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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 03.03.1993
Aktenzeichen: T-44/92
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 24
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Gegensatz zur Anstellungsbehörde, die über einen weiten Spielraum bei der Festlegung der Voraussetzungen des Auswahlverfahrens verfügt, ist der Prüfungsausschuß an den Text der Ausschreibung des Auswahlverfahrens, so wie er veröffentlicht wurde, gebunden. Er darf nicht von der zutreffenden Auslegung dieses Textes abweichen, um Bewerber zur mündlichen Prüfung zuzulassen, die in den schriftlichen Prüfungen nicht die nach der Ausschreibung des Auswahlverfahrens hierfür erforderliche Mindestpunktzahl erreicht haben, da er dadurch die Voraussetzungen des Auswahlverfahrens wesentlich ändern würde.

2. In Anbetracht der Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse ist die Verwaltung nicht befugt, deren Entscheidungen abzuändern oder aufzuheben. Wenn sie der Meinung ist, daß der Prüfungsausschuß rechtswidrig bestimmte Bewerber von der Teilnahme an einer Prüfung ausgeschlossen habe, hat sie dies durch eine begründete Entscheidung festzustellen und das gesamte Verfahren nach Veröffentlichung einer neuen Ausschreibung des Auswahlverfahrens zu wiederholen. Keinesfalls kann sie der Beschwerde der Betroffenen stattgeben und sie zu dieser Prüfung zulassen.

3. Die Unklarheit der Ausschreibung eines Auswahlverfahrens hinsichtlich der Voraussetzungen, die für die Zulassung zur mündlichen Prüfung bezueglich der in den schriftlichen Prüfungen erzielten Noten erfuellt sein müssen, zieht nicht die Aufhebung der auf der Grundlage einer zutreffenden Auslegung dieser Ausschreibung getroffenen Entscheidung des Prüfungsausschusses über diese Zulassung nach sich, sofern keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Bewerber ohne diese Unklarheit in den schriftlichen Prüfungen bessere Leistungen erbracht hätten. Ein Verfahrensverstoß zieht nämlich nur dann die Aufhebung eines Rechtsakts nach sich, wenn nachgewiesen ist, daß die Entscheidung ohne diesen Verstoß ein anderes Ergebnis hätte haben können.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 3. MAERZ 1993. - CLAUDIA DELLOYE UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - AUSSCHREIBUNG EINES AUSWAHLVERFAHRENS - VORAUSSETZUNGEN FUER DIE ZULASSUNG ZU DEN MUENDLICHEN PRUEFUNGEN - OFFENSICHTLICHER BEGRUENDUNGSFEHLER - FUERSORGEPFLICHT. - RECHTSSACHE T-44/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Kläger, Bedienstete auf Zeit und Beamte der Kommission, bewarben sich für das allgemeine Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen EUR21 zur Bildung einer Einstellungsreserve von Verwaltungsinspektoren. Nach erfolgreicher Teilnahme an den Vorauswahlprüfungen wurden sie zur einzigen redaktionellen Prüfung (Prüfung d) zugelassen, deren Bestehen Voraussetzung für die Zulassung zur mündlichen Prüfung war.

2 Mit Schreiben vom 9. August 1991 teilte die Kommission den Klägern mit, daß sie in der Prüfung d des Auswahlverfahrens insgesamt weniger als 24 Punkte erreicht hätten und daß der Prüfungsausschuß sie daher nicht zur mündlichen Prüfung habe zulassen können. Die Noten, die die Kläger in der Prüfung d erhalten hatten, wurden ihnen auf Antrag mitgeteilt. Die Klägerin Delloye hatte 21,75 Punkte erhalten, der Kläger Karafillakis 23,50 Punkte, der Kläger Loddo 21,50 Punkte, die Klägerin Rinaldin 22,50 Punkte und die Klägerin Tavola 23,25 Punkte.

3 In der Bekanntgabe des allgemeinen Auswahlverfahrens EUR21 waren das Verfahren für die Benotung bei den schriftlichen Prüfungen sowie die Voraussetzungen für die Zulassung zur mündlichen Prüfung und für die Aufnahme in das Verzeichnis der geeigneten Bewerber wie folgt festgelegt:

"V. ART, DAUER UND BEWERTUNG DER SCHRIFTLICHEN PRÜFUNGEN

3. Bewertung

Vorauswahlprüfungen:

Prüfung a) 0 bis 20 Punkte (erforderliche Mindestpunktzahl: 10).

