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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.05.1998
Aktenzeichen: T-338/94
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 94/601/EG


Vorschriften:

EGV Art. 85 Abs. 1
Entscheidung 94/601/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

11 Gilt nach der Gemeinschaftsregelung keine Amtssprache der Gemeinschaft ausdrücklich für die Beziehungen zwischen der Kommission und einem in einem Drittland ansässigen Unternehmen, das sich an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft beteiligt hat, so ist die Kommission berechtigt, die Sprache, deren sich dieses Unternehmen in seinem Schriftverkehr mit seinen eigenen Verkaufsbüros in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft bedient, und nicht die Sprache des Mitgliedstaats, in dem der Bevollmächtigte des Unternehmens ansässig ist, als Sprache der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung zu wählen.

Zum einen enthält nämlich die Verordnung Nr. 1 nur die Sprachenregelung, die zwischen der Gemeinschaft und einem Mitgliedstaat oder einer der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehenden Person gilt. Zum anderen ergibt sich weder aus Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 noch aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention - sofern sich ein Unternehmen, das Gegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung ist, überhaupt auf diese Bestimmung berufen kann - eine Verpflichtung, Schriftstücke in der Sprache des Mitgliedstaats abzufassen, in dem der Bevollmächtigte ansässig ist. Schließlich ist bei der Wahl der Sprache der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung darauf abzustellen, welche Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft zwischen dem betreffenden Unternehmen und einem Mitgliedstaat bestehen.

Im übrigen sind die Anlagen der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht von der Kommission stammen, als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt und die daher den Empfängern so, wie sie sind, zur Kenntnis gebracht werden müssen.

12 Eine Entscheidung ist im Sinne des Vertrages ordnungsgemäß zugestellt, wenn sie ihrem Adressaten mitgeteilt wird und er von ihr Kenntnis nehmen kann.

Was die Rechtmässigkeit der Zustellung anbelangt, so gibt es keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, die eine Zustellung der Entscheidung in Form einer beglaubigten Abschrift oder die getrennte Zustellung einer Berichtigung ausschließt. Eine Abschrift einer Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, die den Namen des für die Wettbewerbspolitik zuständigen Mitglieds der Kommission sowie die Angabe "certified copy" (beglaubigte Abschrift) trägt und ferner vom Generalsekretär der Kommission unterschrieben ist, ist nicht zu beanstanden und besitzt die gleiche Rechtskraft wie die Urschrift, die vom Kommissionskollegium erlassen und in der nach der Geschäftsordnung der Kommission vorgeschriebenen Form festgestellt wurde.

13 Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens im Bereich des Wettbewerbsrechts kann die Mitteilung der Beschwerdepunkte dem betroffenen Unternehmen in Form eines nicht unterzeichneten Schriftstücks mit einem Begleitschreiben des Generaldirektors für Wettbewerb der Kommission übermittelt werden.

Insoweit handelt der Generaldirektor für Wettbewerb der Kommission bei der Unterzeichnung des Schreibens nicht aufgrund einer Übertragung von Befugnissen, sondern im Rahmen einer blossen Übertragung der Zeichnungsberechtigung durch das zuständige Mitglied der Kommission. Eine solche Übertragung der Zeichnungsberechtigung stellt das normale Mittel dar, mit dem die Kommission ihre Befugnisse ausübt. Im übrigen verlangt Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 nicht, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst eine eigenhändige Unterschrift trägt oder aus einer förmlichen einheitlichen Urkunde besteht.

14 Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

Die Kommission hat zwar gemäß Artikel 190 des Vertrages die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die Erwägungen anzugeben, die sie zu ihrem Erlaß veranlasst haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die während des Verwaltungsverfahrens aufgeworfen wurden.

Enthält eine Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft eine ausreichende Begründung, die es ermöglicht, die Gründe nachzuvollziehen, aus denen die festgestellten Handlungen als Vereinbarung und als abgestimmte Verhaltensweise eingestuft wurden, so braucht die Kommission nicht jede der betreffenden Handlungen gesondert als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise einzuordnen.

15 Die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist, aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten. Da die Anwendung dieser Bestimmung der festgestellten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist.

Ein Verbot, das den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, verhindern soll, erfuellt nicht die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17, sofern aus der Entscheidung nicht hervorgeht, daß die Kommission den fraglichen Austausch als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat, denn die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, führt nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit dieser Vorschrift; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

16 Die Gattungsbezeichnung "Zuwiderhandlung" in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, die unterschiedslos Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen umfasst, zeigt, daß die dort genannten Hoechstgrenzen der Geldbussen für Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen ebenso gelten wie für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Die Hoechstgrenze von 10 % des Umsatzes ist folglich anhand des Umsatzes jedes Unternehmens zu berechnen, das an den Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen mitwirkt, oder anhand der Umsätze aller Mitgliedsunternehmen solcher Unternehmensvereinigungen, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird dadurch bestätigt, daß der Einfluß, den eine Unternehmensvereinigung auf dem Markt ausüben konnte, nicht von ihrem eigenen "Umsatz" abhängt, der weder ihre Grösse noch ihre Wirtschaftskraft erkennen lässt, sondern vom Umsatz ihrer Mitglieder, der einen Anhaltspunkt für ihre Grösse und ihre Wirtschaftskraft darstellt.

In einem Fall, in dem eine Vereinigung in ihrem Namen und für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen den Verkauf des Erzeugnisses vornimmt, auf das sich die Zuwiderhandlung erstreckt, in dem zu den Mitgliedsunternehmen enge rechtliche und tatsächliche Beziehungen bestehen und in dem die Vereinigung kein eigenes wirtschaftliches Interesse daran hat, sich an der Preisabsprache zu beteiligen, stellt der Wert dieser Verkäufe einen Anhaltspunkt für die wirkliche Grösse und Wirtschaftskraft der Vereinigung dar und kann deshalb von der Kommission als Grundlage für die Berechnung der Obergrenze der festzusetzenden Geldbusse herangezogen werden.

17 Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden.

Schließlich muß die Begründung einer Entscheidung in der Entscheidung selbst enthalten sein; nachträgliche Erläuterungen der Kommission können nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden.

Wenn die Kommission in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, muß sie diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

18 Die Tatsache, daß die an einer Preisabsprache beteiligten Unternehmen festlegten, wie die Ankündigung abgestimmter Preiserhöhungen erfolgt, und daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen über Sitzungen mit diesem Gegenstand getroffen wurden, beweist, daß die Unternehmen sich der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst waren und Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen haben. Die Kommission kann solche Maßnahmen bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung als erschwerende Umstände behandeln.

Insoweit können das Fehlen offizieller Protokolle und das fast völlige Fehlen interner Vermerke über diese Sitzungen in Anbetracht der Zahl und der zeitlichen Dauer der Sitzungen sowie der Art der fraglichen Erörterungen einen hinreichenden Beweis dafür darstellen, daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen getroffen wurden.

19 Die Höhe der Geldbusse wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft hängt von der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung ab. Dabei ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Die Kommission darf bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind; es steht ihr daher frei, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen.

Im übrigen kann die Kommission bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen u. a. die lange Dauer und die Offenkundigkeit einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages berücksichtigen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission hätte darstellen müssen.

20 Bei der Bestimmung der Höhe der wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft festzusetzenden Geldbusse ist eine Herabsetzung der Geldbusse aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten des beschuldigten Unternehmens es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden.

Bestreitet ein Unternehmen in seiner Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte im wesentlichen die darin enthaltenen Behauptungen der Kommission, so ist die Kommission zu der Annahme berechtigt, daß sich das Unternehmen nicht in einer Weise verhalten hat, die eine Herabsetzung der Geldbusse aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens rechtfertigt.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1998. - Finnish Board Mills Association - Finnboard gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag - Informationsaustausch - Anordnung - Geldbuße - Bestimmung der Höhe - Begründung - Kooperation während des Verwaltungsverfahrens. - Rechtssache T-338/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstössen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Geldbussen festgesetzt.

2 Gegenstand der Entscheidung ist das Erzeugnis Karton. In der Entscheidung werden drei Kartonsorten erwähnt, die den Qualitäten "GC", "GD" und "SBS" zugeordnet werden.

3 Karton der Qualität GD (im folgenden: GD-Karton) ist ein Karton mit einer grauen unteren Lage (Altpapier), der in der Regel für die Verpackung von Non-food-Produkten verwendet wird.

4 Karton der Qualität GC (im folgenden: GC-Karton) besitzt eine obere weisse Lage und wird gewöhnlich für die Verpackung von Nahrungsmitteln verwendet. GC-Karton ist von höherer Qualität als GD-Karton. In dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum bestand zwischen diesen beiden Produkten im allgemeinen ein Preisunterschied von etwa 30 %. In geringerem Umfang wird hochwertiger GC-Karton auch für graphische Zwecke verwendet.

5 SBS ist die Bezeichnung für durch und durch weissen Karton (im folgenden: SBS-Karton). Sein Preis liegt etwa 20 % über dem von GC-Karton. Er dient zur Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Zigaretten, ist aber hauptsächlich für graphische Zwecke bestimmt.

6 Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.

7 Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.

8 Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig Nachprüfungen vor.

9 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.

10 Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.

11 Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.

12 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen enthält:

"Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek "De Eendracht" NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstossen, indem sie sich

- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

- sich regelmässig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

- sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

- in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbussen festgesetzt:

...

v) gegen Finnboard - the Finnish Board Mills Association eine Geldbusse in Höhe von 20 000 000 ECU, für die Oy Kyro AB bis zu einem Betrag von 3 000 000 ECU, Metsä-Serla Oy bis zu einem Betrag von 7 000 000 ECU, Tampella Corp. bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU und United Paper Mills Ltd bis zu einem Betrag von 5 000 000 ECU gesamtschuldnerisch mit Finnboard haften;

..."

13 Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens "Produktgruppe Karton" (im folgenden: PG Karton).

14 Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens "Presidents' Working Group" (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

15 Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.

16 Der PWG habe der "Präsidentenkonferenz" (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmässig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

17 Ende 1987 sei das "Joint Marketing Committee" (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

18 Schließlich habe die "Wirtschaftliche Kommission" (WK) u. a. die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem "Marketing Committee", über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

19 Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zuerich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heisst es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmässig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.

20 Die Klägerin ist eine Wirtschaftsvereinigung finnischen Rechts, die 1991 sechs Mitglieder hatte, zu denen die Kartonhersteller Oy Kyro AB, Metsä-Serla Oy, Tampella Corporation und United Paper Mills gehörten. Die Klägerin vermarktet den von diesen vier Mitgliedsunternehmen hergestellten Karton in der gesamten Gemeinschaft, wobei sie sich teilweise eigener Tochtergesellschaften bedient.

21 Gemäß der Entscheidung hat sie von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 an Sitzungen aller Organe der PG Karton teilgenommen. Ein Vertreter der Klägerin soll etwa zwei Jahre lang den Vorsitz im PWG und in der PK geführt haben.

Verfahren

22 Mit Klageschrift, die am 14. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

23 Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94).

24 Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

25 Die vier oben genannten finnischen Unternehmen, die als Mitglieder der Klägerin gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten Geldbusse haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt (verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).

26 Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

27 Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äussern sollten. In dieser Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen Verbindung einverstanden erklärt.

28 Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden und einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-334/94 auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

29 Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.

30 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen Ersuchen nachgekommen.

31 Die Parteien in den in Randnummer 27 genannten Rechtssachen haben in der Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

32 In der vorliegenden Rechtssache hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Juli 1995 erklärt, daß sie auf die Einreichung einer Erwiderung verzichte. Sie hat in diesem Schriftsatz jedoch ausgeführt, weshalb sie die Angaben, auf die sich die Kommission bei der Bemessung der Geldbusse gestützt hat, für unzutreffend hält.

33 Am 6. Oktober 1995 hat die Kommission zum Schriftsatz der Klägerin Stellung genommen.

Anträge der Parteien

34 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf sie bezieht;

- hilfsweise die Geldbusse herabzusetzen;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

35 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- die Klägerin zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

Zum Klagegrund einer Verletzung der Sprachenregelung

Vorbringen der Parteien

36 Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen.

37 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, sie habe zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstanden. Die Entscheidung habe daher ihr gegenüber nur in der Sprache ihres Bevollmächtigten, also in Deutsch, im Sinne von Artikel 16 der Geschäftsordnung der Kommission vom 17. Februar 1993 (ABl. L 230, S. 15) verbindlich festgestellt werden können. Zur Stützung dieser Auffassung verweist sie auf die Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268), nach deren Artikel 2 Absatz 1 die Mitteilung der Beschwerdepunkte an das Unternehmen oder an dessen Bevollmächtigten gerichtet werden könne. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Bevollmächtigte der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehe, verlange die genannte Bestimmung, daß die Sprache des Bevollmächtigten als Verfahrenssprache gewählt werde. Nur in dieser Sprache könne die Entscheidung verbindlich festgestellt werden.

38 Ausserdem sei nach dem analog anzuwendenden Artikel 2 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) durch die Beantwortung der Auskunftsverlangen der Kommission in Deutsch diese Sprache als Verfahrenssprache gewählt worden. Obwohl sich ihr Bevollmächtigter mehrmals darüber beschwert habe, habe die Kommission ihm jedoch weiterhin Schriftstücke in Englisch übermittelt.

39 Schließlich sei dadurch, daß die Entscheidung ihr gegenüber in englischer Sprache ergangen sei, gegen Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe a der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) verstossen worden.

40 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin eine Verletzung der Sprachenregelung bei der Zustellung der Entscheidung geltend. Gemäß Artikel 191 Absatz 3 des Vertrages müssten die Entscheidungen in der Sprache der Adressaten zugestellt werden. Ihr sei aber im vorliegenden Fall die englische Fassung der Entscheidung zugestellt worden.

41 Schließlich macht die Klägerin mit dem dritten Teil des Klagegrundes geltend, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, da die offizielle Mitteilung der gegen sie erhobenen Beschwerdepunkte, das Begleitschreiben sowie zahlreiche der Mitteilung beigefügte Beweismittel in Englisch abgefasst gewesen seien. Wie sie im ersten Teil des Klagegrundes dargelegt habe, hätten diese Schriftstücke in Deutsch abgefasst sein müssen, so daß ihr die Beschwerdepunkte nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden seien.

42 In Anbetracht des Umfangs der Mitteilung der Beschwerdepunkte und ihrer Anlagen sowie der Tatsache, daß viele dieser Unterlagen in einer fremden Sprache abgefasst worden seien, sei die ihr eingeräumte Frist zur Stellungnahme überdies unzureichend gewesen.

43 Die Kommission trägt vor, sie habe nicht gegen Sprachenvorschriften verstossen.

44 Zum ersten Teil des Klagegrundes führt sie aus, die Verordnung Nr. 1 betreffe nur den Schriftverkehr mit Personen, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstuenden; die Entscheidung sei aber vor dem Beitritt Finnlands zur Gemeinschaft erlassen worden. Ausserdem sei die Entscheidung keine "Antwort" im Sinne von Artikel 2 der Verordnung Nr. 1.

45 Sie sei daher in der Wahl der Verfahrenssprache frei gewesen, habe allerdings etwaige Beziehungen zwischen der Klägerin und den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beachten müssen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 12). Im vorliegenden Fall sei bei der Wahl von Englisch als Verfahrenssprache darauf abgestellt worden, daß Englisch die Arbeitssprache der Europäischen Freihandelszone (EFTA) und die Verfahrenssprache des EFTA-Gerichtshofes sei, daß die Klägerin mit ihren Verkaufsbüros in der Gemeinschaft auf Englisch korrespondiert habe und daß sie schließlich einen englischen Firmennamen habe.

46 Zum zweiten Teil des Klagegrundes führt die Kommission aus, etwaige Zustellungsmängel einer Entscheidung berührten deren Rechtmässigkeit nicht. Sie könnten nur unter bestimmten Umständen verhindern, daß die Klagefrist zu laufen beginne; dies sei im vorliegenden Fall irrelevant (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 52/69, Geigy/Kommission, Slg. 1972, 787, Randnr. 11).

47 Schließlich weist die Kommission zum dritten Teil des Klagegrundes darauf hin, daß die Klägerin und ihr Bevollmächtigter auch die deutsche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte erhalten hätten. Die Stellungnahme der Klägerin zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie eingereicht habe, ohne eine Fristverlängerung zu beantragen, belege jedenfalls, daß sie durchaus in der Lage gewesen sei, die gegen sie erhobenen Vorwürfe zur Kenntnis zu nehmen. Daher bestehe kein Grund zu der Annahme, daß ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 48, 52 und 53).

Würdigung durch das Gericht

48 Es ist unstreitig, daß die Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Entscheidung an den Sitz der Klägerin in Finnland gesandt hat und daß die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch nicht der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft unterstand. Zu diesem Zeitpunkt galt nach der Gemeinschaftsregelung keine Amtssprache der Gemeinschaft ausdrücklich für die Beziehungen zwischen der Kommission und einem in einem Drittland ansässigen Unternehmen.

