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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: T-398/02 R
Rechtsgebiete: EG, EWR, VerfO EuGH
Vorschriften:
EG Art. 81 | |
EG Art. 230 Abs. 4 | |
EG Art. 242 | |
EWR Art. 53 | |
VerfO EuGH Art. 104 § 2 |
1. Da ein Antrag auf einstweilige Anordnung nicht geprüft werden kann, wenn die Klage, auf die er sich bezieht, unzulässig ist, und da das Rechtsschutzinteresse zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehört, deren Fehlen von Amts wegen zu berücksichtigen ist, ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung von Amts wegen zu prüfen, ob der Antragsteller hinsichtlich der Hauptsache ein entsprechendes Interesse glaubhaft gemacht hat.
( vgl. Randnrn. 44-45 )
2. Bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses an der Nichtigerklärung, das nur dann besteht, wenn die Nichtigerklärung der Handlung als solche Rechtswirkungen für den Kläger haben kann, ist auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen.
Eine Gesellschaft, die die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission beantragt, mit der gegen sie eine Geldbuße festgesetzt wird, hat demnach - auch wenn sie sich in einem vor der Klageerhebung eröffneten Liquidationsverfahren befindet - ein Interesse an der Nichtigerklärung der Entscheidung, sofern nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie noch nicht aufgelöst sein wird, wenn der Richter in der Sache entscheidet. Unter diesen Umständen hätte nämlich die Nichtigerklärung der genannten Entscheidung oder eine Herabsetzung der Geldbuße die rechtliche Wirkung, die Forderung der Kommission entweder zum Erlöschen zu bringen oder zu reduzieren.
( vgl. Randnrn. 46, 48-51 )
3. Einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, der auf Befreiung von der einem Unternehmen von der Kommission auferlegten Obliegenheit gerichtet ist, eine Bankbürgschaft zur Abwendung der sofortigen Beitreibung einer Geldbuße zu stellen, kann nur stattgegeben werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Denn die Möglichkeit, die Stellung einer Sicherheit zu verlangen, ist für Verfahren der einstweiligen Anordnung in den Verfahrensordnungen des Gerichtshofes und des Gerichts ausdrücklich vorgesehen und entspricht einer allgemeinen und sachgerechten Vorgehensweise der Kommission.
Das Vorliegen solcher Umstände kann grundsätzlich dann angenommen werden, wenn die Partei, die die Befreiung von der Stellung der verlangten Bankbürgschaft beantragt, den Beweis dafür erbringt, dass es ihr objektiv unmöglich ist, diese Bürgschaft zu stellen, oder dass die Stellung der Bürgschaft ihre Existenz gefährden würde.
Wenn im Rahmen einer Liquidation ein Betrag in Höhe der Geldbuße nicht allein zugunsten eines Kreditinstituts eingefroren werden kann, so dass dieses Gefahr liefe, nie Rückgriff nehmen zu können, so ist davon auszugehen, dass die Stellung einer Bankbürgschaft zugunsten der Gesellschaft in Liquidation objektiv unmöglich ist.
( vgl. Randnrn. 54-55, 59 )
4. Im Rahmen eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission, mit der einer Gesellschaft in Liquidation die Zahlung einer Geldbuße auferlegt wird, spricht die Interessenabwägung für die Zurückweisung des Antrags, wenn die Aussetzung zur Folge hätte, die Kommission daran zu hindern, sich im Hinblick auf die Beitreibung der Geldbuße und die Wahrung ihres Interesses sowie der finanziellen Interessen der Gemeinschaft mit einem wie auch immer gearteten Antrag an das nationale Gericht zu wenden, und dies in Wirklichkeit allein zugunsten der anderen Gläubiger der Gesellschaft.
Wenn nämlich die tatsächliche Gefahr besteht, dass die Aktiva der Gesellschaft zum Zeitpunkt einer möglichen Abweisung der Klage nicht mehr ausreichen, um die Geldbuße zu begleichen, und in keiner Weise garantiert ist, dass der von der Gesellschaft zu diesem Zweck eventuell zurückgestellte Betrag ausschließlich zur Zahlung des der Kommission im Fall einer Klageabweisung geschuldeten Betrages bestimmt ist, ist es erforderlich, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung aufrechtzuerhalten, um den Maßnahmen kein Hindernis in den Weg zu legen, die die Kommission zur Beitreibung der festgesetzten Geldbuße zu ergreifen beabsichtigt.
