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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: T-44/00
Rechtsgebiete: Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag


Vorschriften:

???
Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag Art. 1 Abs. 2
Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004. - Mannesmannröhren-Werke AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Kartell - Märkte für nahtlose Stahlrohre - Dauer der Zuwiderhandlung - Geldbußen. - Rechtssache T-44/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-44/00,

Mannesmannröhren-Werke AG mit Sitz in Mülheim an der Ruhr (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt M. Klusmann, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Erhart und A. Whelan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E-1/35.860-B - Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1) oder, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meji,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19., 20. und

21. März 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG (Sache IV/E-1/35.860-B - Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung oder Entscheidung).

2. Die Kommission richtete die angefochtene Entscheidung an acht Unternehmen, die unlegierte nahtlose Stahlrohre herstellen (im Folgenden: Adressaten der angefochtenen Entscheidung). Zu diesen Unternehmen gehören vier europäische Unternehmen (im Folgenden: europäische Hersteller oder Gemeinschaftshersteller), nämlich die MannesmannröhrenWerke AG (im Folgenden: Mannesmann oder Klägerin), die Vallourec SA (im Folgenden: Vallourec), die Corus UK Ltd (ehemals British Steel plc, dann British Steel Ltd, im Folgenden: Corus) und die Dalmine SpA (im Folgenden: Dalmine). Die übrigen vier Adressaten der Entscheidung sind japanische Unternehmen (im Folgenden: japanische Hersteller oder japanische Klägerinnen): die NKK Corp., die Nippon Steel Corp. (im Folgenden: Nippon), die Kawasaki Steel Corp. und die Sumitomo Metal Industries Ltd (im Folgenden: Sumitomo).

Das Verwaltungsverfahren

3. Mit Entscheidung vom 17. November 1994 ermächtigte die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelszone (EFTA) gemäß Artikel 8 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, genehmigt durch den Beschluss 94/1/EGKS, EG des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 über den Abschluss des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten sowie der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. 1994, L 1, S. 1, im Folgenden: EWRAbkommen oder EWR), ihr für Wettbewerbssachen zuständiges Mitglied, die Kommission um die Durchführung einer Untersuchung im Gebiet der Gemeinschaft zu ersuchen, um festzustellen, ob im Hinblick auf unlegierte nahtlose Stahlrohre, die die norwegische Erdölindustrie für Bohrungen und Ölleitungen einsetzte, wettbewerbswidrige Praktiken vorlagen.

4. Mit einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 25. November 1994 (Sache IV/35.304, im Folgenden: Beschluss vom 25. November 1994), der als Seite 3 in der Kommissionsakte enthalten ist und auf der doppelten Rechtsgrundlage von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), und der Entscheidung der EFTAÜberwachungsbehörde vom 17. November 1994 erging, entschied die Kommission, eine Untersuchung durchzuführen. Diese Untersuchung sollte sich mit den in der Entscheidung der EFTAÜberwachungsbehörde vom 17. November 1994 genannten Praktiken befassen, soweit diese einen möglichen Verstoß nicht nur gegen Artikel 53 EWR, sondern auch gegen Artikel 81 EG darstellten. Die Kommission richtete ihren Beschluss vom 25. November 1994 an acht Unternehmen, darunter Mannesmann, Corus, Vallourec und eine Gesellschaft des SumitomoKonzerns, die Sumitomo Deutschland GmbH. Am 1. und 2. Dezember 1994 nahmen Beamte der Kommission und Vertreter der Wettbewerbsbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten bei diesen Unternehmen aufgrund des oben genannten Beschlusses Nachprüfungen vor.

5. Mit Beschluss vom 6. Dezember 1995 stellte die EFTAÜberwachungsbehörde fest, dass die bei ihr anhängige Sache wegen einer erheblichen Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c EWR in die Zuständigkeit der Kommission falle. Sie überwies die Sache daher gemäß Artikel 10 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des EWRAbkommens an die Kommission; diese führte die Sache von da an unter einem neuen Aktenzeichen (IV/E1/35.860).

6. Zwischen September 1996 und Dezember 1997 nahm die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei Vallourec, Dalmine und Mannesmann zusätzliche Nachprüfungen vor. Insbesondere führte sie am 17. September 1996 eine Nachprüfung bei Vallourec durch, bei der Herr Verluca, der Vorstandsvorsitzende der Vallourec Oil & Gas, eine auf Seite 6356 der Kommissionsakte wiedergegebene Erklärung (im Folgenden: Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996) abgab, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat. Anschließend richtete die Kommission an alle Adressaten der angefochtenen Entscheidung und einige weitere Unternehmen Auskunftsersuchen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17.

7. Da Dalmine und die argentinischen Unternehmen Siderca SAIC (im Folgenden: Siderca) und Techint Group einige der angeforderten Auskünfte verweigerten, richtete die Kommission am 6. Oktober 1997 an sie eine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 (C[1997] 3036, IV/35.860, Stahlrohre, nicht veröffentlicht). Siderca und Dalmine erhoben gegen diese Entscheidung beim Gericht Nichtigkeitsklage. Die von Dalmine erhobene Nichtigkeitsklage wurde mit Beschluss vom 24. Juni 1998 in der Rechtssache T596/97 (Dalmine/Kommission, Slg. 1998, II2383) als offensichtlich unzulässig abgewiesen, während die Nichtigkeitsklage von Siderca nach ihrer Rücknahme durch die Klägerin mit Beschluss vom 7. Juni 1998 in der Rechtssache T8/98 (Siderca/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aus dem Register des Gerichts gestrichen wurde.

8. Auch Mannesmann verweigerte verschiedene von der Kommission verlangte Auskünfte. Trotz einer gegen sie ergangenen Entscheidung der Kommission vom 15. Mai 1998 (C[1998] 1204, IV/35.860, Stahlrohre, nicht veröffentlicht) gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 blieb Mannesmann bei ihrer Weigerung und erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Gericht. Mit Urteil vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache T112/98 (Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Slg. 2001, II729) erklärte das Gericht die Entscheidung teilweise für nichtig und wies die Klage im Übrigen ab.

9. Im Januar 1999 erließ die Kommission zwei Mitteilungen von Beschwerdepunkten, von denen die eine geschweißte, die andere nahtlose Stahlrohre zum Gegenstand hatte. Sie trennte somit das Verfahren in die Sache IV/E 1/35.860A (unlegierte geschweißte Stahlrohre) und die Sache IV/E 1/35.860B (unlegierte nahtlose Stahlrohre).

10. In der nahtlose Stahlrohre betreffenden Sache sandte die Kommission ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte an die acht Unternehmen, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist, sowie an Siderca und das mexikanische Unternehmen Tubos de Acero de México SA. Diese Unternehmen erhielten in der Zeit vom 11. Februar bis 20. April 1999 Einsicht in die Akten, die die Kommission in dieser Sache zusammengestellt hatte. Außerdem übersandte die Kommission mit Schreiben vom 11. Mai 1999 Kopien der Nachprüfungsbeschlüsse vom November 1994 an die Unternehmen, an die diese Beschlüsse nicht gerichtet worden waren und die sie daher noch nicht kannten.

11. Nach Einreichung ihrer schriftlichen Stellungnahmen wurden die Adressaten der beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte von der Kommission in der geschweißte Stahlrohre betreffenden Sache am 9. Juni 1999 und in der nahtlose Stahlrohre betreffenden Sache am 10. Juni 1999 angehört. Im Juli 1999 teilte die Kommission den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Sache IV/E-1/35.860A (unlegierte geschweißte Stahlrohre) mit, dass sie dieses Verfahren eingestellt habe. Die Sache IV/E-1/35.860B wurde hingegen weiterbetrieben.

12. Am 8. Dezember 1999 erließ die Kommission sodann die angefochtene Entscheidung.

Die betroffenen Produkte

13. Die Produkte, um die es in der Sache IV/E-1/35.860B geht, sind unlegierte nahtlose Stahlrohre, die in der Öl- und Gasindustrie verwendet werden und zu denen zwei große Produktgruppen gehören.

14. Die erste Produktgruppe sind die Ölfeldrohre, die gemeinhin als Oil Country Tubular Goods oder OCTG bezeichnet werden. Diese Rohre werden entweder ohne Gewinde (so genannte Glattendrohre) oder als Gewinderohre verkauft. Das Gewindeschneiden dient dazu, die OCTGRohre miteinander verbinden zu können. Das Gewinde kann entweder in einer vom American Petroleum Institute (API) normierten Standardausführung (nach dieser Norm hergestellte Gewinderohre werden im Folgenden als OCTGStandardrohre bezeichnet) oder in Spezialausführungen nach in der Regel patentgeschützten Techniken geschnitten werden. Im letzteren Fall spricht man von erstklassigen oder Premiumgewinden oder gegebenenfalls erstklassigen oder Premiumverbindungen (Gewinderohre in einer solchen Ausführung werden im Folgenden als OCTGPremiumrohre bezeichnet).

15. Die zweite Produktgruppe besteht aus den Leitungsrohren für Öl und Gas (line pipe) aus unlegiertem nahtlosem Stahl, bei denen unterschieden wird zwischen Rohren in einer Standardausführung und den für bestimmte Projekte maßgefertigten Rohren (im Folgenden: projektbezogene Leitungsrohre).

Die von der Kommission in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen

16. In der angefochtenen Entscheidung nahm die Kommission zunächst an, dass die acht Hersteller, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist, eine Übereinkunft getroffen hätten, die u. a. den gegenseitigen Schutz ihrer nationalen Heimatmärkte zum Gegenstand gehabt habe (Randnrn. 62 bis 67 der Entscheidung). Nach dieser Übereinkunft habe jedes Unternehmen davon Abstand genommen, OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre auf dem Heimatmarkt eines anderen Kartellunternehmens zu verkaufen. Diese Übereinkunft sei von Herstellern der Gemeinschaft und aus Japan im Rahmen von Sitzungen geschlossen worden, wobei diese Zusammenkünfte als der so genannte Europäisch-Japanische Club bekannt gewesen seien. Der Grundsatz des Schutzes der Heimatmärkte sei unter der Bezeichnung Grundregeln (fundamentals) bekannt gewesen. Hilfsweise wies die Kommission in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die Grundregeln tatsächlich respektiert worden seien und die Übereinkunft folglich wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt gehabt habe (Randnr. 68 der Entscheidung).

17. Die Kommission sah in dieser Übereinkunft einen Verstoß gegen den Verbotstatbestand des Artikels 81 Absatz 1 EG (Randnr. 109 der Entscheidung). Sie stellte daher in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen dieser Zuwiderhandlung fest und verhängte gegen die acht Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, Geldbußen.

18. Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung ging die Kommission davon aus, dass es zwar Sitzungen des Europäisch-Japanischen Clubs bereits seit 1977 gegeben habe (Randnr. 55 der Entscheidung), dass aber für die Festsetzung der Geldbußen als Beginn der Zuwiderhandlung das Jahr 1990 anzusetzen sei, weil zwischen 1977 und 1990 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Japan Abkommen über eine Selbstbeschränkung (im Folgenden: Selbstbeschränkungsabkommen) bestanden hätten (Randnr. 108 der Entscheidung). Nach Auffassung der Kommission endete die Zuwiderhandlung im Jahr 1995 (Randnrn. 96 und 97 der Entscheidung).

19. Im Rahmen der Bemessung der Geldbußen, die gegen die acht Adressaten der angefochtenen Entscheidung verhängt wurden, stufte die Kommission die Zuwiderhandlung als äußerst schweren Verstoß ein, weil die fragliche Vereinbarung über den Schutz der Heimatmärkte das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt habe (Randnrn. 161 und 162 der Entscheidung). Sie wies allerdings darauf hin, dass die Adressaten der Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten jährlich nahtlose Stahlrohre im Wert von nur etwa 73 Millionen Euro abgesetzt hätten. Nach diesen Gesichtspunkten bezifferte die Kommission den Ausgangsbetrag der Geldbuße wegen der Schwere des Verstoßes für jedes der acht Unternehmen auf 10 Millionen Euro. Da es sich durchweg um Großunternehmen handele, sei eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht notwendig (Randnrn. 162, 163 und 165 der Entscheidung).

20. Die Kommission nahm einen Verstoß von mittlerer Dauer an und ermittelte den Grundbetrag der gegen jedes beteiligte Unternehmen zu verhängenden Geldbuße zunächst dadurch, dass sie den wegen der Schwere des Verstoßes angesetzten Ausgangsbetrag für jedes Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung um 10 % erhöhte (Randnr. 166 der Entscheidung). Da sich aber die Stahlrohrproduktion in einer langjährigen Krisensituation befunden und die Branchenlage seit 1991 noch weiter verschlechtert habe, minderte die Kommission den Grundbetrag wiederum um 10 % wegen mildernder Umstände (Randnrn. 168 und 169 der Entscheidung). Schließlich setzte sie gemäß Abschnitt D Nummer 2 ihrer Mitteilung 96/C 207/04 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) die gegen Vallourec zu verhängende Geldbuße um 40 % und die gegen Dalmine zu verhängende Geldbuße um 20 % niedriger fest, weil zu berücksichtigen sei, dass diese beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren mit der Kommission kooperiert hätten (Randnrn. 170 bis 173 der Entscheidung).

21. Die Beträge der gegen die betroffenen Unternehmen jeweils verhängten Geldbußen, wie sie sich aus der in den beiden vorstehenden Randnummern dargelegten Berechnung ergaben, sind in Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt (siehe unten, Randnr. 33).

22. In Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission weiter fest, dass auch die Verträge zwischen den Gemeinschaftsherstellern über den Verkauf von Glattendrohren auf dem britischen Markt eine Zuwiderhandlung darstellten (Randnr. 116 der Entscheidung). Sie verhängte jedoch keine zusätzliche Geldbuße, weil dieser Verstoß nur ein Mittel zur Durchführung des im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vereinbarten Prinzips des Heimatmarktschutzes gewesen sei (Randnr. 164 der Entscheidung).

Der von der Kommission in der Entscheidung festgestellte wesentliche Sachverhalt

23. Laut der angefochtenen Entscheidung kam der Europäisch-Japanische Club von 1977 bis 1994 in der Regel zweimal jährlich zusammen (Randnr. 60 der Entscheidung). Nach der Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 hätten solche Sitzungen am 14. April 1992 in Florenz, am 23. Oktober 1992 in Tokyo, am 19. Mai 1993 in Paris, am 5. November 1993 in Tokyo und am 16. März 1994 in Cannes stattgefunden. Wie sich aus dem Vermerk Einige Informationen zum Europäisch-Japanischen Club von Vallourec vom 4. November 1991 (S. 4350 der Kommissionsakte, im Folgenden: Vermerk Einige Informationen) und dem Vermerk vom 24. Juli 1990 mit dem Titel Sitzung vom 24. Juli 1990 mit British Steel (S. 15586 der Kommissionsakte, im Folgenden: Sitzungsvermerk vom 24. Juli 1990) ergebe, seien auch schon in den Jahren 1989 und 1991 Sitzungen des Europäisch-Japanischen Clubs abgehalten worden.

24. Die im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs getroffene Übereinkunft habe auf drei Säulen geruht: erstens den (oben in Randnummer 16 erwähnten) Grundregeln des Heimatmarktschutzes, die den Verstoß nach Artikel 1 der Entscheidung bildeten, zweitens Preisabstimmungen für Ausschreibungen und der Festlegung von Mindestpreisen auf den so genannten Sondermärkten (special markets) und drittens der Aufteilung der restlichen Weltmärkte, außer Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, mittels Verteilerschlüsseln (sharing keys) (Randnr. 61 der Entscheidung). Die Kommission stützte ihre Feststellung, dass das Vorliegen der Grundregeln erwiesen sei, auf ein Bündel von schriftlichen Indizien, die in den Randnummern 62 bis 67 der Entscheidung aufgeführt sind, sowie auf die Tabelle in deren Randnummer 68. Dieser Tabelle sei zu entnehmen, dass der Anteil des jeweiligen heimischen Herstellers am Gesamtabsatz von OCTG und Leitungsrohren durch alle Adressaten der angefochtenen Entscheidung zusammen in Japan ebenso wie auf den Heimatmärkten der vier Gemeinschaftshersteller sehr hoch gewesen sei. Hieraus sei zu schließen, dass die heimischen Märkte von den Kartellunternehmen insgesamt durchaus respektiert worden seien. Die Beweise für die anderen beiden Säulen der Übereinkunft legte die Kommission in den Randnummern 70 bis 77 der Entscheidung dar.

25. Als Corus im Jahr 1990 ihre Produktion von Glattendrohren habe einstellen wollen, hätten die Gemeinschaftshersteller vor der Frage gestanden, wie der in den Grundregeln festgelegte Heimatmarktschutz für den Markt des Vereinigten Königreichs beibehalten werden könne. Daraufhin hätten Vallourec und Corus ein Konzept von verbesserten Grundregeln (fundamentals improved) vorgeschlagen, deren Zweck es gewesen sei, die Zugangsbeschränkungen der japanischen Hersteller für den britischen Markt trotz des Rückzugs von Corus aufrechtzuerhalten. Im Juli 1990 hätten sich Vallourec und Corus -anlässlich der Verlängerung des Lizenzvertrags für die VAMGewindeschneidetechnik - dahin geeinigt, dass die künftige Versorgung von Corus mit Glattendrohren den Unternehmen Vallourec, Mannesmann und Dalmine vorbehalten bleiben solle (Randnr. 78 der Entscheidung).

26. Im April 1991 habe Corus ihr Werk in Clydesdale (Vereinigtes Königreich) geschlossen, in dem sie zuvor ungefähr 90 % ihrer Glattendrohre hergestellt habe. Anschließend habe Corus Verträge über die Lieferung von Glattendrohren für ursprünglich fünf Jahre mit stillschweigender Verlängerung bei Ausbleiben einer Kündigung mit einer Frist von zwölf Monaten mit Vallourec (am 24. Juli 1991), Dalmine (am 4. Dezember 1991) und Mannesmann (am 9. August 1993) geschlossen (im Folgenden auch: Lieferverträge). Diese drei Verträge, die in der Kommissionsakte auf den Seiten 12867, 12910 und 12948 enthalten sind, weisen den begünstigten Unternehmen eine Lieferquote von jeweils 40 %, 30 % und 30 % des Bedarfes von Corus zu; davon ausgenommen sind Rohre mit schmalem Durchmesser (Randnrn. 79 bis 82 der Entscheidung).

27. Im Jahr 1993 seien die Grundsätze, nach denen der Europäisch-Japanische Club funktioniert habe, durch drei Faktoren ins Wanken geraten. Erstens habe sich damals eine Umstrukturierung der europäischen Stahlindustrie vollzogen. So habe im Vereinigten Königreich Corus ihre letzten Produktionsbereiche, nahtlose Gewinderohre, aufgeben wollen. In Belgien sei zum 31. Dezember 1993 das Unternehmen New Tubemeuse (im Folgenden: NTM), dessen geschäftlicher Schwerpunkt der Export in den Mittleren und Fernen Osten gewesen sei, liquidiert worden. Als zweiter Faktor habe der Zugang der lateinamerikanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt den Fortbestand der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs vereinbarten Verteilerschlüssel bedroht. Drittens und letztens sei auf dem Weltmarkt für Rohre zur Erdöl- und Gasprospektierung und förderung trotz bleibender starker regionaler Unterschiede die Nachfrage nach geschweißten Rohren stark gestiegen (Randnrn. 83 und 84 der Entscheidung).

28. In diesem Zusammenhang hätten sich die Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs am 5. November 1993 in Tokyo getroffen, um zu versuchen, eine neue Marktaufteilungsvereinbarung mit den lateinamerikanischen Herstellern zu treffen. Der Inhalt der getroffenen Übereinkunft lasse sich einem Dokument mit einem Verteilerschlüssel (sharing key) entnehmen, das der Kommission am 12. November 1997 von einem am Verfahren nicht beteiligten Informanten übergeben worden sei (S. 7320 der Kommissionsakte, im Folgenden: Verteilerschlüssel-Papier). Nach Aussage des Informanten stamme das Dokument von einem Handelsvertreter eines der Teilnehmer an dieser Sitzung. Was die Folgen der Umstellung der europäischen Stahlindustrie angehe, so habe die Schließung von NTM den Gemeinschaftsherstellern Zugeständnisse der japanischen und südamerikanischen Hersteller eingebracht, die vom Rückzug von NTM aus den Exportmärkten am meisten profitiert hätten (Randnrn. 85 bis 89 der Entscheidung).

29. Corus habe ihrerseits endgültig entschieden, ihre letzte verbleibende Erzeugung von nahtlosen Rohren einzustellen. Am 22. Februar 1994 habe Vallourec die Kontrolle über die Gewindeschneide- und sonstigen Produktionsanlagen für Rohre von Corus übernommen und zu diesem Zweck das Unternehmen Tubular Industries Scotland Ltd gegründet; dieses Unternehmen habe zum 31. März 1994 die Lieferverträge für Glattendrohre übernommen, die Corus mit Dalmine und Mannesmann geschlossen habe. Am 24. April 1997 sei der mit Mannesmann geschlossene Vertrag noch in Kraft gewesen. Am 30. März 1999 habe Dalmine den Liefervertrag mit der Tubular Industries Scotland Ltd beendet (Randnrn. 90 bis 92 der Entscheidung).

30. Die Gemeinschaftshersteller hätten mit diesen Verträgen die Lieferquoten für Glattendrohre für den britischen Markt, auf den mehr als die Hälfte des Gemeinschaftsverbrauchs an OCTGRohren entfalle, untereinander aufgeteilt; die Verträge seien daher eine nach Artikel 81 Absatz 1 EG verbotene Übereinkunft (vgl. oben, Randnr. 22).

Der Tenor der angefochtenen Entscheidung

31. Nach Artikel 1 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung haben die acht Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, gegen die Bestimmungen des Artikels 81 Absatz 1 EG Vertrag aufgrund der Beteiligung an einer Übereinkunft, die unter anderem den Schutz der Heimatmärkte für nahtlose [OCTGStandardrohre] und [projektbezogene Leitungsrohre] vorsah, ... verstoßen.

32. Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung erstreckte sich die Zuwiderhandlung im Fall von Mannesmann, Vallourec, Dalmine, Sumitomo, Nippon, der Kawasaki Steel Corp. und der NKK Corp. auf den Zeitraum 1990 bis 1995 und im Fall von Corus auf den Zeitraum von 1990 bis Februar 1994.

33. Die weiteren einschlägigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung lauten:

Artikel 2

(1) [Mannesmann], [Vallourec], [Corus] und [Dalmine] haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG Vertrag verstoßen, indem sie im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung Verträge abgeschlossen haben, die zu einer Aufteilung der Glattendrohrlieferungen an [Corus] (ab 1994 [Vallourec]) geführt haben.

(2) Im Falle von [Corus] dauerte die Zuwiderhandlung vom 24. Juli 1991 bis Februar 1994, im Falle von [Vallourec] vom 24. Juli 1991 bis 30. März 1999, im Falle von [Dalmine] vom 4. Dezember 1991 bis 30. März 1999 und im Falle von [Mannesmann] vom 9. August 1993 bis 24. April 1997.

...

Artikel 4

Gegen die in Artikel 1 genannten Unternehmen werden wegen der dort bezeichneten Zuwiderhandlung folgende Geldbußen verhängt:

1. [Mannesmann] 13 500 000 EUR

2. [Vallourec] 8 100 000 EUR

3. [Corus] 12 600 000 EUR

4. [Dalmine] 10 800 000 EUR

5. [Sumitomo] 13 500 000 EUR

6. [Nippon] 13 500 000 EUR

7. [Kawasaki Steel Corp.] 13 500 000 EUR

8. [NKK Corp.] 13 500 000 EUR

...

