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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: T-317/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 Art. 74 Abs. 1
Verordnung (EG) Nr. 40/94 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

26. Januar 2006

"Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung des Wortzeichens VARIANT als Gemeinschaftsmarke - Ältere nationale Wortmarke DERBIVARIANT - Zurückweisung der Anmeldung durch die Beschwerdekammer - Verwechslungsgefahr - Artikel 74 Absatz 1 und Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94"

Parteien:

In der Rechtssache T-317/03

Volkswagen AG mit Sitz in Wolfsburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Risthaus,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch J. Weberndörfer und G. Schneider als Bevollmächtigte

Beklagter,

andere Beteiligte am Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Nacional Motor, SA, mit Sitz in Martorelles (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 17. Juni 2003 (Sache R 610/2001-4) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen Nacional Motor, SA, und der Volkswagen AG

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie des Richters P. Mengozzi und der Richterin I. Wiszniewska-Bialecka,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 15. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 20. Januar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 25. Juni 1998 meldete die Volkswagen AG gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) eine Gemeinschaftsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen VARIANT.

3 Es wurde ursprünglich für Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 12, 14, 18, 25, 27, 28 und 37 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner revidierten und geänderten Fassung angemeldet. Später wurde die Anmeldung auf Waren und Dienstleistungen aus den fünf Klassen 7, 12, 14, 27 und 37 beschränkt. Bei den Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 12 und 37, für die die Gemeinschaftsmarke angemeldet wurde, im Besonderen handelt es sich um folgende:

- Klasse 7: "Motoren sowie deren Teile (ausgenommen für Landfahrzeuge)";

- Klasse 12: "Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft oder auf dem Wasser sowie deren Teile";

- Klasse 37: "Reparatur, nämlich Reparatur, Wartung und Pflege von Fahrzeugen, einschließlich Pannenhilfe (Reparatur von Fahrzeugen im Rahmen der Pannenhilfe)".

4 Am 18. Januar 1999 wurde die Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.

5 Am 19. April 1999 legte Nacional Motor, SA (im Folgenden: Widersprechende), gegen die Anmeldung Widerspruch wegen Bestehens von Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ein. Der Widerspruch wurde auf die älteren nationalen Marken DERBIVARIANT, DERBI VARIANT und VARIANTDERBI gestützt, die in Spanien für die Waren "Fahrzeuge, nämlich zweirädrige Motorfahrzeuge, sowie deren Zubehör und Ersatzteile" der Klasse 12 eingetragen sind, und richtete sich gegen die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 12 und 37.

6 Mit Entscheidung vom 24. April 2001 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Widersprechende habe nicht nachgewiesen, dass sie Inhaberin der älteren Marken DERBI VARIANT und VARIANTDERBI sei, und die ältere Marke DERBIVARIANT sei weder mit der angemeldeten Marke im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 40/94 identisch noch begründe sie ihr gegenüber Verwechslungsgefahr, so dass Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 nicht anwendbar sei.

7 Am 20. Juni 2001 legte die Widersprechende gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung eine Beschwerde ein, in deren Rahmen sie neue Belege für ihre Inhaberschaft der Marken DERBI VARIANT und VARIANTDERBI vorlegte.

8 Mit Entscheidung vom 17. Juni 2003 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) hob die Vierte Beschwerdekammer des Amtes die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf und wies die Anmeldung zurück. Ohne zu den neuen Beweismitteln für die Inhaberschaft an den älteren Marken DERBI VARIANT und VARIANTDERBI Stellung zu nehmen, beschränkte die Beschwerdekammer ihre Prüfung auf den Vergleich der angemeldeten Marke mit der älteren Marke DERBIVARIANT. Sie stellte fest, dass insbesondere wegen der Identität und der Ähnlichkeit der betroffenen Waren und Dienstleistungen und der visuellen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Zeichen bei den spanischen Verkehrskreisen tatsächlich Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 bestehe.

9 In Randnummer 1 der angefochtenen Entscheidung heißt es:

"Am 25. Juni 1998 meldete die Volkswagen AG ... das Wortzeichen VARIANT als Gemeinschaftsmarke an, und zwar, nach einer Einschränkung der Anmeldung und soweit im vorliegenden Verfahren relevant, für folgende Waren und Dienstleistungen:

Klasse 7 ...

Klasse 12 ...

Klasse 37 ..."

10 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

"1. Die angefochtene Entscheidung [der Widerspruchsabteilung] wird aufgehoben.

2. Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wird zurückgewiesen.

..."

Anträge der Parteien

11 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung insgesamt aufzuheben;

- die angefochtene Entscheidung zumindest insoweit aufzuheben, als mit ihr die Anmeldung für nicht vom Widerspruch erfasste Waren zurückgewiesen wird;

- dem Amt die Kosten aufzuerlegen;

12 Das Amt beantragt,

- dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung stattzugeben, soweit mit dieser die Anmeldung für die Waren der Klassen 14 und 27 zurückgewiesen wird;

- die Klage im Übrigen abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

13 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 und zweitens einen Beurteilungsfehler bei der Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 rügt.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung von Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Parteien

14 Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe mit der Zurückweisung der Anmeldung auch für die Waren der Klassen 14 und 27 unter Verstoß gegen Artikel 74 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 den Gegenstand des Widerspruchs erweitert, da dieser nur gegen die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 12 und 37 gerichtet worden sei.

15 Das Amt räumt ein, dass die Beschwerdekammer die Anmeldung zu Unrecht auch für die Waren der Klassen 14 und 27 zurückgewiesen hat, und tritt daher der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht entgegen, soweit mit dieser Anmeldung auch für die Waren dieser Klassen zurückgewiesen wurde. Das Amt betont jedoch, dass dieser Fehler der Beschwerdekammer auf einem offenkundigen Versehen beruhe und durch ein bloßen Antrag der Klägerin beim Amt korrigierbar gewesen wäre.

Würdigung durch das Gericht

16 Wie den Akten zu entnehmen und im Übrigen unstreitig ist, richtete sich der Widerspruch nur gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 7, 12 und 37.

17 Obgleich in Randnummer 1 der angefochtenen Entscheidung klargestellt wird, dass das Widerspruchsverfahren die Anmeldung nur für diese drei Klassen betraf, hat die Beschwerdekammer die Anmeldung in Nummer 2 des verfügenden Teils ihrer Entscheidung zurückgewiesen, ohne diese Zurückweisung auf die Waren und Dienstleistungen dieser drei Klassen zu beschränken. Die angefochtene Entscheidung ist daher rechtswidrig, soweit mit ihr über die Anträge hinausgehend entschieden wird.

18 Wie sich aus den Artikeln 43 Absatz 5 Satz 1, 62 Absatz 1 Satz 1 und 74 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in ihrem Zusammenhang ergibt, darf die Beschwerdekammer nämlich im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Entscheidung der Widerspruchsabteilung die Anmeldung nur in den Grenzen der Forderungen zurückweisen, die der Widersprechende in seinem Widerspruch gegen die Anmeldung geltend gemacht hat. Die Beschwerdekammer darf mit ihrer Entscheidung nicht über den Gegenstand des Widerspruchs hinausgehen (Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2003 in der Rechtssache T-292/01, Phillips-Van Heusen/HABM - Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], Slg. 2003, II-4335, Randnrn. 23 und 24).

19 Wie das Amt einräumt, hat die Beschwerdekammer daher in Nummer 2 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung die Anmeldung zu Unrecht insgesamt zurückgewiesen.

20 Nummer 2 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung ist daher aufzuheben, soweit damit die Anmeldung für andere Waren und Dienstleistungen als die der Klassen 7, 12 und 37 zurückgewiesen wird.

Zum zweiten Klagegrund: Beurteilungsfehler bei der Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Parteien

21 Die Klägerin weist zunächst darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Grades der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, des Grades der Ähnlichkeit der betroffenen Waren und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, zu beurteilen sei, wobei von der Aufmerksamkeit auszugehen sei, die ein normal informierter Verbraucher beim Kauf der betroffenen Waren für die Marken aufbringen werde (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95, Sabèl, Slg. 1997, I-6191, Randnr. 23, und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I-3819, Randnr. 26). Außerdem sei nach der Rechtsprechung bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorriefen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen seien (vgl. Urteile Sabèl, Randnr. 23, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 26).

22 Schließlich ergebe sich aus der Rechtsprechung, dass der Inhaber einer Marke für diese nur in ihrer eingetragenen Form Schutz beanspruchen könne. Daher gebe eine mehrteilige Marke ihrem Inhaber nicht das Recht, gegen die Benutzung einzelner Elemente oder Teile der Marke vorzugehen, die nur in ihrer Gesamtheit geschützt sei.