( vgl. Randnr. 62 )
Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 27. März 2003. - Linea GIG Srl gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Wettbewerb - Zahlung einer Geldbuße - Bankbürgschaft - Dringlichkeit - Außergewöhnliche Umstände - Interessenabwägung. - Rechtssache T-398/02 R.
Parteien:
In der Rechtssache T-398/02 R
Linea GIG Srl in Liquidation mit Sitz in Florenz (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. D'Amario und B. Calzia, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Antragstellerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und O. Beynet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Antragsgegnerin,
wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 PO Video Games, COMP/35.706 PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 Omega - Nintendo), soweit darin gegen die Antragstellerin eine Geldbuße von 1,5 Millionen Euro verhängt wird,
erlässt
DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt und Verfahren
1 Nach den Akten war die Linea GIG SpA mindestens vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. Dezember 1997 Alleinvertriebshändler für Nintendo-Waren in Italien.
2 Wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten beschloss die außerordentliche Hauptversammlung der Linea GIG SpA am 8. Januar 1999, die Gesellschaft zu liquidieren.
3 Am 16. Januar 1999 beantragte die Linea GIG SpA beim Tribunale Florenz die Eröffnung eines Vergleichsverfahrens (concordato preventivo) nach den Artikeln 160 ff. des Königlichen Dekrets Nr. 267 vom 16. März 1942 (GURI Nr. 81 vom 6. April 1942).
4 Mit Urteil vom 17. November 1999 genehmigte das Tribunale Florenz den von der Linea GIG SpA vorgelegten Vergleich. Nach dem so genehmigten Vergleich ist die Linea GIG SpA verpflichtet, ihr gesamtes Vermögen zu liquidieren, um die bevorrechtigten Gläubiger vollständig und die nicht bevorrechtigten Gläubiger in Höhe von mindestens 40 % ihrer Forderungen zu befriedigen. Im Rahmen dieses Verfahrens verfügt der vom Gericht bezeichnete Liquidationsverwalter über das von dem Vergleich erfasste Vermögen des Schuldners, um die daraus fließenden Erlöse unter den Gläubigern unter Beachtung der gesetzlichen Rangfolge ihrer Forderungen zu verteilen.
5 Am 25. April 2000 leitete die Kommission gegen die Linea GIG SpA wegen deren zeitweiliger Beteiligung an einem Komplex von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, mit denen eine Begrenzung der Parallelein- und -ausfuhren von Nintendo-Spielkonsolen und -Spielkassetten bezweckt und bewirkt wurde, ein Verfahren nach Artikel 81 EG ein. Am 24. Juli 2000 nahm die Linea GIG SpA zu den von der Kommission ihr gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung.
6 Am 30. Oktober 2002 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 81 EG und Artikel 53 EWR-Abkommen (COMP/35.587 PO Video Games, COMP/35.706 PO Nintendo Distribution und COMP/36.321 Omega - Nintendo) (im Folgenden: Entscheidung), in der sie feststellte, dass mehrere Unternehmen dadurch gegen Artikel 81 Absatz 1 EG und Artikel 53 Absatz 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, dass sie während bestimmter Zeiträume, die bei den einzelnen Unternehmen voneinander abwichen, an einem Komplex von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen auf den Märkten für spezielle Spielkonsolen und mit den von Nintendo hergestellten speziellen Spielkonsolen kompatible Spielkassetten beteiligt gewesen seien, mit denen eine Begrenzung der Parallelausfuhren von Nintendo-Spielkonsolen und -Spielkassetten bezweckt und bewirkt worden sei. Unter den in Artikel 1 der Entscheidung genannten Unternehmen finden sich neben der Nintendo Corporation Ltd/Nintendo of Europe GmbH sieben Gesellschaften, die die oben aufgeführten Waren vertrieben.
7 Eine der in Artikel 1 der Entscheidung aufgeführten Vertriebsgesellschaften ist die Linea GIG SpA, die der Kommission zufolge die dort bezeichnete Zuwiderhandlung in der Zeit vom 1. Oktober 1992 bis Ende Dezember 1997 begangen hat.
8 In Artikel 3 der Entscheidung wird gegen die Linea GIG SpA wegen der Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 1,5 Millionen Euro verhängt.
