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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: T-392/05
Rechtsgebiete: Entscheidung 2003/595/EG, EG


Vorschriften:

Entscheidung 2003/595/EG
EG Art. 87 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

11. Dezember 2006

"Nichtigkeitsklage - Klagefrist - Einrede der Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-392/05

MMT Mecklenburg-Strelitzer Montage- und Tiefbau GmbH mit Sitz in Neustrelitz (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R.-J. Kurschus, M. Zimmermann, M. Grehsin und C. Kupke,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und T. Scharf als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/595/EG der Kommission vom 5. März 2003 über eine in Deutschland angewendete Beihilferegelung betreffend die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung des Absatzes und Exportes von Produkten aus Mecklenburg-Vorpommern (ABl. L 202, S. 15), soweit darin die in der Richtlinie des Landes Mecklenburg-Vorpommern vorgesehene finanzielle Unterstützung für Firmengemeinschaftsbüros im Gebiet von Ländern mit dem offiziellen Status von Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union als rechtswidrige staatliche Beihilfe im Sinn von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft wird,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt, Verfahren und Anträge der Parteien

1 Am 8. März 2001 gewährte das Land Mecklenburg-Vorpommern der Klägerin einen Zuschuss in Höhe von 25 000 DM für die Errichtung von Firmengemeinschaftsbüros in Polen. Grundlage für die Gewährung des Zuschusses war die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung des Absatzes und Exportes von Produkten aus Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: Landesrichtlinie).

2 Nachdem die Kommission von der Landesrichtlinie erfahren hatte, eröffnete sie im Dezember 2001 das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG (ABl. 2002, C 170, S. 2). Am 7. November 2002 wurde die Klägerin von den nationalen Behörden über die Eröffnung des Verfahrens unterrichtet.

3 Das förmliche Prüfverfahren wurde mit dem Erlass der Entscheidung 2003/595/EG der Kommission vom 5. März 2003 über eine in Deutschland angewendete Beihilferegelung betreffend die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung des Absatzes und Exportes von Produkten aus Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) abgeschlossen. Diese Entscheidung wurde vollständig im Amtsblatt der Europäischen Union vom 9. August 2003 veröffentlicht (ABl. L 202, S. 15).

4 In Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 2 und Artikel 1 Absatz 4 der angefochtenen Entscheidung wird die Landesrichtlinie als staatliche Beihilfe im Sinn von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft, soweit sie Zuwendungen für Gemeinschaftsbüros in Ländern vorsieht, die den offiziellen Status eines Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union haben. Nach Artikel 2 der Entscheidung ist diese Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Artikel 3 verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die rechtswidrig zur Verfügung gestellten Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern.

5 Das Wirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern forderte daraufhin die Klägerin, nachdem es sie am 24. Januar 2005 offiziell angehört hatte, mit Rücknahmebescheid vom 29. März 2005 auf, die empfangenen Zahlungen in Höhe von 12 782,30 Euro (25 000 DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 442,74 Euro an das Land zu erstatten.

6 Die Klägerin erhob vor den deutschen Gerichten Klage gegen den Rücknahmebescheid.

7 Daneben hat sie mit am 27. Oktober 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben, die auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerichtet ist, soweit darin die in der Landesrichtlinie vorgesehene finanzielle Unterstützung für Gemeinschaftsbüros im Gebiet von Ländern mit dem offiziellen Status von Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union als rechtswidrige staatliche Beihilfe eingestuft wird.

8 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz vom 22. Februar 2006 eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

9 Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 3. April 2006 zur Einrede der Unzulässigkeit geäußert.

10 Die Kommission beantragt,

- die Klage durch Beschluss nach Artikel 114 § 4 der Verfahrensordnung als unzulässig abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- hilfsweise, den Zwischenstreit nach Artikel 114 § 4 Absatz 1 Satz 2 der Verfahrensordnung in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 3 Unterabsatz 2 EG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen;

- weiter hilfsweise, die Zulässigkeitsentscheidung der Endentscheidung vorzubehalten.

