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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 09.11.1995
Aktenzeichen: T-346/94
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2454/93, EGV


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2454/93 Art. 905 Abs. 2
Verordnung Nr. 2454/93 Art. 907
EGV Art. 176
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine Erstattung von Eingangsabgaben aufgrund der in Artikel 13 der Verordnung Nr. 1430/79 niedergelegten allgemeinen Billigkeitsklausel fordert, hat ein Recht auf Anhörung im Laufe des Verfahrens, nach dem über seinen Antrag entschieden werden wird.

Dieses Recht muß zunächst im Rahmen der Beziehungen zwischen dem Betroffenen und der nationalen Verwaltung gewährleistet sein, denn die Verordnung Nr. 2454/93, die regelt, wie derartige Anträge zu behandeln sind, sieht nur Kontakte zwischen dem Beteiligten und der nationalen Verwaltung zum einen und zwischen dieser und der Kommission zum anderen vor. Der Umstand, daß keine unmittelbaren Kontakte zwischen dem Beteiligten und den Dienststellen der Kommission vorgesehen sind, impliziert jedoch nicht, daß die Kommission sich in allen Fällen, in denen sie über Erstattungsanträge zu entscheiden hat, mit den Angaben zufriedengeben darf, die die nationale Verwaltung ihr übermittelt hat, wobei Artikel 905 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2454/93 im übrigen vorsieht, daß die Kommission bei dem betreffenden Mitgliedstaat zusätzliche Angaben anfordern kann.

Eine solche Anforderung ist für die Kommission geboten, um die Beachtung des Rechts des Beteiligten auf Anhörung zu gewährleisten, und zwar auf dem Wege über zusätzliche Erklärungen, die der Beteiligte zunächst gegenüber der nationalen Verwaltung abgibt und die dann an die Kommission übermittelt werden, wenn die Akte, die ihr von den nationalen Behörden vorgelegt worden ist, zwar einen Vorschlag enthält, dem Antrag stattzugeben, ihr eine günstige Entscheidung aber insbesondere deshalb nicht zu rechtfertigen scheint, weil sich aufgrund des Akteninhalts nicht ausschließen lässt, daß auf seiten des Beteiligten eine offensichtliche Fahrlässigkeit vorliegt. Die Kommission kann nämlich die komplexe rechtliche Würdigung, aufgrund deren zwischen Fahrlässigkeit und offensichtlicher Fahrlässigkeit unterschieden werden kann, nicht durchführen, ohne über alle relevanten tatsächlichen Angaben und die diesbezueglichen Erklärungen des Beteiligten zu verfügen.

2. Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage kann der Gemeinschaftsrichter, ohne in die ausschließlichen Befugnisse der Verwaltung einzugreifen, ein Gemeinschaftsorgan nicht zum Erlaß der Maßnahmen verurteilen, die sich aus einem Urteil ergeben, mit dem eine Entscheidung für nichtig erklärt wird. Artikel 176 des Vertrages, wonach das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, stellt nämlich insoweit eine abschließende Regelung dar. Ein im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission über die Ablehnung eines Antrags auf Erstattung von Eingangsabgaben gestellter Klageantrag, den Erstattungsantrag grundsätzlich für gerechtfertigt zu erklären, ist daher unzulässig.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 9. NOVEMBER 1995. - FRANCE-AVIATION SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ERSTATTUNG VON ZOELLEN - GRUNDSATZ DES KONTRADIKTORISCHEN VERFAHRENS - BESONDERE UMSTAENDE. - RECHTSSACHE T-346/94.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen und dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

1 Die Klägerin, deren Haupttätigkeit in der Wartung leichter Zivil- oder Militärluftfahrzeuge besteht, führt seit 1980 Teile und Ersatzteile von Luftfahrzeugen nach Frankreich ein. Bei der Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs fallen die eingeführten Waren je nachdem, ob sie zur zivilen (Zollbefreiung) oder zur militärischen Verwendung (Zollpflichtigkeit) bestimmt sind, unter unterschiedliche Tarifstellen.

2 Unter den Parteien ist unstreitig, daß es der Klägerin bei der Mehrzahl dieser Teile unmöglich ist, von vornherein ihre spätere Verwendung zu bestimmen, d. h. anzugeben, ob sie auf Zivilluftfahrzeugen oder auf Militärluftfahrzeugen montiert werden sollen. Für diese Teile hat sie daher niemals eine schriftliche Bewilligung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4142/87 der Kommission vom 9. Dezember 1987 zur Festlegung der Voraussetzungen für die Zulassung bestimmter Waren zur abgabenbegünstigten Einfuhr aufgrund ihrer besonderen Verwendung (ABl. L 387, S. 81) erhalten oder beantragt; eine solche Bewilligung hätte die Vorbedingung für eine zollfreie Einfuhr der von der Klägerin verwendeten Teile aufgrund ihrer "zivilen" Verwendung dargestellt.

