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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 27.02.2007
Aktenzeichen: T-44/05
Rechtsgebiete: Entscheidung 2004/167, EG
Vorschriften:
Entscheidung 2004/167 | |
EG Art. 88 Abs. 2 |
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
BESCHLUSS DES GERICHTS (Dritte Kammer)
27. Februar 2007
"Staatliche Beihilfen - Anfechtbare Handlung - Unzulässigkeit"
Parteien:
In der Rechtssache T-44/05
SP Entertainment Development GmbH mit Sitz in Norderfriedrichskoog (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Demleitner,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz als Bevollmächtigten,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung, die in einem Schreiben der Kommission vom 20. Oktober 2004 über die Rückforderung der der Space Park Development GmbH & Co. KG von den deutschen Behörden gewährten staatlichen Beihilfe enthalten sein soll,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie des Richters J. Azizi und der Richterin E. Cremona,
Kanzler: E. Coulon,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe:
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1 Am 15. April 1999 wurde der Space Park Development GmbH & Co. KG (im Folgenden: SP Development), der Rechtsvorgängerin der Klägerin, von der Stadt Bremen (Deutschland) über die SWG Grundstücks GmbH & Co. KG (im Folgenden: SWG) ein Darlehen für Investitionen in die Space Park GmbH & Co. KG (im Folgenden: SP) gewährt, einer Gesellschaft, deren Projekt in der Errichtung eines Vergnügungsparks mit der Bezeichnung "Space Park" bestand.
2 Zwischen dem 14. Juni 1999 und dem 19. September 2001 erhielt die Kommission mehrere Beschwerden, nach denen für dieses Projekt erhebliche staatliche Beihilfen gewährt worden waren. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 richtete die Kommission ein Auskunftsverlangen an die Bundesrepublik Deutschland, um diese Behauptung zu überprüfen.
3 Mit der Entscheidung 2004/167/EG vom 17. September 2003 über die staatliche Beihilfe, die Deutschland zugunsten von Space Park Development GmbH & Co. KG gewährt hat (ABl. 2004, L 61, S. 66) erklärte die Kommission, dass das von der Bundesrepublik Deutschland der SP Development gewährte Darlehen eine rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe beinhalte. Infolgedessen verfügte die Kommission, dass diese Beihilfe unverzüglich zu beseitigen sei.
4 In den sich anschließenden Verhandlungen hatte die Kommission nichts gegen den Vorschlag der Bundesrepublik Deutschland einzuwenden, dass die Rückzahlung in Form einer Übertragung des 10%igen Anteils der Beihilfeempfängerin an der SP auf die SWG, eine Beteiligungsgesellschaft der Stadt Bremen, erfolgen solle, jedoch unter der Voraussetzung, dass dieser Anteil im Zeitpunkt der Übertragung einen Verkehrswert habe, der mindestens der Höhe des Darlehens entspreche.
5 Mit Schreiben vom 16. Januar 2004 teilte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission mit, dass die Anteilsübertragung schuldrechtlich zum 1. Januar 2003 erfolgt sei. Die Kommission bezweifelte dies und antwortete, dass eine Anteilsübertragung erst mit der Handelsregistereintragung als vollendet gelte. Es folgte ein Schriftwechsel, bei dessen Abschluss die Dienststellen der Kommission mit Schreiben vom 20. Oktober 2004 ausführten, dass sie der Auffassung seien, dass die Entscheidung 2004/167 nicht vollständig umgesetzt worden sei, und dass sie ins Auge gefasst hätten, beim Gerichtshof eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 88 Absatz 2 EG einzureichen (im Folgenden: angefochtene Handlung).
Verfahren und Anträge der Parteien
6 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 4. Februar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
7 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der bei der Kanzlei des Gerichts am 21. April 2005 eingegangen ist, gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.
8 Am 14. Juni hat die Klägerin ihre Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.
9 Die Klägerin beantragt,
- die in einem Schreiben der Kommission vom 20.Oktober 2004 enthaltene Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
10 In ihrer Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Kommission,
- die Klage für unzulässig zu erklären;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
11 In ihren Erklärungen zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Klägerin,
- die Klage für zulässig zu erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
12 Nach Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Art. 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.
13 Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, auf der Grundlage des Akteninhalts zu entscheiden, ohne das Verfahren fortzusetzen.
Vorbringen der Parteien
14 Die Kommission vertritt erstens die Auffassung, die Klage sei nicht fristgerecht eingereicht worden. Die Klägerin habe nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass sie ihre Klage rechtzeitig erhoben habe, da es keine Erklärung dafür gebe, wieso die Klägerin von der am 20. Oktober 2004 an das Bundesministerium der Finanzen gefaxten angefochtenen Handlung erst fünf Wochen später Kenntnis erhalten habe.
