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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 24.01.2002
Aktenzeichen: T-38/95 DEP
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 91
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Erstattungsfähig sind nur die Kosten, die für das Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter aufgewendet wurden und die für das Verfahren notwendig waren.

Verfahren im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung des Gerichts ist nur das Verfahren vor dem Gericht unter Ausschluss des Vorverfahrens. Folglich ist ein Antrag auf Kostenfestsetzung zurückzuweisen, soweit damit Erstattung der Kosten des Verfahrens in Wettbewerbssachen vor der Kommission begehrt wird.

Ebenso ist die Erstattung der Kosten abzulehnen, die sich auf die Zeit nach dem Tag der mündlichen Verhandlung beziehen, soweit nach diesem Tag keine Verfahrenshandlungen mehr vorgenommen wurden. Die nach diesem Tag aufgewandten Kosten erscheinen nämlich nicht als unmittelbar mit der Verteidigung vor dem Gemeinschaftsrichter verbunden und können daher nicht als notwendige Aufwendungen im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung angesehen werden.

( vgl. Randnrn. 28-31 )

2. Der Gemeinschaftsrichter hat nicht die Vergütungen festzusetzen, die die Parteien ihren eigenen Anwälten schulden, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Er braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell zwischen der betroffenen Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen. Der Gemeinschaftsrichter hat, da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, die Umstände des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei dem Gegenstand und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinem Schwierigkeitsgrad, dem Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits Rechnung zu tragen.

Die Bedeutung einer Rechtssache aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, die neue Rechts- und komplexe Sachfragen aufwirft, kann erhebliche Honorare sowie den Umstand rechtfertigen, dass eine Partei von mehreren Anwälten vertreten wird.

( vgl. Randnrn. 32-33, 37 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 24. Januar 2002. - Groupe Origny SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Kostenfestsetzung. - Rechtssache T-38/95 DEP.

Parteien:

In der Rechtssache T-38/95 DEP

Groupe Origny SA mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt X. de Roux, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Festsetzung der Kosten, die einer Klägerin im Anschluss an das Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 (Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II-491) von der Kommission zu erstatten sind,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter R. García-Valdecasas und K. Lenaerts, der Richterin P. Lindh und des Richters J. Azizi,

Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Mit der Entscheidung 94/815/EG vom 30. November 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/33.126 und 33.322 - Zement) (ABl. L 343, S. 1, nachstehend: Entscheidung Zement) setzte die Kommission gegen 42 im Grauzement- und im Weißzementsektor tätige Unternehmen und Unternehmensvereinigungen wegen Verstößen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) Geldbußen fest.

2 Der Cedest SA als Rechtsvorgängerin der Groupe Origny SA (nachstehend: Antragstellerin) wurden in der Entscheidung Zement folgende Zuwiderhandlungen vorgeworfen: ab 14. Januar 1983 Teilnahme an einer Vereinbarung, die die Respektierung der Inlandsmärkte und die Reglementierung der grenzüberschreitenden Zementlieferungen bezweckt habe (Artikel 1); zumindest vom 23. Juni 1982 bis 30. September 1989 Teilnahme an Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen betreffend die Reglementierung der Zementlieferungen aus Frankreich nach Deutschland und aus Deutschland nach Frankreich (Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe a). In Artikel 9 der Entscheidung Zement wurde gegen Cedest eine Geldbuße von 2 522 000 ECU festgesetzt.

3 Mit Klageschrift, die am 17. Februar 1995 unter dem Aktenzeichen T-38/95 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen wurde, beantragte die Antragstellerin, die Artikel 1, 3 Absatz 3 Buchstabe a und 9 der Entscheidung Zement für nichtig zu erklären, soweit diese sie betrafen.

4 Durch Urteil vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95 (Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II-491, nachstehend: Urteil Zement) erklärte das Gericht in der Rechtssache T-38/95 (Groupe Origny/Kommission) die Artikel 1, 3 Absatz 3 Buchstabe a und 9 der Entscheidung Zement in Bezug auf die Antragstellerin für nichtig und verurteilte die Kommission zur Tragung der Kosten.

