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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.03.1999
Aktenzeichen: T-37/97
Rechtsgebiete: EGKS


Vorschriften:

EGKS Art. 4
EGKS Art. 95
EGKS Art. 15 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Gemäß Artikel 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag sind Nichtigkeitsklagen "innerhalb eines Monats nach Zustellung der individuellen Entscheidung oder Empfehlung oder nach Veröffentlichung der allgemeinen Entscheidung oder Empfehlung zu erheben". Gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Bürger sich auf den eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung verlassen können. Die Klagefristen sind daher anhand des Zeitpunkts der Zustellung und der Veröffentlichung der Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission zu berechnen.

2 Der Begriff der Beihilfe in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag umfasst Geld- oder Sachleistungen, die einem Unternehmen zu dessen Unterstützung gewährt werden und die ausserhalb des Entgelts liegen, das der Käufer oder Verbraucher für die von dem betroffenen Unternehmen produzierten Güter oder Dienstleistungen entrichtet, sowie ferner jede Maßnahme, die die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat. Eine Kapitalzuführung und die im Rahmen dieser Zuführung gewährten Vorschüsse, ein Verzicht auf Darlehensforderungen, staatliche Bürgschaften für Darlehen oder Überbrückungskredite können damit als Beihilfen im Sinne dieser Bestimmung bezeichnet werden.

3 Bei der Prüfung, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, ist nicht danach zu unterscheiden, ob die Beihilfe unmittelbar durch den Staat oder eine seiner Gebietskörperschaften oder aber durch von ihm oder der Gebietskörperschaft zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird. Im übrigen kann weder der Umstand, daß eine solche Einrichtung zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die finanziellen Maßnahmen zugunsten des Unternehmens ausführt, dessen Aktionärin ist, noch Artikel 83 EGKS-Vertrag einer Qualifizierung dieser Maßnahmen als staatliche Beihilfen entgegenstehen. Daß nach Artikel 83 die "Errichtung der Gemeinschaft... in keiner Weise die Ordnung des Eigentums an den Unternehmen [berührt]", ändert nämlich nichts daran, daß Artikel 4 EGKS-Vertrag den staatlichen Stellen entgegengehalten werden kann, die als Aktionäre Maßnahmen treffen, bei denen es sich nicht um die Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis handelt.

4 Für die Frage, ob Maßnahmen, die von staatlichen Behörden zugunsten eines Unternehmens getroffen werden, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, ist auf das Kriterium des wirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers abzustellen; nach diesem Kriterium kommt es darauf an, ob es dem Unternehmen möglich gewesen wäre, die betreffenden Geldbeträge auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen, und ob ein privater Kapitalgeber den fraglichen Vorgang zu den gleichen Bedingungen abgewickelt hätte. Zieht man die Erheblichkeit dieses Kriteriums im Sektor der Eisen- und Stahlindustrie mit der Begründung in Zweifel, daß dieser Wirtschaftssektor in der Praxis öffentliche Mittel benötigt, so läuft dies zwangsläufig darauf hinaus, die Geltung des grundsätzlichen Verbotes nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, das sich gerade auf die von den Staaten bewilligten Subventionen und Beihilfen erstreckt, in Frage zu stellen. Dieses Kriterium ist im Rahmen des Artikels 4 EGKS-Vertrag ebenso erheblich wie im Rahmen des Artikels 92 EG-Vertrag, da es zur Feststellung von Vorteilen dient, die den Wettbewerb verzerren oder verzerren können.

5 Genehmigt die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag ausnahmsweise staatliche Beihilfen, die nicht zu den vom Beihilfenkodex erfassten Kategorien gehören, so steht dies nicht im Widerspruch zu Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag. Es handelt sich jedoch nicht um eine Verpflichtung der Kommission, sondern um ein Ermessen, das die Kommission ausübt, wenn sie der Auffassung ist, daß die angemeldete Beihilfe zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich ist, um so vor allem unvorhergesehenen Situationen zu begegnen. Daraus folgt, daß die Kommission, die im gemeinsamen Interesse zu handeln hat, von diesem Ermessen nur ausnahmsweise Gebrauch machen darf.

6 Wie sich aus Artikel 116 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt, kann der Streithelfer nicht die von ihm unterstützten Parteianträge erweitern; er ist jedoch frei in der Wahl der Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Argumente, die er zugunsten der genannten Anträge geltend macht. Diese Wahlfreiheit ist nicht auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren beschränkt. Ein Mitgliedstaat, der einer Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission betreffend staatliche Beihilfen beitritt, kann sich zwar nicht auf Tatsachen stützen, die der Kommission nicht bekannt waren und die er ihr im Verwaltungsverfahren nicht mitteilen wollte, doch ist es ihm nicht verwehrt, gegen die abschließende Entscheidung einen rechtlichen Grund vorzubringen, der nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wurde.

7 Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten. Hierzu ist es wesentlich, daß die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn das Rechtssubjekt, dessen rechtliche und sachliche Lage durch den fraglichen Rechtsakt berührt worden ist, die in diesem aufgestellten Bedingungen nicht eingehalten hat.

8 Die nach Artikel 15 Absatz 1 EGKS-Vertrag erforderliche Begründung muß die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme zwecks Wahrnehmung ihrer Rechte entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Begründung nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften, die für das betreffende Gebiet gelten.

9 Die Kommission darf nicht zugunsten eines kommerziell und finanziell nicht lebensfähigen Unternehmens eine Beihilfe genehmigen, nur um die Beschäftigung in diesem Unternehmen künstlich aufrechtzuerhalten, und damit das Gleichgewicht im Gemeinsamen Markt durch Herbeiführung eines wirtschaftlich ungerechtfertigten Nachteils zu Lasten der konkurrierenden Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie stören. Das Recht auf Arbeit und Artikel 2 EGKS-Vertrag, wonach die Gemeinschaft dafür zu sorgen hat, "daß keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt", und zu vermeiden hat, "daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden", können nicht dahin ausgelegt werden, daß die Kommission verpflichtet ist, in einem solchen Fall eine Beihilfe zu genehmigen. Eine solche Auslegung wäre mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar, der auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen u. a. die Erhaltung eines gesunden Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt verlangt.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 25. März 1999. - Forges de Clabecq SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS - Staatliche Beihilfen - Nichtigkeitsklage - Einrede der Rechtswidrigkeit - Fünfter Stahlbeihilfenkodex. - Rechtssache T-37/97.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (im folgenden: EGKS-Vertrag) verbietet staatliche Beihilfen für Eisen- und Stahlunternehmen. Nach seinem Artikel 4 Buchstabe c sind "von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form auch immer" als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß den Bestimmungen des Vertrages untersagt.

2 Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag lautet:

"In allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung oder Empfehlung der Kommission erforderlich erscheint, um eines der in Artikel 2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, kann diese Entscheidung oder Empfehlung mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses ergehen.

Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung oder Empfehlung bestimmt gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen."

3 Um den Erfordernissen einer Umstrukturierung des Sektors der Eisen- und Stahlindustrie gerecht zu werden, erließ die Kommission aufgrund der angeführten Bestimmungen des Artikels 95 EGKS-Vertrag seit den 80er Jahren gemeinschaftliche Vorschriften über staatliche Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie in einer begrenzten Zahl von Fällen. Die gemeinschaftlichen Vorschriften über Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie, die während des hier maßgeblichen Zeitraums in Kraft waren, wurden durch die Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 362, S. 57; im folgenden: Beihilfenkodex) eingeführt.

4 Artikel 1 Absatz 1 des Beihilfenkodex lautet: "Alle Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie..., die... von den Mitgliedstaaten bzw. den Gebietskörperschaften oder aus staatlichen Mitteln finanziert werden, können nur dann als Gemeinschaftsbeihilfen und somit als mit dem ordnungsgemässen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar angesehen werden, wenn sie den Bestimmungen der Artikel 2 bis 5 entsprechen." Gemäß Absatz 2 dieses Artikels umfasst "[d]er Begriff "Beihilfe"... die Beihilfeelemente, die in den Übertragungen staatlicher Mittel - wie Beteiligungen, Kapitalausstattungen oder gleichartige Maßnahmen... - enthalten sind, die von den Mitgliedstaaten, den Gebietskörperschaften oder sonstigen Organen unter Einsatz staatlicher Mittel zugunsten von Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie getroffen werden und nicht als Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis anzusehen sind".

5 Die Artikel 2 bis 5 des Beihilfenkodex sehen vor, daß unter bestimmten Voraussetzungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können: Beihilfen, die zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Eisen- und Stahlunternehmen bestimmt sind; Beihilfen, mit denen die Anpassung von Anlagen, die mindestens zwei Jahre vor Inkraftsetzung der neuen gesetzlichen Umweltschutznormen in Betrieb genommen wurden, an diese Normen erleichtert werden soll; Beihilfen zugunsten der Unternehmen, die ihre Produktionstätigkeit endgültig einstellen; Beihilfen für die Zahlungen an freigesetzte oder vorzeitig in den Ruhestand getretene Arbeitnehmer sowie bestimmte Beihilfen für Unternehmen, die in Griechenland, in Portugal und im Hoheitsgebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ansässig sind. Dieser Kodex erlaubt Betriebsbeihilfen oder Umstrukturierungsbeihilfen nur, sofern es sich um Schließungsbeihilfen handelt.

Sachverhalt

6 Die Klägerin ist ein Eisen- und Stahlunternehmen belgischen Rechts, das während seines Betriebes Flüssigstahl und Flachstahlfertigerzeugnisse, d. h. Bleche und Flachbrammen, herstellte.

7 Die Société wallonne pour la sidérurgie (SWS), deren Kapital zu 100 % im Besitz der Région wallonne ist, hat zur Aufgabe, im Rahmen der Wirtschaftspolitik dieser Region im Sektor der Eisen- und Stahlindustrie im Interesse der Privatunternehmen tätig zu werden.

8 In der ersten Hälfte der 80er Jahre wurde ein Sanierungsplan für die Klägerin aufgestellt, in dessen Rahmen ihr mehrere Investitionskredite gewährt wurden. Diese Kredite wurden im wesentlichen durch eine staatliche Bürgschaft abgesichert. Der erste Kredit belief sich auf 1,5 Milliarden BEF, der zweite auf 850 Millionen BEF und der dritte auf 1,5 Milliarden BEF. Der vierte und letzte Kredit dieser Reihe wurde 1985 gewährt und belief sich auf 650 Millionen BEF. Diese Gruppe staatlich gesicherter Kredite wird allgemein als "SNCI-Darlehen" (Darlehensverträge mit der Société nationale du crédit à l'industrie) bezeichnet. Mit Entscheidungen vom 16. Dezember 1982 und vom 31. Juli 1985 genehmigte die Kommission unter bestimmten Bedingungen einen Teil dieses Sanierungsplans, darunter insbesondere den Teil, der den ersten und den vierten Kredit von 1,5 Milliarden BEF bzw. 650 Millionen BEF betraf.

9 Die Compagnie belge pour le financement de l'industrie (belgische Gesellschaft für Industriefinanzierung; im folgenden: Belfin), die zur Finanzierung der Investitionen für die Umstrukturierung des belgischen Industriesektors errichtet worden war und die zur Hälfte der öffentlichen Hand gehörte, gewährte der Klägerin mittels Kapitalaufnahme bei Geldinstituten ebenfalls mehrere Darlehen: ein Darlehen in Höhe von 104 Millionen BEF im Jahr 1988 und ein Darlehen in Höhe von 196 Millionen BEF im Jahr 1989. Diese Darlehen wurden 1991 in einen Kredit über 300 Millionen BEF und 1994 in einen Kredit über 200 Millionen BEF zur Ablösung eines im Jahr 1987 vereinbarten Darlehens umgewandelt.

