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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 18.09.2006
Aktenzeichen: T-350/03
Rechtsgebiete: Entscheidung 2004/271/EG, EG


Vorschriften:

Entscheidung 2004/271/EG
EG Art. 230 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)

18. September 2006

"Nichtigkeitsklage - Wettbewerb - Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Juristische Personen - Rechtsakte, die diese individuell betreffen - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-350/03

Wirtschaftskammer Kärnten,

best connect Ampere Strompool GmbH

mit Sitz in Klagenfurt (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Angerer,

Klägerinnen,

unterstützt durch

Ampere AG mit Sitz in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. von Hammerstein und C.-S. Schweer,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch A. Bouquet, S. Rating und K. Mojzesowicz, dann durch A. Bouquet und K. Mojzesowicz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG mit Sitz in Wien (Österreich),

EVN AG mit Sitz in Maria Enzersdorf (Österreich),

Wien Energie GmbH mit Sitz in Wien (Österreich),

Energie AG Oberösterreich mit Sitz in Linz (Österreich),

Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG mit Sitz in Eisenstadt (Österreich),

Linz AG für Energie, Telekommunikation, Verkehr und Kommunale Dienste mit Sitz in Linz (Österreich),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Polster und H. Wollmann,

Streithelferinnen,

betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/271/EG der Kommission vom 11. Juni 2003 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.2947 - Verbund/EnergieAllianz) (ABl. 2004, L 92, S. 91),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 20. Dezember 2002 meldeten die Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG (im Folgenden: Verbundgesellschaft) und die EnergieAllianz, die fünf regionale Energieverteiler, die EVN AG, die Wien Energie GmbH, die Energie AG Oberösterreich, die Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG und die Linz AG für Energie, Telekommunikation, Verkehr und Kommunale Dienste umfasst, bei der Kommission gemäß Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1, in ihrer berichtigten [ABl. 1990, L 257, S. 13] und durch die Verordnung [EG] Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 [ABl. L 180, S. 1] geänderten Fassung, im Folgenden: Verordnung) ein Zusammenschlussvorhaben an, das ihnen die gemeinsame Kontrolle im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 über zwei neue Unternehmen, die Verbund Austrian Power Trading AG und die E & S GmbH, verschaffen sollte, denen die beiden Gesellschaften die Verteilung ihrer Stromerzeugung anvertrauen wollten.

2 Am 4. Februar 2003 entschied die Kommission, das Verfahren der eingehenden Untersuchung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 einzuleiten.

3 Nach Abschluss dieser Untersuchung gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die sich aus dem angemeldeten Zusammenschluss ergebende Zusammenlegung der bestehenden Erzeugungs- und Vertriebsaktivitäten der Verbundgesellschaft und der EnergieAllianz geeignet sei, diesen eine beherrschende Stellung zu verleihen und deren derzeitige beherrschende Stellung in mehreren Segmenten des österreichischen Stromversorgungsmarkts zu verstärken.

4 Die Kommission war jedoch der Auffassung, dass die Bedenken hinsichtlich des Wettbewerbs auf den betroffenen Märkten durch die von den anmeldenden Parteien gemachten Zusagen vollständig ausgeräumt worden seien.

5 Mit der Entscheidung 2004/271/EG vom 11. Juni 2003 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen (Sache COMP/M.2947 - Verbund/EnergieAllianz) (ABl. 2004, L 92, S. 91, im Folgenden: Entscheidung) erklärte die Kommission deshalb das angemeldete Vorhaben unter der Bedingung der vollständigen Erfüllung dieser Zusagen seitens der anmeldenden Parteien für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar.

Verfahren vor dem Gericht

6 Mit am 13. Oktober 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift haben die Wirtschaftskammer Kärnten und die best connect Ampere Strompool GmbH (im Folgenden: best connect) die vorliegende Klage erhoben.

7 Mit Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 2. August 2004 sind die Gesellschaft deutschen Rechts Ampere AG einerseits sowie die Verbundgesellschaft und die fünf Mitglieder der EnergieAllianz andererseits als Streithelferinnen zur Unterstützung der Klägerinnen bzw. der Kommission zugelassen worden.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

8 Die Klägerinnen, unterstützt durch die Ampere AG, beantragen,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

9 Die Kommission, unterstützt durch die Verbundgesellschaft und die fünf Mitglieder der EnergieAllianz, beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen gesamtschuldnerisch die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

10 Nach Artikel 113 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht jederzeit darüber entscheiden, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, wobei die Entscheidung insbesondere gemäß Artikel 114 § 3 dieser Verfahrensordnung ergeht.