Prüfung b) 0 bis 10 Punkte (erforderliche Mindestpunktzahl: 5).

Prüfung c) 0 bis 10 Punkte (erforderliche Mindestpunktzahl: 5).

Weitere schriftliche Prüfung:

Prüfung d) 0 bis 40 Punkte (erforderliche Mindestpunktzahl: 20).

Die Prüfungsarbeiten a), b) und c) werden zuerst korrigiert. Anschließend wird die Prüfungsarbeit d) derjenigen Bewerber korrigiert, die bei den Prüfungen a), b) und c) jeweils die erforderliche Mindestpunktzahl erzielt haben.

VI. ZULASSUNG ZUR MÜNDLICHEN PRÜFUNG ° ART DER PRÜFUNG ° BEWERTUNG

1. Zulassung

Zur mündlichen Prüfung werden diejenigen Bewerber zugelassen, die bei der schriftlichen Prüfung d) mindestens 24 Punkte erzielt haben.

Jedem Bewerber wird persönlich schriftlich mitgeteilt, ob ihn der Prüfungsausschuß zur mündlichen Prüfung zugelassen hat.

...

3. Bewertung

Die mündliche Prüfung wird mit 0 bis 60 Punkten bewertet (erforderliche Mindestpunktzahl: 30).

VII. AUFNAHME IN DIE EIGNUNGSLISTE

Nach Abschluß des Auswahlverfahrens nimmt der Prüfungsausschuß diejenigen Bewerber in die Eignungsliste auf, die in der schriftlichen Prüfung d) und in der mündlichen Prüfung insgesamt mindestens 60 Punkte und in jeder Einzelprüfung die erforderliche Mindestpunktzahl erzielt haben."

4 Am 31. Oktober legten die Kläger Beschwerde gegen die Entscheidung vom 9. August 1991 ein. Auf diese Beschwerde antwortete die Kommission nicht ausdrücklich. Aus den Akten geht hervor, daß der Generaldirektor für Personal und Verwaltung, De Koster, am 9. April 1992 den Klägern Karafillakis und Tavola mitteilte, ihm sei "die Unklarheit der fraglichen Bekanntgabe bewusst" und er habe "den Prüfungsausschuß gebeten, sich in einem positiven Sinn erneut mit [der] Situation [der Kläger] zu befassen". Mit Schreiben vom 21. Mai 1992 teilte der Generaldirektor De Koster den Klägern mit, daß der Prüfungsausschuß seine Entscheidung, sie nicht zur mündlichen Prüfung zuzulassen, aufrechterhalten habe. Er fügte hinzu, daß seine Generaldirektion zusammen mit dem Juristischen Dienst die Konsequenzen prüfen werde, die aus dieser Stellungnahme zu ziehen seien.

5 Aufgrund dieses Sachverhalts haben die Kläger mit Klageschrift, die am 27. Mai 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die Aufhebung der Entscheidung vom 9. August 1991 beantragt. Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die mündliche Verhandlung hat am 20. Januar 1993 stattgefunden.

Anträge der Parteien

6 Die Kläger beantragen,

° die Entscheidung der Kommission vom 9. August 1991, mit der ihnen das Recht auf Teilnahme an der mündlichen Prüfung des Auswahlverfahrens EUR21 versagt wurde, aufzuheben;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Begründetheit

7 Die Kläger führen zwei Klagegründe an, mit denen sie einen offensichtlichen Fehler in der Begründung und eine Verletzung der Fürsorgepflicht geltend machen.

Zum Klagegrund eines offensichtlichen Fehlers in der Begründung

Vorbringen der Parteien

8 Im Rahmen des ersten Klagegrunds machen die Kläger geltend, daß der Prüfungsausschuß sich mit seiner Weigerung, sie zur mündlichen Prüfung zuzulassen, weil sie nicht, wie Ziffer VI.1 der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens EUR21 es verlange, eine Gesamtzahl von 24 Punkten in der redaktionellen Prüfung erreicht hätten, auf eine fehlerhafte Auslegung dieser Bekanntgabe gestützt habe, die sogar im Widerspruch zu deren Wortlaut stehe.