9 Die gegen die Linea GIG SpA verhängte Geldbuße ist nach Artikel 4 der Entscheidung innerhalb von drei Monaten ab deren Zustellung zu zahlen. Die Entscheidung wurde der Linea GIG SpA mit Schreiben der Kommission mit Datum vom 7. November 2002 zugestellt. In diesem Schreiben führte die Kommission aus, dass sie im Fall einer Klageerhebung vor dem Gericht während der Dauer der Anhängigkeit der Rechtssache beim Gericht von einer Beitreibung der Geldbuße absehen werde, sofern die Forderung ab dem Ende der Zahlungsfrist verzinst und eine akzeptable Bankbürgschaft gestellt werde.
10 Am 24. September 2002 wurde eine Änderung der Rechtsform der Gesellschaft beschlossen und die Linea GIG SpA in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung [Srl] umgewandelt. Seither trägt sie die Firma Linea GIG Srl in liquidazione" (im Folgenden: Linea oder Antragstellerin).
11 Mit Klageschrift, die am 30. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Linea nach Artikel 230 Absatz 4 EG eine Klage auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung, hilfsweise auf Aufhebung oder Reduzierung der gegen sie verhängten Geldbuße erhoben.
12 Mit besonderem Schriftsatz, der am 30. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Linea die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung beantragt, soweit darin gegen sie eine Geldbuße verhängt wird.
13 Die Kommission hat am 14. Februar 2003 zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung schriftlich Stellung genommen.
14 Am 6. März 2003 fand die Anhörung im Verfahren der einstweiligen Anordnung statt. Bei dieser Anhörung ist die Entscheidung darüber vorbehalten worden, ob die Antragstellerin zwei neue Schriftstücke einreichen kann, was im Protokoll vermerkt worden ist.
Zur Rechtslage
15 Das Gericht kann gemäß den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Maßnahme aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.
16 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, so dass ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückgewiesen werden muss, wenn eine davon nicht erfuellt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30). Gegebenenfalls wird auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vorgenommen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C-445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I-1461, Randnr. 73).
17 Die beantragte Anordnung muss außerdem vorläufig in dem Sinne sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreift und die Folgen der später zur Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisiert (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 22).
Vorbringen der Parteien
Zum Fumus boni iuris
18 Die Antragstellerin macht erstens geltend, die Kommission habe gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, 13, S. 204), verstoßen, indem sie gegen sie eine Geldbuße verhängt habe, die die in dieser Bestimmung vorgesehene Obergrenze von zehn vom Hundert des im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes überschreite. Das letzte Geschäftsjahr" sei nämlich immer als ein Verweis auf das Geschäftsjahr verstanden worden, das dem vorausgehe, in dem die Entscheidung über die Geldbuße erlassen worden sei. Linea habe im Jahr 2001 jedoch keinen Umsatz erzielt.
19 Mit ihrem zweiten Antragsgrund bringt Linea vor, die Kommission habe Artikel 81 EG fälschlicherweise auf das erste zwischen Linea und der Nintendo Corporation Ltd geschlossene Vertriebsabkommen angewandt und gegen Artikel 253 EG verstoßen.
20 Mit ihrem dritten Antragsgrund macht die Antragstellerin geltend, die Kommission habe sie zu Unrecht als für die in der Entscheidung bezeichneten wettbewerbsschädigenden Praktiken verantwortlich angesehen.
21 Der vierte Antragsgrund bezieht sich auf das Vorliegen von Widersprüchen in der Entscheidung und auf einen Verstoß gegen Artikel 253 EG.
22 Der fünfte Antragsgrund bezieht sich schließlich auf die fehlende Berücksichtigung des wirtschaftlichen Kontextes, in dessen Rahmen es zu den fraglichen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen gekommen sei.
23 Die Kommission ist der Auffassung, dass keiner der von der Antragstellerin vorgebrachten Antragsgründe den Schluss auf das Vorliegen eines Fumus boni iuris zulasse.
Zur Dringlichkeit und zur Interessenabwägung
24 Linea vertritt den Standpunkt, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit im vorliegenden Fall erfuellt sei. Sie stützt diesen Schluss auf drei Argumente, die mit dem Vergleichsverfahren zusammenhängen, in dem sie sich gegenwärtig befindet.