11 Gemäß der letztgenannten Vorschrift wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

12 Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über die Zulässigkeit der vorliegenden Klage zu entscheiden.

13 Nach Artikel 230 Absatz 4 EG können natürliche oder juristische Personen - um solche handelt es sich bei den beiden Klägerinnen - gegen Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane, die nicht an sie gerichtet sind, eine Nichtigkeitsklage nur unter der Voraussetzung erheben, dass sie von diesen Maßnahmen sowohl unmittelbar als auch individuell betroffen sind.

14 Natürliche und juristische Personen können sich nur dann darauf berufen, von einer Entscheidung, die nicht an sie gerichtet ist, individuell betroffen zu sein, wenn diese sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert, wie es bei dem Adressaten einer Entscheidung der Fall wäre (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238, und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 36).

Zur individuellen Betroffenheit der Wirtschaftskammer Kärnten

Vorbringen der Parteien

15 Die Kommission, unterstützt durch die Verbundgesellschaft und die fünf Mitglieder der EnergieAllianz, trägt vor, dass die Wirtschaftskammer Kärnten nicht dargetan habe, von der Entscheidung individuell betroffen zu sein. Die Klägerin behaupte noch nicht einmal, dass sie zu den Parteien des Zusammenschlusses in einem Konkurrenzverhältnis stehe, und sie habe sich nicht an dem Verfahren zur Kontrolle des beabsichtigten Zusammenschlusses beteiligt.

16 Zum einen stütze sich die Wirtschaftskammer Kärnten auf ihre Eigenschaft als Vertreterin der individuell betroffenen Unternehmen. Diese abgeleitete Klagebefugnis setze aber voraus, dass zumindest eines ihrer Mitglieder im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen sei.

17 Die Klägerin gehe insoweit zu Unrecht davon aus, dass es dazu ausreiche, dass jedes in Österreich ansässige Unternehmen Strom benötige. Denn allenfalls die Unternehmen, deren Position auf den von der Entscheidung berührten Märkten unmittelbar betroffen sei, seien befugt, die Nichtigerklärung der Entscheidung zu verlangen. Die Klägerin unterlasse jedoch Ausführungen darüber, ob sie solche Unternehmen als Mitglieder habe.

18 Zum anderen seien nur diejenigen Dritten, die eine hinreichende Mitwirkung an dem Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses belegen könnten, befugt, die Nichtigerklärung der Endentscheidung zu beantragen. Die Klägerin habe sich jedoch nicht an dem Verfahren, das zu der Entscheidung geführt habe, beteiligt.

19 Die Wirtschaftskammer Kärnten räumt zwar ein, dass sie kein Unternehmen sei, das in Konkurrenz zu den an dem angemeldeten Zusammenschluss beteiligten Parteien stehe, und dass sie sich nicht an dem Verfahren zur Kontrolle des Zusammenschlusses beteiligt habe. Sie sieht sich dennoch ebenso wie sämtliche von ihr vertretenen Unternehmen wegen ihrer Eigenschaft als großer Stromverbraucher als von der Entscheidung individuell betroffen an.

20 Das Argument der Kommission, nur die unmittelbar in ihrer Marktposition betroffenen Unternehmen seien klagebefugt, berücksichtige nicht die Besonderheiten des vorliegenden Falles. Denn keiner der österreichischen Energielieferanten habe aufgrund der zwischen ihnen bestehenden engen rechtlichen Verflechtungen ein Interesse daran, die Entscheidung anzufechten.

21 Die Kommission nehme somit die Stellung der Verbraucher und deren offenkundiges Interesse an einem funktionierenden Strommarkt nicht zur Kenntnis. Ihnen jegliche Klagebefugnis abzusprechen oder diese einzuschränken, sei mit den Grundprinzipien eines freien Marktes und der Kontrolle der Aufrechterhaltung eines solchen Marktes unvereinbar, da ein solcher Ansatz zur Folge hätte, dass die Entscheidung von gerichtlicher Überprüfung freigestellt würde.

22 Aufgrund der Beseitigung des Preiswettbewerbs zwischen Stromlieferanten infolge der durch die Entscheidung ausgelösten strukturellen Änderungen des österreichischen Marktes würden alle Verbraucher mit einer Erhöhung der Strompreise konfrontiert, so dass die Marktposition der Klägerin und sämtlicher von ihr vertretener Unternehmen durch die Entscheidung spürbar beeinträchtigt würde.

