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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: T-34/04
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 22. Juni 2005. - Plus Warenhandelsgesellschaft mbH gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Anmeldung eines Bildzeichens mit dem Wortelement "Turkish Power" als Gemeinschaftsmarke - Ältere Wortmarke POWER - Widerspruchsverfahren - Mögliche Verwechslungsgefahr - Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94. - Rechtssache T-34/04.

Parteien:

In der Rechtssache T34/04

Plus Warenhandelsgesellschaft mbH mit Sitz in Mülheim an der Ruhr (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin B. Piepenbrink,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) , vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte am Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Joachim Bälz und Friedmar Hiller, wohnhaft in Stuttgart (Deutschland),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des HABM vom 25. November 2003 (Sache R 620/20022) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft einerseits und Herrn Bälz und Herrn Hiller andererseits

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 28. Januar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 18. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Herr Joachim Bälz und Herr Friedmar Hiller meldeten am 26. September 2000 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) ein Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke an.

2. Dabei handelt es sich um das folgende Zeichen:

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3. Das Zeichen wurde für Waren der Klassen 3, 25, 28, 32, 33 und 34 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4. Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 43/01 vom 14. Mai 2001 veröffentlicht.

5. Mit Schriftsatz vom 6. August 2001 legte die Tengelmann Warenhandelsgesellschaft gegen die Anmeldung Widerspruch ein. Sie machte geltend, zwischen dem Anmeldezeichen und ihrer eigenen älteren deutschen Wortmarke POWER bestehe Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94. Diese ältere Marke wurde in Deutschland am 14. April 1994 für folgende Waren der Klasse 34 eingetragen: Tabak; Raucherartikel, nämlich Tabakdosen, Zigarren und Zigarettenspitzen, Zigarren und Zigarettenetuis, Aschenbecher, sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetallen, deren Legierungen oder damit plattiert, Pfeifenständer, Pfeifenreiniger, Zigarrenabschneider, Pfeifen, Feuerzeuge, Taschenapparate zum Selbstdrehen von Zigaretten, Zigarettenpapier, Zigarettenfilter; Streichhölzer.

6. Der Widerspruch richtete sich gegen die im Warenverzeichnis der Anmeldung enthaltenen Waren Tabak, Raucherartikel und Streichhölzer der Klasse 34.

7. Die Widerspruchsabteilung wies den Widerspruch am 27. Mai 2002 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen zurück.

8. Dagegen erhob die Widersprechende am 25. Juli 2002 Beschwerde bei der Zweiten Beschwerdekammer des Amtes. Sie machte geltend, der durch das Anmeldezeichen hervorgerufene Gesamteindruck werde durch das kennzeichnungskräftige Wort Power geprägt, während die übrigen Zeichenbestandteile keine Kennzeichnungskraft hätten. Da das prägende Element Power in beiden Marken enthalten sei, hätte dem Widerspruch stattgegeben werden müssen.

9. Am 1. Oktober 2003 wurde die ältere nationale Marke POWER im deutschen Markenregister auf die Plus Warenhandelsgesellschaft mbH als neue Inhaberin umgeschrieben.

10. Mit Entscheidung vom 25. November 2003 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Zweite Beschwerdekammer des Amtes die Beschwerde mit der Begründung zurück, dass im maßgeblichen Schutzgebiet angesichts der bildlichen, klanglichen und begrifflichen Unterschiede zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden könnten das Wort Turkish und das Bildelement eines Löwenkopfes in der angemeldeten Marke nicht ignoriert werden. Der Löwenkopf möge zwar auf den Begriff der Stärke anspielen, sei aber keine 1:1Umsetzung dieses Begriffes. Ebenso wenig lasse sich das Wortelement Turkish gänzlich vernachlässigen, da es bildlich und klanglich ins Gewicht falle und sich die Gesamtbedeutung von Turkish Power von der des Wortes Power unterscheidet.

Verfahren und Anträge der Parteien

11. Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin als neue Inhaberin der älteren nationalen Marke gegen die Entscheidung der Beschwerdekammer die vorliegende Klage erhoben.

12. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- hilfsweise, ihr rechtzeitig und schriftlich Gelegenheit zu geben, vom Gericht für ungenügend erachtete Angaben zu den geltend gemachten Rechtsfolgen und Tatsachen zu ergänzen;

- dem Amt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihren vorherigen weiteren Antrag, die Löschung der angemeldeten Marke zu beschließen, zurückgenommen.