25 Erstens verweist sie darauf, dass sie seit 1999 jede Geschäftstätigkeit eingestellt habe und verpflichtet sei, ihr gesamtes Vermögen zu liquidieren, um ihre bevorrechtigten Gläubiger vollständig und ihre nicht bevorrechtigten Gläubiger in Höhe von 40 % ihrer Forderungen zu befriedigen. Die Kosten des Vergleichs seien von dem Vergleichsverwalter auf 135 589 911 521 italienische Lire (ITL), d. h. 70 026 345 Euro, geschätzt worden, ihre Aktiva seien aber nur mit 125 241 894 385 ITL, d. h. 64 682 040 Euro, bewertet worden, so dass sich der daraus resultierende Fehlbetrag auf 5 344 305 Euro belaufe, wobei jedoch die Berechnungen des Vergleichverwalters derart vorsichtig [seien], dass der Fehlbetrag wahrscheinlich nicht so hoch [ausfalle]". Ihre einzigen Einkünfte stammten gegenwärtig aus der Liquidation ihres Vermögens und seien dazu bestimmt, entsprechend den Bedingungen des Urteils des Tribunale Florenz vom 17. November 1999 ihre Schulden zu begleichen.
26 Zweitens macht sie geltend, dass im Rahmen des Vergleichs jede Auseinandersetzung über das Bestehen, die Höhe oder den Rang einer Forderung notwendigerweise die Verteilung ihrer Aktiva beeinflusse und sich demnach auf die Stellung der anderen Gläubiger auswirke. Um Zahlungen zu vermeiden, die die Gleichheit der Gläubiger beeinträchtigen könnten, müsse daher - ggf. von den nationalen Gerichten - die Natur der Forderung der Kommission bestimmt und geprüft werden, ob diese ganz oder teilweise vorrangig vor anderen Schulden von Linea beglichen werden könne, bevor diese die von der Kommission gegen sie verhängte Geldbuße zahlen könne.
27 Drittens sei der Vergleich von derselben objektiven Voraussetzung abhängig wie der Konkurs, nämlich der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft.
28 Diese drei Argumente reichten aus, um nachzuweisen, dass Linea die Geldbuße nicht zahlen und/oder die von der Kommission verlangte Bankbürgschaft nicht stellen könne, ohne einen schweren und irreparablen Schaden zu erleiden. Dadurch werde auch erklärt, warum es ihr faktisch unmöglich sei, die verlangte Bankbürgschaft zu erlangen. Kein Kreditinstitut sei nämlich bereit, für die Schulden von Linea zu bürgen, da es angesichts der Rechtsprechung der italienischen Gerichte, wonach Forderungen, die nach der Eröffnung des Vergleichsverfahrens entstanden seien, nicht vor den Forderungen befriedigt werden dürften, die vor diesem Zeitpunkt entstanden seien, zukünftig in die Lage geraten könne, den Verpflichtungen von Linea gegenüber der Kommission vollständig nachkommen zu müssen, aber nur einen Teil davon von Linea zurückerlangen zu können.
29 Schließlich bewirke die Zahlung der mit der Bestellung einer Bankbürgschaft verbundenen Kosten - vorausgesetzt, dass diese aus dem Wert der realisierten Aktiva vorgenommen werden könne - in jedem Fall eine schwere Schädigung der Gläubiger, mehr noch als eine Schädigung der Gesellschaft. Die nicht wiederzuerlangenden Kosten der Bürgschaft lasteten nämlich im Wesentlichen auf den nicht bevorrechtigten Gläubigern von Linea, die den bereits geringen Betrag zur Befriedigung ihrer Ansprüche entsprechend reduziert sähen.
30 Im letzten Teil ihres Antrags auf einstweilige Anordnung ergänzt Linea, dass sie über den Vergleichsverwalter bei dem Konkursrichter beantragt und erreicht habe, dass zur Absicherung der Forderung der Kommission ein Betrag von 1,65 Millionen Euro, d. h. der Gegenwert der gegen sie verhängten Geldbuße zuzüglich Zinsen, zurückgestellt werde, der nicht unter den Gesellschaftsgläubigern verteilt werden dürfe. Diese Maßnahme stelle eine noch soliderere Sicherheit dar als die von der Kommission verlangte Bankbürgschaft und müsste daher alle Befürchtungen hinsichtlich einer Nichtzahlung der Geldbuße für den Fall, dass das Gericht dem Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht stattgeben sollte, zerstreuen können. Sie sei nämlich von einem Gericht erlassen worden, bei dem beantragt worden sei, dass es das Vergleichsverfahren leite, und ohne dessen Zustimmung die durch die Liquidation der Gesellschaft freigesetzten Beträge nicht verteilt werden dürften.