3 Unter diesen Umständen duldete die französische Zollverwaltung zunächst, daß alle von der Klägerin eingeführten Teile unabhängig von ihrer letztendlichen Verwendung als "zivile" Teile deklariert wurden, wobei die Behandlung der zu militärischen Zwecken verwendeten und damit zollpflichtigen Teile in regelmässigen Abständen nachträglich den Vorschriften angepasst wurde.

4 Wie aus den Akten hervorgeht, teilte die französische Zollverwaltung der Klägerin im Laufe des Jahres 1988 mit, daß die Praxis, die Waren unter Zollbefreiung einzuführen und die geschuldeten Zölle aufgrund einer nachträglichen Festsetzung zu entrichten, nicht befriedigend erscheine. Sie erinnerte die Klägerin an deren zu Beginn desselben Jahres eingegangene Verpflichtung, ein mit Hilfe von elektronischer Datenverarbeitung verwaltetes privates Zollager einzurichten; diese Lösung sollte es der Klägerin ermöglichen, jedes Teil gemäß seinem zivilen oder militärischen Verwendungszweck anzumelden, wenn es das Lager verlässt. Nach der Verordnung (EWG) Nr. 2503/88 des Rates vom 25. Juli 1988 über Zollager (ABl. L 225, S. 1) soll das Zollager u. a. nämlich den Wirtschaftsteilnehmern helfen, denen die endgültige Bestimmung von Nichtgemeinschaftswaren noch nicht bekannt ist oder die diese Waren noch nicht einer solchen Bestimmung zuführen wollen.

5 Mit Schreiben vom 26. Dezember 1988 beantragte die Klägerin die Eröffnung eines privaten Zollagers in ihren Räumlichkeiten am Flugplatz. Nachdem dieser Antrag ein Jahr später noch zu keinem Ergebnis geführt hatte, bestätigte die französische Zollverwaltung mit Schreiben vom 28. November 1989 die Anwendung der während der vorangehenden Jahre verwendeten Methode der nachträglichen Festsetzung der Zölle und fügte hinzu: "In Anbetracht der bei der Einrichtung eines besonderen privaten Lagers... aufgetretenen Schwierigkeiten wird aus diesem Anlaß keine Strafe verhängt".

6 Mit Schreiben vom 25. Juni 1991 wandte sich die Klägerin an die zuständige Zollstelle und beantragte erneut die Eröffnung eines privaten Zollagers. Mit Schreiben vom 2. Oktober 1991 unterstrich der Directeur régional des douanes die dabei bestehenden und mit der Änderung der Vorschriften über Vorratslager zusammenhängenden Schwierigkeiten. Schließlich übermittelte der Directeur régional des douanes mit Schreiben vom 16. April 1992 der Klägerin die Bewilligung für den Betrieb des beantragten Lagers. Nach einer Verlegung der bis dahin zuständigen Zollstelle sandte ihr der Directeur régional des douanes jedoch mit Schreiben vom 20. Oktober 1992 einen Nachtrag zu der ursprünglich erteilten Bewilligung zu. Erst am 1. Januar 1993 wurde das Zollager eingerichtet, wobei die Klägerin diese Verzögerung auf die eben beschriebene "Langsamkeit des Verwaltungsablaufs" zurückführt.

7 Zuvor hatte die zuständige Zollstelle mit Schreiben vom 12. Juni 1990 die Klägerin davon unterrichtet, daß die tarifliche Vorzugsbehandlung, die ihr bis jetzt gewährt worden sei, ab 1. Juli 1990 wegfallen werde, weil sie ihre Verpflichtung, für das Jahr 1990 das obengenannte Zollager einzurichten, nicht eingehalten habe. Die Klägerin war demzufolge gezwungen, alle ihre Einfuhren in den freien Verkehr zu überführen und sofort die diesbezueglichen Zölle zu entrichten, einschließlich der Zölle, die sich auf Teile bezogen, die später einer "zivilen" Verwendung zugeführt werden sollten. Das obengenannte Schreiben erhält in diesem Zusammenhang folgende Angabe: "Sie werden von jetzt an zum Ende des Rechnungsjahres einen Antrag auf Erstattung der Zölle und Abgaben für die Luftfahrzeugteile einzureichen haben, die einer zivilen Verwendung zugeführt worden sind."

8 Auf einen ersten von der Klägerin im Oktober 1991 eingereichten Erstattungsantrag antwortete der Directeur régional des douanes ihr mit Schreiben vom 23. Dezember 1991, daß "die Erstattung grundsätzlich zulässig ist", wobei er feststellte, daß noch einige Belege zur Überprüfung durch die zuständige Dienststelle einzureichen seien. Die Klägerin reichte dann mit Schreiben vom 12. Juli 1993 bei der Zollverwaltung einen Antrag auf Erstattung der Zölle ein, die sie für in den Jahren 1990, 1991 und 1992 vorgenommene Einfuhren von Teilen entrichtet hatte, die schließlich auf zivilen Luftfahrzeugen montiert worden waren. Der geforderte Betrag, der erst später im einzelnen angegeben wurde, beläuft sich auf 1 610 338 FF. Weder dieser Betrag noch das zu seiner Berechnung angewendete Verfahren sind von den französischen Behörden oder von der Kommission in Zweifel gezogen worden.

