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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 05.10.2005
Aktenzeichen: T-366/03
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 230 Abs. 4
EG Art. 95 Abs. 5
EG Art. 95 Abs. 6 Unterabs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-366/03 und T-235/04

Land Oberösterreich, vertreten durch Rechtsanwalt F. Mittendorfer,

Republik Österreich, vertreten durch H. Hauer und H. Dossi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia und U. Wölker als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/653/EG der Kommission vom 2. September 2003 über die einzelstaatlichen Bestimmungen zum Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Organismen im Land Oberösterreich, die von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag mitgeteilt wurden (ABl. L 230, S. 34),

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer),

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

Artikel 95 EG

1. Artikel 95 Absätze 4 bis 7 EG bestimmt:

"(4) Hält es ein Mitgliedstaat, wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat, für erforderlich, einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten, die durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind, so teilt er diese Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Beibehaltung der Kommission mit.

(5) Unbeschadet des Absatzes 4 teilt ein Mitgliedstaat, der es nach dem Erlass einer Harmonisierungsmaßnahme durch den Rat oder die Kommission für erforderlich hält, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse gestützte einzelstaatliche Bestimmungen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, einzuführen, die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung der Kommission mit.

(6) Die Kommission beschließt binnen sechs Monaten nach den Mitteilungen nach den Absätzen 4 und 5, die betreffenden einzelstaatlichen Bestimmungen zu billigen oder abzulehnen, nachdem sie geprüft hat, ob sie ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindern.

Trifft die Kommission innerhalb dieses Zeitraums keine Entscheidung, so gelten die in den Absätzen 4 und 5 genannten einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt.

Die Kommission kann, sofern dies aufgrund des schwierigen Sachverhalts gerechtfertigt ist und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht, dem betreffenden Mitgliedstaat mitteilen, dass der in diesem Absatz genannte Zeitraum gegebenenfalls um einen weiteren Zeitraum von bis zu sechs Monaten verlängert wird.

(7) Wird es einem Mitgliedstaat nach Absatz 6 gestattet, von der Harmonisierungsmaßnahme abweichende einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, so prüft die Kommission unverzüglich, ob sie eine Anpassung dieser Maßnahme vorschlägt."

Richtlinie 90/220/EWG

2. Die Richtlinie 90/220/EWG des Rates vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 117, S. 15) verfolgte gemäß ihrem Artikel 1 Absatz 1 das Ziel, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten einander anzugleichen sowie die menschliche Gesundheit und die Umwelt bei der absichtlichen Freisetzung genetisch veränderter Organismen (im Folgenden: GVO) in die Umwelt und beim Inverkehrbringen von Produkten zu schützen, die GVO enthalten oder aus solchen bestehen, wobei die Produkte und die Organismen zur absichtlichen Freisetzung in die Umwelt bestimmt sind.

3. Artikel 4 der Richtlinie 90/220 verpflichtete die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, damit die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO keine Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zur Folge hat.

4. Teil C der Richtlinie 90/220 (Artikel 10 bis 18) enthielt besondere Bestimmungen über das Inverkehrbringen von GVO enthaltenden Produkten. Gemäß Artikel 11 Absatz 5 in Verbindung mit Artikel 11 Absatz 1 der Richtlinie darf kein GVO enthaltendes Produkt in die Umwelt freigesetzt werden, bevor die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Produkt zuerst in den Verkehr gebracht wird, aufgrund der Anmeldung, die der Hersteller oder Einführer in die Gemeinschaft bei ihr eingereicht hat, ihre schriftliche Zustimmung erteilt hat. Artikel 11 Absätze 1 bis 3 der Richtlinie bestimmte den notwendigen Inhalt dieser Anmeldung, die insbesondere die nationale Behörde in die Lage versetzen musste, die in Artikel 10 Absatz 1 geforderte Beurteilung der Risiken vorzunehmen. Diese Beurteilung der Risiken musste jeder Zustimmung vorausgehen.

5. Artikel 16 der Richtlinie 90/220 bestimmte:

"(1) Hat ein Mitgliedstaat berechtigten Grund zu der Annahme, dass ein Produkt, das nach dieser Richtlinie vorschriftsmässig angemeldet wurde und für das eine schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann er den Einsatz und/oder Verkauf dieses Produkts in seinem Gebiet vorübergehend einschränken oder verbieten. Er unterrichtet hiervon unter Angabe von Gründen unverzüglich die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten.

(2) Eine Entscheidung hierüber ergeht innerhalb von drei Monaten nach dem in Artikel 21 festgelegten Verfahren."

Richtlinie 2001/18/EG

6. Nach mehreren Änderungen wurde die Richtlinie 90/220 aufgehoben und durch die Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. März 2001 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt und zur Aufhebung der Richtlinie 90/220/EWG des Rates ersetzt (ABl. L 106, S. 1). Diese Richtlinie verfolgt die gleichen Ziele.