49 Die Verordnung Nr. 1 in ihrer geänderten Fassung, auf die sich die Klägerin beruft, enthält nur die Sprachenregelung, die zwischen der Gemeinschaft und einem Mitgliedstaat oder einer der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehenden Person gilt.

50 Im vorliegenden Fall ist den Akten zu entnehmen, daß die Kommission an den deutschen Bevollmächtigten der Klägerin kein offizielles Schriftstück gerichtet hat, denn die Schriftstücke, die er erhielt, waren Kopien offizieller Schriftstücke, die unmittelbar an die Klägerin gerichtet wurden.

51 Ausserdem ergibt sich weder aus Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 noch aus Artikel 6 EMRK - sofern sich ein Unternehmen, das Gegenstand einer wettbewerbsrechtlichen Untersuchung ist, überhaupt auf diese Bestimmung berufen kann - eine Verpflichtung, Schriftstücke in der Sprache des Mitgliedstaats abzufassen, in dem der Bevollmächtigte ansässig ist.

52 Bei der Wahl der Sprache der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung war folglich darauf abzustellen, welche Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft zwischen der Klägerin und einem Mitgliedstaat bestanden (in diesem Sinne Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, Randnr. 12). Insoweit ist aber unstreitig, daß sich die Klägerin in ihrem Schriftverkehr mit ihren eigenen Verkaufsbüros in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft der englischen Sprache bediente. Unter diesen Umständen war die Kommission berechtigt, Englisch als Sprache der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung zu wählen.

53 Schließlich sind die Anlagen der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die nicht von der Kommission stammen, als Beweisstücke anzusehen, auf die sich die Kommission stützt und die daher den Empfängern so, wie sie sind, zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 21).

54 Zur angeblichen Unzulänglichkeit der Frist, die der Klägerin zur Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt wurde, genügt die Feststellung, daß die Klägerin die Behauptung der Kommission, es sei keine Fristverlängerung für die Abgabe der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte beantragt worden, nicht in Abrede gestellt hat.

55 Nach alledem ist der Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Klagegrund von Rechtsverstössen im Verfahren zum Erlaß, zur Feststellung und zur Zustellung der Entscheidungen der Kommission

Vorbringen der Parteien

56 Die Klägerin trägt vor, um die Beweiskraft der Entscheidung und den Rechtsschutz der Adressaten sicherzustellen, hätte die Entscheidung in einer einheitlichen Urkunde festgestellt werden müssen; die verschiedenen Blätter hätten gegebenenfalls fest miteinander verbunden werden müssen. Nur so könne die Entfernung oder der Austausch einzelner Teile der Entscheidung verhindert werden. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung aber nicht in einer einheitlichen Urkunde festgestellt worden. Ihr gewollter Inhalt ergebe sich erst aus einer Gesamtschau der Entscheidung vom 13. Juli 1994 und der Berichtigung vom 26. Juli 1994. Diese beiden Entscheidungen seien der Klägerin getrennt zugestellt worden; dadurch sei ihre Beweiskraft beeinträchtigt worden.

57 Die Klägerin ersucht das Gericht, der Kommission aufzugeben, die Urschrift der beiden fraglichen Entscheidungen vorzulegen, damit geprüft werde, ob sie in der genannten Weise miteinander verbunden seien und ob die ursprüngliche Entscheidung einen Hinweis auf die spätere Änderung enthalte.

58 Im übrigen sei in der deutschen Fassung von Artikel 15 Absatz 2 EGKS-Vertrag vorgesehen, daß Einzelakte für den Beteiligten "durch die Zustellung" verbindlich würden, während in der deutschen Fassung von Artikel 191 Absatz 3 EG-Vertrag der Ausdruck "bekannt werden" verwendet werde. Die Verwendung des Begriffes "notification" in der französischen Fassung beider Verträge bestätige aber, daß zwischen diesen beiden Bestimmungen keine sachlichen Unterschiede bestuenden. Aus Artikel 4 der Entscheidung Nr. 22/60 der Hohen Behörde vom 7. September 1960 über die Ausführung des Artikels 15 des Vertrages (ABl. 1960, Nr. 61, S. 1248) sei abzuleiten, daß nur die förmliche Zustellung der Urschrift oder einer Ausfertigung der Entscheidung als wirksam angesehen werden könne. Werde wie im vorliegenden Fall eine beglaubigte Abschrift zugestellt, so führe dies folglich zur Unwirksamkeit der Entscheidung.

59 Schließlich sei die Entscheidung nicht gemäß Artikel 16 der Geschäftsordnung der Kommission durch die Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs der Kommission festgestellt worden. Die zugestellte Entscheidung trage nur die Unterschrift des für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglieds der Kommission. Das Gericht möge der Kommission aufgeben, die Urschrift der Entscheidung vorzulegen, damit geprüft werde, ob sie ordnungsgemäß festgestellt worden sei.

60 Selbst wenn die Urschrift der Entscheidung ordnungsgemäß festgestellt worden sein sollte, sei die Entscheidung gleichwohl ungültig, da keine mit der Urschrift übereinstimmende Fassung zugestellt worden sei.

61 Die Kommission weist zunächst darauf hin, daß Artikel 191 Absatz 3 EG-Vertrag keine förmliche Zustellung verlange. Es reiche vielmehr aus, wenn die Entscheidung in Form einer schlichten schriftlichen Übermittlung in den Machtbereich des Empfängers gelange, so daß dieser von ihr Kenntnis nehmen könne (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1957 in der Rechtssache 8/56, ALMA/Hohe Behörde, Slg. 1957, 191, 200, und vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P, Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619, Randnrn. 7 und 20). Da diese Voraussetzungen hier erfuellt seien, entbehre das auf Mängel im Notifizierungsverfahren gestützte Vorbringen der Klägerin der Grundlage.

62 Im übrigen gelte eine beglaubigte Ausfertigung als authentische Fassung der Entscheidung (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1989 in den Rechtssachen 97/87, 98/87 und 99/87, Dow Chemical Ibérica u. a./Kommission, Slg. 1989, 3165, Randnr. 59, und Urteile des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnrn. 24 und 25, und vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, Randnr. 27).

63 Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung in der in Artikel 16 der Geschäftsordnung der Kommission vorgeschriebenen Weise festgestellt worden. Die Klägerin habe im übrigen keinen Anhaltspunkt für Unregelmässigkeiten beim Verfahren zum Erlaß der Entscheidung geliefert. Durch die Entscheidung vom 26. Juli 1994 sei die ursprüngliche Entscheidung gegenüber der Klägerin in keiner Weise geändert worden; die Bezugnahme auf die ursprüngliche Entscheidung in der Entscheidung vom 26. Juli 1994 stelle jedenfalls eine hinreichende Verbindung zwischen beiden Entscheidungen her.

64 Unter diesen Umständen bestehe kein Anlaß, ihr die Vorlage der Urschrift der Entscheidung aufzugeben (vgl. Urteile Bayer/Kommission, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission sowie Dunlop Slazenger/Kommission).

Würdigung durch das Gericht

65 Zur Stützung ihres Vorbringens, daß die Entscheidung nicht ordnungsgemäß erlassen und festgestellt worden sei, kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, daß die ihr übersandte "beglaubigte Abschrift" nicht die Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs der Kommission trage. In Artikel 16 Absatz 1 der zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Geschäftsordnung der Kommission heisst es: "Die... in einer Sitzung... gefassten Beschlüsse werden in der Sprache oder in den Sprachen, in denen sie verbindlich sind, dem Protokoll der Kommissionssitzung beigefügt, in der diese Beschlüsse angenommen wurden... Diese Beschlüsse werden durch die Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs auf der ersten Seite dieses Protokolls festgestellt." Die förmliche Feststellung einer in einer Sitzung vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffenen Entscheidung erfordert somit nicht die Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs der Kommission auf der Entscheidung selbst, sondern auf dem Protokoll der Sitzung, in der sie erlassen wurde. Folglich ist das Fehlen der Unterschriften des Präsidenten und des Generalsekretärs der Kommission auf der "beglaubigten Abschrift" der Entscheidung kein Anhaltspunkt dafür, daß die Entscheidung nicht ordnungsgemäß festgestellt wurde.

66 Die Klägerin beruft sich auf keinen sonstigen Anhaltspunkt oder bestimmten Umstand, der die Gültigkeitsvermutung für Gemeinschaftshandlungen (vgl. u. a. Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 24) widerlegen könnte.

67 Ohne einen solchen Anhaltspunkt steht es dem Gericht nicht zu, die beantragten Beweiserhebungen anzuordnen.

68 Was die Rechtmässigkeit der Zustellung anbelangt, so gibt es keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts, die eine Zustellung der Entscheidung in Form einer beglaubigten Abschrift oder die getrennte Zustellung einer Berichtigung ausschließt.

69 Im vorliegenden Fall trägt die an die Klägerin gerichtete Abschrift der Entscheidung den Namen des für die Wettbewerbspolitik zuständigen Mitglieds der Kommission sowie die Angabe "certified copy" (beglaubigte Abschrift). Sie ist ferner vom Generalsekretär der Kommission unterschrieben. Eine solche Abschrift ist nicht zu beanstanden. Sie besitzt die gleiche Rechtskraft wie die Urschrift, die vom Kommissionskollegium erlassen und in der nach der Geschäftsordnung der Kommission vorgeschriebenen Form festgestellt wurde.

70 Für die Art und Weise der Zustellung gilt nach ständiger Rechtsprechung, daß eine Entscheidung im Sinne des Vertrages ordnungsgemäß bekanntgegeben ist, wenn sie ihrem Adressaten mitgeteilt wird und er von ihr Kenntnis nehmen kann (Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, Randnr. 10). Im vorliegenden Fall geht schon aus dem Wortlaut der Klageschrift hervor, daß die Klägerin die Entscheidung voll und ganz zur Kenntnis nehmen und ihre Rechte vor dem Gericht in vollem Umfang geltend machen konnte.

71 Der Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte und einer Verletzung der Formvorschriften bei der Mitteilung der Beschwerdepunkte

Vorbringen der Parteien

72 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

73 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, die Mitteilung der Beschwerdepunkte sei nicht von dem gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 zuständigen Organ - der Kommission - erlassen und den Adressaten übermittelt worden.

74 Sie habe die Mitteilung der Beschwerdepunkte in Form eines nicht unterzeichneten Schriftstücks mit einem Begleitschreiben des Generaldirektors für Wettbewerb erhalten. Mangels einer Unterschrift könne dieses Schriftstück nicht als "Akt" der Kommission angesehen werden. Es könne folglich nicht als Grundlage der Entscheidung dienen.

75 Selbst wenn man unterstelle, daß das genannte Schriftstück und sein Begleitschreiben als "Mitteilung der Beschwerdepunkte" im Sinne der Verordnung Nr. 99/63 angesehen werden könnten, seien sie ihr ausserdem nicht von der Kommission übermittelt worden. Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 verleihe der Kommission aber insoweit eine ausschließliche Zuständigkeit, die nach der Geschäftsordnung nicht auf andere übertragen werden dürfe. Jedenfalls dürfe nach der Geschäftsordnung weder die Bestimmung des Inhalts der Beschwerdepunkte noch ihre Mitteilung an die Adressaten auf Dritte übertragen werden (Urteil Geigy/Kommission und Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72, Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977). Auch die Zuständigkeit für die Festlegung der Frist zur Erwiderung auf die Beschwerdepunkte könne nicht auf Dritte übertragen werden.

76 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe dadurch, daß die Beschwerdepunkte und ihre Anlagen nicht fest miteinander verbunden worden seien, das in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 aufgestellte Erfordernis der Schriftform der Beschwerdepunkte verletzt, das die gleichen Sicherungsfunktionen wie das Erfordernis einer Feststellung der Endentscheidungen habe. Daher könne die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als Grundlage der Entscheidung dienen.

77 Das Schriftformerfordernis verlange ferner, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf der letzten Seite unterschrieben werde. Die Unterschrift des Generaldirektors auf dem Begleitschreiben könne die erforderliche Unterschrift nicht ersetzen.

78 Die Kommission trägt zum ersten Teil des Klagegrundes vor, wie sich aus den der Klägerin vorliegenden Schriftstücken ergebe, seien die ihr gegenüber geltend gemachten Beschwerdepunkte von der Kommission beschlossen worden. Im übrigen habe der Generaldirektor der Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund einer blossen Übertragung der Zeichnungsberechtigung unterschrieben, so daß der Vorwurf seiner mangelnden Zuständigkeit unberechtigt sei (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 14, und Geigy/Kommission, Randnr. 5).

79 Die in Artikel 10 der Verordnung Nr. 99/63 geregelte Art und Weise der Mitteilung der Beschwerdepunkte diene in erster Linie zur Beweissicherung beim Zustelldatum. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte sei ordnungsgemäß erfolgt, wenn der Adressat in der Lage sei, den Inhalt der geltend gemachten Beschwerdepunkte voll und ganz zur Kenntnis zu nehmen (Urteile Geigy/Kommission, Randnr. 11, und Bayer/Kommission, Randnrn. 7 und 20).

80 Zum zweiten Teil des Klagegrundes führt die Kommission aus, die Klägerin verkenne die Tragweite von Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63. Dieser verlange nicht, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine eigenhändige Unterschrift trage oder aus einer einheitlichen Urkunde bestehe. Die Kennzeichnung der Anlagen und die Numerierung der Seiten sämtlicher Schriftstücke reichten im übrigen aus, um die Verbindung zwischen ihnen herzustellen.

Würdigung durch das Gericht

81 Zum ersten Teil des Klagegrundes ist den Akten zu entnehmen, daß der an die Klägerin gerichteten Mitteilung der Beschwerdepunkte ein vom Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) der Kommission unterzeichnetes Begleitschreiben beigefügt war.

82 Bei der Unterzeichnung dieses Schreibens hat der Generaldirektor aber nicht aufgrund einer Übertragung von Befugnissen, sondern im Rahmen einer blossen Übertragung der Zeichnungsberechtigung durch das zuständige Mitglied der Kommission gehandelt (vgl. Urteil Geigy/Kommission, Randnr. 5). Eine solche Übertragung stellt das normale Mittel dar, mit dem die Kommission ihre Befugnisse ausübt (Urteil VBVB und VBBB/Kommission, Randnr. 14).

83 Da die Klägerin keinen Anhaltspunkt geliefert hat, der die Annahme rechtfertigen würde, daß die Gemeinschaftsverwaltung vorliegend die einschlägigen Vorschriften ausser acht gelassen hätte (vgl. Urteil VBVB und VBBB/Kommission, Randnr. 14), ist die Rüge zurückzuweisen.

84 Die Klägerin trägt zweitens vor, die Beschwerdepunkte seien von der Kommission nicht wirksam mitgeteilt worden. Insoweit genügt die Feststellung, daß die Klägerin keinen Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der Gültigkeitsvermutung geliefert hat, die für Rechtsakte der Gemeinschaft gilt. Daher braucht nicht geprüft zu werden, ob der angebliche Verstoß vorliegt (vgl. analog dazu Urteil Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Randnr. 27).

85 Der erste Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

86 Auch der zweite Teil des Klagegrundes greift nicht durch.

87 In Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 heisst es: "Die Kommission teilt den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen die in Betracht gezogenen Beschwerdepunkte schriftlich mit." Diese Bestimmung verlangt nicht, daß die Mitteilung der Beschwerdepunkte selbst eine eigenhändige Unterschrift trägt oder aus einer förmlichen einheitlichen Urkunde besteht.

88 Die gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe sind ihr jedenfalls schriftlich in einer Weise mitgeteilt worden, die es erlaubte, die einzelnen Unterlagen, aus denen die Kommission diese Vorwürfe ableitete, genau zu ermitteln.

89 Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Verstosses gegen Artikel 190 des Vertrages

Vorbringen der Parteien

90 Die Klägerin erläutert die einzelnen Ziele der Begründungspflicht gemäß Artikel 190 des Vertrages und macht erstens geltend, daß die Kommission bei jeder als Verstoß eingestuften Handlung hätte angeben müssen, welche Bestimmung verletzt und ob der Verstoß in Form einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise begangen worden sei. Diese Angaben seien unabdingbar, um festzustellen, ob alle betreffenden Handlungen hinsichtlich Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Verschulden die Voraussetzungen eines Delikts erfuellten. Es reiche daher nicht aus, wenn angegeben werde, daß die Zuwiderhandlung in der Beteiligung an einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise bestanden habe, da ein und dieselbe Handlung nicht zugleich als Vereinbarung und als abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert werden könne.

91 Zwar könnten mehrere Handlungen als Fortsetzungstat eingestuft werden; die Kommission müsse aber trotzdem bei jeder einzelnen Handlung die Deliktsvoraussetzungen angeben. Nur wenn jeder Einzelakt ein Delikt darstelle, könnten sie zusammengenommen unter Umständen als Fortsetzungstat eingestuft werden.

92 Zweitens hätte die Entscheidung für jede als Delikt angesehene Handlung eine genaue Angabe der konkreten Tatumstände wie des Ortes ihrer Begehung, der jeweiligen Teilnehmer und der genauen Rolle jedes von ihnen enthalten müssen.

