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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.05.1998
Aktenzeichen: T-317/94
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 94/601/EG


Vorschriften:

EGV Art. 85 Abs. 1
EGV Art. 190
Entscheidung 94/601/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

10 Die Tatsache, daß sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand, an denen es teilnahm, nicht beugt, ist nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat. Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten eines solchen Unternehmens nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an seiner Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

11 Bei der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluß eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die es ermöglichen, diesen Begriff näher zu bestimmen, sind im Licht des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, daß jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt. Folglich ist die Tatsache, daß ein Unternehmen einseitig seine künftigen Marktpreise bekanntgibt, kein hinreichender Beweis für das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, sofern nicht feststeht, daß diese Bekanntgabe im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erfolgt.

12 Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten.

Dies ist der Fall, wenn die Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, einheitliche und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen.

Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob Sanktionen verhängt wurden, um die Unternehmen zu zwingen, sich absprachegemäß zu verhalten.

13 Die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist, aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten. Da die Anwendung dieser Bestimmung der festgestellten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist.

Ein Verbot, das den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, verhindern soll, erfuellt nicht die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17, sofern aus der Entscheidung nicht hervorgeht, daß die Kommission den fraglichen Austausch als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat, denn die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, führt nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit dieser Vorschrift; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

14 Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden.

Schließlich muß die Begründung einer Entscheidung in der Entscheidung selbst enthalten sein; nachträgliche Erläuterungen der Kommission können nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden.

Wenn die Kommission in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, muß sie diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

15 Die Kommission darf bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind; es steht ihr daher frei, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen.

Im übrigen kann die Kommission bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung die von den betroffenen Unternehmen zur Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen berücksichtigen.

Schließlich kann die Kommission bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen u. a. die lange Dauer und die Offenkundigkeit einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages berücksichtigen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission hätte darstellen müssen.

16 Bei der Bestimmung der Höhe der wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzusetzenden Geldbusse ist eine Herabsetzung der Geldbusse aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des beschuldigten Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden.

Insoweit kann bei einem Unternehmen, das ausdrücklich erklärt, daß es die von der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, davon ausgegangen werden, daß es zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist berechtigt, ein solches Verhalten in ihren Entscheidungen, in denen eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als Beweis für die Begründetheit der fraglichen Behauptungen zu werten. Ein solches Verhalten kann daher eine Herabsetzung der Geldbusse rechtfertigen.

In diesem Zusammenhang rechtfertigt eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbusse.

17 Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung liegt nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist. Die Kommission verstösst nicht gegen diesen Grundsatz, wenn sie die Geldbussen in Abhängigkeit von der Kooperation des betreffenden Unternehmens im Verwaltungsverfahren mehr oder weniger stark herabsetzt.

18 Bei der Bestimmung der Höhe der wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzusetzenden Geldbussen können zu den Gesichtspunkten für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung je nach den Umständen die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, sowie die Grösse und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluß gehören, den es auf den Markt ausüben konnte. Folglich darf bei der Festsetzung der Geldbusse sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Grösse und Wirtschaftskraft aussagt, als auch der Teil dieses Umsatzes herangezogen werden, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann.

Da bei der Bestimmung der Geldbussen, die gegen die an derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen festzusetzen sind, dieselbe Berechnungsmethode anzuwenden ist, kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie sich zur Festsetzung dieser Geldbussen bei den betreffenden Unternehmen auf den gleichen Umsatz stützt.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1998. - Moritz J. Weig GmbH & Co. KG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag - Begriff der Vereinbarung - Anordnung - Geldbuße - Bestimmung der Höhe - Begründung - Mildernde Umstände. - Rechtssache T-317/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstössen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Geldbussen festgesetzt.

2 Gegenstand der Entscheidung ist das Erzeugnis Karton. In der Entscheidung werden drei Kartonsorten erwähnt, die den Qualitäten "GC", "GD" und "SBS" zugeordnet werden.

3 Karton der Qualität GD (im folgenden: GD-Karton) ist ein Karton mit einer grauen unteren Lage (Altpapier), der in der Regel für die Verpackung von Non-food-Produkten verwendet wird.

4 Karton der Qualität GC (im folgenden: GC-Karton) besitzt eine obere weisse Lage und wird gewöhnlich für die Verpackung von Nahrungsmitteln verwendet. GC-Karton ist von höherer Qualität als GD-Karton. In dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum bestand zwischen diesen beiden Produkten im allgemeinen ein Preisunterschied von etwa 30 %. In geringerem Umfang wird hochwertiger GC-Karton auch für graphische Zwecke verwendet.

5 SBS ist die Bezeichnung für durch und durch weissen Karton (im folgenden: SBS-Karton). Sein Preis liegt etwa 20 % über dem von GC-Karton. Er dient zur Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Zigaretten, ist aber hauptsächlich für graphische Zwecke bestimmt.

6 Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.

7 Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.

8 Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig Nachprüfungen vor.

9 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.

10 Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.

11 Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.

12 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen enthält:

"Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek "De Eendracht" NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstossen, indem sie sich

- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

- sich regelmässig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

- sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

- in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbussen festgesetzt:

...

xix) gegen Moritz J. Weig GmbH & Co. KG eine Geldbusse in Höhe von 3 000 000 ECU;

..."

13 Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens "Produktgruppe Karton" (im folgenden: PG Karton).

14 Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens "Presidents' Working Group" (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

15 Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.

16 Der PWG habe der "Präsidentenkonferenz" (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmässig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

17 Ende 1987 sei das "Joint Marketing Committee" (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

18 Schließlich habe die "Wirtschaftliche Kommission" (WK) u. a. die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem "Marketing Committee", über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

19 Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zuerich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heisst es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmässig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.

20 Die Klägerin nahm nach den Erkenntnissen der Kommission in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum an Sitzungen der PK sowie ab 1988 an Sitzungen des JMC und des PWG teil.

Verfahren

21 Mit Klageschrift, die am 9. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

22 Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94).

23 Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

24 Vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten Geldbusse haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt (verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).

25 Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

26 Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äussern sollten. In dieser Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen Verbindung einverstanden erklärt.

27 Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden und einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-334/94 auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

28 Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.

29 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen Ersuchen nachgekommen.

30 Die Parteien in den in Randnummer 26 genannten Rechtssachen haben in der Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

31 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die Stellung einer Bürgschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise - die ihr in der Entscheidung auferlegte Geldbusse herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten aufzuerlegen, die ihr durch die Stellung einer Bürgschaft in Höhe des Betrages entstanden sind, um den die Geldbusse herabgesetzt wird.

32 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- die Klägerin zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Zum Antrag auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung

Zum Klagegrund der fehlenden Beteiligung der Klägerin an Maßnahmen zur Mengenkontrolle

Vorbringen der Parteien

33 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

34 Mit dem ersten Teil weist die Klägerin darauf hin, daß nach Artikel 1 der Entscheidung die dort genannten Unternehmen "sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten" und daß sie "in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen".

35 Da sie nur gelegentlich an Sitzungen der PG Karton teilgenommen habe, seien ihr derartige umfassende Maßnahmen oder Verständigungen nicht bekannt gewesen. Auf den von ihren Vertretern besuchten Sitzungen der PK, des PWG und des JMC sei nur in allgemeiner Form über die Mengenbeibehaltung bei bestimmten Ländergruppen von Herstellern und über die Abstellzeiten gesprochen worden.

36 Auf den von ihren Vertretern besuchten Sitzungen des PWG sei es um die Absatzmengen der Unternehmen aus den einzelnen Staaten auf dem europäischen Markt gegangen. Dabei seien Statistiken über die Absatzmengen der einzelnen Ländergruppen mit den auf den vorangegangenen Treffen besprochenen Statistiken verglichen worden. Diese Angaben seien mit der Erwartung verknüpft worden, daß die einzelnen nationalen Gruppen ihren Anteil am europäischen Markt nicht erhöhen würden.

37 Ausserdem sei auf Sitzungen des JMC, an denen ihre Vertreter teilgenommen hätten, gelegentlich über Abstellzeiten der Maschinen gesprochen worden. Ihr ab 1990 entsandter Vertreter habe aber regelmässig erklärt, daß er für Aussagen zur Mengenpolitik seines Unternehmens kein Mandat habe. Die Marktsituation habe im übrigen ein Abstellen ihrer Maschinen in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum nicht gerechtfertigt.

38 Die Behauptungen der Kommission zur angeblichen Mengenkontrolle beruhten auf drei Beweismitteln, und zwar auf der Antwort von Stora vom 14. Februar 1992 auf ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), auf der vertraulichen Aktennotiz des Verkaufsleiters von FS-Karton (Mayr-Melnhof-Gruppe) vom 28. Dezember 1988 (Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und auf einem Vermerk des Geschäftsführers von Rena über eine Sondersitzung des Nordic Paper Institute (NPI) vom 3. Oktober 1988 (Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

39 Die Kommission hätte die Aussagen von Stora nach Ansicht der Klägerin nicht als zentrales Beweismittel verwenden dürfen.

40 In den Anlagen 73 und 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte komme der von Stora in ihrer Antwort an die Kommission verwendete Begriff "Preis-vor-Menge-Politik" nicht vor. Sie enthielten nur allgemeine Wunschvorstellungen oder Bedenken und könnten nicht als Beleg dafür angesehen werden, daß Maßnahmen zur Produktionsbeschränkung vereinbart oder gar getroffen worden seien.

41 Mit dem zweiten Teil ihres Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Angaben zu ihrer eigenen Produktion zeigten, daß sie nicht an Mengenkontrollen teilgenommen habe. Sie stellt eingehend ihre Absatzentwicklung dar und erklärt, sie habe ihren Absatz auf dem Gesamtmarkt der Gemeinschaft zwischen 1986 und 1991 mehr als verdoppelt, obwohl der Absatz von Karton nur um knapp 20 % zugenommen habe. Auf dem für sie wichtigsten räumlichen Markt, dem deutschen Markt, sei der mengenmässige Absatz noch stärker gestiegen.

42 Schließlich habe sie den anderen Teilnehmern an den Sitzungen des JMC zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, daß sie ihre Maschinen abstellen werde, um die Mengen zu drosseln. Die in handschriftlichen Notizen des Verkaufsleiters von FS-Karton (Anlage 115 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) angesprochenen Produktionsunterbrechungen Ende 1990 und Anfang 1991 hätten mit den Weihnachtsferien zusammengehangen.

43 Die Kommission führt aus, es gebe keinen Widerspruch zwischen ihren eigenen Feststellungen und den Angaben der Klägerin, daß im PWG und im JMC nur in allgemeiner Form über die Beibehaltung der Mengen und über Produktionsunterbrechungen diskutiert worden sei, auch wenn die Beibehaltung der Mengen bestimmter Ländergruppen von Herstellern und Abstellzeiten angesprochen worden seien (siehe oben, Randnrn. 36 und 37). Bei den fraglichen Diskussionen sei es nämlich offensichtlich um die Begrenzung des Absatzes individueller Hersteller, d. h. um präzise Fragestellungen, gegangen.

44 Schon diese Ausführungen bestätigten somit, daß die Beibehaltung der Mengen und die Abstellzeiten auf den Sitzungen der PG Karton erörtert worden seien; die von der Kommission gefundenen Beweise belegten darüber hinaus, daß sich die Diskussionen nicht auf einen allgemeinen Gedankenaustausch beschränkt hätten, sondern daß die Teilnehmer feste Absprachen über die Beibehaltung bestimmter Produktionsmengen und Marktanteile getroffen hätten.

45 In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) habe Stora die von ihr als "Preis-vor-Menge"-Politik bezeichnete Politik der Aufrechterhaltung eines annähernden Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage ausführlich beschrieben. Aus der Beschreibung dieser Politik ergebe sich, daß sie ein wesentlicher Bestandteil der wettbewerbswidrigen Kooperation in der PG Karton gewesen sei und daß Einigkeit darüber bestanden habe, daß die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage zur Sicherung der Preisstabilität erforderlich sei. Ausserdem hätten die Hersteller wegen des Nachfragerückgangs im Jahr 1990 Abstellzeiten hingenommen, die anhand der jährlichen Kapazitätsberichte ermittelt worden seien (Punkte 24 und 25 der Aussage).

46 Die Aussagen von Stora zur "Preis-vor-Menge"-Politik, die eine Mengenkontrolle und die Begrenzung der Marktanteile umfasst habe, würden durch zahlreiche andere Beweise bestätigt, u. a. durch die vertrauliche Aktennotiz des Verkaufsleiters von FS-Karton (Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 3, Punkt 1, und S. 5, Punkt 5).

47 Ferner sei auf die handschriftlichen Notizen dieses Verkaufsleiters (Anlage 115 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu verweisen, in denen die individuellen Auftragsbestände zahlreicher Hersteller, teilweise sogar bezogen auf einzelne Kartonmaschinen, in Tagen oder Wochen wiedergegeben würden. Diese Informationen hätten zusammen mit den Kapazitätsdaten dazu gedient, die Auslastung zu ermitteln und gegebenenfalls Abstellzeiten zu planen.

48 Die von Stora in ihrer Aussage gemachten Angaben würden auch durch die Notiz "Highlights" bestätigt, die sich auf die Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 beziehe (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

49 Ausgehend von diesen Erwägungen sei im Ergebnis festzustellen, daß die Klägerin an Sitzungen der PG Karton teilgenommen habe, auf denen die Begrenzung von Produktionsmengen, die Beibehaltung von Marktanteilen und Abstellzeiten erörtert worden seien.

50 Unter diesen Umständen spiele das im zweiten Teil des Klagegrundes enthaltene Vorbringen der Klägerin zu ihrem Verhalten keine Rolle.

Würdigung durch das Gericht

- Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile und einer Absprache über die Angebotskontrolle

51 Zum ersten Teil des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 1 der Entscheidung die in dieser Bestimmung genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen haben, indem sie sich im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft "sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten" und "in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen".