Gründe

12 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

13 Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, anhand des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag der Kommission zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

14 Die Kommission stützt ihre Unzulässigkeitseinrede darauf, dass die zweimonatige Klagefrist des Artikels 230 Absatz 5 EG eindeutig abgelaufen sei. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe erst am 27. August 2005 Kenntnis von der angefochtenen Entscheidung erlangt, verweist die Kommission auf den Wortlaut dieses Artikels, aus dem sich ergebe, dass der Zeitpunkt der Kenntniserlangung als Beginn der Klagefrist nur subsidiären Charakter gegenüber dem Zeitpunkt der Bekanntgabe besitze. Bei der Fristberechnung sei daher allein auf das Datum der Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union und damit auf den 9. August 2003 abzustellen. Die Klage sei demnach fast zwei Jahre nach Ablauf der Klagefrist eingereicht worden.

15 Nach Ansicht der Klägerin kann es für den Beginn der Klagefrist nicht auf die Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt ankommen. Die Auslegung der deutschen Fassung von Artikel 230 Absatz 5 EG ergebe, dass die "Bekanntgabe" nicht mit der "Veröffentlichung" gleichzusetzen sei, denn mit dem Wort "Bekanntgabe" werde die förmliche Mitteilung an den Adressaten der Entscheidung oder einen sonstigen Beteiligten bezeichnet. Diese Definition spiegele das im deutschen Verwaltungsverfahren gegebene Verständnis von diesem Begriff wider und werde in Deutschland von keinem Juristen ernsthaft angezweifelt.

16 Der Nichtigkeitskläger müsse tatsächliche Kenntnis von der gesamten angefochtenen Handlung erlangt haben, damit die Klagefrist zu laufen beginne. Eine nur fingierte Kenntnis genüge dafür nicht. Die Veröffentlichung im Amtsblatt begründe jedoch nur eine solche fingierte Kenntnis, da man nicht davon ausgehen dürfe, dass alle Bürger der Europäischen Union das Amtsblatt auch läsen.

17 Eine solche Kenntnisfiktion sei auch nirgendwo im EG-Vertrag vorgesehen. Im Gegenteil, Artikel 254 EG - wonach Entscheidungen durch Bekanntgabe an diejenigen, für die sie bestimmt sind, wirksam werden - spreche dafür, dass mit "Bekanntgabe" gerade die Bekanntgabe der Handlung gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt sei, nicht aber die Veröffentlichung im Amtsblatt gemeint sei.

18 Wenngleich eine Auslegung zwischen den Übersetzungen des Artikels 230 Absatz 5 EG zu dem Schluss führe, dass mit der "Bekanntgabe" der deutschen Fassung tatsächlich die Veröffentlichung gemeint sei, habe die Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt im vorliegenden Fall nicht zwingend den Lauf der Klagefrist in Gang gesetzt. Als kleines Unternehmen in einer kleinen Region Deutschlands habe die Klägerin nämlich die ständige Übung der Kommission, derartige Entscheidungen im Amtsblatt zu veröffentlichen, weder kennen können noch kennen müssen. Sie sei folglich nicht verpflichtet gewesen, regelmäßig das Amtsblatt einzusehen.

19 Sie habe auch keinen Anlass zu der Annahme gehabt, dass eine etwaige Veröffentlichung Rechtswirkungen gegen sie entfalten könnte. Insbesondere nach Artikel 254 EG habe es keinen Anhaltspunkt für sie gegeben, dass die angefochtene Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht würde. Artikel 254 Absatz 3 EG zeige im Verhältnis zu den Absätzen 1 und 2 deutlich, dass Entscheidungen der Kommission nicht veröffentlicht, sondern mitgeteilt (d. h. bekannt gegeben) würden. Soweit die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) die Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen über staatliche Beihilfen vorsehe, habe sie Zweifel, ob diese Verordnung, gestützt auf Artikel 89 EG, etwas an den Wirkungen des Artikels 254 EG ändern könne.

