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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 26.03.1992
Aktenzeichen: T-35/89 - TO I
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 97 § 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Aus Artikel 39 der EWG-Satzung des Gerichtshofes, Artikel 16 § 6 und 97 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften sowie Artikel 24 § 6 und 123 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt sich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber den Drittwiderspruch als einen ausserordentlichen Rechtsbehelf ausgestaltet hat, der den interessierten Personen offenstehen soll, die aus stichhaltigen Gründen nicht in der Lage gewesen sind, dem Hauptverfahren beizutreten. Der aussergewöhnliche Charakter des Drittwiderspruchs wird durch die Überlegung gerechtfertigt, daß im Interesse einer geordneten Rechtspflege und der Rechtssicherheit nach Möglichkeit vermieden werden muß, daß die am Ausgang eines vor dem Gerichtshof oder dem Gericht anhängigen Rechtsstreits interessierten Personen ihr Interesse erst geltend machen, nachdem das Gemeinschaftsgericht sein Urteil gefällt und damit die Streitfrage entschieden hat.

Somit steht einer interessierten Person, die in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen, und die einen Beitritt versäumt hat, nicht das Recht zu, Drittwiderspruch zu erheben. Da die Veröffentlichung von Klagegegenstand und -anträgen im Amtsblatt den Zweck hat, Dritten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den vor den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Prozessen zu geben, muß der Dritte anhand dieser Veröffentlichung beurteilen, ob für ihn ein Interesse besteht, dem Hauptverfahren als Streithelfer beizutreten.

Wenn sich aus dieser Veröffentlichung klar ergibt, daß Klagegegenstand und -anträge das Interesse des Dritten an einem Beitritt erkennen ließen, muß dieser beweisen, daß er aus stichhaltigen Gründen daran gehindert war, seine Zulassung als Streithelfer zu beantragen. Eine subjektive Beurteilung des Ausgangs des Rechtsstreits durch den interessierten Dritten stellt keinen stichhaltigen Grund dar, der seine Nichtbeteiligung am Hauptverfahren rechtfertigt. Daher kann der Dritte nicht mit Erfolg geltend machen, daß ein sorgfältiger Rechtsbürger in Anbetracht der im Zeitpunkt der Klageerhebung bekannten Sach- und Rechtslage hätte annehmen dürfen, daß das Endurteil seine Rechte nicht beeinträchtigen werde.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 26. MAERZ 1992. - INIGO ASCASIBAR ZUBIZARRETA UND ANDERE GEGEN ALESSANDRO ALBANI UND ANDERE UND KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - DRITTWIDERSPRUCH - UNZULAESSIGKEIT - EINGENSCHAFT DES DRITTEN. - RECHTSSACHE T-35/89 - TO I.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Drittwiderspruchsverfahren

1 Iñigo Ascasibar Zubizarreta und fünfzehn andere Personen, sämtlich erfolgreiche Teilnehmer am allgemeinen Auswahlverfahren KOM/A/482, dessen Ausschreibung am 12. Februar 1987 veröffentlicht worden war (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - im folgenden: ABl. - C 34, S. 15), haben mit Schriftsatz, der am 4. Oktober 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 39 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG und Artikel 97 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gelten, Drittwiderspruch gegen das Urteil des Gerichts vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache T-35/89 (Albani u. a./Kommission, Slg. 1990, II-395) erhoben.

2 Das angefochtene Urteil hat die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das genannte Auswahlverfahren über die Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfung sowie die späteren Handlungen des Auswahlverfahrens mit der Begründung aufgehoben, daß der Prüfungsausschuß die Hoechstzahl von 800 Wörtern, die den Bewerbern, die diese Prüfung erreicht hatten, vorgeschrieben worden war, nicht beachtet und so den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber verletzt habe.