7. Die absichtliche Freisetzung oder das Inverkehrbringen von GVO ist genehmigungspflichtig. Wer eine Genehmigung erhalten möchte, muss zuvor eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. Gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie 2001/18 gilt Folgendes:

"(3) Die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Kommission stellen sicher, dass mögliche schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die unmittelbar oder mittelbar durch den Gentransfer von GVO auf andere Organismen auftreten können, Fall für Fall sorgfältig geprüft werden. Diese Prüfung ist gemäß Anhang II unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Umwelt je nach Art des eingeführten Organismus und der den Organismus aufnehmenden Umwelt durchzuführen."

8. Die Richtlinie 2001/18 führt zwei unterschiedliche Regelungen für das Inverkehrbringen von GVO als Produkt oder in Produkten und für ihre absichtliche Freisetzung zu anderen Zwecken als ihrem Inverkehrbringen ein.

9. Zustimmungen, die vor dem 17. Oktober 2002 gemäß der Richtlinie 90/220 für das Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten erteilt worden sind, können vor dem 17. Oktober 2006 nach dem vereinfachten Verfahren des Artikels 17 Absätze 2 bis 9 der Richtlinie 2001/18 erneuert werden.

10. Artikel 23 der Richtlinie 2001/18 trägt die Überschrift "Schutzklausel" und hat folgenden Wortlaut:

"(1) Hat ein Mitgliedstaat aufgrund neuer oder zusätzlicher Informationen, die er seit dem Tag der Zustimmung erhalten hat und die Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeitsprüfung haben, oder aufgrund einer Neubewertung der vorliegenden Informationen auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse berechtigten Grund zu der Annahme, dass ein GVO als Produkt oder in einem Produkt, der nach dieser Richtlinie vorschriftsmäßig angemeldet wurde und für den eine schriftliche Zustimmung erteilt worden ist, eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann er den Einsatz und/oder Verkauf dieses GVO als Produkt oder in einem Produkt in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend einschränken oder verbieten.

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass im Falle einer ernsten Gefahr Notfallmaßnahmen, beispielsweise die Aussetzung oder Beendigung des Inverkehrbringens, getroffen werden, einschließlich der Unterrichtung der Öffentlichkeit.

Der Mitgliedstaat unterrichtet unter Angabe von Gründen und Vorlage der neubewerteten Umweltverträglichkeitsprüfung sowie gegebenenfalls der neuen oder zusätzlichen Information, auf die sich sein Beschluss stützt, unverzüglich die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten über die gemäß diesem Artikel ergriffenen Maßnahmen, wobei er ferner angibt, ob und auf welche Weise die Bedingungen für die Zustimmung geändert werden sollten oder ob die Zustimmung aufgehoben werden sollte.

(2) Eine Entscheidung hierüber ergeht innerhalb von 60 Tagen nach dem Verfahren des Artikels 30 Absatz 2 ..."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

11. Am 13. März 2003 unterrichtete die Republik Österreich die Kommission über das Oberösterreichische Gentechnik-Verbotsgesetz 2002, einen Gesetzentwurf des Landes Oberösterreich, der die Gentechnik verbietet (im Folgenden: mitgeteilte Maßnahme). Die mitgeteilte Maßnahme sah für das Land Oberösterreich ein Verbot des Anbaus von Saat- und Pflanzgut, das aus GVO besteht oder GVO enthält, sowie der Zucht und des Freilassens von transgenen Tieren zu Zwecken der Jagd und der Fischerei vor. Die Mitteilung zielte darauf ab, von den Bestimmungen der Richtlinie 2001/18 gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG abweichen zu dürfen. Sie war auf einen Bericht mit dem Titel "GVO-freie Bewirtschaftungsgebiete: Konzeption und Analyse von Szenarien und Umsetzungsschritten" gestützt.

12. Die Kommission beauftragte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), gemäß den Artikeln 29 Absatz 1 und 22 Absatz 5 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31, S. 1) eine Stellungnahme zu der Beweiskraft der von der Republik Österreich angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse abzugeben.

13. In ihrer Stellungnahme vom 4. Juli 2003 (im Folgenden: EFSA-Stellungnahme) gelangte die EFSA im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass diese Angaben keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthielten, die im Land Oberösterreich ein Verbot von GVO rechtfertigen würden.

14. Unter diesen Umständen erließ die Kommission die Entscheidung 2003/653/EG vom 2. September 2003 über die einzelstaatlichen Bestimmungen zum Verbot des Einsatzes von GVO im Land Oberösterreich, die von der Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG-Vertrag mitgeteilt wurden (ABl. L 230, S. 34, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

15. Gemäß der angefochtenen Entscheidung hat die Republik Österreich weder neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorgelegt noch bewiesen, dass ein spezifisches Problem für das Land Oberösterreich besteht, das sich erst nach Verabschiedung der Richtlinie 2001/18 ergeben hätte und das die Einführung der mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen notwendig erscheinen ließe. Mit der Begründung, dass die Voraussetzungen des Artikels 95 Absatz 5 EG nicht erfüllt seien, lehnte die Kommission den Antrag der Republik Österreich auf Ausnahmegenehmigung ab.

Verfahren und Anträge der Parteien

16. Das Land Oberösterreich hat mit Klageschrift, die am 3. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die unter der Nummer T-366/03 in das Register eingetragene Klage erhoben.

17. Die Republik Österreich hat mit Klageschrift, die am 13. November 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine Klage erhoben, der die Rechtssachennummer C-492/03 zugeteilt wurde.