15 Zweitens macht die Kommission geltend, die angefochtene Handlung sei nicht anfechtbar, da in ihr nur die Auffassung der Kommissionsdienststellen wiedergegeben werde und durch sie in keiner Weise in die Rechtsstellung der Klägerin eingegriffen werde.
16 Die Klägerin trägt erstens - zur angeblich verspäteten Klageerhebung - vor, die Klage sei innerhalb der Zweimonatsfrist zuzüglich der Entfernungsfrist von 10 Tagen gemäß Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung eingereicht worden. Trotz wiederholter Aufforderungen hätten die SWG und deren anwaltliche Vertreter der Klägerin erst am 4. Januar 2005 eine Kopie der angefochtenen Handlung zur Verfügung gestellt.
17 Die Klägerin trägt zweitens - zu der auf die Unanfechtbarkeit der Handlung gestützten Einrede der Unzulässigkeit - vor, die angefochtene Handlung sei zwar dem Wortlaut nach nicht als Entscheidung abgefasst, die unmittelbare Rechtswirkungen entfalte, sie enthalte jedoch Feststellungen, die solche Wirkungen entfalteten. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, nach der in Beihilfeverfahren auch Zwischenmaßnahmen, die gegenüber der endgültigen Entscheidung, zu deren Vorbereitung sie dienten, eigenständige Rechtswirkungen entfalteten, ebenfalls anfechtbare Handlungen im Sinne des Art. 230 EG darstellten (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, C-400/99, Slg. 2001, I-7303, Randnr. 57).
18 Zur Unterstützung dieses Vorbringens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission in der angefochtenen Handlung angebe, dass durch die "Ergänzungs-Vereinbarung vom 23. Dezember 2003 zur Eckpunkte-Vereinbarung vom 10. Dezember 2002" keine Tilgung des SWG-Darlehens erfolgt sei. Ohne diese Angabe wäre die Entscheidung 2004/167 durch den Abschluss und den Vollzug der Vereinbarung vom 23. Dezember 2003 erledigt gewesen. Im Übrigen habe die von der Kommission an die Bundesrepublik Deutschland unter Androhung der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG gerichtete Aufforderung, die Rückzahlung des SWG-Darlehens zu betreiben, Rechtswirkungen zum Nachteil der Klägerin entfaltet. Durch diese Aufforderung sei nämlich ein solcher Druck auf die SWG ausgeübt worden, dass diese ihrerseits der Klägerin angedroht habe, sie trotz der am 23. Dezember 2003 getroffenen Abgeltungsvereinbarung im Gerichtswege auf Zahlung des Darlehens in Anspruch zu nehmen.
Würdigung durch das Gericht
19 Nach ständiger Rechtsprechung sind nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen qualifizierten Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG gegeben ist (Beschluss des Gerichts vom 30. September 1999, UPS Europe/Kommission, T-182/98, Slg. 1999, II-2857, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Urteil des Gerichts vom 10. Mai 2000, SIC/Kommission, T-46/97, Slg. 2000, II-2125, Randnr. 44).
20 Für die Feststellung, ob eine Handlung oder eine Entscheidung solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihren wesentlichen Gehalt abzustellen (Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Juni 1991, Sunzest/Kommission, C-50/90, Slg. 1991, I-2917, Randnr. 12, und Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 63).
21 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Handlung in Beantwortung der Schreiben der deutschen Behörden vom 23. Juli und vom 23. September 2004, in denen diese Behörden angaben, dass sie der Auffassung seien, die Verpflichtung zur Rückforderung der für rechtswidrig und unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärten Beihilfe erfüllt zu haben, zunächst daran erinnert, dass nach "der Kommissionsentscheidung [2004/167] ... Deutschland für die kurzfristige Rückzahlung des [der SP Development gewährten] Darlehens sorgen [muss]". Die Kommission führt dann aus, dass "Deutschland die Kommissionsentscheidung [2004/167] ... zu SP Development nicht vollständig umgesetzt hat", und teilt schließlich mit, dass sie erwäge, nach Art. 88 Abs. 2 EG den Gerichtshof zu befassen.
22 In der angefochtenen Handlung beschränkt die Kommission sich somit darauf, die Bundesrepublik Deutschland an deren sich aus der Entscheidung 2004/167 über die Feststellung der Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ergebende Verpflichtung zu erinnern, die Rückzahlung des Darlehens zu erwirken, und fügt lediglich hinzu, dass die von dieser erlassenen Maßnahmen dieser Verpflichtung nicht in vollem Umfang entsprächen. Es kann daher nicht angenommen werden, dass die angefochtene Handlung den Umfang der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Rückforderung der Beihilfe erweitert oder neue Verpflichtungen zu deren Lasten begründet. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die angefochtene Handlung die Rechtsstellung der Klägerin beeinträchtigt. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass die Kommission den Gerichtshof unmittelbar mit einer Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 88 Abs. 2 EG hätte anrufen können, ohne zuvor die angefochtene Handlung erlassen zu müssen. Falls eine Vertragsverletzungsklage erhoben würde, würden die Rechte und Pflichten der Bundesrepublik Deutschland darüber hinaus allein auf der Grundlage der Entscheidung 2004/167 bestimmt, die nicht mit einer Nichtigkeitsklage angefochten worden und daher bestandskräftig geworden ist, und nicht auf der Grundlage der angefochtenen Handlung.