14. Das Amt beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der Klage

15. Das Amt weist darauf hin, dass die Klägerin zwar die neue Inhaberin der älteren nationalen Marke sei, sie aber nicht am Verfahren vor der Beschwerdekammer beteiligt gewesen sei. Allerdings sei Artikel 63 Absatz 4 der Verordnung Nr. 40/94 dahin auszulegen, dass unter die an dem Verfahren vor der Beschwerdekammer Beteiligten, die vor dem Gericht Klage erheben könnten, auch die Rechtsnachfolger des Inhabers einer Marke fielen, die mit einem als Gemeinschaftsmarke angemeldeten Zeichen kollidiere.

16. Es steht fest und ist auch nie bestritten worden, dass die nationale Marke von ihrer früheren Inhaberin, der Tengelmann Warenhandelsgesellschaft, während des Verfahrens vor dem Amt an die Klägerin übertragen wurde. Damit ist die Klägerin in die Stellung der früheren Markeni nhaberin als Beteiligte am Verfahren vor der Beschwerdekammer eingetreten.

17. Die Klägerin ist somit zur Erhebung einer Klage auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung befugt.

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Parteien

18. Nach Auffassung der Klägerin sind die in der Anmeldung angegebenen Waren Tabak, Raucherartikel und Streichhölzer der Klasse 34 mit den durch die ältere Marke gekennzeichneten Waren teilweise identisch oder ihnen sehr ähnlich.

19. Das Wort Power, aus dem die ältere Marke ausschließlich bestehe, besitze eine erhöhte, durch umfangreiche Benutzung als Marke erstarkte Kennzeichnungskraft. Sie werde nicht nur warenbeschreibend verwendet, weil der relevante Handels und Verbraucherkreis keine Veranlassung habe, das Wort Power bei Tabakwaren wie z. B. die Wörter full flavour, lights oder gold als Beschaffenheitsangabe anzusehen.

20. Das angemeldete Zeichen werde ausschließlich durch das Wort Power kennzeichnend geprägt, weil nach der Grammatik der deutschen und der englischen Sprache zur Benennung von Sachen nur Hauptwörter, niemals aber Eigenschaftswörter verwendet würden. Das englische Eigenschaftswort Turkish sei für den Markenvergleich unbeachtlich, da es die beteiligten Verkehrskreise nur auf die türkische Herkunft der Waren hinweise und deshalb vom Publikum nicht als betriebskennzeichnend verstanden werde.

21. Beim Einkauf außerhalb der Selbstbedienung würden Marken regelmäßig mündlich benannt, weil dies die einfachste Form der Benennung sei. Die Bildgestaltung der angemeldeten Marke trete bei einem klanglichen Vergleich nicht in Erscheinung.

22. Die Darstellung eines Löwenkopfes zwischen den Wörtern Turkish und Power präge den bildlichen Gesamteindruck der Marke nicht eigenständig, weil sie als Sinnbild der Kraft für das Wort Power stehe, das den beteiligten Verkehrskreisen als Marke der Klägerin bekannt sei.

23. Aufgrund der Übereinstimmung der einander gegenüberstehenden Zeichen in den prägenden Bestandteilen der jeweiligen Gesamteindrücke bestehe für die deutsche Öffentlichkeit die Gefahr von Verwechslungen, weil sie glauben könnte, dass die in Frage stehenden Waren aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammten.

24. Das Amt weist zunächst darauf hin, dass angesichts des Schutzes der älteren Marke in Deutschland auf die Wahrnehmung der Marken durch das deutsche Publikum abzustellen sei; die Beschwerdekammer sei insoweit zu Recht von einem durchschnittlich informierten und aufmerksamen Publikum ausgegangen.

25. Zu berücksichtigen sei zweitens, dass die vom Widerspruch betroffenen Waren Tabak, Raucherartikel, Streichhölzer sämtlich von der älteren Marke geschützt seien. Es bestehe daher Produktidentität.

26. Drittens sei, was die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit angehe, auf die bildliche, klangliche und begriffliche Übereinstimmung der Zeichen abzustellen. Dabei seien die Zeichen in ihrer Gesamtheit zu betrachten, wobei es maßgeblich auf die sie dominierenden und unterscheidungskräftigen Elemente ankomme.

27. Die ältere Marke bestehe ausschließlich aus dem Wort Power, das für keine der betroffenen Waren beschreibend sei. Die Beschwerdekammer sei zwar der Auffassung gewesen, dass Power im Hinblick auf die fraglichen Waren eher kennzeichnungsschwach sei, habe aber zugunsten der Widersprechenden unterstellt, dass ihrer Marke eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme.