18. Mit Beschluss des Gerichtshofes vom 8. Juni 2004 ist diese Rechtssache gemäß Artikel 2 des Beschlusses 2004/407/EG, Euratom des Rates vom 26. April 2004 zur Änderung der Artikel 51 und 54 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs (ABl. L 132, S. 5) an das Gericht verwiesen worden. Sie ist dort unter der Nummer T-235/04 eingetragen worden.

19. Durch Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 22. Februar 2005 sind nach Anhörung der Parteien die Rechtssachen T-366/03 und T-235/04 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

20. Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet und der Republik Österreich und der Kommission im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung schriftlich Fragen gestellt.

21. Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. März 2005 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

22. In der Rechtssache T-366/03 beantragt das Land Oberösterreich,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23. In der Rechtssache T-235/04 beantragt die Republik Österreich,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

24. Die Kommission beantragt in den Rechtssachen T-366/03 und T-235/04,

- die Klagen abzuweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der vom Land Oberösterreich erhobenen Klage

25. Wenn auch die Kommission die Zulässigkeit der vom Land Oberösterreich erhobenen Klage nicht beanstandet, ist doch darauf hinzuweisen, dass sich die angefochtene Entscheidung an die Republik Österreich richtet. Zur Beurteilung der Zulässigkeit der Klage in der Rechtssache T-366/03 hält es das Gericht für sachdienlich, von Amts wegen zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung das Land Öberösterreich im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG unmittelbar und individuell betrifft.

26. Das Land Oberösterreich trägt vor, dass es ein eigenes Rechtsschutzinteresse habe, das nicht dasselbe wie das der Republik Österreich sei. Die mitgeteilte Maßnahme falle, verfassungsrechtlich gesehen, in seine ausschließliche Zuständigkeit. Außerdem sei es von der angefochtenen Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen, so dass die Klage in der Rechtssache T-366/03 zulässig sei. In Bezug auf seine individuelle Betroffenheit macht das Land Oberösterreich insbesondere geltend, dass die angefochtene Entscheidung in seine autonomen Gesetzgebungsbefugnisse eingreife, obwohl sich die mitgeteilte Maßnahme noch im Entwurfsstadium befinde.

27. Nach ständiger Rechtsprechung kann, wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen, von ihr im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen zu sein, wenn diese Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten dieser Entscheidung (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1962, 213, 238, und vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84, COFAZ u. a./Kommission, Slg. 1986, 391, Randnr. 22). Diese Bestimmung bezweckt nämlich, auch demjenigen einen Rechtsschutz zu verschaffen, der, ohne Adressat der streitigen Handlung zu sein, von ihr tatsächlich in ähnlicher Weise betroffen ist wie der Adressat (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1984 in der Rechtssache 222/83, Commune de Differdange u. a./Kommission, Slg. 1984, 2889, Randnr. 9).

28. Im vorliegenden Fall ist das Land Oberösterreich der Urheber eines Gesetzentwurfs, der in seine eigene Zuständigkeit fällt und für den die Republik Österreich gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG eine Ausnahmegenehmigung beantragt hat. Aus der angefochtenen Entscheidung folgt somit nicht nur, dass ein Rechtsakt, dessen Urheber das Land Oberösterreich ist, betroffen ist, sondern außerdem, dass dieses daran gehindert wird, seine eigenen, ihm durch die österreichische Verfassungsordnung zugewiesenen Befugnisse nach seinem Gutdünken auszuüben. Folglich ist das Land Oberösterreich von der angefochtenen Entscheidung im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 30. April 1998 in der Rechtssache T-214/95, Vlaams Gewest/Kommission, Slg. 1998, II-717, Randnrn. 29 ff., und vom 23. Oktober 2002 in den verbundenen Rechtssachen T-346/99, T-347/99 und T-348/99, Diputación Foral de Álava u. a./Kommission, Slg. 2002, II-4259, Randnr. 37).

29. Außerdem verfügte die Republik Österreich, obwohl die angefochtene Entscheidung an sie gerichtet war, bei deren Weiterleitung an das Land Oberösterreich nicht über einen Entscheidungsspielraum, so dass das Land durch die angefochtene Entscheidung im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG auch unmittelbar betroffen war (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 13. Mai 1971 in den verbundenen Rechtssachen 41/70 bis 44/70, International Fruit Company u. a./Kommission, Slg. 1971, 411, Randnrn. 25 bis 28).

30. Somit ist das Land Oberösterreich für den Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung klagebefugt.

Begründetheit

31. Die Kläger bringen vier Klagegründe vor, die sie aus einer Verletzung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens, der Begründungspflicht, von Artikel 95 Absatz 5 EG und des Vorsorgeprinzips herleiten.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens

Vorbringen der Parteien

32. Die Kläger werfen der Kommission vor, sie vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung nicht angehört zu haben.

33. Der Gerichtshof habe zwar entschieden, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens für das in Artikel 95 EG vorgesehene Verfahren nicht gelte (Urteil des Gerichtshofs vom 20. März 2003 in der Rechtssache C-3/00, Dänemark/Kommission, Slg. 2003, I-2643), doch müssten die Umstände des vorliegenden Falles zu einem anderen Ergebnis führen.