10 Mit Schreiben vom 25. Juni 1996 meldete die Ständige Vertretung Belgiens bei der Europäischen Union nach Artikel 6 Absatz 2 des Beihilfenkodex bei der Kommission einen Plan an, der die Weiterführung des Betriebes der Klägerin zum Ziel hatte. In geschäftlicher Hinsicht sah der Plan die Weiterführung des integrierten Werkes bei gleichzeitigem Kapazitätsabbau vor. In finanzieller Hinsicht beinhaltete der Plan in der angemeldeten Form einerseits "begleitende Maßnahmen", die aus einer weiteren Kapitalzuführung der SWS in Höhe von 1,5 Milliarden BEF und aus einer mit Zustimmung der SNCI und der Belfin erfolgten Verlängerung der Tilgungsfristen für die Schulden des Unternehmens bestanden, und andererseits den Erwerb von 21,3 % des Stammkapitals des Unternehmens durch die SWS. Diese Aktien waren zuvor im Besitz der Socindus gewesen, einer Gesellschaft, in der die Interessen der geschäftsführenden Privataktionäre im Familienverband organisiert waren. Die SWS hielt damit 60,3 % der Aktien, während der Rest der Aktien breit gestreut war.

11 Vor Aufstellung des genannten Plans waren mehrere Gutachten über die wirtschaftlichen Lage des Unternehmens erstellt worden, darunter ein von dem Unternehmen bestelltes Gutachten der Beraterfirmen Laplace Conseil und Davy Clecim. Der Vorstandsälteste der Klägerin, Herr Gandois, war überdies von Herrn Collignon, dem Ministerpräsidenten der Région wallonne, beauftragt worden, die Lebensfähigkeit der Eisen- und Stahlindustrie in Wallonien und die zur Erhaltung der Lebensfähigkeit dieses Sektors, vor allem aber der Klägerin, erforderlichen Maßnahmen zu prüfen. Die drei Berichte gingen übereinstimmend davon aus, daß einschneidende und rasche Maßnahmen erforderlich seien, um die Klägerin am Leben zu halten. Als die SWS daraufhin von der Kommission nach ihren Absichten bezueglich der Klägerin gefragt wurde, erklärte sie, daß ihr Ziel darin bestehe, "zur Verhinderung des Konkurses des Unternehmens alle nur erdenklichen Vereinbarungen mit den Gläubigern und den Banken der Forges zu treffen, um eine finanzielle und soziale Katastrophe zu verhindern". Sie erklärte, daß "die SWS... auf Ersuchen des Ministerpräsidenten keine endgültige Entscheidung über die Forges de Clabecq treffen [werde], bevor nicht die wallonische Regierung die Ergebnisse des Gandois-Berichts prüfen konnte".

12 Nach der Anmeldung richtete die Kommission mit Schreiben vom 5. Juli 1996 ein ergänzendes Auskunftsersuchen an die Ständige Vertretung Belgiens bei der Europäischen Union. Sie wollte u. a. wissen, ob über die angemeldete Maßnahme hinaus weitere Maßnahmen getroffen worden seien. Sie wies insoweit darauf hin, daß die Anmeldung über die Bedingungen der Verlängerung der Tilgungsfristen für die Schulden der Klägerin und über den Stand eines von der Région wallonne Ende 1992 gewährten Darlehens über 500 Millionen BEF, das von ihr unter bestimmten Voraussetzungen vor allem im Hinblick auf den Zinssatz nicht als Beihilfe angesehen worden war, keine Angaben enthalten habe. Sie machte ferner darauf aufmerksam, daß die belgische Presse von weiteren Maßnahmen berichtet habe, wie z. B. von der Gewährung weiterer Darlehen an die Klägerin. Die Ständige Vertretung Belgiens übermittelte dieses Schreiben an die Région wallonne.

13 Mit Schreiben vom 23. Juli 1996 machten die belgischen Behörden ergänzende Angaben. Zu dem Darlehen über 500 Millionen BEF aus dem Jahr 1992 wurde mitgeteilt, daß die SWS "auf dringende Bitte des Vorstands [der Klägerin] und zwecks Erlangung der notwendigen Unterstützung der Banken und Lieferanten bei der Prüfung und Durchführung eines Sanierungsplans" im Jahr 1996 beschlossen habe, auf ihre Forderung von insgesamt 555 Millionen BEF zu verzichten. Dieser Forderungsverzicht, so das Schreiben, stelle keine Beihilfe dar, da die Klägerin die Forderung niemals hätte bezahlen können.

14 Hinsichtlich des Tilgungsaufschubs waren dem Schreiben Anlagen beigefügt, die auf ein grundsätzliches Einverständnis der SNCI und der Belfin mit einer Verlängerung der Tilgungsfrist der Darlehen um drei Jahre Bezug nahmen. Dieses grundsätzliche Einverständnis war von mehreren Voraussetzungen abhängig, u. a. von der Zustimmung der Europäischen Gemeinschaft zur Kapitalspritze an die Klägerin.

15 In dem Schreiben heisst es, daß die SWS der Klägerin einen Überbrückungskredit von 200 Millionen BEF als Vorschuß auf die vorgesehene Kapitalspritze gewährt habe. Dieser Vorschuß sei für die Fortführung des Betriebes der Klägerin bis zur Entscheidung der Kommission unerläßlich gewesen. Weitere Vorschüsse seien wahrscheinlich erforderlich.

16 Die im Plan vorgesehenen Maßnahmen seien jedenfalls keine staatlichen Beihilfen, da sie keine öffentlichen Mittel in Anspruch nähmen und nur dem Verhalten eines marktwirtschaftlich vernünftig handelnden privaten Kapitalgebers entsprächen. Die SWS beabsichtige im übrigen nicht, Mehrheitsaktionärin der Klägerin zu bleiben. Abschließend wurde mitgeteilt, daß die SWS der Kommission für weitere Auskünfte und für die Prüfung etwaiger Anpassungsvorschläge der Kommission zur Verfügung stehe.

17 Durch eine Mitteilung gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex, die am 11. Oktober 1996 (ABl. C 301, S. 4) veröffentlicht wurde, forderte die Kommission die belgische Regierung und alle anderen Beteiligten zur Stellungnahme auf.

18 In ihrer Entscheidung 97/271/EGKS vom 18. Dezember 1996 betreffend EGKS-Stahl - Forges de Clabecq über finanzielle Eingriffe der Région wallonne zugunsten des Eisen- und Stahlunternehmens Forges de Clabecq (ABl. 1997, L 106, S. 30; im folgenden: streitige Entscheidung) entschied die Kommission wie folgt:

"Artikel 1

Die folgenden Maßnahmen des Königreichs Belgien zugunsten der Forges de Clabecq sind Beihilfen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS:

- die Kapitalzuführung in Höhe von 1,5 Mrd. BEF,

- die Bürgschaften für die Darlehen von Belfin und SNCI,

- der Forderungsverzicht in Höhe von 802,3 Mio. BEF (302,2 Mio. BEF im Fall der SA Forges Finances und 500 Mio. BEF im Fall der SWS),

- die Überbrückungskredite in einer Höhe von insgesamt 700 Mio. BEF.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Beihilfen sind nach Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, weil sie die Voraussetzungen der Artikel 2 bis 5 der genannten Entscheidung nicht erfuellen. Sie sind somit gemäß Artikel 4 Buchstabe c) EGKS-Vertrag untersagt.

Artikel 3

Belgien ist gehalten, die in Artikel 1 genannten Beihilfen aufzuheben und die Rückzahlung der unrechtmässig gewährten Beihilfen mit Zinsen seit dem Zeitpunkt der Gewährung innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlangen.

..."

19 Am 19. Dezember 1996 stellte der Vorstand der Forges de Clabecq Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Mit Urteil des Tribunal de commerce Nivelles vom 3. Januar 1997 wurde das Konkursverfahren auf Antrag der Gemeinschuldnerin eröffnet.

20 Die streitige Entscheidung wurde den belgischen Behörden mit Schreiben vom 23. Januar 1997 zugestellt und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 24. April 1997 veröffentlicht.

21 Zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr 1997 wurden die Aktiva der Klägerin von einer Firma Duferco Clabecq erworben, einer auf Initiative eines privaten Kapitalgebers, der Gruppe Duferco, neu gegründeten Gesellschaft. Nach den belgischen Rechtsvorschriften über das Konkursverfahren musste Duferco Clabecq die Schulden der Klägerin nicht übernehmen. Die Kommission genehmigte bestimmte Maßnahmen der SWS zugunsten der Duferco Clabecq mit der Begründung, daß sie eine Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis darstellen.

Verfahren und Anträge der Parteien

22 Mit Klageschrift, die am 25. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Die Rechtssache ist einer Kammer mit fünf Richtern zugewiesen worden. In der Klageschrift hat die Klägerin beantragt, die Rechtssache an das Plenum des Gerichts zu verweisen. Die Kammer hat diesem Antrag nicht stattgegeben.

23 Mit gesondertem Schriftsatz, der am 6. März 1997 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Klägerin einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt. Mit Beschluß vom 29. September 1997 hat das Gericht den Antrag zurückgewiesen.

24 Mit Schriftsatz, der am 21. März 1997 bei der Kanzlei eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Klägerin hat am 2. Mai 1997 schriftliche Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit abgegeben. Mit Beschluß des Gerichts vom 11. Juli 1997 ist die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit dem Endurteil vorbehalten worden.

25 Mit Anträgen, die am 24. Juni 1997, 23. Juli 1997 und 25. Juli 1997 bei der Kanzlei eingegangen sind, haben die SWS, das Königreich Belgien und die Région wallonne ihre Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin beantragt. Mit Beschluß des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 31. Oktober 1997 sind die SWS, das Königreich Belgien und die Région wallonne als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen worden.

26 Die Klägerin hat in ihrer Erwiderung den Erlaß bestimmter prozeßleitender Maßnahmen und hilfsweise die Durchführung einer Beweisaufnahme vorgeschlagen. Das Gericht hält die Informationen, die sich aus den Akten ergeben, für ausreichend und hat daher beschlossen, keine prozeßleitende Maßnahmen zu treffen und keine Beweiserhebungen vorzunehmen.

27 Das Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Verfahrensbeteiligten haben in der öffentlichen Sitzung vom 18. November 1998 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

28 Die Klägerin beantragt,

- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

29 Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. 30 Die Streithelfer beantragen,

- die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

31 Die Beklagte trägt vor, die Klage sei verspätet erhoben worden. Zwar sei sie innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung am 23. Januar 1997 erhoben worden, doch habe die Klagefrist nicht begonnen, als die Entscheidung dem belgischen Staat zugestellt worden sei, sondern als die Klägerin von ihr Kenntnis erlangt habe. Es stehe vorliegend fest, daß dieser Zeitpunkt vor dem 23. Januar 1997 liege. Dies werde insbesondere dadurch bewiesen, daß das Tribunal de commerce Nivelles in seinem Urteil vom 3. Januar 1997 festgestellt habe, daß die Klägerin den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens am 19. Dezember 1996 "wegen einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 18. Dezember 1996" gestellt habe.

32 Unter diesen Umständen müsse die Monatsfrist ausgehend vom 18. Dezember 1996 errechnet werden. Die Klage sei daher wegen Verspätung unzulässig.

33 Hilfsweise macht die Beklagte geltend, wenn die Klägerin der Auffassung gewesen sein sollte, sie habe keine genaue Kenntnis von der Entscheidung gehabt, hätte sie innerhalb angemessener Frist deren Wortlaut anfordern müssen, was sie jedoch nicht getan habe.

34 Ihre Ausführungen stützt die Kommission u. a. auf die Urteile des Gerichtshofes vom 19. September 1985 in den verbundenen Rechtssachen 172/83 und 226/83 (Hoogovens Gröp/Kommission, Slg. 1985, 2831), vom 6. Juli 1988 in der Rechtssache 236/86 (Dillinger Hüttenwerke/Kommission, Slg. 1988, 3761) und vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache C-180/88 (Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie/Kommission, Slg. 1990, I-4413) sowie auf den Beschluß des Gerichtshofes vom 5. März 1993 in der Rechtssache C-102/92 (Ferriere Acciaierie Sarde/Kommission, Slg. 1993, I-801), auf den auch im Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T-465/93 (Consorzio gruppo di azione locale "Murgia Messapica"/Kommission, Slg. 1994, II-361, Randnr. 29) verwiesen werde.