3 Gegen dieses Urteil des Gerichts hat die Kommission am 7. August 1990 ein Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt, mit dem sie die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils beantragt hat. Die Kommission räumt zwar ein, daß die Aufhebung der Entscheidung über die Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfung rechtskräftig geworden sei, sie hat das Urteil des Gerichts jedoch insoweit zur Überprüfung durch den Gerichtshof gestellt, als es alle späteren Handlungen des Auswahlverfahrens aufhebt und die Wirkungen dieser Aufhebung nicht auf die Wiederherstellung der Rechte der vier Kläger des Hauptverfahrens beschränkt.

4 Mit besonderem Schriftsatz hat die Kommission ferner einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Urteils im Wege der einstweiligen Anordnung eingereicht, soweit es sie - so die Auffassung der Kommission - verpflichtet, aufgrund der Aufhebung der zweiten schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens KOM/A/482 die zum Abschluß dieses Auswahlverfahrens erfolgten Ernennungen von 38 Beamten rückgängig zu machen.

5 Mit Beschluß vom 15. November 1990 hat der Gerichtshof dem Antrag der Drittwiderspruchsführer auf Zulassung als Streithelfer im Rechtsmittelverfahren zur Unterstützung der Anträge der Kommission stattgegeben.

6 Mit Beschluß vom 27. November 1990 hat der Präsident des Gerichtshofes den im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens eingereichten Antrag auf einstweilige Anordnung mit der Begründung zurückgewiesen, daß weder das Verfahren vor dem Gericht noch der Tenor des Urteils des Gerichts die im Anschluß an das streitige Auswahlverfahren bereits erfolgten Ernennungen zum Gegenstand hätten und daß die Kommission folglich bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über das Rechtsmittel nicht verpflichtet sei, die vor Erlaß des Urteils des Gerichts erfolgten Ernennungen zurückzunehmen.

7 Mit Schreiben vom 3. Dezember 1990 hat die Kommission den Gerichtshof gemäß Artikel 47 Absatz 3 des Protokolls über die EWG-Satzung des Gerichtshofes ersucht, das Rechtsmittelverfahren bis zum Erlaß des Urteils des Gerichts über den Drittwiderspruch auszusetzen.

8 Mit Beschluß vom 6. Februar 1991 hat der Gerichtshof dem Antrag, das Rechtsmittelverfahren im Interesse einer geordneten Rechtspflege bis zum Erlaß des Urteils des Gerichts auszusetzen, stattgegeben.

9 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Das Gericht ist der Auffassung, daß nach den Artikeln 111 und 113 seiner Verfahrensordnung ohne Eröffnung der mündlichen Verhandlung über die Zulässigkeit des vorliegenden Drittwiderspruchs zu entscheiden ist.

Anträge der Parteien

10 Die Drittwiderspruchsführer beantragen,

- das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß es nicht mehr das gesamte Verfahren zur Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens sowie die späteren Handlungen dieses Verfahrens aufhebt, sondern nur die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die vier Kläger des Hauptverfahrens nicht zu den mündlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen;

- der Gegenpartei die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Die Kommission beantragt,

- den Drittwiderspruch zuzulassen und folglich

- das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß es nicht mehr das gesamte Verfahren zur Korrektur der zweiten schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens sowie die späteren Handlungen dieses Verfahrens aufhebt, sondern nur die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die vier Kläger des Hauptverfahrens nicht zu den mündlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

12 Die Kläger des Hauptverfahrens und der Gewerkschaftsbund Brüssel, der ihre Anträge im Hauptverfahren als Streithelfer unterstützt hat, beantragen,

- den Drittwiderspruch als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;

- den Drittwiderspruchsführern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zulässigkeit

13 Die Drittwiderspruchsführer machen, unterstützt von der Kommission, der Beklagten des Hauptverfahrens, geltend, daß ihr Drittwiderspruch zulässig sei, weil die Voraussetzungen von Artikel 97 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes erfuellt seien.

14 Demgegenüber vertreten die Kläger des Hauptverfahrens und der Gewerkschaftsbund Brüssel, der ihre Anträge im Hauptverfahren als Streithelfer unterstützt hat, die Auffassung, daß der Drittwiderspruch unzulässig sei, weil die Drittwiderspruchsführer weder die Voraussetzung einer Beeinträchtigung ihrer Rechte durch das angefochtene Urteil noch die Voraussetzung erfuellten, daß erhebliche Gründe sie daran gehindert hätten, dem Hauptverfahren beizutreten.