34. Erstens habe das oben genannte Urteil Dänemark/Kommission einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG betroffen, der sich auf eine damals in Kraft befindliche einzelstaatliche Maßnahme bezogen habe. Im vorliegenden Fall aber hätte die Kommission, da sich die mitgeteilte Maßnahme noch im Entwurfsstadium befinde, gemäß Artikel 95 Absatz 6 Unterabsatz 3 EG das Verfahren fortführen können, um die Kläger anzuhören, ohne dass das Funktionieren des Binnenmarkts und Interessen des antragstellenden Mitgliedstaats darunter gelitten hätten.

35. Zweitens unterschieden sich die Umstände des vorliegenden Falles dadurch von denen in der oben genannten Rechtssache Dänemark/Kommission, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall nicht darauf beschränkt habe, über die Mitteilung zu entscheiden, sondern eine Stellungnahme der EFSA eingeholt habe, auf der die angefochtene Entscheidung beruhe. Die Kommission hätte den Klägern somit die Möglichkeit einräumen müssen, sie vor Erlassung der angefochtenen Entscheidung zu der Stellungnahme der EFSA anzuhören. Hätten die Kläger hierzu Gelegenheit gehabt, so hätten sie diese Stellungnahme widerlegen und es der Kommission ermöglichen können, anders zu entscheiden.

36. Die Kommission bestreitet dieses Vorbringen. Dem Land Oberösterreich stehe kein Recht auf Anhörung zu, weil es im fraglichen Verfahren, das ausschließlich die Republik Österreich betreffe, nicht Beteiligter sei. Außerdem gelte der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht für das Verfahren gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG (Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 50).

Würdigung durch das Gericht

37. Der Gerichtshof hat entschieden, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens nicht für das Verfahren gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG gilt (Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 50). Es ist zu prüfen, ob es sich, wie die Kläger vorbringen, bei dem in Artikel 95 Absatz 5 EG vorgesehenen Verfahren anders verhält.

38. Im genannten Urteil Dänemark/Kommission hat sich der Gerichtshof auf die Tatsache gestützt, dass das in Artikel 95 Absatz 4 vorgesehene Verfahren nicht von einem Gemeinschaftsorgan initiiert worden war, sondern von einem Mitgliedstaat, da die Entscheidung des Gemeinschaftsorgans nur als Reaktion auf dessen Initiative getroffen wird. Dieses Verfahren zielt nämlich auf die Billigung einzelstaatlicher Bestimmungen ab, die von einer auf Gemeinschaftsebene getroffenen Harmonisierungsmaßnahme abweichen. Bei seinem Antrag steht es diesem Mitgliedstaat frei, sich zu der von ihm beantragten Entscheidung zu äußern, wie ausdrücklich aus Artikel 95 Absatz 4 EG hervorgeht, wonach der Staat die Gründe für die Beibehaltung der fraglichen einzelstaatlichen Bestimmungen anzugeben hat. Die Kommission muss ihrerseits in der Lage sein, innerhalb der ihr gesetzten Fristen die erforderlichen Auskünfte zu erhalten, ohne den antragstellenden Mitgliedstaat erneut anhören zu müssen (Urteil Dänemark/Kommission, Randnrn. 47 und 48).

39. Dem Urteil Dänemark/Kommission (Randnr. 49) zufolge wird dies zum einen durch Artikel 95 Absatz 6 Unterabsatz 2 EG bestätigt, wonach die abweichenden einzelstaatlichen Bestimmungen als gebilligt gelten, wenn die Kommission innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Entscheidung trifft. Zum anderen kann nach Unterabsatz 3 dieses Absatzes der genannte Zeitraum nicht verlängert werden, wenn Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht. Daraus hat der Gerichtshof gefolgert, dass die Verfasser des Vertrages sowohl im Interesse des antragstellenden Mitgliedstaats als auch im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts für einen raschen Abschluss des in Artikel 95 Absatz 4 EG vorgesehenen Verfahrens sorgen wollten. Dieses Ziel wäre nur schwer mit dem Erfordernis eines längeren Informations- und Meinungsaustauschs vereinbar (Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 49).

40. Das Gericht ist der Auffassung, dass sich diese Erwägungen auf das in Artikel 95 Absatz 5 EG vorgesehene Verfahren übertragen lassen. Denn dieses Verfahren wird wie das in Artikel 95 Absatz 4 EG genannte auf Antrag eines Mitgliedstaats eröffnet, der auf die Billigung einzelstaatlicher Bestimmungen abzielt, die von einer auf Gemeinschaftsebene getroffenen Harmonisierungsmaßnahme abweichen. In beiden Fällen wird das Verfahren vom mitteilenden Mitgliedstaat initiiert, dem es freisteht, sich zu der von ihm beantragten Entscheidung zu äußern. Außerdem müssen die beiden Verfahren im Interesse des antragstellenden Mitgliedstaats und des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts rasch abgeschlossen werden.