31 Die Kommission ist der Auffassung, dass Linea in keiner Weise den Beweis dafür erbracht habe, dass ihr die Stellung der Bankbürgschaft einen schweren und irreparablen Schaden zufüge.
32 Insbesondere sei nicht nachgewiesen, dass bei Kreditinstituten die Stellung einer Bankbürgschaft beantragt worden wäre oder dass solche Anträge tatsächlich abgelehnt worden wären.
33 Zudem dürfte die Rückstellung in Höhe von 1,65 Millionen Euro es den Kreditinstituten, bei denen die Bürgschaft beantragt worden sei, erlauben, diese bereitzustellen. Die Rückstellung dieses Betrages beweise, dass er vorhanden sei und zumindest während der Anhängigkeit der Hauptsache bei dem Gericht nicht zur Befriedigung der Gläubiger mobilisiert werden könne.
34 Schließlich könne sich die Antragstellerin nicht auf den Schaden berufen, den die Zahlung der Kosten der Bankbürgschaft verursache, da dieser von den nicht bevorrechtigten Gläubigern der Gesellschaft erlitten werde. Der einem Dritten zugefügte Schaden könne jedoch im Hinblick auf die Gewährung einstweiliger Anordnungen nicht berücksichtigt werden (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. Oktober 1997 in der Rechtssache T-213/97 R, Eurocoton u. a./Rat, Slg. 1997, II-1609, Rn. 46).
35 Auch wenn man davon ausgehe, dass die Antragstellerin angesichts ihrer schwierigen finanziellen Lage durch die Stellung der Bankbürgschaft einen Schaden erleiden könne, so könne dieser Schaden nicht als irreparabel angesehen werden, da die Antragstellerin in keiner Weise, insbesondere nicht anhand überzeugender finanzieller Daten, belegt habe, dass die Stellung der Bankbürgschaft ihre Existenz gefährden würde (vgl. dazu Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. Dezember 2000 in der Rechtssache C-361/00 P[R], Cho Yang Shipping/Kommission, Slg. 2000, I-11657, Randnr. 89, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 1999 in der Rechtssache T-59/99 R, Ventouris/Kommission, Slg. 1999, II-2519, Randnrn. 16 und 18).
36 Der Beweis sei nicht erbracht, dass die Stellung der Bankbürgschaft der einzige oder wesentliche Grund für das mögliche Verschwinden der Gesellschaft vom Markt wäre, da die geltend gemachten Verluste und Schwierigkeiten auf Umstände zurückgingen, die lange vor der Entscheidung lägen.
37 In Abwägung der betroffenen Interessen führt die Kommission aus, dass ein Ausgleich zu gewährleisten sei zwischen einerseits dem Interesse der Antragstellerin an der Abwendung der sofortigen Beitreibung der Geldbuße, da sie vortrage, keine Bankbürgschaft zu stellen zu können, und andererseits dem finanziellen Interesse der Gemeinschaft an einer Beitreibung dieses Betrages und, allgemeiner, dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln und an der abschreckenden Wirkung der von der Kommission verhängten Geldbußen.
38 Im vorliegenden Fall sei nach den allgemeinen Grundsätzen die Verpflichtung, alternativ zur Zahlung der verhängten Geldbuße eine Bankbürgschaft in deren Höhe zu stellen, sofern das Unternehmen gegen die Entscheidung über die Geldbuße Klage erhebe, das im öffentlichen Interesse der Gemeinschaft gebotene Minimum.
39 Was die Rückstellung von 1,65 Millionen Euro anbelange (siehe oben, Randnr. 30), so könne diese entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin keine hinreichende Sicherheit für die Kommission bilden.
40 Zum einen brauchten im Verfahren der einstweiligen Anordnung die von der Antragstellerin vorgeschlagenen Alternativen nicht geprüft zu werden, da diese nicht habe nachweisen können, dass die Stellung der Bankbürgschaft für sie unmöglich gewesen sei (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-364/99 P[R], DSR-Senator Lines/Kommission, Slg. 1999, I-8733, Randnr. 64).
41 Zum anderen stehe nicht fest, dass die zurückgestellte Summe ausschließlich zugunsten der Kommission gesichert werden könne. Es sei nämlich nicht ausdrücklich vorgetragen worden und ergebe sich nicht aus den von der Antragstellerin vorgelegten Beweisunterlagen, ob die Gläubiger die Möglichkeit hätten, wegen ihrer Forderungen auf die zurückgestellte Summe zuzugreifen, oder ob diese Rückstellung die der Geldbuße entsprechende Summe, deren Gläubiger die Kommission sei, dem Zugriff der anderen bevorrechtigten und nicht bevorrechtigten Gläubiger entziehe.