23 Da die angefochtene Handlung keine zwingenden rechtlichen Wirkungen erzeugt, die die Rechtsstellung der Klägerin beeinträchtigen können, stellt sie keine beschwerende Handlung dar und es kann gegen sie daher keine Klage gemäß Art. 230 EG erhoben werden.
24 Keines der von der Klägerin vorgebrachten Argumente ist geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.
25 Hinsichtlich des Arguments, dass durch die von der Kommission ausgesprochene Drohung, den Gerichtshof gemäß Art. 88 Abs. 2 EG anzurufen, ein solcher Druck auf die SWG ausgeübt worden sei, dass diese der Klägerin ihrerseits angedroht habe, sie trotz der am 23. Dezember 2003 getroffenen Abgeltungsvereinbarung im Gerichtswege auf Rückzahlung des Darlehens in Anspruch zu nehmen, genügt die Feststellung, dass der einzige Zweck eines Schriftwechsels wie des im vorliegenden Fall geführten darin besteht, es dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seinen Verpflichtungen aus einer Entscheidung, durch die eine Beihilfe für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt und deren Rückforderung angeordnet wird, freiwillig nachzukommen oder gegebenenfalls seine Auffassung zu rechtfertigen (vgl. in Bezug auf eine Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 226 EG den Beschluss des Gerichts vom 19. September 2005, Aseprofar und Edifa/Kommission, T-247/04, Slg. 2005, II-3449, Randnr. 47). Außerdem kann die Kommission im Rahmen des in Art. 88 Abs. 2 EG vorgesehenen Verfahrens, wenn der betreffende Staat der Entscheidung, durch die die Beihilfe für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird und deren Adressat er ist, nicht nachkommt, in Abweichung von Art. 226 EG den Gerichtshof unmittelbar anrufen, ohne zuvor eine mit Gründen versehene Stellungnahme dazu abgeben und diesem Staat Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben.
26 Darüber hinaus ist im Rahmen einer Klage gemäß Art. 226 Abs. 1 EG entschieden worden, dass der vorprozessuale Abschnitt des Verfahrens keine Maßnahme der Kommission umfasst, der bindende Wirkung zukommt (Urteil des Gerichtshofs vom 1. März 1966, Lütticke/Kommission, 48/65, Slg. 1966, S. 28).
27 Da eine von der Kommission im Rahmen von Art. 226 EG abgegebene mit Gründen versehene Stellungnahme keine mit bindender Kraft ausgestattete Handlung ist, die rechtliche Wirkungen erzeugt und daher keine Handlung ist, gegen die Klage erhoben werden kann, gilt das Gleiche erst recht für einen informellen Briefwechsel wie den im vorliegenden Fall geführten, der keine Vorbedingung für die Anrufung des Gerichtshofs gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG darstellt.
28 Auch dem auf das Urteil Italien/Kommission gestützten Vorbringen der Klägerin ist nicht zu folgen, da es im Hinblick auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles in keiner Weise erheblich ist. In der Rechtssache, die Gegenstand jenes Urteils war, war die Klage nämlich auf Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission gerichtet, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG über eine in Durchführung befindliche und als neue Beihilfe eingestufte Maßnahme einzuleiten. Zwar hat diese Art der Entscheidung der Kommission selbständige rechtliche Wirkungen je nachdem, ob die Beihilfe als neue Beihilfe oder als bestehende Beihilfe eingestuft wird, die angefochtene Handlung kann ihr jedoch nicht gleichgestellt werden, da sie nur eine bloße Informationsmaßnahme in Bezug darauf darstellt, ob die Entscheidung, durch die die Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und die Bundesrepublik Deutschland zur Rückforderung der Beihilfe verpflichtet wird, ordnungsgemäß vollzogen worden ist.
29 Was sodann das Vorbringen der Klägerin angeht, dass die an die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Aufforderung, die Entscheidung 2004/167 zu vollziehen, rechtliche Wirkungen zum Nachteil der Klägerin entfaltet habe, ist festzustellen, dass diese Aufforderung die unmittelbare Folge des Vollzugs dieser Entscheidung und nicht der angefochtenen Handlung ist.
30 Daher ist die Klage, ohne dass zu prüfen ist, ob sie fristgerecht erhoben worden ist, als unzulässig abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
31 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr die Kosten der Kommission gemäß deren Antrag aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
beschlossen:
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die gesamten Kosten.
Ende der Entscheidung
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