Verfahren vor dem Gericht

34. Mit sieben Klageschriften, die zwischen dem 28. Februar und dem 3. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Mannesmann, Corus, Dalmine, NKK Corp., Nippon, die Kawasaki Steel Corp. und Sumitomo gegen die Entscheidung Klage erhoben.

35. Mit Beschluss vom 18. Juni 2002 sind gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten die sieben Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden. Nach diesen Verbindungen konnten die Klägerinnen in den sieben Rechtssachen sämtliche Akten des vorliegenden Verfahrens bei der Kanzlei des Gerichts einsehen. Es sind ferner prozessleitende Maßnahmen erlassen worden.

36. Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 19., 20. und 21. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

37. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die Höhe der ihr auferlegten Geldbuße herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

38. Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

39. Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung zunächst auf eine Reihe von Klagegründen, mit denen sie Mängel des Verwaltungsverfahrens rügt. Sie macht ferner einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG geltend, da die Kommission weder das Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung noch die Begehung der in Artikel 2 genannten Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend bewiesen habe.

Zu den Klagegründen, mit denen Verfahrensmängel geltend gemacht werden

Zu dem Klagegrund, wonach die Rechte der Verteidigung dadurch verletzt worden seien, dass die Kommission der Klägerin die Einsicht in bestimmte Aktenstücke verweigert habe

- Vorbringen der Parteien

40. Die Klägerin rügt, dass sie die Verwaltungsakte nicht vollständig habe einsehen können. Die Kommission habe ihr die Einsicht in von der EFTA-Überwachungsbehörde übersandte Unterlagen mit einem bloßen Hinweis auf deren internen Charakter verweigert, ohne dies zu erläutern oder die Unterlagen inhaltlich geprüft zu haben. Damit sei ihr potenziell entlastendes Material vorenthalten worden.

41. Die Kommission habe auch nicht das Verfahren nach Punkt II.A ihrer Mitteilung über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel [81 EG] und [82 EG], der Artikel 65 und 66 EGKS-Vertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3, im Folgenden: Mitteilung zur Akteneinsicht) eingehalten. Nach dieser Regelung habe der Anhörungsbeauftragte die Ablage bestimmter Dokumente in der Verfahrensakte zu beaufsichtigen und gegebenenfalls ihre Einstufung als interne Schriftstücke zu bestätigen. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig von jeder Initiative der Unternehmen. Die Klägerin sei somit nicht in der Lage gewesen, festzustellen, ob die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Verfahrensakte sämtliche entlastenden Schriftstücke enthielten.

42. Die Kommission habe ihr im Übrigen kein Verzeichnis aller in der Akte enthaltenen Schriftstücke übermittelt, um sie in die Lage zu versetzen, einen Antrag auf Einsicht in genau bezeichnete Schriftstücke zu stellen (Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1995 in den Rechtssachen T30/91, Solvay/Kommission, Randnrn. 89 und 93 bis 95, Slg. 1995, II1775, und T36/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II1847, Randnrn. 99 und 103 bis 105). Die Kommission sei jedoch verpflichtet, ein Verzeichnis der als intern eingestuften Schriftstücke zu erstellen (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T25/95, T26/95, T30/95 bis T32/95, T34/95 bis T39/95, T42/95 bis T46/95, T48/95, T50/95 bis T65/95, T68/95 bis T71/95, T87/95, T88/95, T103/95 und T104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Zement, Slg. 2000, II491, Randnrn. 168 und 186). Somit habe die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt. Diese Rechtsverletzung könne im gerichtlichen Verfahren nicht mehr geheilt werden (Urteil Solvay/Kommission, Randnr. 98).

43. In der mündlichen Verhandlung hat sich Mannesmann ferner auf eine entsprechende Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) berufen.

44. Die Kommission entgegnet, dass sie nach ständiger Rechtsprechung keine Einsicht in ihre internen Dokumente zu gewähren brauche (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II1711, Randnr. 54, vom 1. April 1993 in der Rechtssache T65/89, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II389, und in den Rechtssachen Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 420). Diese Schriftstücke könnten naturgemäß nicht als Beweise für eine Zuwiderhandlung herangezogen werden (Punkt I.A.3 der Mitteilung zur Akteneinsicht). Jedenfalls habe Mannesmann nicht dargelegt, dass die Entscheidung auf Unterlagen beruhe, die sie nicht habe einsehen dürfen.

45. Die Einstufung der fraglichen Schriftstücke als interne Dokumente könne keinem Zweifel unterliegen. Nach Punkt II.A.2.c) der Mitteilung zur Akteneinsicht falle der Schriftverkehr zwischen der Kommission und einer dritten Behörde wie der EFTA-Überwachungsbehörde unter den Begriff der internen Schriftstücke.

46. Die Rüge, dass der Anhörungsbeauftragte seiner Verpflichtung zur Überprüfung der Aktenstücke nicht nachgekommen sei, habe Mannesmann durch nichts belegt. Mannesmann habe sich auch nicht der in Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht vorgesehenen Möglichkeit bedient, beim Anhörungsbeauftragten eine Überprüfung der Einstufung der fraglichen Unterlagen als interne Schriftstücke zu beantragen.

47. Schließlich sei die Kommission nicht verpflichtet, den Unternehmen ein Verzeichnis der internen Schriftstücke in der Verfahrensakte zu übermitteln.

- Würdigung durch das Gericht

48. In Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht heißt es:

Die internen Dokumente werden künftig zum Zwecke der Vereinfachung und einer effizienten Verwaltung in chronologischer Reihenfolge im Rahmen der Sammlung interner (nicht einsehbarer) Schriftstücke über anhängige Fälle verwahrt. Diese Ablage erfolgt unter Aufsicht des Anhörungsbeauftragten, der gegebenenfalls die Einstufung der so gesammelten Dokumente als interne Schriftstücke bestätigen kann.

Als interne Schriftstücke gelten z. B.:

...

c) Schriftverkehr in einer Sache mit anderen Behörden(19 )

...

49. In Fußnote 19 der Mitteilung zur Akteneinsicht wird ausgeführt:

Bei von Behörden stammenden Schriftstücken ist die Vertraulichkeit zu wahren. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Wettbewerbsbehörden, sondern auch für sonstige Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands. ... Allerdings ist zu unterscheiden zwischen den einem absoluten Schutz unterliegenden Beurteilungen oder Bemerkungen dieser Behörden und den von ihnen gelieferten Schriftstücken, die nicht immer unter die Ausnahmeregelung fallen. ...

50. Dem Wortlaut von Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht ist zu entnehmen, dass die Kontrolle, in deren Rahmen der Anhörungsbeauftragte den internen Charakter der Unterlagen in den Akten überprüft, entgegen der Auffassung von Mannesmann kein in allen Fällen auszuführender Verfahrensschritt ist. Aus dem Umstand, dass der Anhörungsbeauftragte eine solche Überprüfung gegebenenfalls vornehmen kann, ergibt sich nämlich, dass er diese Überprüfung nicht vorzunehmen braucht, wenn die Einstufung von bestimmten Unterlagen als interne Schriftstücke nicht oder gegebenenfalls nicht mehr bestritten wird. Eine Auslegung im gegenteiligen Sinn würde die Arbeitslast der Kommission im Verwaltungsverfahren unverhältnismäßig erhöhen und liefe dem mit dieser Methode der Einstufung verfolgten Zweck der Vereinfachung und einer effizienten Verwaltung zuwider. Daher muss festgestellt werden, ob Mannesmann im Verwaltungsverfahren eine Überprüfung des internen Charakters der der Kommission von der EFTAÜberwachungsbehörde übermittelten und als interne Dokumente eingestuften Unterlagen durch den Anhörungsbeauftragten beantragt hat.

51. In der Tat hat Mannesmann mit einem der Klageschrift beigefügten Schreiben vom 12. März 1999 die Einsicht in die fraglichen Unterlagen beantragt. Dieser Antrag wurde von der Kommission mit Schreiben vom 22. März 1999, das der Klageschrift ebenfalls beigefügt ist, mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei diesen Unterlagen um interne Schriftstücke im Sinne von Punkt II.A der Mitteilung zur Akteneinsicht handele (vgl. insbesondere Punkt II.A.2 der Mitteilung).

52. Die Kommission hat in ihrer Klagebeantwortung - von Mannesmann unwidersprochen - darauf hingewiesen, dass Mannesmann der in dem Schreiben vom 22. März 1999 ausgesprochenen Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs nicht dadurch entgegengetreten sei, dass sie beim Anhörungsbeauftragten beantragt hätte, die Richtigkeit und die Begründetheit dieser Antwort der Kommission zu überprüfen. Tatsächlich hat Mannesmann in ihrer Erwiderung nur darauf verwiesen, dass sie keinen neuen Antrag beim Anhörungsbeauftragten habe stellen müssen. Einem Auszug aus dem Bericht des Anhörungsbeauftragten, den die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts zitiert, ist außerdem zu entnehmen, dass von den Parteien [i]n Bezug auf das Verteidigungsrecht sensu stricto und insbesondere die Akteneinsicht ... keine Argumente vorgebracht wurden.

53. Da Mannesmann somit nach Erhalt des Schreibens vom 22. März 1999 nicht den Antrag stellte, die Einstufung der Seiten 1 bis 350 der Verfahrensakte der Kommission als interne Schriftstücke zu überprüfen, brauchte der Anhörungsbeauftragte diese Überprüfung auch nicht vorzunehmen. Lehnt die Kommission nämlich einen Antrag auf Einsichtnahme in bestimmte Aktenstücke schriftlich mit der Begründung ab, es handele sich um interne Schriftstücke, so ist es Sache des Antragstellers, sein Akteneinsichtsgesuch unter Hinweis darauf, dass er den internen Charakter der Dokumente bestreite, zu wiederholen, wenn er eine Überprüfung dieser Frage durch den Anhörungsbeauftragten wünscht.

54. Soweit Mannesmann rügt, die Kommission habe ihr kein Verzeichnis aller in die Akte aufgenommenen Unterlagen einschließlich der internen Schriftstücke übermittelt, so lässt sich der von Mannesmann zitierten Rechtsprechung nicht entnehmen, dass die Kommission bereits dann die Verteidigungsrechte verletzt, wenn sie den Beteiligten im Verwaltungsverfahren ein solches Verzeichnis nicht zuleitet. So befasste sich das Gericht in den Urteilen Solvay/Kommission (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 89 und 93 bis 95) und ICI/Kommission (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 99 und 103 bis 105) nur mit der gebotenen Abwägung zwischen dem Anspruch auf Einsicht in die be und entlastenden Unterlagen einerseits und dem Schutz des Geschäftsgeheimnisses von Unternehmen, nicht aber dem Schutz von internen Dokumenten, andererseits. In den Rechtssachen Zement (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 5, 168 und 186 des Urteils) gab das Gericht zwar der Kommission im Wege prozessleitender Maßnahmen auf, ihm eine Beschreibung der internen Dokumente vorzulegen, deren Inhalt in dem den Parteien im Verwaltungsverfahren übermittelten Verzeichnis nicht einmal summarisch angegeben war; es hat daraus aber nicht abgeleitet, dass die Kommission die Verteidigungsrechte verletzt hätte.

55. Jedenfalls ist festzustellen, dass die Verteidigungsrechte durch einen Verfahrensfehler nur verletzt werden, wenn sich dieser auf die Verteidigungsmöglichkeiten der beschuldigten Unternehmen konkret ausgewirkt hat (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 852 bis 860).

56. Im vorliegenden Fall hat das Gericht der Kommission im Wege prozessleitender Maßnahmen aufgegeben, ihm ein Verzeichnis über den Inhalt der Seiten 1 bis 350 ihrer Verfahrensakte vorzulegen. Diesem Verzeichnis ist zu entnehmen, dass es sich bei allen fraglichen Unterlagen um interne Aufzeichnungen, nicht aber um Be oder Entlastungsbeweise handelt, weil sie weder die Begehung noch die Nichtbegehung einer Zuwiderhandlung durch eines der Unternehmen belegen können. Daher konnte weder die fehlende Überprüfung ihres internen Charakters durch den Anhörungsbeauftragten noch die Weigerung der Kommission, ein Verzeichnis mit einer Beschreibung dieser Unterlagen vorzulegen, die Verteidigungsmöglichkeiten von Mannesmann beeinträchtigen und damit deren Verteidigungsrechte verletzen. Mannesmann hat in der mündlichen Verhandlung nach Erhalt einer Kopie des genannten Verzeichnisses entgegen ihrem vorherigen Vorbringen denn auch nicht geltend gemacht, dass manche der darin aufgeführten Unterlagen in Wirklichkeit keine internen Schriftstücke seien.

57. Unter diesen Umständen ist auch das von Mannesmann in der mündlichen Verhandlung geäußerte Vorbringen zu einer entsprechenden Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 zurückzuweisen. Denn selbst wenn Mannesmann der Nachweis gelungen wäre, dass sie einen Anspruch auf Einsichtnahme in die fraglichen Unterlagen hatte, hätte sie sich doch im Verfahren vor der Kommission auch nach dieser Einsichtnahme nicht besser verteidigen können. Damit rechtfertigt dieses Vorbringen jedenfalls nicht die Nichtigerklärung der Entscheidung.

58. Im Übrigen kann sich auf die Verordnung Nr. 1049/2001 - wie auch auf den durch sie abgelösten Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) -nur berufen, wer bestimmte Verfahrenshandlungen vorgenommen hat, insbesondere einen ersten förmlichen Antrag auf Einsichtnahme und, bei dessen Ablehnung, einen wiederholenden Antrag gestellt hat. Nachdem Mannesmann diese Verfahrensregel hier nicht befolgt hat, kann sie sie nicht umgehen, indem sie eine entsprechende Anwendung der genannten Verordnung verlangt.

59. Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

Zu dem Vorwurft, die Frist für die Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte sei unzureichend gewesen

- Vorbringen der Parteien

60. Mannesmann meint, ihr habe keine genügende Frist für ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Verfügung gestanden. Die Kommission habe bei der Festsetzung der Frist die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht berücksichtigt. Die Frist habe am 11. Februar 1999 begonnen, als die Adressaten der angefochtenen Entscheidung erstmals die Akten hätten einsehen dürfen, und am 20. April 1999 geendet. Trotz des Umfangs der Ermittlungsakte und des Umstands, dass bestimmte Unterlagen in nicht gängigen Sprachen abgefasst gewesen seien, habe die Kommission am 22. März 1999 einen Antrag auf Fristverlängerung ohne einzelfallbezogene Begründung abgelehnt. Außerdem habe sich Mannesmann, weil ein weiteres ähnliches Verfahren anhängig gewesen sei, in beiden Verfahren innerhalb äußerst kurzer Fristen gleichzeitig verteidigen müssen. Von allen Adressaten der angefochtenen Entscheidung sei sie die Einzige gewesen, die sich in einer solchen Lage befunden habe; damit sei sie diskriminiert worden.

61. Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Alle Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten ab deren Zustellung am 3. Februar 1999 zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme zwei Monate Zeit gehabt. Auf Antrag von Mannesmann habe sie mit Schreiben vom 22. März 1999 den letztmöglichen Zeitpunkt für die Einreichung der Stellungnahmen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte auf den 20. April 1999 verschoben. Für eine Maßnahme dieser Art gelte nicht das Begründungserfordernis des Artikels 253 EG. Ihrer Meinung nach sei die Frist von nahezu zweieinhalb Monaten, die Mannesmann für die Anfertigung ihrer Stellungnahme zur Verfügung gestanden habe, ausreichend gewesen. Insoweit sei insbesondere auf das Urteil Zement zu verweisen (zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 654 und 655).

- Würdigung durch das Gericht

62. Nach dem zur Zeit der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin geltenden Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. Nr. 127, S. 2268) und nach dem seit dem 31. Januar 1999 geltenden Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 2842/1998 vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81 EG] und [82 EG] (ABl. L 354, S. 18), die beide den Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten eine hinreichende Frist für die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte gewährleisten sollen, ist die Kommission verpflichtet, bei der Festsetzung dieser Frist, die mindestens zwei Wochen beträgt, den für die Äußerung nötigen Zeitaufwand und die Dringlichkeit des Falles zu berücksichtigen. Die Frist ist konkret nach dem Schwierigkeitsgrad des Falles zu bemessen (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 653 und die dort zitierte Rechtsprechung).

63. Wie die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausgeführt hat, wird laut Randnummer 207 ihres XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik (1993) bei mittelschweren Zuwiderhandlungen im Allgemeinen eine Frist von zwei Monaten gewährt und in komplexen Sachen eine Frist von drei Monaten, wobei diese Fristen zur Berücksichtigung von Ferienzeiten gegebenenfalls verlängert werden. Hingegen wird am Ende derselben Randnummer klargestellt, dass diese relativ langen Fristen entgegen der früheren Praxis grundsätzlich nicht verlängert werden.

64. Im vorliegenden Fall gewährte die Kommission der Klägerin in ihrem Begleitschreiben vom 21. Januar 1999 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nach der Verordnung Nr. 99/63 eine Frist von zwei Monaten ab Zugang der Mitteilung. Nachdem Mannesmann mit Schreiben vom 12. März 1999 eine Fristverlängerung um zwei weitere Monate beantragt hatte, verlängerte die Kommission mit ihrem Schreiben vom 22. März 1999 die im genannten Schreiben vom 21. Januar 1999 festgesetzte ursprüngliche Frist von zwei Monaten für die Beantwortung der Mitteilung der Beschwerdepunkte um 17 Tage.

65. Was das Anfangsdatum der Frist betrifft, die den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte für deren Beantwortung zur Verfügung stand, so waren die wichtigsten Unterlagen aus den Akten, insgesamt 32 Schriftstücke, der Mitteilung der Beschwerdepunkte bereits beigefügt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte - wie die Kommission ausführt - mit deren Prüfung bereits von ihrer Zustellung an, im Fall von Mannesmann also am 3. Februar 1999, beginnen konnten und nicht erst, wie Mannesmann geltend macht, mit ihrer erstmaligen Einsichtnahme in die vollständigen Akten, also am 11. Februar 1999. Daraus folgt, dass die von der Kommission gewährte Zusatzfrist bis zum 20. April 1999 tatsächlich einer Verlängerung der ursprünglichen Frist um 17 Tage entsprach.

66. Zu dem Vorbringen, in der vorliegenden Rechtssache handele es sich um umfangreiche Akten von mehr als 15000 Seiten, hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass Akten dieses Umfangs in Wettbewerbsuntersuchungen nicht ungewöhnlich sind. Es ist festzustellen, dass die vorliegende Rechtssache nach der Komplexität des Sachverhalts nicht der Rechtssache Zement (zitiert oben in Randnr. 42) gleichgestellt werden kann, in dem die Mitteilung der Beschwerdepunkte an 76 Unternehmen und Unternehmensverbände gerichtet war (Randnrn. 3, 4 und 654 des Urteils) und den betroffenen Unternehmen für ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte nach zwei Fristverlängerungen eine Frist von insgesamt vier Monaten zur Verfügung stand. Im vorliegenden Fall hat Mannesmann nichts vorgebracht, woraus sich ergeben könnte, dass die vorliegende Sache besonders bedeutend und/oder komplex war.

67. Zu dem weiteren Vorbringen von Mannesmann, sie habe in zwei Parallelsachen (Sachen IV/E1/35.860B und IV/E1/35.860A) auf Mitteilungen von Beschwerdepunkten antworten müssen, hat die Kommission in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass beide Verfahren in engem inhaltlichen Zusammenhang [standen] und ... sich zu einem sehr großen Teil [überschnitten]. Die Kommission hat weiterhin darauf verwiesen, dass auch Corus und die japanischen Hersteller jeweils zwei Mitteilungen von Beschwerdepunkten erhielten. Mannesmann bestreitet diese Angaben nicht, sondern wirft in ihrer Erwiderung nur die Frage auf, warum die Kommission bei einem so engen Zusammenhang zwischen beiden Verfahren nicht nur eine einzige Mitteilung von Beschwerdepunkten an die betroffenen Unternehmen gerichtet habe; dieses Vorbringen ist aber im vorliegenden Kontext unbeachtlich. Daher bleibt festzustellen, dass die beiden Wettbewerbssachen, die Gegenstand der beiden Mitteilungen von Beschwerdepunkten waren, zahlreiche Gemeinsamkeiten aufwiesen, so dass es für Mannesmann keine bedeutende zusätzliche Arbeitslast darstellte, parallel in beiden Sachen Stellungnahmen abgeben zu müssen.

68. Demnach war die Mannesmann eingeräumte Frist von zweieinhalb Monaten ausreichend für die Abgabe ihrer Stellungnahme, so dass sie sich sachgerecht verteidigen konnte (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/74 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1995, 1663, Randnrn. 94 bis 99).

69. Zu der von Mannesmann erhobenen Rüge, sie sei diskriminiert worden, ist darauf hinzuweisen, dass die den Beteiligten gesetzten Fristen, sofern sie eine sachgerechte Verteidigung ermöglichen, pauschal festgesetzt werden dürfen und nicht in jedem Einzelfall entsprechend dem erforderlichen Arbeitsaufwand bemessen werden müssen.

70. Hierzu ist im Wege der Analogie darauf hinzuweisen, dass Artikel 230 Absatz 5 EG für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage eine Frist von zwei Monaten vorsieht, die nach ständiger Rechtsprechung in keinem Fall verlängert werden kann und deren Überschreitung, abgesehen nur vom Vorliegen höherer Gewalt, automatisch zur Unzulässigkeit der Klage führt (in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 21. März 2002 in der Rechtssache T218/01, Laboratoire Monique Rémy/Kommission, Slg. 2002, II2139, auf Rechtsmittel bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 30. Januar 2003 in der Rechtssache C176/02 P, Laboratoire Monique Rémy/Kommission, nicht veröffentlicht). Demnach kann eine pauschale Fristbemessung als solche keine Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung darstellen (vgl. insoweit auch Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 654).

71. Dass anderen Adressaten der Mitteilungen der Beschwerdepunkte im vorliegenden Fall zur Beantwortung einer einzigen Mitteilung die gleiche Frist zur Verfügung stand wie Mannesmann für die Beantwortung von zwei Mitteilungen, kann somit, da die Mannesmann eingeräumte Frist für ausreichend befunden wurde, nicht als rechtswidrig angesehen werden.

72. Zu der Rüge schließlich, die Ablehnung einer zusätzlichen Frist von zwei Monaten für Mannesmann zur Abgabe ihrer Stellungnahme sei nicht begründet worden, ist daran zu erinnern, dass das Begründungserfordernis nach ständiger Rechtsprechung nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, nach der Art der geltend gemachten Gründe und nach dem Interesse, dass die Adressaten des Rechtsakts oder andere von diesem unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können, zu beurteilen ist. Dabei braucht die Begründung nicht alle tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufzuführen, da die Frage, ob die Begründung den Anforderungen von Artikel 253 EG genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 9. Januar 2003 in der Rechtssache C76/00 P, Petrotub und Republica/Rat, Slg. 2003, I79, Randnr. 81 und die dort zitierte Rechtsprechung).