35 Die Klägerin weist darauf hin, daß eine Klage in zweckdienlicher Weise nur erhoben werden könne, wenn der Betroffene Kenntnis von der Begründung der Entscheidung der Kommission habe. Die Klägerin habe aber Kenntnis von dem Wortlaut der Entscheidung erst mit deren Zustellung erhalten. Sie habe sich kurz nach dem Erlaß der Entscheidung mit der Kommission in Verbindung gesetzt, um den Wortlaut der Entscheidung zu erhalten. Die Kommission habe ihr jedoch erwidert, daß es nicht möglich sei, ihr den Wortlaut vor der förmlichen Zustellung an den belgischen Staat zu übersenden.

36 Die Auslegung der Rechtsprechung durch die Beklagte sei fehlerhaft. Die fragliche Rechtsprechung beziehe sich auf ganz andere Sachverhalte als den vorliegenden. Die von der Kommission angeführten Urteile und Beschlüsse beträfen nämlich den Fall, daß eine EGKS-Entscheidung weder zugestellt noch veröffentlicht worden sei. Nur für diesen sei entschieden worden, daß eine Klage innerhalb einer Frist von einem Monat nach Erlangung tatsächlicher Kenntnis von der Entscheidung erhoben werden könne, sofern der Kläger die Übersendung der Entscheidung innerhalb angemessener Frist verlangt habe.

37 Es sei auf jeden Fall unmöglich gewesen, eine Klage vor der Zustellung zu erheben, da nach Artikel 15 EGKS-Vertrag eine Entscheidung vor ihrer Zustellung keine rechtlichen Wirkungen haben könne.

38 Die belgische Regierung unterstützt den Vortrag der Klägerin.

39 Die Région wallonne und die SWS tragen vor, daß die Entscheidung zugestellt und die Klage innerhalb einer Frist von einem Monat ab dieser Zustellung - zuzueglich der Entfernungsfrist - erhoben worden sei. Artikel 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag sei daher vollständig beachtet worden, und die Klage sei nicht verspätet.

Würdigung durch das Gericht

40 Gemäß Artikel 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag sind Nichtigkeitsklagen "innerhalb eines Monats nach Zustellung der individuellen Entscheidung oder Empfehlung oder nach Veröffentlichung der allgemeinen Entscheidung oder Empfehlung zu erheben". Gemäß dem Grundsatz der Rechtssicherheit müssen die Bürger sich auf den eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung verlassen können. Die Klagefristen sind daher anhand des Zeitpunkts der Zustellung und der Veröffentlichung der Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission zu berechnen.

41 Im vorliegenden Fall wurde die streitige Entscheidung dem belgischen Staat mit Schreiben vom 23. Januar 1997 zugestellt und am 24. April 1997 im Amtsblatt veröffentlicht. Hieraus folgt, daß die vorliegende Klage, die am 25. Februar 1997 erhoben wurde, also lange vor Ablauf der Frist von einem Monat ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung - zuzueglich der Entfernungsfrist von zwei Tagen für Klagen von Personen, die in Belgien ansässig sind -, nicht verspätet ist.

42 Wie die Klägerin im übrigen zu Recht ausgeführt hat, betrifft die von der Kommission zur Begründung der Einrede der Unzulässigkeit angeführte Rechtsprechung den wesentlich anderen Fall, daß die Entscheidung weder zugestellt noch veröffentlicht wurde.

43 Die Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

Zur Begründetheit

44 Die Klägerin und die Streithelfer machen der Sache nach sieben Nichtigkeitsgründe geltend. Der erste Grund wird auf eine Verletzung des Artikels 4 EGKS-Vertrag, der zweite Grund auf eine Verletzung des Artikels 95 EGKS-Vertrag, der dritte Grund auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, der vierte Grund auf eine nicht ausreichende Begründung, der fünfte Grund auf eine Verletzung der Verteidigungsrechte, der sechste Grund auf eine Verletzung des Grundrechts auf Arbeit, der Präambel und der Ziele des EGKS- und des EG-Vertrags sowie des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes, der siebte Grund schließlich auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gestützt.

45 Die Klägerin erhebt ferner im Rahmen der vorliegenden Nichtigkeitsklage hilfsweise eine Einrede der Rechtswidrigkeit des Beihilfenkodex. Diese Einrede wird auf drei Gründe gestützt. Der erste Grund ist aus einer Verletzung des Artikels 95 EGKS-Vertrag, der zweite Grund aus einer Verletzung des Artikels 67 EGKS-Vertrag, gegebenenfalls aus einer Verletzung der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag, und der dritte Grund aus einer Befugnisüberschreitung, einem offensichtlichen Ermessensfehler und einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung hergeleitet.

Zum ersten Nichtigkeitsgrund: Verletzung des Artikels 4 EGKS-Vertrag

Vorbringen der Parteien

46 Die Klägerin trägt vor, daß die zu ihren Gunsten erfolgten Maßnahmen nicht von der Région wallonne, sondern von der SWS getroffen worden seien. Dies habe zur Folge, daß die Maßnahmen nicht als staatliche Beihilfen qualifiziert werden könnten. Die SWS sei eine Gesellschaft des Privatrechts, die zwar zu 100 % im Besitz der Région wallonne sei, die aber nicht irgendwelchen Weisungen der staatlichen Gewalt der Région wallonne unterliege und von dieser keine Kapitalausstattung zur Deckung der Unternehmenskosten erhalte. Die Maßnahme der SWS gehöre zu ihrer Aufgabe als Mehrheitsaktionärin und sei daher keine Zuführung öffentlicher Mittel. Im übrigen sei die SWS zwar Hauptaktionärin geworden, halte aber nur 40 % der Stimmrechte.

47 Es sei nicht sachgemäß, das Kriterium des "marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers" auf die Eisen- und Stahlindustrie anzuwenden, da dieser Sektor öffentliche Mittel benötige, um überleben zu können. Im vorliegenden Fall habe überdies eine sorgfältige und auf den Einzelfall bezogene Prüfung des genannten Kriteriums durch die Kommission nicht stattgefunden. Die Kommission habe keine Unterlagen vorgelegt, aus denen für die Klägerin oder für das Gericht zu ersehen wäre, unter welchen Umständen sie den Vorgang geprüft habe. Auch habe die Kommission in ihrer Entscheidung lediglich festgestellt, daß "immer dann eine Beihilfe zu vermuten [ist], wenn in Unternehmen, an denen sowohl öffentliche als auch private Aktionäre beteiligt sind, die Beteiligung der öffentlichen Hand im Vergleich zur ursprünglichen Verteilung deutlich zunimmt und der Rückzug der Privataktionäre hauptsächlich den schlechten Rentabilitätsaussichten des Unternehmens zuzuschreiben ist" (Punkt V Absatz 5 der Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung). Eine solche Vermutung finde aber im Gemeinschaftsrecht keine Grundlage. Die Vermutung der Kommission beruhe überdies auf unzutreffenden Tatsachen. Vor allem der ehemalige Hauptaktionär, Socindus, habe stets erklärt, er sei überzeugt, daß die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt werden könne. Der Rückzug dieses Privataktionärs sei lediglich darauf zurückzuführen, daß ihm die finanziellen Mittel fehlten, um sich an der Sanierung zu beteiligen.

48 Eine staatliche Beihilfe liege nur vor, wenn es keine objektiven Gründe für die Annahme gebe, daß die Maßnahmen zu einer akzeptablen Rentabilität führen. Die Tatsachenfeststellung der Kommission in der streitigen Entscheidung, der zufolge ein unabhängiger Sachverständiger von der Sanierung abgeraten habe, sei unzutreffend. Die Berichte Laplace Conseil und Davy Clecim hätten die Rentabilitätsmöglichkeiten des Unternehmens bestätigt. Der Bericht Gandois sei parteiisch gewesen, da Herr Gandois damals in einem belgischen Konkurrenzunternehmen und in einer Interessenvertretung der französischen Eisen- und Stahlunternehmen tätig gewesen sei. In der Sitzung hat die Klägerin ferner vorgetragen, daß der Markt an die Rentabilität der Maßnahmen geglaubt habe. Daß die Börse auf die genannten Maßnahmen positiv reagiert habe, sei hierfür ein wichtiges Indiz.

49 Die Feststellung der Kommission, daß hinsichtlich der Geschäftsführung des Unternehmens und hinsichtlich der Unternehmensaktien "der Staat an die Stelle des Privataktionärs getreten ist", sei jedenfalls unerheblich, da nach Artikel 83 EGKS-Vertrag die Errichtung der Gemeinschaft in keiner Weise die Ordnung des Eigentums an den Unternehmen berühre. Die Tatsache, daß die Kommission sich auf die genannte Feststellung gestützt habe, habe zur Folge, daß die öffentlichen Unternehmen im Vergleich zu den privaten Unternehmen ungleich behandelt würden.

50 Die Klägerin kommt zu dem Ergebnis, daß die Kommission aus diesen Gründen mit der Feststellung, daß die streitigen Maßnahmen staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag seien, fehlerhaft gehandelt habe.

51 Nach Auffassung der belgischen Regierung war die Kommission zu Unrecht der Auffassung, daß die der Klägerin von Belfin gewährten Darlehen durch eine staatliche Bürgschaft abgesichert seien. Nur die von der Belfin bei den Banken aufgenommenen Darlehen seien durch eine solche Bürgschaft abgesichert worden, nicht aber die Darlehen, die die Belfin den Unternehmen gewährt habe. Das Vorliegen einer staatlichen Bürgschaft habe gerade einen wesentlichen Unterschied in den Vertragsbeziehungen ausgemacht, die einerseits zwischen der Belfin und den Bankinstituten und andererseits zwischen der Belfin und den Unternehmen bestanden hätten.

52 Die belgische Regierung trägt ergänzend vor, daß die staatliche Bürgschaft für die von der Belfin aufgenommenen Beträge immer durch die Darlehensempfänger gesichert und daher letztlich privater Natur sei. Die Darlehensempfänger leisteten nämlich Zahlungen in einen "Garantiefonds", an den die Darlehen von der Belfin gebunden seien. Nach Artikel 10 der Vereinbarung der Aktionäre der Belfin hafte diese als Rückgriffsschuldner nach Inanspruchnahme der Bürgschaft für die aufgenommenen Beträge gegenüber dem Staat bis zur Höhe der den Bürgschaftsfonds bildenden Beträge. Die genannte Bürgschaft sei folglich selbst dann keine staatliche Beihilfe, wenn das Gericht zu der Auffassung gelangen sollte, daß die Darlehen von der Belfin durch Bürgschaften abgesichert seien. Im übrigen sei die Belfin kein öffentliches Unternehmen, da die Aktien zu 50 % in privater Hand seien.

53 Im übrigen unterstützt die belgische Regierung das Vorbringen der Klägerin.

54 Die Région wallonne und die SWS unterstützen ebenfalls das Vorbringen der Klägerin. Sie tragen vor, daß der der Kommission vorgelegte Plan unerläßlich gewesen sei und relativ kurzfristig eine wirtschaftliche Rentabilität und eine verbesserte finanzielle Situation der Klägerin habe herbeiführen sollen. Die Kapitalzuführung von 1,5 Milliarden BEF habe insbesondere die Lebensfähigkeit des Unternehmens und seine zukünftige Entwicklung sicherstellen sollen. Die Maßnahmen der SWS seien auf das unbedingt Notwendige beschränkt gewesen, und die SWS habe sich daher wie ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber verhalten. Das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers sei nicht sachgerecht, da es in der Praxis nicht zu erfuellen sei. Normalerweise hüte sich nämlich ein privater Kapitalgeber davor, einem Unternehmen, das sich in Schwierigkeiten befinde, Kapital zuzuführen. Indem die Kommission den Mitgliedstaaten dieses Kriterium vorschreibe, verkenne sie die Rolle der staatlichen Gewalt. Die Kommission habe überdies die Tatsache nicht berücksichtigt, daß der Plan der Klägerin die Lebensfähigkeit vor allem durch einen Abbau der Produktionskapazitäten wieder ermöglicht hätte. Damit habe sie das genannte Kriterium im vorliegenden Fall falsch angewandt.