52 Nach Ansicht der Kommission wurden diese beiden Formen von Absprachen, die in der Entscheidung unter der Überschrift "Mengenkontrollen" behandelt werden, im Referenzzeitraum von den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG eingeführt. Aus Randnummer 37 Absatz 3 der Entscheidung geht nämlich hervor, daß der eigentliche Auftrag des PWG nach der Darstellung von Stora "die Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten" umfasste.

53 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Marktanteile wird in der Entscheidung (Randnr. 37 Absatz 5) folgendes ausgeführt: "Im Zusammenhang mit den Preiserhöhungsinitiativen führte der PWG ausführliche Diskussionen über die Marktanteile, die die nationalen Gruppierungen und einzelne Herstellergruppen in Westeuropa innehaben. Das Ergebnis waren eine Reihe von "Vereinbarungen" zwischen den Teilnehmern über ihre jeweiligen Marktanteile, die sicherstellen sollten, daß die konzertierten Preisinitiativen nicht durch ein die Nachfrage überschreitendes Angebot gefährdet werden. So einigten sich die grossen Herstellergruppen darauf, ihre Marktanteile auf den Niveaus zu belassen, wie sie aus den jährlichen Produktions- und Verkaufszahlen resultierten, die jeweils im März des darauffolgenden Jahres über die FIDES bekanntgegeben wurden. Auf jeder PWG-Sitzung wurde die Entwicklung der Marktanteile auf der Grundlage der monatlichen FIDES-Meldungen analysiert; bei grösseren Schwankungen wurden von den vermuteten Schuldigen Erklärungen verlangt."

54 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es: "Die 1987 im PWG erzielte Vereinbarung umfasste auch ein "Einfrieren" der Marktanteile der führenden Hersteller in Westeuropa auf dem erreichten Niveau, ohne daß Versuche unternommen wurden, neue Kunden zu gewinnen oder durch aggressive Preispolitik bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen."

55 Nach Randnummer 56 Absatz 1 der Entscheidung bestand die "Grundvereinbarung zwischen den führenden Herstellern über das Einfrieren ihrer Marktanteile... während des gesamten von der vorliegenden Entscheidung erfassten Zeitraums weiter". In Randnummer 57 heisst es: "Die "Entwicklung der Marktanteile" wurde auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert..." Schließlich wird in Randnummer 56 letzter Absatz folgendes ausgeführt: "Die Unternehmen, die an den Beratungen über die Marktanteile teilnahmen, waren die gleichen wie die Mitglieder des PWG, nämlich Cascades, Finnboard, KNP (bis 1988), [Mayr-Melnhof], MoDo, Sarrió, die beiden zur Stora-Gruppe gehörenden Hersteller CBC und Feldmühle und (ab 1988) Weig."

56 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile ordnungsgemäß nachgewiesen.

57 Die Analyse der Kommission beruht im wesentlichen auf den Aussagen von Stora (Anlagen 39 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und wird durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

58 In Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert Stora: "Der PWG trat ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen... Neben anderen (legitimen) Tätigkeiten bestand sein Zweck in der Erörterung und Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen, Nachfrage und Kapazität. Zu seiner Rolle gehörte es, die genaue Angebots- und Nachfragesituation auf dem Markt sowie die beim Versuch, Ordnung in den Markt zu bringen, zu treffenden Maßnahmen zu beurteilen und der Präsidentenkonferenz zu erläutern."

59 Zur Absprache über die Marktanteile führt Stora aus: "Die von nationalen Gruppen in EG-, EFTA- und anderen Ländern, die von Mitgliedern der PG Karton beliefert wurden, übernommenen Anteile wurden im PWG geprüft... [Der PWG] erörterte... die Möglichkeit, die Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs zu halten" (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 19). Ferner gab sie folgendes an (gleiches Dokument, Punkt 6): "Auch die europäischen Marktanteile der Hersteller wurden in diesem Zeitraum erörtert, wobei das Niveau von 1987 den ersten Referenzzeitraum darstellte."

60 In ihrer am 14. Februar 1992 übersandten Antwort auf ein Ersuchen der Kommission vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) fügte Stora hinzu: "Die Verständigungen der PWG-Mitglieder über das Niveau der Marktanteile bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die Verständigungen beruhten auf den Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel im März des Folgejahrs endgültig verfügbar waren" (Punkt 1.1).

61 Diese Behauptung wird im selben Dokument mit folgenden Worten bestätigt: "[D]ie Erörterungen [führten] in der Regel im März jeden Jahres zu Verständigungen zwischen den Mitgliedern des PWG über die Beibehaltung ihrer Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs" (Punkt 1.4). Stora führt aus: "Es wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung der Verständigungen sicherzustellen..." Den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG sei bewusst gewesen, "daß, wenn sie sich auf bestimmten von anderen belieferten Märkten ungewöhnlich verhielten, diese anderen auf anderen Märkten Vergeltung üben könnten" (gleicher Punkt).

62 Schließlich erklärt Stora, daß die Klägerin an den Erörterungen der Marktanteile teilgenommen habe (Punkt 1.2).

63 Die Behauptungen von Stora hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile werden durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte untermauert. Dieses bei FS-Karton gefundene Schriftstück ist eine vertrauliche Aktennotiz des für die Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof-Gruppe in Deutschland zuständigen Verkaufsleiters (Herrn Katzner) an den Geschäftsführer von Mayr-Melnhof in Österreich (Herrn Gröller) vom 28. Dezember 1988, die die Marktsituation betrifft.

64 Nach diesem in den Randnummern 53 bis 55 der Entscheidung behandelten Schriftstück gab es bei der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit im "Präsidentenkreis" "Gewinner und Verlierer". Der Verfasser der Aktennotiz zählt Mayr-Melnhof u. a. aus folgenden Gründen zu den Verlierern:

"2.) Eine Einigung konnte nur durch unsere "Bestrafung" erzielt werden - man verlangte von uns "Opfer".

3.) Die 1987-Marktanteile sollten "eingefroren", die bestehenden Kontakte beibehalten und keine neuen Aktivitäten und Sorten über den Preis gewonnen werden (im Januar 1989 wird sich ja das Resultat zeigen - wenn alle ehrlich sind)."

65 Diese Ausführungen sind im allgemeineren Kontext der Aktennotiz zu sehen.

66 Insoweit verweist ihr Verfasser einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im "Präsidentenkreis". Dieser Ausdruck ist nach der Auslegung von Mayr-Melnhof eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a); diese Auslegung braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtert zu werden.

67 Der Verfasser führt sodann aus, daß diese Zusammenarbeit zu "Preisdisziplin" geführt habe, bei der es "Gewinner und Verlierer" gegeben habe.

68 Folglich sind die Ausführungen zu den auf dem Niveau von 1987 einzufrierenden Marktanteilen im Kontext dieser vom "Präsidentenkreis" beschlossenen Preisdisziplin zu verstehen.

69 Ausserdem steht die Verweisung auf 1987 als Referenzjahr mit der zweiten Aussage von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; siehe oben, Randnr. 58) im Einklang.

70 Schließlich ist festzustellen, daß das Vorbringen der Klägerin die Beweiskraft der oben genannten Unterlagen nicht mindern kann, da sie lediglich behauptet, daß die im PWG vertretenen Unternehmen nur allgemeine Diskussionen geführt hätten. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die Einräumung dieser Tatsache sogar geeignet, die in der Entscheidung enthaltenen Angaben der Kommission zu untermauern.

71 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Lieferkontrolle, die durch die Prüfung der Abstellzeiten der Maschinen gekennzeichnet war, heisst es in der Entscheidung, daß der PWG bei der Durchsetzung der Abstellzeiten eine entscheidende Rolle gespielt habe, als ab 1990 die Produktionskapazität zugenommen habe und die Nachfrage gesunken sei: "Von Anfang 1990 an [hielt es] die Branche... für erforderlich..., sich im Rahmen des PWG über Abstellzeiten zu verständigen. Die grossen Hersteller räumten ein, daß sie die Nachfrage nicht durch Preissenkungen steigern konnten und daß die Aufrechterhaltung der vollen Produktion lediglich einen Preisrückgang bewirken würde. Theoretisch ließ sich anhand der Kapazitätsberichte errechnen, wie lange die Maschinen abgestellt werden mussten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen" (Randnr. 70 der Entscheidung).

72 Ferner heisst es in der Entscheidung: "Der PWG wies jedoch nicht formell jedem Hersteller seine "Abstellzeiten" zu. Laut Stora bestanden praktische Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur "ein loses System der Ermutigung"" (Randnr. 71 der Entscheidung).

73 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Produktionsunterbrechungen hinreichend nachgewiesen.

74 Die von ihr vorgelegten Unterlagen stützen ihre Analyse.

75 In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 24) führt Stora aus: "Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988 erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden, um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts zunehmender Überkapazität nicht halten können."

76 Im folgenden Punkt ihrer Erklärung fügt sie hinzu: "1988 und 1989 konnte die Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich... Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten. Die Länge der von den Herstellern (zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch) einzuhaltenden Abstellzeit konnte anhand der Kapazitätsberichte errechnet werden. Der PWG nahm keine formelle Zuweisung von Abstellzeiten vor, obwohl ein loses System der Ermutigung bestand..."

77 Die in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfasser genannten Gründe dafür, daß er Mayr-Melnhof bei Abfassung der Aktennotiz als "Verlierer" ansah, stellen wichtige Beweise für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Abstellzeiten dar.

78 Der Verfasser stellt nämlich folgendes fest:

"4.) Und an dieser Stelle beginnt die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten über das Gewollte.

...

c) Alle Aussendienstler und europäischen Vertreter wurden von ihren Mengenbudgets entbunden, und es wurde eine fast lückenlose, harte Preispolitik vertreten (die Mitarbeiter verstanden oftmals unsere geänderte Einstellung zum Markt nicht - früher wurde nur Tonnage gefordert und jetzt nur Preisdisziplin mit der Gefahr, die Maschinen abzustellen)."

79 Mayr-Melnhof macht geltend (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß der oben wiedergegebene Abschnitt einen unternehmensinternen Sachverhalt betreffe. Bei einer Analyse im allgemeineren Kontext der Aktennotiz lässt dieser Auszug jedoch erkennen, daß auf der Ebene des Verkaufspersonals eine im "Präsidentenkreis" beschlossene rigorose Politik durchgesetzt wurde. Das Schriftstück ist somit dahin auszulegen, daß die Teilnehmer an der Vereinbarung von 1987, d. h. zumindest die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, unbestreitbar die Folgen der beschlossenen Politik für den Fall erwogen haben, daß diese rigoros angewandt wird.

80 Aus alledem ist zu schließen, daß der Kommission der Beweis für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich gelungen ist. Da die Klägerin unstreitig an den Sitzungen des PWG teilnahm und in den Aussagen von Stora ausdrücklich erwähnt wird, hat die Kommission sie zumindest ab dem Zeitpunkt, zu dem sie an den Sitzungen des PWG teilzunehmen begann, d. h. ab 1988, zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen zur Verantwortung gezogen.

81 Die Einwände der Klägerin gegen die Aussagen von Stora, mit denen ihr Beweiswert in Abrede gestellt wird, sind nicht geeignet, diese Feststellung zu entkräften.

82 Diese Aussagen stammen nämlich unstreitig von einem der Unternehmen, die an der geltend gemachten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein sollen, und enthalten eine eingehende Beschreibung der Art der Erörterungen in den Gremien der PG Karton, des von den ihr angehörenden Unternehmen verfolgten Zieles sowie der Teilnahme dieser Unternehmen an den Sitzungen ihrer verschiedenen Gremien. Da dieses zentrale Beweismittel durch andere Aktenstücke bestätigt wird, stellt es eine stichhaltige Stütze des Vorbringens der Kommission dar.

83 Da die Kommission das Vorliegen der beiden fraglichen Absprachen nachgewiesen hat, brauchen die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Anlagen 102 und 115 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht geprüft zu werden.

- Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin

84 Auch dem zweiten Teil des Klagegrundes, wonach das tatsächliche Verhalten der Klägerin nicht den Behauptungen der Kommission zum Vorliegen der beiden streitigen Absprachen entspreche, kann nicht gefolgt werden.

85 Erstens darf die Existenz von Absprachen der Mitglieder des PWG über die beiden Aspekte der "Preis-vor-Menge"-Politik nicht mit der Durchführung dieser Absprachen verwechselt werden. Die von der Kommission vorgelegten Beweise haben nämlich ein solches Gewicht, daß Informationen über das tatsächliche Marktverhalten der Klägerin keinen Einfluß auf die Ergebnisse haben können, zu denen die Kommission hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über die beiden Aspekte der streitigen Politik gelangt ist. Die Behauptungen der Klägerin könnten allenfalls als Beleg dafür dienen, daß ihr Verhalten nicht dem entsprach, was die dem PWG angehörenden Unternehmen vereinbart hatten.

86 Zweitens stehen die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, nicht im Widerspruch zu den von der Klägerin erteilten Auskünften. Die Kommission räumt ausdrücklich ein, daß die Absprache über die Marktanteile "kein formelles System von Strafen oder Kompensationsmaßnahmen, um die in der Frage der Marktanteile erzielte Einigung durchzusetzen," einschloß und daß die Marktanteile einzelner grosser Hersteller von Jahr zu Jahr wuchsen (vgl. insbesondere Randnrn. 59 und 60 der Entscheidung). Ausserdem räumt die Kommission ein, daß die Industrie bis Anfang 1990 mit voller Kapazitätsauslastung arbeitete, so daß bis dahin praktisch keine Abstellzeiten notwendig wurden (Randnr. 70 der Entscheidung).

87 Drittens ist nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, daß sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnr. 85). Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten der Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

88 Folglich ist der Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

89 Die Klägerin wendet sich erstens dagegen, daß ihr die Zuwiderhandlung ab Mitte 1986 zur Last gelegt wird. Sie habe in Wirklichkeit vor Februar/März 1988 keine Zuwiderhandlung begangen.