5 Mit Schreiben vom 31. Mai 2000 forderte die Antragstellerin die Kommission auf, ihr insgesamt 1 469 281,64 FRF (223 990,54 Euro) für die seit dem Beginn des Verfahrens vor der Kommission bis zur Verkündung des Urteils Zement entstandenen Anwaltshonorare zu erstatten.

6 Mit Schreiben vom 11. August 2000 lehnte die Kommission dies mit der Begründung ab, die Anwaltshonorare für das Verfahren vor ihr seien nicht erstattungsfähig, einige von der Antragstellerin eingereichte Gebührenrechnungen bezögen sich auf die Zeit nach der Sitzung in der Rechtssache T-38/95, die Art der durchgeführten Arbeiten und die Zahl der Arbeitsstunden seien nicht angegeben, und die Antragstellerin habe nicht zu den hauptsächlich beschuldigten Unternehmen gehört, weshalb der Umfang der beim Gericht eingereichten Schriftsätze habe beschränkt werden können. Im Übrigen habe sie ein Gegenangebot in Höhe von 300 000 FRF (45 734,70 Euro) für die Anwaltskosten und 112 230 LUF (2 782,11 Euro) für die Kosten für den Zustellungsbevollmächtigten in Luxemburg gemacht.

7 Da die Antragstellerin die Argumentation und das Angebot der Kommission für unakzeptabel hält, hat sie mit Antragsschrift, die am 1. August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Kostenfestsetzung beantragt.

8 Mit Schriftsatz, der am 5. Oktober 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission zu diesem Antrag Stellung genommen.

Anträge der Parteien

9 Die Antragstellerin beantragt, die von der Kommission zu erstattenden Kosten auf 1 469 281,64 FRF (223 990,54 Euro) festzusetzen.

10 Die Kommission beantragt, die erstattungsfähigen Kosten einschließlich der Kosten des vorliegenden Verfahrens auf 600 000 FRF (91 469,41 Euro) festzusetzen.

Vorbringen der Parteien

11 Die Antragstellerin stützt ihren Antrag auf vier Argumente. Mit dem ersten Argument macht sie geltend, die Kosten des Verfahrens vor der Kommission und die Kosten für die Zeit nach der Sitzung des Gerichts in der Rechtssache T-38/95 seien erstattungsfähig. Als zweites, drittes und viertes Argument führt sie die wirtschaftliche Bedeutung, die der Rechtsstreit für sie gehabt habe, die Wichtigkeit und die Schwierigkeit dieses Rechtsstreits aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht und den Umfang der von ihren Beiständen geleisteten Arbeit an.

12 Erstens trägt sie hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor der Kommission vor, diese seien Aufwendungen..., die für das Verfahren notwendig waren", im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung des Gerichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts sei unter Verfahren" im Sinne dieser Bestimmung ein streitiges Verfahren zu verstehen; in Rechtssachen wie der vorliegenden stelle die Mitteilung der Beschwerdepunkte den Schlusspunkt der vorprozessualen Untersuchungsphase und den Beginn des streitigen Verfahrens dar, da sie zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG oder Artikel 82 EG und zur Verhängung einer Geldbuße führen könne.

13 Dies sei der Grund dafür, dass im Verfahren vor der Kommission die Verteidigungsrechte beachtet werden müssten, zu denen insbesondere der Zugang zu den von der Kommission zur Begründung ihrer Beschwerdepunkte herangezogenen Unterlagen sowie der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gehörten, wonach das betroffene Unternehmen berechtigt sei, sich zu diesen Beschwerdepunkten mündlich und schriftlich zu äußern. Der streitige Charakter dieses Verfahrens werde durch die Bestellung eines Anhörungsbeauftragten, der die Unparteilichkeit des Verfahrens sicherstellen solle, und die regelmäßige Anwesenheit der Beistände der betroffenen Parteien bestätigt.