73. Nach Randnummer 207 des XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik wird für die Beantwortung einer Mitteilung von Beschwerdepunkte bei mittelschweren Zuwiderhandlungen grundsätzlich eine Frist von zwei Monaten gewährt (vgl. oben, Randnr. 63). Daraus ist zu schließen, dass die Kommission, die hier eine Frist von zwei Monaten festsetzte, von einer mittelschweren Zuwiderhandlung ausging und die gewährte Frist für grundsätzlich ausreichend hielt, um den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Stellungnahme zu ermöglichen. Die Begründung der Entscheidung, mit der die Gewährung der beantragten Zusatzfrist abgelehnt wurde, ist im Licht dieser Feststellung zu prüfen.

74. Dazu ist festzustellen, dass die Weigerung der Kommission, die begehrte Zusatzfrist von zwei Monaten einzuräumen, keiner besonderen Begründung bedurfte. Zur Bedeutung der Sache hatte die Kommission im Einklang mit Randnummer 207 des XXIII. Berichts über die Wettbewerbspolitik Stellung genommen hatte; mit dem Hinweis darauf, dass die Gewährung der beantragten Zusatzfrist von zwei Monaten nicht möglich sei, aber Mannesmann zusätzlich 17 Tage eingeräumt würden, bekräftigte sie damit stillschweigend ihre ursprüngliche Beurteilung. Angesichts der in Randnummer 207 des genannten Berichts dargelegten restriktiven Politik der Kommission bei der Verlängerung von Fristen für die Beantwortung von Mitteilungen von Beschwerdepunkten ist diese Zusatzfrist von 17 Tagen als ein Entgegenkommen der Kommission gegenüber Mannesmann zu werten. Mannesmann kann daher keinen Nichtigkeitsgrund daraus herleiten, dass die Entscheidung über die Ablehnung der beantragten Fristverlängerung keine besondere Begründung enthielt.

75. Demnach sind die Rügen, die Mannesmann gegen die Ablehnung der von ihr beantragten Zusatzfrist durch die Kommission erhebt, zurückzuweisen.

Zur Verwertung des VerteilerschlüsselPapiers als belastendes Beweismittel

- Vorbringen der Parteien

76. Mannesmann hält das VerteilerschlüsselPapier für ein unzulässiges Beweismittel. Die Kommission habe sich bei der Feststellung der Zuwiderhandlungen in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung zentral auf dieses Schriftstück gestützt. Da sie aber die Identität seines Verfassers nicht offenbart habe, seien die Echtheit und Glaubhaftigkeit des Papiers mit Vorsicht zu beurteilen.

77. Die Kommission hätte zumindest darüber Aufklärung geben müssen, wo und unter welchen Umständen dieses Schriftstück, das sie als unmittelbaren Beweis für eine Zuwiderhandlung verwende, erlangt worden sei. Nach einem unumstößlichen Grundsatz jedes rechtsstaatlichen Verfahrens könne eine Person, gegen die ein solcher Beweis angeführt werde, ihre Verteidigung nur sicherstellen, wenn ihr diese zusätzlichen Informationen gegeben würden (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1979 in der Rechtssache 85/79, Hoffmann-La Roche, Slg. 1979, 461).

78. Anders als in der Rechtssache 145/83 (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539), in der die Glaubwürdigkeit des Informanten der Kommission nicht zweifelhaft gewesen sei, habe im vorliegenden Fall keines der betroffenen Unternehmen die Echtheit des Papiers anerkannt. Wenn die Kommission nicht beweise, dass das Papier echt sei, dürfe sie es auch nicht gegen Mannesmann verwerten. Eine solche Verletzung der Verteidigungsrechte rechtfertige die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung.

79. Aber auch wenn die Verwertung des Verteilerschlüssel-Papiers als Beweismittel rechtmäßig sein sollte, wäre es ohne Beweiswert. Erstens lasse es sich nicht mit anderen Untersuchungsergebnissen in Einklang bringen. So stelle die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung fest, dass das Verteilerschlüssel-Papier in krassem Widerspruch zu den Erklärungen von Vallourec stehe, denen sie aber im übrigen bescheinige, in erheblichem Umfang zur Aufklärung des relevanten Sachverhalts beigetragen zu haben. Zweitens werde das Verteilerschlüssel-Papier dadurch widerlegt, dass die Unternehmen Siderca und Tubos de Acero de México SA offenbar Rohre nach Europa geliefert hätten. Es sei daher unerfindlich, wie das Papier als Beweismittel für die behauptete Zuwiderhandlung angesehen werden könne.

80. Die Kommission verweist darauf, dass sie gemäß Artikel 287 EG zur Wahrung des Berufsgeheimnisses verpflichtet sei und auch die Anonymität ihrer Informanten sicherstellen müsse, wenn sie sich nicht in ihrer Tätigkeit einschränken lassen wolle. Das Interesse der Unternehmen, die Herkunft bestimmter Dokumente zu erfahren, müsse gegen das öffentliche Interesse an der Verfolgung rechtswidriger Absprachen und am Schutz von Informanten abgewogen werden (Urteil Adams/Kommission, zitiert oben in Randnr. 78, Randnr. 34). Mannesmann habe nicht dargetan, inwieweit die Anonymität dieses Papiers ihre Verteidigungsrechte beeinträchtige.

- Würdigung durch das Gericht

81. Die Kommission stützt sich in dem Teil der Begründung der Entscheidung, der sich mit dem Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung befasst, weitestgehend auf die Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 (vgl. insbesondere Randnrn. 56 bis 58, 60 bis 62 und 131) in Verbindung mit seiner Erklärung vom 14. Oktober 1996 und mit dem Schriftstück Nachprüfung bei Vallourec (im Folgenden zusammen: Erklärungen von Herrn Verluca). Zwar stützt sie sich in diesem Zusammenhang, insbesondere in den Randnummern 85 und 86 der Entscheidung, auch auf das VerteilerschlüsselPapier, jedoch kommt diesem nach der allgemeinen Systematik der angefochtenen Entscheidung eine geringere Bedeutung zu als den Erklärungen von Herrn Verluca.

82. Deshalb ist von vornherein das Argument von Mannesmann zurückzuweisen, die Kommission habe sich für die Feststellung einer Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 der Entscheidung zentral auf das VerteilerschlüsselPapier gestützt. Was die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung anbelangt, so sind die Erklärungen von Herrn Verluca und das VerteilerschlüsselPapier nur ganz mittelbar relevant.

83. Die Kommission gibt in Randnummer 85 der Entscheidung an, dass ihr das VerteilerschlüsselPapier am 12. November 1997 von einer am Verfahren nicht beteiligten Person ausgehändigt worden sei. Die Kommission stützt sich auf das Papier vor allem für ihre Beschreibung der Entwicklung der Beziehungen innerhalb des EuropäischJapanischen Clubs ab Ende 1993. Nach Angaben des Informanten stamme das Papier von einem Handelsvertreter eines der dem Club angehörenden Unternehmen. Nach Auffassung der Kommission belegt das Papier, dass die Kontaktaufnahme mit den lateinamerikanischen Herstellern teilweise erfolgreich gewesen sei. Die in dem Papier enthaltene Tabelle gebe die Marktaufteilung zwischen den europäischen, den japanischen und den lateinamerikanischen Herstellern wieder. So sehe es einen Marktanteil von 100 % für die europäischen Hersteller in Europa und für die japanischen Hersteller in Japan vor. Auf den übrigen Märkten hätten die europäischen Hersteller einen Anteil von 0 % im Fernen Osten, von 20 % im Mittleren Osten und von 0 % in Lateinamerika erhalten.

84. Zur Zulässigkeit des VerteilerschlüsselPapiers als Beweis für die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Gemeinschaftsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ihre Glaubhaftigkeit ist (Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T1/89, RhônePoulenc/Kommission, Slg. 1991, II867, II869, II954; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 23. März 2000 in den Rechtssachen C310/98 und C406/98, MetTrans und Sagpol, Slg. 2000, I1797, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 7. November 2002 in den Rechtssachen T141/99, T142/99, T150/99 und T151/99, Vela und Tecnagrind/Kommission, Slg. 2002, II4547, Randnr. 223). Zudem kann es für die Kommission erforderlich sein, die Anonymität von Informanten zu schützen (in diesem Sinne Urteil Adams/Kommission, zitiert oben in Randnr. 78, Randnr. 34), und dies allein verpflichtet sie nicht, ein in ihrem Besitz befindliches Beweismittel außer Betracht zu lassen.

85. Folglich ist das Vorbringen von Mannesmann zwar zu berücksichtigen, um die Glaubhaftigkeit und damit den Beweiswert des VerteilerschlüsselPapiers zu beurteilen. Bei diesem Papier handelt es sich jedoch um kein unzulässiges Beweismittel, das aus der Akte zu entfernen wäre.

86. Soweit Mannesmann mit ihrem Vorbringen zur beweisrechtlichen Zulässigkeit des Verteilerschlüssel-Papiers gleichzeitig dessen mangelnde Glaubhaftigkeit beanstandet, ist festzustellen, dass die Glaubhaftigkeit des Papiers dadurch, dass der Kontext seiner Abfassung weitgehend unbekannt ist und die Angaben der Kommission hierzu nicht nachprüfbar sind (vgl. oben, Randnr. 83), zwangsläufig gemindert wird.

87. Soweit jedoch das VerteilerschlüsselPapier spezielle Informationen enthält, die mit Informationen in anderen Schriftstücken, insbesondere in den Erklärungen von Herrn Verluca, übereinstimmen, können sich die Beweismittel gegenseitig verstärken.

88. So erwähnt Herr Verluca in seiner Erklärung vom 17. September 1996 einen ursprünglichen Verteilerschlüssel, der für internationale Ausschreibungen gegolten und sich auf die Verträge zwischen den japanischen und den europäischen Herstellern bezogen habe, so dass das Bestehen einer solchen Aufteilung im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs hinreichend bewiesen ist. Weiter heißt es in dem vom 27. Januar 1994 datierenden internen Vermerk von Vallourec mit der Überschrift Protokoll der Unterredung mit JF in Brüssel am 25/1 (S. 4822 der Kommissionsakte), dass Vallourec, um im Rahmen des Systems [zu bleiben] ..., auf den Fernen Osten [und] Lateinamerika [verzichten] und sich im Mittleren Osten auf einen Marktanteil von 20 % zu Dritt [beschränken] müsse. Von der Kommission zur Erläuterung dieser beiden Schriftstücke aufgefordert, gab Herr Verluca an, sie hätten sich auf den 1993 unternommenen Versuch einer Änderung der geltenden Verteilerschlüssel bezogen, mit der die Verkäufe der lateinamerikanischen Hersteller und die auf den verschiedenen Märkten erworbenen Positionen hätten berücksichtigt werden sollen.

89. Nach Ansicht von Mannesmann widerspricht das VerteilerschlüsselPapier der im Vermerk Nachprüfung bei Vallourec (in Abschnitt 1.3) enthaltenen Angabe von Herrn Verluca zur Frage, ob die lateinamerikanischen Hersteller Ende 1993 positiv auf die Avancen der europäischen Hersteller reagiert hätten, was die Verlässlichkeit beider Beweisurkunden in Frage stelle. Tatsächlich hat die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung auf der Grundlage des Verteilerschlüssel-Papiers ausgeführt, dass die Kontaktaufnahme mit den Lateinamerikanern teilweise erfolgreich gewesen sei; sie räumt selbst ein, dass diese Angabe in Widerspruch zu folgender Angabe von Herrn Verluca im Vermerk Nachprüfung bei Vallourec stehe: Die südamerikanischen Hersteller gehörten nicht zum Europäisch-Japanischen Club ... Ende 1993 gab es Kontaktaufnahmen mit ihnen zur Erkundung, ob ein die erworbenen Positionen widerspiegelndes Gleichgewicht erreicht werden könne (etwa 20 % für die Europäer im Mittleren Osten). Es wurde sehr rasch klar, dass diese Versuche ohne Erfolgsaussicht waren.

90. Es ist indessen darauf hinzuweisen, dass laut dem Verteilerschlüssel-Papier die lateinamerikanischen Hersteller den vorgeschlagenen Verteilerschlüssel zwar akzeptierten, aber außer für den europäischen Markt, wo die Geschäfte in einem Geist der Zusammenarbeit von Fall zu Fall geprüft werden sollten. Daraus hat die Kommission in Randnummer 94 der angefochtenen Entscheidung geschlossen, dass die lateinamerikanischen Hersteller nicht damit einverstanden gewesen seien, den europäischen Markt den europäischen Herstellern vorzubehalten.

91. Den verschiedenen in der Entscheidung angeführten Vermerken von Vallourec, dem Schriftstück mit dem Titel Arbeitspapier für die Vorstandsvorsitzenden (Paper for Presidents) (S. 4902 der Kommissionsakte) und dem Dokument g) Japaner (g] Japanese document) (S. 4909 der Kommissionsakte) ist zu entnehmen, dass eines der von den europäischen Herstellern in ihren Kontakten mit den japanischen Herstellern verfolgten wesentlichen Ziele darin bestand, ihre Heimatmärkte zu schützen und insbesondere den Heimatmarktstatus des britischen Marktes nach Schließung des Corus-Werkes in Clydesdale aufrechtzuerhalten. Wenn der vorstehend in Randnummer 89 aufgezeigte Widerspruch auch den Beweiswert des Verteilerschlüssel-Papiers und in gewissem Umfang auch den der Erklärungen von Herrn Verluca schwächt, wird die Bedeutung dieses Widerspruchs durch die am Anfang der vorliegenden Randnummer genannte Gegebenheit doch erheblich relativiert. Denn selbst wenn die lateinamerikanischen Hersteller der Anwendung eines Verteilerschlüssels für andere Märkte als Europa zugestimmt haben sollten, waren damit doch die mit ihnen geführten Verhandlungen aus europäischer Sicht im Wesentlichen gescheitert, womit die negative Beurteilung des Verhandlungsergebnisses durch Herrn Verluca in diesem entscheidenden Punkt tatsächlich mit dem Verteilerschlüssel-Papier übereinstimmt.

92. Demnach wird durch den Widerspruch zwischen den Angaben von Herrn Verluca in einer seiner Erklärungen und dem Verteilerschlüssel-Papier, den die Kommission in Randnummer 86 der Entscheidung selbst erwähnt, die Glaubhaftigkeit beider Beweisurkunden nicht wesentlich gemindert.

93. Schließlich ist angesichts der Position, die die lateinamerikanischen Hersteller laut dem VerteilerschlüsselPapier zu Europa bezogen (vgl. oben, Randnr. 90), festzustellen, dass das Vorbringen von Mannesmann, die lateinamerikanischen Hersteller hätten Rohre nach Europa verkauft, selbst dann, wenn es zutrifft, die Glaubhaftigkeit des Papiers keinesfalls in Frage stellen kann.

94. Im Ergebnis verbleibt dem Verteilerschlüssel-Papier damit ein gewisser Beweiswert, um im Rahmen eines von der Kommission zusammengetragenen Bündels von übereinstimmenden Indizien bestimmte wesentliche Aussagen in den Erklärungen von Herrn Verluca über das Vorliegen einer Marktaufteilungsvereinbarung für nahtlose OCTGRohre zu erhärten. Denn aus diesem Beweismittel ergibt sich, dass die japanischen Hersteller einerseits und die europäischen Hersteller andererseits das Prinzip billigten, bestimmte nahtlose Stahlrohre nicht im Rahmen offener Ausschreibungen auf dem Heimatmarkt der anderen Hersteller zu verkaufen. Das Papier bestätigt außerdem das Vorliegen eines Verteilerschlüssels für Märkte in verschiedenen Weltgegenden und stärkt damit die Glaubhaftigkeit der Erklärungen von Herrn Verluca, soweit dieser Begriff darin ebenfalls verwendet wird.

95. Die Rügen von Mannesmann gegen die Verwertung des VerteilerschlüsselPapiers sind daher zurückzuweisen.

Zum Vorwurf einer Verletzung der Verteidigungsrechte durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

96. Nach Auffassung von Mannesmann weichen die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die angefochtene Entscheidung voneinander ab. So habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt, dass die Lieferverträge von Corus mit Vallourec, Dalmine und Mannesmann zu einer rechtswidrigen Absprache gehört hätten, mit der der Markt für Lieferungen von nahtlosen Stahlrohren an Corus, dem beherrschenden Unternehmen auf dem britischen Markt für OCTGRohre, habe aufgeteilt werden sollen. Damit bezögen sich diese Verträge auf die später in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung (vgl. Randnrn. 147 bis 151 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In der angefochtenen Entscheidung hingegen habe die Kommission diese Lieferverträge als Maßnahme zur Abschottung des britischen Marktes gegen die japanischen Unternehmen und damit als Teil der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Zuwiderhandlung eingestuft (Randnr. 147). Zu einer so wesentlichen Änderung der Beschuldigungen hätte Mannesmann erneut rechtliches Gehör gewährt werden müssen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 9, 14 und 16). Da eine solche erneute Anhörung versäumt worden sei, seien ihre Verteidigungsrechte in irreparabler Weise verletzt worden (Urteil Solvay/Kommission, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 89 ff.).

97. Die Kommission widerspricht diesen Rügen. Sie meint, dass die angefochtene Entscheidung und die Mitteilung der Beschwerdepunkte in der Darstellung des Sachverhalts und in der rechtlichen Würdigung völlig deckungsgleich seien.

- Würdigung durch das Gericht

98. Die Verteidigungsrechte werden durch eine Abweichung zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der endgültigen Entscheidung nur verletzt, wenn ein in der endgültigen Entscheidung ausgesprochener Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte unzulänglich dargestellt worden war, so dass sich die Adressaten dagegen nicht verteidigen konnten (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 852 bis 860).

99. Im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist die Kommission nur verpflichtet, die Beschwerdepunkte und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt sowie dessen Bewertung klar darzulegen, um den Adressaten der Mitteilung eine sachgemäße Verteidigung zu ermöglichen (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I3359, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II1989, Randnr. 63).

100. Dabei kann die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgenommene rechtliche Bewertung des Sachverhalts naturgemäß nur vorläufig sein, und eine spätere Entscheidung der Kommission kann nicht allein deshalb für nichtig erklärt werden, weil die darin enthaltene endgültige Beurteilung des Sachverhalts nicht genau mit dieser vorläufigen Bewertung übereinstimmt. Denn die Kommission muss, eben um die Verteidigungsrechte der Adressaten einer Mitteilung von Beschwerdepunkten zu wahren, diese anhören und ihre Stellungnahme zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen berücksichtigen.

101. Im vorliegenden Fall besteht der einzige relevante Unterschied zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung darin, dass die Kommission die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge in Randnummer 164 der Entscheidung als bloßes Mittel zur Durchführung der ersten Zuwiderhandlung bewertete, während sie sich in Randnummer 144 der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf die Feststellung beschränkt hatte, dass das Ziel der Lieferverträge darin bestanden habe, den Heimatmarktstatus des britischen Marktes im Sinne der Grundregeln, also gegenüber den japanischen Herstellern - hinsichtlich deren sie auf Randnummer 63 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwies -, aufrechtzuerhalten. Zu Randnummer 147 der Entscheidung, die Mannesmann in diesem Kontext anführt, genügt der Hinweis, dass ihr Aussagegehalt dem der Randnummer 144 der Mitteilung der Beschwerdepunkte entspricht, denn die Kommission führt dort aus, dass [Corus] und Vallourec ... vereinbart haben, dass sich [Corus] seine Glattendrohre bei [Mannesmann], Dalmine und Vallourec beschafft, um den britischen Markt gegenüber den japanischen Unternehmen weiterhin als Heimatmarkt ausgeben zu können.

102. In Randnummer 364 des Urteils des Gerichts vom heutigen Tage in den Rechtssachen T67/00, T68/00, T71/00 und T78/00 (JFE Engineering u. a./Kommission, Slg. 2000, II0000) ist festgestellt worden, dass die von der Kommission in der Entscheidung vertretene Auffassung insofern fehl geht, als die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge mehr als nur ein Ziel verfolgten. Aber selbst wenn sich insoweit zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der Entscheidung eine abweichende Beurteilung ausmachen lassen sollte, ist doch offenkundig, dass sich die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu dem der Auffassung der Kommission zugrunde liegenden Kerngedanken äußern konnten, wonach die europäischen Hersteller die die zweite Zuwiderhandlung bildenden Verträge geschlossen hatten, um die Geltung der Grundregeln auf dem Offshore-Markt des Vereinigten Königreichs zu festigen.

103. Demnach liegt insoweit keine Verletzung der Verteidigungsrechte vor. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

Zu dem Vorwurf eines Widerspruchs zwischen Artikel 1 und Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung

- Vorbringen der Parteien

104. Mannesmann hält die angefochtene Entscheidung für in sich widersprüchlich. So habe die Kommission darin angenommen, dass sich die Adressaten der angefochtenen Entscheidung im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs auf Regeln zum Schutz ihrer Heimatmärkte geeinigt hätten. Als einziges Beweismittel hierfür werde die Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung angeführt. Diese Tabelle zeige die Prozentanteile der nationalen Hersteller an den Lieferungen von nahtlosen OCTGRohren in den vom EuropäischJapanischen Club betroffenen Ländern. Indessen habe sich Corus seit 1991 aus Deutschland, Frankreich und Italien beliefern lassen, so dass es irrig sei, anzunehmen, der Zugang zum britischen Markt wäre dem heimischen Hersteller vorbehalten gewesen.

105. Mannesmann beanstandet, dass die Kommission auf das Vorliegen einer Zuwiderhandlung in Form einer Absprache über einen Heimatmarktschutz (Artikel 1 der Entscheidung) aus Feststellungen über Lieferverträge mit Corus geschlossen habe, die ihrerseits die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung bilden sollten. Diese zweite Zuwiderhandlung gebe es aber nicht. Die von Corus mit Dalmine, Vallourec und Mannesmann geschlossenen Lieferverträge könnten nur dann tendenziell auf einen Schutz der Heimatmärkte hindeuten, wenn die Lieferungen einfach zusammengefasst würden. Da indessen die Lieferungen aus Drittländern, darunter Japan, immer noch rund 20 % des britischen Marktes ausgemacht hätten, könne ohnehin nicht von einem effektiven Schutz dieses Marktes gesprochen werden. Somit würden die Rechtsfehler, mit denen Artikel 2 der Entscheidung behaftet sei, auf Artikel 1 übertragen und machten diesen in gleicher Weise rechtsfehlerhaft.

106. Die Kommission weist diese Rügen zurück, da sie auf einem falschen Verständnis der angefochtenen Entscheidung beruhten. Artikel 1 der Entscheidung stelle fest, dass bestimmte Unternehmen durch ihre Beteiligung an einer Übereinkunft, die u. a. den Schutz ihrer jeweiligen Heimatmärkte vorgesehen habe, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hätten. Artikel 2 wiederum mache Mannesmann dafür verantwortlich, dass sie entgegen Artikel 81 EG im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung Verträge geschlossen habe, die zu einer Aufteilung der Glattendrohrlieferungen an Corus geführt hätten. Artikel 2 betreffe somit den Schutz des britischen Marktes nach dem Rückzug von Corus.

- Würdigung durch das Gericht

107. Das Vorbringen von Mannesmann im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes geht fehl und ist demgemäß zurückzuweisen, da es den grundlegenden Umstand außer Betracht lässt, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung den Markt für OCTGGewinderohre (sowie den Markt für projektbezogene Leitungsrohre) betrifft, während der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Verstoß den vorgelagerten Markt für OCTGGlattendrohre zum Gegenstand hat.

