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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 25.02.1992
Aktenzeichen: T-39/91
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 43
EWG-Vertrag Art. 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 25. FEBRUAR 1992. - DORIS HERRMANN GEGEN EUROPAEISCHES ZENTRUM FUER DIE FOERDERUNG DER BERUFSBILDUNG. - BEAMTE - BEFOERDERUNG - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE T-39/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Klägerin ist 1977 in den Dienst des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung (im folgenden: CEDEFOP) in der Besoldungsgruppe C 1/2 eingetreten. Sie war von 1984 bis 1989 Sekretärin des Direktors. Am 4. September 1989 wurde sie der Direktion "Konferenzen" des 1988 neu geschaffenen "Dolmetsch- und Konferenzdienstes" zugewiesen. Am 10. März 1989 beantragte der Direktor des CEDEFOP im Voranschlag des Einnahmen- und Ausgabenplans für das Haushaltsjahr 1990 eine neue Planstelle B 3 im Austausch gegen eine Planstelle C 3. Dieser Antrag wurde von den Haushaltsbehörden zurückgewiesen. Demgegenüber wurde ein weiterer Antrag auf eine Planstelle B 3 im Austausch gegen eine Planstelle C 1 für das Haushaltsjahr 1991 bewilligt. In einem handschriftlichen Vermerk vom 21. Dezember 1990, mit dem er der Klägerin zu einem von ihr verfassten Bericht gratulierte, fügte der Direktor des CEDEFOP folgende Worte hinzu:

"Ihr reclassement in B 3 ist im gerade verabschiedeten Budget 91 definitiv beschlossen."

2 Mit Schreiben vom 3. Januar 1991 wurde der Direktor des CEDEFOP von der Generaldirektion "Personal und Verwaltung" der Kommission davon unterrichtet, daß "eine Einstellung in B 3 nicht möglich ist". Daraufhin teilte der Direktor mit Schreiben vom 30. Januar 1991 der Klägerin folgendes mit:

"ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß die Haushaltsbehörde der Umwandlung Ihrer Stelle von C nach B zugestimmt hat.

Gemäß den Bestimmungen der Kommission sowie in Anlehnung an die bisherige Praxis im Zentrum, werden Sie im Eingangsamt der Laufbahngruppe B, d. h. in der Besoldungsgruppe B 5, eingestuft. Ihr Gehalt wird weiterhin nach C 1 gezahlt, wobei die Sekretariatszulage entfällt."

3 Mit Schreiben vom 30. Januar 1991 antwortete die Klägerin wie folgt:

"mit erheblichem Befremden habe ich Ihr Schreiben vom 30. Januar 1991 (471/98208) zur Kenntnis genommen. Der von Ihnen getroffenen Entscheidung stimme ich nicht zu. Ich beantrage, den vorgesehenen Verwaltungsakt auszusetzen.

Nunmehr werde ich die für mich zuständige Gewerkschaft in Brüssel um Rechtsbeistand bitten und beabsichtige, den in Artikel 43 Abs. 2 bzw. Artikel 44 Abs. 4 vorgesehenen Beschwerdeweg zu gehen."

4 Am 1. Februar 1991 sandte die Klägerin erneut ein Schreiben an den Direktor, das folgenden Wortlaut hatte:

"bezugnehmend auf das

- Dokument État prévisionnel des recettes et des dépenses 1991 XLV-8 (Auszug in Kopie anbei),

- bezugnehmend auf Ihren handschriftlichen Vermerk vom 21.12.90 (Kopie anbei) sowie

- bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 30. Januar 1991 (Kopie anbei)

bitte ich zur Vervollständigung meiner Unterlagen um genaue Begründung für Ihre abweichende Entscheidung."

5 Mit handschriftlichem Vermerk vom 21. Februar 1991 übermittelte der Direktor der Klägerin die Kopie eines Schreibens, das er am selben Tag an den Vorsitzenden der Personalvertretung gesandt hatte und in dem er diesen von der Unmöglichkeit unterrichtete, die Klägerin in B 3 einzustufen.

6 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 28. Mai 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung des CEDEFOP vom 30. Januar 1991 über die Neueinstufung der Klägerin in die Besoldungsgruppe B 5 und, soweit erforderlich, der durch Vermerk vom 21. Februar 1991 ergangenen ausdrücklichen Entscheidung über die Zurückweisung ihrer Beschwerde vom 30. Januar 1991.

