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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 11.05.1992
Aktenzeichen: T-34/91
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 64
Beamtenstatut Art. 38
Beamtenstatut Art. 90
Beamtenstatut Art. 91
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Aus den Artikeln 90 und 91 des Statuts ergibt sich, daß eine Klage eines Beamten nur zulässig ist, wenn das in diesen Bestimmungen vorgesehene vorherige Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist. Möchte ein Beamter den Erlaß einer ihn betreffenden Verfügung der Anstellungsbehörde erreichen, so muß er gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts das Verwaltungsverfahren bei der Anstellungsbehörde durch einen Antrag auf Erlaß der erbetenen Verfügung einleiten. Erst gegen die Ablehnung dieses Antrags, von der bei Ausbleiben einer Antwort der Verwaltung angenommen wird, daß sie nach Ablauf einer Frist von vier Monaten erfolgt sei, kann der Antragsteller gemäß Artikel 90 Absatz 2 binnen einer weiteren Frist von drei Monaten Beschwerde bei der Anstellungsbehörde einlegen. Liegt hingegen bereits eine von der Anstellungsbehörde erlassene Verfügung vor, die eine den Beamten beschwerende Maßnahme darstellt, muß dieser von dem Beschwerdeverfahren nach Artikel 90 Absatz 2 Gebrauch machen, wenn er die Aufhebung, die Änderung oder die Rücknahme der ihn beschwerenden Verfügung beantragen will.

2. Die Artikel 90 und 91 des Statuts sind zwingende Vorschriften, deren Anwendung sich die Parteien nicht entziehen können. Es ist demnach Sache des Gerichts, unabhängig vom Parteivorbringen zum einen zu prüfen, ob im vorliegenden Fall eine den Beamten beschwerende Maßnahme vorliegt, die damit den Beginn des in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehenen Vorverfahrens darstellt, und zum anderen die Schreiben, die vom Kläger an das Organ, dem er angehört, gerichtet wurden, rechtlich zu qualifizieren. Es unterliegt nämlich der Beurteilung des Gerichts und nicht dem Willen der Parteien, ob ein Schreiben eines Klägers als Antrag oder Beschwerde qualifiziert wird.

3. Die beschwerende Maßnahme ist diejenige, die die dienstrechtliche Stellung des Beamten unmittelbar und sofort berührt. Eine solche Maßnahme muß von der Anstellungsbehörde erlassen werden und eine Verfügung darstellen.

Dies ist nicht der Fall bei einem Vermerk, der nicht von der Anstellungsbehörde, sondern vom Vorgesetzten des Beamten an diesen gerichtet wird und mit dem dieser über seine bevorstehende Wiederverwendung unterrichtet wird. Ein solcher Vermerk ist als eine die Wiederverwendungsverfügung vorbereitende Maßnahme anzusehen, die - von der zuständigen Behörde erlassen - die beschwerende Verfügung darstellt, gegen die der Betroffene gemäß den Artikeln 90 Absatz 2 und 91 des Statuts die Verwaltungsbeschwerde zu erheben hat.

4. Damit die Handlung eines Beamten als Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts qualifiziert werden kann, ist erforderlich, daß dieser hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, daß er Abhilfe für seine Beschwerdepunkte erlangen will, wenn er auch nicht ausdrücklich auf diese Vorschriften Bezug zu nehmen braucht.