9 Die Kläger stützen sich insbesondere darauf, daß die Bekanntgabe in Ziffer V.3 zur Bewertung der schriftlichen Prüfungen ausdrücklich vorgesehen habe, daß die erforderliche Mindestzahl für die Prüfung d mit einer Bewertung von 0 bis 40 Punkten 20 Punkte betrage. Die Bestimmung hätte nach Auffassung der Kläger im Zusammenhang mit Ziffer VII Absatz 1 der Bekanntgabe gesehen werden müssen, nach deren Wortlaut "der Prüfungsausschuß diejenigen Bewerber in die Eignungsliste [aufnimmt], die in der schriftlichen Prüfung d und in der mündlichen Prüfung insgesamt mindestens 60 Punkte und in jeder Einzelprüfung die erforderliche Mindestpunktzahl erzielt haben." Sie folgern hieraus, daß es angesichts der Gestaltung der Voraussetzungen für den Zugang zur mündlichen Prüfung und für die zu einem späteren Abschnitt der Auswahl gehörende Aufnahme in die Eignungsliste logischerweise genügt hätte, die "erforderliche Mindestpunktzahl" von 20 Punkten in der Prüfung d zu erreichen, um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden.

10 Unter diesen Umständen vertreten die Kläger den Standpunkt, daß Ziffer VI.1 der Bekanntgabe dadurch, daß für die Zulassung zur mündlichen Prüfung eine Bewertung mit mindestens 24 von 40 Punkten in der redaktionellen Prüfung verlangt werde, einen "sachlichen Fehler" enthalte, der ihnen wegen Widerspruchs zu den genannnten Bestimmungen der Ziffern V und VII nicht entgegengehalten werden dürfe. Dieser sachliche Fehler sei um so weniger überraschend, als die in Frage stehende Bekanntgabe noch weitere offensichtliche Unklarheiten enthalte. So stehe die Beschreibung einer der Vorauswahlprüfungen, die nach dem Wortlaut von Ziffer V.1 a der Bekanntgabe zur Beurteilung der Fachkenntnisse auf dem gewählten Gebiet (französischer Text: dans le domaine juridique) bestimmt sei, im Widerspruch zu der Art der Tätigkeit in den Bereichen Rechnungsführung, öffentliche Finanzen und Versicherungen, Rechnungsprüfung und Statistik, wie sie in Ziffer I.1 der Bekanntgabe definiert seien. Darüber hinaus sei in Ziffer VIII der Bekanntgabe irrtümlich die Rede von der Bildung einer Eignungsliste von "administrateurs" (deutscher Text: "Verwaltungsinspektoren") für die "Laufbahn 5/4 der Laufbahngruppe B".

11 Zur Begründung ihrer Ausführungen tragen die Kläger ferner vor, daß die Bekanntgabe wörtlich auszulegen sei, da sie die einzig gültige Bezugsgrundlage für die Bewerber sei. Dies gelte um so mehr, als es sich um ein allgemeines Auswahlverfahren handele, das auch Bewerbern von ausserhalb offenstehe. Die von der Beklagten angeführte Praxis, nach der zu den mündlichen Prüfungen allein die Bewerber zugelassen wurden, die mindestens 60 % der Punkte in den schriftlichen Prüfungen erreicht hätten, dürfe ihnen daher nicht entgegengehalten werden. Im übrigen haben die Kläger in der Sitzung bestritten, daß es sich um eine ständige Praxis handele.

12 Die Beklagte trägt vor, daß die angefochtene Entscheidung unter genauer Beachtung der in der Bekanntgabe geregelten Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Prüfung ergangen sei. In Übereinstimmung mit einer ständigen Praxis bei den von der Kommission veranstalteten externen Auswahlverfahren aufgrund von Prüfungen verlange, die in dieser Beziehung allein erhebliche Ziffer VI.1 der Bekanntgabe klar und deutlich eine Gesamtzahl von 24 Punkten in der schriftlichen Prüfung d für die Zulassung zur mündlichen Prüfung.

Würdigung durch das Gericht

13 Zum ersten Klagegrund, mit dem ein offensichtliche Fehler in der Begründung geltend gemacht wird, stellt das Gericht fest, daß der Prüfungsausschuß mit seiner Weigerung, die Kläger zur mündlichen Prüfung zuzulassen, weil sie nicht die Gesamtzahl von 24 Punkten in der redaktionellen Prüfung d erreicht hatten, die in Ziffer VI.1 der Bakanntgabe klar und deutlich formulierten Zulassungsvoraussetzungen für diese Prüfung genau beachtet hat.