Fehlende Beteiligung am Hauptverfahren (Stellung eines Dritten)

a) Vorbringen der Parteien

15 Die Drittwiderspruchsführer machen geltend, daß sie dem Hauptverfahren nicht hätten beitreten können, weil sich weder aus der im Amtsblatt veröffentlichten Mitteilung über den Eingang der Klageschrift noch im Verlauf des schriftlichen Verfahrens, so wie es ihnen habe bekannt sein können, ein Gesichtspunkt ergeben habe, der ihren Beitritt hinreichend gerechtfertigt habe.

16 Erstens ergebe sich aus der im Amtsblatt veröffentlichten Mitteilung, daß die Kläger beantragt hätten, "das gesamte Verfahren der Korrektur der schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens oder zumindest die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Kläger nicht zur mündlichen Prüfung des Auswahlverfahrens zuzulassen, aufzuheben". Nach dieser Mitteilung hätten die "Klagegründe und wesentlichen Argumente" der Kläger den Verstoß gegen die vom Prüfungsausschuß für die Bewerber aufgestellten Kriterien (Hoechstzahl von 800 Wörtern) betroffen. So habe man dort lesen können: "Der Prüfungsausschuß habe nämlich, nachdem er beschlossen habe, den Bewerbern einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung zu stellen, ihnen eine Hoechstzahl von Wörtern vorgeschrieben und angeordnet, daß sie diese selbst zu zählen hätten, den Korrektoren unterschiedliche Anweisungen erteilt." Unter diesen Umständen sind die Drittwiderspruchsführer, die behaupten, die im Auswahlverfahren vorgesehene Hoechstzahl von Wörtern genau eingehalten zu haben, der Auffassung, daß sie mit Recht hätten erwarten können, daß ein den Anträgen der Kläger stattgebendes Urteil nur für die erfolgreichen Teilnehmer am Auswahlverfahren ungünstige Auswirkung haben werde, die die festgelegten Kriterien nicht eingehalten hätten.

17 Zweitens habe sich das Interesse der Drittwiderspruchsführer daran, dem Rechtsstreit beizutreten, erst in dem Augenblick herausstellen können, in dem sie während des Verfahrens vor dem Gericht erfahren hätten, daß die Dienststellen der Kommission zwischenzeitlich die schriftlichen Prüfungsarbeiten vernichtet hätten, so daß nicht mehr feststellbar gewesen sei, welche Bewerber die vorgesehene Hoechstzahl von Wörtern überschritten hätten. Gerade der Umstand, daß die Prüfungsarbeiten der Kommission abhanden gekommen seien, habe für die Entscheidung des Gerichts eine ausschlaggebende Bedeutung gehabt und dieses veranlasst, seinem Urteil einen weiterreichenden Inhalt zu geben, als es ursprünglich die Anträge der Kläger, so wie sie im Amtsblatt veröffentlicht worden seien, verlangt hätten.

18 Zwei Gesichtspunkte hätten sie ausserdem in ihrer Überzeugung bestärkt, daß es für sie kein Interesse an einem Beitritt gebe. Zum einen müsse sich nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Gerichtshofes als auch des Gerichts in den allgemeine Auswahlverfahren betreffenden Rechtssachen die Aufhebung auf das wirklich Unumgängliche beschränken, nämlich darauf, die Entscheidung des Prüfungsausschusses insoweit zu beseitigen, als sie die Kläger betreffe; zum anderen habe der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichtshofes mit Beschluß vom 21. Juni 1988 den Antrag der vier Kläger des Hauptverfahrens zurückgewiesen, die Aussetzung der weiteren Vorgänge des Auswahlverfahrens KOM/A/482, insbesondere der Erstellung oder der Bekanntgabe der aus diesem Auswahlverfahren resultierenden Eignungsliste, anzuordnen.