14 Überdies seien die Leistungen zur Verteidigung der Antragstellerin im Wesentlichen während des Verfahrens vor der Kommission erbracht worden. Das gerichtliche Verfahren habe sich auf alle im Verfahren vor der Kommission erörterten und ausgetauschten Argumente, Unterlagen und Schriftstücke gestützt.

15 Im vorliegenden Fall sei die Mitteilung der Beschwerdepunkte am 25. November 1991 zugestellt worden, so dass die Antragstellerin Anspruch auf Erstattung der ab diesem Tag für das Verfahren aufgewendeten Kosten habe, zumal das Gericht zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die gegen sie erhobenen Vorwürfe unbegründet seien.

16 Zu den nach der Sitzung in der Rechtssache T-38/95 entstandenen Kosten führt die Antragstellerin aus, sie habe die verschiedenen mündlichen Erklärungen in den Sitzungen des Gerichts, die zwischen dem 16. September und dem 21. Oktober 1998 in den anderen Rechtssachen, auf die sich das Urteil Zement beziehe (nachstehend: Rechtssachen Zement), stattgefunden hätten, sowie die für den Fall der Bestätigung oder Nichtigerklärung der Entscheidung Zement denkbaren Hypothesen prüfen müssen.

17 Zweitens trägt die Antragstellerin vor, der Rechtsstreit habe angesichts der Höhe der in der Entscheidung Zement gegen sie festgesetzten Geldbuße erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gehabt. Ihre Nichtigkeitsklage habe daher die Nutzung sämtlicher erforderlicher Verteidigungsmöglichkeiten gerechtfertigt.

18 Drittens habe die Schwierigkeit des Rechtsstreits aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht insbesondere darin bestanden, dass sich hinsichtlich der Verteidigungsrechte und der Kriterien, nach denen eine Zuwiderhandlung einem Unternehmen aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer nationalen Vereinigung, die ihrerseits Mitglied einer europäischen Vereinigung sei, zugerechnet werden könne, spezifische Fragen gestellt hätten. Bezüglich der Verteidigungsrechte sei im Urteil Zement geklärt worden, in welchem Umfang die Kommission grundsätzlich Akteneinsicht gewähren müsse, und die Antragstellerin sei gerade durch ihr im Verfahren vor der Kommission nicht zugänglich gemachte Unterlagen entlastet worden. Sie habe in der Sache eine detaillierte Argumentation entwickeln müssen, um die Erwägung der Kommission zu entkräften, dass die auf dem französischen und dem deutschen Zementmarkt festgestellten Verhaltensweisen eine Maßnahme zur Durchführung einer umfassenderen, auf der Ebene der europäischen Vereinigung Cembureau, als deren Mitglied Cedest aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Vereinigung der französischen Zementhersteller anzusehen sei, geschlossenen Vereinbarung gewesen seien.

19 Ferner habe sie in ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen die strukturellen Merkmale der Zementindustrie darlegen und untersuchen müssen, um daraus in Bezug auf den Wettbewerb die sachdienlichen Folgerungen ziehen zu können.

20 Viertens habe sie wie die anderen betroffenen Parteien zehntausende Seiten mit belastendem und entlastendem Aktenmaterial prüfen müssen, und sie habe angesichts der Auffassung der Kommission zur Teilnahme der verschiedenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen an einem umfassenden europäischen Kartell auf die auch den anderen Parteien vorgeworfenen Beschwerdepunkte antworten müssen. Zudem habe sie sich gegen den spezifischen Vorwurf hinsichtlich des angeblichen deutsch-französischen Kartells verteidigen müssen. Im Übrigen habe sie im Verfahren vor dem Gericht, außer einer Klageschrift und einer Erwiderung, im Anschluss an die Maßnahmen des Gerichts, mit denen der Kommission aufgegeben worden sei, ihre Verwaltungsakten zugänglich zu machen, mehrere Schriftsätze ausarbeiten müssen.