Dies ist nicht der Fall bei einer vom Beamten an die Verwaltung gerichteten Bitte um Auskunft und Anhörung, die nicht die formalen Merkmale einer Beschwerde aufweist und die entgegen Artikel 90 Absatz 3 des Statuts der Anstellungsbehörde nicht auf dem Dienstweg mitgeteilt wurde und auch im Hinblick auf ihren Inhalt und Gegenstand nicht die Merkmale einer Beschwerde aufweist.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 11. MAI 1992. - EDWARD P. WHITEHEAD GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE T-34/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Der Kläger, der die britische Staatsangehörigkeit besitzt, ist Beamter der Besoldungsgruppe A 4. Er ist im Jahre 1963 im Rahmen eines Euratom-Forschungsprogramms als Bediensteter auf Zeit in den Dienst der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Kommission) getreten. Mit Verfügung vom 26. März 1965 wurde er zum wissenschaftlichen Beamten ernannt und der Generaldirektion Forschung und Unterricht, Dienststelle Biologie, zugeordnet. Mit Verfügung vom 6. Dezember 1965 wurde er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Er gehört seit 1. Juli 1976 der Generaldirektion XII an. Während er früher der Direktion Forschung über nukleare Sicherheit zugewiesen war, untersteht er seit September 1990 der Direktion "Förderung der Politik in Wissenschaft und Technologie". Er wurde zunächst dem nationalen Institut für Agrarwirtschaft in Paris, dann von 1968 bis 1973 dem internationalen Institut für Gentechnik und Biophysik in Neapel und schließlich im Rahmen des Programms "Strahlenschutz" vom 15. Juni 1973 bis zum 31. August 1990 dem Institut für Biochemie der Universität Rom zugewiesen.

2 Seit 1987 kürzte die Haushaltsbehörde die diesem Forschungsprogramm zugewiesenen Mittel zunehmend, so daß sich dessen Ausstattung von 71 Personen im Jahr 1977 auf 28 im Jahr 1991 verminderte, was nach Ansicht der Kommission zur folgenden Alternative führte: entweder das betroffene Personal anderen wissenschaftlichen oder verwaltungsbezogenen Aufgaben zuzuweisen oder mit ihnen eine gemeinsame Lösung zu finden, um ihre Tätigkeit zu beenden, wie etwa die Freisetzung oder den Urlaub aus persönlichen Gründen.

3 Am 19. Dezember 1989 teilte Abteilungsleiter Tanzilli dem Kläger mit einem Vermerk mit, daß er von Januar 1990 an wieder in Brüssel verwendet würde. Entgegen diesem Vermerk wurde der Betroffene jedoch nicht von Januar 1990 an wieder in Brüssel verwendet. Nach dem Vortrag der Kommission ist die Durchführung dieses Vermerks nämlich verschoben worden, um vom Kläger geltend gemachte persönliche Schwierigkeiten zu berücksichtigen, die ihm aufgrund seiner Wiederverwendung in Brüssel entstuenden.

4 Mit Vermerk vom 24. Juli 1990 teilte Abteilungsleiter Tanzilli dem Kläger mit folgenden Worten mit, daß er vom 1. September 1990 an wieder in Brüssel verwendet würde:

"Dear Mr. Whitehead,

Referring to the previous exchange of letters and to your recent telephone conversation with Mrs. Larsen, I confirm your assignment to DG XII-H-1, Brussels, as from 1st september 1990. You will take up duties with Mr. Bellemin' s team.

Would you kindly confirm receipt of this letter as soon as possible."

("Sehr geehrter Herr Whitehead,

ich beziehe mich auf den vorangegangenen Schriftverkehr und auf das Telefongespräch, das Sie mit Frau Larsen führten, und bestätige, daß Sie vom 1. September 1990 an nunmehr der DG XII-H-1, Brüssel, zugewiesen sind. Sie werden Ihr Amt in der Gruppe von Herrn Bellemin ausüben.

Ich bitte Sie, den Erhalt dieses Schreibens so bald wie möglich zu bestätigen.")

Der Betroffene bestätigte den Erhalt dieses Vermerks am 25. Juli 1990.

5 Mit Verfügung vom 25. September 1990 ordnete der Generaldirektor der DG XII als Anstellungsbehörde die Wiederverwendung des Klägers in Brüssel mit Wirkung vom 1. September 1990 an. Nach dem Vortrag des Klägers ist ihm diese Verfügung nicht bekanntgegeben worden. Nach dem Vortrag der Kommission ist diese Verfügung dem Kläger dreimal vorgelegt worden; doch habe dieser sich geweigert, den Empfang zu bestätigen.