41. Entgegen dem Vorbringen der Kläger ermöglicht die Tatsache, dass das Verfahren gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG noch im Entwurfsstadium befindliche innerstaatliche Maßnahmen betrifft, es nicht, dieses Verfahren von dem in Absatz 4 des genannten Artikels vorgesehenen derart abzugrenzen, dass der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens darauf anwendbar wäre. Insoweit können die Kläger nicht geltend machen, dass das Gebot der Schnelligkeit bei der Prüfung einer innerstaatlichen Maßnahme, die noch nicht in Kraft getreten sei, weniger schwer wiege, so dass die Kommission leicht die Frist von sechs Monaten, die in Artikel 95 Absatz 6 EG vorgesehen sei, zur Durchführung einer kontradiktorischen Auseinandersetzung verlängern könne.

42. Erstens steht diesem Argument der Wortlaut von Artikel 95 Absatz 6 EG entgegen. Zum einen gilt dieser unterschiedslos für Anträge auf Ausnahmegenehmigung, die in Kraft befindliche innerstaatliche Maßnahmen gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG betreffen, und solche Anträge, die Maßnahmen im Entwurfsstadium betreffen, auf die Artikel 95 Absatz 5 EG anwendbar ist. Zum anderen kann die Kommission von ihrer Befugnis zur Verlängerung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist, die in Unterabsatz 3 dieser Bestimmung vorgesehen ist, nur Gebrauch machen, wenn die Schwierigkeit der gestellten Frage dies erfordert und keine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht. Somit erweist sich, dass es Artikel 95 Absatz 6 Unterabsatz 3 EG der Kommission nicht erlaubt, die sechsmonatige Entscheidungsfrist zu dem einzigen Zweck zu verlängern, eine Anhörung des Mitgliedstaats zu ermöglichen, der ihr einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG vorgelegt hat.

43. Zweitens entspricht das Argument der Kläger nicht der Systematik von Artikel 95 Absatz 5 EG. Der Umstand, dass diese Bestimmung eine einzelstaatliche Maßnahme betrifft, die noch nicht in Kraft ist, verringert nicht das Interesse daran, dass die Kommission rasch über den vorgelegten Antrag auf Ausnahmegenehmigung entscheidet. Denn der rasche Abschluss dieses Verfahrens ist von den Verfassern des Vertrages zur Wahrung des Interesses des antragstellenden Mitgliedstaats, Klarheit über die anzuwendenden Vorschriften zu haben, sowie im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts gewollt.

44. Zum letztgenannten Punkt ist zu betonen, dass zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des zwingenden Charakters und der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts die in Artikel 95 Absätze 4 und 5 EG vorgesehenen Verfahren beide darauf abzielen, sicherzustellen, dass kein Mitgliedstaat eine innerstaatliche Regelung anwendet, die von den harmonisierten Vorschriften abweicht, ohne zuvor die Billigung der Kommission erhalten zu haben. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich die Regelung, die auf die gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen anwendbar ist, nicht signifikant von der Regelung, die auf die noch im Entwurfsstadium befindlichen, gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG mitgeteilten einzelstaatlichen Maßnahmen anwendbar ist. Denn nach beiden Verfahren sind die fraglichen Maßnahmen so lange nicht anwendbar, wie die Kommission noch keine Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung erlassen hat. Im Rahmen von Artikel 95 Absatz 5 EG ergibt sich dies schon aus der Natur der betreffenden Maßnahmen, die sich noch im Entwurfsstadium befinden. Bei Artikel 95 Absatz 4 EG ergibt es sich aus dem Gegenstand des Verfahrens, das er vorsieht. Der Gerichtshof hat nämlich darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben, wirkungslos wären, wenn die Mitgliedstaaten befugt blieben, einseitig eine einzelstaatliche Regelung anzuwenden, die davon abweicht. Ein Mitgliedstaat ist somit zur Anwendung gemäß Artikel 95 Absatz 4 EG mitgeteilter einzelstaatlicher Vorschriften erst befugt, wenn er von der Kommission eine Billigungsentscheidung erhalten hat (vgl. zu dem entsprechenden Verfahren gemäß Artikel 100a Absatz 4 EG-Vertrag Urteile des Gerichtshofs vom 17. Mai 1994 in der Rechtssache C-41/93, Frankreich/Kommission, Slg. 1994, I-1829, Randnrn. 29 und 30, und vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-319/97, Kortas, Slg. 1999, I-3143, Randnr. 28). 45. Schließlich ist das Argument der Kläger zu verwerfen, der Sachverhalt in der vorliegenden Rechtssache unterscheide sich insoweit von demjenigen, zu dem das oben genannte Urteil Dänemark/Kommission ergangen sei, als sich die Kommission nicht darauf beschränkt habe, auf der Grundlage der Informationen zu entscheiden, die ihr von der Republik Österreich übermittelt worden seien, sondern bei der EFSA eine Stellungnahme eingeholt habe, auf der die angefochtene Entscheidung beruhe. Da der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens für das fragliche Verfahren nicht gilt, ist dieses Argument nämlich nicht geeignet, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen.

46. Ferner ist zu betonen, dass die Unanwendbarkeit des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens nicht bedeutet, dass die Kommission verpflichtet wäre, allein auf Grundlage der Angaben zu entscheiden, die zur Stützung des Antrags auf Ausnahmegenehmigung vorgebracht worden sind. Aus dem oben genannten Urteil Dänemark/Kommission (Randnr. 48) ergibt sich vielmehr, dass die Kommission innerhalb der ihr gesetzten Fristen in der Lage sein muss, die erforderlichen Auskünfte zu erhalten, ohne den antragstellenden Mitgliedstaat erneut anhören zu müssen.