93 Drittens schließlich hätten in der Entscheidung bei jeder Handlung die natürlichen Personen genannt werden müssen, die tätig geworden seien. Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 setze insoweit eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung einer natürlichen Person voraus, die einem Unternehmen zuzurechnen sei.

94 Die Kommission ist der Ansicht, daß die Tatsachen, die die Verhängung des Bußgelds gerechtfertigt hätten, in der Entscheidung hinreichend beschrieben worden seien. Es habe sich um einen komplexen und lang andauernden Kartellverstoß gehandelt, bei dem die einzelnen Verhaltensweisen Teil eines einheitlichen Systems zur Beeinträchtigung der natürlichen Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt gewesen seien, so daß nicht jede einzelne Handlung als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise habe charakterisiert werden müssen (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnrn. 262 bis 264). Davon abgesehen habe sie in den Randnummern 131 und 132 der Entscheidung klar zum Ausdruck gebracht, daß das Verhalten der Unternehmen ab 1987 alle Merkmale einer vollen Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages aufgewiesen und bis zu diesem Zeitpunkt eine abgestimmte Verhaltensweise dargestellt habe. Im übrigen hätte sie eine Handlung sogar in erster Linie als Vereinbarung bewerten und hilfsweise unter den Begriff der abgestimmten Verhaltensweise subsumieren können (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnrn. 251 und 252).

95 Da eine einheitliche Zuwiderhandlung vorliege, brauche nicht nachgewiesen zu werden, daß jeder Einzelakt des Kartells die Tatbestandsvoraussetzungen von Artikel 85 erfuelle (vgl. Urteil ICI/Kommission, Randnrn. 259 und 260).

96 Es brauche auch nicht nachgewiesen zu werden, daß jedes Unternehmen an jeder Handlung des Kartells teilgenommen habe. Wie in den Randnummern 116 und 117 der Entscheidung dargelegt worden sei, reiche es aus, daß die Kommission die Existenz des Kartells als Ganzes und die Beteiligung jedes Unternehmens an bestimmten Einzelakten im Rahmen des gemeinsamen übergreifenden Planes beweise (vgl. Urteile ICI/Kommission, Randnrn. 256 bis 261 und 305, und Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 272).

97 Schließlich sei sie auch nicht verpflichtet gewesen, in der Entscheidung die Namen der tätig gewordenen Personen anzugeben, da sich Artikel 85 des Vertrages ausdrücklich an Unternehmen richte. Es müsse nur nachgewiesen werden, daß Personen am Kartell mitgewirkt hätten, die berechtigt gewesen seien, für die Unternehmen tätig zu werden, da die Handlungen dieser Personen den betreffenden Unternehmen zugerechnet werden könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 97). Die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalte insoweit eine ausführliche Darstellung der gegen die Klägerin vorliegenden Beweise, und aus ihren Anlagen gehe die Identität der tätig gewordenen Personen hervor.

Würdigung durch das Gericht

98 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51). Die Kommission hat zwar gemäß Artikel 190 des Vertrages die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die Erwägungen anzugeben, die sie zu ihrem Erlaß veranlasst haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die während des Verwaltungsverfahrens aufgeworfen wurden (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 66).

99 Im vorliegenden Fall enthält die Entscheidung eine eingehende Darstellung der Gründe, aus denen die Kommission davon ausging, daß die bei den in Artikel 1 der Entscheidung genannten Unternehmen festgestellte Zuwiderhandlung als Vereinbarung und als abgestimmte Verhaltensweise einzustufen sei (Randnrn. 129 bis 132). Insbesondere heisst es in Randnummer 131 Absatz 1: "[1987] wies die vertragswidrige Handlung... mit der Konkretisierung der fortschreitenden Absprache der Hersteller im Rahmen des sogenannten "Preis-vor-Menge"-Systems alle Merkmale einer vollen "Vereinbarung" im Sinne von Artikel 85 auf." Weiter heisst es: "Die Ausführung des Plans in Form der halbjährlichen Preisinitiativen ist nicht als eine Reihe getrennter Vereinbarungen oder getrennter abgestimmter Verhaltensweisen, sondern als Teil ein und derselben fortdauernden Vereinbarung anzusehen" (Randnr. 131 Absatz 2).

100 Enthält eine Entscheidung wie im vorliegenden Fall eine ausreichende Begründung, die es ermöglicht, die Gründe nachzuvollziehen, aus denen die festgestellten Handlungen als Vereinbarung und als abgestimmte Verhaltensweise eingestuft wurden, so braucht die Kommission nicht jede der betreffenden Handlungen gesondert als Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise einzuordnen (in diesem Sinne auch Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 264).

101 Die Entscheidung enthält auch eine eingehende Begründung in bezug auf die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung. Insoweit wird darin im Zusammenhang mit den abgestimmten Preiserhöhungen (Randnrn. 74, 76, 78, 79, 81, 85 und 87) unmittelbar auf die Klägerin Bezug genommen. Ausserdem beziehen sich die Randnummern der Entscheidung, in denen die wettbewerbsfeindlichen Gespräche im PWG beschrieben werden (insbesondere Randnrn. 37, 51 und 52), - ungeachtet der Stichhaltigkeit der darin zu findenden Ausführungen, die im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Entscheidung zu untersuchen ist - zwangsläufig auf die Klägerin, da sie der Entscheidung zufolge an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahm (Randnr. 36 Absatz 2). Auch die Randnummern der Entscheidung, in denen die wettbewerbsfeindlichen Gespräche im JMC beschrieben werden (Randnrn. 44 bis 46, 58, 71, 73, 84, 85 und 87), betreffen die Klägerin, da sie nach Ansicht der Kommission an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahm (Tabelle 7 im Anhang der Entscheidung und Randnr. 46 Absatz 1).

102 Unter diesen Umständen enthält die Begründung der Entscheidung hinreichende Anhaltspunkte, denen die Klägerin die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte entnehmen konnte, die die Kommission dazu veranlassten, sie für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verantwortlich zu machen.

103 Da schließlich die Handlungen einer natürlichen Person einem Unternehmen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages zuzurechnen sind, wenn diese Person berechtigt ist, für das Unternehmen tätig zu werden (vgl. analog dazu Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 97), hat die Kommission die Entscheidung durch die Bezugnahme auf den Namen der Klägerin ausreichend begründet.

104 Aus der Einzeldarstellung, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt ist, geht im übrigen die Identität der Vertreter der Klägerin hervor, die nach Ansicht der Kommission an den Sitzungen der Gremien der PG Karton teilnahmen.

105 Da keine der von der Klägerin erhobenen Rügen durchgreift, ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, die darin bestehen soll, daß die Kommission die Beteiligung der Klägerin an einem Kartell nicht nachgewiesen habe

106 Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen, die im folgenden einzeln geprüft werden.

Erster Teil des Klagegrundes: Fehlen von Beweisen für die Beteiligung der Klägerin an einem Kartell

- Vorbringen der Parteien

107 Die Klägerin trägt vor, sie habe nie an Sitzungen der verschiedenen Gremien der PG Karton teilgenommen und keine Kenntnis von den Gesprächen mit wettbewerbswidrigem Zweck gehabt, die der Entscheidung zufolge bei diesen Sitzungen geführt worden seien.

108 Die Personen, die sie nach den Angaben in der Entscheidung in den Gremien der PG Karton vertreten hätten, hätten an deren Sitzungen nur als Vertreter des Nordic Paperboard Institute (NPI), eines skandinavischen Verbandes von Kartonherstellern, teilgenommen. Die Angaben anderer Hersteller (vgl. Tabelle 5 im Anhang der Entscheidung), nach denen sie zu den Mitgliedern des JMC gehört habe, beruhten auf Irrtümern.

109 Zu den Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen der Teilnehmer an den Sitzungen der Gremien der PG Karton enthalte die Entscheidung keine genauen Angaben, anhand deren sich feststellen ließe, während welcher Sitzungen diese Gespräche geführt worden seien, welchen Inhalt sie im einzelnen gehabt hätten, wer an den Sitzungen teilgenommen habe und, schließlich, wer sich an den Absprachen beteiligt habe. Die Entscheidung enthalte insbesondere in zahlreichen Punkten keinen Hinweis auf die Klägerin oder ihre Mitgliedsunternehmen.

110 Da ihre angeblichen Vertreter auch nach den Angaben in der Entscheidung nur an einer beschränkten Zahl von Sitzungen des PWG und des JMC teilgenommen hätten, enthalte die Entscheidung keinen Beleg dafür, daß sie an irgendeiner Absprache mitgewirkt habe. Denn selbst wenn man unterstelle, daß es in bestimmten Sitzungen zu Absprachen gekommen sei und daß sie in den fraglichen Gremien vertreten gewesen sei, beweise dies nicht, daß die Absprachen in Sitzungen getroffen worden seien, denen ihre angeblichen Vertreter beigewohnt hätten.

111 In bezug auf den PWG widerspricht die Klägerin der Behauptung, daß die bei den Sitzungen dieses Gremiums erzielten Ergebnisse den nicht dem PWG angehörenden Unternehmen mitgeteilt worden seien (Randnr. 38 der Entscheidung). Insbesondere für die Behauptung, daß die "skandinavischen Hersteller (alle Mitglieder des NPI)... in der Regel von Finnboard über das Ergebnis der Sitzungen unterrichtet" worden seien (Randnr. 38 Absatz 4 der Entscheidung), gebe es keinen Beleg.

112 Die Behauptung, daß die nicht dem PWG angehörenden Unternehmen in den Sitzungen der PK über die Ergebnisse der Sitzungen des PWG informiert worden seien (Randnr. 38 der Entscheidung), sei eine reine Vermutung.

113 Die Angabe in der Entscheidung, daß sie und in gewissem Umfang ihre Mitgliedsunternehmen an den Sitzungen der PK teilgenommen hätten, sei eine Unterstellung, für die es keine Grundlage gebe.

114 Hinsichtlich des JMC bestätige die - der Klägerin im übrigen nicht bekannte - Erklärung von Fiskeby, sie sei bei einigen Gelegenheiten von einem Vertreter des NPI über die Ergebnisse der Sitzungen informiert worden (Randnr. 46 der Entscheidung), daß Vertreter des NPI und nicht der Klägerin an den Sitzungen dieses Ausschusses teilgenommen hätten.

115 Schließlich hätten sich die in den Sitzungen der WK geführten Gespräche auch nach den Angaben in der Entscheidung auf die allgemeine Marktlage bezogen.

116 Die Kommission trägt vor, sie habe die Klägerin zu Recht als selbständiges Mitglied der PG Karton angesehen. In der Aussage von Stora vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sei die Klägerin als eines der im PWG vertretenen Unternehmen genannt worden. Ausserdem würden die Geschäftsführer der Klägerin in den Sitzungsprotokollen der PK als Repräsentanten Finnlands neben den Vertretern anderer skandinavischer Länder aufgeführt.

117 Das Vorbringen der Klägerin, daß sie nicht an den Sitzungen des PWG teilgenommen habe, sei jedenfalls nicht stichhaltig. Selbst wenn man unterstelle, daß ihre Geschäftsführer als Vertreter des NPI aufgetreten seien, würde dies nur bedeuten, daß sie die Interessen fast aller skandinavischen Hersteller vertreten hätten. Sie hätten angesichts ihrer Funktion bei der Klägerin zwangsläufig die Interessen dieses Unternehmens mit wahrgenommen.

118 Die Klägerin sei auch in den Sitzungen des JMC und der WK vertreten gewesen. Mehrere Kartonhersteller hätten sie als Mitglied des JMC bezeichnet.

119 Im übrigen stützt die Kommission ihr Vorbringen auf die in der Entscheidung enthaltene Darstellung der Hauptaufgaben dieser Gremien.

- Würdigung durch das Gericht

120 Der Entscheidung zufolge haben die Klägerin und die übrigen in Artikel 1 der Entscheidung genannten Unternehmen dadurch gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, daß sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten. Nach Ansicht der Kommission wirkte die Klägerin von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 an dieser Zuwiderhandlung mit.

121 Nach der Tabelle 7 im Anhang der Entscheidung nahm die Klägerin an Sitzungen des PWG, der PK, des JMC und der WK teil.

122 Die Kommission ist insoweit der Auffassung, daß die Klägerin an den Sitzungen des PWG in eigener Sache und als Vertreter des NPI teilnahm (Randnr. 38 Absatz 4 und Randnr. 79 Absatz 4 der Entscheidung). Ferner wird ausgeführt, daß "ihr leitender Direktor... auch Präsident der PG Paperboard und seit Mai 1988 Vorsitzender de[s] PWG [war]" (Randnr. 79 Absatz 4 der Entscheidung).

123 Zur Teilnahme der Klägerin am JMC heisst es in der Entscheidung: "Finnboard scheint sowohl das NPI als auch [ihre] vier eigene[n] Mitgliedsunternehmen, nämlich Kyro, Metsä-Serla, Tampella und United Paper Mills, vertreten zu haben" (Randnr. 32 Absatz 1).

124 Schließlich wird zur Teilnahme der Klägerin an Sitzungen der PK folgendes festgestellt: "Die Vertreter von Finnboard (die auch auf den kurz davor abgehaltenen PWG-Treffen anwesend waren) nahmen an allen Sitzungen der Präsidentenkonferenz getrennt vom NPI teil" (Randnr. 42 Absatz 2).

125 Die Akten bestätigen, daß Führungskräfte der Klägerin in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum in die Strukturen der PG Karton eingebunden waren. So wird in der Einzeldarstellung, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt ist, erwähnt, daß in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum ein Geschäftsführer ("Managing director") der Klägerin Vizepräsident der PG Karton gewesen sei, und zwar Herr de la Chapelle von Mitte 1986 bis 1987, Herr Sommar von 1987 bis 1988 und Herr Lindahl ab 1990.

126 Herr Sommar wurde auf der Hauptversammlung 1987 zum Vizepräsidenten der PG Karton gewählt und dabei im Rahmen seiner Kandidatur für dieses neue Amt ausdrücklich als neuer Vorsitzender des Finnboard Executive Committee ("new Chairman of the Finnboard Executive Committee") vorgestellt (Anlage 97 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

127 Ausserdem ist unstreitig, daß Herr Köhler von Mai 1988 bis Herbst 1990 den Vorsitz in der PG Karton führte. Im Protokoll der Sitzung des PWG vom 6. April 1990 (vorgelegt als Anlage zur Klagebeantwortung) heisst es hierzu:

"Herr Köhler weist uns darauf hin, daß er im kommenden Herbst andere Aufgaben in der finnischen Forstindustrie übernehmen wird. Er wird Finnboard deshalb verlassen und muß als Vorsitzender der PG Karton zurücktreten."

128 Nach den Aussagen von Stora nahm die Klägerin an den Sitzungen des PWG teil (Anlagen 35, S. 14, 37, S. 2, und 43, S. 3, der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

129 Schließlich haben mehrere Unternehmen bestätigt, daß die Klägerin an den Sitzungen des JMC teilnahm (vgl. Tabelle 5 im Anhang der Entscheidung).

130 Angesichts der Aussagen von Stora und der tatsächlichen Teilnahme mehrerer Mitarbeiter der Klägerin an den Sitzungen der Gremien der PG Karton kann ihrer Behauptung, daß diese Personen daran nur als Vertreter des NPI teilgenommen hätten, daher nicht gefolgt werden.

131 Ausserdem hat die Klägerin keinen Beleg - wie z. B. ein Mandat für die ausschließliche Vertretung des NPI - zur Stützung ihres Vorbringens geliefert, mit dem sie sich gegen die übereinstimmenden Beweise wendet, nach denen sie in eigener Sache an den Sitzungen der Gremien der PG Karton teilnahm. In der Verhandlung hat sie sogar eingeräumt, daß sie die durch die Teilnahme ihrer Mitarbeiter an den betreffenden Sitzungen entstandenen Reisekosten getragen habe; dies kann die Richtigkeit der Feststellungen der Kommission nur bestätigen.

132 In Anbetracht dieser Gesichtspunkte ist es als erwiesen anzusehen, daß die Klägerin in eigener Sache an den Sitzungen der Gremien der PG Karton teilnahm.

133 Soweit sich die Klägerin mit dem vorliegenden Teil des Klagegrundes gegen die Begründetheit der Behauptungen der Kommission zum wettbewerbswidrigen Gegenstand der fraglichen Sitzungen wendet, handelt es sich um Argumente, die im Rahmen der beiden anderen Teile des Klagegrundes zu prüfen sind.

134 Nach alledem kann dem ersten Teil des Klagegrundes nicht gefolgt werden.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Fehlen von Beweisen für die Beteiligung der Klägerin an Preisinitiativen

- Vorbringen der Parteien

135 Die Klägerin führt aus, die Entscheidung enthalte keine genauen Angaben, die ihre Beteiligung an Preisinitiativen belegten. Aus den allgemeinen Ausführungen in der Entscheidung ergebe sich kein Zusammenhang zwischen den verschiedenen durchgeführten Preisinitiativen und dem Verhalten einzelner Unternehmen. Insbesondere könne nach der Begründung der Entscheidung nicht ausgeschlossen werden, daß Absprachen am Rande von Sitzungen oder in Sitzungen, an denen keine mit ihr in Verbindung stehende Person teilgenommen habe, getroffen worden seien.