6 Der Kläger nahm am 1. September 1990 seine neue Tätigkeit in Brüssel auf. Am 11. Oktober 1990 sandte er einen Vermerk an den Leiter der Verwaltungseinheit XII-B der Generaldirektion, dessen Kopie auch an den Generaldirektor ging; darin nahm er zunächst auf die "Vermerke" des Abteilungsleiters Tanzilli vom 19. Dezember 1989 und vom 24. Juli 1990 bezug und wies dann auf die beruflichen und familiären Schwierigkeiten hin, die ihm durch seine Umsetzung von Rom nach Brüssel entstuenden, beschwerte sich darüber, wie die Kommission seine Laufbahn gestaltete und erklärte, er betrachte sich als noch immer in Rom verwendet; schließlich bat er um ein Gespräch, um zu prüfen, welche Möglichkeiten bestuenden, seine Forschungsarbeit in Rom, Frascati oder Ispra fortzusetzen. Hierauf erfolgte nichts.

7 Mit Vermerk des Leiters der Abteilung "Besoldung und operationelle Mittel" vom 11. Oktober 1990 wurde dem Kläger die Verfügung bekanntgegeben, von Oktober 1990 an auf seine Dienstbezuege den für Brüssel geltenden Berichtigungsköffizienten anzuwenden und einen Betrag von 13 115 BFR einzubehalten, der dem Betrag entspreche, den er aufgrund der Anwendung des in Rom geltenden Berichtigungsköffizienten auf die ihm im Oktober 1990 ausbezahlten Dienstbezuege zuviel erhalten habe.

8 Mit Schreiben vom 31. Dezember 1990 wies der Kläger darauf hin, daß von seinen Dienstbezuegen für Dezember ein Abzug einbehalten worden sei, und gab an, er wisse nicht, welche rechtliche Grundlage es der Kommission gestattet habe, einen solchen Abzug vorzunehmen, da die Verfügung über seine Wiederverwendung in Brüssel ihm nicht bekanntgegeben worden sei; seine Familie wohne noch immer in Rom, wo er seinen Hauptwohnsitz habe. Er bitte deshalb, ihm diesen Punkt näher zu erläutern.

9 Der Leiter des Referats "Besoldung und operationelle Mittel" antwortete auf diesen Vermerk mit Schreiben vom 4. Februar 1991, das an den Wohnsitz des Klägers in Rom gesandt wurde. Mit diesem Schreiben wurde der Kläger darauf hingewiesen, daß gemäß Artikel 64 des Beamtenstatuts (im folgenden: Statut) auf das Gehalt eines Beamten ein Berichtigungsköffizient angewandt werde, der die Lebensbedingungen am Ort der dienstlichen Verwendung berücksichtige. In dem Schreiben wurde ihm erläuternd mitgeteilt, seit September 1990 sei Brüssel als Ort seiner dienstlichen Verwendung festgelegt worden; der auf sein Gehalt anwendbare Berichtigungsköefizient betrage demzufolge 100, während der bis dahin anwendbare Berichtigungsköffizient 104,8 betragen habe. Weiter ist in diesem Schreiben ausgeführt, der neue Berichtigungsköffizient sei zum ersten Mal im Oktober 1990 angewandt worden. Hieraus habe sich in bezug auf das im Oktober 1990 bezogene Gehalt eine Überzahlung von 13 115 BFR ergeben.

10 Der Kläger trägt vor, er habe von diesem Schreiben erst zu einem unbestimmten Zeitpunkt, anläßlich eines seiner Aufenthalte in Rom, Kenntnis erlangt.

11 Der Kläger hat dann die vorliegende Klage erhoben, die am 13. Mai 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist. Mit am 19. September 1991 eingereichtem Schriftsatz hat er ausdrücklich auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet.

Anträge und Klagegründe der Parteien

12 Der Kläger beantragt,

- die Verfügung der Kommission vom 24. Juli 1990 über die Umsetzung des Klägers nach Brüssel aufzuheben, soweit sie nicht den Ersatz aller Schäden und Nachteile vorsieht, die sich aus ihr für den Kläger ergeben;

- die Verfügung vom 11. Oktober 1990 über den Abzug eines Betrags von 13 115 BFR, bei der mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 der für Brüssel geltende Berichtigungsköffizient angewandt wird, aufzuheben;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig oder zumindest als unbegründet abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit der Klage

14 Der Kläger bringt drei Klagegründe vor, um seine Anträge zu stützen. Er macht geltend, die angefochtenen Verfügungen seien unzureichend begründet, die Verwaltung habe ihre Fürsorgepflicht verletzt sowie gegen Artikel 38 Buchstabe d des Statuts und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten verstossen.