23 Eine Vereinigung, die nicht Adressat einer gemeinschaftlichen Maßnahme ist, sei befugt, deren Nichtigerklärung zu verlangen, wenn sie eines oder mehrere ihrer Mitglieder vertrete, die selbst ein Recht zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage hätten. Die Wirtschaftskammer Kärnten sei daher in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Interessenvertreterin der Unternehmen des Landes Kärnten zur Erhebung der vorliegenden Klage befugt.

Würdigung durch das Gericht

24 Es steht fest, dass die Wirtschaftskammer Kärnten eine Körperschaft des österreichischen öffentlichen Rechts ist, die damit betraut ist, in Wettbewerbssachen die Interessen der in Kärnten ansässigen Rechtsträger zu vertreten, die ihr angehören und eine Wirtschaftstätigkeit rechtmäßig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind.

25 Eine Nichtigkeitsklage einer Unternehmensvereinigung, die nicht Adressat der angefochtenen Handlung ist, ist in zwei Fällen zulässig. Der erste liegt vor, wenn die Vereinigung ein eigenes Klageinteresse hat, insbesondere weil ihre Position als Verhandlungspartnerin durch die angefochtene Handlung beeinträchtigt worden ist. Der zweite Fall ist gegeben, wenn die Vereinigung bei der Erhebung ihrer Klage an die Stelle eines oder mehrerer ihrer von ihr vertretenen Mitglieder getreten ist und ihre Mitglieder selbst eine zulässige Klage hätten erheben können (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 50).

26 Die Klägerin kann sich jedoch auf keine dieser Fallgestaltungen berufen, um ihre Eigenschaft als von der Entscheidung individuell betroffene juristische Person zu belegen.

27 Sie räumt selbst ein, dass sie sich nicht an dem Verfahren zur Kontrolle des beabsichtigten Zusammenschlusses beteiligt hat. Es spielt keine Rolle, dass dieser Verzicht dadurch motiviert war, dass, wie sie vorträgt, der Erlass einer Entscheidung über die Genehmigung eines Vorhabens, dessen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt außer Zweifel stehe, für unmöglich gehalten worden sei. Folglich konnte es zu keiner Beeinträchtigung ihrer Stellung als Verhandlungspartnerin kommen, die geeignet gewesen wäre, ihre spezifischen Interessen zu berühren.

28 Auch die Fähigkeit der Wirtschaftskammer Kärnten, vor den nationalen Gerichten zur Verteidigung der Interessen ihrer Mitglieder in Wettbewerbssachen als Partei aufzutreten, ist unerheblich. Eine solche vom nationalen Recht verliehene Fähigkeit kann die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikels 230 Absatz 4 EG nicht in Frage stellen.

29 Wie sich aus dem eigenen Vorbringen der Wirtschaftskammer Kärnten ergibt, sind deren Mitglieder von der Entscheidung nur aufgrund ihrer objektiven und abstrakten Eigenschaft als Stromverbraucher insoweit betroffen, als die Lieferpreise wegen der Konzentration des Angebots infolge der Entscheidung steigen können, so dass alle Stromverbraucher, die innerhalb des betreffenden geografischen Marktes wohnen oder ihren Sitz haben, in gleicher Weise von der Entscheidung betroffen wären.

30 Diese berührt die Mitglieder der Klägerin daher nicht wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen Umständen, die sie in ähnlicher Weise individualisierten, wie es bei dem Adressaten einer Entscheidung der Fall wäre.

31 Da ihre Mitglieder von der Entscheidung nicht individuell betroffen sind, kann eine solche Eigenschaft der Klägerin nicht zuerkannt werden. Denn eine Vereinigung, die zur Wahrnehmung kollektiver Interessen einer Gruppe von Rechtsunterworfenen gegründet wurde, ist von einer Handlung, die die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührt, nicht im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG individuell betroffen und kann daher keine Nichtigkeitsklage erheben, wenn dies ihren Mitgliedern als Einzelnen verwehrt ist (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1962 in den Rechtssachen 19/62 bis 22/62, Fédération nationale de la boucherie et du commerce en gros des viandes u. a./Rat, Slg. 1962, 1005, 1021, und Beschluss des Gerichts vom 9. August 1995 in der Rechtssache T-585/93, Greenpeace u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2205, Randnr. 59).