9 Mit Schreiben vom 4. Januar 1994 machte die Direction générale des douanes et droits indirects die Klägerin darauf aufmerksam, daß sie im Zeitpunkt des Inverkehrbringens der in Frage stehenden Einfuhren nicht im Besitz einer Bewilligung für die abgabenbegünstigte Einfuhr aufgrund der besonderen Verwendung gewesen sei, mit der Folge, daß die von ihr entrichteten Zölle nach der Verordnung Nr. 4142/87 geschuldet gewesen seien. Sie unterrichtete die Klägerin auch davon, daß sie aufgrund der besonderen Umstände des Falles beschlossen habe, den Erstattungsantrag gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175, S. 1) der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen. Diese Vorschrift lautet in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 zur Änderung der Verordnung Nr. 1430/79 (ABl. L 286, S. 1) (im folgenden: Artikel 13) wie folgt:

"Die Eingangsabgaben können ausser in den in den Abschnitten A bis D genannten Fällen bei Vorliegen besonderer Umstände erstattet oder erlassen werden, sofern der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder offensichtlich fahrlässig gehandelt hat."

10 Mit Schreiben vom 4. Februar 1994 legte das französische Haushaltsministerium der Kommission den Fall der Klägerin aufgrund der in Artikel 905 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 253, S. 1 bzw. ABl. L 302, S. 1) enthaltenen Verfahrensvorschrift der Kommission vor. Diese Vorschrift steht in einem Kapitel, in dem bestimmte besondere Tatbestände aufgezählt sind, in denen die Voraussetzungen für eine Erstattung ipso iure als erfuellt oder ausgeschlossen gelten. Haben die nationalen Behörden es mit einem dieser Tatbestände zu tun, so sind sie für die Entscheidung über die Gewährung oder die Nichtgewährung der Erstattung zuständig. Sind sie dagegen nicht in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen und sind dem Antrag Angaben beigefügt, die die Erstattung rechtfertigen könnten, so haben sie den Fall der Kommission zur Entscheidung vorzulegen; die der Kommission übermittelte Vorlage muß alle für eine vollständige Prüfung des Falles notwendigen Angaben enthalten.

11 Ergibt sich, daß die von dem Mitgliedstaat der Kommission übermittelten Angaben nicht ausreichen, so kann diese zusätzliche Angaben anfordern. Nach Anhörung einer Sachverständigengruppe, die aus Vertretern der Mitgliedstaaten besteht und im Rahmen des Ausschusses für Zollbefreiungen zur Prüfung des Falles zusammentritt, entscheidet die Kommission, ob die besonderen Umstände die Erstattung rechtfertigen oder nicht (Artikel 907). Diese Entscheidung ist dem betreffenden Mitgliedstaat bekanntzugeben; anhand dieser Entscheidung befinden die nationalen Behörden über den Antrag des Beteiligten (Artikel 908).

12 Das französische Haushaltsministerium legte seinem Schreiben vom 4. Februar 1994 als Anlage einen zweiseitigen Aktenvorgang bei, in dem der Fall der Klägerin während des Zeitraums 1990 bis 1992 beschrieben war, in dem aber weder das auf die Klägerin vor 1990 angewendete Zollsystem noch die im Juli 1990 verfügte Änderung des Systems, noch der Schriftwechsel der Klägerin zwischen 1988 und 1992 über eine eventuelle Erstattung und die Einrichtung eines Zollagers erwähnt wurde. In der Akte wird u. a. ausgeführt,

° daß die Klägerin bei Ankunft der Waren nicht habe bestimmen können, welche Teile auf zivile oder auf militärische Luftfahrzeuge montiert werden würden, weshalb sie keinen Antrag auf Bewilligung der Abgabenbegünstigung aufgrund der besonderen Verwendung gestellt habe;

° daß sie daher ihre Einfuhren in den freien Verkehr überführt und die entsprechenden Zölle entrichtet habe, obwohl sie im Rahmen dieser Abgabenbegünstigung für diese Einfuhren eine Zollbefreiung hätte erhalten können;

° daß die Klägerin auf den Rat der Zollbehörden ihre Einfuhren seit 1993 im Zollager unterbringe.

Unter den der obengenannten Akte als Anlagen beigefügten Buchführungs- und Zollunterlagen findet sich ein Schreiben, das die Klägerin am 12. Juli 1993 an die Direction générale des douanes et droits indirects gerichtet hatte und in dem sie die Aufhebung der bis dahin angewendeten tariflichen Vorzugsbehandlung ab 1. Juli 1990, die durch verschiedene Änderungen der geltenden Vorschriften verzögerte Einrichtung ihres Zollagers am 1. Januar 1993 und die ihr erteilte Bestätigung erwähnt, daß eine Erstattung der 1990, 1991 und 1992 entrichteten Zölle beantragt werden könne.