19 In ihrer Stellungnahme zu den Erklärungen der Kommission argumentieren die Drittwiderspruchsführer anders. So machen sie geltend, daß die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Drittwiderspruchs nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung noch nicht endgültig festgelegt seien. Die einzigen bereits vorliegenden Präjudizien seien zwei Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1962 in den Rechtssachen 42/59 TO und 49/59 TO (Breedband/Société les Aciéries du Temple, Hohe Behörde der EGKS u. a., Slg. 1962, 291) und 9/60 TO und 12/60 TO (Regierung des Königreichs Belgien/Société commerciale Vlöberghs AG und Hohe Behörde der EGKS, Slg. 1962, 349). In der Rechtssache Breedband sei der Drittwiderspruch aus zahlreichen, gleichzeitig vorliegenden Gründen für unzulässig erklärt worden. Aus diesem Urteil gehe keineswegs hervor, daß die Veröffentlichung im Amtsblatt für sich allein darüber entscheide, ob ein Drittwiderspruch zulässig sei. In der Rechtssache Vlöberghs habe der Gerichtshof demgegenüber eingeräumt, daß die Voraussetzung, daß der Dritte "nicht in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen", dann erfuellt sei, wenn die Veröffentlichung im Amtsblatt sein Interesse daran, dem Rechtsstreit als Streithelfer beizutreten, nicht erkennen lasse. Jedoch kann man nach Auffassung der Drittwiderspruchsführer aus diesem Urteil nicht in einem Umkehrschluß ableiten, daß es allein die Veröffentlichung im Amtsblatt erlaube, zu entscheiden, ob der Dritte "in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen".

20 Im übrigen sei es wirklichkeitsfremd, zu erwarten, daß jeder, der von einer Klage betroffen sein könne, täglich die Ausgabe C des Amtsblatts lese, um von der Erhebung einer solchen Klage Kenntnis zu erlangen. Dagegen könne man annehmen, daß eine Partei im Sinne der Verfahrensordnung zu einem Beitritt in der Lage gewesen sei, wenn ihr die Erhebung der Klage "offiziell bekanntgegeben" oder "mitgeteilt" worden sei, was im vorliegenden Fall nicht geschehen sei. Artikel 39 des Protokolls über die EWG-Satzung des Gerichtshofes sei ausserdem weniger streng als die Verfahrensordnung des Gerichtshofes, da er jeder Person das Recht zum Drittwiderspruch gegen ein Urteil einräume, "wenn dieses Urteil... in einem Rechtsstreit erlassen worden ist, an dem sie nicht teilgenommen" habe. In dieser Vorschrift sei also keine Rede davon, daß bewiesen werden müsse, daß der Dritte nicht in der Lage gewesen sei, dem Hauptverfahren beizutreten.

21 Die Drittwiderspruchsführer schließen daraus, daß man sich nicht nur auf die Veröffentlichung der Mitteilung über den Eingang der Klageschrift in der Ausgabe C des Amtsblatts stützen dürfe, wenn man feststellen wolle, ob ein Dritter die theoretische Möglichkeit gehabt habe, dem Hauptverfahren beizutreten. Ungeachtet dessen glauben sie, hinreichend dargetan zu haben, daß im vorliegenden Fall die Veröffentlichung gewiß keinen Aufschluß darüber gebe, inwiefern sie ein Interesse an einem Beitritt gehabt hätten. Damit räumten sie aber nicht ein, von der Veröffentlichung im Amtsblatt Kenntnis gehabt zu haben, sondern meinten nur, daß eine eventuelle Kenntnis keinen Grund für einen Beitritt ergeben hätte.