23 Im vorliegenden Fall habe das Amt das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu Unrecht allein damit begründet, dass der Ausdruck "Variant", aus dem die angemeldete Marke bestehe, in der älteren Marke DERBIVARIANT enthalten sei, und dabei nicht beachtet, dass diese aus einem untrennbaren Gesamtbegriff bestehe.

24 Das Wort "Variant" sei nämlich innerhalb der älteren Marke nicht ohne weiteres wahrnehmbar, so dass es nicht gerechtfertigt sei, es vom Ausdruck "Derbi" zu trennen und als dominierend anzusehen.

25 Außerdem sei die Widersprechende seit 1949 Inhaberin der Marke DERBI. Durch ihre über 50-jährige Benutzung habe diese Marke eine starke Kennzeichnungskraft erworben. Demgegenüber sei das Wort "Variant" wegen seiner Ähnlichkeit mit dem spanischen Wort "variante" leicht beschreibend und daher eher kennzeichnungsschwach. Daher sei innerhalb der älteren Marke vielmehr der Begriff "Derbi" als dominierend anzusehen.

26 Zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen gebe es wegen ihrer sich erheblich unterscheidenden Buchstabenzahl und in Anbetracht des von ihnen hervorgerufenen Gesamteindrucks keine visuelle Ähnlichkeit.

27 Bei seiner Beurteilung der optischen Ähnlichkeiten der betreffenden Marken habe das Amt übersehen, dass dem Wortanfang gegenüber den folgenden Wortteilen eine größere Bedeutung zukomme. Die Verbraucher begännen beim Erlernen von Marken wie dem Widerspruchszeichen mit dem Wortanfang, während das Wortende erst nach und nach bei mehrfacher Wahrnehmung der Marke in ihr Bewusstsein trete.

28 Auch klanglich seien die einander gegenüberstehenden Zeichen besonders wegen ihrer unterschiedlichen Silbenzahl und der Stellung des allein in der älteren Marke vorkommenden Wortes "Derbi" vor ihrem Bestandteil "Variant" einander nicht ähnlich.

29 In begrifflicher Hinsicht trage die Annahme der Beschwerdekammer, dass der Begriff "Variant" eine "Abweichung von einem Standard" bezeichnen könne, nicht deren Feststellung, dass die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Ein Begriff, der auf eine Variante gegenüber einem Standard hinweise, setze stets den Bezug zu einem solchen Standard voraus. So könnte die ältere Marke dahin verstanden werden, dass es sich um eine Fortentwicklung oder sonstige Abweichung gegenüber dem "Original-Derbi" handele. Dagegen bestehe die angemeldete Marke aus dem Begriff "Variant" in Alleinstellung, der, selbst wenn er in der spanischen Sprache möglicherweise Assoziationen zu dem Begriff "Variante" auslöse, einen allgemeinen Bedeutungsgehalt habe und keinerlei Bezugspunkt zu einem Standard aufweise, gegenüber dem die Marke eine Abweichung darstellen könnte.

30 Schließlich lasse die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung jeden Hinweis auf den Aufmerksamkeitsgrad der beteiligten Verkehrskreise vermissen. Beim Erwerb von Kraftfahrzeugen sei der Verkehr besonders aufmerksam, weil es sich um Waren handele, die eine erhebliche Investition verlangten und in der Regel erst nach reiflicher Überlegung erworben würden. Der Aufmerksamkeitsgrad sei sogar beim Erwerb von Ersatzteilen und Zubehör hoch, da der Verbraucher darauf achten müsse, dass diese zum Fahrzeug passten.

31 Das Amt widerspricht zunächst dem Vorbringen der Klägerin, dass das Wortzeichen DERBIVARIANT eine unauflösliche Einheit bilde. Vielmehr werde der maßgebliche spanische Verbraucher die ältere Wortmarke in ihre Bestandteile aufteilen und das erste Zeichenelement, "Derbi", als den allgemein bekannten und benutzten Begriff für einen Sportwettkampf zwischen Mannschaften derselben Stadt oder eng benachbarter Städte ansehen und den Begriff "Variant" automatisch mit dem spanischen Wort "variante" assoziieren.