90 Die Kommission habe die Einsetzung des PWG und die "Intensivierung der Absprachen" der Hersteller als wesentliche Ereignisse für den Beginn des Verstosses angesehen (Randnr. 161 der Entscheidung). Der Klägerin sei jedoch nicht bekannt, ob der PWG schon 1986 gebildet worden sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, sei die Schaffung dieses Gremiums den darin nicht vertretenen Mitgliedern der PG Karton verborgen geblieben. Im übrigen gebe es für die von der Kommission behauptete "Intensivierung der Absprachen" ab Mitte 1986 keinen Beleg.

91 Ihre Teilnahme an Sitzungen der Gremien der PG Karton habe sich bis Februar/März 1988 auf eine Sitzung der PK beschränkt. Die Teilnahme an dieser Sitzung könne jedoch nicht die Auffassung der Kommission rechtfertigen, daß sie seit Juni 1986 an dem angeblichen Verstoß mitgewirkt habe. Die Praxis, daß der Vorsitzende des PWG über die wesentlichen Ergebnisse in der PK berichtet habe, habe erst Ende 1988/Anfang 1989 eingesetzt. Die einem Vertreter ihrer Firma zugeschriebene Aussage auf einer "FIDES-Sitzung" von 1986, daß eine Erhöhung um 9 % für das Vereinigte Königreich zu hoch sei, so daß man sich auf 7 % einstelle (vgl. Randnummer 41 der Entscheidung), könne nicht auf einer Sitzung der PK gemacht worden sein. Ihr Vertreter auf der Sitzung der PK vom 10. November 1986 könne sich an eine derartige Äusserung nicht erinnern. Sie könne allenfalls am Rande einer Sitzung gefallen sein.

92 Sie habe an einer etwaigen Preisabsprache vor der Abstimmung der Preiserhöhung im Frühjahr 1988 nicht teilgenommen. Insbesondere habe sie, wie die Kommission im übrigen nicht bestreite, an der Preiserhöhung im Vereinigten Königreich im Januar 1987, die von der Kommission als Ergebnis einer Abstimmung unter den Herstellern angesehen worden sei, nicht teilgenommen.

93 Zweitens sei die Kommission, wie sich aus Randnummer 164 der Entscheidung ergebe, fälschlich von einer Fortdauer der Zuwiderhandlung bis Juni 1991 ausgegangen. Nach den Nachprüfungen, die die Kommission im April 1991 vorgenommen habe, hätten jedoch keine wettbewerbswidrigen Gespräche stattgefunden.

94 Die Kommission trägt vor, sie sei zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung im Fall der Klägerin von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 gedauert habe.

95 Die Klägerin habe seit Februar 1986 der PG Karton angehört und regelmässig an Sitzungen der PK teilgenommen. Sie habe daher von den kartellrechtswidrigen Absprachen der Kartonhersteller über gemeinschaftliche und einheitliche Preiserhöhungen gewusst, denn es sei u. a. Aufgabe der PK gewesen, die Direktoren über die im PWG gefassten Beschlüsse und die ihren Vertriebsabteilungen zur Durchführung der Preisinitiativen zu erteilenden Anweisungen zu unterrichten. Die Unterrichtung sei in der Regel durch den Vorsitzenden der PK erfolgt, der zugleich Vorsitzender des PWG gewesen sei.

96 Daß sich die Klägerin angeblich nicht an der Initiative zur Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Jahr 1987 beteiligt habe, spiele keine Rolle. Ihre fortgesetzte Teilnahme an den Sitzungen der PK reiche nämlich aus, um sie als Kartellmitglied einzustufen und ihr die Zuwiderhandlung zuzurechnen, denn sie habe bei der Planung ihres eigenen Marktverhaltens notwendigerweise ihr Wissen von den bevorstehenden Preiserhöhungen ihrer Konkurrenten berücksichtigt.

97 In bezug auf das Ende der Zuwiderhandlung habe die Kommission nie behauptet, daß die Klägerin nach April 1991 an einer Zuwiderhandlung teilgenommen habe.

Würdigung durch das Gericht

98 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung hat die Klägerin von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen.

99 In bezug auf den Beginn der Zuwiderhandlung wird in Randnummer 161 der Entscheidung ausgeführt, daß die meisten Adressaten der Entscheidung ab Juni 1986 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, d. h. ab dem Zeitpunkt, zu dem "der PWG eingesetzt wurde und die Absprachen zwischen den Herstellern sich intensivierten und wirksamer zu werden begannen". Ferner heisst es in Randnummer 74 Absatz 1 der Entscheidung, daß die erste abgestimmte Preisinitiative Ende 1986 im Vereinigten Königreich stattfand, "[w]ährend der neue Mechanismus der PG Karton noch nicht voll funktionierte". Nach Ansicht der Kommission "ist daher zweifelsfrei erwiesen, daß die Kartonhersteller bereits spätestens Mitte 1986 an einer Form von Absprache beteiligt waren, die als eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise... bezeichnet werden kann" (Randnr. 132 Absatz 3 der Entscheidung).

100 Da die Klägerin einräumt, an einer Abstimmung der Preiserhöhung im März/April 1988 teilgenommen zu haben, hat sie zumindest ab diesem Zeitpunkt an einer Preisabsprache mitgewirkt.

101 Was die Zeit von Mitte 1986 bis März 1988 anbelangt, so beweist die Mitte 1986 erfolgte Einsetzung des PWG als solche nicht, daß sich die Klägerin ab diesem Zeitpunkt an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft beteiligte. Die Kommission beruft sich im übrigen auf kein Beweismittel, aus dem hervorginge, daß die Klägerin Mitte 1986 von der Schaffung dieses Gremiums oder gar vom wettbewerbswidrigen Zweck seiner Sitzungen wusste.

102 Somit ist zu prüfen, ob die Tatsache, daß die Klägerin an einigen Sitzungen der PK teilnahm, und zwar an den Sitzungen vom 29. Mai 1986, vom 10. November 1986 und vom 4. Dezember 1987 (Tabelle 3 im Anhang der Entscheidung), ein Beleg für ihre Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vor März 1988 ist.

103 Die Klägerin stellt die Beweiskraft von Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie die Behauptung der Kommission in Abrede, daß die Teilnehmer an den Sitzungen der PK vor Ende 1988 über die vom PWG getroffenen Entscheidungen informiert worden seien.

104 Bei Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, einer beim Verkaufsagenten von Mayr-Melnhof im Vereinigten Königreich gefundenen Notiz, handelt es sich nach Ansicht der Kommission um eine "interne Notiz über eine Präsidentenkonferenz", die eine "Bestätigung für die Aussage von Stora, daß in der Präsidentenkonferenz tatsächlich über Preisabsprachen geredet wurde, liefert" (Randnrn. 41 Absatz 3 und 75 Absatz 2 der Entscheidung).

105 Dieses Schriftstück, das sich auf eine Sitzung in Wien am 12. und 13. Dezember 1986 bezieht, enthält folgende Angaben:

"Preisfestsetzung VK

An der letzten FIDES-Sitzung nahm der Vertreter von Weig teil, der erklärte, daß sie 9 % für das VK für zu hoch halten und sich mit 7 % zufriedengeben!! Grosse Enttäuschung, da dies eine "Verhandlungsmarge" für alle anderen signalisiert. Die Preispolitik im VK bleibt RHU mit Unterstützung durch [Mayr-Melnhof] überlassen, selbst wenn dies eine vorübergehende Verringerung der Tonnage bedeutet, während wir versuchen (und dies auch deutlich machen), auf 9 % zu kommen. [Mayr-Melnhof/FS] behalten eine Wachstumspolitik im VK bei, aber der Rückgang der Erträge ist ernst, und wir müssen kämpfen, um die Kontrolle über die Preisfestsetzung zurückzugewinnen. [Mayr-Melnhof] räumt ein, daß es nicht hilfreich ist, daß sie bekanntermassen ihre Tonnage in Deutschland um 6 000 erhöht haben!"

106 Bei der "FIDES-Sitzung", auf die am Anfang des Zitats Bezug genommen wird, handelt es sich nach Angaben von Mayr-Melnhof (Antwort auf ein Auskunftsverlangen, Anlage 62 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) wahrscheinlich um das Treffen der PK am 10. November 1986.

107 Das analysierte Schriftstück zeigt, daß der Vertreter der Klägerin mit Angaben über ihre künftige Preispolitik im Vereinigten Königreich auf das ursprüngliche Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte.

108 Es kann jedoch nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß die Klägerin auf ein bestimmtes Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte, das zwischen den der PG Karton angehörenden Unternehmen vor dem 10. November 1986 vereinbart worden war.

109 Die Kommission beruft sich nämlich insoweit auf kein anderes Beweismittel. Ausserdem kann die Bezugnahme der Klägerin auf eine Preiserhöhung um "9 %" damit zu erklären sein, daß Thames Board Ltd am 5. November 1986 eine Preiserhöhung im Vereinigten Königreich ankündigte (Anlage A-12-1). Diese Ankündigung wurde innerhalb kurzer Zeit publik gemacht, wie aus einem Pressebericht hervorgeht (Anlage A-12-3). Schließlich hat die Kommission kein anderes Schriftstück vorgelegt, das einen unmittelbaren Beweis dafür darstellen könnte, daß die Preiserhöhungen auf Sitzungen der PK erörtert wurden. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß die in Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegebenen Äusserungen der Klägerin am Rand der Sitzung der PK vom 10. November 1986 fielen, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung wiederholt geltend gemacht hat.

110 Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluß eines Vertrages im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die es ermöglichen, diesen Begriff näher zu bestimmen, sind im Licht des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, daß jeder Wirtschaftsteilnehmer autonom zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307). Folglich ist die Tatsache, daß ein Unternehmen einseitig seine künftigen Marktpreise bekanntgibt, kein hinreichender Beweis für das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, sofern nicht feststeht, daß diese Bekanntgabe im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen erfolgt.

111 Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Erklärung des Vertreters der Klägerin, von der in Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Rede ist, im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen Unternehmen abgegeben wurde, sind die übrigen von der Kommission zur Stützung ihres Vorbringens, daß es im Januar 1987 eine Preisabsprache im Vereinigten Königreich gegeben habe, angeführten Beweismittel zu prüfen.

112 Insoweit bestätigt die von der Kommission in der Entscheidung (Randnr. 74 Absatz 3) herangezogene Niederschrift einer Vorstandssitzung von Feldmühle (UK) Ltd am 7. November 1986 (Anlage A-17-2) lediglich, daß dieser britischen Tochtergesellschaft von Feldmühle die Ankündigung einer Preiserhöhung um etwa 9 % durch Thames Board Ltd vor dem 10. November 1986 bekannt war: "TBM and the Fins have announced price increases of approximately 9 % to be effective from February 1987 and it would appear that most other mills will be looking for the same sort of increase" ["TBM und die Finnen haben Preiserhöhungen von annähernd 9 % für Februar 1987 angekündigt. Die meisten anderen Werke erwägen offensichtlich eine Preisanhebung im gleichen Umfang."] (Anlage A-17-2, zitiert von der Kommission in Randnr. 74 der Entscheidung).

113 In bezug auf Anlage 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, eine handschriftliche Eintragung im Terminkalender eines Angestellten von Feldmühle auf den Seiten für den 15. bis 17. Januar 1987, vertritt die Kommission die Auffassung, daß sie einen "weiteren Beweis für eine Absprache" darstelle (Randnr. 75 Absatz 3 der Begründungserwägungen der Entscheidung).

114 Diese Eintragung hat jedoch nicht den ihr von der Kommission beigemessenen Beweiswert. Aus ihr geht nicht hervor, welche Sitzung darin protokolliert wird, so daß nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine interne Sitzung des Unternehmens Feldmühle handelte. Da die Eintragung vermutlich Mitte Januar 1987 vorgenommen wurde, beweist sie ausserdem nicht, daß die Durchsetzung der Preiserhöhung, "incl. TBM", das Ergebnis einer Abstimmung war, da diese Angabe eine blosse Feststellung sein kann.

115 Einige Angaben in der Eintragung sprechen sogar gegen die Behauptung der Kommission, daß diese Eintragung das Vorliegen einer Absprache über die Entscheidung belege, die Preise im Vereinigten Königreich anzuheben. Insbesondere kann die Bemerkung, daß der Direktor von Feldmühle "Skepsis" gegenüber Kopparfors gezeigt und Mayr-Melnhof beschuldigt habe, "ohne Verantwortung" zu handeln, nicht als Stütze für die These der Kommission angesehen werden. Gleiches gilt für die Bemerkung: "Finnboard: Preisautonomie auch f. Tako".

116 Im übrigen waren nach den Angaben in der Tabelle A im Anhang der Entscheidung - die Informationen über die angebliche abgestimmte Initiative zur Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Januar 1987 enthält - weder Höhe noch Zeitpunkt der Ankündigung und Durchführung der Preiserhöhungen so einheitlich, daß diese Angaben als beweiskräftiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Preisabsprache angesehen werden könnten. Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie keinen unmittelbaren Beweis dafür habe, daß die Klägerin ihre Preise im Vereinigten Königreich Anfang 1987 erhöht habe.

117 Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß sich die Unternehmen über die Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Januar 1987 verständigt haben, und erst recht nicht, daß die Klägerin an Erörterungen dieser Frage beteiligt war.

118 Schließlich ist die Behauptung der Kommission zurückzuweisen, daß die Klägerin zwangsläufig von den kartellrechtswidrigen Absprachen der Kartonhersteller gewusst habe, da es u. a. Aufgabe der PK gewesen sei, die Direktoren über die im PWG gefassten Beschlüsse und die ihren Vertriebsabteilungen zur Durchführung der Preisinitiativen zu erteilenden Anweisungen zu unterrichten. Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob bewiesen ist, daß die Teilnehmer an den Sitzungen der PK ab Anfang 1988 über die vom PWG gefassten Beschlüsse informiert wurden, ist festzustellen, daß die Kommission mit Ausnahme der Mitteilung über die Preiserhöhung im Vereinigten Königreich im Januar 1987 keine konkrete Information angeführt hat, die den Teilnehmern an den Sitzungen der PK vor Beginn des Jahres 1988 übermittelt worden sein soll. Folglich ist davon auszugehen, daß die Preisabsprache, an der die Klägerin eine Beteiligung zugegeben hat, im März 1988 begann.