55 Die Beklagte trägt zunächst vor, daß eine Beihilfe im Sinne des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag jede Geld- oder Sachleistung sei, die einem Unternehmen zu dessen Unterstützung gewährt werde und die ausserhalb des Entgelts liege, das der Käufer oder Verbraucher für die von dem betroffenen Unternehmen produzierten Güter oder Dienstleistungen entrichte. Der Begriff der Beihilfe umfasse nicht nur positive Leistungen, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen verminderten, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen habe. Der Begriff der staatlichen Beihilfe erfasse sowohl die unmittelbar von den Mitgliedstaaten oder deren Gebietskörperschaften gewährten Beihilfen als auch diejenigen Beihilfen, die von öffentlichen oder privaten, zum Zweck der Vergabe und Verwaltung von Beihilfen eingerichteten Stellen gewährt würden.

56 Im Licht dieser Auslegung des Artikels 4 EGKS-Vertrag verweist die Beklagte auf die Satzung der SWS. Aus dieser ergebe sich u. a., daß die SWS eine Gesellschaft sei, deren Kapital zu 100 % im Besitz der Région wallonne sei, daß sie die Aufgabe habe, als "bevorzugtes Instrument der Politik der Région wallonne im Sektor der Eisen- und Stahlindustrie" die öffentlichen Beteiligungen und Forderungen in der Eisen- und Stahlindustrie zu verwalten sowie die Durchführung von Interventionsentscheidungen der wallonischen Regierung und die Verwaltung von Beteiligungen, Verbindlichkeiten, Darlehen oder Zinsen sicherzustellen, die die Région wallonne aufgrund solcher Entscheidungen in Gesellschaften der Eisen- und Stahlindustrie habe oder haben werde. Zu diesem Zweck müsse die SWS die Ausführung und Überwachung der Entscheidungen bezueglich solcher Unternehmen gewährleisten, die Gegenstand einer Intervention der Région wallonne gewesen seien. Nach der Satzung der SWS bestimme die Région wallonne den Präsidenten und den stellvertretenden Präsidenten der genannten Gesellschaft, nehme eventuelle Satzungsänderungen vor und müsse die Übertragung der Aktien genehmigen, die ohnehin nur von der Région wallonne selbst oder von dem Allgemeinwohl verpflichteten, von der wallonischen Regierung bestimmten Finanzinstituten gehalten werden könnten.

57 Die Ausführungen der Klägerin, daß die SWS die Entscheidung getroffen habe, zugunsten der Forges de Clabecq zu intervenieren, und daß diese Intervention nichts mit öffentlichen Mitteln zu tun habe, sei völlig unzutreffend. Die Beklagte bezieht sich hierzu ergänzend auf Presseartikel in belgischen Zeitungen, in denen ausdrücklich von der Entscheidung der wallonischen Regierung, insbesondere von der des Ministerpräsidenten der Région wallonne, Herrn Collignon, gesprochen werde, der Forges de Clabecq eine Finanzhilfe von 1,5 Milliarden BEF zu gewähren. Auch die Auskünfte, die die belgischen Behörden der Kommission bei der Anmeldung im Juni 1996 gegeben hätten, bestätigten, daß das Entscheidungsverfahren bezueglich der Forges de Clabecq unter der Leitung des Ministerpräsidenten der Région wallonne gestanden habe. Dasselbe Ergebnis sei den Schriftsätzen der Région wallonne in der Rechtssache T-70/97, in der die Klage mit Beschluß des Gerichts vom 29. September 1997 als unzulässig abgewiesen worden sei, zu entnehmen. In diesen Schriftsätzen spreche die Région wallonne von "ihrer Entscheidung von Juni 1996" und bestätige, daß "die Région wallonne das Projekt gesteuert und sich bereit erklärt hat, die erforderlichen Investitionen durchzuführen".

58 In Erwiderung auf das Vorbringen der belgischen Regierung weist die Beklagte darauf hin, daß die SWS ihrem Schreiben vom 23. Juli 1996 bestimmte, vom belgischen Finanzminister sowie von der SNCI und der Belfin verfasste Unterlagen beigefügt habe, aus denen sich unmißverständlich ergebe, daß die Darlehen der SNCI und der Belfin sowie der Aufschub der Fälligkeitstermine durch eine staatliche Bürgschaft abgesichert gewesen seien.

59 Die Beklagte führt sodann aus, daß das Prinzip des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers im Beihilfenkodex genannt werde. Dieses Prinzip sei in zahlreichen Fällen angewandt worden, um festzustellen, ob eine staatliche Beihilfe vorliege. Die Kommission prüfe insbesondere, ob in den Fällen, in denen ein Unternehmen öffentliche Mittel erhalte, ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber diese Beträge zu ähnlichen Bedingungen gewährt hätte. Diese Politik der Kommission sei überdies mehrfach vom Gerichtshof bestätigt worden.

60 Die Kommission habe dieses Prinzip unter Berücksichtigung der bei der Klägerin vorliegenden Besonderheiten angewandt. Artikel 83 EGKS-Vertrag, auf den sich die Klägerin berufe, rechtfertige gerade die Verwendung des Kriteriums des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers. Die Gutachten hätten sämtlich den Anmeldungsunterlagen beigelegen, die die Kommission von den belgischen Behörden im Juni 1996 erhalten habe, und sie seien bezueglich der katastrophalen finanziellen und geschäftlichen Lage der Klägerin übereinstimmend zum selben Ergebnis gekommen. Sie habe auch alle von den Gutachten herausgearbeiteten Faktoren vollständig berücksichtigt.

61 In ihrem Erwiderungsschriftsatz legt die Klägerin dar, daß es nicht um die Frage gehe, ob die Région wallonne die Sanierung geleitet habe, sondern darum, ob die SWS, eine Gesellschaft des Privatrechts, oder ihre Aktionärin, die Région wallonne, eine nach der Logik des Marktes wirtschaftlich gerechtfertigte Entscheidung getroffen habe oder ob es sich um eine rein politische Entscheidung ohne jede vernünftige wirtschaftliche Rechtfertigung handele. Es gehe also nicht darum, ob die Région wallonne die Angelegenheit leite, sondern darum, wie sie dies tü. Die Région wallonne sei vorliegend die einzige Aktionärin des Aktionärs, dem selbst die Minderheit der Stimmrechte zustehe und der vorübergehend Hauptaktionär der sich in Schwierigkeiten befindenden Gesellschaft gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

62 Zunächst ist festzustellen, daß die in der streitigen Entscheidung genannten Beträge der Maßnahmen, von denen einige deutlich höher als die ursprünglich von den belgischen Behörden angemeldeten oder sonst mitgeteilten Beträge sind, der Höhe nach weder von der Klägerin noch von den Streithelfern bestritten werden.

63 Der Begriff der Beihilfe in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag umfasst Geld- oder Sachleistungen, die einem Unternehmen zu dessen Unterstützung gewährt werden und die ausserhalb des Entgelts liegen, das der Käufer oder Verbraucher für die von dem betroffenen Unternehmen produzierten Güter oder Dienstleistungen entrichtet, sowie ferner jede Maßnahme, die die Belastungen vermindert, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 42). Alle in der streitigen Entscheidung genannten Maßnahmen fallen somit offenkundig unter diesen Begriff.

64 Es steht zunächst fest, daß die Kapitalzuführung in Höhe von 1,5 Milliarden BEF und die im Rahmen dieser Zuführung gewährten Vorschüsse kein Entgelt für von der Klägerin produzierte Güter, sondern Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens darstellen. Die genannten Maßnahmen sind daher als Geldleistungen anzusehen, die einem Unternehmen zu dessen Unterstützung gewährt werden. Sie können damit als Beihilfe im Sinne des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag bezeichnet werden.

65 Des weiteren befreiten die anderen in der streitigen Entscheidung genannten Maßnahmen die Klägerin offensichtlich von Belastungen, die sie sonst hätte tragen müssen. Durch den Verzicht auf die Darlehensforderungen wurde die Klägerin von bestimmten Schulden befreit, die sie belasteten. Auch waren die staatlichen Bürgschaften für die Darlehen der SNCI und der Belfin sowie die Überbrückungskredite geeignet, die finanzielle Belastung der Klägerin zu vermindern.

66 Zur Rechtfertigung der Maßnahmen, die zugunsten der Klägerin getroffen wurden, haben die Région wallonne und die SWS vorgetragen, daß diese Maßnahmen zur Sanierung oder gar zur Rettung des Unternehmens unerläßlich gewesen seien (siehe oben, Randnr. 54). Dies zeigt deutlich, daß die Maßnahmen die finanziellen Probleme der Klägerin verringern sollten und daß sie daher Beihilfemaßnahmen waren.

67 Daraus folgt zwangsläufig, daß die Kommission die einzelnen in der streitigen Entscheidung genannten Maßnahmen zu Recht als Beihilfe bezeichnet hat.

68 Bezueglich der Frage, ob diese Beihilfen staatliche Beihilfen sind, ist festzustellen, daß bei der Prüfung, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, nicht danach zu unterscheiden ist, ob die Beihilfe unmittelbar durch den Staat oder eine seiner Gebietskörperschaften oder aber durch von ihm oder der Gebietskörperschaft zur Durchführung der Beihilferegelung errichtete oder beauftragte öffentliche oder private Einrichtungen gewährt wird (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike & Weinlig/Deutschland, Slg. 1977, 595, Randnr. 21, und vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433, Randnr. 11; vgl. auch Artikel 1 Absatz 2 des Beihilfenkodex).

69 Angesichts dieser Rechtsprechung steht der staatliche Charakter der Kapitalzuführung von 1,5 Milliarden BEF, der im Rahmen dieser Zuführung gewährten Vorschüsse und des Verzichts auf die Darlehensforderungen ausser Frage, da es sich um Maßnahmen der SWS handelt, die zu 100 % der Région wallonne gehört, die nach ihrer eigenen Satzung als "bevorzugtes Instrument der Politik der Région wallonne" dient und die gerade gegründet wurde, um "im Interesse der regionalen Wirtschaft und unter Berücksichtigung der regionalen Wirtschaftspolitik die Gründung, Umstrukturierung oder Erweiterung von Privatunternehmen zu fördern" und "Maßnahmen zur Förderung staatlicher Wirtschaftsinitiativen zu ergreifen". Ausserdem geht aus den Akten hervor, daß das Verhalten der SWS zugunsten der Klägerin unmittelbar im Zusammenhang mit den Beschlüssen der wallonischen Regierung stand. So teilte der Ministerpräsident der Région wallonne der Kommission in einem Schreiben mit, daß nach der streitigen Entscheidung der Kommission "die Région wallonne... zu der Auffassung gekommen [ist], daß die Bedingungen, die ihre Entscheidung von Juni 1996 über eine Beteiligung an dem Projekt der Kapitalzuführung rechtfertigten, nicht mehr gegeben sind und daß sie demzufolge die SWS nicht mehr mit der Unterstützung des Unternehmens beauftragen kann" (Anlage II zur Gegenerwiderung).

70 Bezueglich der Darlehen der SNCI und der Belfin ist zunächst festzustellen, daß die Kommission diese Darlehen nicht als solche als Beihilfen bezeichnet hat, sondern die Bürgschaften, die sie absichern. Weiter ist festzustellen, daß das Argument der belgischen Regierung, daß für die Darlehen der Belfin keine staatliche Bürgschaft bestanden habe, im Widerspruch zu einem Schreiben der Belfin an die Klägerin vom 25. Juni 1996 steht, das die SWS ihrem an die Kommission gerichteten Schreiben vom 23. Juli 1996 als Anlage beigefügt hat, dem zufolge das grundsätzliche Einverständnis in eine Verlängerung der Tilgungsfrist für das der Klägerin von der Belfin in Form von Darlehen zur Verfügung gestellte Kapital um drei Kalenderjahre unter der Bedingung einer "Zustimmung des Staates (öffentlicher Kredit), seine Bürgschaft an den neuen Fälligkeitstermin anzupassen", erfolgte. Der staatliche Charakter der Staatsbürgschaften kann ebenfalls nicht mit Erfolg bestritten werden.