47. Da somit der erste Klagegrund nicht geeignet ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen, muss ihm der Erfolg versagt bleiben, ohne dass erforderlich wäre, auf die besondere Frage einzugehen, ob das Land Oberösterreich, obwohl es nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt war, sich auf den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens berufen konnte.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

48. Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Anforderungen des Artikels 253 EG genüge. Sie gehe insbesondere nicht auf die Geltungsdauer der mitgeteilten Maßnahme ein, die auf drei Jahre begrenzt sei. Diese Frage sei jedoch von entscheidender Bedeutung, um die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen. Denn die Erneuerung der auf der Grundlage der Richtlinie 90/220 erteilten Zustimmungen müsse nach den strengeren Kriterien der Richtlinie 2001/18 vorgenommen werden, und dies vor dem 17. Oktober 2006. Die Kläger legen dar, dass die Geltungsdauer der mitgeteilten Maßnahme auf drei Jahre begrenzt worden sei, damit sie mit diesem Termin zusammenfalle und vermieden werde, dass GVO, die nicht den Umweltschutzerfordernissen der Richtlinie 2001/18 entsprächen, vor Ablauf des 1999 im Rat vereinbarten Moratoriums im Land Oberösterreich verwendet würden. Die Kommission hätte auf die Argumente in der Mitteilung eingehen müssen, wonach das sich aus der Richtlinie 2001/18 ergebende Umweltschutzniveau unzureichend sei.

49. Die Kommission bestreitet, gegen Artikel 253 EG verstoßen zu haben. Sie ist der Auffassung, ein detailliertes Eingehen auf die Befristung der mitgeteilten Maßnahme erübrige sich, da dieser Umstand im Hinblick auf die Voraussetzungen von Artikel 95 Absatz 5 EG unerheblich sei.

Würdigung durch das Gericht

50. Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-159/01, Niederlande/Kommission, Slg. 2004, I-4461, Randnr. 65).

51. Die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, ist nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnrn. 15 und 16, und vom 19. September 2002 in der Rechtssache C-114/00, Spanien/Kommission, Slg. 2002, I-7657, Randnrn. 62 und 63).

52. Die Kommission muss zwar ihre Entscheidungen mit Gründen versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahme abhängt, darlegen sowie die Erwägungen anführen, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung veranlasst haben; sie braucht aber nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind (Urteil des Gerichts vom 27. November 1997 in der Rechtssache T-290/94, Kaysersberg/Kommission, Slg. 1997, II-2137, Randnr. 150).

53. Um der von Artikel 253 EG vorgesehenen Begründungspflicht zu genügen, muss eine Entscheidung, die von der Kommission auf der Grundlage von Artikel 95 Absatz 5 EG erlassen wird, eine hinreichende und einschlägige Angabe der Elemente enthalten, die berücksichtigt worden sind, damit festgestellt werden kann, ob die von diesem Artikel aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahmegenehmigung erfüllt sind.

54. Gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG muss die Einführung einzelstaatlicher Bestimmungen, die von einer Harmonisierungsmaßnahme abweichen, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat gestützt werden, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt, und die in Aussicht genommenen Bestimmungen sowie die Gründe für ihre Einführung müssen der Kommission mitgeteilt werden. Da es sich offenkundig um kumulative Voraussetzungen handelt, müssen sie gleichzeitig erfüllt sein; andernfalls ist der Antrag von der Kommission abzulehnen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Januar 2003 in der Rechtssache C-512/99, Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I-845, Randnrn. 80 und 81).

55. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission detaillierte und eingehende Ausführungen gemacht hat, die es dem Adressaten der angefochtenen Entscheidung ermöglichen, von deren tatsächlichen und rechtlichen Gründen Kenntnis zu nehmen, und dem Gericht ermöglichen, seine Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle wahrzunehmen.

56. Die Kommission hat sich nämlich bei der Ablehnung des Antrags der Republik Österreich auf drei Hauptpunkte gestützt. Sie hat zunächst festgestellt, dass dieser Mitgliedstaat nicht nachgewiesen habe, dass die mitgeteilte Maßnahme im Hinblick auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Schutz der Umwelt gerechtfertigt sei (Begründungserwägungen 63 bis 68 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hat außerdem die Auffassung vertreten, dass die mitgeteilte Maßnahme nicht durch ein spezifisches Problem der Republik Österreich gerechtfertigt sei (Begründungserwägungen 70 und 71 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich hat die Kommission das Vorbringen der österreichischen Behörden, die einzelstaatlichen Maßnahmen seien durch das Vorsorgeprinzip gerechtfertigt, mit der Begründung zurückgewiesen, dieses Vorbringen sei zu allgemein und es mangele ihm an Substanz (Begründungserwägungen 72 und 73 der angefochtenen Entscheidung).