32 Schließlich kann die Wirtschaftskammer Kärnten, betrachtet man sie in ihrer eigenen Stellung als Stromverbraucherin, ebenso wenig wie ihre Mitglieder als von der Entscheidung individuell betroffen angesehen werden.

33 Folglich ist die Klägerin von der Entscheidung nicht individuell betroffen und daher nicht legitimiert, ihre Nichtigerklärung zu beantragen.

Zur individuellen Betroffenheit von best connect

Vorbringen der Parteien

34 Die Kommission sowie die Verbundgesellschaft und die fünf Mitglieder der EnergieAllianz sind der Auffassung, dass auch best connect nicht dargetan habe, was sie gegenüber allen übrigen Personen in ähnlicher Weise individualisieren könnte, wie es bei dem Adressaten der Entscheidung der Fall wäre.

35 Die Klägerin bündele lediglich Dienstleistungen zugunsten ihrer Mitglieder; sie trage jedoch nicht vor, ob sie selbst Strom einkaufe und gegebenenfalls auf welcher Marktebene sie diese Käufe tätige. Ihre Antworten auf das Auskunftsersuchen der Kommission belegten, dass sie von der Entscheidung nicht individuell betroffen sei, da sie erklärt habe, dass sie selbst keinen Strom kaufe und solchen weder vertreibe noch damit handele.

36 Die Gruppe der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer, nämlich der Kunden von best connect, sei weder geschlossen noch klar umrissen, sondern setze sich aus Tausenden natürlicher und juristischer Personen zusammen, deren einziges gemeinsames Interesse niedrigere Stromtarife seien. Zudem vertrete best connect überwiegend Kleinkunden, deren Jahresverbrauch zusammengenommen nur etwa 0,2 % des jährlichen Gesamtabsatzvolumens an Strom in Österreich ausmache.

37 Dagegen wendet best connect ein, dass ihre Tätigkeit als Vermittlerin nicht ernsthaft in Frage gestellt werden könne. Sie sei der erste österreichische Strombroker gewesen, der seinen Kunden Vorteile aus dem liberalisierten Strommarkt dadurch verschafft habe, dass er Bestpreise aushandele, bestehende Stromlieferverträge aufkündige und neue Verträge mit den Lieferanten abschließe, die die besten Angebote vorlegten. Die von ihr ausgehandelten Verträge entsprächen einer gebündelten Nachfrage von mehr als 120 GWh Strom pro Jahr, d. h. dem Durchschnittsverbrauch einer Stadt mit rund 100 000 Einwohnern und der dort tätigen Unternehmen.

38 Wegen des Wegfalls des Preiswettbewerbs zwischen den Stromlieferanten auf dem österreichischen Markt und der Gleichschaltung der Lieferantenpreise infolge der Entscheidung sei best connect individuell betroffen. In Ermangelung von Wettbewerbsstrukturen beim Stromangebot werde es für sie nunmehr sehr schwer, durch Ausschreibungen andere Preise zu erhalten als die, die von den an dem Zusammenschluss Beteiligten und deren Gemeinschaftsunternehmen vorgegeben würden. Sie sehe sich daher der Gefahr ausgesetzt, dass ihrer Geschäftstätigkeit die Grundlage selbst entzogen werde.

39 Als Beleg für ihre Beteiligung an dem Verfahren zur Kontrolle des angemeldeten Zusammenschlusses führt best connect an, dass sie dem ihr von der Kommission mit Schreiben vom 7. Januar 2003 übermittelten Auskunftsverlangen gemäß den Vorschriften der Verordnung Nr. 4064/89 mit Telefax vom 15. Januar 2003 nachgekommen sei.

40 Hierauf entgegnet die Kommission, dass sich best connect nicht hinreichend am Verwaltungsverfahren beteiligt habe, da sie weder beantragt habe, gehört zu werden, noch Eingaben gemacht oder Akteneinsicht beantragt habe.

41 Die Verbundgesellschaft und die EnergieAllianz ergänzen, dass die einsilbigen, allgemein gehaltenen und rein spekulativen Antworten von best connect auf den Fragebogen der Kommission nicht ausreichten, um den auf die Mitwirkung am Kontrollverfahren gestützten Tatbestand der individuellen Betroffenheit zu erfüllen, da andernfalls den mehreren hundert von der Kommission kontaktierten Wettbewerbern und Abnehmern entgegen dem Wortlaut und dem Zweck von Artikel 230 Absatz 4 EG ein Recht auf Erhebung einer Nichtigkeitsklage eingeräumt würde.