13 In dem am 4. Februar 1994 übermittelten Vorgang schlug die französische Verwaltung vor, die Erstattung der für Teile mit "ziviler" Verwendung gezahlten Zölle zu bewilligen. Die Klägerin habe sie nicht von vornherein unterscheiden können, da diese Teile unabhängig davon, welcher Art das Luftfahrzeug sei, gleich seien. Um eine grössere Effizienz zu erreichen, habe die Klägerin ihre Einfuhren zusammengefasst, anstatt getrennte Einfuhren für die zivilen Luftfahrzeuge zu tätigen. Die in Frage stehenden Teile seien nach der Regelung für die besondere Verwendung behandelt worden. Die französische Verwaltung war der Auffassung, daß "dieser Firma kein fahrlässiges Handeln und keine betrügerische Absicht zur Last gelegt werden kann".

14 Auf Antrag der Kommission ergänzte das Ministerium die Akte im Mai 1994 durch die Übermittlung von Zahlenangaben und einer Kopie der Zollanmeldung.

15 Am 18. Juli 1994 erließ die Kommission auf der Grundlage der obengenannte Akte und nach Anhörung der nach der geltenden Vorschrift gebildeten Sachverständigengruppe gemäß Artikel 13 Absatz 1 die Entscheidung REM 4/94, wonach die Erstattung der Einfuhrzölle im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt ist, weil

° keine der in der Verordnung Nr. 4142/87 festgelegten Bedingungen für die Bewilligung der Abgabenbegünstigung bei der Einfuhr aufgrund der besonderen Verwendung von der Klägerin erfuellt worden sei, insbesondere nicht die Bedingung, daß zuvor eine schriftliche Bewilligung erteilt worden sei, wobei eine solche Bewilligung keine Rückwirkung habe;

° die Nichtbeachtung einer Regelung keinen besonderen Umstand im Sinne von Artikel 13 darstelle;

° es eine Vielzahl von Einfuhren gegeben habe und der Fehler wiederholt worden sei;

° die Klägerin offensichtlich fahrlässig gehandelt habe.

16 Nachdem die Kommission diese Entscheidung der französischen Verwaltung mitgeteilt hatte, unterrichtete diese mit Schreiben vom 13. August 1994 die Klägerin von der Entscheidung und deren wesentlichen Gründen. Wie sich aus dem auf diesem Schreiben angebrachten Stempel ergibt, ging es am 23. August 1994 in den Räumlichkeiten der Klägerin ein.

Verfahren

17 Unter diesen Umständen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben, die am 18. Oktober 1994 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist.

18 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Durch Beschluß des Gerichts vom 9. März 1995 ist die Rechtssache nach Anhörung der Parteien an die aus drei Richtern bestehende Erste Kammer verwiesen worden. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch einige prozeßleitende Maßnahmen erlassen. In der Sitzung vom 27. September 1995 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Am Schluß der Sitzung hat der Präsident die mündliche Verhandlung für geschlossen erklärt.

Anträge der Parteien

19 Die Klägerin beantragt,

° die an die Französische Republik, Direction générale des douanes et droits indirects, gerichtete Entscheidung REM 4/94 der Kommission vom 18. Juli 1994 für nichtig zu erklären;

° den über die französische Direction générale des douanes gestellten Erstattungsantrag vorbehaltlich der Überprüfung der Höhe der zu erstattenden Zölle durch diese Zollbehörde dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären;

° der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20 Die Kommission beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung

21 Zur Begründung ihres Antrags auf Nichtigerklärung macht die Klägerin drei Rügen geltend, nämlich einen Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens insoweit, als sie keine Gelegenheit gehabt habe, ihre Argumente der Kommission vorzutragen, einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes insoweit, als in der angefochtenen Entscheidung das Vertrauen nicht berücksichtigt worden sei, das sie in die Angaben der französischen Zollverwaltung über die Erstattung der entrichteten Zölle habe setzen dürfen, und eine fehlerhafte Auslegung des Begriffs "besonderer Umstand" im Sinne von Artikel 13 insoweit, als die Kommission die tatsächliche Lage der Klägerin offenkundig nicht im Hinblick auf alle entscheidungserheblichen Möglichkeiten geprüft habe. Das Gericht hält es für zweckmässig, zunächst die Rüge zu prüfen, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens vorliege.

Zur Rüge, es liege ein Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens vor

Vorbringen der Parteien

22 Die Klägerin trägt vor, der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, der für die ° als fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anerkannte ° Gewährung des rechtlichen Gehörs erforderlich sei, sei ein allgemeiner Grundsatz, wonach die Adressaten von behördlichen Entscheidungen, wenn diese Entscheidungen ihre Interessen spürbar berührten, Gelegenheit haben müssten, ihre Standpunkte gebührend darzulegen (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74, Transocean Marine Paint/Kommission, Slg. 1974, 1063, Randnr. 15, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 7). Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens sei nicht nur in Verfahren anzuwenden, die zu Sanktionen führen könnten, sondern auch in Verfahren, die zu nachteiligen Folgen für die Unternehmen führen könnten, was hier der Fall sei.