108. Auch wenn laut Artikel 1 der Entscheidung in ihrer deutschen Fassung die dort festgestellte Zuwiderhandlung nahtlose StandardOCTG und [projektbezogene Leitungsrohre] betrifft, geht doch aus dem allgemeinen Zusammenhang der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die betroffenen OCTGRohre nur die OCTGStandardgewinderohre sind. So wird insbesondere in der Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996, die in Randnummer 56 der Entscheidung als Quelle für die Definition des fraglichen Produktmarkts angegeben wird, der Anwendungsbereich der Zuwiderhandlung auf Standardgewinderohre und [projektbezogene Leitungsrohre] begrenzt. Folglich hat die in dieser Randnummer enthaltene Bezugnahme die OCTGGewinderohre nach APINorm, also OCTGStandardgewinderohre, zum Gegenstand, nicht aber OCTGGlattendrohre. Diese Auslegung der Reichweite von Artikel 1 der Entscheidung wird durch die drei anderen verbindlichen Sprachfassungen der Entscheidung bestätigt, die alle in Artikel 1 die ausdrückliche Klarstellung enthalten, dass es um OCTGStandardgewinderohre geht. Weichen aber die verschiedenen Sprachfassungen eines Gemeinschaftstextes voneinander ab, so muss die fragliche Bestimmung nach dem Zusammenhang und dem Zweck der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 2000 in der Rechtssache C437/97, EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I1157, Randnr. 42); jedenfalls kann eine Sprachfassung nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben, wenn diese alle mit einer bestimmten Auslegung in Einklang stehen (Urteil des Gerichts vom 29. September 1999 in der Rechtssache T68/97, Neumann und NeumannSchölles/Kommission, Slg. ÖD 1999, IA193 und II1005, Randnr. 80; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I4411, Randnr. 15, und die dort zitierte Rechtsprechung). Umgekehrt betrifft Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung nach seinem Wortlaut ausschließlich Glattendrohrlieferungen an [Corus] (ab 1994 Vallourec SA).

109. Der von Mannesmann gerügte Widerspruch besteht daher nicht.

110. In Wirklichkeit geht aus der angefochtenen Entscheidung als Ganzem hervor, dass der britische Markt für Gewinderohre, der von dem in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Verstoß betroffen war, ein HeimatMarkt im Sinne der Grundregeln blieb, und zwar im Wesentlichen deshalb, weil Corus dort auch weiterhin OCTGRohre vermarktete, die sie sich zu diesem Zweck von den drei anderen europäischen Herstellern als Glattendrohre liefern ließ und sodann mit Gewinden versah. So wurde ein wesentlicher Teil des vorgelagerten britischen Marktes für Glattendrohre, der durch den Bedarf von Corus gebildet wurde, zumindest ab 1993 zwischen Vallourec, Dalmine und Mannesmann aufgeteilt. Daraus folgt, dass die beiden Verstöße nicht nur miteinander vereinbar waren, sondern sich überdies ergänzten.

111. Was das Vorbringen von Mannesmann speziell zum britischen Markt und insbesondere ihre Beurteilung der in Randnummer 68 der Entscheidung enthaltenen Tabelle anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass schon nach dem Wortlaut von Artikel 81 Absatz 1 EG in seiner Auslegung durch die ständige Rechtsprechung Vereinbarungen zwischen Unternehmen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn mit ihnen ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I4125, Randnr. 123). Im vorliegenden Fall stellte die Kommission tatsächlich in erster Linie auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Übereinkunft ab und führte, insbesondere in den Randnummern 62 bis 67 der Entscheidung, zahlreiche Urkundenbeweise an, die ihrer Auffassung nach sowohl das Vorliegen der Übereinkunft als auch ihren wettbewerbsbeschränkenden Zweck belegen.

112. Selbst wenn Mannesmann nachweisen könnte, dass die in der Tabelle genannten Zahlen die Ausführungen der Kommission zum wirksamen Schutz des britischen Marktes nicht hinreichend zu stützen vermögen, wäre dies somit für das Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung ohne Bedeutung.

113. Im Übrigen ist Randnummer 62 der Entscheidung, der insoweit die Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 zugrunde liegt, zu entnehmen, dass für den OffshoreMarkt des Vereinigten Königreichs nur ein Teilschutz galt. Der von Mannesmann angeführte Umstand, dass das Schutzniveau des britischen Marktes nach der Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung geringer war als das der anderen von der Marktaufteilungsabsprache betroffenen Heimatmärkte, entkräftet daher keineswegs die Beurteilung der Kommission.

114. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zu dem Vorwurf, die Überlegungen der Kommission hinsichtlich der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung seien fehlerhaft

- Vorbringen der Parteien

115. In ihrer Erwiderung macht Mannesmann geltend, dass für die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen zu der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung keine hinreichende Begründung gegeben worden sei. Erstens habe die Kommission die außer und die innergemeinschaftlichen Aspekte der Grundregeln einheitlich behandelt. Sie habe dabei keinen Unterschied gemacht zwischen der Regelung für den Zugang der japanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt und der Regelung für den Zugang der Gemeinschaftshersteller zu ihrem jeweiligen Heimatmarkt. Zum Nachweis beider Aspekte berufe sich die Kommission auf dieselben Dokumente (Randnrn. 54, 63, 64, 66, 67 und 129 ff. der Entscheidung). Diese Dokumente bezögen sich indessen im Zusammenhang mit den Grundregeln nur auf das Außenverhältnis, also den Zugang der japanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt. Ihnen lasse sich hingegen nicht entnehmen, dass auch eine innergemeinschaftliche Abrede über den Schutz der nationalen Märkte getroffen worden sei.

116. In ihrer Erwiderung rügt Mannesmann zweitens, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Abrede über den Zugang zum Gemeinschaftsmarkt die in Artikel 81 Absatz 1 EG normierten Voraussetzungen einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung innerhalb des Gemeinsamen Marktes erfuelle.

117. Ob diese beiden Voraussetzungen erfuellt seien, habe die Kommission schon deshalb nicht feststellen können, weil sie den relevanten Markt nicht präzise abgegrenzt habe.

118. Außerdem hätten sich die von der Kommission beschriebenen Verabredungen mit den japanischen Unternehmen weder auf den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt noch auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar auswirken können. Mannesmann widerspricht den von der Kommission, insbesondere in den Anhängen 1 bis 4 der Entscheidung, verwendeten Daten. Sie macht geltend, dass die Gemeinschaftshersteller von nahtlosen Stahlrohren auf dem Weltmarkt dem wirksamen Wettbewerb durch Produzenten aus Drittländern ausgesetzt seien, was die Kommission im Übrigen in ihrer Entscheidung vom 3. Juni 1997 über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Sache N IV/M.906 - Mannesmann/Vallourec) auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. C 238, S. 15) selbst anerkannt habe. In Randnummer 103 der Entscheidung habe die Kommission auch eingeräumt, dass sie das Bestehen einer beschränkenden Wirkung auf die Preise und das Angebot innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht habe belegen können.

119. Berücksichtige man die Merkmale des fraglichen Marktes, so hätten die von der Entscheidung betroffenen Unternehmen eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG gar nicht bezwecken können.

120. Die Kommission trägt vor, dass es sich bei dem Vorbringen von Mannesmann zur Definition des relevanten Marktes und zu den für Artikel 81 Absatz 1 EG geltenden Anwendungsvoraussetzungen einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten um neue Klagegründe handele. Sie seien sämtlich nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig.

121. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass diese Klagegründe auch unbegründet seien. Die Definition des relevanten Marktes sei, wie aus den Randnummern 29 ff. der angefochtenen Entscheidung hervorgehe, die gleiche wie in der genannten Entscheidung Mannesmann/Vallourec.

122. Der Entscheidung sei klar zu entnehmen, dass sich die Absprache auch auf den Schutz der Heimatmärkte jedes der vier beteiligten Gemeinschaftshersteller erstreckt habe (Randnrn. 62, 54, 66, 64 und 69 der Entscheidung). Die Absprache sei daher ihrem Ziel nach geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Wie in Randnummer 102 der Entscheidung festgestellt, lägen die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 81 Absatz 1 EG damit vor.

123. Auch die Auswirkungen der genannten Absprache auf den innergemeinschaftlichen Handel seien offenkundig, da jeder der europäischen Hersteller auf seinem Heimatmarkt eine beherrschende Stellung innegehabt habe (vgl. die Tabelle in Randnr. 68 der Entscheidung). Jedenfalls sei angesichts des in der vorstehenden Randnummer genannten Zweckes der Absprache eine Analyse ihrer Auswirkungen nicht erforderlich gewesen (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 128, und vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 22).

124. Zur Frage, ob die Auswirkungen des Abkommens auf den innergemeinschaftlichen Handel spürbar gewesen seien, sei darauf hinzuweisen, dass die Verkäufe der beteiligten Gemeinschaftshersteller auf dem deutschen, britischen, französischen und italienischen Markt etwa 15 % des Gesamtverbrauchs an OCTGRohren und Leitungsrohren in der Gemeinschaft ausgemacht hätten (Randnr. 106 der Entscheidung). Angesichts der Marktanteile dieser Gemeinschaftshersteller liege es auf der Hand, dass eine Absprache über die Respektierung des deutschen, britischen, französischen und italienischen Marktes den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtige. Dass die Absprache im Rahmen des Weltmarkts nur einen geringen Prozentsatz der betroffenen Produkte erfasst habe, sei insoweit ohne Bedeutung.

- Würdigung durch das Gericht

125. Die vorstehend zusammengefassten Rügen der Klägerin sind nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung eine spürbare Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten hatte.

126. Denn mit dieser erstmals in ihrer Erwiderung vorgetragenen Argumentation wirft Mannesmann der Kommission einen Rechts oder Beurteilungsfehler hinsichtlich der Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 81 Absatz 1 EG vor, nicht aber, wie sie dazu in Randnummer 26 ihrer Erwiderung behauptet, einen Begründungsmangel. Materiellrechtliche Klagegründe sind, anders als Rügen von Begründungsmängeln, nicht zwingenden Rechts und daher vom Gemeinschaftsrichter nicht von Amts wegen zu prüfen (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I1719, Randnr. 67).

127. In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis zweckmäßig, dass das Gericht ein dieser Argumentation der Klägerin vergleichbares Vorbringen in mehreren mit der vorliegenden Rechtssache zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbundenen Rechtssachen als unbegründet zurückgewiesen hat (Urteile des Gerichts vom heutigen Tage in der Rechtssache T50/00, Dalmine/Kommission, Slg. 2000, II0000, insbesondere Randnrn. 156 und 157, und in den Rechtssachen JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, insbesondere Randnrn. 337 und 367 bis 395).

128. Das Vorbringen zum Fehlen einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung, das ebenfalls die Sache selbst und nicht die Begründung betrifft, ist zulässig, soweit es das bereits in der Klageschrift formulierte Vorbringen unterstützt, wonach die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Übereinkunft eine wettbewerbswidrige Zielsetzung oder Wirkung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG gehabt habe.

129. In der Sache selbst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall hauptsächlich auf den wettbewerbswidrigen Zweck der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Absprache stützte (vgl. oben, Randnr. 111).

130. Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, können sich der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe.

131. Da nämlich die in Artikel 1 der Entscheidung geahndete Vereinbarung auf eine Aufteilung der Märkte unter den Mitgliedern des EuropäischJapanischen Clubs abzielte, ergab sie nur Sinn, wenn mit ihr bezweckt wurde, den Wettbewerb in messbarer, also den Beteiligten kommerziell nutzbringender Weise zu beschränken. Die Kommission hat jedoch rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass diese Vereinbarung tatsächlich existierte.

132. Das Vorbringen von Mannesmann, die Kommission habe den betroffenen Markt nicht präzise abgegrenzt, ist daher unbeachtlich. Denn die Kommission ist zur Abgrenzung des Marktes in einer nach Artikel 81 EG erlassenen Entscheidung nur verpflichtet, wenn ohne diese Abgrenzung nicht festgestellt werden kann, ob die fragliche Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte und ob sie eine Ausschaltung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezweckte oder bewirkte (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T374/94, T375/94, T384/94 und T388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II3141, Randnrn. 93 bis 95 und 105). Grundsätzlich brauchen daher, wenn der mit einer Vereinbarung verfolgte Zweck selbst in einer Beschränkung des Wettbewerbs durch eine Marktaufteilung besteht, die betroffenen räumlichen Märkte nicht präzise definiert zu werden, da der tatsächliche oder potenzielle Wettbewerb in den betroffenen räumlichen Gebieten zwangsläufig beschränkt wurde, gleichviel ob diese Gebiete Märkte im strengen Sinne sind oder nicht.

133. Selbst wenn Mannesmann somit der Nachweis gelänge, dass die Kommission den Markt, der von der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung betroffen war, in der Entscheidung nur unzureichend oder fehlerhaft abgegrenzt hat, könnte dies auf das Vorliegen der Zuwiderhandlung keine Auswirkung haben.

134. Demnach sind die oben zusammengefassten Rügen in der Sache zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte.

Zum Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG

Vorbringen der Parteien

135. Nach Auffassung von Mannesmann beruht die Feststellung der Kommission, dass die Lieferverträge zwischen Corus als Abnehmerin und Vallourec, Dalmine und Mannesmann der Umsetzung einer gemeinsamen Handelsstrategie gedient und gegen Artikel 81 EG Absatz 1 verstoßen hätten, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler.

136. Erstens beträfen die Ausführungen, mit denen das Vorliegen der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 2 der Entscheidung dargelegt werden solle, ausschließlich Vallourec und Corus (vgl. Randnrn. 78, 91, 110, 146 und 152 der Entscheidung). Die Kommission habe die Beteiligung von Mannesmann an der im Rahmen des Europäisch-Japanischen Clubs geschlossenen Übereinkunft keineswegs nachgewiesen. Da sich die Beanstandungen der Kommission ausschließlich auf die von Corus mit Dritten geschlossenen Verträge bezögen, könne sich Mannesmann dagegen schwerlich sachgerecht verteidigen. Mannesmann ersucht daher das Gericht, im Wege prozessleitender Maßnahmen

- der Beklagten aufzugeben, diejenigen Dokumente aus dem Vortrag von Corus in der Rechtssache T48/00 vorzulegen, die den Sachverhalt betreffen, der der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung zugrunde liegt;

- ihr selbst Akteneinsicht in diese Unterlagen zu gewähren, soweit sie nicht vertraulich sind, und ihr eine ergänzende Stellungnahme dazu zu ermöglichen.

137. Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Die Beteiligung von Mannesmann an der in Artikel 2 festgestellten Zuwiderhandlung sei in den Randnummern 146 bis 155 der Entscheidung ordnungsgemäß nachgewiesen worden.

138. Mannesmann bestreitet zweitens, dass die von Corus geschlossenen Lieferverträge über nahtlose Rohre im Rahmen eines Kartells zu sehen seien. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte Corus nicht zwei weitere Jahre bis zum Vertragsschluss mit Mannesmann gewartet. In Wirklichkeit sei jeder der Verträge individuell ausgehandelt worden. Die Ähnlichkeiten der Verträge seien einfach dadurch zu erklären, dass Corus diese von ihr geschlossenen Verträge habe vereinheitlichen wollen.

139. Für den Abschluss der Verträge habe es objektive und legitime Gründe gegeben. Corus habe mit Vallourec einen Liefervertrag geschlossen, weil diese die Rechte an der VAMGewindeschneidetechnik besessen habe, die für den Zugang zum britischen Markt für OCTGPremiumrohre unerlässlich gewesen sei. Es sei daran zu erinnern, dass in den patentrechtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen Mannesmann und Vallourec wegen der Rechte an den VAMSonderverbindungen verschiedene Urteile zugunsten von Vallourec ergangen seien, in deren Konsequenz sie Mannesmann Marktanteile habe abnehmen können. Anstatt sich vom britischen OffshoreMarkt zurückzuziehen, habe Mannesmann daraufhin entschieden, sich vorzugsweise dem Verkauf von Glattendrohren zu widmen, die ihre Kunden sodann mit Gewinden hätten versehen können. Vallourec wäre auch gar nicht in der Lage gewesen, die gesamte Nachfrage von Corus zu befriedigen. Dies sei der Hintergrund, vor dem Mannesmann Glattendrohre an Corus geliefert habe.

140. Schließlich sei zu bedenken, dass die fraglichen Lieferverträge nur Rohre mit einem Durchmesser von mehr als 51/2 Zoll betroffen hätten. Vallourec, Dalmine und Mannesmann seien die einzigen Unternehmen in der Gemeinschaft, die solche Rohre herstellen könnten. Durch die Inanspruchnahme dieser drei Unternehmen und die damit verbundene Diversifikation ihrer Bezugsquellen habe Corus sich gegen die Risiken von Preiserhöhungen absichern können. Die Kommission könne Corus nicht vorwerfen, dass sie versucht habe, so ihren Gewinn aus dem Verkauf der Endprodukte zu maximieren.

141. Die Kommission tritt dieser Auslegung entgegen. Der wahre Zweck der Lieferverträge sei die Umsetzung der im EuropäischJapanischen Club vereinbarten Grundregeln über den Heimatmarktschutz gewesen (Randnr. 146 der Entscheidung).

142. Die 1993 verlängerten Lieferverträge seien damit Teil einer gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßenden Übereinkunft gewesen. Sie hätten eine Aufteilung der Belieferung von Corus durch Vallourec, Dalmine und Mannesmann zu Anteilen von jeweils 40 %, 30 % und 30 % vorgesehen. Obwohl Corus diese Verträge zu unterschiedlichen Zeitpunkten geschlossen habe, stellten sie eine einzige Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG dar. Die Beteiligung von Mannesmann an einer Übereinkunft über nahtlose Rohre sei rechtlich hinreichend nachgewiesen, welche Bedeutung auch immer der VAM-Verbindungstechnik zukomme.

143. Überdies habe Corus am Abschluss der Verträge keinerlei legitimes Interesse gehabt. Da es ein Überangebot an nahtlosen Rohren gegeben habe, habe Corus weder Belieferungsschwierigkeiten noch erhöhte Preise zu befürchten brauchen. Zum Argument von Mannesmann, man könne Corus nicht ihr Interesse an der Maximierung ihres Gewinns aus dem Endproduktverkauf vorwerfen, weist die Kommission erneut darauf hin, dass sich die Strategie von Corus in den Rahmen eines rechtswidrigen Kartells eingefügt habe.

144. Mannesmann macht drittens geltend, die Lieferverträge mit Corus hätten nicht gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen. Die Lieferungen an Corus lägen weit unter den Schwellen, ab denen die Kommission im Fall von vertikalen Vereinbarungen im Allgemeinen tätig werde. Beispielsweise seien nach der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21) nur solche Verpflichtungen als Wettbewerbsverbote zu bewerten, bei denen sich der Käufer verpflichte, mehr als 80 % seiner jährlichen Einkäufe von einem bestimmten Lieferanten zu beziehen. Werde diese Schwelle nicht erreicht, so seien die Vereinbarungen rechtmäßig.

145. Durch die Versorgungsweise von Corus sei der Wettbewerb nicht eingeschränkt worden. Da es keinerlei Alleinbezug gegeben habe, sei der Wettbewerb durch den Entschluss von Corus, jedem ihrer drei Lieferanten eine bestimmte Quote ihres gesamten Jahreseinkaufs zuzuweisen, nicht verfälscht worden. Bei nahtlosen Stahlrohren habe es ein Überangebot gegeben, und der Bedarf von Corus sei vorhersehbar gewesen. Unter diesen Umständen habe Corus ihren Lieferanten vernünftigerweise eine bestimmte Einkaufsquote zuordnen können, anstatt in den Lieferverträgen die erforderlichen Warenmengen festzusetzen.

146. Die Produktpreise seien zudem individuell ausgehandelt, dann aber einem der Marktentwicklung folgenden Preisanpassungsmechanismus unterworfen worden. Solche Anpassungsklauseln seien in langfristigen Verträgen gängig und wegen der in der Stahlrohrbranche auftretenden Preisfluktuationen auch gerechtfertigt. Die Verträge hätten keinerlei Austausch von vertraulichen Informationen eingeschlossen. Corus habe ihr lediglich die Ergebnisse der nach der vereinbarten Formel vorgenommenen Korrekturrechnungen mitgeteilt. Aus der Entscheidungspraxis der Kommission gehe im Übrigen hervor, dass sie in solchen Klauseln niemals einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG gesehen habe.

147. Unter den übrigen vertraglichen Abreden habe die Kommission der Vertragsstrafenregelung besondere Bedeutung zugemessen, obwohl diese wettbewerbsrechtlich irrelevant sei. Die mangelnde Schärfe der Vertragsstrafenregelung sei dadurch zu erklären, dass sich Corus einer Situation des Überangebots auf dem Markt gegenüber gesehen habe, was ihr eine problemlose Versorgung gesichert habe.

148. Schließlich trägt Mannesmann in ihrer Erwiderung vor, dass die beiden für Artikel 81 Absatz 1 EG geltenden Anwendungsvoraussetzungen einer spürbaren Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels und einer Beschränkung des Wettbewerbs im vorliegenden Fall nicht erfuellt seien. Nach der Begründung der Entscheidung (Randnr. 147) sei mit den in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträgen bezweckt worden, den Zugang der japanischen Hersteller zum britischen Markt zu beschränken. Eine solche Absprache beeinträchtigte zwar den Handel zwischen der Gemeinschaft und Japan, bliebe aber folgenlos für den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes.

149. Jedenfalls seien die Auswirkungen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträge angesichts des Umfangs des Handels zwischen Japan und der Gemeinschaft zu vernachlässigen. Die Kommission habe den fraglichen Markt insoweit nicht hinreichend analysiert. So mache der britische Markt nur etwa 2,5 % des weltweiten Verbrauchs an OCTGRohren einschließlich Glattendrohren aus, wobei der Anteil der Glattendrohre nur etwa 16 % aller OCTGRohre betrage (Anhang 2 der Entscheidung). Die angebliche Vereinbarung liege damit deutlich unter den Schwellen gemäß Randnummer 9 der Bekanntmachung 97/C 372/04 der Kommission von 1997 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel [81 Absatz 1 EG] fallen (ABl. 1997, C 372, S. 13, im Folgenden: Bekanntmachung von 1997).

150. Die Kommission weist dieses Vorbringen als wenig glaubhaft zurück. Die fraglichen Lieferverträge hätten Vallourec, Dalmine und Mannesmann einen festen Anteil an den Lieferungen von Glattendrohren an Corus unabhängig von den tatsächlichen Liefermengen garantiert. Vallourec, Dalmine und Mannesmann hätten damit keinerlei Interesse an einem Preiswettbewerb bei nahtlosen Glattendrohren im Vereinigten Königreich gehabt.

151. Die Verordnung Nr. 2790/99 sei hier nicht anwendbar. Die Kommission habe die Vertragsstrafenregelung lediglich untersucht, um festzustellen, ob die Länge der Lieferfristen den Entschluss von Corus, sich allein bei Gemeinschaftsunternehmen einzudecken, objektiv rechtfertigen könnte. Sie sei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klausel über die Lieferfristen nur eingefügt worden sei, um die japanischen Hersteller fernzuhalten.

152. Die Kommission macht schließlich geltend, dass die von Mannesmann angeführten Klagegründe des Fehlens einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung und einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten wegen Verspätung unzulässig seien. Ebenfalls erstmals in ihrer Erwiderung habe Mannesmann gerügt, dass Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung wegen der Bekanntmachung von 1997 rechtswidrig sei. In beiden Fällen handele es sich um neue Klagegründe, die nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig seien.