20 Die Wendung "je nach Lage des Falles" in Artikel 230 Absatz 5 EG könne sich daher nur auf den EG-Vertrag selbst beziehen, und zwar nur darauf, wie nach dessen Regularien die konkrete Handlung dem Kläger zugänglich gemacht werde. Die in Artikel 230 Absatz 5 EG vorgesehene grundsätzliche Subsidiarität sei auf den jeweiligen Fall bezogen anzuwenden. Da die Veröffentlichung von Entscheidungen wie der hier angefochtenen im Amtsblatt gerade nicht im EG-Vertrag geregelt sei, habe die Klägerin auf die erfolgte Veröffentlichung nicht reagieren müssen.

21 Außerdem verlangten das Rechtsstaatsprinzip, das Gebot des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs sowie das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, dass der von einer staatlichen Handlung Betroffene die tatsächliche Möglichkeit erhalte, sich zu wehren. In Zeiten, in denen selbst Spezialisten die immer weiter steigende Informationsflut kaum noch bewältigten, könne weder vom Bürger - insbesondere nicht von behinderten oder alten Menschen - noch von einem kleinen Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung erwartet werden, dass sie sich über die eigenen normalen Belange hinaus beständig und allumfassend informierten. Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordere deswegen, dass ein Mindestmaß an vergleich- und verallgemeinerbaren. Grundsätzen zur Fristberechnung für alle aufgestellt werde, um ein Übermaß an Kasuistik zu vermeiden.

22 Schließlich habe sie sich in einem entschuldbaren Irrtum befunden, weshalb im vorliegenden Fall ein Abweichen von den Klagefristen ausnahmsweise geboten sei, weil eine ihr nicht zuzurechnende Verwirrung geschaffen worden sei. Zum einen verfüge sie weder über eine Rechtsabteilung noch über eine ständige Rechtsberatung und hätte daher auf die Existenz der angefochtenen Entscheidung, deren Wirkungen und die Klagefrist hingewiesen werden müssen. Zum anderen könne bei der offensichtlich missverständlichen deutschen Fassung des Artikels 230 Absatz 5 EG ein durchschnittlich verständiger Bürger nicht davon ausgehen, dass er auch die französische und die englische Fassung zu Auslegungszwecken zu Rate ziehen müsse.

23 Ausschlaggebend sei nach alledem im vorliegenden Fall das Kriterium der Kenntniserlangung. Die Klägerin habe frühestens am 27. August 2005 Kenntnis von der gesamten angefochtenen Entscheidung erhalten, so dass die Frist für die Nichtigkeitsklage frühestens am 27. Oktober 2005 abgelaufen sei, dem Tag, an dem sie die vorliegende Klage erhoben habe.

Würdigung durch das Gericht

24 Nach Artikel 230 Absatz 5 EG sind die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat.

25 Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, dass der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung in Betracht kommt (Urteile des Gerichtshofes vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Kommission, Slg. 1998, I-973, Randnr. 35, und des Gerichts vom 12. Dezember 2000 in der Rechtssache T-296/97, Alitalia/Kommission, Slg. 2000, II-3871, Randnr. 61; Beschlüsse des Gerichts vom 25. Mai 2004 in der Rechtssache T-264/03, Schmoldt u. a./Kommission, Slg. 2004, II-1515, Randnr. 52, und vom 21. November 2005 in der Rechtssache T-426/04, Tramarin/Kommission, Slg. 2005, II-0000, Randnr. 48).