15 Gemäß Artikel 111 der Verfahrensordnung kann das Gericht ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluß entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist, wenn eine Klage offensichtlich unzulässig ist. Im vorliegenden Fall hält das Gericht (Dritte Kammer) die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt, die mündliche Verhandlung nicht zu eröffnen.

Zur Zulässigkeit der Anträge, die gegen den Vermerk vom 24. Juli 1990 gerichtet sind, mit dem dem Kläger bekanntgegeben wurde, daß er mit Wirkung vom 1. September 1990 in Brüssel wiederverwendet werde

16 Der Kläger ist der Ansicht, die ihn beschwerende Maßnahme sei die Verfügung über seine Wiederverwendung in Brüssel. Diese Maßnahme sei ihm mit dem Vermerk des Abteilungsleiters Tanzilli vom 24. Juli 1990 bekanntgegeben worden. Diese Verfügung sei mit dem Vermerk vom 11. Oktober 1990 angefochten worden. Da die Verwaltungsbehörde diesen Vermerk nicht beantwortet habe, sei dieser stillschweigend zurückgewiesen worden; der auf die Aufhebung der Verfügung gerichtete Antrag des Klägers sei zulässig.

17 Die Kommission hingegen ist der Ansicht, die Klage sei unzulässig, soweit sie gegen die Verfügung vom 24. Juli 1990 gerichtet sei. Diese Verfügung sei nämlich nur eine Maßnahme zur Durchführung der im vorausgegangenen Vermerk des Abteilungsleiters Tanzilli enthaltenen Wiederverwendungsverfügung vom 19. Dezember 1989 gewesen, die über die Wiederverwendung keinen Zweifel habe aufkommen lassen. Diese Verfügung sei jedoch bestandskräftig geworden, da sie nicht fristgerecht angefochten worden sei. Die Verfügung vom 19. Dezember 1989 über die Wiederverwendung des Klägers in Brüssel sei im Anschluß an ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Generaldirektor der Generaldirektion XII getroffen worden, der gemäß der Verfügung der Kommission vom 11. Mai 1989 über die Dezentralisierung bestimmter Befugnisse auf dem Gebiet der Personalverwaltung zugunsten der Generaldirektoren (veröffentlicht im Bulletin der Verwaltungsmitteilungen Nr. 597 vom 21. Juni 1989) auch Anstellungsbehörde sei. Demzufolge könne der Kläger im Rahmen einer Klage, die gegen eine Maßnahme zur Durchführung der Verfügung vom 19. Dezember 1989 gerichtet sei, diese selbst nicht in zulässiger Weise anfechten. Soweit die Klageanträge, mit denen nicht der Zeitpunkt, in dem die Umsetzungsmaßnahme wirksam werde, sondern diese als solche angefochten werde, sich gegen die Verfügung vom 24. Juli 1990 richtete, seien sie also unzulässig, da diese Verfügung insoweit nur eine Bestätigung der Verfügung vom 19. Dezember 1989 darstelle (Urteile des Gerichtshofes vom 2. Juli 1969 in der Rechtssache 27/68, Renckens/Kommission, Slg. 1969, 255, und vom 28. Mai 1980 in den Rechtssachen 33/79 und 35/79, Kuhner/Kommission, Slg. 1980, 1677; Beschluß des Gerichtshofes vom 16. Juni 1988 in der Rechtssache 372/87, Progoulis/Kommission, Slg. 1988, 3091; Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991 in der Rechtssache T-14/91, Weyrich/Kommission, Slg. 1991, II-235).

