhandlung zur Last legte, genügt es insoweit für eine Erstreckung der Verantwortung der übrigen Teilnehmer an der Zuwiderhandlung auf ihre Muttergesellschaft nicht, auf ihre Zugehörigkeit zu einem internationalen Konzern und ihre eigenen Aktivitäten auf internationaler Ebene zu verweisen.
48 Ist erwiesen, dass ein Unternehmen auf der Ebene des Konzerns, zu dem es gehört, in ein Kartell verwickelt war, so ist im Übrigen auch der Beweis dafür, dass die Kommission ihre Überzeugung von der Verwicklung des fraglichen Konzerns in das Kartell während des Verwaltungsverfahrens verfrüht bekundet hat, nicht geeignet, dem Beweis für eine solche Verwicklung seine Stichhaltigkeit zu nehmen.
49 Aus all diesen Gründen ist der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen allgemeine Grundsätze und Beurteilungsfehler bei der Bemessung der Geldbuße
50 Als vierten Klagegrund macht die Klägerin einen Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung geltend und wirft der Kommission vor, die Dauer der Zuwiderhandlung, erschwerende und mildernde Umstände sowie die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) falsch beurteilt zu haben.
...
Zur falschen Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit
- Vorbringen der Parteien
51 Die Klägerin trägt vor, nach der Mitteilung über Zusammenarbeit hätte sie Anspruch darauf gehabt, dass die Kommission ihre Geldbuße um 50 % herabsetze, da sie die beiden in Abschnitt D dieser Mitteilung vorgesehenen Voraussetzungen erfuellt habe. Was die Voraussetzung anbelange, dass "ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen", so räume die Kommission selbst ein, dass sie erheblich zur Ermittlung des relevanten Sachverhalts beigetragen habe, u. a. soweit es sich um die Ursprünge des Kartells in Dänemark Ende 1990 handele, für die die Kommission über keinerlei Beweise verfügt habe. Zu der Voraussetzung, dass "ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet", sei festzustellen, dass sie der einzige wichtige Kartellteilnehmer gewesen sei, der den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Vorwürfe gestützt habe, nicht bestritten habe.
52 Die beiden Voraussetzungen von Abschnitt D könnten nicht als kumulativ angesehen werden. Andernfalls hätte ein Unternehmen, das die Voraussetzungen der Abschnitte B und C der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht erfuelle, keinen Anreiz, vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Da die Klägerin die beiden in Abschnitt D vorgesehenen Voraussetzungen erfuellt habe, hätte ihre Geldbuße um mindestens 50 % herabgesetzt werden müssen. Es sei schwer vorstellbar, wie die Klägerin noch offener und kooperativer hätte sein können oder inwiefern ihre Offenheit und ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit für die Kommission noch wertvoller hätten sein können.
53 Die in der Entscheidung gegebene Rechtfertigung dafür, ihre Geldbuße nur um 30 % herabzusetzen, und insbesondere die Erklärung, sie habe erst nach Erhalt eines Auskunftsverlangens im März 1996, neun Monate nachdem die Kommission sie über die Einleitung einer Untersuchung informiert habe, mit der Kooperation begonnen, seien nicht stichhaltig. Zum einen seien in Bezug auf den Beginn der Zusammenarbeit die beiden Voraussetzungen von Abschnitt D der Mitteilung erfuellt. Die erste Voraussetzung gehe nur dahin, dass die Kooperation vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte erfolgen müsse, während auf die Bedeutung von Schreiben gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 nicht eingegangen werde. Für die zweite Voraussetzung sei der Beginn der Zusammenarbeit nicht relevant. Zum anderen stehe die Entscheidung nicht im Einklang mit der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit in der Entscheidung 98/247/EGKS der Kommission vom 21. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 65 EGKS-Vertrag (Sache IV/35.814 - Legierungszuschlag) (ABl. L 100, S. 55, im Folgenden: Entscheidung "Legierungszuschlag"). In dieser Sache seien die Geldbußen der Unternehmen wegen ihrer Zusammenarbeit und ihres Eingeständnisses rechtswidriger Handlungen um 40 % herabgesetzt worden, obwohl sie erst 21 Monate, nachdem sie von der Untersuchung der Kommission Kenntnis erlangt hätten, und ein Jahr, nachdem die Kommission in dieser Sache die Beschwerdepunkte mitgeteilt habe, mit der Zusammenarbeit begonnen hätten.