23 Sie ° die Klägerin ° habe weder bei der Sachverständigengruppe noch bei den Dienststellen der Kommission ihre eigenen Argumente geltend machen können. Der Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahren habe die Kommission im vorliegenden Fall zu einem Fehler bei der Analyse und zu einer Anwendung der Verordnung Nr. 4142/87 veranlasst, die nichts mit der tatsächlichen Lage der Klägerin zu tun habe. Die französische Zollverwaltung habe nämlich die Rolle, die sie selbst bei den Vorgängen gespielt habe, die dem Erstattungsantrag zugrunde lägen, in dem der Kommission zugeleiteten Aktenvorgang nicht deutlich dargestellt. Damit sei der Klägerin die Möglichkeit genommen worden, bei der Kommission und bei der Sachverständigengruppe zur Verteidigung ihrer Rechtsauffassung wesentliche Argumente geltend zu machen.

24 Die Kommission räumt zwar die Bedeutung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens ein, verweist aber auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach das Verfahren des Erlasses der Erstattungsentscheidung ° das verschiedene Stadien umfasse, von denen sich einige auf innerstaatlicher (Einreichung des Antrags durch das Unternehmen, erste Prüfung durch die Zollbehörden) und anderer auf Gemeinschaftsebene abspielten (Vorlage des Antrags an die Kommission, Untersuchung der Vorlage durch den Ausschuß für Zollfreistellungen, Prüfung der Vorlage durch eine Gruppe von Sachverständigen, Entscheidung der Kommission, Bekanntgabe an den beteiligten Mitgliedstaat) ° den Betroffenen alle erforderlichen Rechtsgarantien biete (Urteile vom 17. März 1983 in der Rechtssache 294/81, Control Data/Kommission, Slg. 1983, 911, vom 13. November 1984 in den verbundenen Rechtssachen 98/83 und 230/83, Van Gend en Loos/Kommission, Slg. 1984, 3763, und vom 6. Juli 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-121/91 und C-122/91, CT Control (Rotterdam) und JCT Benelux/Kommission, Slg. 1993, I-3873, Randnr. 48).

25 Im vorliegenden Fall sei dieses Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden und habe es der Klägerin ermöglicht, ihre Argumente bei den französischen Behörden vorzubringen, die ihren Erstattungsantrag bei der Kommission und der Sachverständigengruppe unterstützt hätten. Wenn die französischen Behörden die Rolle, die sie in dieser Sache hätten spielen können, nicht hervorgehoben hätten, so sei dies wohl darauf zurückzuführen, daß sie der Auffassung gewesen seien, daß die Erwähnung dieses Punkts nicht angebracht sei, sei es, daß er nicht nachgewiesen gewesen sei, sei es, daß er für die Prüfung der Begründetheit des Antrags unerheblich gewesen sei. Im übrigen habe die Kommission kein Bedürfnis verspürt, aufgrund der von den nationalen Behörden übermittelten Vorlage zusätzliche Auskünfte anzufordern, die auf jeden Fall auch nicht dazu hätten führen können, daß die angefochtene Entscheidung anders ausgefallen wäre.

26 Auf die Frage des Gerichts, ob das Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90 (Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469) eventuell einschlägig sei, hat die Kommission geantwortet, es sei nicht möglich, diese Entscheidung auf den vorliegenden Rechtsstreit zu übertragen. Die Gründe, aus denen die Kommission angerufen worden sei, seien nämlich in den beiden Fällen nicht vergleichbar: In der Rechtssache C-290/90 sei es darum gegangen, die technische Prüfung eines Antrags auf die für wissenschaftliche Geräte vorgesehene Zollbefreiung auf die am besten geeignete Entscheidungsebene zu verlegen, wobei die nationale Behörde der Auffassung gewesen sei, daß die Kommission, unterstützt von den Mitgliedstaaten, zur Durchführung von technischen Vergleichen und zur Prüfung des Vorhandenseins von gleichwertigen Geräten in der gesamten Gemeinschaft in einer besseren Stellung sei als sie selbst; dagegen hänge im vorliegenden Fall, der die Erstattung von Zöllen betreffe, die Anhebung der Zuständigkeitsebene mit der Ausrichtung der Entscheidung und ihren Auswirkungen auf die Eigenmittel der Gemeinschaft zusammen: Die Kommission werde zuständig, wenn es um die Entscheidung über eine eventuelle Erstattung gehe, während der Mitgliedstaat die Entscheidungsbefugnis behalte, wenn es darum gehe, die Erstattung abzulehnen. Die Kommission hat erneut versichert, daß die Angaben, die die Klägerin ihrer Ansicht nach zur Begründung ihrer Klage gemacht hätte, nicht dazu hätten führen können, daß die angefochtene Entscheidung anders ausgefallen wäre.