119 In bezug auf den Beginn der Absprache über die Marktanteile und der Absprache über die Abstellzeiten führt die Kommission in der Entscheidung aus: "Schriftstücke, die die Kommission bei FS-Karton (zur M-M-Gruppe gehörend) vorfand, bestätigen, daß Ende 1987 im Rahmen der beiden Präsidentengremien eine Vereinbarung über die beiden miteinander verbundenen Fragen der Mengenkontrolle und der Preisdisziplin gefunden worden war" (Randnr. 53 Absatz 1). Sie nimmt insoweit auf Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug (siehe oben, Randnr. 63). Der Verfasser des Schriftstücks verweist einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im "Präsidentenkreis", wobei dieser Ausdruck von Mayr-Melnhof als gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen, ausgelegt wird (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a).

120 Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt zwar einen Beweis für die Richtigkeit der Aussagen von Stora zum Vorliegen einer Absprache der zum "Präsidentenkreis" gehörenden Unternehmen über die Marktanteile und einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten dar (siehe oben, Randnrn. 51 ff.). Es gibt jedoch kein weiteres Beweismittel, das die Behauptung der Kommission bestätigt, wonach in der PK u. a. die Absprache über die Marktanteile und die Kontrolle der Produktionsmengen erörtert worden seien. Somit kann das in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendete Wort "Präsidentenkreis" trotz der Erläuterungen von Mayr-Melnhof nicht als Bezugnahme auf andere Gremien als den PWG ausgelegt werden.

121 Folglich ist auch die Beteiligung der Klägerin an einer Absprache über die Marktanteile und einer Absprache über die Abstellzeiten erst ab März 1988, als sie erstmals an einer Sitzung des PWG teilnahm (siehe unten, Randnr. 261), als erwiesen anzusehen.

122 In bezug auf das Ende der Zuwiderhandlung geht aus Artikel 1 der Entscheidung hervor, daß die Zuwiderhandlung, an der die Klägerin mitwirkte, nach Ansicht der Kommission im April 1991 endete. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich aus Randnummer 164 der Entscheidung nicht, daß die Kommission von einer Fortdauer der Zuwiderhandlung bis Juni 1991 ausging.

123 Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist Artikel 1 der Entscheidung insofern für nichtig zu erklären, als darin festgestellt wird, daß sich die Klägerin vor März 1988 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt habe. Im übrigen ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Fehlens von Vereinbarungen über Preiserhöhungen

Vorbringen der Parteien

124 Die Klägerin räumt ein, daß es innerhalb der PG Karton abgestimmte Preiserhöhungen der verschiedenen Hersteller gegeben habe, bestreitet aber, daß insoweit Vereinbarungen getroffen worden seien.

125 Die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG hätten sich gegenseitig darüber informiert, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang sie die Preise erhöhen würden. In der Regel hätten sich die im PWG vertretenen Unternehmen gegenseitig über die geplanten Preiserhöhungen informiert, aber nicht über die Höhe der absoluten Preise gesprochen.

126 Die Teilnehmer an den Sitzungen des JMC hätten sich im einzelnen darüber ausgetauscht, wann und in welchem Umfang eine bestimmte Preiserhöhung durchgeführt werde, und hätten die Reihenfolge für die Ankündigung der Preiserhöhungen festgelegt.

127 Die Unternehmen hätten sich zwar gegenseitig über die geplanten Preiserhöhungen unterrichtet, diese aber nicht willkürlich kalkuliert oder nach einem gemeinsamen Plan gleichförmig festgesetzt. Über die Preiserhöhungen habe nämlich jedes einzelne Unternehmen kosten- und marktorientiert entschieden, so daß sich eine etwaige Übereinstimmung der Erhöhungen nur aus den Marktgegebenheiten und der gleichen Betroffenheit der Unternehmen durch Kostensteigerungen ergeben habe.

128 Im übrigen seien keine Maßnahmen vorgesehen gewesen, um die Unternehmen zur Befolgung von Vereinbarungen zu zwingen.

129 Schließlich beruhten die Behauptungen der Kommission allein auf den Aussagen von Stora. Diese Aussagen hätten jedoch vor allem deshalb keinen Beweiswert, weil dieses Unternehmen den Umfang der Zuwiderhandlungen übertrieben habe, um seine Aussage zu untermauern und später ein geringeres Bußgeld zu erhalten.

130 Die Kommission trägt vor, es sei als erwiesen anzusehen, daß sich die im PWG vertretenen Unternehmen in der Weise über geplante Preiserhöhungen verständigt hätten, daß sie verbindliche Entscheidungen über den Zeitpunkt, die Reihenfolge der Ankündigung durch die einzelnen Unternehmen und den Umfang der Erhöhungen getroffen hätten (vgl. Randnrn. 72 und 73 der Entscheidung). Die Mitglieder des Kartells hätten folglich Vereinbarungen über ihr beabsichtigtes Marktverhalten geschlossen. Unter diesen Umständen sei vom Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auszugehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 253). Dieses Ergebnis werde u. a. durch die zweite Aussage von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, die jedoch nicht das einzige Beweismittel sei, auf das sie sich gestützt habe.

Würdigung durch das Gericht

131 Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an einer Abstimmung der geplanten Preiserhöhungen ein. Im übrigen ist davon auszugehen, daß diese Beteiligung im März 1988 begann (siehe oben, Randnrn. 98 ff., insbesondere Randnr. 118).

132 Gemäß der Entscheidung setzten die in ihrem Artikel 1 genannten Unternehmen die "auf jedem nationalen Markt anzuwendenden regelmässigen Preiserhöhungen im Wege der Absprache" fest (Randnr. 130 Absatz 2, dritter Gedankenstrich). Der Kommission zufolge sind die "halbjährlichen Preisinitiativen... nicht als eine Reihe getrennter Vereinbarungen oder getrennter abgestimmter Verhaltensweisen, sondern als Teil ein und derselben fortdauernden Vereinbarung anzusehen" (Randnr. 131 Absatz 2 der Entscheidung).

133 Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob die Preisabsprache, an der die Klägerin ab März 1988 teilnahm, von der Kommission zutreffend als Vereinbarung eingestuft wurde.

134 Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86, sowie Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 256). Unter diesen Umständen braucht entgegen der offenbar von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht geprüft zu werden, ob Sanktionen verhängt wurden, um die Unternehmen zu zwingen, sich absprachegemäß zu verhalten.

135 Somit ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß die Adressaten der Entscheidung ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, auf dem Markt ein bestimmtes Preisverhalten zu zeigen.

136 In bezug auf die Preisinitiativen führt Stora u. a. aus (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 27, 28 und 30):

"1987 [war] ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Kapazität und Verbrauch eingetreten. In diesem Jahr lag die Kapazität um 5 % über dem Verbrauch. Diese Diskrepanz (die viel geringer war, als der Industrie selbst bis dahin bewusst war) gab dem PWG Gelegenheit, ab 1987 Preiserhöhungen zu vereinbaren und dabei eine gewisse Sicherheit zu haben, daß diese Erhöhungen mit Erfolg durchgeführt würden. Als sich diese Gelegenheit bot, waren die Hersteller bestrebt, die in den Vorjahren eingetretenen Verluste wettzumachen.

Der PWG war der Ansicht, daß 1988 eine erste Erhöhung um 10 % durchgeführt werden sollte. Sie betrug z. B. auf dem französischen Markt 50 FF pro 100 Kilogramm für GC-Sorten und 35 FF pro 100 Kilogramm für GD-Sorten. Ähnliche Erhöhungen erfolgten in anderen Ländern. Bei späteren Erhöhungen wurden ähnliche absolute Beträge vereinbart, so daß sich der Prozentsatz der Erhöhungen verringerte...

...

... Im PWG wurde erörtert und vereinbart, wer die jeweilige Preiserhöhung zuerst ankündigen würde und wann die Ankündigungen der anderen führenden Hersteller folgen. Der Ablauf war nicht immer gleich."

137 Sie fügt hinzu (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 13 und 14):

"[Der] Zweck [des JMC] bestand u. a. darin, Preisvergleiche in bezug auf einige Großkunden anzustellen und Einzelheiten für die Durchführung der Preisentscheidungen des PWG sowohl für GC- als auch für GD-Sorten in den einzelnen Ländern auszuarbeiten.

Das JMC erörterte für jeden Markt die genaue Durchführung der Preisentscheidungen des PWG und erstattete dem PWG Bericht."

138 Nach Angaben von Stora brachten die dem PWG und dem JMC angehörenden Unternehmen somit ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck, auf den einzelnen nationalen Märkten identische und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen.

139 Die Aussagen von Stora werden in diesem Punkt durch mehrere schriftliche Beweise gestützt, auf die sich die Kommission in den Randnummern 74 ff. der Entscheidung berufen hat.

140 Insoweit genügt es, auf die drei in den Randnummern 79, 80 und 83 der Entscheidung erwähnten Preislisten hinzuweisen. Die Listen, die die Kommission von Rena (Anlagen 110 und 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und von Finnboard (UK) Ltd erlangte, enthalten für mehrere Kartonsorten und mehrere Länder der Gemeinschaft Angaben über die genauen Daten und Beträge der von den fraglichen Unternehmen im April 1989, im September/Oktober 1989 und im April 1990 vorgenommenen Preiserhöhungen. Die in den drei Preislisten enthaltenen Angaben entsprechen hinsichtlich des Umfangs der Preiserhöhungen und der Daten ihrer Vornahme dem tatsächlichen Marktverhalten der betreffenden Unternehmen (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen D, E und F).

141 Ausserdem erlangte die Kommission von Rena handschriftliche Notizen über eine Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), in denen es u. a. heisst:

"Preiserhöhung wird nächste Woche im September angekündigt:

Frankreich 40 FF Niederlande 14 Deutschland 12 DM Italien 80 LIT Belgien 2,50 BFR Schweiz 9 FS England 40 UKL Irland 45 IRL

Alle Sorten sollten gleich heraufgesetzt werden: GD, UD, GT, GC usw.

Nur 1 Preiserhöhung pro Jahr. Für Lieferungen ab 7. Januar. Nicht später als 31. Januar. Schreiben vom 14. September mit Preiserhöhung (Mayr-Melnhof). 19. September. Brief von Feldmühle geht raus. Cascades vor Ende September. Alle Schreiben müssen vor dem 8. Oktober raus sein."

142 Die Klägerin bestreitet weder, daß sich die drei oben erwähnten Preislisten auf eine Preisabsprache beziehen, noch daß sich Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 bezieht.

143 Ohne daß die übrigen Beweismittel geprüft zu werden brauchen, ist das Gericht deshalb der Ansicht, daß die Kommission den Beweis dafür erbracht hat, daß die an den Sitzungen des PWG und des JMC teilnehmenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, einheitliche und gleichzeitige Preiserhöhungen vorzunehmen. Die Kommission war daher berechtigt, die Willensübereinstimmung zwischen der Klägerin und anderen Kartonherstellern über die Preisinitiativen als Vereinbarung einzustufen.

144 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

145 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

146 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, Artikel 2 der Entscheidung sei zu vage und unbestimmt formuliert. Jeder Informationsaustausch könnte unter das dort aufgestellte Verbot fallen. Insbesondere bestehe immer ein Risiko, daß die ausgetauschten Informationen zu einer Kooperation der Unternehmen benutzt werden könnten. Auch das Verbot des künftigen Informationsaustauschs sei insofern zu vage, als es den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen untersage, denn jeder Informationsaustausch sei wettbewerbsrelevant.

147 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, in der Entscheidung werde erstmals der Austausch globaler Informationen über Auftragseingänge und Auftragslage sowie die erwartete Kapazitätsausnutzung verboten, die keine Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Unternehmen zuließen. Das Verbot stehe insoweit im Widerspruch zur früheren Praxis der Kommission.

148 Ausserdem sei im Kartonsektor ein möglichst genaues Informationsaustauschsystem unerläßlich, denn es erlaube den Unternehmen, individuelle betriebswirtschaftliche Entscheidungen, insbesondere in bezug auf Investitionen, zu treffen.

149 Die Kommission begründe das umfassende Informationsaustauschverbot damit, daß die Statistiken in einer gegen Artikel 85 des Vertrages verstossenden Weise benutzt worden seien. Folglich sei die Kommission selbst der Ansicht, daß nicht die Statistiken als solche gegen den Vertrag verstießen, sondern lediglich ihr Gebrauch.

150 Die Kommission widerspricht in bezug auf den ersten Teil des Klagegrundes der Auffassung, daß das Verbot des künftigen Informationsaustauschs unbestimmt sei. Es reiche nämlich aus, wenn sich aus dem Tenor und der Begründung der Entscheidung ergebe, welches wettbewerbswidrige Verhalten abzustellen sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124). Im vorliegenden Fall enthalte bereits Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c der Entscheidung eine detaillierte Umschreibung der Art des unzulässigen Informationsaustauschs. Ausserdem seien die tatsächlichen Feststellungen zu den ausgetauschten Informationen in den Randnummern 61 bis 68, 105 und 106 der Entscheidung im einzelnen dargelegt worden. Ferner enthalte die Entscheidung eine genaue Darstellung der wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen des Informationsaustauschs (Randnrn. 134 und 166). Die Tragweite des Verbotes gehe daher aus Artikel 2 der Entscheidung in Verbindung mit ihrer Begründung klar hervor.

151 In Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Entscheidung habe sie nur die mögliche Gestaltung eines zulässigen Informationsaustauschs erläutert.