7 Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, daß sie seit dem 4. September 1989 Tätigkeiten ausgeuebt habe, die einem Dienstposten der Besoldungsgruppe B 3 entsprächen. Nach ihrer Ansicht war das CEDEFOP deshalb verpflichtet, sie in diese Besoldungsgruppe neu einzustufen. Überdies sei die "Rücknahme" der "Entscheidung" vom 21. Dezember 1990 rechtswidrig oder stelle zumindest eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes dar.

8 Das CEDEFOP beruft sich auf die Unzulässigkeit der Klage mit der Begründung, daß es sowohl an der vorherigen Beschwerde als auch an einer beschwerenden Entscheidung fehle. Zur Begründetheit trägt das CEDEFOP vor, daß es ihm unmöglich gewesen sei, die Klägerin in B 3 einzustufen.

9 Einleitend ist festzustellen, daß für die Bediensteten, die den Beschäftigungsbedingungen für das Personal des CEDEFOP unterliegen (Verordnung [EGKS, EWG, Euratom] Nr. 1859/76 des Rates vom 29. Juni 1976; ABl. L 214; im folgenden: Beschäftigungsbedingungen CEDEFOP) und zu denen die Klägerin gehört, in den Artikeln 43 und 44 die im vorliegenden Fall anwendbaren Rechtsbehelfe vorgeschrieben sind.

10 Artikel 43 der Beschäftigungsbedingungen CEDEFOP bestimmt:

"2. Jede Person, auf die diese Beschäftigungsbedingungen Anwendung finden, kann sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an den Verwaltungsrat wenden; dies gilt sowohl für den Fall, daß der Direktor eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, daß er eine in den Beschäftigungsbedingungen vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat. Die Beschwerde muß innerhalb einer Frist von drei Monaten eingelegt werden...

3. Der Bedienstete hat Anträge und Beschwerden auf dem Dienstweg einzureichen, es sei denn, sie betreffen seinen unmittelbaren Vorgesetzten; in diesem Fall können sie unmittelbar bei dem nächsthöheren Vorgesetzten vorgebracht werden."

Artikel 44 der Beschäftigungsbedingungen CEDEFOP bestimmt:

"1. Für alle Streitsachen zwischen dem Zentrum und einer Person, auf die diese Beschäftigungsbedingungen Anwendung finden, über die Rechtmässigkeit einer diese Person beschwerenden Maßnahme im Sinn von Artikel 43 Absatz 2 ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig. In Streitsachen vermögensrechtlicher Art hat der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung, einschließlich der Befugnis zur Aufhebung oder Änderung der getroffenen Maßnahmen.

2. Eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

- Bei dem Verwaltungsrat muß zuvor eine Beschwerde im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 innerhalb der dort vorgesehenen Frist eingereicht und

- diese Beschwerde muß ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt worden sein."

11 Der Beklagte ist der Ansicht, die beiden Schreiben der Klägerin könnten nicht als Beschwerde im Sinne von Artikel 43 *bsatz 2 betrachtet werden. Mit ihrem ersten Schreiben vom 30. Januar 1991 teile die Klägerin ihre Absicht mit, die Vertreter der für sie zuständigen Gewerkschaft zu Rate zu ziehen und künftig eine Beschwerde einzulegen, ("ich... beabsichtige, den in Artikel 43 Abs. 2 bzw. Artikel 44 Abs. 4 vorgesehenen Beschwerdeweg zu gehen"). Dieses Schreiben könne nicht als Beschwerde angesehen werden. Weiter führt der Beklagte aus, daß das Schreiben keine Rüge in bezug auf die angefochtene Entscheidung enthalte. Mit dem zweiten Schreiben vom 1. Februar 1991 werde der Direktor des CEDEFOP um eine genaue Begründung für seine Entscheidung gebeten, und zwar "zur Vervollständigung... [der] Unterlagen" der Klägerin. Die Klägerin habe in keinem der angeführten Schreiben ihre Rügen gegenüber der Verwaltung näher angegeben.

12 Nach Ansicht des Beklagten ist deshalb keine der in Artikel 44 Absatz 2 vorgesehenen Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfuellt; er beantragt folglich, die Klage für unzulässig zu erklären.

13 Die Klägerin macht geltend, das Schreiben des Direktors vom 30. Januar 1991 über ihre Neueinstufung stelle die sie beschwerende Maßnahme im Sinne von Artikel 43 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen CEDEFOP dar. Sie hält ihr an den Direktor gerichtetes Schreiben vom 30. Januar 1991 für eine Beschwerde gegen diese Maßnahme. Ihr Schreiben vom 1. Februar 1991, mit dem sie die beigefügten Unterlagen eingesandt habe, habe diese Beschwerde ergänzt. Sie betrachtet den am 21. Februar 1991 an sie gerichteten Vermerk des Direktors als eine ausdrückliche Zurückweisungsentscheidung.