136 Die systematischen Ankündigungen von Preiserhöhungen bewiesen nicht, daß eine Absprache stattgefunden habe, denn sie seien nur eine direkte Folge der Marktbedingungen.

137 In zahlreichen Anlagen der Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die in der Entscheidung Bezug genommen werde, werde ihr Name weder direkt noch indirekt erwähnt, und bei den Unterlagen, in denen er erwähnt werde, handele es sich in der Regel um belanglose Angaben, für die keine Quelle angegeben werde. Ferner seien einige Unterlagen unter Umständen verfasst worden, die zeigten, daß kein Zusammenhang zwischen ihnen und den Sitzungen der Gremien der PG Karton bestehe. Solche Unterlagen könnten daher nicht zum Nachweis ihrer Beteiligung an Preisinitiativen dienen.

138 Angesichts dessen sei die Beweiskraft eines grossen Teils der von der Kommission herangezogenen Unterlagen fraglich. Auch die Unterlagen in den Anlagen 44, 109, 130 und 131 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die in der Entscheidung Bezug genommen werde, hätten nicht den ihr von der Kommission beigemessenen Beweiswert. Sie belegten vielmehr, daß sich die Klägerin an keiner Absprache beteiligt habe.

139 In der bei Finnboard (UK) Ltd gefundenen Preisliste (vgl. Randnr. 79 der Entscheidung; im folgenden: Finnboard-Liste) werde die Klägerin nicht namentlich erwähnt. Die Liste weise auch keine so grossen Übereinstimmungen mit den beiden bei Rena gefundenen Preislisten (Anlagen 110 und 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) auf, daß daraus Schlüsse in bezug auf die Klägerin gezogen werden könnten. Diese werde nämlich auch in den Preislisten von Rena nicht erwähnt; die Finnboard-Liste enthalte nur allgemein zugängliche Informationen und beziehe sich mit der Verwendung des schwedischen Wortes "höjs" (eines Verbs, das im Infinitiv "erhöhen" bedeute) offenbar auf ein vergangenes Ereignis. Darüber hinaus enthielten die bei Rena gefundenen Preislisten Angaben über Irland, nicht aber über Finnland. Bei der Finnboard-Liste sei es umgekehrt.

140 In den von Rena erlangten Notizen, die sich der Entscheidung zufolge auf die Sitzung des JMC vom 6. September 1989 bezögen (Anlage 117 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), heisse es lediglich: "10,5 % difference between GC I and GC on the lowest prices from Finnboard". Aus dieser Bemerkung gehe nicht hervor, daß sie sich an irgendeiner Absprache beteiligt habe; der Verfasser der Notizen habe lediglich eine Preisdifferenz zwischen zwei Produkten festgestellt. Ausserdem beruhten die in diesen Notizen enthaltenen Angaben nach dem Begleitschreiben von Rena (Anlage 116 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) auf Einzelgesprächen, die am Rande der Sitzung des JMC stattgefunden hätten; an diesen Gesprächen hätten die Mitarbeiter der Klägerin nicht teilgenommen.

141 In den Notizen von Rena, die sich der Entscheidung zufolge auf die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 bezögen (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), gehe es gar nicht um eine Sitzung des JMC (vgl. das Begleitschreiben von Rena, Anlage 116 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), sondern sie beträfen nur interne Gespräche. Die einzige Erwähnung der Klägerin ("Finnboard a lot down in USSR") stelle keinen Anhaltspunkt für irgendeine Absprache dar.

142 Zur Aussage von Stora, in der die Rolle des JMC bei der Durchführung der Preisinitiativen beschrieben wird (Anlage 35 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 17), trägt die Klägerin vor, selbst wenn man fälschlich unterstelle, daß sie Sitzungen dieses Gremiums besucht habe, hätten sie und Stora der Entscheidung zufolge nur an sieben Sitzungen des JMC gemeinsam teilgenommen. Es sei daher ohne weiteres möglich, daß etwaige wettbewerbswidrige Gespräche nur in Sitzungen geführt worden seien, die sie nicht besucht habe, und daß in den sieben Sitzungen des JMC, an denen Stora und sie gemeinsam teilgenommen hätten, unverfängliche Gespräche geführt worden seien.

143 Die Kommission ist der Ansicht, daß sie das Vorliegen von Preisinitiativen und die Beteiligung der Klägerin an diesen Initiativen nachgewiesen hat.

144 Zum Vorliegen von Preisinitiativen verweist sie im wesentlichen auf die Randnummern 74 bis 90 der Entscheidung. Ausserdem nimmt sie auf bestimmte in der Entscheidung herangezogene Beweismittel (Anlagen 44 und 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) Bezug.

145 Schließlich verweist sie auf zwei bei Rena gefundene Listen von Preiserhöhungen (Anlagen 110 und 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, erwähnt in den Randnrn. 80 und 83 der Entscheidung). Diese Listen, die offensichtlich denselben Ursprung hätten, bestätigten die Aussagen von Stora zu den innerhalb der PG Karton getroffenen Vereinbarungen über Preiserhöhungen. In den Listen werde kein Unternehmen namentlich genannt, sondern es würden die Preiserhöhungen für jedes einzelne europäische Land aufgeführt. Die fehlende ausdrückliche Erwähnung der Klägerin sei daher unerheblich.

146 Zur Beteiligung der Klägerin an den Preisinitiativen führt die Kommission aus, die Preiserhöhungen seien nicht das Ergebnis der allgemeinen Marktgegebenheiten gewesen. Sie habe zum einen nachgewiesen, daß es in diesem Bereich Absprachen gegeben habe; dies hätten mehrere der betreffenden Hersteller nicht einmal in Abrede gestellt. Zum anderen reiche die Teilnahme an Sitzungen, in denen wettbewerbswidrige Gespräche geführt worden seien, für die Verwirklichung des Tatbestands von Artikel 85 des Vertrages aus (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 66).

147 Die Finnboard-Liste enthalte Angaben zu den GD-Sorten, die zeigten, daß es sich nicht um ein internes Dokument handele, da die Klägerin diese Sorten nicht herstelle. Die Ähnlichkeit zwischen der Finnboard-Liste und den bei Rena gefundenen Listen belege ausserdem, daß es sich bei ersterer um eine Liste der von den Kartonherstellern vereinbarten Preiserhöhungen handele. Aus den in der Finnboard-Liste enthaltenen Angaben werde deutlich, daß sie die Preiserhöhung für das zweite Quartal 1989 betreffe und entgegen dem Vorbringen der Klägerin keine historischen Daten enthalte.

148 Die Beteiligung der Klägerin werde schließlich durch die bei FS-Karton und Rena gefundenen handschriftlichen Aufzeichnungen (Anlagen 113 und 117 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) belegt, in denen einige Kartonhersteller, darunter auch Finnboard, namentlich genannt würden.

- Würdigung durch das Gericht

149 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung haben die dort genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, indem sie sich im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft u. a. "sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten" und "gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten".

150 Wie bereits ausgeführt, nahm die Klägerin in der Zeit von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 an Sitzungen des PWG und des JMC teil. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß Gegenstand der Sitzungen dieser beiden Gremien u. a. eine Preisabsprache war, bevor auf die individuelle Situation der Klägerin im Zusammenhang mit dem Gegenstand dieser Sitzungen eingegangen wird.

151 Zum PWG wird in der Entscheidung ausgeführt, daß sein eigentlicher Auftrag "die Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten" umfasst habe (Randnr. 37 Absatz 3) und daß es ihm schon bald nach seiner Einsetzung gelungen sei, "eine Einigung zu erzielen und umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Kartonherstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen zu fassen" (Randnr. 37 Absatz 4).

152 Diese Angaben sind den Aussagen von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) entnommen, in denen es ferner heisst: "Der PWG trat ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen." Sie werden durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, eine vertrauliche Aktennotiz des für die Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof-Gruppe in Deutschland zuständigen Verkaufsleiters (Herrn Katzner) an den Geschäftsführer von Mayr-Melnhof in Österreich (Herrn Gröller) vom 28. Dezember 1988, die die Marktsituation betrifft, untermauert.

153 Nach diesem Schriftstück hatte eine 1987 beschlossene engere Zusammenarbeit im "Präsidentenkreis" zwei bemerkenswerte Resultate erbracht:

"- PRO-Carton - Preisdisziplin.

In beiden Bereichen gibt es Positives und Negatives zu berichten.

...

- Bei den Preisen: Gewinner und Verlierer."

154 Der Verfasser der Aktennotiz fährt fort: "Ein Gewinn war und ist es für alle Beteiligten, daß der bis zum Herbst 1987 permanent verlaufende Preisverfall gestoppt und in bisher zwei Schritten spür- und sichtbar in Erhöhungen umgewandelt werden konnte."

155 Der Ausdruck "Präsidentenkreis" ist nach der Auslegung von Mayr-Melnhof eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a); diese Auslegung braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtert zu werden.

156 Angesichts dessen ist davon auszugehen, daß die Kommission die Rolle des PWG bei der Preisabsprache nachgewiesen hat.

157 Zum JMC geht aus der Entscheidung hervor, daß es von Anfang an folgende Hauptaufgabe hatte:

"- zu ermitteln, ob sich Preiserhöhungen durchsetzen lassen, und falls ja, wie, und anschließend dem PWG Bericht zu erstatten;

- die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen..." (Randnr. 44 Absatz 1 der Entscheidung).

158 Im einzelnen führt die Kommission in Randnummer 45 Absätze 1 und 2 der Entscheidung folgendes aus:

"[D]ieser Ausschuß [erörterte] für jeden einzelnen Markt, wie die vom PWG vereinbarten Preiserhöhungen von den Herstellern durchgesetzt werden sollten. Die praktischen Aspekte der Durchführung der vorgeschlagenen Preiserhöhungen wurden in "Round Table"-Gesprächen erörtert, wobei jeder Teilnehmer Gelegenheit erhielt, sich zu der vorgeschlagenen Preiserhöhung zu äussern.

Schwierigkeiten bei der Durchführung der vom PWG beschlossenen Preiserhöhungen oder gelegentliche Fälle von Verweigerung der Zusammenarbeit wurden dem PWG gemeldet, der dann (wie Stora es formulierte) "zu versuchen hatte, das erforderliche Maß an Zusammenarbeit zustande zu bringen". Das JMC erstellte stets gesonderte Berichte für GC- und für GD-Sorten. Änderte der PWG aufgrund der Berichte des JMC einen Preisfestsetzungsbeschluß, so waren die hierfür erforderlichen Schritte auf den nächsten JMC-Sitzungen zu erörtern."

159 Die Kommission verweist zur Stützung dieser Angaben zum Gegenstand der Sitzungen des JMC zu Recht auf die Aussagen von Stora (Anlagen 35 und 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

160 Ausserdem hat sie, auch wenn sie nicht über ein offizielles Protokoll einer Sitzung des JMC verfügt, von Mayr-Melnhof und Rena einige interne Aufzeichnungen über die Sitzungen vom 6. September 1989, 16. Oktober 1989 und 6. September 1990 erlangt (Anlagen 117, 109 und 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In diesen Aufzeichnungen, deren Inhalt in den Randnummern 80, 82 und 87 der Entscheidung beschrieben wird, werden die eingehenden Erörterungen wiedergegeben, die auf diesen Sitzungen über die abgestimmten Preisinitiativen stattfanden. Sie stellen somit Beweismittel dar, die die Beschreibung der Aufgaben des JMC durch Stora eindeutig bestätigen.

161 Insoweit genügt es, als Beispiel auf die von Rena erlangten Notizen über die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu verweisen, in denen es u. a. heisst:

"Preiserhöhung wird nächste Woche im September angekündigt:

Frankreich 40 FF Niederlande 14 Deutschland 12 DM Italien 80 LIT Belgien 2,50 BFR Schweiz 9 FS England 40 UKL Irland 45 IRL

Alle Sorten sollten gleich heraufgesetzt werden: GD, UD, GT, GC usw.

Nur 1 Preiserhöhung pro Jahr. Für Lieferungen ab 7. Januar. Nicht später als 31. Januar. Schreiben vom 14. September mit Preiserhöhung (Mayr-Melnhof). 19. September. Brief von Feldmühle geht raus. Cascades vor Ende September. Alle Schreiben müssen vor dem 8. Oktober raus sein."

162 Wie die Kommission in den Randnummern 88 bis 90 der Entscheidung erläutert, konnte sie ferner interne Unterlagen sicherstellen, die den Schluß zuließen, daß die Unternehmen und insbesondere diejenigen, die in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden seien, die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und vorgenommen hätten (siehe auch die der Entscheidung beigefügte Tabelle G).

163 In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß es keinen Beweis dafür gebe, daß sich Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf eine Sitzung des JMC beziehe. Die Notizen, die Gegenstand dieser Anlage sind, befinden sich auf Blättern, die mit dem Aufdruck "Schweizerischer Bankverein" versehen sind und das Datum des 6. September 1990 tragen, an dem in Zuerich eine Sitzung des JMC stattfand. Sie enthalten eindeutig die Wiedergabe von wettbewerbswidrigen Gesprächen zwischen den dort genannten Herstellern. Somit steht fest, daß sie die Sitzung des JMC betreffen, die an dem fraglichen Tag stattfand.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0338.1

164 Auch wenn die von der Kommission angeführten Unterlagen nur eine kleine Zahl der Sitzungen des JMC in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum betreffen, bestätigen alle verfügbaren schriftlichen Beweise die Angabe von Stora, daß die Hauptaufgabe des JMC darin bestanden habe, die Durchführung der abgestimmten Preiserhöhungen festzulegen und zu planen. Insoweit ist das fast völlige Fehlen von offiziellen oder internen Protokollen der Sitzungen des JMC als hinreichender Beweis für die Behauptung der Kommission anzusehen, daß sich die an den Sitzungen teilnehmenden Unternehmen bemühten, die wahre Natur der Erörterungen in diesem Gremium zu verschleiern (vgl. u. a. Randnr. 45 der Entscheidung). Diese Umstände haben zu einer Umkehr der Beweislast geführt, und den Adressaten der Entscheidung, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilgenommen hatten, oblag der Nachweis, daß es ein rechtmässiges Ziel verfolgte. Da sie diesen Beweis nicht erbracht haben, hat die Kommission zu Recht angenommen, daß die von den Unternehmen bei den Sitzungen dieses Gremiums geführten Gespräche einen im wesentlichen wettbewerbsfeindlichen Zweck hatten.

165 Was die individuelle Situation der Klägerin anbelangt, so stellt ihre Teilnahme an den Sitzungen des PWG und des JMC einen hinreichenden Beweis für ihre Beteiligung an einer Preisabsprache dar.

166 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Führungskräfte der Klägerin in der Zeit von Mitte 1986 bis Herbst 1990 leitende Funktionen in der PG Karton ausübten (siehe oben, Randnrn. 122 bis 127). Ausserdem werden in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte Gespräche auf einer Sitzung des JMC wiedergegeben, an der unstreitig ein Mitarbeiter der Klägerin teilnahm.

167 Die Beteiligung der Klägerin an der Preisabsprache wird im übrigen durch die in der Entscheidung aufgeführten schriftlichen Beweise für diese Absprache bestätigt. So weist insbesondere die in Randnummer 79 der Entscheidung behandelte Finnboard-Liste eklatante formale Übereinstimmungen mit zwei anderen in den Randnummern 80 und 83 der Entscheidung erwähnten Preislisten auf, und zwar mit den Listen, die die Kommission von Rena (Anlagen 110 und 111 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) erlangte. Die drei Listen enthalten für mehrere Kartonsorten und mehrere Länder der Gemeinschaft Angaben über die genauen Daten und Beträge der von den fraglichen Unternehmen im April 1989, im September/Oktober 1989 und im April 1990 vorgenommenen Preiserhöhungen. Diese Angaben entsprechen hinsichtlich des Umfangs der Preiserhöhungen und der Daten ihrer Vornahme dem tatsächlichen Marktverhalten der betreffenden Unternehmen und namentlich der Klägerin (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen D, E und F).

168 In Anbetracht der eklatanten formalen Übereinstimmungen zwischen diesen drei Preislisten ist davon auszugehen, daß sie einen gemeinsamen Ursprung haben. Ausserdem trägt Anlage 110 das Datum des 3. Dezember 1989, das vor der Ankündigung der darin angegebenen Preiserhöhungen liegt. Folglich war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß auch die beiden anderen undatierten Preislisten vermutlich vor den tatsächlichen Ankündigungen der darin genannten Preiserhöhungen erstellt wurden.