14 Ziffer VI.1 dieser Bekanntgabe, die unter der Überschrift "Zulassung zur mündlichen Prüfung" ausdrücklich eine Mindestnote von 24 Punkten von 40 in der Prüfung d für die Zulassung zur mündlichen Prüfung verlangt, betrifft genau die Zulassungsvoraussetzungen für diese Prüfung. Ihr konnte demnach nicht dadurch die Wirkung genommen werden, daß in Ziffer V.3 der Stellenausschreibung auf eine "erforderliche Mindestpunktzahl" von 20 Punkten in der Prüfung d die Rede ist. Dieser letztgenannte Hinweis unter der Überschrift "Bewertung [der schriftlichen Prüfungen]" ging dem Abschnitt, der sich mit den Zulassungsvoraussetzungen für die mündliche Prüfung befasst, logisch voraus. Mit ihm sollten daher keinesfalls die für die Zulassung zur mündlichen Prüfung geltenden Voraussetzungen aufgestellt werden.

15 Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Auslegung der genannten Bestimmungen im Hinblick auf Ziffer VII der Bekanntgabe. Nach dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung nimmt der Prüfungsausschuß "diejenigen Bewerber in die Eignungsliste auf, die in der schriftlichen Prüfung d und in der mündlichen Prüfung insgesamt mindestens 60 Punkte und in jeder Einzelprüfung die erforderliche Mindestpunktzahl erzielt haben". Ziffer VII der Bekanntgabe sollte, da sie den letzten Abschnitt des Auswahlverfahrens regelt, ausschließlich für die Bewerber gelten, die bereits zur Teilnahme an sämtlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassen worden waren, was notwendig bedeutet, daß sie zuvor das Zulassungskriterium für die mündliche Prüfung erfuellt hatten. Nach dem Aufbau des Auswahlverfahrens konnte Ziffer VII daher logisch nicht mehr die eigens in Ziffer VI.1 der Bekantngabe geregelten Zulassungsvoraussetzungen für diese mündliche Prüfung betreffen.

Da die Bekanntgabe nur eine schriftliche Prüfung, die Prüfung d, vorsah, war dem Erfordernis einer "erforderlichen Mindestpunktzahl" von 20 Punkten in Ziffer V.3 praktisch jede Bedeutung für die in der Prüfung d erreichte Bewertung genommen. Wie die Kommission ausgeführt hat, erklärt sich dieser irrtümliche Hinweis damit, daß die fragliche Bekanntgabe einem Schema nachgebildet worden war, das für ein Auswahlverfahren mit mehreren schriftlichen Prüfungen als Voraussetzung für die Zulassung zu den mündlichen Prüfungen bestimmt ist. Dies wird insbesondere durch den Gebrauch des Plurals in Ziffer VII bestätigt, wo von "les épreuves écrites d)" (deutscher Text: "in der schriftlichen Prüfung d)") die Rede ist. Unter diesen Umständen stellt das Gericht fest, daß die irrtümliche Aufnahme dieser Worte in Ziffer V.3 bei einer zutreffenden Auslegung der Ausschreibung keinerlei Berücksichtigung finden darf. Hieraus folgt, daß sich der Hinweis auf die "erforderliche Mindestzahl" in Ziffer VII konkret allein auf die in der mündlichen Prüfung erreichte Benotung bezog.

16 Folglich greift der erste Klagegrund nicht durch.

Zum Klagegrund der Verletzung der Fürsorgepflicht

Vorbringen der Parteien

17 Im Rahmen des zweiten Klagegrundes verweisen die Kläger darauf, daß die Fürsorgepflicht, die sich aus Artikel 24 des Statuts ergebe, von der Behörde verlange, bei Entscheidungen über die Stellung eines Beamten nicht nur das dienstliche Interesse, sondern auch das Interesse des betroffenen Beamten zu berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 20. Juni 1990 in der Rechtssache T-133/89, Burban/Parlament, Slg. 1990, II-245, Randnr. 27).