54 Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass sie durch die Herabsetzung ihrer Geldbuße um nur 30 % benachteiligt worden sei. Die gleiche Herabsetzung sei bei Løgstør und Tarco vorgenommen worden, obwohl diese Unternehmen eine Vielzahl entscheidender Sachverhaltselemente bestritten hätten, die die Klägerin eingeräumt habe. Ihre ungleiche Behandlung durch die Kommission ergebe sich auch daraus, dass diese die Geldbuße der KE KELIT Kunststoffwerk GmbH allein deshalb um 20 % herabgesetzt habe, weil sie den wesentlichen Sachverhalt in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angefochten habe. Insoweit greife das Argument der Kommission, die Klägerin könne sich nicht zu ihrem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen, nicht durch, da sie nicht geltend mache, dass die Kartellteilnehmer, deren Geldbuße nicht erhöht worden sei, rechtswidrig behandelt worden seien.
55 Die Beklagte ist der Ansicht, eine Herabsetzung um 30 % trage der Zusammenarbeit der Klägerin bei der Untersuchung objektiv und gebührend Rechnung. Es treffe nicht zu, dass in der Entscheidung nur ein Grund genannt sei, aus dem sie nicht die höchstmögliche Herabsetzung erhalten habe, nämlich die Tatsache, dass sie erst neun Monate nach den Nachprüfungen kooperiert habe. Der Umfang einer Herabsetzung hänge davon ab, inwieweit die Kooperation eines Unternehmens zur Untersuchung der Kommission beigetragen habe. In Randnummer 174 der Entscheidung werde ausgeführt, dass sich der Beitrag der Klägerin zur Ermittlung des Sachverhalts nicht auf alle Aspekte des Kartells erstreckt habe und dass die Kommission auch über andere Beweise für die Existenz des Kartells vor 1994 verfügt habe. Dass die Klägerin den Sachverhalt nie bestritten habe, werde zwar nicht in Randnummer 174 der Entscheidung erwähnt, aber in den Randnummern 26, 119 und 169 der Entscheidung ordnungsgemäß berücksichtigt.
56 Zur Zusammenarbeit der Klägerin sei noch festzustellen, dass sie zwar als erste ihre Kooperationsbereitschaft bekundet, aber nicht als erste Beweise für den Ursprung des Kartells im Jahr 1990 geliefert habe. Zu diesem Zeitraum heiße es in der Entscheidung nur, dass die Kommission "während ihrer Untersuchungen" in den Räumlichkeiten der Beteiligten keine erheblichen Beweismittel gefunden habe. Sie habe jedenfalls bei ihren Nachprüfungen zahlreiches Belastungsmaterial für das gesamte Kartell gefunden. Der Versuch der Klägerin, die Zuwiderhandlung in zwei Teile aufzuspalten, stehe im Widerspruch zu der unbestrittenen Feststellung, dass das Kartell eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung gewesen sei. Die Klägerin habe im Übrigen außer den bei der Untersuchung in ihren Geschäftsräumen gefundenen Unterlagen keine schriftlichen Beweise geliefert.
57 Unzutreffend sei auch die Berechnungsmethode, mit der die Klägerin zu einer Herabsetzung um 50 % komme. In der Herabsetzung um 30 % kämen ihr Beitrag zur Untersuchung und die Tatsache, dass sie den Sachverhalt nicht bestritten habe, ordnungsgemäß zum Ausdruck. Die beiden Voraussetzungen von Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit ergänzten sich insofern weitgehend, als die zweite Voraussetzung meist implizit in der ersten enthalten sei. Man könne daher nicht geltend machen, dass das Nichtbestreiten des Sachverhalts zu einer spürbar größeren Herabsetzung der Geldbuße von ABB führen könnte, weil sie der Kommission bei der Ermittlung des Sachverhalts geholfen habe. Das Nichtbestreiten des Sachverhalts rechtfertige jedenfalls dann nur eine geringe Herabsetzung, wenn es nur wenig gebe, das ein Unternehmen bestreiten könne, ohne sich in Widerspruch zu unwiderlegbaren Beweisen zu setzen oder seinen eigenen Beitrag zur Untersuchung gemäß der ersten Alternative von Abschnitt D der Mitteilung zunichte zu machen.
58 Was schließlich die angebliche Diskriminierung anbelange, so habe die Klägerin nicht dargetan, dass die Beurteilung ihrer Zusammenarbeit bei der Untersuchung durch die Kommission offensichtlich fehlerhaft gewesen sei. Bei den übrigen Unternehmen spiegele die Beurteilung der zu gewährenden Nachlässe die Situation jedes Unternehmens angemessen wider. Løgstør möge zwar einen Teil der Auslegung des Sachverhalts - wie die Existenz eines fortgesetzten Kartells während des gesamten von der Untersuchung erfassten Zeitraums - bestritten haben, doch habe sie wichtige Beweise zu vielen Schlüsselaspekten des Falles einschließlich der Fortsetzung des Kartells nach der Untersuchung geliefert. Tarco sei das erste Unternehmen gewesen, das schriftliche Beweise für den Ursprung des Kartells im Jahr 1990 geliefert habe. Selbst wenn die Herabsetzung bei anderen Kartellteilnehmern als übermäßig großzügig eingestuft werden sollte, müsse jedenfalls der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen könne.