27 Auf eine Frage des Gerichts zur Regelung der besonderen Verwendungen hat die Kommission schließlich darauf hingewiesen, daß die Erteilung einer Bewilligung eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung sei. Es verstehe sich von selbst, daß der Begünstigte im Stadium der Bewilligung, aber vor allem im Stadium der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr in der Lage sein müsse, die Ware als zur Erfuellung der Voraussetzungen für die Zulassung zur besonderen Verwendung geeignet zu identifizieren. Für die Klägerin hätte die einzige legale Lösung somit darin bestanden, diese Identifizierung spätestens bei der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr vorzunehmen. Es sei jedoch klar, daß die vorherige Erteilung einer Bewilligung der besonderen Verwendung bedeutungslos werde, wenn es der Klägerin ihrer Ansicht nach unmöglich gewesen sei, bei ihrer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr eine Aufteilung der Erzeugnisse auf zivile oder militärische Verwendung vorzunehmen. Die Kommission folgert daraus, daß die Klägerin, selbst wenn sie es gewollt hätte, keine Bewilligung der besonderen Verwendung hätte erhalten und dementsprechend daraus auch keinen Vorteil hätte ziehen können.

Würdigung durch das Gericht

28 Vorab ist festzustellen, daß das Verwaltungsverfahren, das zum Erlaß der streitigen Entscheidung geführt hat, nach dem oben beschriebenen Regelungsrahmen verschiedene Stadien umfasste, die sich zum einen auf innerstaatlicher Ebene abspielten ° die Klägerin hat bei der französischen Verwaltung ihren Erstattungsantrag mit Belegen eingereicht °, und zum anderen auf Gemeinschaftsebene; nachdem die französische Verwaltung die Akte der Klägerin angelegt und der Kommission übermittelt hatte, hat diese auf die Stellungnahme einer Sachverständigengruppe hin die beantragte Erstattung für nicht gerechtfertigt erklärt.

29 In diesem Zusammenhang macht die Kommission ° unter Verweisung auf die bereits zitierten Urteile Control Data/Kommission, Van Gend en Loos/Kommission und insbesondere CT Control (Rotterdam) und JCT Benelux/Kommission ° geltend, im vorliegenden Fall sei das Recht der Klägerin auf Anhörung beachtet worden, da das streitige Verfahren der Klägerin erlaubt habe, alle ihre Argumente bei den französischen Behörden darzulegen, und da ihre von diesen übermittelte Akte sowohl der Sachverständigengruppe als auch der Kommission zur Verfügung gestanden habe.

30 Hierzu stellt das Gericht fest, daß das Recht der Klägerin auf Anhörung in einem Verfahren wie demjenigen, das Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, tatsächlich gewährleistet sein muß, und zwar zunächst im Rahmen der Beziehungen zwischen dem Beteiligten und der nationalen Verwaltung. Die Verordnung Nr. 2454/93 sieht nämlich nur Kontakte zwischen dem Beteiligten und der Verwaltung zum einen und zwischen der Verwaltung und der Kommission zum anderen vor. Auch wenn diese Regelung keine unmittelbaren Kontakte zwischen den Dienststellen der Kommission und dem Beteiligten vorsieht, impliziert sie nicht notwendigerweise, daß die Kommission sich in allen Fällen, in denen sie über Erstattungsanträge zu entscheiden hat, mit den Angaben zufrieden geben darf, die die nationale Verwaltung ihr übermittelt hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 905 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2454/93 vorsieht, daß die Kommission bei dem betreffenden Mitgliedstaat zusätzliche Angaben anfordern kann. Es ist folglich zu prüfen, ob eine solche Anforderung für die Kommission geboten war, um die Beachtung des Rechts der Klägerin auf Anhörung zu gewährleisten, und zwar auf dem Wege über zusätzliche Erklärungen, die die Klägerin zunächst gegenüber der französischen Verwaltung abgegeben hätte und die dann an die Kommission übermittelt worden wären.

31 In diesem Zusammenhang ist zu unterstreichen, daß die vorliegende Rechtssache sich in tatsächlicher Hinsicht erheblich von den oben in den Randnummern 24 und 29 zitierten Rechtssachen unterscheidet. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin nämlich geltend, daß eine von den nationalen Behörden angelegte und übermittelte Akte unvollständig sei, während in den vorgenannten drei Rechtssachen keine derartige Rüge erhoben worden ist. In der Rechtssache CT Control (Rotterdam) und JCT Benelux/Kommission hatten die Klägerinnen sogar eingeräumt, daß alle Erwägungen, die sie geltend machen konnten, in ihrem Antrag aufgeführt worden waren und daß es keinen einzigen neuen Gesichtspunkt gab, den sie nicht in ihre Beweisführung hätten einarbeiten können (Randnr. 49 des Urteils). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin dagegen auf die prozeßleitenden Maßnahmen des Gerichts hin erklärt, sie habe zur Anlegung der Akte nicht beigetragen, sie sei auch nicht in der Lage gewesen, die Akte vor deren Übermittlung an die Kommission einzusehen und sie habe sie tatsächlich auch niemals eingesehen.