153. Hilfsweise weist die Kommission diese Klagegründe auch als unbegründet zurück.

154. Zur Anwendbarkeit der Bekanntmachung von 1997 führt sie aus, angesichts des der Festsetzung der Geldbußen zugrunde liegenden Bezugszeitraums von 1990 bis 1995 sei richtigerweise auf die Bekanntmachung der Kommission vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel [81 Absatz 1 EG] fallen (ABl. 1986, C 231, S. 2), abzustellen. Die in dieser Bekanntmachung genannte Marktanteilsgrenze von 5 % beziehe sich aber nicht auf den Weltmarkt, sondern eindeutig auf den relevanten räumlichen Markt innerhalb der Gemeinschaft. Hier hätten die fraglichen Lieferverträge 78 % bis 84 % des Verbrauchs auf dem britischen Markt und 13 % bis 24 % des Verbrauchs auf dem Gemeinschaftsmarkt ausgemacht. Die Umsätze der betroffenen Unternehmen lägen weit über der in der genannten Bekanntmachung festgesetzten Schwelle von 200 Millionen Euro. Im Übrigen seien im vorliegenden Fall auch die Schwellen der Bekanntmachung von 1997, die Mannesmann für anwendbar halte, offenkundig überschritten.

155. Die Kommission ist schließlich der Auffassung, dass eine etwaige Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung auf die Höhe der Mannesmann auferlegten Geldbuße ohne Auswirkung wäre, da die in diesem Artikel festgestellte Zuwiderhandlung als solche nicht geahndet worden sei.

Würdigung durch das Gericht

156. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der von Mannesmann gestellte Antrag, die Kommission möge in der vorliegenden Rechtssache die von Corus in der Rechtssache T48/00 eingereichten Schriftstücke vorlegen, gegenstandslos geworden ist, da die sieben die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung betreffenden Rechtssachen, darunter die vorliegende Rechtssache und die Rechtssache T48/00, zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, so dass alle Klägerinnen alle in den jeweils anderen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze und Anlagen, soweit diese nicht vertraulich behandelt wurden, bei der Kanzlei des Gerichts einsehen konnten. Mannesmann hatte damit Zugang zu allen fraglichen Unterlagen und konnte zu deren Inhalt, soweit sie es wünschte, in der mündlichen Verhandlung Stellung nehmen. Ihrem weiteren Antrag, ihr hierfür die Einreichung eines neuen Schriftsatzes zu gestatten, ist daher nicht stattzugeben.

157. Den Zweck und die Wirkungen der drei Lieferverträge hat die Kommission in Randnummer 111 der Entscheidung wie folgt beschrieben:

Gegenstand dieser Verträge war die Versorgung des Marktführers für OCTG im Nordseeraum mit Glattendrohren, um im Vereinigten Königreich einen heimischen Hersteller zu bewahren und so die Einhaltung der im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs vereinbarten [Grundregeln] erreichen zu können. Diese Verträge bewirkten, dass sich [Mannesmann], Vallourec und Dalmine die Deckung des Glattendrohrbedarfs ihres Konkurrenten [Corus] (Vallourec von Februar 1994 an) teilten. Des Weiteren erfolgte eine Anbindung der Glattendrohrpreise an die [Corus]-Verkaufspreise für Gewinderohre. Die Verträge schränkten auch die Lieferfreiheit von [Corus] (Vallourec ab Februar 1994) ein, da [Corus] sich verpflichten musste, seine Konkurrenten über Verkaufspreise und Absatzmengen zu informieren. [Mannesmann], Vallourec (bis Februar 1994) und Dalmine verpflichteten sich ihrerseits zur Belieferung eines Konkurrenten ([Corus] bzw. ab März 1994 Vallourec), ohne im Voraus den genauen Bedarf zu kennen.

158. Der Wortlaut der dem Gericht vorgelegten Lieferverträge, darunter der Vertrag zwischen Mannesmann und Corus vom 9. August 1993, bestätigt im Wesentlichen die Tatsachenfeststellungen, die in Randnummer 111 der Entscheidung und in deren Randnummern 78 bis 82 und 153 getroffen wurden. Zusammen teilten diese Verträge zumindest ab dem 9. August 1993 den Bedarf von Corus an Glattendrohren unter den drei anderen europäischen Herstellern auf (40 % für Vallourec, 30 % für Dalmine und 30 % für Mannesmann). Außerdem ist in jedem der drei Verträge vorgesehen, dass der von Corus für die Glattendrohre zu zahlende Preis nach einer mathematischen Formel berechnet wird, die auf den Preis abstellt, den Corus für ihre mit Gewinden versehenen Rohre erzielt.

159. Wie aus diesen Feststellungen folgt, bezweckten die Lieferverträge und/oder bewirkten jedenfalls, an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs eine ausgehandelte Aufteilung des auf dem britischen Markt erzielbaren Gewinns aus dem Verkauf von Gewinderohren treten zu lassen (vgl. analog zu abgestimmten Verhaltensweisen Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 3150).

160. Mit jedem der Lieferverträge band Corus ihre drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten in der Weise, dass für den Preis der Aufgabe ihrer Einkaufsfreiheit jeder wirksame Wettbewerb in ihrem Heimatmarkt und auch die Perspektive eines solchen Wettbewerbs durch diese Konkurrenten verschwand. Denn für diese drei Wettbewerber minderten sich die Verkäufe von Glattendrohren, wenn die Gewinderohrverkäufe durch Corus schrumpften. Auch die Gewinnspanne der Glattendrohrverkäufe, zu denen sich diese drei Lieferanten verpflichtet hatten, minderte sich, soweit die von Corus für ihre Gewinderohre erzielten Preise sanken, und konnte sogar in Verlust umschlagen. Unter diesen Umständen erschien es praktisch undenkbar, dass es diese drei Hersteller anstreben konnten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen wirksamen Wettbewerb, besonders hinsichtlich der Preise, zu liefern (vgl. Randnr. 153 der Entscheidung).

161. Umgekehrt sicherten sich die drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten von Corus mit dem Abschluss der Verträge mittelbar einen Anteil am Heimatmarkt von Corus und an den sich daraus ergebenden Gewinnen. Für diese Vorteile verzichteten sie faktisch auf die Möglichkeit, auf dem britischen Markt Gewinderohre zu verkaufen, und zumindest ab der Unterzeichnung des dritten Vertrages am 9. August 1993, mit dem die verbleibenden 30 % Mannesmann zugeschlagen wurden, auch auf die Möglichkeit, Corus einen höheren Anteil an den von dieser gekauften Glattendrohren zu liefern als die ihnen von vornherein zuerkannte Quote.

162. Darüber hinaus gingen die Wettbewerber von Corus die kostspielige und daher geschäftlich anormale Verpflichtung ein, Corus bestimmte Mengen an Rohren zu liefern, die im Voraus allein durch eine Koppelung an die von Corus ausgeführten Verkäufe von Gewinderohren festgelegt waren. Diese Verpflichtung verstärkte die zwischen diesen Herstellern und Corus bestehende rechtswidrige wechselseitige Abhängigkeit, da erstere als vertraglich gebundene Lieferanten von der durch Corus verfolgten Geschäftspolitik abhängig waren.

163. Es ist festzustellen, dass die drei außerbritischen europäischen Hersteller, hätten die Lieferverträge nicht existiert, normalerweise - lässt man die Grundregeln außer Betracht - ein tatsächliches oder zumindest potenzielles geschäftliches Interesse daran gehabt hätten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen echten Wettbewerb zu liefern und untereinander bei der Belieferung von Corus mit Glattendrohren zu konkurrieren.

164. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass jeder der drei Lieferverträge für eine ursprüngliche Laufzeit von fünf Jahren geschlossen war. Diese verhältnismäßig lange Laufzeit bestätigt und verstärkt den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verträge, vor allem soweit Mannesmann und die beiden anderen Lieferanten von Corus faktisch darauf verzichteten, ein etwaiges Wachstum des britischen Marktes für Gewinderohre während dieser Zeit unmittelbar zu nutzen.

165. Zu dem speziellen Argument von Mannesmann, die in den Verträgen enthaltene Preisformel sei eine bloße Preisgleitklausel, ist festzustellen, dass die Kommission diese Vertragsklausel deshalb als wettbewerbswidrig wertete, weil sie den von Corus an jeden ihrer Lieferanten gezahlten Preis für Glattendrohre an den von Corus ihrerseits für Gewinderohre erzielten Preis koppelte, und zwar für alle drei Lieferanten in gleicher Weise. Selbst wenn die Ausgangspreise für die Lieferung von Glattendrohren wirklich zwischen Corus und jedem ihrer drei Lieferanten unabhängig voneinander ausgehandelt worden sein sollten, wurde das sich in diesen Preisen widerspiegelnde geschäftliche Kräfteverhältnis zwischen Corus einerseits und jedem dieser Unternehmen andererseits eingefroren und jede Möglichkeit eines Wettbewerbs bei den Preisen der von Corus gekauften Glattendrohre ausgeschaltet. Dass als Index der von Corus erzielte Preis für Gewinderohre vereinbart wurde, ist keine neutrale Wahl und unterscheidet die fragliche Preisformel ganz erheblich von einer üblichen Preisgleitklausel. Wie oben in Randnummer 160 erwähnt, wirkte sich diese IndexWahl dahin aus, dass die drei Lieferanten, die auch selbst Gewinderohre herstellten, ihr geschäftliches Interesse an einem Preiswettbewerb mit Corus auf dem Markt des Vereinigten Königreichs verloren.

166. Im Übrigen implizierte die in allen drei Lieferverträgen festgelegte Formel für die Berechnung der Preise für Glattendrohre, wie die Kommission hervorhebt, einen rechtswidrigen Austausch von geschäftlichen Informationen (vgl. Randnr. 153 der Entscheidung sowie auch deren Randnr. 111), die vertraulich bleiben müssen, um die Selbständigkeit der Geschäftspolitik der konkurrierenden Unternehmen nicht zu gefährden (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999 in den Rechtssachen T141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II347, Randnr. 403, und T151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II629, Randnrn. 383 ff.).

167. Das Vorbringen von Mannesmann, ihr seien keine vertraulichen Informationen über die von Corus verkauften Rohrmengen und die dafür von deren Kunden gezahlten Preise offenbart worden, ist nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten.

168. Die von Corus verkauften Mengen von Gewinderohren konnten ihre Lieferanten, darunter Mannesmann, leicht errechnen, da jeder von ihnen grundsätzlich einen festen Prozentanteil am Bedarf von Corus lieferte.

169. Zwar trifft der von Mannesmann geäußerte Hinweis zu, dass Corus ihren Vertragspartnern die für ihre Gewinderohre erzielten Preise als solche nicht mitteilte. Folglich wird die Reichweite der insoweit bestehenden vertraglichen Verpflichtungen übertrieben, wenn es in Randnummer 111 der Entscheidung heißt, Corus habe sich verpflichten [müssen], [ihre] Konkurrenten über Verkaufspreise ... zu informieren. Jedoch hat die Kommission in Randnummer 153 der Entscheidung und vor Gericht zu Recht betont, dass diese Preise zu dem Preis, der für die Glattendrohre gezahlt wurde, in einem bestimmten mathematischen Verhältnis standen, so dass die drei Lieferanten über die Richtung, den Zeitpunkt und den Umfang jeder Fluktuation der von Corus erzielten Verkaufspreise für Gewinderohre genaue Daten erlangten.

170. Die Übermittlung dieser Informationen an Konkurrenten verstößt gegen Artikel 81 Absatz 1 EG, wobei es sich, gleichviel ob die Preise für Gewinderohre selbst oder nur Daten über ihre Fluktuation mitgeteilt wurden, im Wesentlichen um einen Verstoß der gleichen Art handelt. Demnach ist die in der vorstehenden Randnummer genannte Ungenauigkeit im größeren Kontext der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung unbedeutend und damit ohne Einfluss auf die Feststellung, dass diese Zuwiderhandlung vorlag.

171. Zu dem auf die Verordnung Nr. 2790/1999 gestützten Vorbringen von Mannesmann ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar ist, da die angefochtene Entscheidung am 8. Dezember 1999 erlassen wurde und sich ihr Artikel 2 im Fall von Mannesmann auf den Zeitraum von 1993 bis 1997 bezieht, also die Zeit vor Inkrafttreten der einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 2790/1999 zum 1. Juni 2000.

172. Sollte diese Verordnung im vorliegenden Fall dennoch als Anhaltspunkt herangezogen werden können, weil sie eine Stellungnahme der Kommission vom Dezember 1999 zum nur wenig wettbewerbsschädigenden Charakter vertikaler Vereinbarungen bildet, ist zu berücksichtigen, dass mit dieser Verordnung Artikel 81 Absatz 3 EG angewandt wurde. Die individuelle Freistellung für Vereinbarungen zwischen Unternehmen nach dieser Bestimmung ist aber, wie sich aus Artikel 4 der Verordnung Nr. 17 ergibt, nur möglich, wenn die Vereinbarungen dafür bei der Kommission angemeldet wurden, was hier nicht geschehen ist.

173. Die Rechtmäßigkeit der fraglichen Verträge ist daher allein nach Artikel 81 Absatz 1 EG zu beurteilen. Selbst wenn die Verträge im Licht der von der Kommission verfolgten Politik, wie sie in der Verordnung Nr. 2790/1999 zum Ausdruck kommt, die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Freistellungen nach Artikel 81 Absatz 3 EG erfuellten, wäre dies somit im vorliegenden Fall unbeachtlich. Dass diese Verordnung im Dezember 1999 erlassen wurde, bestätigt vielmehr, dass solche Vereinbarungen nach Auffassung der Kommission grundsätzlich gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstießen, weil sie eine Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG verlangten. Das Vorbringen von Mannesmann zur Verordnung Nr. 2790/1999 ist daher zurückzuweisen.

174. Da die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung überdies in Beschränkungen des Wettbewerbs besteht, die in den Lieferverträgen selbst enthalten sind, genügen die vorstehenden Erwägungen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung festzustellen.

175. Denn ungeachtet der Frage, bis zu welchem Grad sich die vier europäischen Hersteller tatsächlich untereinander abstimmten, hat doch jeder von ihnen einen der Lieferverträge geschlossen, mit denen der Wettbewerb beschränkt wurde und die die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG ausmachten. Wenn es in Artikel 2 Absatz 1 der Entscheidung auch heißt, dass die Lieferverträge im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung ... abgeschlossen wurden, geht doch aus Randnummer 111 der Entscheidung klar hervor, dass der Abschluss dieser Verträge selbst die in Artikel 2 festgestellte Zuwiderhandlung bildete.

176. Selbst wenn Mannesmann der Nachweis gelungen wäre, dass ihr Liefervertrag mit Corus objektiv mit ihren geschäftlichen Interessen im Einklang stand, würde hierdurch keineswegs die Auffassung der Kommission widerlegt, dass diese Vereinbarung rechtswidrig war. Wettbewerbswidrige Praktiken liegen nämlich, zumindest kurzfristig, sehr häufig im individuellen Geschäftsinteresse von Unternehmen.

177. Angesichts dieser Feststellungen braucht nicht über die zwischen den Parteien bestehende Meinungsverschiedenheit über die Bedeutung der in den Verträgen für Lieferungsausfälle vorgesehenen Vertragsstrafe, eine bloße entsprechende Reduzierung des Anteils des betreffenden Lieferanten, entschieden zu werden, denn mit diesem Vorbringen möchte Mannesmann dartun, dass Corus mit dem Abschluss der drei Lieferverträge, so wie sie gefasst waren, nur geschäftlich folgerichtig handelte. Aus demselben Grund ist auch das weitere Vorbringen unbeachtlich, dass Vallourec, Dalmine und Mannesmann die einzigen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen gewesen seien, die Rohre mit diesen Abmessungen hätten herstellen können.

178. Ebenso bezieht sich das Vorbringen von Mannesmann zu der Marktmacht von Vallourec wegen ihres Patentes für die VAMPremiumverbindung auf dem Markt für Gewinderohre im Wesentlichen auf das geschäftliche Interesse der Klägerin am Abschluss eines Liefervertrags für Glattendrohre mit Corus und ist deshalb gleichfalls unbeachtlich. Dieses Vorbringen wäre allenfalls geeignet, die Ausführungen der Kommission zur Ausschaltung eines echten Wettbewerbs seitens der Klägerin auf dem britischen Gewinderohrmarkt etwas zu relativieren, aber es könnte nicht ihre zentrale Feststellung entkräften, dass die Vertragsparteien der Lieferverträge auf den britischen Märkten für Glattend und Gewinderohre an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs eine Zusammenarbeit, also geschäftliche Sicherheit, treten ließen.

179. Da das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen ist, besteht auch keine strikte Notwendigkeit, die Erwägungen der Kommission zur Abstimmung unter den vier europäischen Herstellern zu prüfen (vgl. oben, Randnr. 171). Insbesondere braucht hierfür nicht das Vorbringen von Mannesmann zu jenem Indizienbündel analysiert zu werden, das die Kommission außer den Lieferverträgen selbst zum Beweis dieser Abstimmung anführt.

180. Da indessen der Grad der Abstimmung, die zwischen den vier Gemeinschaftsherstellern hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung bestand, für die Prüfung anderer im vorliegenden Fall vorgetragener Klagegründe relevant ist, ist diese Frage gleichwohl zu prüfen.

181. Dazu ist festzustellen, dass Verhaltensweisen, die zu einem Gesamtplan gehören, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde, als Bestandteile einer einzigen Vereinbarung angesehen werden können (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 4027). Denn beweist die Kommission, dass ein Unternehmen mit seiner Beteiligung an bestimmten Abmachungen wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass es sich damit an einer einzigen Vereinbarung beteiligte, so kann seine Beteiligung an diesen Abmachungen der Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein (in diesem Sinne Urteil Zement, Randnrn. 4068 und 4109).

182. In dieser Hinsicht ist der Vermerk Überlegungen zum VAMVertrag vom 23. März 1990 besonders aussagekräftig. Unter der Überschrift Szenario II erwähnt Herr Verluca dort die Möglichkeit, dass die Japaner dazu gebracht werden können, ... sich vom britischen Markt fern[zu]halten und den Europäern [zu] gestatten, das Problem unter sich zu regeln. Er führt dazu weiter aus: In diesem Fall würden sich [Mannesmann], [Vallourec] und Dalmine die Glattendrohrlieferungen an [Corus] teilen. Im folgenden Absatz erwähnt er, dass es [d]ann ... wahrscheinlich günstig [wäre], die [Vallourec]Lieferungen an den Preis und die Menge der von [Corus] verkauften VAM zu koppeln.

183. Da dieser Vorschlag den wesentlichen Inhalt des 16 Monate später zwischen Vallourec und Corus geschlossenen Vertrages exakt widerspiegelt, ist eindeutig, dass Vallourec diese Strategie tatsächlich wählte und sie mit dem Vertragsschluss umsetzte.

184. Dass anschließend ein praktisch identischer Vertrag zwischen Corus einerseits und jedem der anderen europäischen Mitglieder des Europäisch-Japanischen Clubs andererseits, also erst Dalmine und später Mannesmann, geschlossen wurde, so dass der Bedarf von Corus an Glattendrohren, genau wie es Herr Verluca ins Auge gefasst hatte, effektiv ab August 1993 zwischen den drei anderen Mitgliedern des EuropäischJapanischen Clubs aufgeteilt wurde, bestätigt überdies, dass diese drei Verträge zu dem Zweck geschlossen wurden, die im Rahmen ihrer Abstimmung im EuropäischJapanischen Club vorgeschlagene Strategie zu verfolgen.

185. Dieser Schluss wird weiter gestützt durch die Beweismittel, die die Kommission in der Entscheidung anführt, so insbesondere in Randnummer 91, wo es heißt:

Am 21. Januar 1993 schickte [Corus] Vallourec ein Diskussionspapier (S. 4628 [der Kommissionsakte, d. h. Seite 1 des Dokuments Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren]) zu der Frage, wie der Produktionsbereich nahtlose Rohre im Interesse aller umstrukturiert werden könnte. Es ist wahrscheinlich, dass auch [Mannesmann] und Dalmine dieses Papier erhielten. In besagtem Dokument, das auf einer Sitzung zwischen Mannesmann/Vallourec/Dalmine/[Corus] am 29. Januar 1993 diskutiert werden sollte, heißt es: [Corus] [hat angekündigt, dass es die Produktion nahtloser Rohre eventuell einstellen will. Dabei will [Corus] jedoch planvoll vorgehen, damit keine Unterbrechungen bei der Belieferung der Kunden entstehen und das Auftragsvolumen auch unter dem neuen Eigentümer beibehalten werden kann ... In den letzten sechs Monaten hat [Corus] Gespräche mit anderen Stahlrohrherstellern geführt, die an einem Erwerb der Anlagen interessiert sind, und dabei den Eindruck gewonnen, dass die in diesem Papier beschriebene Verfahrensweise auf allgemeine Zustimmung stößt. Einer der Vorschläge lautete, Vallourec die Produktion von OCTG zu überlassen und dabei die bestehenden Verträge über die Lieferung von Glattendrohren zwischen [Corus] einerseits und Vallourec, [Mannesmann] und Dalmine andererseits in den gleichen Größenordnungen aufrechtzuerhalten. Am gleichen Tag fand eine Sitzung zwischen [Mannesmann] und [Corus] statt, in deren Verlauf [Mannesmann], ... sich dafür aus[sprach], dass Vallourec das OCTGGeschäft übernehmen soll (S. 4626 [der Kommissionsakte, nämlich das aus nur einer Seite bestehende Fax vom 22. Januar 1993 von Herrn Davis bei Corus an Herrn Patrier bei Vallourec]). In dem DalminePapier [System für nahtlose Stahlrohre in Europa und Marktentwicklung] Seamless steel tube system in Europe and market evolution (S. 2053 [der Kommissionsakte]) vom Mai-August 1993 ist die Rede davon, dass eine für alle zufriedenstellende Lösung des Problems [Corus] nur im Kreise der Europäer gefunden werden könne und dass auch Dalmine nichts gegen die Übernahme der [Corus]Produktionsstätten durch Vallourec einzuwenden habe.

186. Außerdem fasste Vallourec in ihrem in Randnummer 80 der Entscheidung zitierten Vermerk Strategische Überlegungen ausdrücklich eine mögliche Abstimmung zwischen Dalmine und Mannesmann für die Lieferung von Glattendrohren an Corus ins Auge. In Randnummer 59 der Entscheidung stützte sich die Kommission weiterhin auf das Dokument g) Japaner, besonders auf den Zeitplan auf dessen Seite 4 (S. 4912 der Kommissionsakte), als Beleg dafür, dass die europäischen Hersteller vor der Zusammenkunft mit den japanischen Herstellern eine vorbereitende Sitzung abhielten, um ihre Positionen untereinander abzustimmen und im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs gemeinsame Vorschläge zu unterbreiten.