169 Speziell in bezug auf die Finnboard-Liste ist das Vorbringen der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen, daß, wie das schwedische Wort "höjs" zeige, das fragliche Schriftstück eine frühere Erhöhung der Preise für graphischen Karton betreffe. Das Wort "höjs" kann sich nämlich auf ein gegenwärtiges ("erhöht") oder künftiges Ereignis ("wird erhöht") beziehen.

170 Schließlich hat die Kommission in bezug auf diese Liste in der Entscheidung (Randnr. 79 Absatz 4) zu Recht folgendes festgestellt:

"Finnboard stellt selbst keine UD- oder GD-Sorten her. Die Liste kann folglich nicht rein intern sein oder sich allein auf Finnboard beziehen."

171 Nach alledem hat die Kommission somit die Beteiligung der Klägerin an einer Preisabsprache nachgewiesen, ohne daß die Einwände der Klägerin gegen andere Schriftstücke (Anlagen 44, 130 und 131 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) geprüft zu werden brauchen.

Dritter Teil des Klagegrundes: Fehlen von Beweisen für die Beteiligung der Klägerin an der Mengenkontrolle

- Vorbringen der Parteien

172 Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung enthalte nichts, was den Schluß zulasse, daß sie hinsichtlich der Mengenkontrolle gegen Artikel 85 des Vertrages verstossen habe. In Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte (vgl. Randnr. 53 der Entscheidung), der in der Begründung der Entscheidung besondere Bedeutung zukomme, werde ihr Name kein einziges Mal erwähnt.

173 Randnummer 61 der Entscheidung, die das System der Überwachung und Kontrolle der Produktionskapazitäten und der Produktions- und Verkaufsmengen betreffe, enthalte keinen Vorwurf gegen sie, da sie weder Auskünfte an die FIDES erteilt noch Kapazitätsberichte erhalten habe.

174 Die den Auftragsbestand und die Abstellzeiten betreffende Begründung der Entscheidung sei rein theoretisch. Eine etwaige Vereinbarung darüber werde dort nicht einmal erwähnt, denn der Entscheidung zufolge habe nur ein loses System der Ermutigung bestanden.

175 Was schließlich die angebliche Einigung im PWG über das Einfrieren der Marktanteile der führenden Hersteller anbelange, so habe sie, wie bereits ausgeführt, an diesen Sitzungen nicht teilgenommen. Ausserdem enthalte weder die Aussage von Stora (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) noch die Aufzeichnung von Rena über eine Sitzung des NPI (Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, vgl. Randnr. 58 der Entscheidung) Anhaltspunkte für ihre Beteiligung an einer Absprache. Insbesondere die Aussage von Stora zeige, daß die Gespräche über die Marktanteile äusserst vage gewesen seien und keine individuellen Unternehmen betroffen hätten.

176 Die Kommission hält das Vorliegen von Absprachen zur Mengenkontrolle für erwiesen (Randnrn. 51 bis 71 der Entscheidung).

177 Die Preis-vor-Menge-Politik sei von Stora eingehend beschrieben worden (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Die Durchführung dieser Politik habe die Kontrolle der Produktionsmengen und ihre Anpassung an die Nachfrage bedingt. Aus diesem Grund hätten die Hersteller Angaben über den Auftragsbestand, die Auftragseingänge und die Kapazitätsauslastung ausgetauscht. Sie hätten sich ferner gegenseitig über den Umfang vorgesehener oder durchgeführter Abstellzeiten informiert, um diese branchenweit zu planen.

178 Diese Beschreibung der Preis-vor-Menge-Politik werde durch eine Aktennotiz von Mayr-Melnhof über die Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), eine vertrauliche Aktennotiz des Verkaufsleiters von Mayr-Melnhof vom 28. Dezember 1988 (Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) sowie die Anlagen 113, 130 und 131 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

179 Die Beteiligung der Klägerin an den betreffenden Gesprächen folge daraus, daß sie lange Zeit den Vorsitz im PWG innegehabt habe, in dem die Gespräche stattgefunden hätten.

180 Darüber hinaus werde die Rolle der Klägerin durch zahlreiche Unterlagen belegt, insbesondere durch die Anlagen 70, 130 und 131 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, in denen die Klägerin mehrfach erwähnt werde.

- Würdigung durch das Gericht

181 Nach Artikel 1 der Entscheidung haben die in dieser Bestimmung genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, indem sie sich im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft "sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten" und "in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen".

182 Nach Ansicht der Kommission wurden diese beiden Formen von Absprachen, die in der Entscheidung unter der Überschrift "Mengenkontrollen" behandelt werden, im Referenzzeitraum von den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG eingeführt. Aus Randnummer 37 Absatz 3 der Entscheidung geht nämlich hervor, daß der eigentliche Auftrag des PWG nach der Darstellung von Stora "die Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten" umfasste.

183 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Marktanteile wird in der Entscheidung (Randnr. 37 Absatz 5) folgendes ausgeführt: "Im Zusammenhang mit den Preiserhöhungsinitiativen führte der PWG ausführliche Diskussionen über die Marktanteile, die die nationalen Gruppierungen und einzelne Herstellergruppen in Westeuropa innehaben. Das Ergebnis waren eine Reihe von "Vereinbarungen" zwischen den Teilnehmern über ihre jeweiligen Marktanteile, die sicherstellen sollten, daß die konzertierten Preisinitiativen nicht durch ein die Nachfrage überschreitendes Angebot gefährdet werden. So einigten sich die grossen Herstellergruppen darauf, ihre Marktanteile auf den Niveaus zu belassen, wie sie aus den jährlichen Produktions- und Verkaufszahlen resultierten, die jeweils im März des darauffolgenden Jahres über die FIDES bekanntgegeben wurden. Auf jeder PWG-Sitzung wurde die Entwicklung der Marktanteile auf der Grundlage der monatlichen FIDES-Meldungen analysiert; bei grösseren Schwankungen wurden von den vermuteten Schuldigen Erklärungen verlangt."

184 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es: "Die 1987 im PWG erzielte Vereinbarung umfasste auch ein "Einfrieren" der Marktanteile der führenden Hersteller in Westeuropa auf dem erreichten Niveau, ohne daß Versuche unternommen wurden, neue Kunden zu gewinnen oder durch aggressive Preispolitik bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen."

185 Nach Randnummer 56 Absatz 1 der Entscheidung bestand die "Grundvereinbarung zwischen den führenden Herstellern über das Einfrieren ihrer Marktanteile... während des gesamten von der vorliegenden Entscheidung erfassten Zeitraums weiter". In Randnummer 57 heisst es: "Die "Entwicklung der Marktanteile" wurde auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert..." Schließlich wird in Randnummer 56 letzter Absatz folgendes ausgeführt: "Die Unternehmen, die an den Beratungen über die Marktanteile teilnahmen, waren die gleichen wie die Mitglieder des PWG, nämlich Cascades, Finnboard, KNP (bis 1988), [Mayr-Melnhof], MoDo, Sarrió, die beiden zur Stora-Gruppe gehörenden Hersteller CBC und Feldmühle und (ab 1988) Weig."

186 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile ordnungsgemäß nachgewiesen.

187 Die Analyse der Kommission beruht im wesentlichen auf den Aussagen von Stora (Anlagen 39 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und wird durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

188 In Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert Stora: "Der PWG trat ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen... Neben anderen (legitimen) Tätigkeiten bestand sein Zweck in der Erörterung und Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen, Nachfrage und Kapazität. Zu seiner Rolle gehörte es, die genaue Angebots- und Nachfragesituation auf dem Markt sowie die beim Versuch, Ordnung in den Markt zu bringen, zu treffenden Maßnahmen zu beurteilen und der Präsidentenkonferenz zu erläutern."

189 Zur Absprache über die Marktanteile führt Stora aus: "Die von nationalen Gruppen in EG-, EFTA- und anderen Ländern, die von Mitgliedern der PG Karton beliefert wurden, übernommenen Anteile wurden im PWG geprüft... [Der PWG] erörterte... die Möglichkeit, die Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs zu halten" (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 19). Ferner gab sie folgendes an (gleiches Dokument, Punkt 6): "Auch die europäischen Marktanteile der Hersteller wurden in diesem Zeitraum erörtert, wobei das Niveau von 1987 den ersten Referenzzeitraum darstellte."

190 In ihrer am 14. Februar 1992 übersandten Antwort auf ein Ersuchen der Kommission vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) fügte Stora hinzu: "Die Verständigungen der PWG-Mitglieder über das Niveau der Marktanteile bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die Verständigungen beruhten auf den Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel im März des Folgejahrs endgültig verfügbar waren" (Punkt 1.1).

191 Diese Behauptung wird im selben Dokument mit folgenden Worten bestätigt: "[D]ie Erörterungen [führten] in der Regel im März jeden Jahres zu Verständigungen zwischen den Mitgliedern des PWG über die Beibehaltung ihrer Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs" (Punkt 1.4). Stora führt aus: "Es wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung der Verständigungen sicherzustellen..." Den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG sei bewusst gewesen, "daß, wenn sie sich auf bestimmten von anderen belieferten Märkten ungewöhnlich verhielten, diese anderen auf anderen Märkten Vergeltung üben könnten" (gleicher Punkt).

192 Schließlich erklärt Stora, daß Finnboard an den Erörterungen der Marktanteile teilgenommen habe (Punkt 1.2).

193 Die Behauptungen von Stora hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile werden durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte untermauert (siehe oben, Randnrn. 152 und 178).

194 Nach diesem in den Randnummern 53 bis 55 der Entscheidung behandelten Schriftstück gab es bei der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit im "Präsidentenkreis" "Gewinner und Verlierer". Der Verfasser der Aktennotiz zählt Mayr-Melnhof u. a. aus folgenden Gründen zu den Verlierern:

"2.) Eine Einigung konnte nur durch unsere "Bestrafung" erzielt werden - man verlangte von uns "Opfer".

3.) Die 1987-Marktanteile sollten "eingefroren", die bestehenden Kontakte beibehalten und keine neuen Aktivitäten und Sorten über den Preis gewonnen werden (im Januar 1989 wird sich ja das Resultat zeigen - wenn alle ehrlich sind)."

195 Diese Ausführungen sind im allgemeineren Kontext der Aktennotiz zu sehen.

196 Insoweit ist darauf hinzuweisen (siehe oben, Randnr. 155), daß der Begriff "Präsidentenkreis" nach der Auslegung von Mayr-Melnhof eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang ist, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a).

197 Der Verfasser führt sodann aus, daß diese Zusammenarbeit zu "Preisdisziplin" geführt habe, bei der es "Gewinner und Verlierer" gegeben habe.

198 Folglich sind die Ausführungen zu den auf dem Niveau von 1987 einzufrierenden Marktanteilen im Kontext dieser vom "Präsidentenkreis" beschlossenen Preisdisziplin zu verstehen.

199 Ausserdem steht die Verweisung auf 1987 als Referenzjahr mit der zweiten Aussage von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; siehe oben, Randnr. 188) im Einklang.

200 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Lieferkontrolle, die durch die Prüfung der Abstellzeiten der Maschinen gekennzeichnet war, heisst es in der Entscheidung, daß der PWG bei der Durchsetzung der Abstellzeiten eine entscheidende Rolle gespielt habe, als ab 1990 die Produktionskapazität zugenommen habe und die Nachfrage gesunken sei: "Von Anfang 1990 an [hielt es] die Branche... für erforderlich..., sich im Rahmen des PWG über Abstellzeiten zu verständigen. Die grossen Hersteller räumten ein, daß sie die Nachfrage nicht durch Preissenkungen steigern konnten und daß die Aufrechterhaltung der vollen Produktion lediglich einen Preisrückgang bewirken würde. Theoretisch ließ sich anhand der Kapazitätsberichte errechnen, wie lange die Maschinen abgestellt werden mussten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen" (Randnr. 70 der Entscheidung).

201 Ferner heisst es in der Entscheidung: "Der PWG wies jedoch nicht formell jedem Hersteller seine "Abstellzeiten" zu. Laut Stora bestanden praktische Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur "ein loses System der Ermutigung"" (Randnr. 71 der Entscheidung).

202 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Produktionsunterbrechungen hinreichend nachgewiesen.

203 Die von ihr vorgelegten Unterlagen stützen ihre Analyse.

204 In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 24) führt Stora aus: "Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988 erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden, um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts zunehmender Überkapazität nicht halten können."

205 Im folgenden Punkt ihrer Erklärung fügt sie hinzu: "1988 und 1989 konnte die Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich... Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten. Die Länge der von den Herstellern (zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch) einzuhaltenden Abstellzeit konnte anhand der Kapazitätsberichte errechnet werden. Der PWG nahm keine formelle Zuweisung von Abstellzeiten vor, obwohl ein loses System der Ermutigung bestand..."

206 Die in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfasser genannten Gründe dafür, daß er Mayr-Melnhof bei Abfassung der Aktennotiz als "Verlierer" ansah, stellen wichtige Beweise für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Abstellzeiten dar.

207 Der Verfasser stellt nämlich folgendes fest:

"4.) Und an dieser Stelle beginnt die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten über das Gewollte.

...

c) Alle Aussendienstler und europäischen Vertreter wurden von ihren Mengenbudgets entbunden, und es wurde eine fast lückenlose, harte Preispolitik vertreten (die Mitarbeiter verstanden oftmals unsere geänderte Einstellung zum Markt nicht - früher wurde nur Tonnage gefordert und jetzt nur Preisdisziplin mit der Gefahr, die Maschinen abzustellen)."

208 Mayr-Melnhof macht geltend (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß der oben wiedergegebene Abschnitt einen unternehmensinternen Sachverhalt betreffe. Bei einer Analyse im allgemeineren Kontext der Aktennotiz lässt dieser Auszug jedoch erkennen, daß auf der Ebene des Verkaufspersonals eine im "Präsidentenkreis" beschlossene rigorose Politik durchgesetzt wurde. Das Schriftstück ist somit dahin auszulegen, daß die Teilnehmer an der Vereinbarung von 1987, d. h. zumindest die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, unbestreitbar die Folgen der beschlossenen Politik für den Fall erwogen haben, daß diese rigoros angewandt wird.

209 Der Umstand, daß die Hersteller bei der Vorbereitung der Preiserhöhungen die Prüfung der Abstellzeiten erörterten, wird u. a. durch Notizen von Rena vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, in denen der Umfang der Preiserhöhungen in mehreren Ländern, die Zeitpunkte der künftigen Ankündigungen dieser Erhöhungen sowie die in Arbeitstagen ausgedrückten Auftragsbestände mehrerer Hersteller erwähnt werden.

210 Der Verfasser des Schriftstücks vermerkt, daß einige Hersteller Abstellzeiten vorsähen, die er z. B. wie folgt aufführt:

"Kyro 36 days 1 week Simpele 28 days 1 week September Ta 27 days Ingerois 24 days 23/september stop... Kopparfors 5 - 15 days 5/9 will stop for five days"

211 Die Klägerin nahm an der Sitzung des JMC teil, auf die sich diese Notizen beziehen (Tabelle 4 im Anhang der Entscheidung). Die oben erwähnten Namen "Kyro", "Simpele", "Ta" für Tako und "Ingerois" beziehen sich unstreitig auf Orte, an denen Mitgliedsunternehmen der Klägerin, und zwar Oy Kyro AB, United Paper Mills Ltd, Metsä-Serla Oy und Tampella Corporation, Karton herstellten.

212 Aus alledem ist zu schließen, daß der Kommission der Beweis für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich gelungen ist. Da die Klägerin nachweislich an den Sitzungen des PWG teilnahm und da sie im hauptsächlichen Belastungsmaterial (den Aussagen von Stora) ausdrücklich erwähnt wird, hat die Kommission sie zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen zur Verantwortung gezogen.

213 Die Einwände der Klägerin gegen die Aussagen von Stora, mit denen deren Beweiswert in Abrede gestellt wird, sind nicht geeignet, diese Feststellung zu entkräften.

214 Die Aussagen von Stora stammen unstreitig von einem der Unternehmen, die an der geltend gemachten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein sollen, und enthalten eine eingehende Beschreibung der Art der Erörterungen in den Gremien der PG Karton, des von den ihr angehörenden Unternehmen verfolgten Zieles sowie der Teilnahme dieser Unternehmen an den Sitzungen ihrer verschiedenen Gremien. Da dieses zentrale Beweismittel durch andere Aktenstücke bestätigt wird, stellt es eine stichhaltige Stütze des Vorbringens der Kommission dar.

215 Da die Kommission das Vorliegen der beiden fraglichen Absprachen nachgewiesen hat, brauchen die übrigen von der Klägerin beanstandeten Schriftstücke nicht geprüft zu werden.

216 Da kein Teil des Klagegrundes durchgreift, ist der Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages durch unzureichende Berücksichtigung der Wettbewerbsbedingungen und Marktverhältnisse seitens der Kommission

Vorbringen der Parteien

217 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

218 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, aufgrund der Marktbedingungen habe sie kein Interesse an der Beteiligung an einer wettbewerbsbeschränkenden Absprache gehabt.