28. Das angemeldete Zeichen bestehe aus den Wörtern Turkish und Power sowie dem sie trennenden Bildbestandteil eines Löwenkopfes. Bei der Beurteilung der dieses Zeichen kennzeichnenden Bestandteile sei davon auszugehen, dass sowohl der Bestandteil Power als auch der Bildbestandteil, der Löwenkopf, und schließlich auch das Adjektiv Turkish kennzeichnend und nicht beschreibend seien. In seiner Gesamtheit vermittele dieses Zeichen einen anderen Eindruck als die Marke POWER.

29. Die Beschwerdekammer habe in Randnummer 26 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es könne zwar sein, dass ein Teil des deutschen Publikums den Bestandteil Turkish als Angabe der geografischen Herkunft der Waren verstehen könnte, doch habe Turkish Power insgesamt einen anderen Aussagegehalt als Power allein. Daher könne dieser Bestandteil bei der Ähnlichkeitsprüfung nicht außer Acht gelassen werden.

30. Die Klägerin behaupte zu Unrecht, dass nur Hauptwörter und nicht Adjektive eine Marke kennzeichnend prägen könnten. Ihre Argumentation, dass Eigenschaftswörter definitionsgemäß immer zur Beschreibung dienten, stimme nur insofern, als ihre grammatische Funktion gemeint sei. Ein in einer Marke verwendetes Adjektiv sei hingegen nicht von Natur aus beschreibend. Ob ein Adjektiv im markenrechtlichen Sinne beschreibend sei, hänge von seinem Sinngehalt sowie den mit der Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen ab.

31. Nach den Feststellungen der Beschwerdekammer in Randnummer 26 der angefochtenen Entscheidung nehme der deutsche Verbraucher die Kombination Turkish Power als eine Einheit wahr, die noch andere Bedeutungen habe, als bloß auf Produkte der Marke POWER mit türkischer Herkunft hinzuweisen. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen ihren beiden Wörtern entwickele die Verbindung Turkish Power eine von dem Begriff Power unabhängige Suggestivwirkung im Sinne eines mit dem türkischen Kultur und Geschichtsverständnis verbundenen Lebensgefühls.

32. So sei etwa die Marke INDIAN SUMMER für Getränke konzeptionell eine völlig andere als die Marke SUMMER für dieselben Waren. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf das Urteil des Gerichts vom 18. Februar 2004 in der Rechtssache T10/03 (Koubi/HABM - Flabesa [CONFORFLEX], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) berufen, wo es eben keinen sich aufdrängenden Gesamtbegriff Conforflex gegeben habe. Der Begriff Conforflex habe als solcher keine eigene Bedeutung; der Verbraucher beziehe den Bestandteil Confor vielmehr direkt auf die Waren.

33. In visueller Hinsicht stimme somit lediglich der Bestandteil Power in dem angemeldeten Zeichen mit der älteren Marke überein. Erfahrungsgemäß komme den vorangestellten Bestandteilen von Kombinationsmarken größere Bedeutung zu, da sich das Publikum im Allgemeinen an diesen Teilen orientiere.

34. Die Beschwerdekammer habe festgestellt, dass das Bildelement der angemeldeten Marke, das in dem großen Kopf eines brüllenden Löwen mit detailliert ausgearbeiteter Mähne bestehe, nicht lediglich eine unerhebliche 1:1Umsetzung des Konzepts der Stärke darstelle. Da der brüllende Löwe Aggressivität vermittele, gäben der Stil und die Art der Ausarbeitung des Löwenkopfes der angemeldeten Marke einen eigenen Charakter, der über die Aussage des Wortes Power hinausgehe. Auch insofern werde dem angemeldeten Zeichen durch die Hinzufügung eines brüllenden Löwen eine eigenständige suggestive Bedeutung verliehen, die sich nicht mit dem suggestiven Inhalt des Wortes Power in Alleinstellung decke.

35. In begrifflicher Hinsicht unterschieden sich die beiden Zeichen, da Power in Alleinstellung einen anderen Aussagegehalt und eine andere Wirkung habe als Turkish Power mit einem Löwenkopf. Die Übereinstimmung in dem Bestandteil Power könne eine konzeptionelle Ähnlichkeit für sich allein nicht begründen.

36. Insgesamt gebe es somit nur gewisse visuelle und phonetische Ähnlichkeiten zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen.