71 Für die Frage, ob Maßnahmen, die von staatlichen Behörden zugunsten eines Unternehmens getroffen werden, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, ist auf das Kriterium des wirtschaftlich handelnden privaten Kapitalgebers abzustellen; nach diesem Kriterium kommt es darauf an, ob es dem Unternehmen möglich gewesen wäre, die betreffenden Geldbeträge auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen, und ob ein privater Kapitalgeber den fraglichen Vorgang zu den gleichen Bedingungen abgewickelt hätte (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 26, und Urteil des Gerichts vom 30. April 1998 in der Rechtssache T-16/96, Cityflyer Expreß/Kommission, Slg. 1998, II-757, Randnr. 51). Zieht man wie die Klägerin und die Streithelfer die Erheblichkeit dieses Kriteriums im Sektor der Eisen- und Stahlindustrie mit der Begründung in Zweifel, daß dieser Wirtschaftssektor in der Praxis öffentliche Mittel benötigt, so läuft dies zwangsläufig darauf hinaus, die Geltung des grundsätzlichen Verbotes nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, das sich gerade auf die von den Staaten bewilligten Subventionen und Beihilfen erstreckt, in Frage zu stellen. Das Kriterium des wirtschaftlich handelnden Kapitalgebers ist im Rahmen des Artikels 4 EGKS-Vertrag ebenso erheblich wie im Rahmen des Artikels 92 EG-Vertrag, da es zur Feststellung von Vorteilen dient, die den Wettbewerb verzerren oder verzerren können. Überdies ist das Kriterium in Artikel 1 Absatz 2 des Beihilfenkodex enthalten, dessen Rechtmässigkeit von der Klägerin unter diesem Gesichtspunkt nicht in Zweifel gezogen wird.

72 Aus den dem Gericht vorgelegten Unterlagen, insbesondere aus der Anmeldung (Anlage 3 zur Klageschrift) geht hervor, daß die Maßnahmen zugunsten der Klägerin getroffen wurden, um die "Aufrechterhaltung des Betriebes [der Klägerin] zu gewährleisten", und daß die SWS die Maßnahmen durchzuführen hatte, weil die Socindus, die Gesellschaft, in der die Interessen der geschäftsführenden Privataktionäre im Familienverband organisiert waren und die als die für die Geschäftsführung des Unternehmens verantwortliche Privataktionärin angesehen wurde, sich aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte. Aus denselben Unterlagen geht hervor, daß die Wettbewerbsstellung und die finanzielle Lage der Klägerin sich trotz der Investitionskredite, die die Klägerin in den 80er und 90er Jahren erhielt (vgl. oben, Randnrn. 8 und 9), ständig verschlechterte. Es spricht alles für die Annahme, daß die Klägerin unter solchen Umständen allenfalls geringe Möglichkeiten hatte, einen privaten Kapitalgeber zu finden, der bereit gewesen wäre, in das Unternehmen ebenso bedeutende Beträge wie die in der streitigen Entscheidung genannten öffentlichen Beträge hineinzustecken. In dieser Hinsicht hat die Tatsache, daß die Börse auf die Finanzmaßnahme zugunsten der Klägerin positiv reagierte, nicht die Bedeutung eines Indiz dafür, daß Privataktionäre selbst dem Unternehmen eine Finanzspritze in dieser Grössenordnung gegeben hätten. Auch beinhalteten die zugunsten der Klägerin getroffenen Maßnahmen nicht die Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis, sondern waren im Gegenteil Sofortmaßnahmen, um das Unternehmen am Leben zu erhalten. Diese Beurteilung wird dadurch bestätigt, daß die Klägerin am Tag, nachdem sie von der Ablehnung der Genehmigung dieser Maßnahmen durch die Kommission erfahren hatte, den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens stellte.

73 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann weder der Umstand, daß die SWS Aktionärin des Unternehmens war, als sie die oben genannten Maßnahmen zugunsten der Klägerin ausführte, noch Artikel 83 EGKS-Vertrag einer Qualifizierung dieser Maßnahmen als staatliche Beihilfen entgegenstehen. Daß nach Artikel 83 die "Errichtung der Gemeinschaft... in keiner Weise die Ordnung des Eigentums an den Unternehmen [berührt]", ändert nämlich nichts daran, daß Artikel 4 EGKS-Vertrag den staatlichen Stellen entgegengehalten werden kann, die als Aktionäre Maßnahmen treffen, bei denen es sich nicht um die Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis handelt. Dazu ist festzustellen, daß sich die angefochtene Entscheidung gegen die Finanzmaßnahmen zugunsten der Klägerin und nicht gegen die Eigenschaft der SWS als Aktionärin als solche richtet (vgl. oben, Randnr. 18).

74 Aus all diesen Überlegungen geht hervor, daß die Beurteilung des Sachverhalts durch die Kommission, wonach die betreffenden Maßnahmen nicht die Einbringung haftenden Kapitals gemäß der üblichen marktwirtschaftlichen Investitionspraxis beinhalteten und daher als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 des Beihilfenkodex und nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag einzustufen seien, nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden kann.

75 Daraus folgt, daß die Kommission zu Recht alle Maßnahmen, die zugunsten der Klägerin getroffen und in der streitigen Entscheidung genannt wurden, als Beteiligung der öffentlichen Hand bezeichnete. Der erste Nichtigkeitsgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Nichtigkeitsgrund: Verletzung des Artikels 95 EGKS-Vertrag

Vorbringen der Parteien

76 Die Région wallonne und die SWS tragen vor, daß die Interventionsmaßnahmen zugunsten der Klägerin, wie die Kommission in ihrer Entscheidung selbst eingeräumt habe, nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 2 bis 5 des Beihilfenkodex fielen. Unter diesen Umständen hätte die Kommission gemäß Artikel 95 EGKS-Vertrag den Rat befassen müssen, um dessen Zustimmung für eine mögliche Genehmigung dieser Maßnahmen zu erhalten.

77 Die Beklagte führt aus, daß ihr im Rahmen des Artikels 95 EGKS-Vertrag eine Ermessensbefugnis zustehe, die sie im gemeinsamen Interesse auszuüben habe. Die Ausübung dieser Befugnis könne nur beanstandet werden, wenn nachgewiesen sei, daß eine sachliche Unrichtigkeit vorliege oder der Sachverhalt offensichtlich falsch gewürdigt worden sei. Ein solcher Nachweis sei von den Streithelfern nicht erbracht worden.

Würdigung durch das Gericht

78 Die Parteien haben nicht in Zweifel gezogen, daß die fraglichen Maßnahmen zu keiner der in Artikel 2 bis 5 des Beihilfenkodex genannten Kategorien von Beihilfe gehören (vgl. oben, Randnr. 5).

79 Genehmigt die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag ausnahmsweise staatliche Beihilfen, die nicht zu den vom Beihilfenkodex erfassten Kategorien gehören, so steht dies nicht im Widerspruch zu Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-239/94, EISA/Kommission, Slg. 1997, II-1839, Randnrn. 63 und 72). Entgegen dem Vorbringen der Région wallonne und der SWS handelt es sich jedoch nicht um eine Verpflichtung der Kommission, sondern um ein Ermessen, das die Kommission ausübt, wenn sie der Auffassung ist, daß die angemeldete Beihilfe zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich ist, um so vor allem unvorhergesehenen Situationen zu begegnen (vgl. Urteil EISA/Kommission). Daraus folgt, daß die Kommission, die im gemeinsamen Interesse zu handeln hat, von diesem Ermessen nur ausnahmsweise Gebrauch machen darf. Diese Auslegung wird im übrigen durch den in Artikel 1 Absatz 1 des Beihilfenkodex niedergelegten Grundsatz bestätigt, daß die Beihilfemaßnahmen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie nur dann als mit dem ordnungsgemässen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar angesehen werden können, wenn sie den Bestimmungen der Artikel 2 bis 5 des Beihilfenkodex entsprechen (Urteil des Gerichts vom 25. September 1997 in der Rechtssache T-150/95, UK Steel Association/Kommission, Slg. 1997, II-1433, Randnr. 95). Eine solche Regelung soll gerade im Sektor der Eisen- und Stahlindustrie gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten (Urteil UK Steel Association/Kommission, Randnr. 118; Punkt I Absatz 5 der Begründungserwägungen des Beihilfenkodex).

80 Ein Verstoß gegen den Vertrag wegen fehlerhafter Würdigung der aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen sich ergebenden Gesamtlage kann nur festgestellt werden, wenn ein Ermessensmißbrauch der Kommission oder eine, gemessen an den Bestimmungen des Vertrages, offensichtlich irrige Beurteilung der der Entscheidung zugrunde gelegten wirtschaftlichen Lage nachgewiesen ist (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1960 in den verbundenen Rechtssachen 15/59 und 29/59, Société métallurgique de Knutange/Hohe Behörde, Slg. 1960, 11, 28; Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 3. Mai 1996 in der Rechtssache C-399/95 R, Deutschland/Kommission, Slg. 1996, I-2441, Randnrn. 61 und 62).

81 Nichts erlaubt die Annahme, daß die Kommission mit der Weigerung, die fraglichen Beihilfen ausnahmsweise zu genehmigen, einen offensichtlichen Irrtum beging. Angesichts der Tatsache, daß sich die Klägerin trotz der zahlreichen bedeutenden Maßnahmen, die zu ihren Gunsten getroffen worden waren, am Rande des Konkurses befand, konnte die Kommission im Gegenteil bei vernünftiger Betrachtung zu der Auffassung kommen, daß die beabsichtigten neuen Maßnahmen weder kurz- noch langfristig die Lebensfähigkeit des Unternehmens gewährleisten würden und daß es daher im Vertrag kein Ziel gebe, das die Genehmigung dieser Maßnahmen erforderlich machte. Im übrigen war die Situation, in der sich die Klägerin bei der Gewährung der Maßnahmen befand, vorhersehbar.

82 Die im Jahr 1996 zur Unternehmenssituation und zu den erforderlichen Maßnahmen erstellten Gutachten bestätigen diese Würdigung. In dem Bericht von Laplace Conseil heisst es: "Der Grund für [die ernste Lage des Unternehmens] liegt innerhalb der Forges de Clacecq, und zwar in der systematischen Beseitigung der Verantwortung aller Beteiligten auf allen Ebenen: der Aktionäre, der Geschäftsleitung, der Direktion, der Angestellten, der Meister und der Arbeitnehmervertreter. Dieses System hat die Entwicklung der Personalführung und damit die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens während der letzten 20 Jahre blockiert... Die Forges de Clabecq befinden sich unter den wallonischen Eisen- und Stahlunternehmen in der mit Abstand kritischsten Lage... Die vorgeschlagene Umstrukturierung ist angesichts dieser Lage kein Allheilmittel [und wird allenfalls] Zeit verschaffen, um die industriellen und sozialen Veränderungen zu bewerkstelligen." Der Bericht zählt zu diesen Veränderungen u. a. einen "Abbau der Beschäftigtenzahl um 650 Beschäftigte bis Ende 1996". Der Bericht von Gandois stellte fest, daß die Klägerin "ausgeblutet [ist] und... nur dank der Unterstützung durch die Région wallonne [überlebt]", und hielt für eine realistische Aussicht auf Sanierung des Unternehmens eine Kapitalzufuhr von 4,5 Milliarden BEF für erforderlich. Er riet jedoch von einer solchen Kapitalzufuhr ab, weil es "sich um eine verbotene öffentliche Beihilfe handeln würde, die im Wettbewerb zwischen den verschiedenen Beteiligten des Marktes der Eisen- und Stahlindustrie eine offensichtliche Ungleichbehandlung schaffen würde. Es ist offensichtlich, daß die Marktwirtschaft nicht funktionieren kann, wenn es jedem Staat freisteht, einem Unternehmen zu helfen, wie er will." Der Bericht kam zu folgendem Ergebnis: "Die Forges de Clabecq halten ihren Betrieb heute nur dank der Unterstützung eines ihrer Aktionäre, der Région wallonne, aufrecht. Dies kann nicht so bleiben. Im günstigsten Fall wird man an dem Standort einen Betrieb mit 600 bis 700 Beschäftigten weiterführen können." Nichts deutet im übrigen darauf hin, daß der Bericht parteiisch gewesen wäre.