152 Zum zweiten Teil des Klagegrundes trägt die Kommission vor, sie habe den Austausch globaler Angaben über Auftragseingänge und Auftragslage sowie die erwartete Kapazitätsausnutzung zu Recht als unzulässig angesehen.

153 Das Verbot in Artikel 2 der Entscheidung sei vor dem Hintergrund der Feststellungen in den Randnummern 68 bis 70 der Entscheidung zu verstehen. Das Verbot des Austauschs zusammengefasster Informationen betreffe nur Informationen über Auftragseingänge, Auftragslage und Kapazitätsauslastungen. Bei der Beurteilung des Austauschs dieser Art von Informationen müsse die Struktur des fraglichen Marktes berücksichtigt werden, der durch einen hohen Konzentrationsgrad und eine weitgehende Austauschbarkeit der Erzeugnisse gekennzeichnet sei. Aufgrund der früheren Zusammenarbeit in der PG Karton seien die Hersteller über die Struktur und Politik der verschiedenen Unternehmen genau im Bilde.

154 Auf konzentrierten Märkten bestuenden die Wettbewerbsreserven im wesentlichen in der Ungewißheit und Geheimhaltung zwischen den Hauptanbietern. Der in kurzen Zeitabständen erfolgende Austausch von Informationen über den Auftragsbestand und die Kapazitätsauslastung bewirke aber eine so grosse Markttransparenz, daß die Entfaltung der verbliebenen Wettbewerbsreserven letztlich verhindert werde. Auf der Grundlage solcher Informationen seien die Hersteller nämlich in der Lage, branchenweite Produktionsunterbrechungen zu planen, um das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage aufrechtzuerhalten und damit einen Preisverfall bei rückläufiger Nachfrage zu verhindern und bei starker Nachfrage Preiserhöhungen durchzusetzen.

155 Durch den Austausch solcher Informationen würden folglich Ungewißheit und Geheimhaltung zwischen Anbietern beseitigt und ein gemeinsames branchenweites Verhalten gefördert; dies gelte um so mehr, als solche Statistiken tatsächlich zur branchenweiten Koordinierung des Geschäftsverhaltens eingesetzt worden seien. Der in kurzen Abständen erfolgende Austausch globalisierter Daten über Auftragsbestand und Kapazitätsauslastung führe bereits zur Einschränkung des Wettbewerbs. Sie sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Austausch der fraglichen Informationen auch in globaler Form gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstosse.

Würdigung durch das Gericht

156 Artikel 2 der Entscheidung lautet:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0317.1

b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder erleichtert wird, oder

c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfuellung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der Gemeinschaft zu überwachen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder Maschine ausschließt.

Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.

Die Unternehmen nehmen ausserdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen Abstand.

Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt."

157 Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

158 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 220).

159 Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der festgestellten Zuwiderhandlung angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93, Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).

160 Um im vorliegenden Fall festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 der Entscheidung - wie die Klägerin behauptet - zu weit geht, ist der Umfang der verschiedenen Verbote zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.

161 Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnisse nicht überschritten.

162 Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.

163 Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.

164 In Artikel 1 der Entscheidung heisst es nicht, daß der Austausch individueller Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstösst.

165 Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen Artikel des Vertrages verstossen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. "als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten".

166 Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heisst:

"Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC) praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe war offenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu schaffen."

167 Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht geäussert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfuellt das Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17.

168 Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche Maß zu beschränken ist.

169 Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen "als Absicherung" der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.

170 Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung zu beurteilen.

171 Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.

172 Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit der festgestellten Verhaltensweisen erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

173 Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig zu erklären:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbusse

Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 190 des Vertrages bei der Bußgeldbemessung

Vorbringen der Parteien

174 Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung sei unzureichend begründet, da die Adressaten nicht prüfen könnten, ob die gegen sie verhängte Geldbusse der Höhe nach gerechtfertigt sei und ob sie in angemessenem Verhältnis zu den Geldbussen der anderen Unternehmen stehe. Die Entscheidungen der Kommission müssten in bezug auf jeden Adressaten hinreichend begründet sein (Urteil des Gerichts vom 28. April 1994 in der Rechtssache T-38/92, AWS Benelux/Kommission, Slg. 1994, II-211).

175 Diesen Anforderungen werde im vorliegenden Fall nicht genügt. Insbesondere sei die Begründung nicht so ausführlich und präzise wie in der Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Polypropylen-Entscheidung), da in der vorliegenden Entscheidung nur die abstrakten Kriterien genannt würden, nach denen die Kommission die Geldbusse der einzelnen Unternehmen bemessen habe. Darüber hinaus habe die Kommission nicht angegeben, welche dieser Kriterien sie mit welcher Gewichtung bei der Bemessung der Geldbusse jedes Unternehmens herangezogen habe.

176 Auf einer Pressekonferenz am 13. Juli 1994 habe das für die Wettbewerbspolitik zuständige Mitglied der Kommission zur Bußgeldbemessung erheblich genauere als die in der Entscheidung enthaltenen Angaben gemacht. Für die Unternehmen sei daher nicht ersichtlich, ob die der Presse genannten oder die in der Entscheidung enthaltenen Gründe die wahren Gründe seien.

177 Sie werde in der Entscheidung (Randnr. 170) zu den "Anführern" des Kartells gezählt, und das verantwortliche Mitglied der Kommission habe mitgeteilt, daß nur bei den "Anführern" ein Satz von 9 % zugrunde gelegt worden sei. Unter diesen Umständen sei für sie nicht erkennbar, ob die gegen sie festgesetzte Geldbusse 9 % des herangezogenen Referenzumsatzes betrage. Sie wisse ebensowenig, ob sie - worauf die Erklärung des verantwortlichen Mitglieds der Kommission schließen lasse - den Nachlaß von einem Drittel erhalten habe. Schließlich habe die Kommission nach der vor der Presse abgegebenen Erklärung die Dauer der Zuwiderhandlung jedes Unternehmens berücksichtigt, was in ihrem Fall aus der Entscheidung nicht hervorgehe.

178 Da sie einerseits zu den "Anführern" des Kartells gezählt und andererseits als ein Unternehmen bezeichnet worden sei, das "in der Gestaltung der Politik des Kartells keine so wichtige Rolle wie die grossen Industriekonzerne" gespielt habe (Randnr. 170 der Entscheidung), wisse sie nicht, nach welchen Gesichtspunkten die Geldbusse gegen sie verhängt worden sei.

179 Aufgrund dieser Widersprüche habe sie sich im übrigen nicht sachgerecht verteidigen können.

180 Die Kommission trägt vor, sie habe die von ihr bei der Bußgeldbemessung angewandten Kriterien hinreichend individualisiert. Die für die Festsetzung des allgemeinen Bußgeldniveaus maßgeblichen Gründe und die bei der Bußgeldbemessung gegenüber jedem einzelnen Unternehmen angewandten Kriterien seien in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung angegeben worden. Diese Kriterien seien ebenso ausführlich und präzise wie die Kriterien in der Polypropylen-Entscheidung, die als ausreichend begründet angesehen worden sei (Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 353 und 354).

181 Der Entscheidung lasse sich auch entnehmen, wie sie die in Randnummer 169 aufgeführten Kriterien bei der Festsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse angewandt habe. Die Begründung der Bußgeldbemessung sei im Licht der gesamten Entscheidungsbegründung zu sehen (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 355). Die Entscheidung enthalte Ausführungen zu der Rolle, die die Klägerin im Rahmen des Kartells gespielt habe (Randnr. 170), zur Dauer ihrer Beteiligung am Kartell (Randnr. 43 und Tabelle 3 der Entscheidung) und zur Form der Berücksichtigung ihrer Kooperation während des Verfahrens (Randnr. 172). Schließlich gehe aus Randnummer 8 der Entscheidung hervor, daß die Kommission der Stellung der Klägerin in der Branche als kleinem, aber dennoch bedeutendem Hersteller Rechnung getragen habe.

Würdigung durch das Gericht

182 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).

183 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

184 Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

185 Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen und der Höhe der individuellen Geldbussen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in bezug auf die individuellen Geldbussen in Randnummer 170 aus, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich als "Anführer" des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen "gewöhnliche Mitglieder" angesehen worden seien. Dabei wird die Klägerin nicht zu den "Anführern" des Kartells gezählt, und in Randnummer 170 Absatz 3 heisst es: "Obschon Weig von 1988 an Mitglied des PWG war, scheint sie in der Gestaltung der Politik des Kartells keine so wichtige Rolle wie die grossen Industriekonzerne gespielt zu haben." Schließlich weist die Kommission in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbussen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen, darunter die Klägerin, ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbusse kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritten hätten.

186 In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen seien Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Im Fall der Klägerin hat die Kommission erläutert, daß sie einen Satz von 8 % des individuellen Umsatzes angewandt habe, da das Unternehmen zwar "Mitglied des PWG" gewesen sei, aber keine so wichtige Rolle wie die übrigen Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, gespielt zu haben scheine. Schließlich habe die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbussen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.

187 Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbussen enthält, daß diese zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der Geldbussen systematisch herangezogen wurden.

188 In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbussen angewandten Basissätze von 9 % für die als "Anführer" angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die "gewöhnlichen Mitglieder" sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.

189 Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Die Entscheidung enthält insoweit eine spezielle Begründung zur Beurteilung der Schwere der von der Klägerin begangenen Zuwiderhandlung (Randnr. 170 Absatz 3), der sich entnehmen lässt, weshalb sie weder den "Anführern" des Kartells noch dessen "gewöhnlichen Mitgliedern" gleichgestellt wurde.

190 Ebenso enthält Randnummer 168 der Entscheidung, die im Licht der allgemeinen Erwägungen über die Geldbussen in Randnummer 167 zu sehen ist, ausreichende Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen herangezogen wurden.

191 Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbussen wie hier auf der Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbusse Fehler begangen hat und ob die Höhe jeder individuellen Geldbusse in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbussen - in der Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstossende implizite Preisgabe des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag der individuellen Geldbussen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.

192 Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in der Pressekonferenz am 13. Juli 1994, dem Tag ihres Erlasses, bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muß und daß nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).

193 Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbussen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbussen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89 (Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbusse im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

194 Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

195 Unter den zuvor in Randnummer 193 genannten besonderen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbussen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbussen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbussen rechtfertigt. Die Klägerin hat überdies auch nicht dargelegt, daß sie daran gehindert worden wäre, von ihren Verteidigungsrechten sachgerecht Gebrauch zu machen.

196 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Fehlens wirtschaftlicher Auswirkungen der Zuwiderhandlungen

Vorbringen der Parteien

197 Die Klägerin trägt vor, bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und der Bußgeldbemessung seien die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 359). Im vorliegenden Fall hätten sich die Preisabsprachen aber überhaupt nicht oder allenfalls geringfügig auf den Markt ausgewirkt.

198 Dies belege erstens der im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der Kommission im Auftrag mehrerer Verfahrensbeteiligter, darunter auch der Klägerin, erstellte Bericht von London Economics (im folgenden: LE-Bericht).

199 Der LE-Bericht komme zu folgendem Ergebnis: a) Die im fraglichen Zeitraum eingetretenen Preisänderungen im Kartonsektor seien durch Änderungen der variablen Kosten und der Nachfrage zu erklären; b) aufgrund der bei einer repräsentativen Zahl von Kunden durchgeführten Untersuchung lasse sich keine Änderung des Preisverhaltens nach 1986 feststellen; c) es gebe nur einen sehr losen Zusammenhang zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den von den Kunden tatsächlich gezahlten Preisen; d) die von der Industrie im fraglichen Zeitraum erzielten Erlöse hätten nicht ausgereicht, um langfristig die Investitionskosten in adäquater Weise zu decken.

200 Die Kommission habe in der Entscheidung nicht einmal versucht, die Ergebnisse des LE-Berichts zu widerlegen, nach denen sich die Preise auf dem Kartonmarkt im fraglichen Zeitraum nicht anders entwickelt hätten als ohne jede Absprache über Preiserhöhungen. Folglich habe es an einem Kausalzusammenhang zwischen den Absprachen über Preiserhöhungsinitiativen und der tatsächlichen Entwicklung der Verkaufspreise gefehlt.

201 Zweitens ergebe sich das Fehlen wirtschaftlicher Auswirkungen der Preisabsprachen daraus, daß die Klägerin die von ihr angekündigten Preiserhöhungen nur in sehr begrenztem Umfang auf dem Markt habe durchsetzen können. Dies zeige ein Vergleich zwischen der Entwicklung der Nettoverkaufspreise vor den Erhöhungen und der Entwicklung der angekündigten Preise. Der durchschnittliche Realisierungsgrad der Preiserhöhungsinitiativen habe für sie in Deutschland 38,8 % und in Frankreich 36 % betragen.

202 Die Klägerin nimmt ferner auf eine Übersicht Bezug, in der sie zum einen die Entwicklung ihrer Preise für GD2-Karton in der Gemeinschaft von 1986 bis 1994 und zum anderen die Entwicklung des Preisindexes im gleichen Zeitraum darstellt. Sie leitet daraus ab, daß das Preisniveau des ersten Quartals 1986 später nie wieder erreicht worden sei, da die Preise bis Ende 1987 kontinuierlich gefallen seien und 1988 nur auf niedrigem Niveau hätten konsolidiert werden können. 1989/90 seien die Preise zwar wieder nachhaltig gestiegen, aber dies sei nur die Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung (der deutschen Wiedervereinigung) gewesen, und mit Beginn der Rezession im Jahr 1991 seien die Preise erneut gefallen.

203 Die Entwicklung der Verkaufspreise im Verhältnis zu den angekündigten Preisen belege somit, daß die angekündigten Preise nur eine geringe Rolle bei der Festsetzung der Preise gegenüber den einzelnen Kunden spielten und daß durch die gerügten Praktiken, wenn überhaupt, ein wesentlich geringerer wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, als die Kommission behaupte.

204 Die Kommission führt aus, das Kartell habe sich mit Sicherheit auf den Markt ausgewirkt, da die vereinbarten Preiserhöhungen als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden gedient hätten.