18 Hinsichtlich dieser Argumentation der Parteien ist festzustellen, daß sich aus den Artikeln 90 und 91 des Statuts ergibt, daß eine Klage eines Beamten gegen das Organ, dem er angehört, nur zulässig ist, wenn das in diesen Bestimmungen vorgesehene vorherige Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist (Beschluß des Gerichtshofes vom 4. Juni 1987 in der Rechtssache 16/86, P./WSA, Slg. 1987, 2409, und Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991, a. a. O.). Möchte ein Beamter den Erlaß einer ihn betreffenden Verfügung der Anstellungsbehörde erreichen, so muß er gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts das Verwaltungsverfahren bei der Anstellungsbehörde durch einen Antrag auf Erlaß der erbetenen Verfügung einleiten. Erst gegen die Ablehnung dieses Antrags, von der bei Ausbleiben einer Antwort der Verwaltung angenommen wird, daß sie nach Ablauf einer Frist von vier Monaten erfolgt sei, kann der Antragsteller gemäß Artikel 90 Absatz 2 binnen einer weiteren Frist von drei Monaten Beschwerde bei der Anstellungsbehörde einlegen. Liegt hingegen bereits eine von der Anstellungsbehörde erlassene Verfügung vor, die eine den Beamten beschwerende Maßnahme darstellt, so hätte ein Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts keinen Sinn; der Beamte muß daher von dem Beschwerdeverfahren nach Artikel 90 Absatz 2 Gebrauch machen, wenn er die Aufhebung, die Änderung oder die Rücknahme der ihn beschwerenden Verfügung beantragen will (Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991, Weyrich/Kommission, a. a. O.).

19 Diese Regelungen ergeben sich aus zwingenden Vorschriften, deren Anwendung sich die Parteien nicht entziehen können (Urteil des Gerichtshofes vom 19. Februar 1981 in den Rechtssachen 122/79 und 123/79, Shiavo/Rat, Slg. 1981, 473). Es ist demnach Sache des Gerichts, unabhängig vom Parteivorbringen zum einen zu prüfen, ob im vorliegenden Fall eine den Beamten beschwerende Maßnahme vorliegt, die damit den Beginn des in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehenen Vorverfahrens darstellt, und zum anderen die vom Kläger an die Kommission gerichteten Schreiben rechtlich zu qualifizieren. Wie das Gericht nämlich im Urteil vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90 (Pérez-Mingüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143) entschieden hat, unterliegt es seiner Beurteilung und nicht dem Willen der Parteien, ob ein Schreiben eines Klägers als Antrag oder Beschwerde qualifiziert wird. Im Lichte dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob nach den Umständen des vorliegenden Falles die Anstellungsbehörde gegenüber dem Kläger eine Verfügung getroffen hat, die diesen beschweren kann, und bejahendenfalls, ob dieser gegen diese Verfügung das in den Artikeln 90 Absatz 2 und 91 des Statuts zwingend vorgeschriebene Verfahren der vorherigen Verwaltungsbeschwerde eingeleitet hat. Ausserdem ist zu prüfen, ob die in diesen Vorschriften vorgesehenen Fristen eingehalten wurden.

20 Nach Ansicht des Klägers stellt der erwähnte Vermerk des Abteilungsleiters Tanzilli vom 24. Juli 1990 die angefochtene Verfügung dar, gegen die der Kläger gemäß den Artikeln 90 Absatz 2 und 91 des Statuts eine Beschwerde habe erheben können. Die Kommission ist zwar der Auffassung, daß diese Maßnahme nur eine wiederholende Verfügung sei, doch hat sie nicht bestritten, daß sie eine Verfügung sei.