83 Es kann somit nicht festgestellt werden, daß sich die Kommission bei der Entscheidung, die fraglichen Beihilfen nicht zu genehmigen, weil die Ziele des Vertrages deren Genehmigung nicht erfordern, offensichtlich geirrt hat. Der zweite Nichtigkeitsgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

Zum dritten Nichtigkeitsgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

Vorbringen der Parteien

84 Die belgische Regierung trägt vor, daß es sich bei den staatlichen Bürgschaften, die mit der angefochtenen Entscheidung beanstandet worden seien, in Wirklichkeit um Bürgschaften handele, die sich auf einen Teilbetrag von 680 Millionen BEF des ersten, der Klägerin Anfang der 80er Jahre gewährten Investitionskredits sowie auf den letzten, der Klägerin 1985 gewährten Kredit von 650 Millionen BEF bezögen. Diese beiden Kredite seien unter bestimmten Bedingungen durch die Entscheidung der Kommission vom 16. Dezember 1982 (im folgenden: Entscheidung von 1982) bzw. durch die Entscheidung der Kommission vom 31. Juli 1985 (im folgenden: Entscheidung von 1985) genehmigt worden. 1986 habe die Kommission ihre Genehmigung sogar bestätigt, obwohl die von ihr gesetzte finanzielle Grenze überschritten worden sei.

85 Unter diesen Umständen habe die Kommission nicht dieselben Interventionsmaßnahmen im Licht des gegenwärtig geltenden Beihilfenkodex prüfen, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen feststellen und die Rückzahlung anordnen dürfen. Die belgische Regierung weist darauf hin, daß sie die von der Kommission in den Jahren 1982 und 1985 gestellten Bedingungen für die Genehmigung beachtet und daß die Kommission auch niemals eine Sanktion wegen eines Verstosses gegen diese Bedingungen verhängt habe.

86 Die belgische Regierung führt aus, daß gegen ihr Vorbringen auch nicht der mehrfache Tilgungsaufschub für die genannten Kredite spreche. Insbesondere habe der mehrfache Tilgungsaufschub die staatlichen Bürgschaften nur minimal verlängert und folglich nur minimal geändert. Die Kommission sei daher nicht berechtigt, die vor ihr erteilte Genehmigung dieser Bürgschaften in Frage zu stellen. In der Entscheidung hätte sie jedenfalls nur zu der Verlängerung der ursprünglichen Bürgschaften Stellung beziehen dürfen, nicht aber zu den Bürgschaften insgesamt.

87 Die Beklagte führt aus, daß die belgische Regierung diese Gesichtspunkte weder bei der Beantwortung des Mahnschreibens im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex noch in einem anderen Stadium des Vorverfahrens geltend gemacht habe. Dies laufe dem Grundsatz der strikten Übereinstimmung zwischen den Gründen, die im Verwaltungsverfahren vorgetragen würden, und den späteren Klagegründen zuwider. Die Entscheidung der Kommission, das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex einzuleiten, habe überdies bereits deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Bürgschaften für die Darlehen der SNCI und der Belfin nicht so zu verstehen gewesen seien, daß sie von der vorher erteilten Genehmigung der Kommission gedeckt gewesen wären.

88 Die streitige Entscheidung sei im übrigen eine bestätigende Handlung im Verhältnis zu der Entscheidung über die Einleitung des Prüfungsverfahrens, die eine anfechtbare Handlung sei.

89 Die Streithelferin habe mit diesem Vorbringen den Rahmen des Rechtsstreits geändert. Sie habe daher den Rechtsstreit nicht in der Lage angenommen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befunden habe.

90 Aus diesen Gründen sei der vorliegende Klagegrund unzulässig.

91 In der Sitzung hat die belgische Regierung darauf hingewiesen, daß sie als Streithelferin berechtigt sei, rechtliche Gründe aller Art zur Unterstützung der Anträge der Klägerin vorzubringen. Die Tatsache, daß sie in Reaktion auf das von der Kommission übersandte Fristsetzungsschreiben bestimmte Ausführungen nicht gemacht habe, sei unerheblich.

Würdigung durch das Gericht

92 Entgegen dem Vorbringen der Beklagten hat die belgische Regierung durch die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes, der von der Klägerin nicht geltend gemacht worden ist, den Rahmen des Rechtsstreits nicht verändert. Wie sich aus Artikel 116 § 4 der Verfahrensordnung ergibt, kann der Streithelfer zwar nicht die von ihm unterstützten Parteianträge erweitern. Er ist jedoch frei in der Wahl der Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Argumente, die er zugunsten der genannten Anträge geltend macht.

93 Diese Wahlfreiheit ist im übrigen nicht auf das Vorbringen im Verwaltungsverfahren beschränkt. Die belgische Regierung könnte sich zwar nicht auf Tatsachen stützen, die der Kommission nicht bekannt waren und die sie ihr im Verwaltungsverfahren nicht mitteilen wollte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 31). Es ist ihr jedoch nicht verwehrt, gegen die abschließende Entscheidung einen rechtlichen Grund vorzubringen, der nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wurde.

94 Entgegen den Ausführungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen gilt der vom Gerichtshof und vom Gericht angewandte Grundsatz der Übereinstimmung der Gründe, die im Rahmen des Vorverfahrens dargelegt wurden, und der Klagegründe (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 29. März 1990 in der Rechtssache T-57/89, Alexandrakis/Kommission, Slg. 1990, II-143, Randnrn. 8 und 9, und Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-105/91, Kommission/Griechenland, Slg. 1992, I-5871, Randnr. 12) nicht allgemein. Er gilt nicht über das hinaus, was sich zwingend aus bestimmten Vorschriften ergibt, wie z. B. im Bereich des öffentlichen Dienstes aus Artikel 91 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und im Bereich des Vertragsverletzungsverfahrens aus Artikel 169 EG-Vertrag. Im übrigen wird selbst in der mit Artikel 169 EG-Vertrag geschaffenen Sonderregelung dieser Grundsatz der Übereinstimmung einem Mitgliedstaat nicht entgegengehalten, so daß dieser nicht verpflichtet ist, sein Vorbringen im Klageverfahren auf das Vorbringen im Vorverfahren zu beschränken.

95 Die abschließenden Entscheidungen der Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfe erzeugen eigene rechtliche Wirkungen, so daß die Betroffenen daher gegen eine solche Entscheidung vor Gericht klagen können, und zwar unabhängig davon, ob sie die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur Prüfung der streitigen Beihilfen angefochten haben (Urteil des Gerichts vom 31. März 1998 in der Rechtssache T-129/96, Preussag Stahl/Kommission, Slg. 1998, II-609, Randnr. 31). Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist es dem Königreich Belgien trotz der Tatsache, daß es die Entscheidung der Kommission über die Eröffnung des Verfahrens zur Prüfung der Maßnahmen zugunsten der Klägerin nicht gerichtlich angefochten hat, nicht verwehrt, der gegen die abschließende Entscheidung der Kommission erhobenen Klage als Streithelferin beizutreten.

96 Aus diesen einleitenden Überlegungen ergibt sich, daß dieser Klagegrund der Sache nach zu prüfen ist.

97 Nach ständiger Rechtsprechung soll der Grundsatz der Rechtssicherheit die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20). Hierzu ist es wesentlich, daß die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 113).

98 Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz kann jedoch nicht geltend gemacht werden, wenn das Rechtssubjekt, dessen rechtliche und sachliche Lage durch den fraglichen Rechtsakt berührt worden ist, die in diesem aufgestellten Bedingungen nicht eingehalten hat (Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 1997 in der Rechtssache T-331/94, IPK/Kommission, Slg. 1997, II-1665, Randnr. 45).

99 Vorliegend ist festzustellen, daß 1996 keine der staatlichen Bürgschaften, die für die Darlehen von SNCI und von Belfin gegeben worden waren, mehr von der Genehmigung erfasst war, die die Kommission mit ihren Entscheidungen von 1982 und 1985 erteilt hatte. In den Jahren nach diesen Entscheidungen nahmen die belgischen Behörden bei den Tilgungsbedingungen dieser Darlehen nämlich einige wichtige, für die Klägerin besonders günstige Änderungen vor. Insbesondere aus den Erklärungen, die hierzu von der belgischen Regierung gegeben worden sind (Streithilfeschriftsatz, Nr. 12), ergibt sich, daß der belgische Staat einen Betrag von 198 Millionen BEF für den Kredit von 680 Millionen BEF übernahm und daß er den Aufschub der Fälligkeitstermine von mehreren Krediten der SNCI und der hierfür gewährten staatlichen Bürgschaften um mehrere Jahre erlaubte.

100 Diese Änderungen wurden bei der Kommission nicht angemeldet und können nicht als mit den Bedingungen vereinbar angesehen werden, von denen die Genehmigungen von 1982 und 1985 abhängig gemacht worden waren. In ihrer Entscheidung von 1982 hatte die Kommission der belgischen Regierung mitgeteilt, daß mit der Genehmigung der angemeldeten Maßnahme für die Klägerin nicht mehr die Möglichkeit bestehe, die Lösung ihrer Probleme weiterhin in der finanziellen Unterstützung des Staates zu suchen. Diese Modalität der Genehmigungsentscheidung wurde mit den späteren Änderungen der genehmigten Maßnahme durch die belgischen Behörden eindeutig nicht beachtet. In der Entscheidung von 1985 stellte die Kommission klar, daß die genehmigten Beihilfen bis zum 31. Dezember 1985 bewirkt sein müssten. Aufgrund dieser Bedingung war es ausgeschlossen, zu einem späteren Zeitpunkt zugunsten der Klägerin wichtige Änderungen an der genehmigten Darlehensregelung vorzunehmen. Die Genehmigungen der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen können sich jedenfalls offensichtlich nur auf die Maßnahmen erstrecken, wie sie angemeldet wurden, und sie dürfen nicht so verstanden werden, daß sie ihre Wirkungen über den für die Durchführung dieser Maßnahmen ursprünglich vorgesehenen Zeitraum hinaus behalten.

101 Unter diesen Umständen greift der dritte Nichtigkeitsgrund, mit dem ein Verstoß gegen die Entscheidungen von 1982 und 1985 geltend gemacht wird, nicht durch.

Zum vierten Nichtigkeitsgrund: Unzureichende Begründung

Vorbringen der Parteien

102 Die Klägerin trägt vor, daß die Entscheidung mit unzutreffenden Feststellungen begründet worden sei und daß die Kommission nicht dargetan habe, aus welchen Gründen sie die Einwände gegen diese Feststellungen für unerheblich gehalten habe. Die Kommission habe z. B. in ihrer Entscheidung ohne jede Begründung behauptet, daß die Région wallonne beschlossen habe, das Unternehmen unter ihre Kontrolle zu bringen, daß ein unabhängiger Sachverständiger von der Sanierung abgeraten habe und daß der Rückzug des Aktionärs Socindus den schlechten Rentabilitätsaussichten des Unternehmens zuzuschreiben sei.

103 Die Klägerin kommt zu dem Ergebnis, daß die Entscheidung unzureichend begründet sei.

104 Die belgische Regierung führt aus, die Entscheidung sei unzureichend begründet, da die Kommission die Darlehen der SNCI und der Belfin beanstande, ohne deutlich zu machen, welche Darlehen genau sie meine und worin bei den für diese Darlehen bestellten Bürgschaften die Beihilfe bestehe. Unter diesen Umständen sei die Bedeutung des verfügenden Teils der Entscheidung, wonach "Belgien... gehalten [ist], die in Artikel 1 genannten Beihilfen aufzuheben und die Rückzahlung der unrechtmässig gewährten Beihilfen mit Zinsen seit dem Zeitpunkt der Gewährung... zu verlangen", unverständlich.

105 Die Région wallonne und die SWS sind der Ansicht, daß die Kommission die Entscheidung unzureichend begründet habe, da sie drakonische und theoretische Prinzipien angewandt habe, ohne die wirtschaftlichen und sozialen Folgen ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

106 In Erwiderung auf das Vorbringen der Klägerin, soweit dieses sich der Sache nach auf die Richtigkeit bestimmter Tatsachenfeststellungen in der streitigen Entscheidung bezieht, verweist die Kommission auf ihr Vorbringen zum ersten und zweiten Klagegrund.

107 Im übrigen weist sie darauf hin, daß die rechtliche und wirtschaftliche Prüfung des vorliegenden Falles in der Entscheidung angemessen dargestellt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

108 Artikel 15 Absatz 1 EGKS-Vertrag bestimmt, daß die Entscheidungen der Kommission mit Gründen zu versehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme zwecks Wahrnehmung ihrer Rechte entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Begründung nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften, die für das betreffende Gebiet gelten (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-243/94, British Steel/Kommission, Slg. 1997, II-1887, Randnrn. 159 und 160; Urteil Hoogovens Gröp/Kommission, Randnr. 24).