32 Das Gericht habe in seinem Urteil vom 25. November 2003 in der Rechtssache T-286/02 (Oriental Kitchen/HABM - Mou Dybfrost [KIAP MOU], Slg. 2003, II-4953, Randnr. 39) entschieden, dass dann, wenn eine Wortmarke aus nur zwei Wörtern bestehe und eines dieser Wörter optisch oder klanglich mit dem einzigen Wort identisch sei, aus dem eine ältere Wortmarke bestehe, und diese Wörter zusammen oder allein für die betreffenden Verkehrskreise keine begriffliche Bedeutung hätten, die fraglichen Marken in ihrer jeweiligen Gesamtheit regelmäßig als ähnlich anzusehen seien. Der in diesem Urteil aufgestellte Grundsatz sei auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Wortbestandteile der älteren Marke und die angemeldete Marke zwar eine Bedeutung, aber keinerlei beschreibenden Bezug zu den mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen hätten. Die Annahme der Klägerin, dass das Wort "VARIANT" leicht beschreibend sei, sei unzutreffend, da das Wort im betroffenen Marktsektor generell keine Verwendung finde.

33 Nach Meinung des Amtes, das insoweit auch auf Randnummer 43 des Urteils KIAP MOU verweist, haben die beiden Wörter der älteren Marke für die maßgeblichen Verkehrskreise die gleiche Anziehungskraft. Falls einem Teil der Marke DERBIVARIANT eine größere Anziehungskraft zukomme, dann jedenfalls dem Begriff "Variant". Bei diesem Wort werde durch das Weglassen des Buchstabens "e" eine auffällige Abweichung von der Schreibweise des Wortes "variante" im Spanischen geschaffen, die die Aufmerksamkeit des Verbrauchers errege. Dieses Ergebnis werde auch dadurch bestätigt, dass das Zeichenelement "Variant" deutlich länger sei als das Element "Derbi".

34 Schließlich sei der Aufmerksamkeitsgrad des Verbrauchers für einen Teil der fraglichen Waren nur als gering anzusetzen, nämlich für alle Artikel, die generell als "Teile" bezeichnet würden und bei denen die Herkunft für den Verbraucher kaum von Interesse sei. Dasselbe gelte für kleinere oder routinemäßig durchzuführende Reparatur-, Wartungs- und Pflegedienste.

Würdigung durch das Gericht

35 Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

36 Nach ständiger Rechtsprechung besteht Verwechslungsgefahr, wenn das Publikum glauben könnte, dass die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen.

37 Weiterhin ist nach der Rechtsprechung das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, gemäß der Wahrnehmung der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen durch die betreffenden Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Zeichenähnlichkeit und der Produktähnlichkeit, zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-162/01, Laboratorios RTB/HABM - Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], Slg. 2003, II-2821, Randnrn. 31 bis 33 und die dort zitierte Rechtsprechung).

38 Da die ältere Marke im vorliegenden Fall in Spanien eingetragen ist, ist die Frage, ob Verwechslungsgefahr vorliegt, aus der Sicht des spanischen Publikums zu beurteilen.

39 Angesichts der Art der betroffenen, oben in den Randnummern 3 und 5 genannten Waren und Dienstleistungen bestehen die angesprochenen Verkehrskreise, die für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebend sind, für alle fraglichen Waren und Dienstleistungen aus den spanischen Durchschnittsverbrauchern.

40 Was den Aufmerksamkeitsgrad anbelangt, den der maßgebliche Verbraucher beim Kauf der fraglichen Waren oder der Auswahl des Erbringers der mit der angemeldeten Marke gekennzeichneten Dienstleistungen aufbringen wird, so ist es zwar wahrscheinlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise beim Erwerb von Kraftfahrzeugen, die eine bedeutende Investition darstellen können, besondere Aufmerksamkeit zeigen werden, doch wird der Aufmerksamkeitsgrad bei Ersatzteilen und Zubehör sowie Dienstleistungen der Reparatur, Wartung und Pflege, wie das Amt zutreffend ausführt, geringer sein, auch wenn zumindest bei Ersatzteilen trotz allem ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit erforderlich ist, um sicherzustellen, dass sie zu den Fahrzeugen passen, für die sie bestimmt sind.

- Zu den in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen

41 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Bestimmungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T-388/00, Institut für Lernsysteme/HABM - Educational Services (ELS), Slg. 2002, II-4301, Randnr. 51).

42 Im vorliegenden Fall wird der Widerspruch auf eine ältere eingetragene Marke für Waren der Klasse 12 gestützt und richtet sich gegen die Anmeldung für Waren und Dienstleistungen derselben Klasse und der Klassen 7 und 37.

43 Dabei sind die durch die Anmeldung erfassten Waren der Klassen 7 und 12 mit den Waren der älteren Marke in Klasse 12 identisch oder ihnen weitgehend ähnlich.