21 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die beschwerende Maßnahme diejenige, die die dienstrechtliche Stellung des Beamten unmittelbar und sofort berührt (vgl. zuletzt die Urteile vom 14. Juli 1976 in der Rechtssache 129/75, Hirschberg/Kommission, Slg. 1976, 1259, und vom 21. Januar 1987 in der Rechtssache 204/85, Stroghili/Rechnungshof, Slg. 1987, 389, sowie Beschluß vom 16. Juni 1988, Progoulis/Kommission, a. a. O.). Werde die streitige Maßnahme von der Anstellungsbehörde erlassen, so stellt dies nach ständiger Rechtsprechung einen Anhaltspunkt dafür dar, daß sie geeignet ist, die dienstrechtliche Stellung des Bediensteten zu berühren (Urteile des Gerichtshofes vom 1. Februar 1979 in der Rechtssache 17/78, Deshormes/Kommission, Slg. 1979, 189, und vom 20. November 1980 in der Rechtssache 806/79, Gerin/Kommission, Slg. 1980, 3515; Beschluß des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 48/79, Ooms/Kommission, Slg. 1979, 3121). Ausserdem ist der Inhalt der Maßnahme als solcher zu prüfen, um festzustellen, ob sie eine Verfügung darstellt.

22 Im vorliegenden Fall ist gemäß der genannten Verfügung vom 11. Mai 1989 über die Dezentralisierung gewisser Befugnisse auf dem Gebiet der Personalverwaltung zugunsten der Generaldirektoren der Generaldirektor der GD XII die Anstellungsbehörde. Somit ist der Vermerk, der am 24. Juli 1990 von Abteilungsleiter Tanzilli unterzeichnet wurde, nicht von der Anstellungsbehörde abgefasst worden. Im übrigen stellt sich dieser Vermerk im Hinblick auf seinen Inhalt als ein blosses Auskunftsschreiben dar, mit dem dem Kläger dargelegt wurde, daß ihm gegenüber mit Wirkung vom 1. September 1990 eine Maßnahme zur Wiederverwendung in Brüssel getroffen werde. Diese Maßnahme ist am 25. September 1990 tatsächlich getroffen worden; sie wurde von der zuständigen Stelle unterzeichnet und erging in der Form einer wirklichen Verfügung. Das Gericht ist deshalb der Auffassung, daß allein die Maßnahme vom 25. September 1990 eine Verfügung darstellt, die beschwerend ist und deshalb unter den in Artikel 90 Absatz 2 und 91 des Statuts genannten Voraussetzungen Gegenstand einer der jeder Klage vorausgehenden Beschwerde sein kann. Jedoch richten sich die Klageanträge nicht gegen diese Verfügung, gegen die der Kläger zudem das vorstehend näher geprüfte Beschwerdeverfahren nicht in Gang gesetzt hat. Demzufolge sind die Klageanträge in dieser Hinsicht unzulässig, da sie sich gegen eine Maßnahme richten, die die von der Anstellungsbehörde am 25. September 1990 erlassene Verfügung nur vorbereitete.

23 Selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgeht, daß der ihm am 24. Juli 1990 zugesandte Auskunftsvermerk als beschwerende Verfügung anzusehen sei, so müssten doch die Klageanträge in dieser Hinsicht wegen Missachtung des vorgerichtlichen Verfahrens abgewiesen werden. Das Schreiben, das der Kläger am 11. Oktober 1990 - mit Kopie an den Generaldirektor - an den Direktor, dem er unterstand, sandte, kann nämlich nicht als Beschwerde im Sinne der Artikel 90 und 91 des Statuts qualifiziert werden. Damit die Handlung eines Beamten als Beschwerde im Sinne dieser Vorschriften qualifiziert werden kann, ist es nämlich erforderlich, daß dieser hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, daß er Abhilfe für seine Beschwerdepunkte erlangen will, wenn er auch nicht ausdrücklich auf diese Vorschriften Bezug zu nehmen braucht (Urteile des Gerichtshofes vom 28. Mai 1970 in der Rechtssache 30/68, Lacroix/Kommission, Slg. 1970, 301; vom 7. Juli 1971 in der Rechtssache 79/70, Müllers/WSA, Slg. 1971, 689, und vom 22. November 1972 in der Rechtssache 19/72, Thomik/Kommission, Slg. 1972, 1155).