18 Die Kläger meinen, im vorliegenden Fall sei mit der Ablehnung ihrer Zulassung zur mündlichen Prüfung diese Fürsorgepflicht verletzt worden, da ihr Vertrauen nicht berücksichtigt worden sei. Sie tragen vor, daß sie den Wortlaut der Bekanntgabe zulässigerweise so ausgelegt hätten, daß das Erzielen der "erforderlichen Mindestpunktzahl" von 20 Punkten in der Prüfung d die Zulassung zur mündlichen Prüfung nach sich ziehe. Sie machen geltend, daß die Formulierung der Bekanntgabe zumindest Anlaß zu ernsthaften Mißverständnissen habe geben können, wie die Beklagte in ihrem Schreiben vom 9. April 1992 gegenüber den Klägern Karafillakis und Tavola selbst eingeräumt habe.

19 Die Kläger räumen ein, daß der Prüfungsausschuß an die Gesamtheit der Vorschriften der Bekanntgabe gebunden gewesen sei, einschließlich Ziffer VI.1, in der eine Gesamtzahl von 24 Punkten in der schriftlichen Prüfung d für die Zulassung zur mündlichen Prüfung verlangt werde. Sie führen aus, daß die Kommission für die Formulierung der fraglichen Bekanntgabe verantworlich gewesen sei und es ihr oblegen habe, im Zweifel zugunsten den Betroffenen zu entscheiden und sie auf ihre Beschwerde hin unter Richtigstellung dieser unklaren Voraussetzung zur mündlichen Prüfung zuzulassen.

20 Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Fürsorgepflicht vorliegend nicht verletzt worden sei. Sie macht geltend, daß sie in Anbetracht der Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse im vorliegenden Fall aufgrund der Entscheidung des Prüfungsausschusses verpflichtet gewesen sei, die Kläger nicht zur mündlichen Prüfung zuzulassen. Sie trägt ergänzend vor, daß nur unter der Voraussetzung, daß sie die Fehlerhaftigkeit des gesamten Auswahlverfahrens infolge der angeblich unrechtmässigen Entscheidung des Prüfungsausschusses festgestellt hätte, die Anstellungsbehörde verpflichtet gewesen wäre, diese Umstände durch eine mit Gründen versehene Entscheidung festzustellen. Sie wäre in diesem Fall gehalten gewesen, das gesamte Auswahlverfahren nach einer neuen Ausschreibung und einer etwaigen Ernennung eines neuen Prüfungsausschusses zu wiederholen.

Würdigung durch das Gericht

21 Zu dem zweiten Klagegrund stellt das Gericht erstens fest, daß selbst bei Annahme einer Unklarheit in der Bekanntgabe weder der Prüfungsausschuß noch die Kommission berechtigt waren, die Kläger auf ihre Beschwerde hin zur mündlichen Prüfung zuzulassen.

22 In bezug auf den Prüfungsausschuß genügt der Hinweis, daß er im Gegensatz zur Anstellungsbehörde, die über einen weiten Spielraum bei der Festlegung der Voraussetzungen des Auswahlverfahrens verfügt, an den Text der Bekanntgabe, so wie er veröffentlich wurde, gebunden ist (vgl. Urteile des Gerichts vom 18. Februar 1982 in der Rechtssache 67/81, Ruske/Kommission, Slg. 1982, 661, Randnr. 9, und vom 19. Mai 1983 in der Rechtssache 289/81, Mavridis/Parlament, Slg. 1983, 1731, Randnr. 21).

Selbst wenn man im vorliegenden Fall annähme, daß die von den Klägern behauptete Unklarheit besteht, stuende diese Unklarheit einer zutreffenden Auslegung der Bekanntgabe doch nicht entgegen. Infolgedessen hätte der Prüfungsausschuß die Kläger nicht ohne Änderung der in der Bekanntgabe genannten Voraussetzungen zur mündlichen Prüfung zulassen können. Der Prüfungsausschuß hätte, wenn er die in Ziffer VI.1 der Bekanntgabe angeordnete einschränkendere Voraussetzung, die eine Gesamtzahl von mindestens 24 Punkten verlangt, zugunsten der Bewerber, die in der aus einem Aufsatz bestehenden Prüfung d eine Note von 20 Punkten oder mehr erreicht haben, ausser acht gelassen hätte, die Voraussetzungen des Auswahlverfahrens wesentlich geändert.