22 Die Kommission schließt sich insoweit der Auffassung und dem Vorbringen der Drittwiderspruchsführer an. Vor allem legt sie Wert auf die Feststellung, daß das Urteil des Gerichts vom 12. Juli 1990 eine Neuerung dargestellt habe, da es sich von einer überkommenen und gefestigten Rechtsprechung zu den Wirkungen der Aufhebung der Handlung eines Auswahlverfahrens entfernt habe, ohne daß diese Lösung jemals vor dem Gericht im schriftlichen Verfahren oder in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei. Der Umstand, daß es der Beklagten des Hauptverfahrens unmöglich gewesen sei, sich zu dieser Änderung der Rechtsprechung zu äussern, und daß ferner keinerlei individuelle Überprüfung bei den auf der Eignungsliste stehenden Kandidaten dahin stattgefunden habe, ob sie die Hoechstzahl von 800 Wörtern eingehalten hätten, stelle daher möglicherweise eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs dar. Was die Beweislast für den zuletzt genannten Punkt betrifft, so hält die Kommission den Klägern des Hauptverfahrens entgegen, daß sie niemals den Beweis dafür erbracht hätten, daß ein einziger der erfolgreichen Teilnehmer die Hoechstzahl von 800 Wörtern überschritten habe.

23 Die Kläger des Hauptverfahrens und der Gewerkschaftsbund Brüssel, der ihre Anträge im Hauptverfahren als Streithelfer unterstützt hat, weisen zunächst auf den Ausnahmecharakter des Drittwiderspruchsverfahrens hin. Entgegen den Ausführungen der Drittwiderspruchsführer sei die Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Zulässigkeit eines Drittwiderspruchs klar und gefestigt. Der Gerichtshof habe sie u. a. in dem auf einen Drittwiderspruch ergangenen Beschluß vom 22. September 1987 in der Rechtssache 292/84 TO (Bolognese/Scharf und Kommission, Slg. 1987, 3563) in Erinnerung gerufen. In Verkennung des Wortlauts von Artikel 97 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die im vorliegenden Fall entsprechend gelte, ziele das gesamte Vorbringen der Drittwiderspruchsführer darauf ab, die Gründe darzulegen, aus denen sie geglaubt hätten, kein Interesse daran zu haben, dem Hauptverfahren beizutreten. Dagegen hätten sie keinen Grund dafür vorgetragen, daß sie nicht in der Lage gewesen seien, sich an diesem Verfahren zu beteiligen.

24 Zweitens machen die Kläger und der Streithelfer des Hauptverfahrens geltend, daß die Drittwiderspruchsführer den Beweis dafür erbringen müssten, daß es ihnen unmöglich gewesen sei, sich am Hauptverfahren zu beteiligen. Die Drittwiderspruchsführer räumten jedoch ein, daß ihnen bekannt gewesen sei, daß die Klageschrift des Hauptverfahrens auf die Aufhebung des "gesamten Verfahrens der Korrektur der schriftlichen Prüfungsarbeiten oder jedenfalls der Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie nicht zur mündlichen Prüfung zuzulassen" (Drittwiderspruchsschrift, Nr. 8, S. 6) gerichtet gewesen sei. Danach seien sie dadurch, daß sie von den Anträgen in der von den Klägern des Hauptverfahrens erhobenen Anfechtungsklage Kenntnis erlangt hätten, über die Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden, wenn das Gericht ihnen stattgebe, genau informiert gewesen und hätten in genauer Kenntnis des Sachverhalts darauf verzichtet, dem Hauptverfahren beizutreten.

25 Drittens führen sie an, daß die Drittwiderspruchsführer einräumten, das von den Klägern des Hauptverfahrens eingeleitete Verfahren der einstweiligen Anordnung verfolgt zu haben. Sie hätten feststellen können, daß die Kommission es abgelehnt habe, freiwillig die Kopien der zweiten schriftlichen Prüfung vorzulegen und den Beiständen der Streithelfer zu erlauben, die Richtigkeit ihrer Behauptung, daß nur fünf Bewerber die bei dieser Prüfung vorgeschriebene Hoechstzahl überschritten hätten, nachzuprüfen. Ausserdem sei diese Behauptung der Kommission, die erst in der mündlichen Verhandlung des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufgestellt worden sei, vom Präsidenten des Gerichtshofes in dem im Verfahren der einstweiligen Anordnung erlassenen Beschluß gerügt worden. Die Drittwiderspruchsführer könnten sich daher nicht darauf berufen, daß sich für die Kommission die Notwendigkeit, den Beweis für ihre Behauptungen zu erbringen, erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung des Verfahrens zur Hauptsache herausgestellt habe.