42 Außerdem sei zu berücksichtigen, dass sich nicht ausschließen lasse, dass der Vergleich kraft des anwendbaren Rechts aufgehoben oder für nichtig erklärt werde, was zur Folge hätte, dass der Wettlauf zwischen alten und neuen Gläubigern von neuem eröffnet würde. Wenn die Kommission den Ausgang des vor dem Gericht anhängigen Verfahrens zur Hauptsache abwarten müsste, bestuende daher im Fall einer Aufhebung oder Nichtigerklärung des Vergleichs die objektive Gefahr, dass keine ausreichenden Aktiva für die Beitreibung der Geldbuße zur Verfügung stuenden.
43 Demnach sei offensichtlich, dass zum einen die von Linea vorgeschlagene Alternativlösung die finanziellen Interessen der Kommission nicht in gleicher Weise schütze wie die Bankbürgschaft und dass zum anderen eine mögliche Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung die Kommission daran hindere, andere gerichtliche Mittel zur Beitreibung der Geldbuße und zur Wahrung ihrer Interessen einzusetzen. Die Kommission sei daher der tatsächlichen Gefahr ausgesetzt, nach Abschluss des Verfahrens vor dem Gericht im Fall einer Klageabweisung im Verfahren zur Hauptsache die für die Begleichung der Geldbuße erforderlichen Aktiva - und sei es nur zum Teil - nicht mehr vorzufinden. Dagegen sei eindeutig, dass die Stellung der Bankbürgschaft die Forderung der Kommission vollständig absichere.
Richterliche Würdigung
Zur Zulässigkeit der Klage
44 Es steht fest, dass ein Antrag auf einstweilige Anordnung nicht zu prüfen ist, wenn die Klage, auf die er sich bezieht, unzulässig ist. Es muss nämlich vermieden werden, dass Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung in den Genuss von Maßnahmen kommen können, auf die sie keinen Anspruch hätten, sollte das Gericht die Klage für unzulässig erklären.
45 Die Kommission hat die Zulässigkeit der Klage im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung nicht in Frage gestellt. Da das Rechtsschutzinteresse aber zu den unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen gehört, deren Fehlen von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 28. November 1985 in der Rechtssache 19/85, Grégoire-Foulon/Parlament, Slg. 1985, 3771, Randnrn. 7 bis 9, und vom 7. Oktober 1987 in der Rechtssache 108/96, D. M./Rat und WSA, Slg. 1987, 3933, Randnr. 10; Urteil des Gerichts vom 18. Februar 1993 in der Rechtssache T-45/91, Mc Avoy/Parlament, Slg. 1993, II-83, Randnr. 22), ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung von Amts wegen zu prüfen, ob die Antragstellerin ein Interesse an der Nichtigerklärung der Entscheidung glaubhaft gemacht hat.
46 Nach ständiger Rechtsprechung besteht das Rechtsschutzinteresse nur dann, wenn die Nichtigerklärung der Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann (Urteil des Gerichts vom 20. Juni 2001 in der Rechtssache T-188/99, Euroalliages/Kommission, Slg. 2001, II-1757, Randnr. 26). Zudem ist bei der Prüfung des Rechtsschutzinteresses auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen (Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1999 in der Rechtssache T-22/97, Kesko/Kommission, Slg. 1999, II-3775, Randnr. 55).
47 Ferner ist bereits entschieden worden, dass das Rechtsschutzinteresse einer klagenden Gesellschaft italienischen Rechts weggefallen war, nachdem sie während des Verfahrens für zahlungsunfähig erklärt worden war (Urteil des Gerichts vom 27. April 1995 in der Rechtssache T-443/93, Casillo Grani/Kommission, Slg. 1995, II-1375).
48 Im vorliegenden Fall ist die Klägerin eine Gesellschaft im Stadium der Liquidation, und diese Liquidation begann nicht erst während des Gerichtsverfahrens, sondern schon lange vor der Klageerhebung.