187. Den vorgenannten Beweisurkunden, die die Kommission in der Entscheidung anführt, ist zu entnehmen, dass die vier Gemeinschaftshersteller tatsächlich, zumindest im Jahr 1993, zusammenkamen, um ihre Position im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs vor dessen interkontinentalen Sitzungen abzustimmen. Ebenfalls bewiesen ist, dass auf diesen Zusammenkünften über die Schließung des Gewindeschneidewerkes von Corus in Clydesdale und dessen Übernahme durch Vallourec und über die Lieferung von Glattendrohren an Corus durch Dalmine und Mannesmann diskutiert wurde. Es ist daher undenkbar, dass Mannesmann die Ausrichtung der von Vallourec erarbeiteten Strategie und der Umstand verborgen geblieben sein könnten, dass sich ihr eigener Liefervertrag mit Corus in eine umfassendere wettbewerbswidrige Vereinbarung sowohl über den Markt für Standardgewinderohre als auch für Glattendrohre einfügte.

188. Soweit Mannesmann geltend macht, der dritte, nämlich ihr eigener Liefervertrag mit Corus sei erst deutlich später geschlossen worden als die beiden anderen, so dass die Kommission nicht auf das Vorliegen einer einzigen Zuwiderhandlung unter Beteiligung der vier europäischen Hersteller hätte schließen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass die Auffassung der Kommission durch das Fehlen eines Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus in der Zeit vor 1993 nicht entkräftet wird. Zwar wurde nämlich die Strategie einer Aufteilung der Lieferungen von Glattendrohren in vollem Umfang erst von dem Zeitpunkt an umgesetzt, als Corus drei Lieferanten hatte, doch stellte die Unterzeichnung der anderen beiden Verträge bereits eine Teilumsetzung dieses Vorhabens in Erwartung seiner vollständigen Verwirklichung dar.

189. Im Übrigen ist, wie die Kommission vor Gericht ausgeführt hat, der in dem Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren vom 21. Januar 1993 enthaltene Hinweis darauf, dass Mannesmann damals bereits Glattendrohre an Corus lieferte, mit der Unterzeichnung eines Liefervertrags zwischen Corus und Mannesmann im August 1993 keineswegs unvereinbar, wie Mannesmann meint, sondern erhärtet die Analyse der Kommission. Wenngleich die Kommission nämlich das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung vorsorglich erst vom 9. August 1993 an feststellte, weil der Abschluss des Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus zu diesem Datum einen sicheren Beweis für Mannesmanns Beteiligung an der Zuwiderhandlung darstellt, ergibt sich aus diesem Hinweis in Wirklichkeit, dass Mannesmann bereits im Januar 1993 Glattendrohre an Corus lieferte.

190. Den von der Kommission in der Entscheidung angeführten Beweismitteln ist damit zu entnehmen, dass Vallourec die Strategie zum Schutz des Marktes des Vereinigten Königreichs ausarbeitete und einen Liefervertrag mit Corus schloss, der den ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Strategie ermöglichte. Dalmine und Mannesmann schlossen sich später Vallourec an, wie der Abschluss eines eigenen Liefervertrags mit Corus durch jede von ihnen bezeugt.

191. Das Vorbringen schließlich, es habe keine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten gegeben, ist, wie die Kommission geltend macht, nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig.

192. Denn mit dieser erstmals in der Erwiderung vorgetragenen Argumentation wirft Mannesmann der Kommission Rechts- und Beurteilungsfehler hinsichtlich einer Anwendungsvoraussetzung von Artikel 81 Absatz 1 EG vor. Materiellrechtliche Klagegründe sind nicht zwingenden Rechts und daher vom Gemeinschaftsrichter nicht von Amts wegen zu prüfen.

193. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht ein mit dieser Argumentation von Mannesmann vergleichbares Vorbringen in den Rechtssachen, die mit der vorliegenden Rechtssache zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, als unbegründet zurückgewiesen hat (Urteile Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 127, insbesondere Randnrn. 156 und 157, und JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, insbesondere Randnrn. 367 bis 374 und 386 bis 395).

194. Das weitere Vorbringen, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Vertrages zwischen Mannesmann und Corus seien nur gering gewesen, ist zulässig, da es das bereits in der Klageschrift formulierte Vorbringen unterstützt, wonach die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass die in Artikel 2 der Entscheidung genannten Lieferverträge eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 81 EG bezweckt oder bewirkt hätten.

195. In der Sache ist insoweit zunächst daran zu erinnern, dass die Kommission im vorliegenden Fall nicht nur auf die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen, sondern auch auf den wettbewerbsbeschränkenden Zweck der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Übereinkunft abstellte (vgl. Randnr. 111 der Entscheidung sowie oben, Randnrn. 157 ff.).

196. Grundsätzlich können sich Unternehmen, die eine Übereinkunft mit wettbewerbswidrigem Ziel schließen, der Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich die Übereinkunft nicht messbar auf den Wettbewerb ausgewirkt habe (vgl. auch oben, Randnr. 130).

197. Denn wie oben in den Randnummern 179 ff. festgestellt, sollten mit den in Artikel 2 der Entscheidung genannten Verträgen vor allem die Lieferungen von Glattendrohren an Corus als Marktführer (leader, vgl. Randnr. 111 der Entscheidung) auf dem britischen Markt unter deren ebenfalls dem EuropäischJapanischen Club angehörenden Konkurrenten aufgeteilt werden. Außerdem sahen die Verträge eine rechtswidrige Übermittlung von geschäftlichen Informationen durch Corus vor. Somit beinhaltete bereits der Zweck der Verträge als solcher, welches auch immer ihre Wirkungen waren, erhebliche Beschränkungen des Wettbewerbs auf dem Markt des Vereinigten Königreichs, der im Verhältnis zu der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung einen gesonderten Markt bildete (Urteil Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 127, Randnrn. 267 und 268).

198. Die vorgenannten Rügen sind daher in der Sache zurückzuweisen, soweit sie sich auf die Frage beziehen, ob die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung das Kriterium des Zweckes oder der Bewirkung einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs erfuellte.

199. Das Vorbringen von Mannesmann zur Bekanntmachung von 1997 ist zulässig, obwohl es erstmals in der Erwiderung geäußert worden ist. Denn Mannesmann beruft sich auf diese Mitteilung, um ihr bereits in der Klageschrift formuliertes Argument zu bekräftigen, wonach es sich bei den Lieferverträgen nicht um wettbewerbswidrige, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßende Vereinbarungen gehandelt habe.

200. In der Sache ist insoweit zunächst darauf hinzuweisen, dass die Bekanntmachung von 1997 im vorliegenden Fall zeitlich anwendbar ist, weil die angefochtene Entscheidung im Jahr 1999 erlassen wurde. Bei der Bekanntmachung von 1997 handelt es sich um eine zu diesem Zeitpunkt abgegebene Stellungnahme der Kommission zu den Vereinbarungen, die als Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG anzusehen sind. Dabei ist hervorzuheben, dass die Bekanntmachung von 1997 die Schwellenwerte als Prozentzahlen festsetzt, womit in ihr gegenüber den vorangegangenen Bekanntmachungen mit Schwellenwerten in absoluten Zahlen eine Entwicklung in der Politik und/oder Beurteilung der Kommission zum Ausdruck kommt und keine bloße Berücksichtigung der Inflation. Demnach ist, obgleich die fraglichen Verträge 1991 und 1993 geschlossen wurden, für die Würdigung der angefochtenen Entscheidung die Bekanntmachung von 1997 und nicht die von 1986 einschlägig.

201. Jedoch lassen sich die fraglichen Lieferverträge nicht unter Berufung auf die Bekanntmachung von 1997 für rechtmäßig erklären, da sie zur Umsetzung einer umfassenderen wettbewerbswidrigen Übereinkunft über Gewinderohre beitrugen, die nicht unter den Wortlaut der Bekanntmachung fallen kann (vgl. oben, Randnrn. 179 ff.). Denn die wettbewerbswidrige Zielsetzung und Wirkung der Verträge gehen teilweise über diejenigen hinaus, die sich unmittelbar aus ihren Klauseln ergeben, so dass mit einer mechanischen Anwendung der Bekanntmachung von 1997 nur auf die Lieferverträge als solche deren Auswirkungen auf die betroffenen Märkte nicht angemessen gewürdigt würden.

202. Jedenfalls beziehen sich die Zahlen, mit denen Mannesmann belegen will, dass der Marktanteil der in Frage stehenden Unternehmen die in der Bekanntmachung von 1997 festgelegten Schwellenwerte nicht erreicht habe, auf den Weltmarkt für OCTGRohre. Nach der Bekanntmachung von 1997 aber dürfen die von allen beteiligten Unternehmen insgesamt gehaltenen Marktanteile die fraglichen Schwellen auf keinem der betroffenen Märkte überschreiten.

203. Zwar wird der räumliche Markt für nahtlose OCTGRohre in Randnummer 35 der Entscheidung als weltweiter Markt definiert, jedoch ist diese Definition im Licht der eingehenden Beschreibung zu sehen, die die angefochtene Entscheidung von den verschiedenen Seiten der im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs geschlossenen Vereinbarungen, so besonders den Grundregeln, gibt. Denn der Entscheidung insgesamt, besonders ihren Randnummern 53 bis 77, ist zu entnehmen, dass sich das Verhalten der japanischen und europäischen Hersteller auf jedem einzelnen Markt eines Staates oder, in manchen Fällen, einer Weltgegend nach besonderen Regeln bestimmte, die von Markt zu Markt unterschiedlich waren und das Resultat der geschäftlichen Verhandlungen im EuropäischJapanischen Club bildeten.

204. Demnach besteht die wirkliche Analyse der betroffenen räumlichen Märkte in der Entscheidung aus der eingehenden Beschreibung der auf jedem einzelnen Markt gegebenen Lage. Randnummer 35 der Entscheidung ist deshalb dahin auszulegen, dass darin der räumliche Markt für nahtlose OCTGRohre so definiert wird, wie er normalerweise nach rein objektiven geschäftlichen und wirtschaftlichen Erwägungen hätte bestehen müssen, wenn es keine rechtswidrigen Vereinbarungen gegeben hätte, die seine künstliche Aufspaltung bezweckten oder bewirkten.

205. Folglich ist das Vorbringen von Mannesmann zu den geringen Prozentsätzen der von Corus und ihr selbst ausgeführten Verkäufe auf dem Weltmarkt für OCTGRohre als unbeachtlich zurückzuweisen. Bei Heranziehung der Bekanntmachung von 1997 wäre also auf die Anteile auf dem britischen Markt oder zumindest auf dem Gemeinschaftsmarkt abzustellen. Ausweislich der angefochtenen Entscheidung, insbesondere der in ihren Randnummern 68 und 113 angeführten Zahlen, lagen jedoch allein die Marktanteile von Corus als Vertragspartei aller fraglichen Lieferverträge auf dem britischen wie auf dem Gemeinschaftsmarkt deutlich über den in der Bekanntmachung von 1997 festgesetzten Schwellen von 10 % des Marktes bei vertikalen Vereinbarungen oder 5 % bei horizontalen Vereinbarungen. Damit waren die fraglichen Verträge offenkundig keine Vereinbarungen von geringer Bedeutung im Sinne der Bekanntmachung von 1997.

206. Nach alledem hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Lieferverträge die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bildeten und damit deren Vorliegen rechtlich hinreichend bewiesen. Vorsorglich ist weiter festzustellen, dass die von der Kommission angeführten ergänzenden Beweise ihre Auffassung erhärten, dass sich diese Verträge in eine gemeinsame umfassendere Politik auf dem Markt für OCTGStandardgewinderohre einfügten.

Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

Zu den Regeln über die Berechnung der Geldbuße

Vorbringen der Parteien

207. Mannesmann wirft der Kommission zunächst vor, sie habe die Regeln über die Bemessung von Geldbußen nicht richtig angewandt, so insbesondere nicht die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKSVertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und die Mitteilung über Zusammenarbeit. In diesem Zusammenhang bezieht sich Mannesmann auch auf die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission, die bei ihr ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Methode zur Berechnung und hinsichtlich der Höhe der von der Kommission verhängten Geldbußen geschaffen habe.

208. In ihrer Erwiderung weist die Klägerin ergänzend darauf hin, dass die angefochtene Entscheidung nicht ausdrücklich auf die Leitlinien Bezug nehme und darum den Begründungserfordernissen nach Artikel 253 EG nicht entspreche. Denn wären die Leitlinien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, so hätte die Kommission ihrer früheren Entscheidungspraxis folgen und die Höhe der Geldbuße nach dem Umsatz von Mannesmann auf dem betroffenen Markt bemessen müssen. Von dieser früheren Praxis hätte die Kommission nicht abweichen dürfen, ohne dies in der Entscheidung ausdrücklich zu begründen. Sollte sich im Übrigen erweisen, dass die Kommission die Leitlinien für die Berechnung der Geldbußen stillschweigend angewandt habe, so sei jedenfalls Artikel 253 EG nicht eingehalten worden. Denn in diesem Fall hätte die Kommission in der Entscheidung die Gesichtspunkte angeben müssen, die für die Bemessung der Höhe der Geldbuße maßgebend gewesen seien (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 42, Randnrn. 4725 ff.; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T347/94, MayrMelnhof/Kommission, Slg. 1998, II1751, Randnr. 283).

209. Die Kommission hält dem entgegen, dass die erstmals in der Erwiderung vorgebrachte Rüge eines Verstoßes gegen ihre frühere, vor Erlass der Leitlinien geübte Entscheidungspraxis, nachdem Mannesmann erst nur einen Verstoß gegen die Leitlinien geltend gemacht hätte, ein neues Angriffsmittel darstelle und damit nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung unzulässig sei. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspreche den vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P (Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnrn. 44 ff.) formulierten Anforderungen. So habe sie sich zur Schwere der Zuwiderhandlung (Randnrn. 159 bis 165 der Entscheidung) und ihrer Dauer (Randnr. 166), zum Vorliegen mildernder Umstände (Randnr. 169) und zur Mitteilung über Zusammenarbeit (Randnr. 174) geäußert. Schließlich stehe die angefochtene Entscheidung auch im Einklang mit den Leitlinien.

Würdigung durch das Gericht

210. Der Klagegrund einer fehlenden oder unzureichenden Begründung eines gemeinschaftlichen Rechtsakts betrifft zwingendes Recht, das der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen zu beachten hat und darum von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T45/98 und T47/98, Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II3757, Randnr. 125). Dass der Klagegrund einer mangelnden Begründung für die Berechnungsweise der Geldbußen erstmals in der Erwiderung geltend gemacht wurde, steht daher seiner Prüfung durch das Gericht nicht entgegen.

211. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, so insbesondere nach dem Inhalt des fraglichen Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, das die Adressaten des Rechtsakts oder andere von ihm unmittelbar und individuell betroffene Personen an entsprechenden Erläuterungen haben können (Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I723, Randnr. 86, und in der Rechtssache Kommission/Sytraval und Brink's France, zitiert oben in Randnr. 126, Randnr. 63). In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung den Erfordernissen des Artikel 253 EG genügt, nicht nur im Hinblick auf den Wortlaut des Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch auf dessen Kontext und sämtliche Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Petrotub und Republica/Rat, zitiert oben in Randnr. 72, Randnr. 81).

212. Auch wenn die Kommission für die Festsetzung der Höhe einer Geldbuße über ein Ermessen verfügt (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II1165, Randnr. 59, und - entsprechend - vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II1689, Randnr. 127), darf sie nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat (Urteil Hercules Chemicals/Kommission, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 53, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C51/92 P, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I4235, und die dort zitierte Rechtsprechung). Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Elemente.

213. Im vorliegenden Fall ist den Randnummern 156 bis 175 der Entscheidung klar zu entnehmen, dass die Kommission für die Bemessung der Geldbußen die in den Leitlinien vorgesehene Berechnungsweise anwandte, wie ihr dies nach der in der vorstehenden Randnummer zitierten Rechtsprechung ohnehin oblag. Demnach bewirkt das Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme auf die Leitlinien bei der Berechnung der Geldbußen in der angefochtenen Entscheidung keinen deren Rechtmäßigkeit berührenden Begründungsmangel. Eine solche Bezugnahme hätte nämlich lediglich einen Umstand bestätigen können, der für Mannesmann nach dem vorstehend skizzierten rechtlichen Kontext jedenfalls offenkundig war.

214. Der Klagegrund eines insoweit vorliegenden Begründungsmangels ist daher zurückzuweisen.

215. Soweit sich Mannesmann auf die frühere Entscheidungspraxis der Kommission stützt und ein durch diese geschaffenes berechtigtes Vertrauen geltend macht, ist zunächst festzustellen, dass ihr Vorbringen zulässig ist, weil es, wenn auch knapp, bereits in Randnummer 74 der Klageschrift im Rahmen ihrer Argumentation zur Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung geäußert wurde. Ihr Vorbringen in der Erwiderung unterstützt damit diesen Klagegrund.

216. In der Sache selbst ist daran zu erinnern, dass die Einführung einer neuen Methode für die Berechnung von Geldbußen durch die Kommission, auch wenn sie in einigen Fällen zu höheren Geldbußen führen mag - die jedoch die in der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze nicht überschreiten -, angesichts des der Kommission in dieser Verordnung eingeräumten Ermessens (vgl. dazu oben, Randnr. 212) nicht als eine rückwirkende Verschärfung der rechtlich in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geregelten Geldbußen angesehen werden kann (vgl., wenn auch mit Rechtsmittel angefochten, Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II1705, Randnr. 235).

217. Darum ist der Hinweis unbeachtlich, dass die Berechnung der Geldbußen nach der in den Leitlinien festgelegten Methode die Kommission zur Verhängung von höheren Geldbußen veranlassen kann als nach ihrer früheren Praxis, so vor allem mangels einer konsequenten Berücksichtigung der Größenunterschiede zwischen den Unternehmen. Die Kommission verfügt nämlich bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu bewegen zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (vgl. oben, Randnr. 212, und Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II1799, Randnr. 53). Außerdem wird die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 96, Randnr. 109; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II907, Randnr. 309, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II869, Randnr. 89). Die Kommission muss vielmehr im Interesse der praktischen Wirksamkeit der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln jederzeit das Niveau der Geldbußen den Erfordernissen dieser Politik anpassen können (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 109, und LR AF 1998/Kommission, zitiert oben in Randnr. 216, Randnrn. 236 und 237).

218. Demnach kann sich Mannesmann nicht auf die vorherige Entscheidungspraxis der Kommission berufen. Der vorliegende Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zur Bestimmung der Höhe der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

219. Mannesmann bringt zur Bemessung der gegen sie verhängten Geldbuße vier Hauptrügen vor.

Zur Schwere der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung

- Vorbringen der Parteien

220. Die Klägerin tritt zunächst der Würdigung der Schwere der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung durch die Kommission entgegen. Die Schwere einer Zuwiderhandlung müsse im Licht ihrer Auswirkungen auf den Markt beurteilt werden (Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien). Selbst wenn die fraglichen Zuwiderhandlungen als besonders schwer im Sinne der Leitlinien betrachtet werden könnten, sei doch zu rügen, dass die Kommission ihre Auswirkungen auf den Markt als erschwerende Umstände gewertet habe.

221. Sie selbst habe rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen nicht vorlägen. Der Betrag der gegen sie verhängten Geldbuße sei zumindest in dem Umfang herabzusetzen, in dem die Kommission zu Unrecht von den Wettbewerb verfälschenden Auswirkungen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung ausgegangen sei.

222. Mit der Festsetzung des Grundbetrags der Buße ohne Berücksichtigung der Größe oder des Umsatzes der betroffenen Unternehmen auf dem fraglichen Markt habe die Kommission die Grenzen ihres Ermessens überschritten. Die Billigkeit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangten, dass nicht alle Unternehmen gleich behandelt würden, sondern dass ihr Verhalten nach ihrer individuellen Rolle oder der Auswirkung des Verstoßes geahndet werde. Eine proportionale Einzelfallgerechtigkeit müsse auch gegenüber Großunternehmen gewahrt bleiben, wie auch die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze für Geldbußen in Höhe von 10 % des Umsatzes zeige.

223. Die Kommission habe die Grenzen ihres Ermessens ihr gegenüber weiter dadurch überschritten, dass sie wegen der Vallourec angelasteten Zuwiderhandlung eine gesonderte Geldbuße verhängt habe, obgleich Mannesmann zwischenzeitlich die Kontrolle über Vallourec erworben habe. Die Kommission hätte daher nur eine einzige Geldbuße gegen Mannesmann unter Einbeziehung des Verhaltens ihrer Tochtergesellschaft Vallourec verhängen dürfen. Da sie dies nicht getan habe, habe die Kommission gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen und einen Ermessensfehler begangen.

224. Die Kommission hält an ihrer Bewertung fest, dass die Übereinkunft zum Schutz der Heimatmärkte im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs ihrem Wesen nach eine äußerst schwere Zuwiderhandlung sei (Randnr. 121 der Entscheidung).

225. Da der in Artikel 2 festgestellte Verstoß nicht zur Verhängung einer gesonderten Geldbuße geführt habe, seien die Rügen, wonach dieser Verstoß ohne wettbewerbswidrige Auswirkungen geblieben sei, unbeachtlich.

226. Im Übrigen seien Mannesmann, Vallourec und Dalmine sämtlich als Großunternehmen anzusehen (vgl. Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl. L 107, S. 4). Die in der Verordnung Nr. 17 festgesetzte absolute Obergrenze für Geldbußen verpflichte die Kommission nicht, bei der Berechnung des Grundbetrags einer Buße zwischen Großunternehmen zu differenzieren.

227. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass Mannesmann die Kontrolle über Vallourec erst im Jahr 1997 erworben habe. Während der gesamten Zeit der Zuwiderhandlung seien beide Unternehmen voneinander unabhängig gewesen, weshalb die Kommission ihnen zwei gesonderte Geldbußen auferlegt habe. Müsste die Kommission den Betrag von Geldbußen wegen einer Fusion von Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt gewesen seien, nach dessen Aufdeckung herabsetzen, so würde hierdurch die abschreckende Wirkung von Geldbußen eindeutig geschwächt.

- Würdigung durch das Gericht

228. Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission Geldbußen in Höhe von 1 000 bis einer Million Euro oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

229. Dagegen ist die Höhe der Geldbuße entgegen der Auffassung von Mannesmann weder nach der Verordnung Nr. 17 noch nach der Rechtsprechung, noch nach den Leitlinien unmittelbar nach der Größe des betroffenen Marktes festzusetzen; letztere stellt nur einen Faktor unter anderen dar. So ist der Bußgeldbetrag, der einem Unternehmen wegen einer wettbewerblichen Zuwiderhandlung auferlegt wird, nach der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung so zu bemessen, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere im Verhältnis steht (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II755, Randnr. 240, und analog Urteil Deutsche Bahn/Kommission, zitiert oben in Randnr. 212, Randnr. 127). Wie der Gerichtshof in Randnummer 120 des Urteils Musique diffusion française u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 96) entschieden hat, sind für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind (vgl. auch Urteil Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).

230. Im Übrigen hat die Kommission die Leitlinien zwar in der Entscheidung für die Berechnung der Geldbußen nicht ausdrücklich angeführt, die den Adressaten der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbußen jedoch gleichwohl nach der in den Leitlinien festgelegten Berechnungsweise bemessen (vgl. oben, Randnr. 212).

231. Wie oben erwähnt, verfügt die Kommission zwar für die Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen; sie darf aber nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat (vgl. oben, Randnr. 212, und die dort zitierte Rechtsprechung). Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Elemente. Indessen greifen das Ermessen der Kommission und die ihm von ihr selbst gezogenen Grenzen jedenfalls nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung vor.

232. Nach Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien sind [b]ei der Ermittlung der Schwere des Verstoßes ... seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen. In Randnummer 159 der Entscheidung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie diese drei Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.