219 Insoweit ergebe sich aus der Entscheidung, daß die Ausfuhren aus skandinavischen Ländern 1990 fast ausschließlich aus Karton der Sorten GC und SBS bestanden hätten und daß 80 % der finnischen Kartonerzeugung auf GC-Sorten entfallen seien. Ausserdem hätten die Ausfuhren der EFTA-Mitgliedstaaten etwa die Hälfte des Verbrauchs von GC-Karton in der Gemeinschaft gedeckt. Das Interesse der Klägerin an der Entwicklung des Kartonmarkts der Gemeinschaft habe sich daher allein auf GC-Karton erstreckt.

220 Die Hersteller von GC-Karton seien von den bei den Herstellern von GD-Karton aufgetretenen Absatzschwierigkeiten kaum betroffen gewesen, denn die Nachfrage nach GC-Karton sei in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre fast dreimal so schnell gestiegen wie die Nachfrage nach GD-Karton, und es sei den skandinavischen Herstellern von GC-Karton gelungen, ihre Marktanteile stetig auszuweiten. Die Hersteller von GD-Karton seien dagegen einem heftigen Wettbewerb ausgesetzt gewesen. Die Auswirkungen dieser für die Hersteller von GC-Karton vorteilhaften Wettbewerbssituation seien durch die tiefe Staffelung ihrer Produktionskette verstärkt worden, da die Kartonfabriken in unmittelbarer Nähe der Wälder und der Produktionsanlagen für Zellstoff angesiedelt worden seien, sowie durch die Tatsache, daß die finnischen Hersteller über die modernsten Produktionsanlagen verfügt hätten. Es sei in diesem Zusammenhang unzutreffend, daß sich die durchschnittliche Gewinnspanne der Kartonhersteller in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum auf 20 % belaufen habe (Randnr. 16 der Entscheidung).

221 Aufgrund der Marktbedingungen und ihrer damaligen Wettbewerbssituation habe sie folglich kein Interesse an der Beteiligung an einem wettbewerbsbeschränkenden Kartell gehabt. Da die Kommission diese besonderen Gesichtspunkte ausser acht gelassen habe, sei ihre Analyse der Marktbedingungen unzureichend und falsch.

222 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Entscheidung beruhe insofern auf einer unzureichenden Analyse der Marktbedingungen, als sie keine Feststellungen zum Vorhandensein eines wirksamen Wettbewerbs in der fraglichen Zeit enthalte. Die Kommission hätte zumindest bei der Bemessung der Geldbussen berücksichtigen müssen, daß eine etwaige Absprache jedenfalls keinen Einfluß auf die Wirksamkeit des Wettbewerbs gehabt habe.

223 Zum ersten Teil des Klagegrundes führt die Kommission aus, da sich die Klägerin nachweislich am Kartell beteiligt habe, brauche nicht geprüft zu werden, ob sie ein Interesse an dieser Beteiligung gehabt habe. Die Klägerin habe jedenfalls ein offenkundiges Interesse daran gehabt, die Preise auf einem künstlich hohen Niveau zu halten. Selbst wenn man unterstelle, daß ihr Vorbringen zur vorteilhaften Wettbewerbssituation der Hersteller von GC-Karton zutreffe, würde ihr die Aufrechterhaltung hoher Preise nämlich noch mehr nutzen als den Herstellern von GD-Karton.

224 Schließlich habe die durchschnittliche Gewinnspanne tatsächlich 20 % betragen (Randnr. 16 der Entscheidung).

225 Zum zweiten Teil des Klagegrundes trägt die Kommission vor, die Studie von London Economics (im folgenden: LE-Bericht), auf die sich die Klägerin berufen habe, widerlege weder die Existenz des Kartells noch dessen Einfluß auf den freien Wettbewerb.

226 Aufgrund des offenkundig wettbewerbsfeindlichen Zweckes des Kartells sei es im übrigen nicht erforderlich, das Vorhandensein konkreter Auswirkungen auf den Markt nachzuweisen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390).

Würdigung durch das Gericht

227 Wie bereits festgestellt, hat die Kommission nachgewiesen, daß die Klägerin seit Mitte 1986 an einer Preisabsprache und ab Ende 1987 an einer Absprache über die Marktanteile sowie an einer Absprache über die Abstellzeiten, d. h. an den drei in Artikel 1 der Entscheidung genannten Bestandteilen der Zuwiderhandlung, mitwirkte.

228 Ausserdem ist die Kommission zu dem von der Klägerin nicht in Abrede gestellten Ergebnis gekommen, daß die oben genannten Absprachen eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten und sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auswirkten (Randnrn. 133 bis 138 der Entscheidung).

229 Unter diesen Umständen geht das Vorbringen der Klägerin fehl, daß sie kein Interesse an der Beteiligung an einem Kartell gehabt habe und daß dieses sich nicht auf die Wirksamkeit des Wettbewerbs ausgewirkt habe. Selbst wenn man unterstellt, daß die insoweit vorgetragenen tatsächlichen Ausführungen der Klägerin zutreffen, könnte dies die Feststellung der Kommission zum Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht in Frage stellen.

230 Der vorliegende Klagegrund greift daher nicht durch.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

231 Die Klägerin trägt vor, das in Artikel 2 der Entscheidung aufgestellte Verbot sei gänzlich unbestimmt und lasse nicht erkennen, welche Informationen nicht ausgetauscht werden dürften. Es sei nicht zulässig, daß Artikel 2 der Entscheidung den Unternehmen das Risiko der Ermittlung des Umfangs des Verbotes auferlege. Die mangelnde Bestimmtheit von Artikel 2 führe im übrigen dazu, daß die Entscheidung nicht vollstreckbar sei.

232 Darüber hinaus sei das Verbot insofern nicht gerechtfertigt, als der Austausch globaler Informationen über den Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage untersagt werde. Der Austausch solcher Daten sei völlig unschädlich, und die blosse Tatsache, daß die ausgetauschten Informationen möglicherweise zu einem wettbewerbswidrigen Zweck verwendet werden könnten, könne das Verbot ihres Austauschs nicht rechtfertigen.

233 Schließlich habe der Verband CEPI-Cartonboard der Kommission ein System zum Austausch solcher globaler Informationen notifiziert. Da dieses System durch Artikel 2 der Entscheidung faktisch untersagt werde, hätte die Kommission vor dem Erlaß der Entscheidung prüfen müssen, ob die Voraussetzungen einer Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages gegeben seien, und die Entscheidung hätte hierfür eine Begründung enthalten müssen. Somit seien die Verteidigungsrechte der Klägerin dadurch verletzt worden, daß die Kommission CEPI-Cartonboard vor Erlaß der Entscheidung nicht angehört habe.

234 Die Kommission hält das Verbot in Artikel 2 der Entscheidung nicht für zu abstrakt oder unbestimmt. Der Tenor der Entscheidung müsse im Licht ihrer Begründung gesehen werden; dies erlaube es den Adressaten, den genauen Umfang des Verbotes festzustellen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124). Im vorliegenden Fall würden die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das Verbot beruhe, in der Begründung der Entscheidung im einzelnen dargelegt.

235 Mit den Verboten in Artikel 2 Absätze 1 und 4 solle die in der Begründung der Entscheidung beschriebene Zuwiderhandlung abgestellt und ihre Wiederaufnahme verhindert werden. Ausserdem werde in den Absätzen 2 und 3 von Artikel 2 der Entscheidung nur dargelegt, wie ein zulässiger Informationsaustausch gestaltet werden könne, um den Herstellern eine Orientierungshilfe für ihr künftiges Verhalten zu geben. Dies gehe aus den positiven Formulierungen in diesen Absätzen hervor.

236 Das Verbot des Austauschs von Informationen über Auftragslage und -bestand in globaler Form sei auf dem Kartonmarkt aufgrund des hohen Konzentrationsgrads der Industrie und der Homogenität der Produkte gerechtfertigt. Wie den Randnummern 68 bis 70 der Entscheidung zu entnehmen sei, führe der regelmässige Austausch solcher Informationen zu einer Transparenz der Marktbedingungen, die es branchenweit erlaube, Abstellzeiten zu planen, um einem Preisverfall vorzubeugen, und die Möglichkeit von Preiserhöhungen einzuschätzen. Im übrigen hätten die Kartonhersteller die ausgetauschten Informationen bereits zur Erleichterung einer gemeinsamen Geschäftspolitik eingesetzt.

237 Sie habe daher zu Recht angenommen, daß der Austausch der fraglichen Informationen auf dem relevanten Markt eine gemäß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verbotene Wettbewerbsbeschränkung darstelle.

238 Schließlich betreffe Artikel 2 der Entscheidung das von CEPI-Cartonboard notifizierte Informationsaustauschsystem nicht.

Würdigung durch das Gericht

239 Artikel 2 der Entscheidung lautet:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder

b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder erleichtert wird, oder

c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfuellung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der Gemeinschaft zu überwachen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder Maschine ausschließt.

Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.

Die Unternehmen nehmen ausserdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen Abstand.

Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt."

240 Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

241 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 220).

242 Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der festgestellten Zuwiderhandlung angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93, Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).

243 Zunächst ist zum Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, daß sie Artikel 2 der Entscheidung erlassen habe, ohne zur Vereinbarkeit des von CEPI-Cartonboard notifizierten Informationsaustauschsystems mit Artikel 85 Stellung genommen zu haben, zu sagen, daß die von diesem Verband am 6. Dezember 1993 vorgenommene Notifizierung ein neues Informationsaustauschsystem betraf, das sich von dem von der Kommission in der Entscheidung geprüften System unterschied. Als die Kommission Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung erließ, konnte sie folglich nicht die Rechtmässigkeit des neuen Systems im Rahmen dieser Entscheidung beurteilen. Sie war daher berechtigt, sich auf die Prüfung des alten Informationsaustauschsystems zu beschränken und zu diesem durch den Erlaß von Artikel 2 der Entscheidung Stellung zu nehmen.

244 Um sodann festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 der Entscheidung - wie die Klägerin behauptet - zu weit geht, ist der Umfang der verschiedenen Verbote zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.

245 Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnisse nicht überschritten.

246 Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.

247 Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.

248 In Artikel 1 der Entscheidung heisst es nicht, daß der Austausch individueller Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstösst.

249 Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen Artikel des Vertrages verstossen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. "als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten".

250 Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heisst:

"Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC) praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe war offenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu schaffen."

251 Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht geäussert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfuellt das Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17.

252 Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche Maß zu beschränken ist.

253 Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen "als Absicherung" der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.

254 Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung zu beurteilen.

255 Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.

256 Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit der festgestellten Verhaltensweisen erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

257 Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig zu erklären:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbusse

Zum Klagegrund, der sich darauf stützt, daß die Geldbusse nicht anhand des maßgeblichen Umsatzes berechnet worden sei

Vorbringen der Parteien

258 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.

259 Mit dem ersten Teil macht die Klägerin geltend, daß die Geldbusse zu Unrecht anhand des Umsatzes von vier ihr angehörenden Kartonherstellern - Kyro, Metsä-Serla, Tampella und United Paper Mills - berechnet worden sei. Ihr Umsatz im Jahr 1990 habe deutlich unter dem Umsatz dieser Unternehmen gelegen. Im Zusammenhang mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 setze er sich aus den Kommissionen zusammen, die sie den Mitgliedsunternehmen für die getätigten Verkäufe in Rechnung stelle.

260 Bei den Verkäufen, die sie für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen vornehme, erwerbe sie kein Eigentum an der Ware, da dieses unmittelbar vom Mitgliedsunternehmen auf den Kunden übergehe. Sie sei auch nicht die Gläubigerin der Forderungen gegenüber den Endabnehmern, die unmittelbar den Mitgliedsunternehmen zustuenden. Die Kunden wünschten stets, daß die Ware von einer bestimmten Kartonfabrik geliefert werde. Sie führe die Verhandlungen mit den Kunden auf der Grundlage bereits geschlossener Verträge und könne nur im Rahmen der in diesen Verträgen bereits festgelegten Verkaufsbedingungen tätig werden. Bei etwaigen neuen Kunden sei das Verkaufspersonal gehalten, sich an den Gebietsverkaufsleiter von Finnboard zu wenden, der seinerseits bei der vom Kunden gewählten Kartonfabrik rückfrage, um die Verkaufsbedingungen festzulegen. Schließlich werde, wenn die Bestellung eines Kunden von der betreffenden Kartonfabrik angenommen werde, die Rechnung von Finnboard in deren Auftrag übersandt.

261 Auch bei den Verhandlungen über Transport und Finanzierung habe sie eine Vermittlerrolle.

262 Der Entscheidung zufolge seien sie und ihre Mitgliedsunternehmen nicht als einheitliches Unternehmen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages anzusehen. Dies bestätige, daß der für die Berechnung der Geldbusse maßgebliche Umsatz nur aus den von ihr eingenommenen Kommissionen bestehe.

263 Der zweite Teil des Klagegrundes ist im Schriftsatz an das Gericht vom 19. Juli 1995 enthalten und geht dahin, daß die Kommission, wie die Klagebeantwortung zeige, der Bußgeldbemessung eine falsche Umsatzzahl zugrunde gelegt habe. Sie habe die Geldbusse auf der Grundlage eines Absatzes der Klägerin von 250 000 Tonnen Karton im Jahr 1990 berechnet, während der tatsächliche Absatz nur 219 364 Tonnen betragen habe. Diese Differenz sei damit zu erklären, daß das von Metsä-Serla hergestellte Tapetenpapier zu Unrecht einbezogen worden sei. Wie aus ihrer eigenen Berechnung des Umsatzes für das Jahr 1990 hervorgehe, sei dieser um 17 % zu hoch angesetzt worden.

264 Die Kommission trägt zum ersten Teil des Klagegrundes vor, die Klägerin könne einem unabhängigen Verkaufsagenten nicht gleichgestellt werden. Sie müsse als Verkaufs- und Vertriebsorganisation ihrer Mitgliedsunternehmen behandelt werden, für die sie über eigene Verkaufsbüros alle Verkäufe tätige. Dabei würden die Kauf- und Lieferverträge unmittelbar zwischen der Klägerin und ihren Kunden abgeschlossen, und sie stelle die Lieferungen im eigenen Namen in Rechnung. Ausserdem sei sie in gewissem Umfang befugt, die jeweiligen Verkaufsbedingungen mit den Kunden auszuhandeln. Die für die Verkäufe in Rechnung gestellten Beträge würden bei der Bilanzierung im Rahmen des Umlaufvermögens als eigene Forderungen der Klägerin ausgewiesen.

265 Schließlich könnte das mit Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verfolgte Ziel nicht erreicht werden, wenn die Hersteller durch die Gründung einer gemeinsamen Verkaufsorganisation ihre Haftung auf 10 % der an diese Organisation gezahlten laufenden Ausgaben beschränken könnten.

266 Zum zweiten Teil des Klagegrundes vertritt die Kommission in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 1995 die Ansicht, daß er nicht berücksichtigt zu werden brauche, da die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 1995 auf die Möglichkeit der Einreichung einer Erwiderung verzichtet habe.

267 Sie nimmt dennoch zu diesem Vorbringen Stellung und räumt ein, in der Klagebeantwortung durch die Angabe, daß die Geldbusse auf der Grundlage eines Absatzes von 250 000 Tonnen im Jahr 1990 berechnet worden sei, einen Fehler begangen zu haben. In Wirklichkeit sei sie anhand der von der Klägerin mitgeteilten Absatzzahlen bei der Berechnung des Umsatzes von einem Absatz von 221 000 Tonnen ausgegangen. Die Differenz gegenüber dem von der Klägerin errechneten Umsatz sei damit zu erklären, daß sie den von der Klägerin angewandten Preis pro Tonne als zu niedrig angesehen habe. Die Klägerin habe nämlich einen durchschnittlichen Erlös von 833 ECU pro Tonne zugrunde gelegt, während sich aus einem in den Geschäftsräumen ihrer britischen Tochtergesellschaft gefundenen vertraulichen Protokoll ergebe, daß sogar die Preise für Grossabnehmer im Jahr 1990 durchschnittlich weit über 1 000 ECU pro Tonne gelegen hätten. Ausserdem habe die Klägerin trotz der Bitten der Kommission um Aufklärung nie erläutert, auf welche Gesichtspunkte sie bei der Ermittlung des Umsatzes ihrer Mitgliedsunternehmen abgestellt habe.

Würdigung durch das Gericht

268 Zum ersten Teil des Klagegrundes ergibt sich aus der Prüfung der von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung der Entscheidung geltend gemachten Klagegründe, daß die Kommission die Beteiligung der Klägerin an den Sitzungen der Gremien der PG Karton und an den bei diesen Sitzungen getroffenen wettbewerbswidrigen Absprachen nachgewiesen hat. Die Klägerin hat für den Fall, daß ein solcher Nachweis erbracht wird, nicht bestritten, daß sie für die in Artikel 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen und daß aufgrund dessen gegen sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eine Geldbusse verhängt werden könnte.

269 In dieser Bestimmung heisst es:

"Die Kommission kann gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung Geldbussen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig:

a) gegen Artikel 85 Absatz (1)... verstossen..."