37. Die Prüfung der verschiedenen Einzelaspekte ergebe somit, dass die Waren identisch seien und die Marken im Wortbestandteil Power übereinstimmten. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass das angemeldete Zeichen einen selbständig kennzeichnungskräftigen Wortbestandteil aufweise, dass die beiden Zeichen konzeptionell unterschiedlich wahrgenommen würden und dass es ein kennzeichnungskräftiges Bildelement gebe.

38. Nach alledem bestehe keine Verwechslungsgefahr.

Würdigung durch das Gericht

39. Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 liegt vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die mit den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen gekennzeichneten Waren aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Dabei ist das Vorliegen einer solchen Gefahr unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen.

40. Diese umfassende Beurteilung impliziert eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T388/00, Institut für Lernsysteme/HABM - Educational Services [ELS], Slg. 2002, II4301, Randnr. 46).

41. Weiterhin sind bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, der der von den einander gegenüberstehenden Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck zugrunde zu legen ist, besonders die diese unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen (vgl. analog Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C251/95, Sabèl, Slg. 1997, I6191, Randnr. 23, und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I3819, Randnr. 25).

42. Die Verwechslungsgefahr ist umso größer, je stärker die Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist (vgl. analog Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 20).

43. Im Allgemeinen sind zwei Marken einander ähnlich, wenn sie aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen; relevante Aspekte sind bildliche, klangliche und begriffliche Aspekte (Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002 in der Rechtssache T6/01, Matratzen Concord/HABM - Hukla Germany [Matratzen], Slg. 2002, II4335, Randnr. 30).

44. Im vorliegenden Fall werden die Waren Tabak, Raucherartikel und Streichhölzer, die der Widerspruch betrifft, von beiden einander gegenüberstehenden Zeichen erfasst. Die betroffenen Waren sind daher, wie auch das Amt in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat, als identisch anzusehen.

45. Da die ältere Marke Power eine eingetragene deutsche Marke ist, ist Deutschland das für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 maßgebliche Schutzgebiet.

46. Da die ältere Marke in Deutschland geschützt ist, ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf die Wahrnehmung durch die deutschen Verkehrskreise abzustellen. Dazu haben die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, festgestellt, dass die Käufer von Waren der Klasse 34 wegen ihrer Markentreue bei ihren Geschäften im Allgemeinen eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legten.

47. Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die von der Beschwerdekammer getroffene Feststellung, dass zwischen dem angemeldeten Bildzeichen und der älteren Wortmarke hinreichende Unterschiede bestehen, um unter Berücksichtigung der mit den Marken gekennzeichneten Waren eine Gefahr von Verwechslungen durch die relevanten deutschen Verkehrskreise auszuschließen, auf einem Rechtsfehler beruht.

48. Die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise verstehen unstreitig sowohl das beiden Zeichen gemeinsame Wortelement Power als auch das im angemeldeten Zeichen enthaltene Wort Turkish.

49. Während die ältere nationale Marke eine Wortmarke ist, handelt es sich bei der ihr gegenüberstehenden angemeldeten Gemeinschaftsmarke um ein Bildzeichen, das aus den beiden Wörtern Turkish und Power besteht, die durch einen brüllenden Löwenkopf mit gesträubter Mähne getrennt werden.

50. Der Ausdruck Power ist gleichzeitig der einzige Bestandteil der älteren Marke und eines der drei Elemente des angemeldeten Zeichens.

51. Angesichts der Identität der in Frage stehenden Waren wäre das Vorliegen einer Gefahr von Verwechslungen durch die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise nach Auffassung des Gerichts zu bejahen, wenn der beiden Zeichen gemeinsame Bestandteil Power als das dominierende Element des angemeldeten Zeichens anzusehen ist.

52. Optisch lassen sich die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen leicht unterscheiden, da nur das angemeldete Zeichen ein komplexes Zeichen ist, das die Wortverbindung Turkish Power mit dem Bildelement eines brüllenden Löwenkopfes mit gesträubter Mähne kombiniert.

53. Durch seine zentrale Position gibt dieses Bildelement dem angemeldeten Zeichen eine ganz andere optische Struktur, als sie die ältere nationale Marke aufweist.

54. Wegen der Größe, der Originalität und der ausgearbeiteten Gestaltung dieses Bildelements werden die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens durch das Bildelement sogar dominiert, womit sich die beiden fraglichen Zeichen in optischer Hinsicht sehr markant unterscheiden.