57. Was die Frage anbelangt, ob die Kommission dadurch gegen Artikel 253 EG verstoßen hat, dass sie nicht auf die Argumente der Republik Österreich eingegangen ist, mit denen diese im Wesentlichen geltend gemacht hatte, die mitgeteilte Maßnahme sei durch ein unzureichendes Umweltschutzniveau bis zum Ablauf der in Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2001/18 gesetzten Frist für die Erneuerungen der vor dem 17. Oktober 2002 nach der Richtlinie 90/220 für das Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten erteilten Zustimmungen gerechtfertigt, so ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung zu diesem Punkt nicht ausdrücklich Stellung bezieht. Jedoch ist diese Lücke nicht einer unzureichenden Begründung zuzuschreiben, sondern ergibt sich aus der Natur des Gedankengangs, den die Kommission bei der Darlegung der die angefochtene Entscheidung rechtfertigenden rechtlichen und tatsächlichen Gründe verfolgt. Nachdem die Kommission die Gründe dargelegt hatte, derentwegen sie der Auffassung ist, dass die Mitteilung nicht den Voraussetzungen von Artikel 95 Absatz 5 EG in Bezug auf das Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Umweltschutz und eines spezifischen Problems des betroffenen Mitgliedstaats genügt, musste sie nicht auf die Argumente der Republik Österreich hinsichtlich des von der Richtlinie 2001/18 bis zum 17. Oktober 2006 erreichten Umweltschutzniveaus eingehen.

58. Mangels Begründetheit muss dem vorliegenden Klagegrund somit der Erfolg versagt bleiben.

Zum dritten Klagegrund: Verletzung von Artikel 95 Absatz 5 EG

Vorbringen der Parteien

59. Die Kläger tragen vor, dass die Kommission dem Antrag der Republik Österreich hätte stattgeben müssen, weil die Voraussetzungen von Artikel 95 Absatz 5 EG erfüllt seien. Die mitgeteilte Maßnahme sei zum Schutz der Umwelt bestimmt gewesen, sie habe auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, und sie sei durch ein für Österreich spezifisches Problem gerechtfertigt gewesen und habe dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprochen.

60. Die Kommission tritt diesen Argumenten entgegen.

Würdigung durch das Gericht

61. Artikel 95 EG, der gemäß dem Vertrag von Amsterdam Artikel 100a EG-Vertrag ersetzt und ändert, unterscheidet danach, ob die mitgeteilten Bestimmungen einzelstaatliche Bestimmungen sind, die schon vor der Harmonisierung bestanden, oder einzelstaatliche Bestimmungen, die der betreffende Mitgliedstaat einführen möchte. Im ersten, in Artikel 95 Absatz 4 EG geregelten Fall muss die Beibehaltung bestehender einzelstaatlicher Bestimmungen durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 EG oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sein. Im zweiten, in Artikel 95 Absatz 5 EG geregelten Fall muss die Einführung neuer einzelstaatlicher Bestimmungen auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Schutz der Umwelt oder der Arbeitsumwelt aufgrund eines spezifischen Problems für diesen Mitgliedstaat beruhen, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt.

62. Die beiden in Artikel 95 EG vorgesehenen Fälle unterscheiden sich darin, dass im ersten Fall die einzelstaatlichen Bestimmungen schon vor der Harmonisierungsmaßnahme bestanden. Sie waren dem Gemeinschaftsgesetzgeber somit bekannt, aber dieser konnte oder wollte sich bei der Harmonisierung nicht von ihnen leiten lassen. Es wurde daher als hinnehmbar angesehen, dass der Mitgliedstaat die Fortgeltung seiner eigenen Vorschriften beantragen kann. Dabei verlangt der EG-Vertrag, dass solche Vorschriften durch wichtige Erfordernisse im Sinne des Artikels 30 EG oder in Bezug auf den Schutz der Arbeitsumwelt oder den Umweltschutz gerechtfertigt sind. Dagegen kann im zweiten Fall der Erlass neuer einzelstaatlicher Rechtsvorschriften die Harmonisierung stärker gefährden. Die Gemeinschaftsorgane konnten die einzelstaatliche Regelung naturgemäß bei der Ausarbeitung der Harmonisierungsmaßnahme nicht berücksichtigen. In diesem Fall können die in Artikel 30 EG genannten Erfordernisse nicht herangezogen werden; zulässig sind allein Gründe des Schutzes der Umwelt oder der Arbeitsumwelt, wobei Voraussetzung ist, dass der Mitgliedstaat neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegt und dass das Erfordernis der Einführung neuer einzelstaatlicher Bestimmungen auf einem spezifischen Problem für diesen Mitgliedstaat beruht, das sich nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt (Urteile Deutschland/Kommission, Randnrn. 40 und 41, und Dänemark/Kommission, Randnrn. 56 bis 58).

63. Es ist Sache des Mitgliedstaats, der sich auf Artikel 95 Absatz 5 EG beruft, nachzuweisen, dass die Anwendungsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind (Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der oben genannten Rechtssache Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I-847, Nr. 71; vgl. auch entsprechend zu Artikel 95 Absatz 4 EG Urteil Dänemark/Kommission, Randnr. 84).