205 Die abgestimmten Preiserhöhungen hätten noch eine weitere Auswirkung auf den Markt gehabt, denn die Entwicklung der den Kunden in Rechnung gestellten Preise entspreche den von den Herstellern vereinbarten Preisen. Der LE-Bericht beweise keineswegs, daß sich die unzulässigen Absprachen nicht auf das Preisniveau ausgewirkt hätten; dies habe der Verfasser des Berichts bei der Anhörung vor der Kommission bestätigt (Protokoll, S. 28). Darüber hinaus stehe fest, daß die vereinbarten Preiserhöhungen gegenüber den Kunden zumindest teilweise durchgesetzt worden seien. Der LE-Bericht habe ferner gezeigt, daß in den Jahren 1988 und 1989 ein linearer Zusammenhang zwischen den angekündigten und den tatsächlichen Preisen bestanden habe, da die Nettopreiserhöhungen die Preisankündigungen nachvollzogen hätten. Mit gewisser zeitlicher Verzögerung habe die Entwicklung der den Kunden in Rechnung gestellten Preise folglich mit den vereinbarten Preiserhöhungen übereingestimmt, wie der Verfasser des LE-Berichts selbst eingeräumt habe (Protokoll der Anhörung, S. 21 und 28).

206 Der Verfasser des LE-Berichts habe bei der Anhörung (Protokoll, S. 31) ausgeführt, daß eine rückläufige oder nur langsam steigende Nachfrage in einem Industriezweig wie dem Kartonsektor, der durch eine unelastische Nachfrage und hohe Kapitalkosten gekennzeichnet sei, häufig zu zerstörerischen Preiskriegen führen könne. Im vorliegenden Fall sei es jedoch noch nicht einmal zu dem üblichen gesunden Preiswettbewerb gekommen, obwohl der Gesamtverbrauch in der Gemeinschaft im fraglichen Zeitraum nur geringfügig gestiegen sei. Die Preiserhöhungen hätten nicht auf individuellen unternehmerischen Entscheidungen beruht, sondern auf entsprechenden Vereinbarungen der Hersteller. Folglich sei davon auszugehen, daß sich die Preise trotz möglicherweise gestiegener Kosten ohne die Preisinitiativen nicht in der gleichen Weise entwickelt hätten.

207 Daß die Hersteller insbesondere gegenüber Großkunden bei individuellen Preisverhandlungen Zugeständnisse hätten machen müssen, habe die Kommission gebührend berücksichtigt (Randnrn. 102 und 115 der Entscheidung). Auch wenn Zugeständnisse gemacht worden seien, sei dies doch auf der Basis bereits erhöhter Preise geschehen.

208 Die Angaben der Klägerin zur Entwicklung ihrer Preise in Deutschland und Frankreich stuenden zu den Feststellungen der Kommission nicht im Widerspruch.

209 Diese Feststellungen stuenden auch nicht im Widerspruch zu der Übersicht, in der die Entwicklung der Kartonpreise der Klägerin in der Gemeinschaft der Entwicklung des Preisindexes gegenübergestellt werde. Aus dieser Übersicht gehe hervor, daß die Preise der Klägerin zwischen 1988 und 1991 mit Ausnahme eines kurzfristigen Rückgangs Ende 1989/Anfang 1990 ständig gestiegen seien und sich in diesem Zeitraum um mehr als 20 % erhöht hätten.

210 Im Ergebnis habe die Kommission die Auswirkungen des Kartells zutreffend gewürdigt. Ihre Feststellung, daß das Kartell weitgehend erfolgreich gewesen sei (Randnr. 168 der Entscheidung), beziehe sich nicht nur auf die tatsächlichen Preiserhöhungen, sondern auch auf andere Gesichtspunkte des Kartells (vgl. u. a. Randnrn. 136 und 137 der Entscheidung). Ihre Einschätzung entspreche im übrigen der Bewertung durch die Kartellmitglieder selbst, die die Preiserhöhungsinitiativen zumeist als erfolgreich betrachtet hätten.

Würdigung durch das Gericht

211 Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbussen u. a. berücksichtigt, daß das Kartell, "was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich" war. Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen wird.

212 Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache - der einzigen Auswirkungen, die die Klägerin bestreitet - untersucht zu werden. Aus der Entscheidung geht nämlich hervor, daß die Feststellung, wonach die Ziele weitgehend erreicht worden seien, im wesentlichen auf den Auswirkungen der Preisabsprache beruht (vgl. Randnrn. 100 bis 102, 115 und 135 bis 137).

213 Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen beurteilt. Selbst wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben - wie sie behauptet - zeigen sollten, daß die Preisabsprache für sie geringere als die auf dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem festgestellten Auswirkungen hatte, würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht ausreichen, um die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.

214 Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde. Ausserdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.

215 Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6 der Entscheidung).

216 Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte. Hierzu führt die Kommission aus, daß "sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den Kunden durchgesetzt wurden" (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder - vor allem bei Grossaufträgen - individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß "die durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag der angekündigten Preisanhebung" (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Schaubilder im LE-Bericht macht sie jedoch geltend, in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum habe es einen "engen linearen Zusammenhang" zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise - ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet in Ecu - gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: "Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen - wenngleich mit etwas zeitlichem Abstand - nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der mündlichen Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft" (Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).

217 Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller Verhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen würde.

218 Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum unter Heranziehung der von mehreren Herstellern gemachten Angaben untersucht wird.

219 Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen "engen linearen Zusammenhang" gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis 1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu wie folgt zusammengefasst: "Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]" (Anhörungsprotokoll, S. 28). Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).

220 Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein, in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11, S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat, daß es den von ihr geltend gemachten "engen linearen Zusammenhang" gab.

221 In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei "unter solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keine Auswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten" (Randnr. 136 Absatz 3 der Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfassten Zeitraum.

222 Trotz dieser Ergebnisse lässt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen. Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat, daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der Absprache beeinflusst wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.

223 Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der Preisabsprache keinen Beweis.

224 Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehört, in der Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.

225 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung von Geldbussen bei der Beurteilung der Schwere der im vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten, Randnr. 246).

Zum Klagegrund des Fehlens eines Systems von Sanktionen, mit denen die Unternehmen zur Einhaltung der vom Kartell aufgestellten Regeln gezwungen werden sollten

Vorbringen der Parteien

226 Die Klägerin trägt vor, die Tatsache, daß keine Maßnahmen - wirtschaftlicher oder moralischer Art - vorgesehen gewesen seien, um die Unternehmen zur Befolgung der angekündigten Preiserhöhungen zu zwingen, müsse zu einer Herabsetzung der Geldbusse führen. Die Behauptung der Kommission, daß es ein System von Sanktionen gegeben habe, sei falsch und werde nicht durch Beweise gestützt.

227 Nach der Aussage von Herrn Roos (der Feldmühle auf Sitzungen des PWG vertreten und die Aussage auf Ersuchen der Klägerin gemacht habe) vom 22. März 1993 sei sie zwar aufgrund ihres unkooperativen Verhaltens zur Rede gestellt worden. Dies sei jedoch keine Sanktion. Sie habe ihre Einstellung nicht geändert, und das Verhalten der Unternehmen habe auf deren freiwilligen Entscheidungen beruht. Auch in den Aussagen von Stora sei von einem System von Sanktionen keine Rede.

Würdigung durch das Gericht

228 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird in der Entscheidung nicht behauptet, daß ihre Adressaten ein "System von Sanktionen" eingeführt hätten, um die Unternehmen zur Einhaltung der vom Kartell getroffenen Entscheidungen zu zwingen. Die Klägerin gibt im übrigen nicht an, welche in der Entscheidung enthaltenen Feststellungen der Kommission falsch sein sollen.

229 Schließlich ist den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung nicht zu entnehmen, daß das etwaige Vorliegen von Sanktions- oder Zwangsmaßnahmen bei der Bußgeldbemessung berücksichtigt worden wäre.

230 Unter diesen Umständen ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund, daß das allgemeine Bußgeldniveau überhöht sei

Vorbringen der Parteien

231 Die Klägerin weist darauf hin, daß nach den Informationen, die das für die Wettbewerbspolitik zuständige Mitglied der Kommission auf einer Pressekonferenz am 13. Juli 1994 gegeben habe, die gegen die angeblichen "Anführer" des Kartells verhängten Geldbussen von 9 % die maximale oder nahezu maximale Geldbusse darstellten.

232 Die vorliegend festgestellte Zuwiderhandlung sei jedoch nicht der verwerflichste Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages. Es habe keine Mengenkontrolle gegeben, über die Preiserhöhungen seien keine Vereinbarungen getroffen worden, sondern sie hätten sich lediglich aus einer gegenseitigen Abstimmung der Hersteller ergeben, die Verstösse seien nicht durch ein System von Sanktionen durchgesetzt worden, und sie hätten allenfalls ganz geringe Auswirkungen auf den Markt gehabt. Die Geldbusse müsse auch deshalb herabgesetzt werden, weil das Informationsaustauschsystem der FIDES als Gesichtspunkt angesehen worden sei, der die Zuwiderhandlung besonders verwerflich mache.

233 Darüber hinaus habe die Kommission die Schwere der gerügten Zuwiderhandlungen dadurch falsch beurteilt, daß sie ausser acht gelassen habe, daß diese im Rahmen eines Berufsverbands begangen worden seien, der rechtmässige Tätigkeiten ausgeuebt habe.

234 Schließlich sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Sitzungen der PG Karton geheim gewesen seien. Es habe vielmehr Teilnehmerlisten gegeben, und das Fehlen von Protokollen sei mit dem Inhalt der während der Sitzungen geführten Gespräche zu erklären. Das Fehlen von Protokollen sei im übrigen ein Wesensmerkmal einer Kooperation, die Gespräche mit zum Teil wettbewerbswidrigem Inhalt umfasse.

235 Somit sei der im vorliegenden Fall festgestellte Verstoß bei weitem nicht so schwerwiegend wie die Kartelle, die die Kommission bereits aufgedeckt habe (vgl. u. a. die Polypropylen-Entscheidung).

236 Die Kommission vertritt die Ansicht, daß die Schwere der Zuwiderhandlung die Höhe der verhängten Geldbussen voll und ganz rechtfertige. Sie weist darauf hin, daß das in Rede stehende Kartell nicht nur Preis- und Marktaufteilungsabsprachen umfasst habe, sondern auch Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots und Maßnahmen, die die Durchführung der Preisinitiativen gefördert und die natürliche Preisentwicklung verhindert hätten. Die Rechtswidrigkeit dieser Handlungen sei offenkundig, da Preisvereinbarungen und Marktaufteilungsabsprachen in Artikel 85 des Vertrages ausdrücklich untersagt würden.

237 Das Vorbringen der Klägerin, daß die PG Karton in erster Linie normale Verbandsaufgaben wahrgenommen habe, sei weder glaubhaft noch substantiiert. Ferner spiele es keine Rolle, daß die PG Karton möglicherweise auch rechtmässige Ziele verfolgt habe.

238 Ein weiterer Umstand, der bei der Bewertung der Schwere des Verstosses ins Gewicht falle, sei die Geheimhaltungspraxis des Kartells. Das Fehlen von Aufzeichnungen sei zwar ein typisches Wesensmerkmal von verbotenen Absprachen, aber die Maßnahmen der PG Karton seien weit über das übliche Maß an Geheimhaltung hinausgegangen. Zum einen seien die Mitglieder ausdrücklich angewiesen worden, keine Notizen anzufertigen, wie der Geschäftsführer von Gruber & Weber bei der Anhörung eingeräumt habe (Protokoll, S. 46). Zum anderen hätten die Unternehmen versucht, die Existenz der Absprachen zu verschleiern, indem sie die Reihenfolge, in der sie die jeweilige Preiserhöhung angekündigt hätten, bei jeder Preisinitiative geändert hätten (Randnr. 73 der Entscheidung).

239 Schließlich müsse bei der Beurteilung der Schwere auch auf die übrigen in Randnummer 168 der Entscheidung aufgezählten Kriterien abgestellt werden.

Würdigung durch das Gericht

240 Angesichts der Feststellungen, die bei der Prüfung der Klagegründe zur Stützung des Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung getroffen worden sind, ist das Vorbringen der Klägerin zum Fehlen einer Mengenkontrolle und zum Fehlen von Preisabsprachen zurückzuweisen. Gleiches gilt für das Vorbringen, daß es im vorliegenden Fall kein "System von Sanktionen" gegeben habe (siehe oben, Randnrn. 228 und 229).

241 Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der Entscheidung):

"- Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere Wettbewerbsbeschränkungen dar;

- das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;

- der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;

- die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren praktisch den gesamten Markt;

- das Kartell wurde in einem System regelmässiger Sitzungen institutionalisiert, in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert wurde;

- es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);

- das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich."

242 Ausserdem geht, wie bereits ausgeführt, aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt wurden.

243 Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 108, und Urteil ICI/Kommission, Randnr. 385).

244 Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem allgemeinen Niveau der Geldbussen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission - insbesondere in der Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht - vorgenommen werden kann. Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war, wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Ausserdem zeigen die zur Verschleierung der Absprache getroffenen Maßnahmen, daß sich die betreffenden Unternehmen der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens voll und ganz bewusst waren. Die Kommission konnte diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigen, da sie einen besonders schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung darstellten, der diese von den zuvor aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.

245 Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen. Das Vorbringen der Klägerin, daß die PG Karton rechtmässige Tätigkeiten ausgeuebt habe, ist unerheblich, da festgestellt wurde, daß die Gremien dieses Berufsverbands - insbesondere PWG und JMC - einen im wesentlichen wettbewerbswidrigen Zweck hatten.

246 Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der Entscheidung wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbussen. Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß die Auswirkungen der Preisabsprache, die die Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen. Insoweit lässt sich schon allein daraus, daß die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, daß die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbussen rechtfertigen.