49 Auf eine richterliche Frage während der Anhörung hat die Antragstellerin ausgeführt, bislang seien nur ihre bevorrechtigten Gläubiger befriedigt worden. Daher hat sie nach dem Vergleich noch Zahlungen an ihre nicht bevorrechtigten Gläubiger vorzunehmen. Ebenfalls auf eine mündlich gestellte Frage hat sie dargelegt, ohne dass ihr die Kommission in diesem Punkt widersprochen hätte, dass das italienische Recht keine Frist vorsehe, innerhalb deren die Liquidation durchgeführt sein müsse.
50 Aus diesen Antworten ergibt sich, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Linea noch nicht aufgelöst sein wird, wenn das Gericht in der Sache entscheidet.
51 Daher - und weil eine Nichtigerklärung der Entscheidung oder eine Herabsetzung der Geldbuße die rechtliche Wirkung hätte, die Forderung der Kommission entweder zum Erlöschen zu bringen oder zu reduzieren - ist im Ergebnis festzustellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Interesse an der Nichtigerklärung der Entscheidung hatte.
52 Daraus folgt, dass der Antrag auf einstweilige Anordnung zulässig ist.
Zur Dringlichkeit und zur Interessenabwägung
53 Zunächst ist der Gegenstand des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung genau zu definieren.
54 Dieser Antrag zielt nämlich auf die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung ab, soweit damit der Antragstellerin eine Geldbuße auferlegt wird. Doch steht fest, dass die Kommission in ihrem Schreiben vom 7. November 2002, mit dem sie die Entscheidung zugestellt hat, ausgeführt hat, dass sie im Fall einer Klageerhebung keine Maßnahme zur Beitreibung der Geldbuße ergreifen werde, sofern die Antragstellerin eine akzeptable Bankbürgschaft stelle. Unter diesen Umständen kann der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs keinen anderen zweckdienlichen Gegenstand haben als den, eine Befreiung von der Verpflichtung zu erreichen, eine Bankbürgschaft als Voraussetzung dafür zu stellen, dass die mit der Entscheidung verhängte Geldbuße nicht sofort beigetrieben wird. Einem solchen Antrag kann nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände stattgegeben werden (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 107/82 R, AEG/Kommission, Slg. 1982, 1549, Randnr. 6, DSR-Senator Lines/Kommission, Randnr. 48, und vom 23. März 2001 in der Rechtssache C-7/01 P[R], FEG/Kommission, Slg. 2001, I-2559, Randnr. 44). Die Möglichkeit, die Stellung einer finanziellen Sicherheit zu verlangen, ist nämlich für Verfahren der einstweiligen Anordnung in den Verfahrensordnungen des Gerichtshofes und des Gerichts ausdrücklich vorgesehen, und sie entspricht einer allgemeinen und vernünftigen Vorgehensweise der Kommission.
55 Das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände kann grundsätzlich dann angenommen werden, wenn die Partei, die die Befreiung von der Stellung der verlangten Bankbürgschaft beantragt, den Beweis dafür erbringt, dass es ihr objektiv unmöglich ist, diese Bürgschaft zu stellen (vgl. in diesem Sinne die Beschlüsse DSR-Senator Lines/Kommission und FEG/Kommission), oder dass die Stellung der Bürgschaft ihre Existenz gefährden würde (vgl. u. a. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 21. Dezember 1994 in der Rechtssache T-295/94 R, Buchmann/Kommission, Slg. 1994, II-1265, Randnr. 24, und vom 28. Juni 2000 in der Rechtssache T-191/98 R II, Cho Yang Shipping/Kommission, Slg. 2000, II-2551, Randnr. 43).
56 Hier steht fest, dass die Antragstellerein keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübt, dass sie sich seit 1999 - d. h. drei Jahre, bevor die Kommission gegen sie die in Artikel 3 der Entscheidung vorgesehene Geldbuße verhängte - in einem Vergleichsverfahren befindet, das nach dem anwendbaren nationalen Recht geführt wird, und dass sie liquidiert wird. Daraus folgt, dass zwischen einer Ablehnung der beantragten Anordnung und der Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin keine Kausalität bestehen kann. Daher ist die Frage, ob ein schwerer und irreparabler Schaden droht, unter den tatsächlichen und rechtlichen Umständen dieser Rechtssache nicht nach Maßgabe des Kriteriums der Gefährdung der Existenz der Antragstellerin zu beurteilen, wie es die Kommission in ihrer Stellungnahme vorschlägt.