26 Schließlich weisen die Kläger des Hauptverfahrens darauf hin, daß sich die Drittwiderspruchsführer niemals an die Kommission gewandt hätten, um sich zu vergewissern, daß die Kopien der zweiten schriftlichen Prüfung des Auswahlverfahrens sicher aufbewahrt würden und daß die Kommission - und damit sie selbst - so die Begründetheit des wichtigsten Verteidigungsmittels beweisen könne. Sie stützen dieses Vorbringen auf einen übergeordneten Rechtsgrundsatz, nach dem die Beweislast für eine Behauptung denjenigen treffe, der sie aufstelle. Die Drittwiderspruchsführer begnügten sich jedoch damit, zu behaupten, daß sie die bei der zweiten schriftlichen Prüfung vorgeschriebene Hoechstzahl eingehalten hätten, ohne den Beweis für ihre Behauptung zu erbringen.

b) Rechtliche Würdigung

27 Artikel 39 des Protokolls über die EWG-Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 46 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, sieht folgendes vor: "Mitgliedstaaten, Organe der Gemeinschaft und alle sonstigen natürlichen und juristischen Personen können nach Maßgabe der Verfahrensordnung in den dort genannten Fällen Drittwiderspruch gegen ein Urteil erheben, wenn dieses Urteil ihre Rechte beeinträchtigt und in einem Rechtsstreit erlassen worden ist, an dem sie nicht teilgenommen haben." Eine entsprechende Vorschrift ist in der EGKS-Satzung (Artikel 36) und in der EAG-Satzung (Artikel 40) enthalten.

28 Im Rahmen der Bestimmung der Fälle und der Voraussetzungen des Drittwiderspruchs verlangt die Verfahrensordnung des Gerichtshofes in ihrem zum Sechsten Kapitel gehörenden Artikel 97 § 1 unter der Überschrift "Ausserordentliche Rechtsbehelfe", daß der Antrag als Zulässigkeitsvoraussetzung "... b) die Angabe, in welchen Punkten dieses Urteil die Rechte des Dritten beeinträchtigt; c) die Gründe, aus denen der Dritte nicht in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen..." enthalten muß.

29 Ausserdem bestimmt die Verfahrensordnung in ihrem Artikel 16 § 6: "Über jede Klage wird eine Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht, die den Tag der Eintragung der Klageschrift in das Register, Namen und Wohnsitz der Parteien, den Streitgegenstand und den Klageantrag sowie die Angabe der geltend gemachten Klagegründe und die wesentlichen Argumente enthält."

30 Identische Vorschriften sind in den Artikeln 123 § 1 und 24 § 6 der Verfahrensordnung des Gerichts enthalten, die am 1. Juli 1991 in Kraft getreten ist.

31 Aus den angeführten Vorschriften ergibt sich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber den Drittwiderspruch als einen ausserordentlichen Rechtsbehelf ausgestaltet hat, der den interessierten Personen offenstehen soll, die aus stichhaltigen Gründen nicht in der Lage gewesen sind, dem Hauptverfahren beizutreten. Der aussergewöhnliche, ja Ausnahmecharakter des Drittwiderspruchs wird durch die Überlegung gerechtfertigt, daß im Interesse einer geordneten Rechtspflege und der Rechtssicherheit nach Möglichkeit vermieden werden muß, daß die am Ausgang eines vor dem Gerichtshof oder dem Gericht anhängigen Rechtsstreits interessierten Personen ihr Interesse erst geltend machen, nachdem das Gemeinschaftsgericht sein Urteil gefällt und damit die Streitfrage entschieden hat (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1962 in den Rechtssachen 42/59 TO und 49/59 TO, Breedband, a. a. O., 318 und 9/60 TO und 12/60 TO, Regierung des Königreichs Belgien, a. a. O., 371; Beschlüsse des Gerichtshofes vom 6. Dezember 1989 in drei gleichartigen Rechtssachen, T-147/86 TO 1, 2 und 3, "Frontistiria", Slg. 1989, 4103, 4108).