247 Der Klagegrund greift daher nicht durch.

Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission hinsichtlich der Beteiligung der Klägerin am Kartell

Vorbringen der Parteien

248 Die Klägerin macht geltend, die gegen sie festgesetzte Geldbusse sei überhöht, weil die Kommission ihre Beteiligung an dem gerügten Verstoß falsch eingeschätzt habe.

249 Erstens habe die Kommission den geringen Umfang ihrer Teilnahme an den Sitzungen der verschiedenen Gremien der PG Karton nicht angemessen berücksichtigt.

250 In bezug auf den PWG sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß sie seit 1988 dessen "Mitglied" gewesen sei (Randnr. 170 Absatz 3 der Entscheidung). Zwar habe offenbar ein Vertreter der Klägerin an einer Sitzung des PWG im Februar/März 1988 teilgenommen, aber dieser habe die Unternehmensleitung weder von seiner Teilnahme noch von der Existenz des PWG unterrichtet. Die Unternehmensleitung habe von der Existenz des PWG erst auf der Generalversammlung der PG Karton im Mai 1988 in Barcelona erfahren. Sie seien zur Teilnahme an der Sitzung des PWG eingeladen worden und hätten nur deshalb beschlossen, dieser vor der PK stattfindenden Sitzung beizuwohnen, um den Inhalt der Gespräche zu erfahren. Da die Sitzungen dieses Gremiums für sie letztlich nicht von Interesse gewesen seien, hätten sie im Jahr 1988 an keiner Sitzung mehr teilgenommen.

251 Erst im Mai 1989 habe die Klägerin begonnen, mehr oder weniger regelmässig an den Sitzungen des PWG teilzunehmen. Der Vertreter von Feldmühle bei den Sitzungen des PWG (Herr Roos) habe der Unternehmensleitung im Zeitraum 1988/89 zwei Besuche abgestattet, um sie zur regelmässigen Teilnahme an den Sitzungen zu veranlassen. Die Entscheidung der Klägerin, an den Sitzungen teilzunehmen, hänge damit zusammen, daß die Großkonzerne, die damals bereits den Markt kontrolliert hätten, einen Preiskrieg hätten beginnen können, um die kleinen Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Zur Wahrung ihrer Selbständigkeit habe sie deshalb beschlossen, an den Sitzungen des PWG teilzunehmen, um sich Zugang zum Informationsaustausch zwischen den im PWG und im JMC vertretenen Unternehmen zu verschaffen.

252 Sie habe letztlich nur an neun der von der Kommission festgestellten 21 Sitzungen des PWG (Randnr. 39 der Entscheidung) teilgenommen.

253 An den Sitzungen der übrigen Gremien der PG Karton habe sie nur sporadisch oder gar nicht teilgenommen. So habe sie zwischen März 1988 und April 1991 an acht Sitzungen des JMC und von 1986 bis 1991 an sieben der elf von der Kommission festgestellten Sitzungen der PK, aber an keiner Sitzung der WK teilgenommen.

254 Zweitens habe die Kommission ihrer völlig passiven Rolle in den verschiedenen Gremien der PG Karton nicht angemessen Rechnung getragen. Dies belege die Aussage von Herrn Roos (siehe oben, Randnr. 227), der bestätigt habe, daß sie erst an den Sitzungen des PWG teilgenommen habe, nachdem er sie dazu überredet habe, und daß sie eine passive Rolle gespielt und insbesondere keinen Anteil am Zustandekommen der Absprachen gehabt habe. Die Aussage von Herrn Roos bestätige ferner, daß sie im JMC eine passive Rolle gespielt habe und dort als ein eher widerwilliger und wenig kooperativer Teilnehmer angesehen worden sei.

255 Schließlich habe sie keine Rolle beim Informationsaustausch zwischen PWG und PK gespielt.

256 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin zugebe, an Sitzungen von drei der vier Gremien der PG Karton teilgenommen zu haben. Auf vielen Sitzungen, denen sie beigewohnt habe, hätten sich die Teilnehmer gegenseitig über Preiserhöhungen, Kapazitäten, Mengen und etwaige Abstellzeiten unterrichtet und abgestimmt. Ausserdem habe die Klägerin ihr Verhalten - zumindest im Hinblick auf Preiserhöhungen - an dem Vorgehen der anderen Unternehmen ausgerichtet und somit die erlangten Informationen zu ihrem eigenen Nutzen eingesetzt.

257 Darüber hinaus habe die Klägerin ab 1988 dem PWG angehört und ab 1989 an fast allen Sitzungen dieses Gremiums teilgenommen. Der PWG sei das zentrale Gremium des Kartells gewesen, in dem die Strategien des Kartells diskutiert und erarbeitet worden seien. Die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen dieses Gremiums rechtfertige die Annahme, daß sie in überdurchschnittlichem Maß am Kartell mitgewirkt habe.

258 Aufgrund dieser Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen des zentralen Gremiums des Kartells und ihrer Stellung als zweitgrösster deutscher Hersteller von GD-Sorten habe sich die Kommission zu Recht auf den Standpunkt gestellt, daß gegen sie eine höhere Geldbusse - von etwa 8 % ihres Kartonumsatzes in der Gemeinschaft im Jahr 1990 - festzusetzen sei als gegen die Unternehmen, die in durchschnittlichem Umfang am Kartell mitgewirkt hätten. Indem sie gegen die Klägerin keine vergleichbare Geldbusse verhängt habe wie gegen die "Anführer" des Kartells, habe die Kommission jedoch angemessen berücksichtigt, daß die Klägerin keine so wichtige Rolle gespielt habe wie die grossen Industriekonzerne.

259 Schließlich müsse der Versuch der Klägerin, ihre Rolle im Kartell unter Berufung auf die Aussage von Herrn Roos zu verharmlosen, erfolglos bleiben. Selbst wenn man unterstelle, daß die Klägerin von den übrigen teilnehmenden Unternehmen für wenig kooperativ gehalten worden sei, ändere dies nichts daran, daß sie sich an den Preisinitiativen beteiligt und somit zum Erfolg des Kartells beigetragen habe.

Würdigung durch das Gericht

260 Wie bereits ausgeführt, geht aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt wurden. Ferner wurde ausgeführt, daß gegen die Klägerin eine Geldbusse in Höhe von 8 % ihres Kartonumsatzes in der Gemeinschaft im Jahr 1990 festgesetzt wurde, die um ein Drittel herabgesetzt wurde, weil sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritt.

261 Im Rahmen der Beurteilung, ob dieses Bußgeldniveau gerechtfertigt ist, ist zunächst festzustellen, daß die Klägerin die Teilnahme an einer Sitzung des PWG im Mai 1988 und eine "mehr oder weniger regelmässige Teilnahme" an den Sitzungen dieses Gremiums ab Mai 1989 einräumt. Ausserdem erklärt sie, durch Nachforschungen ihres Rechtsanwalts erfahren zu haben, daß ein früherer Geschäftsführer "offenbar im Februar/März 1988 an einer einzigen Sitzung de[s] PWG teilgenommen hat", ohne die Unternehmensleitung von seiner Teilnahme oder von der Existenz des PWG zu unterrichten. Dazu ist zu sagen, daß die Klägerin nach den Angaben der Kommission zwar seit 1988 "Mitglied" des PWG war (Randnr. 170 Absatz 3 der Entscheidung); die Kommission macht jedoch nicht geltend, daß die Klägerin an anderen als den von ihr selbst angegebenen Sitzungen des PWG teilgenommen habe.

262 Sodann ist festzustellen, daß aus der Prüfung der von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend gemachten Klagegründe hervorgeht, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß der PWG die in der Entscheidung beschriebenen Funktionen hatte.

263 Unter diesen Umständen war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, grundsätzlich als "Anführer" der festgestellten Zuwiderhandlung anzusehen waren und aus diesem Grund eine besondere Verantwortung zu tragen hatten (vgl. Randnr. 170 Absatz 1 der Entscheidung). Sie hat die Klägerin dennoch nicht zu den "Anführern" der festgestellten Zuwiderhandlung gezählt, weil sie in der Gestaltung der Politik des Kartells keine so wichtige Rolle wie die übrigen Teilnehmer an den Sitzungen dieses Gremiums gespielt zu haben schien (Randnr. 170 Absatz 3 der Entscheidung).

264 Sie hat somit durch die Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin an den Sitzungen des PWG teilnahm, in dem die wichtigsten wettbewerbswidrigen Entscheidungen getroffen wurden, und der Tatsache, daß sie in der Gestaltung der Politik des Kartells eine weniger wichtige Rolle spielte, die Rolle der Klägerin zutreffend gewürdigt. Dabei hat sie auch den in der Aussage von Herrn Roos enthaltenen Informationen zur Rolle der Klägerin im Kartell Rechnung getragen.

265 Unter diesen Umständen bestätigen die Erläuterungen der Klägerin, nach denen sie nur deshalb an den Sitzungen des PWG teilnahm, um sich Zugang zum Informationsaustausch zwischen den dort vertretenen Unternehmen zu verschaffen, lediglich das im wesentlichen wettbewerbsfeindliche Ziel ihrer Teilnahme.

266 Schließlich hat die Kommission in Anbetracht der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen des PWG, in dem die wichtigsten wettbewerbswidrigen Entscheidungen getroffen wurden, die von der Klägerin begangene Zuwiderhandlung zu Recht als schwerwiegender angesehen als die Zuwiderhandlung der als "gewöhnliche Mitglieder" des Kartells eingestuften Unternehmen, die im PWG nicht vertreten waren.

267 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der unzureichenden Berücksichtigung der Kooperation der Klägerin im Verfahren

Vorbringen der Parteien

268 Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen.

269 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, daß sie auf das Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 wahrheitsgemäß und vollständig geantwortet habe. Da die Kommission bei ihr keine Nachprüfungen durchgeführt habe, habe sie nicht gewusst, daß die Kommission in den Besitz von Unterlagen gelangt sei, aufgrund deren sie auf einen schwerwiegenden Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages schließen würde. Ausserdem sei ihr der von der Kommission festgestellte Sachverhalt aufgrund des beschränkten Umfangs ihrer Teilnahme an der PG Karton nicht vollständig bekannt gewesen. Unter diesen Umständen habe sie damals noch nicht aktiver mit der Kommission kooperieren können.

270 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, die sofortige Einstellung ihrer Beteiligung an den Sitzungen der PG Karton und an allen möglicherweise rechtswidrigen Praktiken nach den von der Kommission am 23. April 1991 durchgeführten Nachprüfungen sei nach der Rechtsprechung und der Praxis der Kommission als mildernder Umstand anzusehen (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 146).

271 Mit dem dritten Teil des Klagegrundes macht sie geltend, die Kommission habe bei der Bußgeldbemessung ihre aktive Kooperation nicht berücksichtigt, die zum beschleunigten Abschluß des Verfahrens beigetragen habe. Sie habe erst nach der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erkannt, daß die Kommission ihr einen schweren Verstoß gegen Artikel 85 des Vertrages vorwerfe. Mit Schreiben vom 23. März 1993, also vor Ablauf der Frist zur Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten, habe sie eingeräumt, durch die Teilnahme an Gesprächen über Preiserhöhungen und an einem allgemeinen Meinungsaustausch über die Beibehaltung der Absatzmengen gegen Artikel 85 des Vertrages verstossen zu haben. Dieses Eingeständnis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages habe sie aus völlig freien Stücken abgegeben, und es habe offensichtlich auch andere Unternehmen dazu veranlasst, die Zuwiderhandlung zuzugeben oder zumindest im Kern nicht zu bestreiten.

272 Sie sei das einzige Unternehmen gewesen, das in der Anhörung vor der Kommission ausdrücklich erklärt habe, daß die von der Kommission behauptete Zuwiderhandlung im wesentlichen nicht bestritten werde. Sie sei auch neben Cascades das einzige Unternehmen gewesen, das die Daten sämtlicher von ihm besuchter Sitzungen mitgeteilt habe. Schließlich habe sie der Kommission die Stellungnahme von Herrn Roos übermittelt, auf die die Kommission mehrfach in der Anhörung und indirekt auch in Randnummer 59 der Entscheidung Bezug genommen habe, wo davon gesprochen werde, daß die Klägerin zur Ordnung gerufen worden sei, weil sie ihre Marktanteile ausgeweitet habe.

273 Da diese aktive Kooperation nicht berücksichtigt worden sei, sei sie insbesondere gegenüber Stora benachteiligt worden. Stora habe erst nach den von der Kommission durchgeführten Nachprüfungen mit dieser kooperiert. Ausserdem habe sie nicht nur das von der Kommission bei den Unternehmen des Stora-Konzerns gefundene belastende Material, sondern auch die bei anderen Unternehmen gefundenen Unterlagen gekannt. Schließlich gehe aus dem Schriftwechsel zwischen Stora und der Kommission (Anlagen 34 bis 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hervor, daß Stora nicht sofort alles zugegeben habe, sondern daß die Kommission die verschiedenen Informationen aus ihr habe herauslocken müssen. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin für ihre Kooperation in gleichem Maß belohnt werden müssen wie Stora, d. h. durch eine Herabsetzung der Geldbusse um zwei Drittel.

274 Überdies habe die Kommission den kleinen Herstellern keine Gelegenheit gegeben, in einem frühen Stadium zu kooperieren, da diese Hersteller von der Kooperation von Stora und den im Besitz der Kommission befindlichen Beweisen nichts gewusst hätten.

275 Schließlich sei die Klägerin aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der Gesichtspunkte, die ihre aktive Kooperation mit der Kommission belegten, auch gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt worden, deren Geldbusse um ein Drittel herabgesetzt worden sei, weil sie die Tatsachenbehauptungen in der Substanz nicht bestritten hätten.

276 Die Kommission weist darauf hin, daß die Geldbusse der Klägerin um ein Drittel herabgesetzt worden sei, weil sie die Tatsachenbehauptungen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Substanz nicht bestritten habe (Randnr. 172 der Entscheidung). Für eine darüber hinausgehende Herabsetzung habe kein Anlaß bestanden.