14 Gemäß Artikel 111 der Verfahrensordnung des Gerichts kann das Gericht ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluß, der mit Gründen zu versehen ist, entscheiden, wenn eine beim Gericht erhobene Klage offensichtlich unzulässig ist. Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt, das Verfahren nicht fortzusetzen.

15 Die Artikel 43 und 44 der Beschäftigungsbedingungen CEDEFOP haben im wesentlichen den gleichen Wortlaut wie die Artikel 90 und 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften. Demzufolge ist die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu diesen Artikeln 90 und 91 im vorliegenden Fall anwendbar. Daher gilt diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall in dem Sinne, daß dann, wenn eine vom Verwaltungsrat des CEDEFOP getroffene Entscheidung vorliegt und diese eine den Bediensteten beschwerende Maßnahme darstellt, dieser das in Artikel 43 Absatz 2 vorgesehene Beschwerdeverfahren einzuleiten hat, wenn er die Aufhebung, die Änderung oder die Rücknahme dieser ihn beschwerenden Entscheidung beantragen will (vgl. die entsprechende Rechtsprechung zu den Artikeln 90 und 91 des Statuts der Beamten der EG; in diesem Sinne Beschluß des Gerichtshofes vom 4. Juni 1987 in der Rechtssache 16/86, P./WSA, Slg. 1987, 2409, und Urteil des Gerichtshofes vom 3. Februar 1977 in der Rechtssache 91/76, Lacroix/Gerichtshof, Slg. 1977, 225, Randnr. 10, Beschlüsse des Gerichts vom 7. Juni 1991 in der Rechtssache T-14/91, Weyrich/Kommission, und vom 1. Oktober 1991 in der Rechtssache T-38/91, Coussios/Kommission, sowie Urteile des Gerichts vom 7. Februar 1991 in der Rechtssache T-58/89, Williams/Rechnungshof, und vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache 72/89, Bocos Viciano/Kommission, Slg. 1990, II-58).

16 Es ist somit Sache des Gerichts, die erwähnten Schreiben der Klägerin rechtlich zu qualifizieren, da nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u. a. Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991, Weyrich/Kommission, Slg. 1991, II-235, und Urteil vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90, Pérez-Míngüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143) es der alleinigen Beurteilung des Gerichts und nicht dem Willen der Parteien unterliegt, ob ein Schreiben als Beschwerde zu qualifizieren ist.

17 Es ist daran zu erinnern, daß sich die Klägerin mit ihrem an den Direktor des CEDEFOP gerichteten Schreiben vom 30. Januar 1991, das sie als Beschwerde qualifiziert, über das Schreiben des Direktors vom 30. Januar 1991 beklagt, mit dem dieser die Klägerin darüber unterrichtete, daß die Haushaltsbehörde der Umwandlung ihrer Stelle von C nach B zugestimmt habe, daß sie in die Besoldungsgruppe B 5 eingestuft werde und daß ihr Gehalt weiterhin nach C 1, ohne Sekretariatszulage, gezahlt werde.

18 In diesem ersten Schreiben der Klägerin vom 30. Januar 1991 teilt diese ausdrücklich ihre Absicht mit, sich an ihre Gewerkschaft zu wenden, um Rechtsbeistand zu erhalten, "und den in Artikel 43 Abs. 2 bzw. Artikel 44 Abs. 4 vorgesehenen Beschwerdeweg zu gehen", nämlich das Beschwerde- und nicht das Klageverfahren vor dem Gemeinschaftsgericht anzuwenden. Diese Auslegung des Schreibens vom 30. Januar 1991 wird durch das weitere Schreiben vom 1. Februar 1991 bestätigt, in dem der Direktor des CEDEFOP "zur Vervollständigung meiner Unterlagen um genaue Begründung für Ihre abweichende Entscheidung" gebeten wird. Die Schreiben vom 30. Januar 1991 und 1. Februar 1991 stellten nämlich ein vorheriges Auskunftsersuchen dar, das die Klägerin in die Lage versetzen sollte, ihre Unterlagen zu vervollständigen und eine Beschwerde einzulegen. Solche Schreiben können nicht als Beschwerde qualifiziert werden.

19 Darüber hinaus ist zu bemerken, daß der handschriftliche Glückwunschvermerk vom 21. Dezember 1990 weder seinem Inhalt noch seiner Form nach eine Entscheidung war, die subjektive Rechte für die Klägerin begründen konnte.

20 Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Klage als unzulässig abgewiesen werden muß.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 dieser Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 25. Februar 1992.

Ende der Entscheidung

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