21 Unter Hinweis darauf, dass sie in dieser Rechtssache von zwei Anwälten vertreten worden sei, beziffert die Antragstellerin aufgrund des Stundensatzes dieser Anwälte sowie des Umfangs und der Art der in diesem Zusammenhang geleisteten Arbeit die von der Kommission zu zahlenden Kosten auf 1 469 281,64 FRF (223 990,54 Euro).

22 Die Kommission antwortet auf dieses Vorbringen erstens, die Auffassung der Antragstellerin hinsichtlich des Begriffes der Kosten des streitigen Verfahrens könne nicht die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts entkräften, wonach nur die Aufwendungen für das Verfahren vor dem Gericht erstattungsfähig im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung des Gerichts seien und nicht Aufwendungen für das vorprozessuale Verfahren.

23 Zu den Kosten für die Zeit nach der Sitzung in der Rechtssache T-38/95 trägt die Kommission vor, nach der Rechtsprechung könnten solche Kosten nicht als für das Verfahren notwendige Aufwendungen angesehen werden (Beschluss des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1999 in der Rechtssache C-137/92 P-DEP, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht). In der vorliegenden Rechtssache habe die Antragstellerin die Notwendigkeit dieser Kosten nicht dargetan.

24 Zweitens sei nicht zu bestreiten, dass es sich bei der in der Entscheidung Zement gegen die Antragstellerin festgesetzten Geldbuße um einen erheblichen Betrag gehandelt habe. Die Bedeutung dieser Geldbuße müsse jedoch angesichts dessen, dass sie etwa 2,8 % des Umsatzes der Antragstellerin ausgemacht habe, und der Gesamthöhe der durch die Entscheidung Zement auferlegten Geldbußen (etwa 250 000 000 Euro) relativiert werden. Der Vergleich dieses Betrages mit der gegen die Antragstellerin festgesetzten Geldbuße zeige ihre marginale Rolle in dem Kartell, das Gegenstand der Entscheidung Zement und des Verfahrens gewesen sei.

25 Drittens habe die Rechtssache T-38/95 keine neuen wichtigen Rechtsfragen aufgeworfen. Hinsichtlich der Akteneinsicht habe das Gericht die in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grundsätze angewandt. Die Frage der Teilnahme der Antragstellerin an der Zuwiderhandlung habe sich in einer Weise gestellt, die der in anderen Kartellfällen recht ähnlich sei.

26 Viertens sei nicht zu bestreiten, dass die prozessleitenden Maßnahmen des Gerichts, durch die u. a. der Antragstellerin die gesamten Verwaltungsakten der Kommission zugänglich gemacht worden seien, zu Mehrarbeit geführt hätten. Die von den Beiständen der Antragstellerin geleistete Arbeit erscheine jedoch gemessen an der Schwierigkeit, der Komplexität und dem Umfang der Rechtssache etwas unverhältnismäßig.

27 Die Kommission stellt nicht in Abrede, dass die Rechtssache die Hinzuziehung von zwei Anwälten rechtfertigte. Sie gibt keine Stellungnahme zu dem von ihnen im vorliegenden Fall angewandten Stundensatz ab.

Würdigung durch das Gericht

28 Gemäß Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichts gelten als erstattungsfähige Kosten Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte". Wie sich aus dieser Bestimmung ergibt, sind nur die Kosten erstattungsfähig, die für das Verfahren vor dem Gericht aufgewendet wurden und die dafür notwendig waren (vgl. analog dazu Beschluss des Gerichtshofes vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-89/85 DEP, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 14; Beschlüsse des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T-115/94 DEP, Opel Austria/Rat, Slg. 1998, II-2739, Randnr. 26, und vom 19. September 2001 in der Rechtssache T-64/99 DEP, UK Coal/Kommission, Slg. 2001, II-2547, Randnr. 25).