42 Aus dem Wortlaut der Entscheidung, in der best connect nicht einmal genannt werde, ergebe sich nicht, dass die Kommission die Wettbewerbssituation auf den relevanten Märkten vor allem unter Berücksichtigung der Situation der Klägerin beurteilt habe.

Würdigung durch das Gericht

43 Es ist daran zu erinnern, dass die Konkurrenten der anmeldenden Parteien als von Entscheidungen der Kommission, mit denen, wie im vorliegenden Fall, über die Vereinbarkeit von Zusammenschlüssen mit dem Gemeinsamen Markt entschieden wird, individuell betroffen angesehen wurden, wenn sie nachweisen konnten, an den Kontrollverfahren in qualifizierter Weise mitgewirkt zu haben, und ihre Wettbewerbsposition auf den betreffenden oder diesen benachbarten Märkten im Verhältnis zu der der anmeldenden Parteien durch die angefochtenen Entscheidungen wesentlich oder spezifisch beeinträchtigt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnrn. 53 bis 58, und des Gerichts vom 30. September 2003 in der Rechtssache T-158/00, ARD/Kommission, Slg. 2003, II-3825, Randnr. 95).

44 Es ist daher zu prüfen, ob best connect in zweckdienlicher Weise an dem Verfahren zur Kontrolle des beantragten Zusammenschlusses mitgewirkt hat und ob sie zu den Parteien des beabsichtigten Zusammenschlusses auf dem betreffenden Markt in einem deutlich ausgeprägten Konkurrenzverhältnis steht, das durch die Entscheidung hinreichend beeinträchtigt wird, um sie als im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individualisiert ansehen zu können.

- Zur Mitwirkung von best connect an dem Verfahren zur Kontrolle des angemeldeten Zusammenschlusses

45 Die Gemeinschaftsgerichte haben anerkannt, dass von Entscheidungen über die Vereinbarkeit angemeldeter Zusammenschlüsse dritte Unternehmen individuell betroffen sind, die eng an dem Verfahren zur Kontrolle dieser Zusammenschlüsse mitgewirkt haben und deren Beteiligung sich tatsächlich und spezifisch auf den Ablauf des Verfahrens und den Inhalt der Endentscheidung ausgewirkt hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Frankreich u. a./Kommission, Randnr. 54, Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission, Slg. 1994, II-323, Randnrn. 44 und 45, und Urteil ARD/Kommission, Randnrn. 64 bis 76).

46 Eine solche Mitwirkung stellt einen Faktor dar, um in Verbindung mit anderen spezifischen Umständen die Zulässigkeit von Klagen darzutun (Urteile des Gerichts vom 3. April 2003 in der Rechtssache T-114/02, BaByliss/Kommission, Slg. 2003, II-1279, Randnr. 95, und ARD/Kommission, Randnr. 76).

47 Im vorliegenden Fall hat best connect jedoch das Vorbringen der Kommission nicht bestritten, dass sie sich auf die Beantwortung des Fragebogens beschränkt und während des Verfahrens zur Kontrolle des streitigen Zusammenschlusses nicht beantragt habe, Stellung zu nehmen.

48 Insbesondere hat es die Klägerin unterlassen, spontan durch eine Kontaktaufnahme mit der Kommission zu reagieren, nachdem die Mitteilung über den beabsichtigten Zusammenschluss, wie in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehen, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden war.

49 Aus den Akten geht auch nicht hervor, dass best connect zu den dritten Parteien gehörte, die an der mündlichen Anhörung teilnahmen, die von der Kommission auf Antrag der anmeldenden Parteien am 29. April 2003 durchgeführt wurde.

50 Zwar beantwortete best connect den Fragebogen, den ihr die Kommission auf der Grundlage von Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 zugesandt hatte, der die Kommission ermächtigt, von den Parteien des angemeldeten Zusammenschlusses sowie von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Auskünfte einzuholen.

51 Jedoch kann die bloße Tatsache, dass best connect den von ihr ausgefüllten Fragenbogen an die Kommission zurückgeschickt hat, nicht als ein Faktor angesehen werden, der ausreicht, um sie im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG zu individualisieren.

52 Aus dem Wortlaut der Entscheidung geht im Übrigen in keiner Weise hervor, dass die Kommission die Antworten, die best connect in dem Fragebogen gegeben hatte, spezifisch berücksichtigt hätte. Der Kommission wäre dies im Übrigen wegen des allgemeinen und lapidaren Charakters der Antworten von best connect auch nicht möglich gewesen.