270 Nach ständiger Rechtsprechung zeigt die Gattungsbezeichnung "Zuwiderhandlung" in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, die unterschiedslos Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen umfasst, daß die dort genannten Hoechstgrenzen für Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen ebenso gelten wie für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Die Hoechstgrenze von 10 % des Umsatzes ist folglich anhand des Umsatzes jedes Unternehmens zu berechnen, das an den Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen mitwirkt, oder anhand der Umsätze aller Mitgliedsunternehmen solcher Unternehmensvereinigungen, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird dadurch bestätigt, daß der Einfluß, den eine Unternehmensvereinigung auf dem Markt ausüben konnte, nicht von ihrem eigenen "Umsatz" abhängt, der weder ihre Grösse noch ihre Wirtschaftskraft erkennen lässt, sondern vom Umsatz ihrer Mitglieder, der einen Anhaltspunkt für ihre Grösse und ihre Wirtschaftskraft darstellt (Urteile des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnrn. 136 und 137, und vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 385).

271 Im vorliegenden Fall wurde die Klägerin zwar als "Unternehmen" eingestuft (Randnr. 173 Absatz 1 der Entscheidung), aber die gegen sie verhängte Geldbusse wurde nicht anhand des in ihren Jahresberichten und veröffentlichten Abschlüssen genannten Umsatzes festgesetzt, der ihren Kommissionen für die Kartonverkäufe entspricht, die sie für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen getätigt hat. Der bei der Bußgeldbemessung herangezogene Umsatz besteht nämlich im Gesamtwert der von der Klägerin für ihre Mitglieder getätigten Verkäufe (vgl. Randnrn. 173 Absatz 3 und 174 Absatz 1 der Entscheidung).

272 Bei der Beurteilung der Frage, ob die Kommission zur Heranziehung eines solchen Umsatzes berechtigt war, sind die wesentlichen Auskünfte zu berücksichtigen, die sich aus den Akten und insbesondere aus der Antwort der Klägerin auf schriftliche Fragen des Gerichts nach ihrer Arbeitsweise und nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen ihr und ihren Mitgliedsunternehmen ergeben.

273 Gemäß ihrer Satzung vom 1. Januar 1987 ist die Klägerin eine Vereinigung, die den von einigen ihrer Mitglieder hergestellten Karton sowie die von anderen Mitgliedern hergestellten Papiererzeugnisse vermarktet.

274 Nach den §§ 10 und 11 der Satzung nominiert jedes Mitglied einen Vertreter für den "Board of Directors", der u. a. die Aufgabe hat, Richtlinien für die Tätigkeit der Vereinigung zu beschließen, den Etat, den Finanzierungsplan und die Grundsätze für die Verteilung der Ausgaben auf die Mitglieder zu genehmigen sowie den "Managing Director" zu bestellen.

275 § 20 der Satzung lautet:

"Die Mitglieder haften für Verpflichtungen, die im Namen der Vereinigung eingegangen werden, gesamtschuldnerisch wie für eigene Schulden.

Die Schulden und Verpflichtungen werden im Verhältnis der Nettorechnungen der Mitglieder im laufenden Jahr und in den beiden Vorjahren aufgeteilt."

276 Zum Verkauf der Kartonprodukte geht aus der Antwort der Klägerin auf schriftliche Fragen des Gerichts hervor, daß ihre Mitgliedsunternehmen sie im maßgeblichen Zeitraum mit der Abwicklung ihrer gesamten Kartonverkäufe betraut hatten; ausgenommen waren nur Verkäufe der Mitgliedsunternehmen an Gesellschaften der eigenen Gruppe und der Verkauf kleinerer Mengen an gelegentliche Kunden in Finnland (siehe auch § 14 der Satzung). Ausserdem legte die Klägerin für die ihr angehörenden Kartonhersteller einheitliche Preise fest und gab diese bekannt.

277 Ferner führt die Klägerin aus, die einzelnen Verkaufsvorgänge seien so abgelaufen, daß die Kunden ihr die Aufträge erteilt und dabei im allgemeinen das gewünschte Werk angegeben hätten; derartige Wünsche seien vor allem mit Qualitätsunterschieden zwischen den Erzeugnissen ihrer einzelnen Mitgliedsunternehmen zu erklären. Sei kein Wunsch geäussert worden, so seien die Aufträge gemäß § 15 ihrer Satzung unter ihren Mitgliedsunternehmen aufgeteilt worden; dieser lautet:

"Die eingehenden Aufträge sind gerecht und gleichmässig zur Ausführung durch die Mitglieder zu verteilen; dabei sind die Produktionskapazität jedes Mitglieds sowie die vom Board of Directors festgelegten Grundsätze für die Verteilung zu berücksichtigen."

278 Die Klägerin sei berechtigt gewesen, mit jedem potentiellen Kunden die Verkaufsbedingungen einschließlich des Preises auszuhandeln; für diese individuellen Verhandlungen hätten ihre Mitgliedsunternehmen allgemeine Richtlinien aufgestellt. Jede Bestellung habe jedoch dem betreffenden Mitgliedsunternehmen vorgelegt werden müssen, das über ihre Annahme entschieden habe.

279 Der Ablauf der einzelnen Verkaufsvorgänge und die dabei angewandten Buchungsgrundsätze werden in einer Erklärung des Wirtschaftsprüfers der Klägerin vom 4. Juni 1997 wie folgt beschrieben:

"Finnboard handelt als Kommissionär für die Kommittenten und stellt die Rechnungen "im eigenen Namen für den jeweiligen Kommittenten".

1. Jeder Auftrag wird vom Werk des Kommittenten bestätigt.

2. Zum Zeitpunkt der Auslieferung durch das Werk stellt dieses Finnboard einen Ausgangsbetrag in Rechnung ("Werksrechnung"). Die Rechnung wird in das Kommittentenkonto als Forderung und in das Lieferantenbuch von Finnboard als Schuld gegenüber dem Werk aufgenommen.

3. Die Werksrechnung (abzueglich der geschätzten Transport-, Lagerungs-, Liefer- und Finanzierungskosten) wird von Finnboard innerhalb eines vereinbarten Zeitraums (1990/91 waren dies 10 Tage) im voraus bezahlt. Finnboard finanziert somit die Lagerbestände im Ausland und die Kundenforderungen des Werkes, ohne das Eigentum an der gelieferten Ware zu erwerben.

4. Zum Zeitpunkt der Auslieferung an den Kunden erstellt Finnboard für das Werk eine Kundenrechnung. Die Rechnung wird im Kommittentenkonto als Verkauf und im Debitorenbuch von Finnboard als Forderung verbucht.

5. Zahlungen der Kunden werden in den Konten der Kommittenten verzeichnet, und etwaige Unterschiede zwischen den geschätzten und den tatsächlichen Preisen und Kosten (siehe oben, 3) werden über das Kommittentenkonto ausgeglichen."

280 Daraus ist erstens zu ersehen, daß die Klägerin zwar verpflichtet war, jeden einzelnen Auftrag dem betreffenden Mitgliedsunternehmen zur endgültigen Genehmigung vorzulegen, daß aber die von ihr für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen geschlossenen Kaufverträge diese binden konnten, da die Unternehmen gemäß § 20 der Satzung der Klägerin für die von ihr eingegangenen Verpflichtungen hafteten.

281 Zweitens decken die von der Klägerin bezogenen Kommissionen, die als Umsatz in ihren Jahresberichten erscheinen, nur die Kosten - wie z. B. Transport- oder Finanzierungskosten - im Zusammenhang mit den Verkäufen, die sie für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen getätigt hat. Folglich hatte die Klägerin kein eigenes wirtschaftliches Interesse daran, sich an der Preisabsprache zu beteiligen, denn die Preiserhöhungen, die von den in den Gremien der PG Karton vertretenen Unternehmen angekündigt und durchgeführt wurden, konnten ihr keinen Gewinn bringen. Dagegen war die Beteiligung der Klägerin an dieser Absprache für die ihr angehörenden Kartonhersteller von unmittelbarem wirtschaftlichem Interesse.

282 Der buchmässige Umsatz der Klägerin lässt somit weder ihre Grösse noch ihre Wirtschaftskraft auf dem Markt erkennen. Er kann deshalb nicht als Grundlage für die Berechnung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Obergrenze einer über eine Million ECU hinausgehenden Geldbusse dienen. Unter diesen Umständen war die Kommission berechtigt, sich bei der Ermittlung dieser Obergrenze auf den Gesamtwert der den Kunden in Rechnung gestellten Kartonverkäufe zu stützen, die von der Klägerin im eigenen Namen und für Rechnung ihrer Mitgliedsunternehmen vorgenommen wurden. Der Wert dieser Verkäufe stellte nämlich einen Anhaltspunkt für die wirkliche Grösse und Wirtschaftskraft der Klägerin dar (vgl. analog dazu Urteil CB und Europay/Kommission, Randnrn. 136 und 137).

283 Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles können diese Erwägungen nicht allein dadurch in Frage gestellt werden, daß die Kommission die Klägerin formal als Unternehmen und nicht als Unternehmensvereinigung eingestuft hat.

284 Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

285 Zum zweiten Teil genügt die Feststellung, daß die Kommission in ihrem Schriftsatz vom 6. Oktober 1995 erläutert hat, daß die in ihrer Klagebeantwortung enthaltene Angabe falsch sei. Sie hat sich nämlich auf einen Absatz der Klägerin von 221 000 Tonnen Karton im Jahr 1990 gestützt; dies entspricht der von der Klägerin selbst in einem Schreiben vom 27. September 1991 genannten Zahl. Diese Erläuterung wird durch ein Schreiben der Kommission an die Klägerin vom 28. März 1994 bestätigt, in dem dargelegt wird, wie der Umsatz bei der Ermittlung der Höhe der Geldbusse berechnet wurde. Der so ermittelte Umsatzbetrag ist auch in einer von der Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Übersicht über die Festlegung der Höhe der individuellen Geldbussen zu finden.

286 Somit kann dem zweiten Teil des Klagegrundes nicht gefolgt werden.

287 Nach alledem ist der Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zu den formalen und inhaltlichen Klagegründen, die sich auf die Ermittlung der Höhe der Geldbussen beziehen

Vorbringen der Parteien

288 Die Klägerin weist darauf hin, daß in der Entscheidung die Kriterien aufgezählt würden, die die Kommission bei der Bußgeldbemessung herangezogen habe (Randnrn. 168 und 169). Es hätte jedoch dargelegt werden müssen, wie diese Kriterien konkret angewandt worden seien.

289 Die Kommission hätte insbesondere den Umsatz jedes Unternehmens sowie den bei der Bußgeldbemessung verwendeten Prozentsatz dieses Umsatzes angeben müssen. Ohne solche Angaben könne der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle über die verhängten Geldbussen nicht ausüben, und es könne nicht geprüft werden, ob die gegen ein bestimmtes Unternehmen verhängte Geldbusse in angemessenem Verhältnis zu den Geldbussen der übrigen Adressaten der Entscheidung stehe.

290 Mangels solcher Angaben sei davon auszugehen, daß die genannten Kriterien in Wirklichkeit keine Anwendung gefunden hätten.

291 Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Kriterien tatsächlich angewandt worden seien, seien sie rechtswidrig. Mehrere von ihnen seien nämlich schon dadurch berücksichtigt worden, daß die Geldbussen anhand des Umsatzes jedes Unternehmens berechnet worden seien. Dies gelte für die Kriterien, die sich auf das Gebiet, in dem die Zuwiderhandlung erfolgt sein solle, die jeweilige Stellung des Unternehmens in der Branche und den Gesamtwert des fraglichen Wirtschaftssektors bezögen. Diese Kriterien könnten daher nicht erneut herangezogen werden, um die Geldbusse zu erhöhen.

292 Die Kommission hätte auch nicht darauf abstellen dürfen, daß die Unternehmen Maßnahmen zur Verschleierung des Kartells getroffen hätten. Da Vereinbarungen zur Festlegung von Preisen und Marktanteilen klassische Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 des Vertrages seien, sei es normal, daß die Unternehmen ihre Beteiligung an solchen Vereinbarungen nicht offenlegten.

293 Entgegen der Behauptung der Kommission gebe es keinen Beleg dafür, daß das Kartell erfolgreich gewesen sei. Der LE-Bericht habe vielmehr ergeben, daß ein etwaiges Kartell keinen Einfluß auf den Preis gehabt habe. Im übrigen sei die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Unternehmen während der Laufzeit des Kartells einen durchschnittlichen Gewinn von 20 % erzielt hätten (Randnr. 16 der Entscheidung).

294 Die Kommission hätte berücksichtigen müssen, daß das Kartell bestimmte Regionen der Gemeinschaft, auf die ein erheblicher Teil des Umsatzes der Klägerin entfallen sei (Spanien, Portugal, Griechenland, Irland und Dänemark), nicht erfasst habe.

295 Schließlich wecke der ungewöhnliche Bußgeldnachlaß für Stora Zweifel an der Rechtfertigung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen. Das angebliche Kartell sei nicht besonders schwerwiegend gewesen, so daß das allgemeine Niveau der Geldbussen erheblich unter 5 % des Umsatzes der einzelnen Unternehmen hätte liegen müssen.

296 Die Kommission ist der Ansicht, daß die in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung aufgeführten Kriterien für die Ermittlung der Höhe der Geldbussen relevant und ausreichend seien. Bei der Beurteilung dieser Kriterien sei die Begründung der Entscheidung heranzuziehen, die eine eingehende Beschreibung der individuellen Erwägungen enthalte, die bei der Ermittlung der Höhe der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse angestellt worden seien.

297 Die Kommission könne, um die abschreckende Wirkung der Geldbussen zu verstärken, deren Niveau jederzeit anheben (vgl. Urteil ICI/Kommission, Randnr. 385). Die vorliegend festgestellten Zuwiderhandlungen würden in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages ausdrücklich genannt und müssten daher als offenkundige und schwere Verstösse angesehen werden. Ihre Offenkundigkeit und Schwere werde im übrigen durch die von den Adressaten der Entscheidung getroffenen Verschleierungsmaßnahmen verstärkt.

298 Schließlich habe sie zu Recht berücksichtigt, daß das Kartell weitgehend erfolgreich gewesen sei. Der LE-Bericht zeige nämlich, daß es in den Jahren 1988 und 1989 einen linearen Zusammenhang zwischen den angekündigten und den gegenüber den Kunden vollzogenen Preiserhöhungen gegeben habe. Die Existenz dieses Zusammenhangs habe auch der Verfasser des Berichts bei der Anhörung vor der Kommission eingeräumt (Protokoll der Anhörung vor der Kommission, S. 21 und 28).

Würdigung durch das Gericht

299 Die Klägerin stellt ihr Vorbringen in ihren Schriftsätzen in den Rahmen eines einzigen Klagegrundes, der sich darauf stützt, daß die Höhe der Geldbussen anhand irrelevanter Kriterien ermittelt worden sei. In Wirklichkeit handelt es sich jedoch um mehrere Klagegründe, die nacheinander geprüft werden.

- Zur Begründung für die Höhe der Geldbussen

300 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil Van Megen Sports/Kommission, Randnr. 51).

301 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

302 Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

303 Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen und der Höhe der individuellen Geldbussen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in bezug auf die individuellen Geldbussen in Randnummer 170 aus, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich als "Anführer" des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen "gewöhnliche Mitglieder" angesehen worden seien. Schließlich weist sie in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbussen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen, darunter die Klägerin, ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbusse kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritten hätten.

304 In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen seien Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Schließlich habe die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbussen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.

305 Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbussen enthält, daß diese zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der Geldbussen systematisch herangezogen wurden.

306 In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbussen angewandten Basissätze von 9 % für die als "Anführer" angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die "gewöhnlichen Mitglieder" sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.

307 Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264). Ebenso enthält Randnummer 168 der Entscheidung, die im Licht der allgemeinen Erwägungen über die Geldbussen in Randnummer 167 zu sehen ist, ausreichende Angaben zu den Gesichtspunkten, die bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen herangezogen wurden.

308 Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbussen wie hier auf der Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbusse Fehler begangen hat und ob die Höhe jeder individuellen Geldbusse in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbussen - in der Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstossende implizite Preisgabe des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag der individuellen Geldbussen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.

309 Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in einer Pressekonferenz am Tag ihres Erlasses bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muß und daß nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).

310 Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbussen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbussen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache Tréfilunion/Kommission (Randnr. 142) und in zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbusse im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

311 Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

312 Unter den zuvor in Randnummer 310 genannten besonderen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbussen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbussen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbussen rechtfertigt.

- Zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung

313 Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbussen u. a. berücksichtigt, daß das Kartell, "was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich" war. Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen wird.

314 Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache untersucht zu werden. Die Prüfung der Auswirkungen der Preisabsprache - der einzigen Auswirkungen, die die Klägerin bestreitet - erlaubt es nämlich, den generellen Erfolg des Kartells zu beurteilen, denn die Absprachen über die Abstellzeiten und über die Marktanteile dienten dazu, den Erfolg der abgestimmten Preisinitiativen sicherzustellen.