29 Im vorgerichtlichen Verfahren wird zwar im Allgemeinen erhebliche juristische Arbeit geleistet, doch ist unter dem Verfahren" im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung nur das Verfahren vor dem Gericht unter Ausschluss des Vorverfahrens zu verstehen. Dies ergibt sich insbesondere aus Artikel 90 der Verfahrensordnung, der vom Verfahren vor dem Gericht" spricht (vgl. analog dazu Beschlüsse des Gerichtshofes vom 21. Oktober 1970 in der Rechtssache 75/69, Hake/Kommission, Slg. 1970, 901, 902, und vom 30. November 1994 in der Rechtssache C-294/90 DEP, British Aerospace/Kommission, Slg. 1994, I-5423, Randnrn. 10 bis 12, sowie Urteil Zement, Randnr. 5134).

30 Der Antrag der Antragstellerin ist daher zurückzuweisen, soweit sie die Erstattung der Kosten des Verfahrens vor der Kommission begehrt.

31 Die Antragstellerin kann von der Kommission auch nicht die Erstattung der Kosten fordern, die sich auf die Zeit nach der mündlichen Verhandlung in der Rechtssache T-38/95 beziehen. Die Rechtssachen Zement wurden nämlich nicht zu gemeinsamem mündlichem Verfahren verbunden, und nach dem 16. September 1998, dem Tag der Sitzung in der Rechtssache T-38/95, sind keine Verfahrenshandlungen mehr vorgenommen worden. Unter diesen Umständen erscheinen die von der Antragstellerin nach diesem Tag aufgewandten Kosten nicht als unmittelbar mit ihrer Verteidigung vor dem Gericht verbunden und können daher nicht als notwendige Aufwendungen für das Verfahren im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung angesehen werden (in diesem Sinne auch Beschluss des Gerichtshofes Hüls/Kommission, Randnr. 19, und Beschluss des Gerichts vom 27. November 2000 in der Rechtssache T-78/99 DEP, Elder/Kommission, Slg. 2000, II-3717, Randnr. 17).

32 Zu den Kosten des Verfahrens vor dem Gericht ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsrichter nicht die Vergütungen festzusetzen hat, die die Parteien ihren eigenen Anwälten schulden, sondern den Betrag zu bestimmen hat, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Er braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell zwischen der betroffenen Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen (Beschlüsse des Gerichts vom 8. November 1996 in der Rechtssache T-120/89 DEP, Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Slg. 1996, II-1547, Randnr. 27, Opel Austria/Rat, Randnr. 27, und UK Coal/Kommission, Randnr. 26).

33 Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht, da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, die Umstände des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei dem Gegenstand und der Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinem Schwierigkeitsgrad, dem Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und dem wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits Rechnung zu tragen (Beschluss des Gerichtshofes vom 26. November 1985 in der Rechtssache 318/82, Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 3727, Randnrn. 2 und 3; Beschlüsse des Gerichts vom 8. März 1995 in der Rechtssache T-2/93 DEP, Air France/Kommission, Slg. 1995, II-533, Randnr. 16, Opel Austria/Rat, Randnr. 28, und UK Coal/Kommission, Randnr. 27).

34 Anhand dieser Kriterien ist im vorliegenden Fall die Höhe der erstattungsfähigen Kosten zu beurteilen.

35 Was den Schwierigkeitsgrad der Sache und ihre Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht angeht, so war sie ersichtlich relativ komplex und warf u. a. im Hinblick auf die Verteidigungsrechte eine Frage betreffend den Zugang zur Akte der Kommission auf. Diese Frage war zwar nicht neu, doch wies sie in den Rechtssachen Zement und insbesondere in der vorliegenden Rechtssache besondere Akzente auf, die das Gericht zu wichtigen Klarstellungen hinsichtlich der Tragweite des Grundsatzes des Zugangs zu den Verwaltungsakten im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 81 EG veranlassten.