24 Im vorliegenden Fall ergibt die Prüfung des Vermerks vom 11. Oktober 1990, daß es sich dabei um eine blosse Bitte um Anhörung handelt, mit der der Kläger Auskünfte in bezug auf seine neue Lage erhalten wollte. Im Hinblick hierauf ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß die einleitenden und abschließenden Absätze dieser auf ein Treffen mit dem Direktor gerichteten Bitte wie folgt lauten:

"Urgent: Dr. Tanzilli' s notes of 19/12/89 and 24/7/90 to me (copies enclose).

Dear Mr G.,

I am writing to you as director, DG XII-B to request an urgent meeting in order to clarify what appears to be an irregular situation arising as consequence of the above communications, as well as to discuß the underlying problems as illustrated below.

...

The meeting I am urgently requesting with you should therefore also deal with possibilities of me continuing research work in Rome or Frascati where the CCE has many research contracts, and in second place possibilities of development of scientific work at CCR Ispra."

["Dringend: Dr. Tanzillis Vermerke vom 19. 12. 89 und 24. 7. 90 an mich (Kopien anbei).

Sehr geehrter Herr G.,

ich schreibe Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Direktor der DG XII-B, um Sie dringend um ein Treffen zu bitten, um die offenbar regelwidrige Situation zu klären, die aufgrund der oben angeführten Vermerke entstanden ist, sowie die im folgenden näher dargestellten Probleme zu besprechen.

...

Gegenstand des Treffens mit Ihnen, um das ich dringend bitte, sollte auch sein, welche Möglichkeiten für mich bestehen, meine Forschungsarbeit in Rom oder Frascati, wo die EWG zahlreiche Forschungsverträge hat, fortzusetzen, und in zweiter Linie, welche Möglichkeiten bestehen, eine Forschungsarbeit bei der gemeinsamen Forschungsstelle Ispra aufzunehmen."]

25 Diese Bitte um Auskunft und Anhörung vom 11. Oktober 1990 stellt nach ihrem Inhalt und ihrem Gegenstand keine Beschwerde dar; sie weist auch nicht die entsprechenden formalen Merkmale auf und wurde entgegen Artikel 90 Absatz 3 des Statuts der Anstellungsbehörde auch nicht auf dem Dienstweg mitgeteilt. Im übrigen ist festzustellen, daß der Kläger nicht ausdrücklich geltend macht, eine Beschwerde erhoben zu haben. Insbesondere qualifiziert er in seinem Klageantrag diese bei seinem Dienstvorgesetzten eingereichte Bitte um ein Gespräch als "Vermerk" vom 11. Oktober 1990 und nicht als Beschwerde.

26 Selbst wenn man im übrigen unterstellt, daß der Vermerk vom 11. Oktober 1990 einen Antrag im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 des Statuts darstellt, wäre jedenfalls festzustellen, daß auf diesen Antrag keine Beschwerde folgte, die sich gegen die stillschweigende Ablehnung gerichtet hätte, die sich aus der viermonatigen Untätigkeit der Kommission ergeben hätte; demzufolge wäre der vorliegenden Klage kein ordnungsgemässes vorgerichtliches Verfahren vorausgegangen.

27 Nach allem sind die auf die Aufhebung des Vermerks vom 24. Juli 1990 gerichteten Klageanträge unzulässig, da dieser Vermerk keine beschwerende Maßnahme darstellt und der Kläger zudem nicht gemäß Artikel 90 und 91 des Statuts vor der Klageerhebung die Verwaltungsbehörde mit einer wirklichen Beschwerde befasst hat; dabei braucht die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit nicht geprüft zu werden.

Zur Zulässigkeit der Klageanträge, die gegen die Maßnahme vom 11. Oktober 1990 gerichtet sind, mit der die Anwendung des in Brüssel geltenden Berichtigungsköffizienten auf das Dienstgehalt des Klägers festgelegt wird

28 Mit dem Vermerk, den der Leiter der Abteilung "Besoldung und operationelle Mittel" dem Kläger am 11. Oktober 1990 sandte, wird diesem mitgeteilt, daß der in Rom geltende Berichtigungsköffizient zu Unrecht auf dessen Gehalt für Oktober 1990 angewandt worden sei und daß demzufolge von seinem Gehalt für Dezember 1990 ein Abzug in Höhe von 13 115 BFR einbehalten werde, der dem Betrag der Überzahlung entspräche. Das Gericht ist der Auffassung, daß eine solche Maßnahme, die die finanzielle Lage des Bediensteten ändert, dessen Rechtsstellung berührt und eine beschwerende Verfügung darstellt (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Februar 1973 in der Rechtssache 56/72, Göth/Kommission, Slg. 1973, 181).