32 Somit steht einer interessierten Person, die in der Lage war, sich am Hauptverfahren zu beteiligen, und die einen Beitritt versäumt hat, nicht das Recht zu, Drittwiderspruch zu erheben. Da die Veröffentlichung von Klagegegenstand und -anträgen im Amtsblatt den Zweck hat, Dritten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den vor den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Prozessen zu geben, muß der Dritte anhand dieser Veröffentlichung beurteilen, ob für ihn ein Interesse besteht, dem Hauptverfahren als Streithelfer beizutreten (vgl. Urteil vom 12. Juli 1962, Breedband, a. a. O., 319).

33 Wenn sich aus dieser Veröffentlichung klar ergibt, daß Klagegegenstand und -anträge das Interesse des Dritten an einem Beitritt erkennen ließen, muß dieser beweisen, daß er aus stichhaltigen Gründen daran gehindert war, seine Zulassung als Streithelfer zu beantragen. Eine subjektive Beurteilung des Ausgangs des Rechtsstreits durch den interessierten Dritten stellt keinen stichhaltigen Grund dar, der seine Nichtbeteiligung am Hauptverfahren rechtfertigt. Daher kann der Dritte nicht mit Erfolg geltend machen, daß ein sorgfältiger Rechtsbürger in Anbetracht der im Zeitpunkt der Klageerhebung bekannten Sach- und Rechtslage hätte annehmen dürfen, daß das Endurteil seine Rechte nicht beeinträchtigen werde.

34 Im vorliegenden Fall bestreiten die Drittwiderspruchsführer nicht, daß die am 18. Juni 1988 im Amtsblatt (C 159, S. 5) veröffentlichte Mitteilung über die am 25. Mai 1988 von Alessandro Albani u. a. gegen die Kommission erhobene Klage klar erkennen ließ, daß mit dieser Klage das gesamte Verfahren der Korrektur der schriftlichen Prüfungen des streitigen Auswahlverfahrens angefochten wurde. Diese Mitteilung gibt nämlich die vollständigen Anträge der Kläger wieder, und in der in ihr enthaltenen Zusammenfassung der Klagegründe heisst es, daß der Prüfungsausschuß, nachdem er den Bewerbern eine Hoechstzahl von Wörtern vorgeschrieben habe, den Korrektoren unterschiedliche Anweisungen erteilt und so die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes verletzt habe. Dennoch sind die Drittwiderspruchsführer der Ansicht, es sei aus zwei Gründen gerechtfertigt gewesen, keinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer zu stellen. Erstens hätten sie sich vor einer Aufhebung ihrer Aufnahme in die Eignungsliste sicher fühlen dürfen, weil sie die vorgeschriebene Hoechstzahl von Wörtern eingehalten hätten: Ihr Interesse an einem Beitritt habe sich erst herausstellen können, als die Kommission im Laufe der mündlichen Verhandlung erklärt habe, daß die Kopien der schriftlichen Prüfungen zwischenzeitlich vernichtet worden seien. Zweitens hätten sie sich in ihrer Überzeugung, daß sie kein Interesse an einem Beitritt hätten, durch die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes bestärkt gesehen, die die Wirkungen der Aufhebung eines allgemeinen Auswahlverfahrens auf die Kläger beschränke.