26 Der Gerichtshof und das Gericht haben ferner entschieden, dass bei Handlungen, die nach einer ständigen Praxis des betreffenden Organs im Amtsblatt bekannt gegeben werden, obwohl diese Bekanntgabe keine Voraussetzung für ihre Anwendbarkeit ist, das Kriterium des Zeitpunkts der Kenntnisnahme nicht anwendbar ist, sondern der Zeitpunkt der Bekanntgabe die Klagefrist in Lauf setzt (vgl. Beschluss Tramarin/Kommission, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27 Dies muss erst recht gelten, wenn der Bekanntgabe der fraglichen Handlung nicht lediglich eine einfache Praxis, sondern eine Rechtsvorschrift zugrunde liegt. Da die angefochtene Entscheidung die zu Gunsten der Klägerin getroffene staatliche Maßnahme als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe einstuft, ist sie auf Artikel 7 der Verordnung Nr. 659/1999 gestützt. Nach Artikel 26 Absatz 3 dieser Verordnung war sie deshalb im Amtsblatt zu veröffentlichen.

28 Die Klage ist demnach am 27. Oktober 2005 offensichtlich verspätet erhoben worden, da sie auf Nichtigerklärung einer Entscheidung gerichtet ist, die vollständig im Amtsblatt vom 9. August 2003 veröffentlicht wurde.

29 Die von der Klägerin gegen diese Schlussfolgerung angeführten Argumente greifen allesamt nicht durch.

30 Erstens kann die Klägerin ihre Ansicht nicht mit Erfolg allein auf die deutsche Fassung des Artikels 230 Absatz 5 EG stützen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nämlich das Gemeinschaftsrecht einheitlich auszulegen; das verbietet es, im Zweifelsfall eine bestimmte Sprachfassung einer Vorschrift für sich allein zu betrachten, zwingt vielmehr dazu, diese unter Berücksichtigung der Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen und anzuwenden (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 9/79, Koschniske, Slg. 1979, 2717, Randnr. 6; Urteile des Gerichts vom 29. September 1999 in der Rechtssache T-68/97, Neumann und Neumann-Schölles/Kommission, Slg. ÖD 1999, I-A-193 und II-1005, Randnrn. 79 und 80, vom 26. September 2000 in der Rechtssache T-80/97, Starway/Rat, Slg. 2000, II-3099, Randnr. 81, und vom 16. Dezember 2004 in der Rechtssache T-11/02, Pappas/Kommission, Slg. ÖD 2004, I-A-381 und II-1773, Randnr. 34).

31 Die meisten Sprachfassungen der fraglichen Bestimmung enthalten aber anders als die deutsche Fassung ausdrücklich den Begriff "Veröffentlichung". Die Klägerin hat auch selbst eingeräumt, dass eine "Auslegung zwischen den Übersetzungen ... zu dem Schluss [führt], dass mit der 'Bekanntgabe' der deutschen Fassung ... tatsächlich die 'publication' (= Veröffentlichung) ... gemeint ist ... Deswegen kann die Klägerin aus dem Argument..., was mit dem Begriff 'Bekanntgabe' gemeint sei, leider keinen direkten Vorteil für sich ableiten".

32 Im Übrigen würde selbst eine isolierte Auslegung allein der deutschen Fassung des Artikels 230 Absatz 5 EG den Standpunkt der Klägerin nicht stützen. Aus der Kombination der drei in dieser Fassung genannten Fälle - Kenntniserlangung durch den Kläger, Mitteilung an den Kläger und Bekanntgabe - ergibt sich nämlich, dass der letztgenannte allgemeine Begriff verschiedene Arten der Mitteilung an die Öffentlichkeit bezeichnet. Die Klägerin konnte daher als umsichtige und besonnene Wirtschaftsteilnehmerin nicht im Unklaren darüber sein, dass die Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt eine "Bekanntgabe" im Sinne von Artikel 230 Absatz 5 EG war.

33 Soweit die Klägerin zweitens geltend macht, dass nach Artikel 254 Absatz 3 EG Entscheidungen nicht mit ihrer Veröffentlichung, sondern mit ihrer Bekanntgabe an denjenigen, für den sie bestimmt seien, wirksam würden, verwechselt sie die in Artikel 230 EG geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage mit den Voraussetzungen für die Gültigkeit der mit einer solchen Klage angefochtenen Handlung. Auch mit diesem Argument lässt sich daher nicht in Frage stellen, dass es für den Beginn der Klagefrist auf die Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt ankommt.