233. Allerdings stützte sich die Kommission in Randnummer 161 der Entscheidung für die Einstufung der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als äußerst schwer im Wesentlichen auf die Art des rechtswidrigen Verhaltens aller betroffenen Unternehmen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Vereinbarung über den Schutz von Heimatmärkten ihrer Art nach in erheblichem Maße wettbewerbswidrig sei sowie das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt habe und dass es sich um ein geheimes und institutionalisiertes System zur Beschränkung des Wettbewerbs gehandelt habe. In Randnummer 161 erwähnte die Kommission weiter, dass der überwiegende Teil des Verbrauchs an nahtlosen OCTG[Rohren] und [Leitungsrohren] in der Gemeinschaft auf die vier von der Übereinkunft betroffenen Mitgliedstaaten [entfalle], die somit einen räumlich ausgedehnten Markt [darstellten].

234. In Randnummer 160 der Entscheidung stellte die Kommission hingegen fest, dass [d]ie konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt ... begrenzt seien, weil die beiden von dem Verstoß betroffenen Produktarten, nämlich OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre, nur 19 % des gesamten Gemeinschaftsverbrauchs an nahtlosen OCTGRohren und Leitungsrohren ausmachten und weil wegen des technischen Fortschritts ein Teil der Nachfrage nach nahtlosen Rohren inzwischen durch geschweißte Rohre gedeckt werden könne.

235. So berücksichtigte die Kommission dann in Randnummer 162 der Entscheidung, nachdem sie die Zuwiderhandlung auf der Grundlage der in Randnummer 161 genannten Faktoren als äußerst schwer eingestuft hatte, den relativ begrenzten Umfang der Verkäufe der fraglichen Produkte durch die Adressaten der Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten (73 Millionen Euro jährlich). Diese Bezugnahme auf die Größe des Marktes entspricht der in Randnummer 160 der Entscheidung enthaltenen Beurteilung, dass die Zuwiderhandlung nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. Demgemäß setzte die Kommission den Betrag wegen der Schwere der Zuwiderhandlung auf 10 Millionen Euro fest. Die Leitlinien sehen für eine Zuwiderhandlung, die zur Kategorie der besonders schweren Verstöße gehört, grundsätzlich eine Geldbuße von oberhalb von 20 Mio. [Euro] vor.

236. Es ist zu prüfen, ob diese Vorgehensweise der Kommission im Licht der dagegen von Mannesmann erhobenen Einwände rechtswidrig ist.

237. Hierfür ist zunächst das Argument von Mannesmann zu erörtern, dass die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung ohne Auswirkungen geblieben sei.

238. Dazu hat die Kommission sowohl in Randnummer 164 der Entscheidung als auch vor Gericht klargestellt, dass sie wegen dieser Zuwiderhandlung keinen zusätzlichen Bußgeldbetrag verhängt habe.

239. Jedoch hat das Gericht in seinem Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 102) festgestellt, dass die Kommission, indem sie die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung für die Festsetzung der Höhe der gegen die europäischen Hersteller verhängten Geldbuße nicht berücksichtigt hat, den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung verkannt hat. Da die Kommission indessen in den Rechtsachen T44/00, T48/00 und T50/00 nicht beantragt hat, die den europäischen Herstellern auferlegten Geldbußen zu erhöhen, besteht das geeignetste Mittel zur Behebung dieser Ungleichbehandlung darin, anstelle einer Erhöhung der gegen die drei europäischen Klägerinnen verhängten Geldbußen die den japanischen Klägerinnen auferlegten Geldbußen herabzusetzen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, Randnrn. 574 bis 579).

240. Da die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung für die Berechnung der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße weder von der Kommission noch vom Gericht berücksichtigt wurde, beruht das diesbezügliche Vorbringen von Mannesmann auf einer unzutreffenden Voraussetzung und ist demgemäß zurückzuweisen.

241. Soweit Mannesmann weiterhin argumentiert, die Kommission habe bei der Berechnung der Geldbuße nach den Leitlinien die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung auf dem Markt zu berücksichtigen, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Gesichtspunkt in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung durchaus Rechnung getragen wurde: Die oben in Randnummer 235 erwähnte Herabsetzung des üblichen Mindestbetrags der für einen besonders schweren Verstoß verwirkten Geldbuße um 50 % berücksichtigt angemessen diese begrenzte Auswirkung des Verstoßes auf den Markt.

242. Geldbußen sollen im Wettbewerb eine abschreckende Wirkung entfalten (vgl. Abschnitt 1 Buchstabe A vierter Absatz der Leitlinien). Da es sich bei den Adressaten der angefochtenen Entscheidung, wie in deren Randnummer 165 erwähnt (vgl. auch unten, Randnrn. 243 ff.), um Großunternehmen handelt, hätte eine deutlich stärkere Herabsetzung des wegen der Schwere festgesetzten Betrages den Geldbußen ihre abschreckende Wirkung nehmen können.

243. Zu dem Argument von Mannesmann, die Kommission hätte die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den betroffenen Märkten im vorliegenden Fall nicht als erschwerenden Umstand bewerten dürfen, genügt der Hinweis, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinerlei erschwerende Umstände angeführt hat. Dieses Vorbringen ist deshalb zurückzuweisen.

244. Soweit Mannesmann sodann geltend macht, die Kommission müsse die Größe des individuellen Unternehmens und die Bedeutung seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße berücksichtigen, ist zunächst hervorzuheben, dass die oben in Randnummer 228 erwähnte Bezugnahme in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 auf 10 % des weltweiten Umsatzes ausschließlich für die Berechnung der Hoechstgrenze der von der Kommission zu verhängenden Geldbuße relevant ist (vgl. den ersten Absatz der Leitlinien und Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 96, Randnr. 119) und keineswegs bedeutet, dass die Größe eines Unternehmens proportional zur Höhe der ihm auferlegten Geldbuße sein müsste (vgl. auch oben, Randnr. 227).

245. Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass nach Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der im vorliegenden Fall anwendbaren (vgl. oben, Randnr. 230) Leitlinien in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen ... Gruppen [von Zuwiderhandlungen] festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren.

246. Allerdings ist den Ausdrücken in bestimmten Fällen und vor allem in den Leitlinien zu entnehmen, dass eine Gewichtung nach der individuellen Unternehmensgröße kein durchgehend zu vollziehender Berechnungsschritt ist, zu dem sich die Kommission verpflichtet hat, sondern eine Anpassungsmöglichkeit, die sie sich, soweit erforderlich, vorbehält. In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung zu beachten, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I1611, Randnr. 54, und Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Ferriere Nord/Kommission, zitiert oben in Randnr. 108, Randnrn. 32 und 33, und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C238/99 P, C244/95 P, C245/99 P, C247/99 P, C250/99 P bis C252/99 P und C254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I8375, Randnr. 465; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T309/94, KNP BT/Kommission, Slg. 1998, II1007, Randnr. 68).

247. Unter Berücksichtigung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Abschnitt der Leitlinien ist davon auszugehen, dass der Kommission hinsichtlich der Frage, ob eine solche Gewichtung der Geldbußen nach der Größe des einzelnen Unternehmens angezeigt ist, ein gewisses Ermessen verbleibt. So braucht die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nicht dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen eine Differenzierung nach ihrem Gesamtumsatz zum Ausdruck kommt (in diesem Sinne, wenn auch mit Rechtsmittel angefochten, Urteile des Gerichts in der Rechtssache LR AF 1998/Kommission, zitiert oben in Randnr. 216, Randnr. 278, und vom 19. März 2003 in der Rechtssache T213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II913, Randnr. 385).

248. Im vorliegenden Fall stellte die Kommission in Randnummer 165 der Entscheidung fest, dass alle Adressaten der Entscheidung Großunternehmen seien, so dass eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht angezeigt sei.

249. Insoweit hat die Kommission, von Mannesmann unwidersprochen, in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass Mannesmann kein kleines oder mittleres Unternehmen sei. So dürfen nach der im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Empfehlung 96/280 solche Unternehmen nur weniger als 250 Personen beschäftigen und nur einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen Euro haben. In der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36) wurden die beiden letztgenannten Schwellen auf 50 Millionen und 43 Millionen Euro angehoben.

250. Auch wenn dem Gericht keine Zahlen über die Beschäftigten und die Bilanz von Mannesmann vorliegen, ist doch festzustellen, dass der Umsatz der Klägerin im Jahr 1998 in Höhe von 2 321 Millionen Euro (vgl. Randnr. 13 der Entscheidung) mehr als vierzigmal höher war als die Obergrenze, die die Kommission in ihren verschiedenen Empfehlungen als ein Kriterium festgelegt hat. Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen ist somit die von der Kommission in Randnummer 165 der Entscheidung getroffene Feststellung, dass Mannesmann ein Großunternehmen ist, nicht fehlerhaft.

251. Zur Rolle von Mannesmann im Rahmen der Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass sich ihre Beteiligung an der Marktaufteilungsabsprache aus der von ihr eingegangenen Verpflichtung ergibt, die in Frage stehenden Produkte nicht auf den anderen Märkten zu verkaufen. Die gleiche Verpflichtung, nämlich die fraglichen OCTGStandardrohre und Leitungsrohre nicht auf dem Heimatmarkt aller übrigen Mitglieder des EuropäischJapanischen Clubs zu verkaufen, gingen alle Hersteller ein. Wie oben in Randnummer 233 erwähnt, stützte sich die Kommission aber für ihre Einstufung der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als äußerst schwer hauptsächlich auf den ausgeprägt wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verpflichtung.

252. Da Mannesmann das einzige deutsche Mitglied des EuropäischJapanischen Clubs ist, ist weiterhin festzustellen, dass ihre Präsenz genügte, um den räumlichen Anwendungsbereich der wettbewerbswidrigen Übereinkunft auf das Gebiet eines Mitgliedstaats der Gemeinschaften auszudehnen. Indem Mannesmann sich verpflichtete, ihre Rohre nicht auf dem Markt der drei anderen von der Übereinkunft betroffenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu verkaufen, trug sie auch dazu bei, den tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerb auf diesen anderen Märkten zu reduzieren. Durch ihre Teilnahme an den Sitzungen des Clubs stimmte Mannesmann dem Inhalt der dort geschlossenen wettbewerbswidrigen Übereinkunft grundsätzlich zu oder erweckte zumindest bei den anderen Teilnehmern den Eindruck ihrer Zustimmung. Zudem ist den Akten, insbesondere den Zahlen in der Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung, zu entnehmen, dass die von dem Kartell vorgesehene Marktaufteilung zumindest in gewissem Umfang tatsächlich angewandt wurde und auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten zwangsläufig reale Auswirkungen hatte. Damit ist festzustellen, dass die Beteiligung von Mannesmann an der Zuwiderhandlung eine nicht zu vernachlässigende Auswirkung auf dem Markt der Gemeinschaft hatte.

253. Da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung feststellte, dass es sich bei den vier japanischen Kartellunternehmen um Großunternehmen handelte (vgl. oben, Randnr. 248), und die verhältnismäßg begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf die betroffenen Märkte global berücksichtigte (vgl. oben, Randnr. 235 und 241), genügt das Vorbringen von Mannesmann nicht, um darzutun, dass die Kommission mit der Nichtanwendung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der Leitlinien im vorliegenden Fall die Grenzen ihres Ermessens überschritt.

254. Was schließlich das Vorbringen von Mannesmann angeht, es seien gegen sie und Vallourec trotz der Zusammenlegung ihrer Rohrproduktion im Jahr 1997 zu Unrecht zwei gesonderte Geldbußen verhängt worden (vgl. Randnrn. 12 und 15 der Entscheidung), so ist festzustellen, dass grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das betreffende Unternehmen zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung leitete, für diese einzustehen hat, selbst wenn die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Zeitpunkt des Erlasses der die Zuwiderhandlung feststellenden Entscheidung auf eine andere Person übergegangen war (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnr. 57). Das gilt jedoch nicht, wenn die Person, die die Verantwortung für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens übernommen hat, durch eine entsprechende Erklärung auch die Verantwortung für Handlungen übernommen hat, die ihrem Vorgänger angelastet werden (Urteil Krupp Thussen Tainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Randnr. 62).

255. Im vorliegenden Fall ist Mannesmann die juristische Person, die ein Unternehmen, das an der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung beteiligt war, während der Begehung der Zuwiderhandlung leitete; Vallourec ist eine juristische Person, die zur selben Zeit ein weiteres, von Mannesmann unabhängiges Unternehmen leitete, das ebenfalls an der Zuwiderhandlung beteiligt war. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass Mannesmann, Vallourec oder eine ihrer Tochtergesellschaften im vorliegenden Fall eine Erklärung über die jeweilige Verantwortung abgegeben hätten. Die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Regel lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass gegen den Urheber einer solchen Erklärung, wenn auch er an der Zuwiderhandlung eigenständig beteiligt war, nur eine einzige Geldbuße verhängt werden dürfte, deren Gesamtbetrag geringer zu sein hätte als die Summe der beiden Geldbußen, die gegen die eigenständigen Unternehmen zu verhängen gewesen wären.

256. Nach alledem rechtfertigt das vorgenannte Vorbringen von Mannesmann keine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße im vorliegenden Verfahren.

Zur Dauer

- Vorbringen der Parteien

257. Mannesmann bestreitet die von der Kommission angenommene Dauer der Zuwiderhandlung. Auch wenn die Sitzungen des EuropäischJapanischen Clubs 1977 begonnen hätten und 1995 eingestellt worden seien, sei die zugrunde gelegte Dauer der Zuwiderhandlung wegen der zwischen der Kommission und den japanischen Stellen geschlossenen Abkommen über die Selbstbeschränkung bei Exporten (Randnr. 108 der Entscheidung) auf fünf Jahre begrenzt worden (von 1990 bis 1995). Die Kommission habe dabei aber zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Selbstbeschränkungsabkommen durch eine am 28. Dezember 1989 zwischen der Kommission und dem japanischen Ministerium für Handel und Industrie geschlossenen Übereinkunft bis zum 31. Dezember 1990 verlängert worden seien. Folglich hätte der Grundbetrag der gegen sie verhängten Geldbuße in Höhe von 10 Millionen Euro wegen der Dauer der Zuwiderhandlung allenfalls um 40 % (10 % pro Jahr) erhöht werden dürfen, höchstens also um vier Millionen Euro. Demgemäß beantragt Mannesmann, den Betrag der Geldbuße um eine Million Euro herabzusetzen.

258. Die Kommission weist diese Ausführungen als unbegründet zurück. Die Klägerin habe durch nichts bewiesen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen mit der japanischen Regierung bis zum 31. Dezember 1990 fortgegolten hätten.

- Würdigung durch das Gericht

259. Zunächst ist auf die in Randnummer 108 der Entscheidung enthaltene Feststellung der Kommission hinzuweisen, dass sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung ab 1977 hätte feststellen können, hiervon aber wegen des Bestehens der Selbstbeschränkungsabkommen abgesehen habe. Demgemäß hat sie in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der Zuwiderhandlung erst vom Jahr 1990 an festgestellt. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis, das die Kommission den Adressaten der angefochtenen Entscheidung machte.

260. Keine der Parteien hat vor Gericht vorgetragen, dass dieses Zugeständnis in der vorliegenden Rechtssache in Frage zu stellen sei. Folglich hat das Gericht nicht zu prüfen, ob dieses Zugeständnis rechtmäßig oder angezeigt war, sondern allein, ob die Kommission dieses in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich gemachte Zugeständnis im vorliegenden Fall auch fehlerfrei umgesetzt hat. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beizubringen hat, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde, da sie für deren Vorliegen und damit auch für ihre Dauer die Beweislast trägt (Urteile des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C89/95, C104/85, C114/85, C116/85, C117/85 und C125/85 bis C129/85, Ahlström Osakeytiö u. a./Kommission, Zellstoff II, Slg. 1993, I1307, Randnr. 127; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T68/89, T77/89 und T78/89, Slg. 1992, II1403, Randnrn. 193 bis 195, 198 bis 202, 205 bis 210, 220 bis 232, 249, 250 und 322 bis 328, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II1403, Randnrn. 193 bis 195, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II2707, Randnrn. 43 und 72).

261. Dieses Zugeständnis macht das behauptete Außerkrafttreten der Selbstbeschränkungsabkommen zum entscheidenden Kriterium dafür, ob für das Jahr 1990 das Vorliegen der Zuwiderhandlung festgestellt werden durfte. Da es hier um internationale Abkommen zwischen der japanischen Regierung, vertreten durch das Ministerium für Handel und Industrie, und der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, geht, wäre es nach dem Grundsatz der geordneten Verwaltung Sache der Kommission gewesen, die Dokumente zu archivieren, aus denen sich das Datum des Außerkrafttretens der Abkommen ergibt. Sie hätte daher in der Lage sein müssen, diese Dokumente dem Gericht vorzulegen. Hingegen hat sie vor Gericht vorgetragen, sie habe zwar ihre Archive durchsucht, könne habe keine Dokumente über das Ende der Geltungsdauer der Abkommen vorlegen.

262. Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich auf Umstände beruft, die er selbst nicht beweisen kann, lässt sich das Prinzip der Beweislast hier nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung der von ihr geschlossenen internationalen Verträge geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission, Beweise für eine sie unmittelbar berührende Tatsache vorzulegen, macht es dem Gericht unmöglich, seine Entscheidung in Kenntnis des Datums zu erlassen, zu dem die Abkommen ausliefen. Es widerspräche dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens den Unternehmen aufzubürden, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet war und die im Gegensatz zu dem beklagten Organ nicht in der Lage sind, den fehlenden Nachweis zu führen.

263. Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise festzustellen, dass es Sache der Kommission war, den Zeitpunkt der Beendigung der Selbstbeschränkungsabkommen nachzuweisen. Die Kommission hat den Beweis weder in der angefochtenen Entscheidung noch vor dem Gericht geführt.

264. Jedenfalls haben die japanischen Klägerinnen Beweismittel vorgelegt, die eine Fortführung der Selbstbeschränkungsabkommen bis zum 31. Dezember 1990 zumindest auf japanischer Ebene belegen, was das Vorbringen von Mannesmann im vorliegenden Verfahren stützt (JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 102, Randnr. 345). In verbundenen Rechtssachen, in denen alle Parteien sämtliche Akten einsehen konnten, kann das Gericht von Amts wegen Beweismittel berücksichtigen, die in den Akten der parallelen Rechtssachen enthalten sind (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T113/89, Nefarma und Bond van Groothandelaren in het Farmaceutische Bedrijf/Kommission, Slg. 1990, II797, Randnr. 1, und in der Rechtssache T116/89, Prodifarma u. a./Kommission, Slg. 1990, II843, Randnr. 1). Im vorliegenden Fall hat das Gericht über Rechtssachen zu entscheiden, die zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, die dieselbe Entscheidung über eine Zuwiderhandlung betreffen und in denen alle Klägerinnen eine Abänderung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen beantragt haben. Damit besitzt das Gericht in der vorliegenden Rechtssache förmlich Kenntnis von den Beweismitteln, die die vier japanischen Klägerinnen eingereicht haben.

265. Im Übrigen hat Mannesmann nicht nur beantragt, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Anfangsdatums der in ihrem Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlung, und insoweit hinsichtlich der Dauer dieser Zuwiderhandlung, für nichtig zu erklären, sondern auch, die Höhe ihrer Geldbuße im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung im Einklang mit Artikel 229 EG und nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 herabzusetzen, um dieser verkürzten Zuwiderhandlungsdauer Rechnung zu tragen. Bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung hat das Gericht, wenn es den angefochtenen Rechtsakt durch eine Neubezifferung der von der Kommission verhängten Geldbußen ändert, alle relevanten Umstände des Sachverhalts zu berücksichtigen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 692). Es wäre daher nicht angemessen - zumal das Anfangsdatum der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung, der 1. Januar 1990, von allen Klägerinnen in Frage gestellt worden ist -, wenn das Gericht die Lage jeder einzelnen Klägerin nach den Umständen ihres jeweiligen Falles isoliert beurteilte und dabei nur die tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigte, die die jeweilige Klägerin zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, die Umstände jedoch außer Betracht ließe, die die übrigen Klägerinnen oder die Kommission geltend gemacht haben.

266. Im Übrigen hat weder Mannesmann noch gar die Kommission behauptet, dass die Selbstbeschränkungsabkommen 1991 noch gültig gewesen wären.

267. Demnach ist im vorliegenden Verfahren festzustellen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Kommission und den japanischen Behörden bis Ende 1990 in Kraft geblieben sind.

268. Folglich ist im Licht des von der Kommission in der Entscheidung gemachten Zugeständnisses die in Artikel 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlungsdauer um ein Jahr zu kürzen. Artikel 1 der Entscheidung ist somit für nichtig zu erklären, soweit darin das Vorliegen der Mannesmann angelasteten Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 festgestellt wird.

269. Zum Endzeitpunkt der Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts klargestellt hat, dass das Jahr 1995 in der angefochtenen Entscheidung für die Berechnung der Geldbußen nicht berücksichtigt worden sei. Mannesmann ist dieser Beurteilung des Endes der Zuwiderhandlung vor Gericht nicht entgegengetreten.

270. Nach alledem ist als Dauer der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung eine Zeit von vier Jahren, vom 1. Januar 1991 bis 1. Januar 1995, anzunehmen. Die Höhe der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße ist zur Berücksichtigung dieses Umstands herabzusetzen.

Zu den behaupteten mildernden Umständen

- Vorbringen der Parteien

271. Mannesmann rügt, dass die Kommission bestimmte mildernde Umstände, die eine Herabsetzung der Geldbuße gerechtfertigt hätten, nicht berücksichtigt habe. Zwar habe die Kommission die Krise der Stahlindustrie als mildernden Umstand anerkannt und den Betrag der Geldbuße deswegen um 10 % gemindert. Mit Rücksicht auf weitere Umstände wäre jedoch eine stärkere Herabsetzung der Geldbuße angezeigt gewesen. Hier sei vor allem die Tatsache zu nennen, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Übereinkunft ohne Auswirkungen geblieben sei. Überdies habe Mannesmann die beanstandeten Verhaltensweisen gleich nach dem ersten Eingreifen der Kommission eingestellt. Sie habe außerdem im Rahmen der Untersuchung der Kommission kooperiert.

272. Die Kommission weist dieses Vorbringen zurück. Der Einwand, die Übereinkunft sei ohne Auswirkungen geblieben, treffe allenfalls für den Liefervertrag zwischen Mannesmann und Corus zu, der Gegenstand von Artikel 2 der Entscheidung sei. Da aber nach diesem Artikel keine Geldbuße verhängt worden sei, stelle sich die Frage nach mildernden Umständen insoweit nicht. Soweit Mannesmann ihre angebliche Mitwirkung an der Untersuchung geltend mache, sei ihr Vorbringen nicht hinreichend substantiiert.

- Würdigung durch das Gericht

273. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall eine Herabsetzung der Geldbußen um 10 % wegen der mildernden Umstände gewährte, die sie in der damaligen Krisensituation der Stahlindustrie sah.

274. Außerdem ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen an ihre eigenen Leitlinien halten muss. Diese Leitlinien schreiben der Kommission aber nicht vor, die im Abschnitt 3 aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert zu berücksichtigen. So sieht Abschnitt 3 der Leitlinien mit der Überschrift Mildernde Umstände eine Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie z. B. ... vor. Wenn die im Abschnitt 3 aufgelisteten Umstände auch gewiss zu den Umständen gehören, die die Kommission in einem gegebenen Fall berücksichtigen kann, ist sie doch nicht dazu verpflichtet, automatisch eine zusätzliche Herabsetzung zu gewähren, wenn ein Unternehmen Elemente anführt, die auf das Vorliegen eines dieser Umstände hindeuten können. Denn die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.