57 Das von der Antragstellerin vorgebrachte Hauptargument besteht in dem Vortrag, kein Kreditinstitut könne die Bürgschaft für ihre Schuld gegenüber der Kommission übernehmen, da die nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens entstandene Forderung eines Kreditinstituts nie eingezogen werden könne.
58 Dazu führt die Kommission aus, dass ein Betrag von 1,65 Millionen Euro zurückgestellt worden sei, um - wie die Antragstellerin vortrage - die Zahlung der Geldbuße zuzüglich Zinsen zu garantieren". Da diese Rückstellung dem Vorbringen nach dazu diene, der Antragstellerin die Zahlung ihrer Schuld gegenüber der Kommission zu ermöglichen, wenn ihre Klage abgewiesen werden sollte, hätte der fragliche Betrag nach Ansicht der Kommission zu denselben Bedingungen zugunsten einer Bank zurückgestellt werden können, damit die verlangte Bürgschaft gestellt werden könne.
59 Wie Linea während der Anhörung vorgetragen hat, kann der Betrag von 1,65 Millionen Euro jedoch nicht allein zugunsten eines Kreditinstituts eingefroren werden, so dass dieses keine Sicherheit hätte, tatsächlich bei der Antragstellerin Rückgriff nehmen zu können. Sofern die Klage abgewiesen werden sollte, träte nämlich dieses Institut in Wettstreit mit den anderen Gesellschaftsgläubigern der Antragstellerin, und der nationale Richter müsste erst noch die Natur und den Rang der fraglichen, nach Eröffnung des Vergleichsverfahrens entstandenen Forderung bestimmen. Das damit eingegangene Risiko, bei der Antragstellerin nie Rückgriff nehmen zu können, ist so eindeutig, dass zuzugestehen ist, dass kein Kreditinstitut die Stellung der verlangten Bankbürgschaft akzeptieren würde.
60 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass Linea rechtlich hinreichend belegt hat, dass die gesellschaftsrechtliche und finanzielle Situation, in der sie sich gegenwärtig befindet, die Erlangung der Bankbürgschaft bei einem Kreditinstitut objektiv unmöglich macht.
61 Trotzdem verbietet es die Interessenabwägung, dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung stattzugeben.
62 Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hätte nämlich die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, soweit darin der Antragstellerin die Zahlung einer Geldbuße auferlegt wird, zur Folge, die Kommission daran zu hindern, sich im Hinblick auf die Beitreibung der Geldbuße und die Wahrung ihres Interesses sowie der finanziellen Interessen der Gemeinschaft mit einem wie auch immer gearteten Antrag an das nationale Gericht zu wenden (Beschluss Cho Yang Shipping/Kommission vom 28. Juni 2000, Randnr. 53), und dies in Wirklichkeit allein in der Absicht, die anderen Gläubiger von Linea zu schützen. Wie jedoch die Kommission zu Recht betont hat, lässt sich die Gefahr, dass die Aktiva der Antragstellerin zum Zeitpunkt einer möglichen Abweisung der Klage nicht mehr ausreichen, um die Geldbuße ganz oder teilweise zu begleichen, nicht mit Sicherheit ausschließen. Zudem ist, wie die Antragstellerin während der Anhörung eingeräumt hat, in keiner Weise garantiert, dass der von ihr zurückgestellte Betrag von 1,65 Millionen Euro ausschließlich zur Zahlung der Schuld bestimmt ist, die Linea im Fall einer Abweisung der Klage gegenüber der Kommission zu begleichen hat. Daher ist es erforderlich, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung aufrechtzuerhalten, um den Maßnahmen kein Hindernis in den Weg zu legen, die die Kommission für sachdienlich hält, um die mit der Entscheidung verhängte Geldbuße beizutreiben.
63 In Bezug auf das vorgetragene Interesse von Linea und ihren Gesellschaftsgläubigern an der Vermeidung der Beitreibung der Geldbuße ist darauf zu verweisen, dass es nur aufgrund der Art und des Rangs der Forderung der Kommission beurteilt werden kann, d. h. aufgrund von Umständen, die allein das nationale Gericht - ggf. nach Anrufung des Gerichtshofes gemäß Artikel 234 EG - zu beurteilen hat.
64 Da die Interessenabwägung gegen die Aussetzung des Vollzugs spricht, ist der vorliegende Antrag zurückzuweisen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER PRÄSIDENT DES GERICHTS
beschlossen:
1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung über die Kosten bleibt vorbehalten.
Ende der Entscheidung
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