34 Drittens sind die Gemeinschaftsorgane entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der von einer Handlung Betroffene vor der Erhebung seiner Klage tatsächlich Kenntnis von der Handlung erlangt. Es genügt, dass sie ihm, insbesondere durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt, ermöglicht haben, Kenntnis von der Handlung zu erlangen, damit er seine Interessen wahren kann.

35 Schließlich hat sich die Klägerin zwar nicht auf einen Zufall oder einen Fall höherer Gewalt berufen, der nach Artikel 45 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes ein Abweichen von der Klagefrist erlauben würde, doch macht sie geltend, dass sie sich in einem entschuldbaren Irrtum befunden habe, weil sie als kleines Unternehmen, das weder über eine Rechtsabteilung noch über eine ständige Rechtsberatung verfüge, angesichts der verwirrenden Umstände des vorliegenden Falles nicht imstande gewesen sei, die Klagefrist richtig zu berechnen.

36 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Begriff des entschuldbaren Irrtums - soweit es um die Klagefristen geht, die zwingenden Rechts sind und nicht zur Disposition des Gerichts oder der Parteien stehen -, eng auszulegen und kann sich nur auf Ausnahmefälle beziehen, insbesondere auf solche, in denen das betreffende Gemeinschaftsorgan ein Verhalten an den Tag gelegt hat, das für sich allein oder in entscheidendem Maß geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt aufwendet, die von einer Person mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist, eine verständliche Verwirrung hervorzurufen (vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 9. Juli 1997 in der Rechtssache T-63/96, Fichtner/Kommission, Slg. ÖD 1997, I-A-189 und II-563, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 3. Februar 1998 in der Rechtssache T-68/96, Polyvios/Kommission, Slg. 1998, II-153, Randnr. 43, und vom 2. Dezember 2003 in der Rechtssache T-334/02, Viomichania Syskevasias Typopoiisis kai Syntirisis Agrotikon Proïonton/Kommission, Slg. 2003, II-5121, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Die strikte Anwendung der Gemeinschaftsregelungen über die Verfahrensfristen entspricht dem Erfordernis der Rechtssicherheit und der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Rechtspflege zu vermeiden (vgl. Beschluss Tramarin/Kommission, Randnr. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38 Im vorliegenden Fall kann der Kommission nicht zur Last gelegt werden, dass ihr Verhalten bei der Klägerin Verwirrung hätte hervorrufen können. Vielmehr hat die Klägerin nicht mit der Sorgfalt gehandelt, die von einer Person mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist.

39 Die Kommission hatte unstreitig im Dezember 2001 das förmliche Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG zur Prüfung der Landesrichtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Unterstützung des Absatzes und Exportes von Produkten aus Mecklenburg-Vorpommern eröffnet. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass sie am 7. November 2002 von den nationalen Behörden über die Eröffnung des Verfahrens unterrichtet wurde (siehe oben, Randnr. 2).

40 Unter diesen Umständen hatte die Klägerin als Empfängerin einer nach der Landesrichtlinie gewährten Beihilfe allen Grund, Kontakt zur Kommission oder zu den nationalen Behörden aufzunehmen, um sich gegebenenfalls mit Hilfe eines Anwalts über die Bedeutung, die vermutliche Dauer und das mögliche Ergebnis dieses Verfahrens sowie darüber zu informieren, wie die verfahrensabschließende Entscheidung bekannt gemacht würde. Sie unternahm jedoch offenkundig nichts dergleichen und hat dafür keinerlei Erklärung gegeben.

41 Die von der Klägerin angeführten Umstände können den von ihr geltend gemachten Irrtum bezüglich des Beginns der Klagefrist daher nicht entschuldigen.

42 Nach alledem ist die Klage verspätet erhoben worden und deshalb als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

43 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

Ende der Entscheidung

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