35 Aufgrund der vorstehenden Überlegung ist festzustellen, daß das Interesse der Drittwiderspruchsführer, die erfolgreich an dem streitigen Auswahlverfahren teilgenommen haben, am Ausgang des Hauptverfahrens klar aus dem Wortlaut der im Amtsblatt veröffentlichten Mitteilung hervorging. Ihre Ausführungen sind nicht geeignet, das Bestehen dieses Interesses in Zweifel zu ziehen, und enthalten keine stichhaltigen Gründe dafür, daß es ihnen unmöglich gewesen wäre, dem Hauptverfahren beizutreten. Ihr Vorbringen beruht nämlich auf ihrer eigenen persönlichen Einschätzung des Ausgangs des Rechtsstreits, genauer gesagt der Wahrscheinlichkeit einer Aufhebung ihrer Aufnahme in die Eignungsliste durch den Gemeinschaftsrichter. Daß die Kommission im Laufe des Hauptverfahrens nicht den Beweis für ihr Argument erbringen konnte, daß die in einem Zwischenabschnitt des Auswahlverfahrens aufgetretene Unregelmässigkeit nicht dessen Endergebnis verfälscht habe, ist ein Problem, das sich in jedem Rechtsstreit stellen kann. Das gleiche gilt für die Behauptung der Drittwiderspruchsführer, daß das Urteil des Gerichts sich von einer früheren, ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes entferne. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Umfang der Wirkungen der Aufhebung eines allgemeinen Auswahlverfahrens vom Gemeinschaftsrichter in jedem Einzelfall nach der Art der festgestellten Unregelmässigkeit beurteilt wird.

36 Ferner machen die Drittwiderspruchsführer in ihrer Stellungnahme zu den Erklärungen der Kommission geltend, daß die Veröffentlichung der Mitteilung über die Klage im Amtsblatt nicht für sich allein über die Zulässigkeit des Drittwiderspruchs entscheiden könne und daß ihnen die Klage gemäß Artikel 39 des Protokolls über die EWG-Satzung des Gerichtshofes, der jeder Person das Recht zum Drittwiderspruch gegen ein Urteil einräume, "wenn dieses Urteil... in einem Rechtsstreit erlassen worden ist, an dem sie nicht teilgenommen" hat, hätte mitgeteilt werden müssen.

37 Es ist darauf hinzuweisen, daß sich der Gerichtshof zu dieser Frage bereits im Rahmen der Anwendung des EGKS-Vertrags dahin geäussert hat - und diese Beurteilung behält ihre volle Gültigkeit im Rahmen der Anwendung des EWG-Vertrags -, daß der Wortlaut von Artikel 97 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes mit der im Protokoll über die Satzung des Gerichtshofes enthaltenen Grundsatzbestimmung über den Drittwiderspruch, zu der Artikel 97 die Ausführungsvorschriften enthält (Urteil vom 12. Juli 1962, Breedband, a. a. O., 318), vereinbar ist. Jedoch sieht die Verfahrensordnung, die nur den Beitritt als Streithelfer und nicht die Beiladung kennt (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in der Rechtssache 12/69, Wounerth/Kommission, Slg. 1969, 577, 584), nicht die Zustellung der Klage an jeden möglicherweise interessierten Dritten vor, sondern nur die Veröffentlichung einer Mitteilung im Amtsblatt, um Dritten die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von den bei den Gemeinschaftsgerichten eingeleiteten Verfahren zu geben. Insoweit ist die Eigenart der Gemeinschaftsrechtsordnung zu berücksichtigen, deren Vorschriften sich an die nationalen Behörden, an natürliche Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, und an juristische Personen, die ihren satzungsmässigen Sitz innerhalb der Gemeinschaft haben, und sogar an Wirtschaftsteilnehmer aus einem Drittland, die ihre Tätigkeit im Gebiet der Gemeinschaft ausüben, richten.

38 Ohne daß noch zu prüfen wäre, ob das angefochtene Urteil die Rechte der Drittwiderspruchsführer beeinträchtigt, ergibt sich aus sämtlichen vorstehenden Überlegungen, daß der Drittwiderspruch als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Nach der Verfahrensordnung trägt die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens. In den öffentlichen Dienst betreffenden Streitigkeiten tragen die Organe ihre Kosten jedoch selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1) Der Drittwiderspruch wird als unzulässig zurückgewiesen.

2) Die Drittwiderspruchsführer tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kläger des Hauptverfahrens und des Gewerkschaftsbunds Brüssel, Streithelfer im Hauptverfahren. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 26. März 1992.

Ende der Entscheidung

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