32 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem bereits zitierten Urteil in der Rechtssache Technische Universität München, in dem es um die Zollbefreiung für die Einfuhr eines wissenschaftlichen Geräts ging, festgestellt hat, daß die Kommission in einem Verwaltungsverfahren, das komplexe technische Beurteilungen zum Gegenstand hat, über einen Beurteilungsspielraum verfügt, wobei er unterstrichen hat, daß der Beachtung der Garantien, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt, korrelativ zu einem solchen Beurteilungsspielraum eine grosse Bedeutung zukommt, und daß zu diesen Garantien insbesondere das Recht des Betroffenen gehört, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen (Randnrn. 13 und 14). Da die einschlägige gemeinschaftsrechtliche Regelung dem Einführer nicht die Möglichkeit gibt, bei der Kommission seinen Standpunkt darzulegen, obwohl seine Abgaben über die Merkmale des eingeführten wissenschaftlichen Geräts und zu dessen beabsichtigter Verwendung sehr nützlich sein können, hat der Gerichtshof entschieden, daß dem Recht auf Anhörung in einem solchen Verfahren nur genügt ist, wenn der Betroffene die Gelegenheit erhält, in dem Verfahren vor der Kommission Stellung zu nehmen und sich zur Relevanz der Sachumstände sowie gegebenenfalls zu den Unterlagen in sachdienlicher Weise zu äussern, auf die das Gemeinschaftsorgan zurückgreift (Randnrn. 23 bis 25).

33 Es ist zu prüfen, ob die oben wiedergegebene Argumentation des Gerichtshofes auch im Rahmen eines Verfahrens zur Anwendung des Artikels 13, wie es im vorliegenden Fall abgelaufen ist, relevant sein kann. In diesem Zusammenhang hat die Kommission sicherlich zu Recht eingewandt, daß sie wohl kaum "komplexe technische Beurteilungen" vornehme, wenn sie über die Erstattung oder Nichterstattung von Zöllen entscheide. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, daß nicht allein der besonders technische Charakter einer Sache das Recht des Betroffenen auf Anhörung vor der Kommission auslösen kann, sondern auch der Beurteilungsspielraum, über den diese auf diesem Gebiet verfügt.

34 Das Gericht stellt aber fest, daß die Kommission bei der Anwendung von Artikel 13, der vom Gerichtshof als "auf Billigkeitserwägungen beruhende Generalklausel" bezeichnet worden ist (Urteil vom 15. Dezember 1983 in der Rechtssache 283/82, Schöllershammer/Kommission, Slg. 1983, 4219, Randnr. 7), unter mehreren Gesichtspunkten über einen Beurteilungsspielraum verfügt. Zum einen betrifft diese Vorschrift "besondere Umstände", was notwendigerweise voraussetzt, daß die Kommission unter einer Vielzahl von tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten diejenigen, die für ihre endgültige Entscheidung erheblich sein können, berücksichtigt und abwägt. Zum andern muß die Kommission prüfen, ob der Beteiligte nicht nur fahrlässig, sondern "offensichtlich" fahrlässig gehandelt hat. Schließlich ist die Kommission gemäß Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93 verpflichtet, vor Erlaß ihrer Entscheidung eine Sachverständigengruppe anzuhören, was impliziert, daß es ihr freisteht, sich nach der Stellungnahme dieser Gruppe zu richten oder nicht. Aufgrund aller dieser Gesichtspunkte ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission im Rahmen eines Verfahrens zur Anwendung des Artikels 13 über einen Beurteilungsspielraum verfügt, der dem zumindest gleichwertig ist, den der Gerichtshof ihr in seinem Urteil Technische Universität München zuerkannt hat. Daraus folgt, daß die Beachtung des Rechts auf Anhörung in den Zollerstattungsverfahren garantiert sein muß.

35 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die der Kommission von den französischen Behörden übermittelte Akte ein Schreiben der Klägerin vom 12. Juli 1993 an die Zollverwaltung enthält, in der sie auf die Schwierigkeiten bei der Einrichtung des Zollagers und auf die "Bestätigung" einer eventuellen Erstattung der zwischen 1990 und 1992 entrichteten Zölle verweist. Der Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der französischen Zollverwaltung über diese beiden Punkte findet sich aber nicht in der Akte. Demnach hat die Kommission die angefochtene Entscheidung aufgrund einer unvollständigen Akte getroffen.

36 Ausserdem haben die französischen Behörden in ihrer Akte vorgeschlagen, die Erstattung zu gewähren, und dabei unterstrichen, daß der Klägerin "kein fahrlässiges Handeln" zur Last gelegt werden könne. Da die Kommission beabsichtigte, von dieser Stellungnahme abzuweichen und den Erstattungsantrag mit der Begründung abzulehnen, daß die Klägerin sogar "offensichtlich fahrlässig" gehandelt habe ° wobei die Qualifizierung "offensichtlich" durch die Verordnung Nr. 3069/86 ausdrücklich hinzugefügt worden ist °, war sie verpflichtet, die Klägerin durch die französischen Behörden anhören zu lassen. Eine solche Entscheidung über den Grad der Fährlässigkeit implizierte nämlich eine komplexe rechtliche Würdigung, die nur auf der Grundlage aller relevanten Tatsachen, einschließlich der Entscheidungen und der Erklärungen der nationalen Verwaltung gegenüber der Klägerin, vorgenommen werden konnte. In einem solchen Fall, in dem die Kommission zu Lasten der Klägerin den schweren Vorwurf des "offensichtlich fahrlässigen Handels" ausgesprochen hat, griff das Recht der Klägerin auf Anhörung durch die nationale Verwaltung noch stärker durch als in der Rechtssache Technische Universität München, in der der Gerichtshof die Anhörung des Einführers im Verfahren vor der Kommission gefordert hat, obwohl es nur um die objektive technische Prüfung eines wissenschaftlichen Geräts ging.