64. Gemäß Artikel 95 Absatz 5 EG war es im vorliegenden Fall Sache der Republik Österreich, anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nachzuweisen, dass das mit der Richtlinie 2001/18 sichergestellte Umweltschutzniveau in Anbetracht eines spezifischen Problems dieses Mitgliedstaats, das sich nach Erlass der Richtlinie 2001/18 ergab, nicht hinnehmbar war. Somit ist zunächst die Frage zu prüfen, ob die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass es der Republik Österreich nicht gelungen sei, das Vorliegen eines spezifischen Problems nachzuweisen, das sich nach Erlass der Richtlinie 2001/18 ergeben hätte.

65. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Argumente der Republik Österreich zum Nachweis des Vorliegens eines spezifischen Problems im Sinne von Artikel 95 Absatz 5 EG mit der Begründung verworfen, dass sich aus der Mitteilung klar ergebe, dass die kleinbetrieblich strukturierte Landwirtschaft gewiss keine Besonderheit des Landes Oberösterreich sei, sondern in allen Mitgliedstaaten vorkomme. Die Kommission hat sich auch die Ergebnisse der EFSA zu Eigen gemacht, wonach zum einen "[d]ie vorgelegten wissenschaftlichen Nachweise ... keine oder nur lokal begrenzte wissenschaftliche Daten zu den Folgen für die Umwelt und die menschliche Gesundheit bereits vorhandener oder künftiger Kulturen oder Tiere [enthalten]" und zum anderen "keine Nachweise darüber vorgelegt [wurden], dass dieses Gebiet Österreichs über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfügt, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt wird" (Begründungserwägungen 70 und 71 der angefochtenen Entscheidung).

66. Es ist festzustellen, dass die Kläger keine Beweismittel vorgelegt haben, die es erlauben würden, die Stichhaltigkeit dieser Beurteilung hinsichtlich des Vorliegens eines spezifischen Problems zu bezweifeln, sondern dass sie sich darauf beschränkt haben, die kleinbetriebliche Struktur der Landwirtschaft zu unterstreichen und die Bedeutung der ökologischen Landwirtschaft im Land Oberösterreich zu betonen.

67. Insbesondere haben die Kläger nichts vorgebracht, um die Ergebnisse der EFSA zu widerlegen, nach denen die Republik Österreich nicht nachgewiesen habe, dass das Gebiet des Landes Oberösterreich über ein ungewöhnliches oder einzigartiges Ökosystem verfüge, das eine andere Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich machen würde, als sie für Österreich insgesamt oder für andere vergleichbare Gebiete in Europa durchgeführt wird. Als sie in der mündlichen Verhandlung dazu aufgefordert wurden, sich zum Umfang des von GVO ausgehenden Problems im Gebiet des Landes Oberösterreich zu äußern, waren die Kläger nicht in der Lage, anzugeben, ob das Vorhandensein solcher Organismen überhaupt festgestellt worden war. Das Land Oberösterreich hat klargestellt, dass die Erlassung der mitgeteilten Maßnahme auf der Befürchtung beruhte, das Auftreten von GVO wegen des angekündigten Ablaufs einer Vereinbarung hinnehmen zu müssen, gemäß der die Mitgliedstaaten sich zeitweilig verpflichtet hätten, keine Zustimmungen betreffend solche Organismen mehr zu erteilen. Solche Erwägungen sind wegen ihres allgemeinen Charakters nicht geeignet, die konkreten Beurteilungen zu erschüttern, die in der angefochtenen Entscheidung enthalten sind.

68. Somit sind die Argumente, mit denen die Kläger die Beurteilungen der Kommission zur Voraussetzung des Vorliegens eines für den antragstellenden Mitgliedstaat spezifischen Problems beanstandet haben, zu verwerfen.

69. Da die von Artikel 95 Absatz 5 EG aufgestellten Voraussetzungen kumulativ sind, reicht es aus, dass eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt ist, um den Antrag auf Ausnahmegenehmigung zurückzuweisen (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 81). Da es den Klägern nicht gelungen ist, nachzuweisen, dass eine der von Artikel 95 Absatz 5 EG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt ist, vermag der dritte Klagegrund mangels Begründetheit nicht durchzudringen, ohne dass es erforderlich wäre, über die übrigen Rügen und Argumente zu entscheiden.

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip

70. Die Kläger werfen der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass die mitgeteilte Maßnahme eine Präventivmaßnahme im Sinne von Artikel 174 Absatz 2 EG sei, die durch das Vorsorgeprinzip gerechtfertigt sei; die Kommission bestreitet dies.

71. Das Gericht stellt fest, dass dieser Klagegrund nicht geeignet ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen. Die Kommission hatte nämlich über einen auf Artikel 95 Absatz 5 EG gestützten Antrag zu befinden. Sie hat entschieden, dass die Anwendungsvoraussetzungen dieses Artikels nicht vorlagen. Am Ende der Prüfung des dritten Klagegrunds hat das Gericht festgestellt, dass die angefochtene Entscheidung fehlerfrei war. Somit konnte die Kommission den ihr vorgelegten Antrag jedenfalls nur ablehnen.

72. Somit greift der vierte Klagegrund nicht durch.

73. Nach alledem sind die Klagen insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

74. Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

75. Da im vorliegenden Fall die Kläger unterlegen sind, sind sie auf Antrag der Kommission zur Tragung von deren Kosten in diesem Rechtszug zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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