44 Obwohl im Übrigen zu den von der älteren Marke geschützten Produkten nicht die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen der Reparatur, Wartung und Pflege von Fahrzeugen in Klasse 37 gehören, können diese Dienstleistungen im Verhältnis zu den mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren in Klasse 12 ("Fahrzeuge, nämlich zweirädrige Motorfahrzeuge, sowie deren Zubehör und Ersatzteile") als akzessorisch oder ergänzend angesehen werden, da sie, wie die Beschwerdekammer in Randnummer 14 der angefochtenen Entscheidung zutreffend dargelegt hat, häufig von Unternehmen erbracht werden, die auch Kraftfahrzeuge vertreiben.

- Zu den fraglichen Zeichen

45 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken nach Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil BASS, Randnr. 47 und die dort zitierte Rechtsprechung). Denn der Durchschnittsverbraucher der in Frage stehenden Art von Waren oder Dienstleistungen, auf dessen Wahrnehmung der Marken es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend ankommt, nimmt eine Marke normalerweise als Ganzes war und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. analog Urteil Sabèl, Randnr. 23).

46 Nach der Rechtsprechung sind zwei Marken ähnlich, wenn sie aus Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T-6/01, Matratzen Concord/HABM - Hukla Germany [MATRATZEN], Slg. 2002, II-4335, Randnr. 30).

47 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass das Wort "Variant", aus dem allein die angemeldete Marke besteht, in dem die ältere Marke bildenden Wort "Derbivariant" vollständig enthalten ist. Damit weisen die beiden Zeichen, wie die Beschwerdekammer im Wesentlichen in Randnummer 11 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, sowohl visuell als auch klanglich eine gewisse Ähnlichkeit auf.

48 Insbesondere ist der Wortteil "Variant" nach der Zahl der Buchstaben und Silben der beherrschende Bestandteil der älteren Marke. Dieses Wortelement entspricht ohne jede Abweichung der angemeldeten Marke.

49 Hingegen unterscheiden sich die beiden Zeichen visuell und klanglich durch die Hinzufügung der fünf Buchstaben oder zwei Silben des Wortes "Derbi" in der älteren Marke.

50 Auch wenn der Verbraucher, wie die Klägerin geltend macht, üblicherweise dem ersten Teil von Wörtern mehr Gewicht beilegt (Urteil des Gerichts vom 17. März 2004 in den Rechtssachen T-183/02 und T-184/02, El Corte Inglés/HABM - González Cabello und Iberia Líneas Aéreas de España [MUNDICOR], Slg. 2004, II-0000, Randnr. 81), reicht doch der zwischen den Zeichen bestehende Unterschied, der durch die ersten fünf Buchstaben der älteren Marke begründet wird, im vorliegenden Fall nicht aus, um visuell und klanglich die Ähnlichkeit zu neutralisieren, die sich aus der Identität des nach Buchstaben und Silben bedeutendsten Teiles der älteren Marke und dem einzigen Wortelement der angemeldeten Marke ergibt.

51 Hinsichtlich der begrifflichen Ähnlichkeit hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass beide Marken auf die Idee einer "Variante" hinweisen.

52 Denn die angesprochenen Verkehrskreise werden das Wort "Variant", das den beherrschenden Teil der älteren Marke und das einzige Wort der angemeldeten Marke bildet, ohne besondere Mühe mit dem spanischen Wort "variante" gleichsetzen, das sich vom Wort "Variant" visuell und klanglich nur durch eine Abweichung in der Schreibweise unterscheidet, die zwar wahrnehmbar ist, aber nicht geeignet erscheint, eine unmittelbare gedankliche Assoziierung der beiden Wörter zu verhindern.

53 Im Übrigen ist trotz des Vorhandenseins des Wortes "Derbi" in der älteren Marke, das im Spanischen als Bezeichnung für einen Sportwettkampf zwischen Mannschaften derselben Stadt oder benachbarter Städte allgemein gebräuchlich ist, im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdekammer in Randnummer 10 der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass sich dem spanischen Verbraucher bei Konfrontation mit der älteren Marke in begrifflicher Hinsicht eher der Gedanke einer "Variation im Verhältnis zu einem Standard" einprägen wird, auf den das im Begriff "Variant" anklingende spanische Wort "variante" hinweist.