36 Inhaltlich warf die Rechtssache u. a. die noch ungeklärte Rechtsfrage auf, ob ein Unternehmen aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer nationalen Vereinigung, die ihrerseits Mitglied der europäischen Vereinigung war, auf deren Ebene eine gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßende Vereinbarung geschlossen wurde, und aufgrund seiner Teilnahme an einer konkreten Maßnahme zu ihrer Durchführung als Partei dieser Vereinbarung angesehen werden kann.

37 Die Art des Rechtsstreits rechtfertigte daher erhöhte Gebühren und die Vertretung der Antragstellerin durch zwei Anwälte (in diesem Sinne auch Beschlüsse Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Randnr. 30, und Opel Austria/Rat, Randnr. 29).

38 Zum Umfang der mit dem Verfahren vor dem Gericht verbundenen Arbeit ist festzustellen, dass die Antragstellerin neben der Klageschrift und der Erwiderung zwei Schriftsätze eingereicht hat, nachdem das Gericht der Kommission aufgegeben hatte, ihre Verwaltungsakten den betroffenen Parteien zugänglich zu machen.

39 Es ist zwar richtig, dass sich durch den in der vorstehenden Randnummer genannten Umstand die Arbeitsbelastung der Beistände der Antragstellerin im vorliegenden Fall erhöhte und dass der Rechtsstreit komplexe Rechtsfragen aufwarf (siehe oben, Randnrn. 34 und 35), doch gehörte die Antragstellerin zu den Adressaten der Entscheidung Zement, denen eine beschränkte Zahl von Zuwiderhandlungen vorgeworfen wurde, was den Umfang der von ihr beim Gericht eingereichten Schriftsätze verringerte.

40 Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Antragstellerin ist hervorzuheben, dass es sich bei der in der Entscheidung Zement gegen sie festgesetzten Geldbuße um einen erheblichen Betrag handelte (siehe oben, Randnr. 2).

41 Angesichts der vorstehenden Analyse sind im vorliegenden Fall als erstattungsfähig im Sinne von Artikel 91 der Verfahrensordnung sämtliche ordnungsgemäß belegten Aufwendungen der Antragstellerin anzusehen, die für das Verfahren vor dem Gericht in der Rechtssache T-38/95 notwendig waren.

42 Wie aus den Angaben der Antragstellerin in der Anlage ihres Antrags hervorgeht und wie auch die Kommission in ihrer Stellungnahme feststellt, belaufen sich die Aufwendungen der Antragstellerin zwischen dem 1. Dezember 1994, dem auf den Erlass der Entscheidung Zement folgenden Tag, und Ende September 1998, in dem die Sitzung in der Rechtssache T-38/95 stattfand, auf etwa 760 000 FRF (115 861,25 Euro). Davon ist jedoch der Betrag von etwa 60 000 FRF (9 146,94 Euro) abzuziehen, der in dem Schreiben der Beistände der Antragstellerin vom 29. Juni 1998 an diese genannt ist; dieses Schreiben stellt keine Rechnung über Honorare und Aufwendungen dar, sondern eine Forderung nach einem Honorarvorschuss.

43 Daher erscheint es angesichts der Umstände des vorliegenden Falles angemessen, den Betrag der erstattungsfähigen Honorare und Aufwendungen der Antragstellerin auf 106 714,31 Euro (700 000 FRF) festzusetzen.

44 Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt der Festsetzung berücksichtigt hat, ist über die Kosten der Parteien in diesem Kostenfestsetzungsverfahren nicht gesondert zu entscheiden (Beschlüsse des Gerichts vom 5. Juli 1993 in der Rechtssache T-84/91 DEP, Meskens/Parlament, Slg. 1993, II-757, Randnr. 16, Opel Austria/Rat, Randnr. 33, und UK Coal/Kommission, Randnr. 33).

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte erweiterte Kammer)

beschlossen:

Die der Antragstellerin in der Rechtssache T-38/95 zu erstattenden Kosten werden auf 106 714,31 Euro (700 000 FRF) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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