- Würdigung durch das Gericht
59 Die Kommission hat in ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegt, unter welchen Voraussetzungen gegen Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, keine oder niedrigere Geldbußen festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A 3 der Mitteilung).
60 Der Fall der Klägerin gehört unstreitig weder zum Anwendungsbereich von Abschnitt B der Mitteilung, der Fälle betrifft, in denen ein Unternehmen der Kommission eine geheime Absprache anzeigt, bevor diese eine Nachprüfung vorgenommen hat (und in denen die Geldbuße um mindestens 75 % herabgesetzt werden kann), noch zum Anwendungsbereich von Abschnitt C der Mitteilung, der sich auf ein Unternehmen bezieht, das eine geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat (dann kann die Geldbuße um 50 % bis 75 % herabgesetzt werden).
61 Für den Fall der Klägerin gilt vielmehr Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit, der Folgendes vorsieht: "Arbeitet ein Unternehmen mit der Kommission zusammen, ohne dass es alle [in den Abschnitten B und C genannten] Voraussetzungen erfuellt, so wird die Höhe der Geldbuße, die ohne seine Mitarbeit festgesetzt worden wäre, um 10 bis 50 % niedriger festgesetzt." Weiter heißt es dort:
"Dies gilt insbesondere, wenn
- ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen;
- ein Unternehmen der Kommission nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilt, dass es den Sachverhalt, auf den die Kommission ihre Einwände stützt, nicht bestreitet."
62 In diesem Zusammenhang kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie der Klägerin nicht die volle nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit mögliche Verringerung um 50 % zugestand, wobei sie sich darauf stützte, dass die Klägerin erst zur Zusammenarbeit bereit gewesen sei, nachdem sie eingehende Auskunftsersuchen erhalten habe (Randnr. 174 Absätze 3 und 4 der Entscheidung).
63 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Herabsetzung der Geldbuße aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des fraglichen Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und diese gegebenenfalls zu beenden (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 36; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 393, und vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 271, und T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 325). Da auch außerhalb der unter Abschnitt C der Mitteilung fallenden Sachverhalte die Kooperation eines Unternehmens, das noch kein Auskunftsverlangen der Kommission erhalten hat, deren Untersuchung erleichtern kann, war es ohne weiteres zulässig, dass die Kommission der Klägerin, die ihren Willen zur Zusammenarbeit erst nach Erhalt eines ersten Auskunftsverlangens vom 13. März 1996 bekundete, während die Nachprüfung bei ABB IC Møller bereits am 29. Juni 1995 stattgefunden hatte, nicht die volle nach Abschnitt D der Mitteilung in Betracht kommende Herabsetzung zugestand.
64 Zum Vergleich des vorliegenden Falles mit der früheren Praxis der Kommission ist festzustellen, dass allein aus der Tatsache, dass die Kommission in früheren Entscheidungen bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden kann, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (Urteil vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, Randnr. 368).
65 Zu prüfen ist jedoch, ob die Kommission, als sie bei der Klägerin die gleiche Herabsetzung um 30 % vornahm wie bei Løgstør und Tarco, den Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet hat, der es verbietet, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichzubehandeln, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; Urteil BPB de Eendracht/Kommission, Randnr. 309).
66 Insoweit kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, in Bezug auf die Übermittlung von Beweismitteln an sie nicht zwischen dem Grad der Zusammenarbeit der Klägerin und dem von Løgstør und Tarco differenziert zu haben. Die von ABB gelieferten Informationen haben zwar insbesondere hinsichtlich des Ursprungs des Kartells in Dänemark Ende 1990 wesentlich zur Ermittlung des relevanten Tatbestands beigetragen, doch war Tarco das erste Unternehmen, das hierfür Beweise lieferte (Antwort von Tarco vom 26. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996). Zudem ergibt sich aus den Akten, dass die Informationen, die die Klägerin in ihren Antworten auf das Auskunftsverlangen gab, beträchtlich waren, aber unter dem Aspekt ihres Beitrags zur Feststellung der Zuwiderhandlung in Anbetracht der Beweise, über die die Kommission nach den Nachprüfungen verfügte, nicht bedeutsamer als die Angaben anderer Unternehmen. So lieferte Løgstør Beweise für die Fortsetzung des Kartells nach den Nachprüfungen (Antwort von Løgstør vom 25. April 1996 auf das Auskunftsverlangen vom 13. März 1996), während die Klägerin, nachdem sie eine solche Fortsetzung der Zuwiderhandlung in ihrer Antwort vom 4. Juni 1996 eingeräumt hatte, in ihrer Antwort vom 13. August 1996 keine genaueren Informationen gab. In Bezug auf die Maßnahmen gegen Powerpipe konnte sich die Kommission nicht auf die Auskünfte von ABB stützen, sondern musste die Angaben von Powerpipe und weitere Unterlagen heranziehen, die die Genehmigung und Durchführung einer solchen Vereinbarung bestätigen. Folglich war die Kommission berechtigt, bei der Herabsetzung wegen der Zusammenarbeit nicht zwischen der Klägerin, Løgstør und Tarco zu differenzieren, soweit es sich darum handelt, dass sie der Kommission Beweismittel lieferten.