29 Der Kläger macht geltend, diese Verfügung sei mit Beschwerde vom 31. Dezember 1990 angefochten worden, die mit Schreiben vom 4. Februar 1991 beantwortet worden sei; von dieser Antwort habe er zu einem unbestimmten Zeitpunkt Kenntnis erlangt. Eine Aufhebungsklage gegen diese Verfügung sei also zulässig.

30 Die Kommisison hat gegenüber diesem Klageantrag keine Einrede der Unzulässigkeit erhoben; sie hat keine Einwände dagegen vorgebracht, den von ihr am 4. Februar 1991 beantworteten Vermerk des Klägers vom 31. Dezember 1990 als Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts zu qualifizieren.

31 Wie vorstehend ausgeführt, ist es Sache des Gerichts, von Amts wegen die Zulässigkeit des zweiten Klageantrags zu prüfen und das Schreiben des Klägers vom 31. Dezemmber 1990 rechtlich zu qualifizieren, wobei diese Qualifikation der Beurteilung des Gerichts und nicht dem Willen der Parteien unterliegt.

32 Ebenso wie hinsichtlich des vorstehend geprüften Vermerks des Klägers vom 11. Oktober 1990 ist festzustellen, daß der vom Kläger am 31. Dezember 1990 an den Leiter der Abteilung "Besoldung und operationelle Mittel" gesandte Vermerk, der die von letzterem am 11. Oktober 1990 gegenüber dem Kläger getroffene Verfügung betraf, nicht als Beschwerde im Sinne der Artikel 90 und 91 des Statuts qualifiziert werden kann, da dieser Antrag nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck brachte, daß der Beamte Abhilfe für seine Beschwerdepunkte erlangen will. In diesem Vermerk beschränkt sich der Kläger nämlich darauf, darauf hinzuweisen, daß von seinen Dienstbezuegen für Dezember 1990 ein Abzug einbehalten worden sei und daß er sich noch immer als nach Rom, seinem Hauptwohnsitz und dem Wohnort seiner Familie, abgeordnet betrachte, da ihm eine Verfügung der Anstellungsbehörde über seine Wiederverwendung in Brüssel nicht bekanntgegeben worden sei. Der Schlussabsatz dieses Vermerks hat folgenden Wortlaut:

"I would be grateful if you would kindly give me a clarification of this point"

("Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir diesen Punkt näher erläutern würden").

33 Eine solche Bitte um Erläuterungen kann auf Grund ihres Inhalts und ihrer Form nicht als Beschwerde im Sinne des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts qualifiziert werden. Im übrigen geht aus der Antwort der Kommission vom 4. Februar 1991 hervor, daß sie diesen Vermerk des Klägers nicht als Beschwerde aufgefasst hat. Es kann aber auch nicht als Antrag gesehen werden, da eine Verfügung vorlag und da ein Antrag im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 des Statuts, wie bereits ausgeführt (vgl. oben Randnr. 18), in dem Fall, in dem bereits eine von der Anstellungsbehörde erlassene Verfügung existiert, keinen Sinn hätte; der Beamte muß daher von dem Beschwerdeverfahren nach Artikel 90 Absatz 2 Gebrauch machen, wenn er die Aufhebung, die Änderung oder die Rücknahme der ihn beschwerenden Verfügung beantragen will.

34 Da also nicht gemäß den erwähnten Vorschriften eine vorgerichtliche Beschwerde bei der Verwaltungsbehörde erhoben wurde, sind die auf die Aufhebung der Verfügung vom 11. Oktober 1991 gerichteten Klageanträge ebenfalls unzulässig.

35 Nach allem ist die Klage wegen offenkundiger Unzulässigkeit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Mai 1992.

Ende der Entscheidung

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