53 Folglich hat best connect nicht dargetan, dass sie sich an dem Verfahren zur Kontrolle des streitigen Zusammenschlusses in einer Weise beteiligt hat, dass sie als von der Entscheidung individuell betroffen angesehen werden könne.

- Zur Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition von best connect auf den von dem angemeldeten Zusammenschluss betroffenen Märkten

54 Die Gemeinschaftsgerichte haben anerkannt, dass dritte Unternehmen, deren Position als zumindest potenzielle Konkurrenten der Parteien des angemeldeten Zusammenschlusses von der angefochtenen Entscheidung erheblich beeinträchtigt wird, von Entscheidungen über die Vereinbarkeit von angemeldeten Zusammenschlüssen individuell betroffen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile Frankreich u. a./Kommission, Randnrn. 55 und 56, Urteile des Gerichts vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93, Air France/Kommission, Slg. 1994, II-121, Randnr. 82, vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission, Randnrn. 45 und 46, BaByliss/Kommission, Randnr. 106, und ARD/Kommission, Randnr. 78).

55 Wie jedoch die Kommission vorgetragen hat, ohne dass dies bestritten worden ist, geht aus den von best connect im Fragebogen gegebenen Antworten hervor, dass diese weder Strom liefert noch damit handelt, d. h. keinen Strom mit Gewinnerzielungsabsicht auf ihre Gefahr und für ihre Rechnung kauft und weiterverkauft.

56 Daher ist best connect nur in ihrer Eigenschaft als Vermittlerin, die damit betraut ist, im Namen und für Rechnung ihrer Auftraggeber, bei denen es sich um kleine Stromverbraucher handelt, die Großverbrauchern vorbehaltenen Tarife auszuhandeln, von der Entscheidung betroffen.

57 In ihren Antworten hat best connect selbst angegeben, dass sie als ein einziger Großeinkäufer anzusehen gewesen sei, da sie alle administrativen Formalitäten erledige, die mit dem Wechsel der Bezugsbedingungen für ihre Kunden verbunden seien.

58 Wie jeder andere Vermittler ist best connect von der Entscheidung letztlich nur allgemein und abstrakt aufgrund der faktischen Auswirkungen dieser Maßnahme auf den einschlägigen Markt betroffen.

59 Insoweit weist best connect nicht nach, dass sie die sie betreffenden Umstände gegenüber allen anderen natürlichen oder juristischen Personen individualisieren, die gegenwärtig oder potenziell Beauftragte von Stromverbrauchern sind.

60 best connect hat in keiner Weise bestritten, dass die von ihr im Jahr 2001 abgeschlossenen Energielieferverträge einer gebündelten Nachfrage von etwa 120 GWh Strom pro Jahr, d. h. ungefähr 0,2 % des Gesamtabsatzvolumens an Strom in Österreich in diesem Jahr, entsprechen.

61 Der Umstand, dass die Klägerin der erste österreichische Strombroker war, der seinen Kunden Vorteile aus dem liberalisierten Strommarkt verschaffte, kann sie nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individualisieren.

62 Unter diesen Umständen hat best connect nicht dargetan, dass ihr eine besondere Stellung im Sinne der vorstehend in Randnummer 14 zitierten Rechtsprechung zukommt.

63 Folglich ist best connect von der Entscheidung nicht individuell betroffen und daher nicht legitimiert, ihre Nichtigerklärung zu beantragen.

64 Aus der Gesamtheit der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die von den beiden Klägerinnen erhobene Klage unzulässig und deshalb zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

65 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

66 Da die Klägerinnen mit ihrer Klage unterlegen sind, sind sie dazu zu verurteilen, ihre eigenen Kosten sowie gemäß den entsprechenden Anträgen der Kommission und der Streithelferinnen Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG, EVN AG, Wien Energie GmbH, Energie AG Oberösterreich, Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG und Linz AG für Energie, Telekommunikation, Verkehr und Kommunale Dienste gesamtschuldnerisch die Kosten dieser Beteiligten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten und gesamtschuldnerisch die Kosten der Kommission sowie der Streithelferinnen Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG, EVN AG, Wien Energie GmbH, Energie AG Oberösterreich, Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG und Linz AG für Energie, Telekommunikation, Verkehr und Kommunale Dienste.

3. Die Streithelferin Ampere AG trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 18. September 2006



Ende der Entscheidung

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