67 Die Kommission hätte jedoch bei der Herabsetzung wegen der Zusammenarbeit insofern zwischen der Klägerin, Løgstør und Tarco differenzieren müssen, als die Klägerin nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte weder den festgestellten Sachverhalt noch dessen Auslegung durch die Kommission bestritt. Angesichts dessen, dass sich die Zusammenarbeit der Klägerin bei der Übermittlung von Beweismitteln nicht erheblich von der von Løgstør oder Tarco unterschied und dass die Kommission bei der Beurteilung der Zusammenarbeit der Klägerin in Randnummer 174 der Entscheidung nicht mehr erwähnte, dass diese den wesentlichen Sachverhalt nicht bestritten hatte, ist festzustellen, dass der letztgenannte Umstand bei der Berechnung des der Klägerin wegen ihrer Zusammenarbeit zu gewährenden Nachlasses keine Berücksichtigung fand.
68 In Randnummer 26 der Entscheidung erkennt die Kommission ausdrücklich an, dass sich die Klägerin - von ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte an - dadurch von den anderen Unternehmen unterschied, dass die meisten Unternehmen die Dauer der Zuwiderhandlung und ihre dabei gespielte Rolle bagatellisierten und jede Beteiligung an Aktionen zur Schädigung von Powerpipe leugneten, während die Klägerin die wesentlichen von der Kommission geschilderten Fakten und deren Schlussfolgerungen nicht bestritt. Weiter führt die Kommission aus, Løgstør und Tarco hätten in ihren Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, dass es vor 1994 kein Kartell außerhalb des dänischen Marktes gegeben habe und dass es zudem kein fortgesetztes Kartell gegeben habe, und sie hätten geleugnet, an Maßnahmen zur Ausschaltung von Powerpipe teilgenommen oder diese durchgeführt zu haben (Randnr. 26 Absatz 2 und Randnr. 27 Absatz 5 der Entscheidung).
69 Da die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung insofern nicht beachtet hat, als sie bei ihrer Beurteilung der Zusammenarbeit der Klägerin hätte berücksichtigen müssen, dass diese den wesentlichen Sachverhalt nicht bestritten hatte, hat sie den der Klägerin wegen ihrer Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren zu gewährenden Nachlass zu Unrecht auf 30 % festgesetzt.
70 Dem Klagegrund ist daher stattzugeben, soweit der Kommission vorgeworfen wird, keine über 30 % hinausgehende Herabsetzung der Geldbuße vorgenommen zu haben.
...
Ergebnis
71 Wie aus den vorstehenden Erwägungen und insbesondere den Randnummern 240 bis 245 folgt, hat die Kommission die gegen die Klägerin zu verhängende Geldbuße fälschlich auf 70 000 000 ECU festgesetzt.
72 Aus diesen Gründen hält es das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gemäß Artikel 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 für gerechtfertigt, die in Artikel 3 Buchstabe a der Entscheidung festgesetzte Geldbuße, die gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) in Euro anzugeben ist, auf 65 000 000 Euro zu verringern.
Kostenentscheidung:
Kosten
73 Nach Artikel 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben wurde, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie 90 % der Kosten der Kommission und dieser 10 % ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die in Artikel 3 Buchstabe a der Entscheidung 1999/60/EG der Kommission vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße wird auf 65 000 000 Euro verringert.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie 90 % der Kosten der Kommission.
4. Die Kommission trägt 10 % ihrer eigenen Kosten.
(1) - Es sind nur die Randnummern der Gründe des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für angebracht hält. Der tatsächliche und rechtliche Rahmen der vorliegenden Rechtssache wird im Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-23/99 (LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-0000) dargestellt.
Ende der Entscheidung
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