315 Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen beurteilt. Selbst wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben - wie sie behauptet - zeigen sollten, daß die Preisabsprache für sie geringere als die auf dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem festgestellten Auswirkungen hatte, würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht ausreichen, um die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen. Die Behauptung der Klägerin, daß sich die Kommission in Randnummer 16 der Entscheidung auf eine falsche Definition der durchschnittlichen Gewinnspanne der Kartonhersteller gestützt habe, ist ebenfalls unerheblich. Es gibt nämlich keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Kommission die so definierte Gewinnspanne bei ihrer Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache auf den Markt herangezogen hätte oder daß die erzielte Gewinnspanne bei dieser Beurteilung hätte herangezogen werden müssen.

316 Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde. Ausserdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.

317 Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6 der Entscheidung).

318 Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte. Hierzu führt die Kommission aus, daß "sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den Kunden durchgesetzt wurden" (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder - vor allem bei Grossaufträgen - individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß "die durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag der angekündigten Preisanhebung" (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Schaubilder im LE-Bericht, einer im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der Kommission im Auftrag mehrerer Adressaten der Entscheidung erstellten Wirtschaftsstudie, macht sie jedoch geltend, in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum habe es einen "engen linearen Zusammenhang" zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise - ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet in Ecu - gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: "Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen - wenngleich mit etwas zeitlichem Abstand - nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der mündlichen Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft" (Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).

319 Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller Verhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen würde.

320 Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum unter Heranziehung der von mehreren Herstellern, darunter der Klägerin selbst, gemachten Angaben untersucht wird.

321 Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen "engen linearen Zusammenhang" gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis 1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu wie folgt zusammengefasst: "Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]" (Anhörungsprotokoll, S. 28). Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).

322 Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein, in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11, S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat, daß es den von ihr geltend gemachten "engen linearen Zusammenhang" gab.

323 In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei "unter solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keine Auswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten" (Randnr. 136 Absatz 3 der Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfassten Zeitraum.

324 Trotz dieser Ergebnisse lässt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen. Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat, daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der Absprache beeinflusst wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.

325 Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der Preisabsprache keinen Beweis.

326 Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehört, in der Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.

327 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung von Geldbussen bei der Beurteilung des im vorliegenden Fall gewählten allgemeinen Niveaus der Geldbussen prüfen (siehe unten, Randnr. 342).

- Zur angeblichen Rechtswidrigkeit einiger bei der Ermittlung der Höhe der Geldbussen herangezogener Kriterien

328 Erstens ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, auf das Gebiet, in dem die Zuwiderhandlung erfolgt sein solle (Randnr. 168, zweiter Gedankenstrich, der Entscheidung), auf den Gesamtwert des fraglichen Wirtschaftssektors (Randnr. 168, dritter Gedankenstrich) und auf die jeweilige Stellung des Unternehmens in der Branche (Randnr. 169 Absatz 1, dritter Gedankenstrich) abzustellen, weil die Höhe der Geldbussen anhand des Umsatzes jedes Unternehmens ermittelt worden sei.

329 Diese Kriterien sind für die Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung und folglich für die Ermittlung der Höhe der Geldbussen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 relevant. Zwar wurde die Höhe der Geldbussen anhand des Umsatzes jedes Unternehmens ermittelt, aber durch die Heranziehung der fraglichen Kriterien konnte die Kommission den Teil des Umsatzes, auf den bei jedem der betreffenden Unternehmen abzustellen war, sowie den Prozentsatz dieses Umsatzes bestimmen, der bei der Ermittlung der Höhe der individuellen Geldbussen angewandt werden musste.

330 Zweitens geht zum Vorbringen der Klägerin, daß die Kommission hätte berücksichtigen müssen, daß das Kartell bestimmte Mitgliedstaaten, auf die ein erheblicher Teil ihres Umsatzes entfallen sei (Spanien, Portugal, Griechenland, Irland und Dänemark), nicht erfasst habe, aus Artikel 1 der Entscheidung hervor, daß gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft geplant und durchgeführt wurden. Die Klägerin trägt auch nichts vor, was erkennen ließe, auf welcher Grundlage sie sich offenbar gegen diese Feststellung wendet. Ihr Vorbringen ist unter diesen Umständen zurückzuweisen.

331 Schließlich ist drittens das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die Kommission die zur Verschleierung der Zuwiderhandlung getroffenen Maßnahmen nicht hätte berücksichtigen dürfen.

332 Hierzu heisst es in Randnummer 167 Absatz 3 der Entscheidung: "Ein besonders gravierender Aspekt des Verstosses ist der Umstand, daß die Unternehmen bei dem Bemühen, die Existenz des Kartells zu verschleiern, soweit gingen, daß sie im voraus verabredeten, zu welchem Zeitpunkt und in welcher zeitlichen Folge die einzelnen grossen Hersteller die neuen Preiserhöhungen ankündigen würden." Ferner heisst es in der Entscheidung: "[D]ie Hersteller [hätten] aufgrund dieses ausgeklügelten Systems die Serien einheitlicher, regelmässiger und branchenweiter Preiserhöhungen in der Kartonbranche dem Phänomen "oligopolistischen Verhaltens" zuschreiben können" (Randnr. 73 Absatz 3). Schließlich hat die Kommission gemäß Randnummer 168, sechster Gedankenstrich, der Entscheidung bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen berücksichtigt, daß "aufwendige Schritte unternommen [wurden], um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.)".

333 Die Klägerin bestreitet nicht, daß die Unternehmen mit der Festlegung der Zeitpunkte und der Reihenfolge der Schreiben, in denen die Preiserhöhungen angekündigt wurden, versucht haben, das Vorliegen der Preisabsprache zu verschleiern.

334 Das Fehlen offizieller Protokolle und das fast völlige Fehlen interner Vermerke über die Sitzungen des PWG und des JMC stellen in Anbetracht der Zahl und der zeitlichen Dauer dieser Sitzungen sowie der Art der fraglichen Erörterungen einen hinreichenden Beweis für die Behauptung der Kommission dar, daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen getroffen worden seien.

335 Nach alledem war den Unternehmen, die an den Sitzungen dieser Gremien teilnahmen, nicht nur die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst, sondern sie haben auch Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen. Die Kommission hat diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu Recht als erschwerende Umstände behandelt.

- Zum allgemeinen Niveau der Geldbussen

336 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen haben, durch Entscheidung Geldbussen in Höhe von 1 000 ECU bis 1 000 000 ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Die Höhe der Geldbusse richtet sich sowohl nach der Schwere als auch nach der Dauer der Zuwiderhandlung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluß SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0338.2

337 Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der Entscheidung):

"- Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere Wettbewerbsbeschränkungen dar;

- das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;

- der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;

- die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren praktisch den gesamten Markt;

- das Kartell wurde in einem System regelmässiger Sitzungen institutionalisiert, in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert wurde;

- es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);

- das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich."

338 Ausserdem wurden unstreitig gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt.

339 Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 105 bis 108, und ICI/Kommission, Randnr. 385).

340 Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem allgemeinen Niveau der Geldbussen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission - insbesondere in der Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags (IV/31.149 - Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Polypropylen-Entscheidung), die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht - vorgenommen werden kann. Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war, wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Im übrigen bilden, wie das Gericht bereits festgestellt hat, die aufwendigen Maßnahmen der Unternehmen zur Verschleierung der Existenz der Zuwiderhandlung einen besonders schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung, der sie von den früheren von der Kommission aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.

341 Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen.

342 Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der Entscheidung wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbussen. Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß die Auswirkungen der Preisabsprache, die die Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen. Insoweit lässt sich schon allein daraus, daß die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, daß die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbussen rechtfertigen.

343 Nach alledem sind die formalen und inhaltlichen Klagegründe, die sich auf die Ermittlung der Höhe der Geldbussen beziehen, zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer falschen Beurteilung der Rolle der Klägerin

Vorbringen der Parteien

344 Die Klägerin bestreitet, zu den "Anführern" des Kartells gehört zu haben. Selbst wenn ihr das Verhalten der Vertreter des NPI zugerechnet werden könnte, hätten diese Personen doch nur an etwa der Hälfte der Sitzungen des PWG teilgenommen.

345 Wie mehrere Anlagen der Mitteilung der Beschwerdepunkte zeigten, hätten andere Hersteller ständig Druck auf sie ausgeuebt (vgl. Randnr. 76 der Entscheidung).

346 Schließlich habe das Kartell seinen Ursprung im Willen der Gemeinschaftshersteller gehabt, ihren Markt vor Ausfuhren u. a. der Hersteller in EFTA-Ländern zu schützen. Erst nachdem diese Hersteller Anlagen in der Gemeinschaft erworben hätten, sei es darum gegangen, ein Gleichgewicht zwischen den führenden europäischen Herstellergruppen zu erhalten, um die Preisinitiativen nicht zu gefährden (Randnr. 56 der Entscheidung). Da sie keine Anlagen in der Gemeinschaft erworben habe, könne sie nicht zu den "Anführern" des Kartells gezählt werden.

347 Die Kommission ist der Ansicht, daß sie die Klägerin zu Recht zu den "Anführern" des Kartells gezählt habe. Die Klägerin habe insbesondere zwei Jahre lang den Vorsitz im PWG - dem Gremium mit der zentralen Entscheidungsfunktion im Kartell - und der PK geführt. Sie habe ausserdem an allen Preiserhöhungsinitiativen teilgenommen und sogar drei Initiativen angeführt.

348 Das Protokoll einer Sitzung der Iggesund Board Sales Ltd. vom 28. und 29. Januar 1988 (Anlage 72 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, erwähnt in Randnr. 76 der Entscheidung) bestätige die zentrale Rolle der Klägerin, da aus ihm hervorgehe, daß die übrigen Hersteller mit der Vornahme ihrer eigenen Preiserhöhungen gewartet hätten, bis die Klägerin die Initiative ergriffen habe.

349 Die Äusserungen der Klägerin zu dem von den Kartellteilnehmern verfolgten Ziel bestätigten nur dessen wettbewerbswidrigen Charakter.

Würdigung durch das Gericht

350 Den Feststellungen zu den von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend gemachten Klagegründen ist zu entnehmen, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß der PWG die in der Entscheidung beschriebenen Funktionen hatte.

351 Unter diesen Umständen war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen und zu denen die Klägerin gehört, als "Anführer" der festgestellten Zuwiderhandlung anzusehen waren und aus diesem Grund eine besondere Verantwortung zu tragen hatten (vgl. Randnr. 170 Absatz 1 der Entscheidung).

352 Es steht fest, daß Führungskräfte der Klägerin an etwa der Hälfte der Sitzungen des PWG teilnahmen. Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, bei der Gestaltung des Kartells eine weniger wichtige Rolle gespielt zu haben als die übrigen Unternehmen, die an diesen Sitzungen teilnahmen, zumal ihre Vertreter fast während des gesamten von der Entscheidung erfassten Zeitraums Schlüsselpositionen im PWG einnahmen (siehe oben, Randnrn. 125 ff.)

353 Die Behauptung der Klägerin, daß andere Hersteller ständig Druck auf sie ausgeuebt hätten, kann an dieser Feststellung nichts ändern. Zunächst hat die Klägerin nicht den geringsten Beweis dafür erbracht, daß sie sich gezwungenermassen am Kartell beteiligte. Ausserdem stellt die Bezugnahme der Klägerin auf Randnummer 76 der Entscheidung ihre Rolle als "Anführerin" des Kartells nicht in Frage.

354 In dem dort zitierten Schriftstück (Anlage 72 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) heisst es:

"Aus ganz Europa wurde Druck auf die Finnen ausgeuebt, die Preise zu erhöhen. Finnboard wurde mitgeteilt, daß wir uns bei den Preisen nicht bewegen werden, bis sie eine Preiserhöhung veröffentlicht haben."

355 Diese Ausführungen zeigen lediglich, daß die übrigen Unternehmen die Ankündigung einer Preiserhöhung durch die Klägerin abwarteten, bevor sie ihre eigenen Preise erhöhten. Sie bestätigen somit nur die Rolle der Klägerin als "Anführerin" des Kartells, deren Beteiligung an den abgestimmten Preiserhöhungen die übrigen Unternehmen besondere Bedeutung beimassen.

356 Schließlich kann auch dem Vorbringen der Klägerin zu dem mit der Grundvereinbarung zwischen den führenden Herstellern verfolgten Ziel nicht gefolgt werden. Stora hat zwar ausgeführt, daß es dem PWG ursprünglich vor allem darum gegangen sei, den Anstieg der Marktanteile von Herstellern aus EFTA-Ländern zu begrenzen; dieses Bestreben ist jedoch damit zu erklären, daß ein solcher Anstieg die Bemühungen um eine Erhöhung der Preise zu untergraben drohte (vgl. Randnr. 56 Absatz 2 der Entscheidung, wo auf die Aussage von Stora in Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug genommen wird). Die Verfolgung eines solchen Zieles bestätigt im Ergebnis nur die Offenkundigkeit der festgestellten Zuwiderhandlung.

357 Angesichts dessen ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund, mit dem Fehler der Kommission bei den Bußgeldnachlässen geltend gemacht werden

Vorbringen der Parteien

358 Die Klägerin trägt vor, ihre Geldbusse hätte herabgesetzt werden müssen, da sie die gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritten habe. Sie habe in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nur Verstösse gegen Verfahrensvorschriften geltend gemacht und darauf hingewiesen, daß die von der Kommission vorgetragenen Tatsachen nicht beweiskräftig seien.

359 Zudem sei der Nachlaß, den Stora erhalten habe, ungerechtfertigt und führe zu Wettbewerbsverzerrungen, weil die Geldbussen sehr hoch seien. Ohne die Aussagen von Stora hätte die Kommission nicht über hinreichende Beweise für ein Kartell verfügt. Es gebe Anhaltspunkte dafür, daß die Aussagen von Stora ihre Hauptkonkurrenten schwächen sollten. Aus diesem Grund werde das Gericht gebeten, die Kommission zu befragen, ob mit Stora Gespräche über die Bußgeldhöhe und/oder über mögliche Nachlässe geführt worden seien.

360 Die Kommission ist der Ansicht, daß die Klägerin keinen Bußgeldnachlaß beanspruchen könne. Die Klageschrift zeige eindeutig, daß sie die von der Kommission gegen sie vorgebrachten Tatsachenbehauptungen in der Substanz bestreite.

361 Ausserdem hätte eine etwaige Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit bei der Festlegung der Höhe des Bußgelds von Stora keinen Einfluß auf die Rechtmässigkeit der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse.

Würdigung durch das Gericht

362 In ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Klägerin - ebenso wie vor dem Gericht - jede Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages bestritten.

363 Die Kommission hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, daß sich die Klägerin mit dieser Erwiderung nicht in einer Weise verhalten habe, die eine Herabsetzung der Geldbusse aufgrund einer Kooperation während des Verwaltungsverfahrens rechtfertige. Eine Herabsetzung aus diesem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Verhalten es der Kommission ermöglicht hat, eine Zuwiderhandlung leichter festzustellen und gegebenenfalls zu beenden (vgl. Urteil ICI/Kommission, Randnr. 393).

364 Zum Vorbringen der Klägerin, daß die Geldbusse von Stora zu stark herabgesetzt worden sei, ist festzustellen, daß Stora gegenüber der Kommission Aussagen gemacht hat, die eine eingehende Beschreibung von Art und Gegenstand der Zuwiderhandlung, der Funktionsweise der verschiedenen Gremien der PG Karton und der Beteiligung der einzelnen Hersteller an der Zuwiderhandlung enthalten. Durch diese Aussagen hat Stora Auskünfte gegeben, die weit über das hinausgehen, was die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann. Auch wenn die Kommission in der Entscheidung erklärt, daß sie Beweise erlangt habe, die die in den Aussagen von Stora enthaltenen Auskünfte bestätigten (Randnrn. 112 und 113), steht ausser Frage, daß die Aussagen von Stora den wichtigsten Beweis für das Vorliegen der Zuwiderhandlung darstellten. Ohne diese Aussagen wäre es somit für die Kommission zumindest sehr viel schwieriger gewesen, die den Gegenstand der Entscheidung bildende Zuwiderhandlung fest- und gegebenenfalls abzustellen.

365 Unter diesen Umständen hat die Kommission durch die Herabsetzung der gegen Stora verhängten Geldbusse um zwei Drittel das ihr bei der Festlegung der Höhe von Geldbussen zustehende Ermessen nicht überschritten. Die Klägerin kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die gegen sie verhängte Geldbusse im Verhältnis zur Geldbusse von Stora überhöht sei.

366 Somit besteht kein Anlaß, die Kommission um Auskunft darüber zu ersuchen, ob mit Stora Gespräche über die Bußgeldhöhe und/oder über mögliche Nachlässe geführt wurden.

367 Daher ist auch dieser Klagegrund zurückzuweisen.

368 Nach alledem ist Artikel 2 der Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären. Im übrigen ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

369 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) wird in bezug auf die Klägerin mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig erklärt:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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