55. Dieser Abstand wird noch dadurch betont, dass dem Wortelement Power das Wort Turkish beigegeben ist, das durch seine Stellung am Zeichenanfang neben dem Bildelement, auf dessen anderer Seite am Zeichenende das Element Power steht, zu diesem ein Gegengewicht bildet.

56. Durch seine Stellung am Zeichenanfang fällt das Element Turkish den maßgeblichen Verbrauchern sofort ins Auge und drängt damit in ihrem visuellen Gedächtnis den Bestandteil Power in den Hintergrund.

57. Auch in klanglicher Hinsicht weisen die einander gegenüberstehenden Zeichen deutliche Unterschiede auf. Während das Bildelement insofern naturgemäß ohne Bedeutung ist, bewirkt das Wortelement Turkish im angemeldeten Zeichen unstreitig eine klangliche Verschiedenheit der beiden Zeichen.

58. Die Klägerin hat insoweit nicht nachgewiesen, dass das relevante deutsche Publikum, wenn es das angemeldete Zeichen mündlich wiedergibt, das Wortelement Turkish gänzlich ignoriert. Da dieses Wortelement in seiner englischen Aussprache dem entsprechenden deutschen Wort stark ähnelt, wird es sich den betroffenen Verbrauchern vielmehr umso leichter einprägen und von ihnen hervorgebracht werden, als es jeweils der als Erstes wahrgenommene Bestandteil des angemeldeten Zeichens sein wird.

59. Außerhalb von Selbstbedienungsgeschäften setzt der Kauf der fraglichen Waren, wie auch die Klägerin hervorgehoben hat, notwendig voraus, dass beide phonetischen Bestandteile des angemeldeten Zeichens ausgesprochen werden.

60. In begrifflicher Hinsicht ergibt sich die Voranstellung des Adjektivs Turkish vor dem Substantiv Power auf natürliche Weise aus den Regeln der englischen Grammatik, so dass das Element Turkish, anders als das Amt meint, von den maßgeblichen Verbrauchern, deren Muttersprache die gleiche Regel kennt, nicht notwendig als Erstes begrifflich erfasst wird.

61. Im Übrigen hat die Beschwerdekammer selbst eingeräumt, dass sich die einander gegenüberstehenden Zeichen insofern in ihrer Bedeutung ähnlich sind, als beide den Gedanken der Stärke enthalten, so dass das Element Turkish von manchen Käufern als Hinweis auf die geografische Herkunft der Waren verstanden werden könnte.

62. Gleichwohl ist das Bildelement des Löwenkopfes nach seinen oben genannten grafischen Merkmalen geeignet, die begriffliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen, die sich aus ihrem gemeinsamen Element Power ergibt, weitgehend zu neutralisieren.

63. Denn der brüllende Löwenkopf verleiht dem Begriff der Stärke, den das Wortelement Power der älteren nationalen Marke vermittelt, eine davon verschiedene Konnotation der Aggressivität.

64. Wie das Amt zutreffend in seiner Klagebeantwortung ausgeführt hat, entwickelt die Wortverbindung Turkish Power außerdem eine von dem Wort Power unabhängige Suggestivwirkung, da die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise die gekennzeichneten Waren durch sie mit der türkischen Kultur und Geschichte in Verbindung brächten.

65. Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht festgestellt, dass sich das Bildelement des angemeldeten Zeichens nicht in einer 1:1Umsetzung des Begriffes der Stärke erschöpft.

66. Überdies wird die Wirkung der begrifflichen Ähnlichkeit, die sich aus dem gemeinsamen Bestandteil Power ergibt, durch die oben dargelegten optischen und klanglichen Unterschiede der einander gegenüberstehenden Ze ichen abgeschwächt.

67. Zudem ist der zwischen zwei Zeichen bestehende begriffliche Ähnlichkeitsgrad von nur beschränkter Bedeutung, wenn sich den maßgeblichen Verbrauchern auf der gekauften Ware eine Marke darbietet.

68. Die Bedeutung der begrifflichen Ähnlichkeit zweier Zeichen wird auch dann abgeschwächt, wenn die relevanten Verbraucher beim Kauf der in Frage stehenden Waren außerhalb von Selbstbedienungsgeschäften die gesamte das Zeichen bildende Wortverbindung aussprechen müssen.

69. Dies gilt erst recht, wenn den maßgeblichen Verbrauchern, wie oben festgestellt, Treue zu ihren traditionellen Marken eigen ist und sie deshalb bei der Produktwahl einen erhöhten Grad an Aufmerksamkeit aufbringen.