37 Im übrigen ist der von der Kommission hervorgehobene Umstand, daß sich sogar das französische Mitglied der vor dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung angehörten Sachverständigengruppe gegen eine Erstattung ausgesprochen habe, unerheblich. Es ist nämlich weder bewiesen noch überhaupt vorgetragen worden, daß dieses Mitglied über alle Umstände des vorliegenden Falls unterrichtet war.

38 Die angefochtene Entscheidung ist folglich nach einem Verwaltungsverfahren erlassen worden, in dem das Recht der Klägerin auf Anhörung verletzt worden ist.

39 Soweit die Kommission geltend macht, daß auch eine Berücksichtigung der zusätzlichen Angaben der Klägerin vor dem Gericht sich auf die angefochtene Entscheidung nicht auswirken könne, ist festzustellen, daß dieser Argumentation, mit der die Kommission anscheinend die Erheblichkeit des oben festgestellten Verfahrensfehlers verneinen möchte, nicht zu folgen ist. Das Gericht kann sich nämlich weder an die Stelle der zuständigen Verwaltungsbehörde setzen noch dem Ergebnis vorgreifen, zu dem diese nach einem neuen Verwaltungsverfahren aufgrund einer durch die französischen Behörden und die Klägerin vervollständigten Akte gelangen wird. Ausserdem hat die Sachverständigengruppe, zu deren Anhörung die Kommission vor Erlaß ihrer Entscheidung gemäß Artikel 907 der Verordnung Nr. 2454/93 verpflichtet ist, noch nicht von einer solchen vervollständigten Akte Kenntnis genommen und sich daher noch nicht in voller Kenntnis der Sachlage äussern können.

40 Nach alledem ist der Rüge, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens vorliege, stattzugeben. Die angefochtene Entscheidung ist folglich für nichtig zu erklären, ohne daß über die anderen Rügen der Klägerin entschieden zu werden braucht.

Zu dem Antrag, den Erstattungsantrag für gerechtfertigt zu erklären

41 Auf eine Frage des Gerichts hat die Klägerin geantwortet, sie erhalte ihren Feststellungsantrag selbst für den Fall aufrecht, daß die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ausgesprochen werde. Dabei hat die Klägerin unterstrichen, daß sie ihren Erstattungsantrag in erster Linie auf das Vertrauen stütze, das sie in die Zusicherungen der französischen Behörden hinsichtlich der Erstattung der entrichteten Zölle habe setzen dürfen. Dieser rechtliche Grund, der ausserhalb des durch die Artikel 905 ff. der Verordnung Nr. 2454/93 geschaffenen üblichen Verfahrens liege, falle allein unter die Rechtsprechungsbefugnis des Gerichts und ermögliche es diesem, gegenüber der Klägerin in bezug auf die geforderte Erstattung eine unmittelbar vollstreckbare Entscheidung zu erlassen.

42 In diesem Zusammenhang genügt der Hinweis, daß der Gemeinschaftsrichter nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag, ohne in die ausschließlichen Befugnisse der Verwaltung einzugreifen, ein Gemeinschaftsorgan nicht zum Erlaß der Maßnahmen verurteilen kann, die sich aus einem Urteil ergeben, mit dem eine Entscheidung für nichtig erklärt wird (vgl. z. B. Beschluß des Gerichts vom 27. Mai 1994 in der Rechtssache T-5/94, J/Kommission, Slg. 1994, II-391, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 8. November 1990 in der Rechtssache T-73/89, Barbi/Kommission, Slg. 1990, II-619, Randnr. 38). Artikel 176 EG-Vertrag, wonach das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, stellt nämlich insoweit eine abschließende Regelung dar. Ausserdem muß das Verwaltungsverfahren in der vorliegenden Rechtssache auf jeden Fall von der Kommission wiedereröffnet werden, so daß es verfrüht wäre, wenn das Gericht sich zu der Rüge, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vorliege, äussern würde.

43 Der Antrag, den Erstattungsantrag für gerechtfertigt zu erklären, ist daher unzulässig.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Gemäß Artikel 87 § 2 Absatz 1 ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die an die Französische Republik, Direction générale des douanes et droits indirects, gerichtete Entscheidung REM 4/94 der Kommission vom 18. Juli 1994 wird für nichtig erklärt.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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