54 Dem steht nicht das Argument der Klägerin entgegen, dass die Hinzufügung des Wortelements "Derbi" in der älteren Marke den Gedanken einer Abweichung von dem Standard eines "Original-Derbi" vermittele, während die in der angemeldeten Marke gewählte Verwendung des Wortes "Variant" in Alleinstellung eher auf den allgemeinen Begriff einer "Variante" hinweise, der keinen Bezug zu einem vorgegebenen Standard habe. Denn auch wenn man diesen Darlegungen der Klägerin folgte, bliebe doch der dominierende Begriff, auf den beide Marken hinweisen, der einer Variation, ob sich diese nun auf einen vorgegebenen Standard bezieht oder nicht.

55 Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich auch von der Rechtssache, in der am 22. Juni 2005 das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte Urteil des Gerichts (T-34/04, Plus/HABM - Bälz und Hiller [Turkish Power], Slg. 2005, II-0000) erging. Denn in jener Rechtssache, in der über das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zwischen der Wortmarke POWER und einer Bildmarke mit dem Wortelement "Turkish Power" zu entscheiden war, hat das Gericht festgestellt, dass die begrifflichen Ähnlichkeiten der einander gegenüberstehenden Marken, die beide den Gedanken der Stärke enthielten, weitgehend durch das Bildelement der angemeldeten Marke neutralisiert wurden, das einen brüllenden Löwenkopf darstellte, der dem Begriff der Stärke, den das Wortelement "Power" der älteren nationalen Marke vermittelte, eine davon verschiedene Konnotation der Aggressivität verlieh (Urteil Turkish Power, Randnrn. 61 bis 63). Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einem solchen Unterscheidungsmerkmal.

56 Es ist daher festzustellen, dass die Marken auch in begrifflicher Hinsicht eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen.

57 Schließlich ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin festzustellen, dass das Wortelement "Derbi" der älteren Marke nicht dominierend ist. Insoweit ist zu beachten, dass weder das Element "Derbi" noch das Element "Variant" für die betroffenen Waren oder Dienstleistungen in bestimmter Weise beschreibend sind. Auch wenn das Wort "Variant" wegen seiner Nähe zum spanischen Wort "variante" den Gedanken an eine unterschiedliche Ausführung oder Palette des gleichen Produkts erwecken kann, ist es doch nicht geeignet, im Bewusstsein der Verbraucher automatisch eine Verbindung zu den in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen herzustellen, weil es sich im Gegenteil auf jede Ware oder Dienstleistung beziehen kann.

58 Im Übrigen handelt es bei dem Wort "Variant", obgleich es eben wegen des von ihm vermittelten Gedankens keine besonders hohe Unterscheidungskraft besitzen kann, dennoch um das klanglich und visuell beherrschende Element und den Bestandteil, der sich dem spanischen Verbraucher in begrifflicher Hinsicht einprägen wird.

- Zur Verwechslungsgefahr

59 Angesichts der Identität oder Ähnlichkeit der mit der älteren Marke gekennzeichneten Waren und der von der angemeldete Marke erfassten Waren und Dienstleistungen sowie der optischen, klanglichen und begrifflichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Marken hat die Beschwerdekammer zu Recht das Vorliegen einer konkreten Gefahr bejaht, dass das betroffene Publikum glauben könnte, dass die mit den Marken gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen dieselbe betriebliche Herkunft haben.

60 Dies gilt für alle Waren der Klassen 7 und 12, gleichviel ob es sich um Kraftfahrzeuge, Ersatzteile oder Zubehör handelt. Auch wenn nämlich der Aufmerksamkeitsgrad des Publikums beim Kauf eines Kraftfahrzeugs höher sein mag als bei Ersatzteilen oder Zubehör, ja womöglich sogar ein besonders hohes Maß erreicht, begründen die Ähnlichkeiten zwischen den betroffenen Waren und den einander gegenüberstehenden Zeichen eine tatsächliche Verwechslungsgefahr. Das Gleiche gilt für die Dienstleistungen der Klasse 37.

61 Der zweite vorgebrachte Aufhebungsgrund eines Beurteilungsfehlers bei der Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 greift daher nicht durch.

Kostenentscheidung:

Kosten

62 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Amtes die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Nummer 2 des verfügenden Teils der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 17. Juni 2003 (Sache R 610/2001-4) wird aufgehoben, soweit damit die Anmeldung des Wortzeichens VARIANT als Gemeinschaftsmarke für andere Waren und Dienstleistungen als die der Klassen 7, 12 und 37 zurückgewiesen wird.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Januar 2006.



Ende der Entscheidung

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