109 Die Argumente der Klägerin, mit denen eine nicht ausreichende Begründung geltend gemacht wird, bestehen im wesentlichen in dem Vorwurf, daß die Kommission bestimmte Tatsachen nicht zutreffend gewürdigt habe. Die Argumente der Région wallonne und der SWS zielen auf den Vorwurf an die Kommission ab, daß sie in der Entscheidung nicht die wirtschaftlichen und sozialen Folgen ihrer Beurteilung des Falles berücksichtigt habe. Offenkundig betreffen diese Argumente nicht die Frage, ob eine Begründung vorliegt, sondern ob die Begründung richtig ist. Die Argumente beziehen sich daher nicht wirklich auf die Begründungspflicht (vgl. hierzu Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnrn. 66 und 67, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 45). Sie gehören damit zum ersten bzw. zum sechsten Nichtigkeitsgrund.

110 Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes genügt die Feststellung, daß die Klägerin die Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung prüfen und ihre Rechte wahrnehmen konnte und daß das Gericht insoweit seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. hierzu Urteil Preussag Stahl/Kommission, Randnr. 93). Die Kommission stellte in der streitigen Entscheidung den Sachverhalt und die Argumente der belgischen Behörden, wie diese von ihr verstanden worden waren, sowie die rechtliche Beurteilung jeder Maßnahme zugunsten der Klägerin ausführlich dar. Sie legte die Gründe für ihre Auffassung, daß die fraglichen Maßnahmen staatliche Beihilfen und mit dem Gemeinsamen Markt nicht vereinbar seien, umfassend dar. Bezueglich der Darlehen der SNCI und der Belfin kann die belgische Regierung nicht geltend machen, daß sie nicht wissen könne, welche Darlehen betroffen seien. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich eindeutig, daß sämtliche Bürgschaften, die für sämtliche Darlehen der SNCI und der Belfin gestellt wurden, gemeint waren.

111 Aus alledem ergibt sich, daß der vierte Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen ist.

Zum fünften Nichtigkeitsgrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

112 Die Klägerin, die Région wallonne und die SWS führen aus, daß die Kommission es abgelehnt habe, sich vor Erlaß der Entscheidung mit der SWS zu verständigen, obwohl diese ihr mitgeteilt habe, daß sie bereit sei, ergänzende Auskünfte zu geben oder den beabsichtigten Sanierungsplan teilweise abzuändern. Die Klägerin ist vor allem verwundert darüber, daß die Kommission keine Fragen zu den Berichten von Laplace Conseil und von Davy Clecim oder zur angeblichen Einmischung der Région wallonne in das geplante Vorhaben gestellt habe.

113 Wenn das Prüfungsverfahren sich nicht auf die unmittelbaren Maßnahmen des Mitgliedstaats, sondern vielmehr auf die Beteiligung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers erstrecke, komme es, so die Klägerin, entscheidend darauf an, daß nicht nur der Mitgliedstaat, sondern auch dieser andere Wirtschaftsteilnehmer seinen Standpunkt wirksam zur Geltung bringen könne.

114 Unter diesen Umständen seien die Verteidigungsrechte nicht ausreichend beachtet worden.

115 Die belgische Regierung unterstützt dieses Vorbringen.

116 Die Beklagte führt aus, in einem von der Kommission nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex eingeleiteten Verfahren sei der betreffende Mitgliedstaat der Hauptgesprächspartner der Kommission, da die von ihr erlassene Entscheidung an diesen gerichtet sei. Die Drittbetroffenen seien zur Stellungnahme aufzufordern. Diese Grundsätze habe sie im vorliegenden Fall vollständig beachtet.

Würdigung durch das Gericht

117 Nach Artikel 6 Absatz 4 des Beihilfenkodex hat die Kommission, bevor sie feststellt, daß eine Beihilfe nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, die Beteiligten zur Stellungnahme aufzufordern. Im vorliegenden Fall hat die Kommission diese Verpflichtung erfuellt. Sie veröffentlichte am 11. Oktober 1996 im Amtsblatt eine Mitteilung, mit der sie die belgische Regierung sowie die anderen Mitgliedstaaten und Beteiligten zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat aufforderte (vgl. oben, Randnr. 17). Nach Ablauf dieser Frist leitete die Kommission die eingegangenen Stellungnahmen an die belgischen Behörden weiter.

118 Unter diesen Umständen können die Klägerin und die Streithelfer keine Verletzung der Verfahrensrechte der SWS geltend machen. Vor allem ist der Kommission kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie die belgischen Behörden und nicht die Région wallonne oder die SWS um ergänzende Auskunft bat. Wie die Kommission zu Recht in ihren Schriftsätzen ausgeführt hat, war ihr Vorgehen völlig gerechtfertigt, da die abschließenden Entscheidungen auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen an die Mitgliedstaaten zu richten sind. Aus den Akten ergibt sich überdies, daß die SWS und die Région wallonne an dem Verwaltungsverfahren, das der angefochtenen Entscheidung vorausging, beteiligt waren. So waren etwa mehrere Schriftstücke, die der Kommission von der Ständigen Vertretung Belgiens bei der Europäischen Union übermittelt wurden, von der SWS verfasst.

119 Im übrigen genügt die Feststellung, daß die SWS und die Région wallonne in ihrer Eigenschaft als Beteiligte Gelegenheit hatten, in Reaktion auf die von der Kommission im Amtsblatt veröffentlichte Mitteilung Stellung zu nehmen.

120 Aus den vorstehend genannten Gründen ist der fünfte Nichtigkeitsgrund ebenfalls zurückzuweisen.

Zum sechsten Nichtigkeitsgrund: Verletzung des Grundrechts auf Arbeit, der Präambel und der Ziele des EGKS-Vertrags und des EG-Vertrags sowie Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes

Vorbringen der Parteien

121 Die Klägerin, die Région wallonne und die SWS führen aus, daß die Begründung der streitigen Entscheidung grundlegende Prinzipien, darunter das Recht auf Arbeit, verletze.

122 Dazu tragen die Région wallonne und die SWS vor, die Kommission habe in keiner Weise die Folgen berücksichtigt, die ihre Entscheidung für die Arbeitnehmer der Klägerin und in bezug auf die sozialen Verhältnisse in der Region haben könnte. Die Kommission habe damit das Recht auf Arbeit verletzt, das vom Europarat und in verschiedenen völkerrechtlichen Quellen wie z. B. der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie der Europäischen Sozialcharta anerkannt sei. Es handele sich um ein Grundrecht, das demzufolge Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sei. Eine Entscheidung auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen müsse nicht nur wettbewerbsrechtlichen Kriterien entsprechen, sondern müsse auch auf allgemein menschlichen und sozialen Erwägungen beruhen.

123 Durch ihre Weigerung, die schwerwiegenden Folgen ihrer Entscheidung in sozialer Hinsicht zu berücksichtigen, habe die Kommission auch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verkannt, nach dem unter mehreren geeigneten Maßnahmen die am wenigstens lästige zu wählen und darauf zu achten sei, daß die auferlegten Lasten nicht ausser Verhältnis zum angestrebten Ziel stuenden.

124 Durch Herbeiführung der Entlassungen habe die Kommission gegen die Präambel des EGKS-Vertrags, in der die Mitgliedstaaten ihr Bestreben zum Ausdruck brächten, "durch die Ausweitung ihrer Grundproduktionen zur Hebung des Lebensstandards und zum Fortschritt der Werke des Friedens beizutragen", gegen Artikel 2 EGKS-Vertrag, wonach die Gemeinschaft dafür zu sorgen habe, "daß keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt", und zu vermeiden habe, "daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden", sowie gegen die ähnlichen Ziele der Präambel und des Artikels 2 EG-Vertrag verstossen.

125 Die belgische Regierung unterstützt diesen Klagegrund.

126 Die Beklagte weist darauf hin, daß dieser Klagegrund in der Klageschrift völlig abstrakt und unbestimmt formuliert worden sei. Sie beantragt daher, ihn für unzulässig zu erklären, weil sie ihre Interessen nicht habe verteidigen können.

127 Das Vorbringen der Région wallonne und der SWS sei nicht erheblich, da die Kommission den Vertrag, den Beihilfenkodex und die Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts nicht unbeachtet lassen könne. Im übrigen hätten die Streithelfer die Rechtmässigkeit des Beihilfenkodex nicht in Zweifel gezogen.

Würdigung durch das Gericht

128 Angesichts der prekären Lage des betroffenen Unternehmens war es vorhersehbar, daß die streitige Entscheidung den Konkurs hervorrufen und erhebliche soziale Folgen nach sich ziehen würde. Wie jedoch bereits im Rahmen des zweiten Klagegrundes entschieden worden ist, konnte die Kommission zu Recht zu dem Schluß kommen, daß die beabsichtigten Beihilfen die Wiederherstellung der Lebensfähigkeit des Unternehmens ohnehin nicht gewährleisten konnten. Das Recht auf Arbeit und Artikel 2 EGKS-Vertrag können aber offenkundig nicht dahin ausgelegt werden, daß die Kommission verpflichtet ist, öffentliche Beihilfen zugunsten eines kommerziell und finanziell nicht lebensfähigen Unternehmens zu genehmigen, nur um die Beschäftigung in diesem Unternehmen künstlich aufrechtzuerhalten. Eine solche Auslegung wäre mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar, der auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen u. a. die Erhaltung eines gesunden Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt verlangt (vgl. entsprechend Urteil Cityflyer Expreß/Kommission, Randnr. 55). Da die EGKS dazu berufen ist, einen ausgewogenen Gemeinsamen Markt zu schaffen (Artikel 2 EGKS-Vertrag) und grundsätzlich staatliche Beihilfen, in welcher Form auch immer, als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt anzusehen hat (Artikel 4 EGKS-Vertrag), darf die Kommission nicht zugunsten eines Unternehmens ohne Überlebensaussichten eine Beihilfe genehmigen und damit das Gleichgewicht im Gemeinsamen Markt durch Herbeiführung eines wirtschaftlich ungerechtfertigten Nachteils zu Lasten der konkurrierenden Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie stören.

129 Daraus folgt, daß der sechste Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen ist.

Zum siebten Nichtigkeitsgrund: Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

130 Die Région wallonne und die SWS führen aus, daß der EG-Vertrag und die von der Kommission auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erarbeiteten Grundlinien flexibler seien als die Vorschriften des EGKS-Vertrags und des Beihilfenkodex über staatliche Beihilfen. Ihrer Ansicht nach wären die Interventionsmaßnahmen zugunsten der Klägerin wahrscheinlich genehmigt worden, wenn sie unter den EG-Vertrag gefallen wären. Mit der Weigerung, die EGKS-Regelung im Licht der EG-Regelung auszulegen und die Tatsache zu berücksichtigen, daß der EGKS-Vertrag in einigen Jahren nicht mehr in Kraft sein werde, habe die Kommission daher gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen.

131 Die Beklagte weist darauf hin, daß dieses Vorbringen Artikel 232 EG-Vertrag verkenne.

Würdigung durch das Gericht

132 Gemäß Artikel 232 EG-Vertrag ändern die Bestimmungen dieses Vertrages nicht die Bestimmungen des EGKS-Vertrags, die damit ihren eigenen Anwendungsbereich behalten (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1985 in der Rechtssache 239/84, Gerlach, Slg. 1985, 3507, Randnr. 9; Beschluß des Gerichts vom 29. September 1997 in der Rechtssache T-4/97, D'Orazio und Hublau/Kommission, Slg. 1997, II-1505, Randnr. 18). Der auf den Grundsatz der Gleichbehandlung gestützte Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die EG-Vorschriften auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen flexibler seien als die Vorschriften des EGKS-Vertrags und des von der Kommission erlassenen Beihilfenkodex, geht daher fehl.