275. In diesem Zusammenhang ist an die vor Erlass der Leitlinien ergangene Rechtsprechung zu erinnern, die der Kommission ein Ermessen zubilligt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschlus SPO u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 54, und Urteile Ferriere Nord/Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnrn. 32 und 33, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 465; vgl. auch Urteil KNP BT/Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 68). Da sich aus den Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist festzustellen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.

276. Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen von Mannesmann, die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Marktaufteilungsabsprache sei ohne Auswirkungen geblieben, in der Sache, wie oben festgestellt, nicht zutrifft. Die in der fraglichen Übereinkunft vorgesehene Marktaufteilung wurde vielmehr praktisch jedenfalls in gewissem Umfang auch durchgeführt und hatte zwangsläufig reale Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten (vgl. oben, Randnrn. 251 ff.). Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass die oben in Randnummer 235 erwähnte Bezifferung des wegen der Schwere angesetzten Betrages auf 50 % des für einen besonders schweren Verstoß üblicherweise verwirkten Mindestbetrags der begrenzten Auswirkung des Verstoßes auf den Markt im vorliegenden Fall angemessen Rechnung trägt (vgl. auch oben, Randnr. 241).

277. Demgemäß ist der zweite Gedankenstrich in Abschnitt 3 der Leitlinien dahin auszulegen, dass die Kommission das Vorliegen eines mildernden Umstands wegen tatsächlicher Nichtanwendung einer Vereinbarung nur anzuerkennen braucht, wenn das Unternehmen, das diesen Umstand geltend macht, nachweisen kann, dass es sich der Anwendung der Vereinbarung so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar deren Funktionieren gestört wurde, und dass es der Vereinbarung auch nicht scheinbar zustimmte und dadurch andere Unternehmen zu deren Anwendung veranlasste. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Vereinbarung mit seinen Wettbewerbern über die Aufteilung von Märkten erwiesen ist, auf dem Markt nicht vereinbarungsgemäß verhalten hat, ist bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nämlich nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II1373, Randnr. 142).

278. Wie das Gericht im Urteil Zement (zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 1389) festgestellt hat, behält ein Unternehmen, das sich von den Ergebnissen eines Treffens, an dem es teilgenommen hat, nicht distanziert, grundsätzlich seine volle Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell. Unternehmen könnten das Risiko, eine beträchtliche Geldbuße zahlen zu müssen, zu leicht minimieren, wenn sie zunächst aus einem rechtswidrigen Kartell Vorteil ziehen und anschließend eine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung beanspruchen könnten, dass sie bei der Durchführung der Zuwiderhandlung nur eine begrenzte Rolle gespielt hätten, obgleich ihre Haltung andere Unternehmen dazu veranlasste, sich in stärkerem Maße wettbewerbsschädigend zu verhalten.

279. Selbst wenn Mannesmann und/oder bestimmte weitere Mitglieder des EuropäischJapanischen Clubs die Marktaufteilungsabsprache nicht vollständig eingehalten haben sollten, rechtfertigte dieser Umstand somit nicht die Anwendung des zweiten Gedankenstriches in Abschnitt 3 der Leitlinien für eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Vorliegens eines mildernden Umstands.

280. Was das Vorbringen zur unverzüglichen Beendigung der Zuwiderhandlung angeht, so kann die im Abschnitt 3 der Leitlinien erwähnte Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden.

281. Daraus folgt insbesondere, dass eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt 3 der Leitlinien wegen Beendigung des Verstoßes nach den ersten Untersuchungshandlungen nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden. Auch wenn es nämlich wünschenswert ist, dass Unternehmen ihr rechtswidriges Verhalten schon vor einem Eingreifen der Kommission beenden, betrifft doch Abschnitt 3 der Leitlinien nach seinem Wortlaut den Fall, in dem Unternehmen auf ein solches Eingreifen durch die Beendigung ihres möglicherweise wettbewerbswidrigen Verhaltens positiv reagieren, da ein Anreiz für eine solche Reaktion geschaffen werden soll. Dabei erscheint die Anwendung dieser Regelung zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt - durch die Kommission im Wege ihrer Ermessensausübung oder durch das Gericht im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung -, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist. Im vorliegenden Fall steht der wettbewerbswidrige Charakter der in Artikel 1 der Entscheidung geahndeten Marktaufteilungsabsprache außer Zweifel.

282. Eine Herabsetzung der Geldbuße aus dem im ersten Satz der vorstehenden Randnummer genannten Grund würde außerdem die sich aus den Leitlinien ergebende Berücksichtigung der Zuwiderhandlungsdauer für die Berechnung der Geldbußen verdoppeln. Mit dieser Berücksichtigung wird gerade bezweckt, gegen Unternehmen, die über lange Zeit hinweg gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, strenger vorzugehen als gegen Unternehmen, deren Zuwiderhandlungen von kurzer Dauer waren. Würde eine Geldbuße deshalb herabgesetzt, weil ein Unternehmen sein rechtswidriges Verhalten vor den ersten Untersuchungshandlungen der Kommission beendete, so würden die Verantwortlichen von kurzzeitigen Zuwiderhandlungen hierdurch ein zweites Mal begünstigt.

283. Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 102) im Licht der von den Klägerinnen in jenen Rechtssachen vorgetragenen Klagegründe und Argumente zu dem Ergebnis gelangte, dass ihnen gegenüber eine Zuwiderhandlung nicht für die Zeit nach dem 1. Juli 1994 festgestellt werden kann, weil es keinen Beweis dafür gibt, dass gemäß der bis dahin geübten Praxis im Herbst 1994 eine Sitzung des EuropäischJapanischen Clubs in Japan abgehalten wurde. Daraus folgt, dass die Zuwiderhandlung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Nachprüfungen vom 1. und 2. Dezember 1994 vornahm, vermutlich beendet war oder zumindest gerade zu Ende ging.

284. Dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bilden, nicht über das Datum der ersten Untersuchungshandlungen der Kommission hinaus fortgeführt wurden, rechtfertigt daher nach den Umständen des vorliegenden Falles keine Herabsetzung der gegen Mannesmann verhängten Geldbuße.

285. Das von Mannesmann vorgetragene Argument schließlich, dass ihre Zusammenarbeit als mildernder Umstand hätte berücksichtigt werden müssen, ist nachstehend in den Randnummern 307 ff. im Rahmen des Klagegrundes zur Mitteilung über Zusammenarbeit zu prüfen.

286. Nach alledem sind mit Rücksicht darauf, dass die Kommission die fraglichen Geldbußen bereits wegen des mildernden Umstands der Krisensituation in der Stahlbranche herabsetzte (vgl. Randnrn. 168 und 169 der Entscheidung), alle Rügen, mit denen Mannesmann die Unterlassung einer weiteren Herabsetzung wegen angeblich mildernder Umstände beanstandet, zurückzuweisen.

Zu der von Mannesmann behaupteten Zusammenarbeit

- Vorbringen der Parteien

287. Mannesmann wirft der Kommission vor, sich nicht an die Mitteilung über Zusammenarbeit gehalten zu haben. Die Kommission habe insoweit ihr gegenüber den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt.

288. So sei sie zunächst gegenüber Vallourec diskriminiert worden. Wie Vallourec habe auch sie die Auskunftsersuchen der Kommission beantwortet. Sie habe zur Untersuchung der Kommission wertvolle Beiträge geleistet (Randnrn. 62, 67, 72 und 170 der Entscheidung), so insbesondere durch die Erklärung von Herrn Becher. Ebenso wie Vallourec habe auch Mannesmann den ihr vorgeworfenen Sachverhalt nicht bestritten (Randnr. 174 der Entscheidung).

289. Vallourec habe der Kommission keine Auskünfte aus eigener Initiative gegeben, sondern sei einfach das erste Unternehmen gewesen, bei dem im September 1996 Nachprüfungen stattgefunden hätten. Bei Mannesmann habe die Kommission Nachprüfungen erst im April 1997 vorgenommen. Wenn die zeitlich ersten Informationen, die bei der Kommission eingelangt seien, auch von Vallourec stammten, liege dies doch allein an der Reihenfolge, die die Kommission für ihre Nachprüfungen bei den betroffenen Unternehmen gewählt habe. Aus dieser in ihrem Belieben stehenden Wahl dürften aber nicht nachteilige Schlüsse für die davon betroffenen Unternehmen, hier also Mannesmann, gezogen werden.

290. Mannesmann trägt vergleichbare Rügen auch im Verhältnis zur Behandlung von Dalmine vor (Randnr. 172 der Entscheidung). Obgleich Mannesmann im Rahmen der Untersuchung in vergleichbarem Umfang wie Dalmine kooperiert habe, habe die Kommission die gegen Dalmine verhängte Buße um 20 % herabgesetzt. Die Kommission könne diese Ungleichbehandlung nicht damit begründen, dass Mannesmann gegen eine Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 gerichtlich vorgegangen sei. Auch Dalmine habe nämlich einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt, den das Gericht als offensichtlich unzulässig zurückgewiesen habe. Jedenfalls dürfe die Kommission keine negativen Schlussfolgerungen aus dem Umstand ziehen, dass Mannesmann von ihrem Grundrecht auf Anrufung der Gerichte Gebrauch gemacht habe.

291. Die Kommission weist darauf hin, dass sie in den Geschäftsräumen von Mannesmann am 1. und 2. Dezember 1994 eine Nachprüfung vorgenommen habe. Die Rüge einer diskriminierenden Benachteiligung im Verhältnis zu Vallourec sei daher gegenstandslos.

292. Das Verhalten von Vallourec könne nicht mit dem von Mannesmann verglichen werden. Vallourec habe als einziges betroffenes Unternehmen konkrete Hinweise auf Existenz und Inhalt des Kartells geliefert. Diese Hinweise hätten der Kommission die Feststellung der Zuwiderhandlungen erleichtert. Vallourec habe den Sachverhalt nicht bestritten. Daher sei ihre Geldbuße um 40 % herabgesetzt worden.

293. Mannesmann habe demgegenüber bei der Untersuchung nicht mitgearbeitet. Die Erklärungen von Herrn Becher seien im Zusammenhang mit einer Nachprüfung der Kommission in den Geschäftsräumen von Mannesmann in Beantwortung von Fragen der Kommission abgegeben worden und hätten lediglich Informationen bestätigt, die der Kommission bereits vorgelegen hätten. Während der gesamten Untersuchung habe Mannesmann ein mehrdeutiges Verhalten an den Tag gelegt. Sie habe zwar den Sachverhalt nicht bestritten (Randnr. 174 der Entscheidung), aber auch nicht klar dazu Stellung bezogen. Obendrein habe sie sich geweigert, der Kommission bestimmte Auskünfte zu erteilen, die diese aufgrund einer Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 von ihr angefordert habe. Daher habe sie nicht wie Dalmine aus dem gleichen Grund eine Herabsetzung der Geldbuße um 20 % erhalten.

294. Das passive Verhalten eines Unternehmens rechtfertige nach der Mitteilung über Zusammenarbeit keine Herabsetzung der Geldbuße. Für eine solche Herabsetzung werde in der Mitteilung über Zusammenarbeit vielmehr verlangt, dass ein Unternehmen nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte erkläre, den Sachverhalt nicht zu bestreiten (vgl. Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit und Urteil MayrMelnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309).

- Würdigung durch das Gericht

295. Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission bei der Beurteilung der Zusammenarbeit von Unternehmen nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht lassen, der einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bildet und der nach der Rechtsprechung verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnr. 237, und die dort zitierte Rechtsprechung).

296. Die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (Urteil MayrMelnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309, und die dort zitierte Rechtsprechung).

297. In der vorliegenden Rechtssache nehmen die Erklärungen, mit denen Herr Verluca als Vertreter von Vallourec die diesem Unternehmen von der Kommission gestellten Fragen beantwortete, als Beweismittel eine Schlüsselstellung ein.

298. Zwar ist der Grad der Zusammenarbeit von Unternehmen mit der Kommission als vergleichbar anzusehen, soweit sie dieser im selben Stadium des Verwaltungsverfahrens und unter gleich gelagerten Umständen vergleichbare Informationen über den ihnen angelasteten Sachverhalt mitteilen (vgl. analog Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 210, Randnrn. 243 und 245).

299. Jedoch beschränkten sich die von Mannesmann gegebenen Antworten auf die Fragen, insbesondere die in Randnummer 63 der Entscheidung genannte Erklärung von Herrn Becher, - wenngleich sie für die Kommission von gewissem Nutzen waren - darauf, Informationen zu bestätigen, und zwar weniger genau und explizit, die bereits von Vallourec in den Erklärungen von Herrn Verluca geliefert worden waren. Herr Verluca offenbarte insbesondere, dass jedes Mitglied des EuropäischJapanischen Clubs den Heimatmarkt aller anderen Clubmitglieder zu respektieren hatte, und stellte dabei klar, dass der OffshoreMarkt des Vereinigten Königreichs einen besonderen Status im Sinne eines Teilschutzes innehatte. Er machte außerdem Angaben zur Dauer und zur Funktionsweise der Marktaufteilungsabsprache.

300. Insoweit ist festzustellen, dass sich Herr Verluca nicht darauf beschränkte, nur die Fragen der Kommission anlässlich der ersten Nachprüfung bei Vallourec im September 1996 zu beantworten. Aus seinen Erklärungen insgesamt wird vielmehr ein echter Wille erkennbar, im Rahmen der von der Kommission geführten Untersuchung wirkliche Zusammenarbeit zu zeigen. Dagegen hat Herr Becher im Zusammenhang mit den Grundregeln nur den Ausschluss der japanischen Hersteller von den europäischen Märkten und der europäischen Hersteller von den japanischen Märkten genannt, ohne dazu weitere Einzelheiten mitzuteilen.

301. Der Nutzen der Erklärung von Herrn Becher liegt ausschließlich darin, dass sie in gewissem Umfang die der Kommission bereits vorliegenden Erklärungen von Herrn Verluca erhärtet. Die Erklärung erleichterte daher die Aufgabe der Kommission nicht nennenswert und genügt darum nicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

302. Die Informationen, die Mannesmann der Kommission vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte lieferte, sind demnach nicht mit denen von Vallourec vergleichbar. Jedenfalls genügen diese Informationen nicht, um eine Herabsetzung der Geldbuße nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

303. Soweit Mannesmann sich auf einen Vergleich mit der Zusammenarbeit von Dalmine beruft, ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, um eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts zu erlangen, gegenüber der Kommission, nachdem es von der Mitteilung der Beschwerdepunkte Kenntnis genommen hat, ausdrücklich erklären muss, dass es den Sachverhalt nicht bestreitet (Urteil MayrMelnhof/Kommission, zitiert oben in Randnr. 208, Randnr. 309). Wird eine solche ausdrückliche Erklärung nicht abgegeben, so kann in der bloßen Untätigkeit eines Unternehmens keine Erleichterung der der Kommission obliegenden Aufgabe gesehen werden, weil sie in diesem Fall in der endgültigen Entscheidung sämtliche Tatsachen nachweisen muss, ohne sich hierfür auf eine entsprechende Erklärung des Unternehmens stützen zu können.

304. Im vorliegenden Fall wurde Dalmine eine Herabsetzung der Buße um 20 % gerade deswegen gewährt, weil sie der Kommission mitgeteilt hatte, dass sie die den Beschuldigungen der Kommission zugrunde liegenden Tatsachen nicht bestreite (Randnrn. 172 und 173 der Entscheidung). Der in Randnummer 5 der Entscheidung erwähnte Umstand, dass Dalmine vor der Übersendung der Beschwerdepunkte die Beantwortung von bestimmten Fragen der Kommission verweigerte, ist im vorliegenden Kontext ohne Bedeutung, weil laut Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit eine nach der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegebene Erklärung, dass der Sachverhalt nicht bestritten wird, unabhängig von dem Verhalten des Unternehmens vor Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine eigenständige Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt.

305. Dagegen hat die Kommission in Randnummer 174 der Entscheidung darauf verwiesen, dass Mannesmann hierzu nie deutlich Stellung bezogen habe. Mannesmann unterstreicht zwar, dass sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt nicht bestritten habe, macht aber auch nicht geltend, gegenüber der Kommission ausdrücklich klargestellt zu haben, dass sie den Sachverhalt nicht bestreite.

306. Demnach ist festzustellen, dass das Vorbringen von Mannesmann eine Anwendung des zweiten Gedankenstrichs in Abschnitt D Nummer 2 der Mitteilung über Zusammenarbeit für eine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße nicht rechtfertigt.

307. Soweit Mannesmann argumentiert, ihre Kooperation rechtfertige dennoch eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände nach Abschnitt 3 der Leitlinien, ist daran zu erinnern, dass die Kommission, wie oben festgestellt, hinsichtlich der Berücksichtigung von mildernden Umständen über ein Ermessen verfügt. Nach Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien ist beispielsweise die aktive Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit] ein mildernder Umstand. Damit handelt es sich aber im sechsten Gedankenstrich, zumindest für die von der Mitteilung über Zusammenarbeit erfassten horizontalen Vereinbarungen, zwangsläufig um eine Zusammenarbeit, die unzureichend ist, um eine Herabsetzung nach der Mitteilung über Zusammenarbeit zu rechtfertigen.

308. Allerdings ist nochmals hervorzuheben, dass das Verhalten eines Unternehmens, um eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit zu rechtfertigen, die Aufgabe der Kommission erleichtern muss, Verstöße gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (vgl. oben, Randnr. 296 und die dort zitierte Rechtsprechung). Demnach betrifft Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien hinsichtlich der von ihnen erfassten horizontalen Vereinbarungen einen Ausnahmefall, weil es sich um eine aktive Zusammenarbeit gehandelt haben muss, die die Aufgabe der Kommission erleichtert hat, aber nicht unter die Mitteilung über Zusammenarbeit fällt.

309. Im vorliegenden Fall hat Mannesmann nicht nachgewiesen, dass ihre Kooperation die Aufgabe der Kommission, Zuwiderhandlungen aufzudecken und zu verfolgen, tatsächlich erleichtert hat (vgl. oben, Randnrn. 297 bis 306). Es besteht damit kein Grund zur Annahme, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens dadurch überschritten hat, dass sie Mannesmann keine Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße wegen aktiver Mitwirkung an der Untersuchung im Sinne von Abschnitt 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien gewährte.

310. Jedenfalls weist die Kommission darauf hin, dass Mannesmann nicht nur nicht an ihrer Untersuchung mitgewirkt, sondern sogar bestimmte Informationen verweigert habe, und zwar trotz Erlasses einer Entscheidung vom 15. Mai 1998 nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17, mit der Mannesmann zur Mitteilung dieser Informationen verpflichtet worden sei. Zwar erhob Mannesmann beim Gericht eine Klage auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung, die unter der Nummer T112/98 in das Register eingetragen wurde, sie beantragte aber im Rahmen dieses Verfahrens keine einstweiligen Anordnungen, wie ihr dies nach den Artikeln 242 EG und 243 EG möglich gewesen wäre. Dass Mannesmann die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 15. Mai 1998 gerichtlich in Frage stellte, war offenkundig in jeder Hinsicht legitim und kann nicht als mangelnde Zusammenarbeit gewertet werden. Dennoch ist festzustellen, dass Mannesmann zur Aufrechterhaltung ihrer Weigerung, die in Frage stehenden Informationen mitzuteilen, nicht berechtigt war, da einstweilige Anordnungen über die Aussetzung der Durchführung der Entscheidung vom 15. Mai 1998 nicht ergangen waren. Indem die Klägerin sich so verhielt, als wären solche einstweiligen Anordnungen ergangen, obgleich sie sie nicht beantragt hatte, ist sie ihren gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen.

311. Im Übrigen erwirkte Mannesmann zwar eine Teilnichtigerklärung der Entscheidung vom 15. Mai 1998, da das Gericht im Urteil MannesmannröhrenWerke/Kommission (zitiert oben in Randnr. 8) bestimmte in dieser Entscheidung gestellte Fragen für nichtig erklärte. Jedoch ergibt sich aus dem Urteil, dass der größte Teil der Angaben, deren Mitteilung Mannesmann verweigert hatte, von der Kommission rechtmäßig angefordert worden war. Das genannte Urteil des Gerichts ist von Mannesmann beim Gerichtshof mit einem Rechtsmittel, das unter der Nummer C190/01 in das Register eingetragen worden ist, angefochten worden. Diese Rechtssache ist jedoch durch Beschluss des Gerichtshofes vom 4. Oktober 2001 (MannesmannröhrenWerke AG/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aus dem Register gestrichen worden. Wie dem in diesem Beschluss enthaltenen Hinweis auf Artikel 69 § 5 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes in Verbindung mit deren Artikel 122 Absatz 3 zu entnehmen ist, hat der Gerichtshof, obwohl in dem ursprünglichen Antrag der Rechtsmittelführerin auf Streichung der Rechtssache eine Einigung der Parteien erwähnt war, angenommen, dass die Rechtsmittelführerin ihr Rechtsmittel einfach zurückgenommen hat, weshalb er ihr die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt hat.

312. Nach diesem Beschluss ist das Urteil MannesmannröhrenWerke/Kommission (zitiert oben in Randnr. 8) folglich rechtskräftig geworden. Damit ist festzustellen, dass der Kommission wegen des rechtswidrigen Verhaltens von Mannesmann zahlreiche Informationen, deren Mitteilung sie rechtmäßig im Verwaltungsverfahren verlangt hatte, niemals zur Verfügung standen. Unter diesen Umständen kann die Haltung von Mannesmann im Verwaltungsverfahren bei einer Gesamtwürdigung nicht als aktive Zusammenarbeit angesehen werden.

313. Demnach sind die von Mannesmann auf ihre angebliche Zusammenarbeit im Verwaltungsverfahren gestützten Rügen zurückzuweisen.

Zur Berechnung der Geldbuße

314. Nach alledem ist die gegen Mannesmann verhängte Geldbuße herabzusetzen, um der Festsetzung der Zuwiderhandlungsdauer gemäß Artikel 1 der Entscheidung auf vier Jahre anstelle von fünf Jahren Rechnung zu tragen.

315. Da die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht die in den Leitlinien festgelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwandte, ist die Herabsetzung der Geldbuße auch vom Gericht im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung nach dieser Methode vorzunehmen.

316. Demnach beträgt der Grundbetrag der Geldbuße 10 Millionen Euro. Dieser Betrag ist für jedes Jahr der Zuwiderhandlung um 10 %, also um insgesamt 40 % zu erhöhen, womit sich ein Betrag von 14 Millionen Euro ergibt. Dieser Betrag ist wegen der in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung dargelegten mildernden Umstände um 10 % zu verringern, woraus sich für Mannesmann ein Endbetrag von 12 600 000 Euro statt 13 500 000 Euro errechnet.

Kostenentscheidung

Kosten

317. Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt, sind der Klägerin und der Kommission jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EGVertrag (Sache IV/E1/35.860B - Nahtlose Stahlrohre) wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, dass die der Klägerin in diesem Artikel zur Last gelegte Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 1991 vorlag.

2. Die gegen die Klägerin in Artikel 4 der Entscheidung 2003/382 verhängte Geldbuße wird auf 12 600 000 Euro festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerin und die Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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