70. Daher ist der Beschwerdekammer kein Beurteilungsfehler mit ihrer Feststellung unterlaufen, dass der Aussagegehalt des Zeichens Turkish Power insgesamt ein anderer sei als der von Power, dem einzigen Wortelement der älteren nationalen Marke.

71. Entgegen der Auffassung der Klägerin erscheint der Bestandteil Power damit weder als dominierendes Element des angemeldeten Zeichens noch als prägend für den durch dieses hervorgerufenen Gesamteindruck in dem Sinne, dass sich eine Verwechslungsgefahr bei den relevanten deutschen Verkehrskreisen annehmen ließe.

72. Nach alledem konnte die Beschwerdekammer trotz der Identität der mit den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen gekennzeichneten Waren und ihres gemeinsamen Wortelements Power fehlerfrei zu dem Ergebnis gelangen, dass die maßgeblichen deutschen Verkehrskreise, die informiert, in erhöhtem Maße aufmerksam und ihren traditionellen Marken treu sind, angesichts der genannten optischen, klanglichen und begrifflichen Unterschiede zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Zeichen nicht glauben werden, dass die in Frage stehenden Waren von demselben Unternehmen oder gegebenenfalls von wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

73. Die von der Beschwerdekammer vorgenommene Beurteilung der Verwechslungsgefahr kann unter den gegebenen Umständen auch nicht durch die Kennzeichnungskraft der älteren nationalen Marke in Frage gestellt werden, die die Klägerin aus ihren Verkaufsstatistiken herleitet.

74. Den Akten des Amtes kann im Übrigen nicht entnommen werden, dass die Verkaufsstatistiken für Zigaretten der Marke POWER, die die Klägerin in ihrer Klageschrift als Beleg für die Bekanntheit ihrer nationalen Marke anführt, den Stellen des Amtes vorlagen. Die vorgelegten Daten beziehen sich überdies teilweise auf Zeiträume nach Einreichung der Beschwerdeschrift bei der Beschwerdekammer.

75. Daher können diese Statistiken die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nur berühren, wenn das Amt sie von Amts wegen hätte berücksichtigen müssen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T247/01, eCopy/HABM [ECOPY], Slg. 2002, II5301, Randnr. 46).

76. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, da das Amt nach Artikel 74 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in Verfahren bezüglich relativer Eintragungshindernisse bei seinen Ermittlungen auf das Vorbringen und die Anträge der Beteiligten beschränkt ist.

77. Der erste Klagegrund einer fehlerhaften Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Entzug von Rechten des geistigen Eigentums

78. Die Klägerin macht geltend, dass die Gemeinschaft nicht befugt sei, ihr dadurch Rechte des geistigen Eigentums zu nehmen, dass sie ihre ältere Marke unsanktioniert der Nachahmung und Verletzung durch Übernahmen nach Art des angemeldeten Zeichens aussetze.

79. Sie werde, unter Verletzung ihres nationalen Rechts, rechtswidrig an der Ausübung gewerblicher Schutzrechte gehindert, die sie in ihrem Sitzstaat ordnungsgemäß erworben habe.

80. Das Amt hält diese Rüge für unbeachtlich, da im Verwaltungsverfahren über die Eintragungsfähigkeit der angemeldeten Gemeinschaftsmarke, nicht aber über die Gültigkeit der älteren nationalen Marke zu entscheiden sei.

81. Insoweit genügt der Hinweis, dass die ältere nationale Marke der Klägerin durch die etwaige Eintragung des angemeldeten Zeichens als Gemeinschaftsmarke in keinem Fall ihre Gültigkeit verliert.

82. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist diese Eintragung nämlich nicht geeignet, bei den deutschen Verkehrskreisen eine Gefahr von Verwechslungen zwischen dem als Gemeinschaftsmarke angemeldeten Bildzeichen und der älteren nationalen Wortmarke der Klägerin zu begründen.

83. Die Klägerin macht daher zu Unrecht geltend, ihr würden die gewerblichen Schutzrechte genommen, die sich aus ihrer älteren nationalen Marke ergeben.

84. Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

85. Damit ist die Klage insgesamt abzuweisen.

86. Da dem Gericht nach seiner Auffassung hinreichende Informationen vorliegen, ist dem Hilfsantrag der Klägerin nicht stattzugeben.

Kosten

87. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

88. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Amtes dessen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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