133 Der siebte Klagegrund ist ebenfalls zurückzuweisen.

Zum ersten Rechtswidrigkeitsgrund: Verletzung des Artikels 95 Absätze 3 und 4 EGKS-Vertrag

Vorbringen der Parteien

134 Die Klägerin führt aus, daß der Erlaß eines Beihilfenkodex eine wichtige Änderung der Befugnisse der Kommission zur Folge habe: Die Kommission werde ermächtigt, Beihilfen zu prüfen, insoweit ein kontradiktorisches Verfahren einzuleiten sowie gegebenenfalls die Beihilfen zu genehmigen und ihre Durchführung zu überwachen. Jede Änderung oder Anpassung der Befugnisse der Kommission unterliege aber dem Geltungsbereich des Artikels 95 Absätze 3 und 4 EGKS-Vertrag. Die Kommission habe diese Bestimmungen dadurch verletzt, daß sie den Erlaß des Beihilfenkodex auf die anderen Bestimmungen des Artikels 95 EGKS-Vertrag gestützt habe. Die Klägerin ist im übrigen der Auffassung, daß der Beihilfenkodex nicht einen der "in [dem] Vertrag nicht vorgesehenen Fälle" betreffe. Die finanziellen Hilfen der Gemeinschaft und die Maßnahmen in dem Bereich der Erzeugung seien nämlich ausdrücklich in den Artikeln 54 und 57 EGKS-Vertrag geregelt.

135 Die Kommission weist darauf hin, daß Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag ihr Möglichkeit gebe, mit einstimmiger Zustimmung des Rates eine Entscheidung zu treffen, die erforderlich erscheine, um eines der in den Artikeln 2, 3 und 4 EGKS-Vertrag bezeichneten Ziele der Gemeinschaft zu erreichen, und daß hierdurch die Lücken in den Handlungsmöglichkeiten der Kommission geschlossen werden könnten, während Artikel 95 Absätze 3 und 4 EGKS-Vertrag erlaube, die Vorschriften des Vertrages über die Ausübung ihrer Befugnisse zu ändern und zu revidieren. Der Beihilfenkodex entspreche den Absätzen 1 und 2 dieses Artikels, da er im Interesse eines ordnungsgemässen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes eine Gemeinschaftsregelung einführen solle, mit der die Gewährung bestimmter Arten von Beihilfen für die gemeinschaftliche Eisen- und Stahlindustrie sichergestellt werden könne.

Würdigung durch das Gericht

136 Die Kommission ist gemäß Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag ermächtigt, in allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen jede allgemeine oder individuelle Entscheidung zu erlassen, die zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich ist. Die genannten Bestimmungen ermächtigen die Kommission also, mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses eine Entscheidung oder Empfehlung in allen im Vertrag nicht vorgesehenen Fällen zu erlassen, in denen diese Entscheidung oder Empfehlung erforderlich erscheint, um eines der in den Artikeln 2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen. Da also der EGKS-Vertrag anders als der EG-Vertrag der Kommission oder dem Rat keine spezifische Befugnis zur Genehmigung staatlicher Beihilfen verleiht, ist die Kommission nach Artikel 95 Absätze 1 und 2 ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Ziele des Vertrages zu erreichen, und folglich nach dem in dieser Vorschrift vorgesehenen Verfahren die Beihilfen zu genehmigen, die ihr zur Erreichung dieser Ziele erforderlich erscheinen. Die Kommission ist demnach bei Fehlen besonderer Vertragsbestimmungen befugt, jede allgemeine oder individuelle Entscheidung zu erlassen, die zur Erreichung der Ziele des Vertrages erforderlich ist. Artikel 95 Absätze 1 und 2 enthält keine näheren Angaben zur Tragweite der Entscheidungen, zu deren Erlaß sie ermächtigt ist (Urteil EISA/Kommission, Randnrn. 64 und 65). Der Erlaß eines Beihilfenkodex fällt genau unter die Befugnis, die der Kommission durch Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag verliehen worden ist (Urteil EISA/Kommission, Randnrn. 66 und 72).

137 Der erste Rechtswidrigkeitsgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtswidrigkeitsgrund: Verletzung des Artikels 67 EGKS-Vertrag, gegebenenfalls der Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

138 Die Klägerin trägt vor, daß der Beihilfenkodex nicht nur Beihilfen für spezifische Begünstigte, sondern auch nichtspezifische Beihilfen betreffe, wie die Beihilfen zur Forschung, zur Entwicklung, zum Umweltschutz oder zur Förderung bestimmter benachteiligter Gebiete. Diese Bereiche gehören nach Auffassung der Klägerin nicht zum Anwendungsbereich des EGKS-Vertrags, sondern fallen unter Artikel 92 und 93 EWG-Vertrag.

139 Der Beihilfenkodex sei auch mit Artikel 67 EGKS-Vertrag unvereinbar. Die Klägerin ist der Auffassung, daß die allgemeinen Beihilfen, die spürbare Auswirkungen auf den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl haben könnten, vom EGKS-Vertrag nicht erschöpfend erfasst worden seien. Allenfalls habe Artikel 67 EGKS-Vertrag die Kommission ermächtigt, nach Anhörung des Beratenden Ausschusses des Rates an die Mitgliedstaaten Empfehlungen zu richten, wenn ihre Maßnahmen geeignet seien, eine schwere Störung des Gleichgewichts hervorzurufen.

140 Die Beklagte weist darauf hin, daß Artikel 4 Buchstabe c und Artikel 67 EGKS-Vertrag zwei verschiedene Bereiche beträfen: Die erstgenannte Vorschrift untersage bestimmte Maßnahmen der Mitgliedstaaten in dem Bereich, der nach dem Vertrag in die Zuständigkeit der Gemeinschaft falle, die letztgenannte Vorschrift solle Wettbewerbsbeeinträchtigungen bei der Ausübung der den Mitgliedstaaten verbliebenen Befugnisse abwenden.

Würdigung durch das Gericht

141 Wie bereits im Rahmen des ersten Nichtigkeitsgrundes entschieden worden ist, war Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag die geeignete Rechtsgrundlage für den Erlaß des Beihilfenkodex. Ein Kodex, der bestimmte allgemeine Vorschriften auf dem Gebiet der Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie vorsieht, kann offenkundig nicht auf der Grundlage des EG-Vertrags erlassen werden. Auch Artikel 67 konnte nicht als Rechtsgrundlage dienen, da dieser Artikel nicht das Gebiet der staatlichen Beihilfen betrifft (Urteil De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, 45 und 46).

142 Der zweite Rechtswidrigkeitsgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtswidrigkeitsgrund: Befugnisüberschreitung, offensichtlicher Ermessensfehler und Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

143 Die Klägerin führt aus, die der Kommission verliehenen Befugnisse lägen in der Organisation des Marktes und darin, "zugunsten der Wirtschaftsteilnehmer die günstigsten Bedingungen für die Entwicklung in einem rechtlich gesicherten Rahmen festzulegen". Mit dem Erlaß des Beihilfenkodex habe die Kommission diese Befugnisse überschritten, da der Kodex gegenteilige wirtschaftliche Folgen, vor allem eine abwartende Haltung, mit sich gebracht hat, zu der sich die Industrieteilnehmer gezwungen gesehen hätten. Die Klägerin führt hierzu aus, daß die Kommission in der Zeit von 1991 bis 1996 grosse Unsicherheit verbreitet habe. Sie habe es vor allem unterlassen, auf die Krise in der Eisen- und Stahlindustrie zu reagieren.

144 Der Beihilfenkodex schaffe überdies dadurch eine Ungleichbehandlung, daß er als Voraussetzung für die Schließungsbeihilfe die Schließung einer gesamten Industrieanlage verlange. Diese Voraussetzung führe dazu, daß die Unternehmen mit Industrieanlagen an verschiedenen Betriebsstellen sich leichter für eine Schließung der gesamten Industrieanlage entscheiden können als die Unternehmen, die, wie die Klägerin, nur über einen einzigen Industriekomplex verfügen. Es liege ein Ermessensfehler seitens der Kommission vor, den sie beim Erlaß eines neuen Kodex im Jahr 1996 durch Beseitigung dieser Ungleichbehandlung stillschweigend anerkannt habe.

145 Die Beklagte führt aus, im Beihilfenkodex sei eindeutig bestimmt gewesen, daß er am 1. Januar 1992 in Kraft trete und bis zum 31. Dezember 1996 gelte. Unter diesen Umständen könne keine Rede davon sein, daß der Beihilfenkodex im Hinblick auf zukünftige Beihilfen für die Eisen- und Stahlindustrie eine Quelle der Unsicherheit gewesen sei.

146 Die Beklagte weist darauf hin, daß ihr Verhalten in der Zeit von 1991 bis 1996 keine Rolle spiele, wenn es um die Rechtmässigkeit des Beihilfenkodex gehe.

147 Das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine Ungleichbehandlung der Unternehmen, die verschiedene Betriebsstätten haben, im Vergleich zu den Unternehmen geltend gemacht werde, die nur über einen einzigen Industriekomplex verfügten, sei aufgrund Artikel 4 Absatz 2 vierter Gedankenstrich des Beihilfenkodex zurückzuweisen, dem zufolge die Genehmigung der Schließungsbeihilfen von der Voraussetzung abhängig sei, daß das begünstigte Unternehmen weder unmittelbar noch mittelbar von einem Stahlunternehmen beherrscht werde, noch selbst ein solches Unternehmen beherrsche.

Würdigung durch das Gericht

148 Das Vorbringen der Klägerin, mit dem eine "Befugnisüberschreitung" der Kommission dargetan werden soll, läuft der Sache nach auf die Behauptung hinaus, daß die Kommission die Krise in der Eisen- und Stahlindustrie nicht hinreichend beachtet und mit der Entscheidung, daß ein Erlaß eines flexibleren Beihilfenkodex nicht erforderlich sei, einen offensichtlichen Ermessensfehler begangen habe.

149 Nach der Präambel des Beihilfenkodex strebte die Kommission mit diesem Kodex folgendes an: "Der Eisen- und Stahlindustrie sollen nicht die Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen und diejenigen Beihilfen entzogen werden, mit deren Hilfe sie ihre Anlagen an die neuen Umweltschutznormen anpassen kann. Genehmigt sind soziale Beihilfen, um die teilweise Schließung von Stahlwerksanlagen zu fördern, und Beihilfen, um die endgültige Einstellung der... Tätigkeit... zu finanzieren. Alle anderen Betriebs- oder Investitionsbeihilfen für Eisen- und Stahlunternehmen der Gemeinschaft sind untersagt. Für regionale Investitionsbeihilfen ist allerdings für bestimmte Mitgliedstaaten eine Ausnahme vorgesehen [, damit auch weiterhin] im EGKS-Sektor gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleistet [sind]". Dieser objektive Ausgleich kann um so weniger als unangemessen angesehen werden, als der Kodex nicht ausschließt, daß die Beihilfen, die eine erfolgversprechende Sanierung erlauben, in unvorhergesehenen und aussergewöhnlichen Situationen gemäß Artikel 95 EGKS-Vertrag genehmigt werden können (vgl. oben, Randnr. 79). Diese Feststellung macht deutlich, daß die von der Kommission im Beihilfenkodex aufgestellten Grundsätze nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft sind oder eine "Befugnisüberschreitung" darstellen.

150 Bezueglich der behaupteten Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung genügt die Feststellung, daß die Klägerin im Hinblick auf Artikel 4 Absatz 2 des Beihilfenkodex, aus dem sich ergibt, daß sich Schließungsbeihilfen zwangsläufig auf eine vollständige Schließung von Hüttenwerken beziehen, nicht vorgetragen hat, weshalb die Schließung für die Unternehmen, die Industrieanlagen an verschiedenen Betriebsstellen haben, im Vergleich zu solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, tatsächlich einfacher wäre.

151 Der dritte Rechtswidrigkeitsgrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

152 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

153 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, sind der Klägerin ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

154 Das Königreich Belgien trägt gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.

155 Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht anderen Streithelfern als den Mitgliedstaaten, den übrigen Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, den Organen und der EFTA-Überwachungsbehörde ihre eigenen Kosten auferlegen. Im vorliegenden Fall erscheint es angemessen, daß die Région wallonne und die SWS, die die Klägerin als Streithelferinnen unterstützt haben, ihre eigenen Kosten tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Beklagten.

3. Die Streithelfer tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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