277 Die vollständige und wahrheitsgemässe Beantwortung des Auskunftsersuchens durch die Klägerin könne keine Herabsetzung der Geldbusse rechtfertigen, da es sich um ein rechtlich gebotenes Verhalten handele.

278 Dem Vorbringen der Klägerin, daß sie in einem früheren Verfahrensstadium nicht aktiv habe kooperieren können, könne nicht gefolgt werden. Es habe ihr vielmehr freigestanden, den Sachverhalt aufzuklären und so aktiv zum raschen Abschluß des Verfahrens beizutragen. Im übrigen schätze sie den Wert der Stellungnahme von Herrn Roos zu hoch ein; dieser habe nicht nur zur Aufklärung des Sachverhalts, sondern auch zur Verteidigung der Klägerin beigetragen.

279 Die Klägerin sei somit gegenüber Stora nicht benachteiligt worden. Stora habe aus freien Stücken kooperiert und in ihren Antworten auf die Auskunftsverlangen vom 30. August 1991 und vom 23. Oktober 1991 einen aktiven und wesentlichen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts geleistet. Die Klägerin habe dagegen erst mit Schreiben vom 23. März 1993, d. h. nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte, ihre mögliche Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht eingeräumt. Ihre Kooperation habe sich auch in diesem Stadium darauf beschränkt, die gegen sie erhobenen Vorwürfe in der Substanz nicht zu bestreiten. Ein solches Verhalten, das bereits durch die Herabsetzung der Geldbusse um ein Drittel belohnt worden sei, könne nicht als aktive Kooperation gewertet werden.

Würdigung durch das Gericht

280 Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse wurde um ein Drittel herabgesetzt, weil sie der Entscheidung zufolge in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritt.

281 Eine Herabsetzung der Geldbusse wegen einer Kooperation im Verwaltungsverfahren vor der Kommission ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (Urteil ICI/Kommission, Randnr. 393). Folglich kann bei einem Unternehmen, das im Verwaltungsverfahren ausdrücklich erklärt, daß es die von der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen nicht bestreite, davon ausgegangen werden, daß es zur Erleichterung der in der Feststellung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bestehenden Aufgabe der Kommission beigetragen hat. Die Kommission ist nämlich berechtigt, ein solches Verhalten als Eingeständnis der behaupteten Tatsachen und damit als Beweis für die Begründetheit der fraglichen Behauptungen zu werten.

282 Im vorliegenden Fall enthält das Vorbringen der Klägerin keinen Beleg dafür, daß sie über die Anerkennung der Tatsachenbehauptungen der Kommission hinaus mit dieser kooperierte.

283 Mit dem ersten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, sie habe auf das Auskunftsverlangen der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 wahrheitsgemäß und vollständig geantwortet. Nach ständiger Rechtsprechung rechtfertigt aber eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbusse (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341 und 342). Im übrigen hätte die Klägerin, die seit März 1988 an der Zuwiderhandlung teilnahm und daher die Aufgaben des PWG und des JMC kannte, durchaus - ebenso wie Stora - aktiver als geschehen mit der Kommission kooperieren können, wodurch eine grössere Herabsetzung der Geldbusse gerechtfertigt gewesen wäre. Folglich muß ihr Vorbringen, daß sie damals nicht die nötigen Informationen besessen habe, um der Kommission aktiv zu helfen, zurückgewiesen werden.

284 Zum zweiten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, daß die Klägerin ihre Beteiligung an den Sitzungen der PG Karton und an allen möglicherweise rechtswidrigen Praktiken nach den von der Kommission am 23. April 1991 durchgeführten Nachprüfungen (siehe oben, Randnr. 8) sofort eingestellt habe, ist darauf hinzuweisen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (siehe oben, Randnr. 183). Auch wenn die Einstellung der Zuwiderhandlung vor der Übersendung der Beschwerdepunkte somit grundsätzlich als Umstand angesehen werden kann, der die Schwere der Zuwiderhandlung eines Unternehmens mindert, war die Kommission unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht zu einer solchen Bewertung verpflichtet. Da die Klägerin nichts vorgebracht hat, was zum Nachweis dafür dienen könnte, daß die Kommission im vorliegenden Fall den Ermessensspielraum überschritten hat, über den sie bei der Auswahl der Gesichtspunkte verfügt, die bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen berücksichtigt werden, ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

285 Auch dem dritten Teil des Klagegrundes, der sich darauf stützt, daß die Klägerin aktiv mit der Kommission kooperiert habe, kann nicht gefolgt werden.

286 Die Klägerin trägt vor, sie habe vollständige Angaben zu ihrer Teilnahme an den Sitzungen der verschiedenen Gremien der PG Karton gemacht. Sie habe ferner bei der Anhörung vor der Kommission ausdrücklich erklärt, daß sie die von dieser vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der Substanz nicht bestreite. Eine derartige Kooperation mit der Kommission rechtfertigte jedoch keine über das tatsächlich gewährte Drittel hinausgehende Herabsetzung der Geldbusse. Die Stellungnahme von Herrn Roos, die der Kommission von der Klägerin mit ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt wurde, enthält nichts, was spürbar zur Erleichterung der Aufgabe des Organs beitragen konnte. Insoweit genügt der Hinweis, daß in der Entscheidung nur an einer Stelle - im übrigen indirekt - auf die Angaben in dieser Stellungnahme Bezug genommen wird (Randnr. 59 letzter Absatz).

287 Schließlich ist zum Vorbringen der Klägerin, daß sie im Verhältnis zu Stora benachteiligt worden sei, darauf hinzuweisen, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, nach ständiger Rechtsprechung nur dann vorliegt, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; im gleichen Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 1994 in der Rechtssache T-100/92, La Pietra/Kommission, Slg. ÖD 1994, II-275, Randnr. 50).

288 Stora hat im vorliegenden Fall gegenüber der Kommission Aussagen gemacht, die eine eingehende Beschreibung von Art und Gegenstand der Zuwiderhandlung, der Funktionsweise der verschiedenen Gremien der PG Karton und der Beteiligung der einzelnen Hersteller an der Zuwiderhandlung enthalten. Durch diese Aussagen hat Stora Auskünfte gegeben, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann. Auch wenn die Kommission in der Entscheidung erklärt, daß sie Beweise erlangt habe, die die in den Aussagen von Stora enthaltenen Auskünfte bestätigten (Randnrn. 112 und 113), geht aus ihr klar hervor, daß die Aussagen von Stora für die Kommission den wichtigsten Beweis für das Vorliegen der Zuwiderhandlung darstellten. Somit ist davon auszugehen, daß es für die Kommission ohne die Aussagen von Stora zumindest sehr viel schwieriger gewesen wäre, die den Gegenstand der Entscheidung bildende Zuwiderhandlung fest- und gegebenenfalls abzustellen. In Anbetracht dessen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihre Geldbusse nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung in gleichem Maß wie die von Stora hätte herabgesetzt werden müssen.

289 Da die Klägerin über die Anerkennung der von der Kommission vorgebrachten Tatsachenbehauptungen hinaus nicht mit dieser kooperierte, wurde sie auch nicht gegenüber den anderen Unternehmen benachteiligt, deren Geldbusse um ein Drittel herabgesetzt wurde.

290 Nach alledem ist der Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Unangemessenheit der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse angesichts der bisherigen Praxis der Kommission

291 Die Klägerin trägt vor, die Kommission müsse nach eigenem Bekunden (Dreizehnter Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nr. 64) bei der Festsetzung der Geldbussen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung tragen. Die gegen sie verhängte Busse sei jedoch im Vergleich zur früheren Praxis der Kommission überhöht.

292 Die Kommission habe Geldbussen von 3 Millionen ECU nur gegen Unternehmen mit Milliardenumsätzen verhängt. Ausserdem seien derartige Geldbussen meist bei wiederholten Verstössen verhängt worden.

293 Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, daß das von der Kommission zugrunde gelegte allgemeine Niveau der Geldbussen auch im Hinblick auf ihre frühere Praxis gerechtfertigt war (siehe oben, Randnrn. 240 ff.). Ferner wurde festgestellt, daß die Kommission die Rolle der Klägerin bei der beanstandeten Zuwiderhandlung zutreffend gewürdigt hat (siehe oben, Randnrn. 260 ff.).

294 Folglich greift der vorliegende Klagegrund nicht durch.

Zum Klagegrund der mangelnden Berücksichtigung der Tatsache, daß die Klägerin nur ein Produkt herstellt, und ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit

Vorbringen der Parteien

295 Die Klägerin führt aus, die Kommission müsse bei der Festsetzung der Geldbussen vom Gesamtumsatz jedes Unternehmens ausgehen, der etwas über dessen Grösse und Wirtschaftskraft aussage (Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 160). In seinem Urteil vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92 (Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 94) habe das Gericht entschieden, daß die Kommission bei der Festsetzung der Geldbusse nicht nur den Umsatz mit den von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkten ansetzen dürfe (vgl. auch Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 121).

296 Im vorliegenden Fall habe sich die Kommission jedoch ausschließlich auf den Umsatz mit den von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkten gestützt. Ein Unternehmen wie die Klägerin, das seinen Umsatz im wesentlichen mit einem von der Zuwiderhandlung betroffenen Produkt erziele, werde dadurch gegenüber den Unternehmen benachteiligt, die auch andere Produkte herstellten. Die gegen sie verhängte Geldbusse belaufe sich auf einen erheblichen Teil ihres Gesamtumsatzes, während sie zum Beispiel bei Stora nur einen unwesentlichen Teil des Gesamtumsatzes ausmache. Selbst im Vergleich zu Unternehmen, die eine weit schwerere Zuwiderhandlung begangen hätten, treffe die Geldbusse sie daher viel härter.

297 Schließlich werde durch die überhöhte Geldbusse ihre Fähigkeit, Investitionen zu tätigen, für mehrere Jahre stark beeinträchtigt, so daß sich die Gefahr erhöhe, daß sie von einem der grossen Unternehmen auf dem Markt übernommen werde.

298 Die Kommission trägt vor, die Klägerin habe als Herstellerin nur eines Produktes in besonderem Maß von dem Kartell profitiert, das ihre gesamte Kartonproduktion betroffen habe. Die Geldbusse sei daher zu Recht auf der Grundlage des von ihr auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft erzielten Umsatzes berechnet worden. Davon abgesehen sei ihr Gesamtumsatz im Jahr 1990 knapp 11 Millionen ECU höher gewesen als der Umsatz, anhand dessen die Geldbusse berechnet worden sei.

Würdigung durch das Gericht

299 Wie bereits ausgeführt, ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (siehe oben, Randnr. 183).

300 Zu den Gesichtspunkten, deren Heranziehung in Betracht kommt, können je nach den Umständen die Menge und der Wert der Waren, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, sowie die Grösse und die Wirtschaftskraft des Unternehmens und damit der Einfluß gehören, den es auf den Markt ausüben konnte. Folglich darf die Kommission bei der Festsetzung der Geldbusse sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens, der - wenn auch nur annähernd und unvollständig - etwas über dessen Grösse und Wirtschaftskraft aussagt, als auch den Teil dieses Umsatzes heranziehen, der mit den Waren erzielt wurde, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte, und der somit einen Anhaltspunkt für das Ausmaß dieser Zuwiderhandlung liefern kann (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121).

301 Ausserdem muß die Kommission bei der Berechnung der Geldbussen, die sie gegen Unternehmen verhängt, die sich an derselben Zuwiderhandlung beteiligt haben, normalerweise dieselbe Methode anwenden (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 122). Der Kommission kann somit kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie sich bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen im vorliegenden Fall systematisch auf den Umsatz gestützt hat, den die einzelnen Unternehmen im Jahr 1990 auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft allein mit den Waren erzielten, auf die sich die Zuwiderhandlung erstreckte.

302 Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die von der Kommission angewandte Methode für sie nachteilige Folgen gehabt habe, zumal sie die Behauptung der Kommission, daß ihr Gesamtumsatz im Jahr 1990 über dem von der Kommission herangezogenen Umsatz gelegen habe, nicht in Abrede stellt.

303 Der vorliegende Klagegrund ist deshalb ebenfalls zurückzuweisen.

304 Nach alledem ist Artikel 1 der Entscheidung in bezug auf die Klägerin insoweit für nichtig zu erklären, als darin ausgeführt wird, daß sich die Klägerin vor März 1988 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt habe. Ausserdem ist Artikel 2 der Entscheidung in bezug auf die Klägerin teilweise für nichtig zu erklären.

305 Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Geldbusse ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin nur für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages in der Zeit von März 1988 bis April 1991 zur Verantwortung gezogen werden kann.

306 Da die anderen von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbusse geltend gemachten Klagegründe zurückgewiesen worden sind, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 2 500 000 ECU fest.

Kostenentscheidung:

Kosten

307 Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hält es das Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten, jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

308 Die Klägerin hat beantragt, der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der durch die Stellung einer Bürgschaft entstandenen Kosten aufzuerlegen. Nach ständiger Rechtsprechung sind die durch die Stellung einer Bürgschaft zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung der Entscheidung entstandenen Kosten jedoch keine Aufwendungen für das Verfahren im Sinne von Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung (vgl. Beschluß des Gerichtshofes vom 20. November 1987 in der Rechtssache 183/83, Krupp/Kommission, Slg. 1987, 4611, Randnr. 10, und Urteil Parker Pen/Kommission, Randnr. 101).

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 1 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) wird in bezug auf die Klägerin für nichtig erklärt, soweit ein vor März 1988 liegender Zeitpunkt als Beginn der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung angesetzt wurde.

2. Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601 wird in bezug auf die Klägerin mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig erklärt:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

3. Die Höhe der in Artikel 3 der Entscheidung 94/601 gegen die Klägerin verhängten Geldbusse wird auf 2 500 000 ECU festgesetzt.

4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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