23 Was die Kommission angeht, erinnert das Gericht daran, daß auch sie nicht befugt war, die Kläger auf ihre Beschwerde hin zur mündlichen Prüfung zuzulassen. Nach ständiger Rechtsprechung, die auf der Wahrung der Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse beruht, ist die Verwaltung nicht befugt, deren Entscheidungen abzuändern oder aufzuheben (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juni 1972 in der Rechtssache 44/71, Marcato/Kommission, Slg. 1972, 427, Randnr. 5, und vom 23. Oktober 1986 in der Rechtssache 321/85, Schwiering/Rechnungshof, Slg. 1986, 3199, Randnr. 11). Wenn die Kommission der Meinung gewesen wäre, daß die Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Ablehnung der Zulassung der Kläger zur mündlichen Prüfung fehlerhaft war, weil diese nach ihrer Behauptung durch die angeblich unklare Formulierung der Bekanntgabe irregeführt worden waren, hätte die Beklagte nur die Möglichkeit gehabt, dies durch eine begründete Entscheidung festzustellen und das gesamte Auswahlverfahren nach Veröffentlichung einer neuen, von Unklarheiten freien Bekanntgabe zu wiederholen (vgl. Urteil des Gerichtshofes, Schwiering/Rechnungshof, a. a. O., Randnr. 13). Die Kläger haben jedoch im vorliegenden Fall während des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsverfahrens zu keiner Zeit die Aufhebung der Bekanntgabe selbst verlangt. Sie beantragen ausschließlich die Aufhebung der Entscheidung, mit der sie von der mündlichen Prüfung des Auswahlverfahrens ausgeschlossen wurde.

24 Das Gericht weist zweitens darauf hin, daß selbst unter der Annahme, daß die Betroffenen durch die angeblich unklare Formulierung der Bekanntgabe unverschuldet einem Irrtum erlegen sind, der Grundsatz gilt, daß ein Verfahrensverstoß die Aufhebung eines Rechtsakts nur dann nach sich zieht, wenn nachgewiesen ist, daß die Entscheidung ohne diesen Verstoß einen anderen Inhalt hätte haben können (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 150/84, Bernardi/Parlament, Slg. 1986, 1375, Randnr. 28, und vom 10. Dezember 1987 in der Rechtssache 181/86 bis 184/86, Del Plato/Kommission, Slg. 1987, 4991, Randnr. 36).

Im vorliegenden Fall war die Unklarheit der Bekanntgabe, auf die sich die Kläger berufen, nicht geeignet, Einfluß auf den Verlauf der schriftlichen Prüfung d und damit auf die Ergebnisse der Kläger und auf deren Ausschluß von der mündlichen Prüfung zu haben. Um das Gegenteil anzunehmen, müsste nachgewiesen werden, daß die Kläger ihre Bemühungen "dosiert" haben, um eine Note von gerade eben über 20 Punkten zu erhalten und um so die Voraussetzung zu erfuellen, die nach ihrer Ansicht für die Zulassung zur mündlichen Prüfung bestand. Kein Umstand weist darauf hin, daß die Kläger sich so verhalten haben, und auch sie selbst behaupten ein solches Verhalten nicht. Unter diesen Umständen hat die Unklarheit der Bekanntgabe, auf die sich die Kläger zur Begründung ihres Antrags auf Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses über die Nichtzulassung zur mündlichen Prüfung berufen, keinerlei Einfluß auf diese Entscheidung und kann sie daher nicht fehlerhaft machen.

25 Nach alledem greift der zweite Klagegrund nicht durch. Die Klage ist daher abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

27 Gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 2 der Verfahrensordnung kann das Gericht darüber hinaus auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen, die sie der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

28 Die Beklagte hat eingeräumt, daß die Bekanntgabe eine Reihe von Fehlern enthielt, insbesondere durch den Hinweis auf eine "erforderliche Mindestpunktzahl" von 20 Punkten für die einzige schriftliche Prüfung d. Der Generaldirektor für Personal und Verwaltung hat darüber hinaus in seinem Schreiben vom 9. April 1992 an zwei der Kläger ausdrücklich "die Unklarheit der... Bekanntgabe" eingeräumt und den Betreffenden mitgeteilt, er habe "den Prüfungsausschuß gebeten, sich in einem positiven Sinn erneut mit [der] Situation [der Kläger] zu befassen".

29 Angesichts der dargelegten Unklarheiten in der Bekanntgabe hat die Beklagte folglich durch ihr Verhalten die Kläger dazu veranlasst, an die Begründetheit ihres Anspruchs auf Zulassung zur mündlichen Prüfung zu glauben und Klage zu erheben. Unter diesen Umständen ist es angemessen, der Kommission ausser den eigenen Kosten auch die Kosten der Kläger aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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