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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 26.06.2006
Aktenzeichen: T-453/05
Rechtsgebiete: Satzung des Gerichtshofes


Vorschriften:

Satzung des Gerichtshofes Art. 19 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (Zweite Kammer)

26. Juni 2006

"Gemeinschaftsmarke - Vertretung durch einen Rechtsanwalt - Offensichtliche Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-453/05

Vonage Holdings Corporation mit Sitz in Edison (USA), Prozessbevollmächtigter: J. Kääriäinen,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),

Beklagter,

wegen Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 20. Oktober 2005 (Sache R 510/2005-1) über die Anmeldung des Wortzeichens REDEFINING COMMUNICATIONS als Gemeinschaftsmarke

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Pirrung sowie des Richters A. W. H. Meij und der Richterin I. Pelikánová,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 27. Dezember 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 20. Oktober 2005 (Sache R 510/2005-1) erhoben.

2 In der Klageschrift ist angegeben, dass die Klägerin durch J. Kääriäinen, "lawyer", vertreten sei. Die Klageschrift wurde von J. Kääriäinen unterzeichnet.

3 Am 3. Januar 2006 hat das Gericht J. Kääriäinen nach Artikel 44 § 6 seiner Verfahrensordnung aufgefordert, einen Nachweis vorzulegen, dass er die nach Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes erforderliche Berechtigung besitzt, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats als Anwalt aufzutreten. Herr Kääriäinen hat darauf am 24. Januar 2006 eine von J.-O. Brännström, einem Richter am Tingsrätt Malmö (Schweden), ausgestellte Bescheinigung vom 10. April 2002 vorgelegt, dass J. Kääriäinen "Anwalt und berechtigt [sei], Mandanten zu vertreten und allein vor allen Gerichten in Schweden aufzutreten".

4 Das Gericht hat dies nicht für ausreichend gehalten und J. Kääriäinen aufgefordert, einen Nachweis dafür vorzulegen, dass er nach schwedischem Recht als "advokat" zur Anwaltschaft zugelassen oder gemäß Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes berechtigt ist, als Anwalt vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aufzutreten. Die Frist, die ihm zur Beantwortung gesetzt wurde, endete am 10. April 2006.

5 J. Kääriäinen hat am 10. April 2006 erklärt, dass er nicht bei der Schwedischen Anwaltskammer (Sveriges Advokatsamfund) als "advokat" zugelassen sei, weil er in einer auf das Patentrecht spezialisierten Kanzlei arbeite und die Schwedische Anwaltskammer ihren Mitgliedern nicht erlaube, in derselben Kanzlei wie Patentanwälte zu praktizieren, die eine technische Ausbildung hätten. Nach Artikel 19 Absatz 4 der Satzung in der schwedischen Sprachfassung müsse der Vertreter ein "advokat" sein. Ihm sei auch der Beschluss des Gerichts vom 28. Februar 2005 in der Rechtssache T-445/04 (Energy Technologies ET/HABM, Slg. 2005, II-677) bekannt.

6 Er hat jedoch die Tatsache geltend gemacht, dass das Gericht in der Rechtssache T-219/00 (Ellos/HABM [ELLOS], Slg. 2002, II-753) die Vertretung durch einen schwedischen Anwalt, der kein Mitglied der Schwedischen Anwaltskammer gewesen sei, nicht beanstandet habe. Außerdem habe er die Klägerin in der Rechtssache C-150/02 P (Streamserve/HABM, Slg. 2004, I-1461) vor dem Gerichtshof vertreten. Auch vom Gerichtshof sei dies nicht beanstandet worden.

7 Schließlich hat J. Kääriäinen dem Gericht mitgeteilt, dass S. Eliasson und J. Runsten, beide Mitglieder der Schwedischen Anwaltskammer, ihre Bereitschaft erklärt hätten, die Klägerin im vorliegenden Fall zu vertreten. Unterlagen, die bescheinigen, dass S. Eliasson und J. Runsten Mitglieder der Schwedischen Anwaltskammer sind, waren dem Schreiben vom 10. April 2006 beigefügt. Weitere Unterlagen wurden beim Gericht nicht eingereicht.

Rechtliche Würdigung

8 Ist eine Klage offensichtlich unzulässig oder fehlt ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage, so kann das Gericht nach Artikel 111 seiner Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

9 In der vorliegenden Rechtssache beschließt das Gericht, nach diesem Artikel ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

10 Nach Artikel 19 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes, der nach deren Artikel 53 auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechend anwendbar ist, müssen die nichtprivilegierten Parteien vor den Gemeinschaftsgerichten durch einen Anwalt, nach der schwedischen Fassung durch einen "advokat", vertreten sein. Nach schwedischem Recht ist die Berufsbezeichnung "advokat" Personen vorbehalten, die das juristische Examen absolviert haben und zur Anwaltschaft zugelassen worden sind.

11 Ferner geht aus Artikel 19 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes eindeutig hervor, dass andere Parteien als Mitgliedstaaten und Gemeinschaftsorgane vor den Gemeinschaftsgerichten nur vertreten kann, wer kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt, nämlich erstens Anwalt (nach der schwedischen Fassung "advokat") und zweitens berechtigt ist, vor einem Gericht eines Mitgliedstaats oder eines anderen Vertragsstaats des EWR-Abkommens aufzutreten. Diese Voraussetzungen sind wesentliche Formvorschriften, deren Nichtbeachtung zur Unzulässigkeit der Klage führt.

12 Das in Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes normierte Erfordernis hat seinen Grund darin, dass der Anwalt als Mitgestalter der Rechtspflege betrachtet wird, der in völliger Unabhängigkeit und in deren vorrangigem Interesse dem Mandanten die rechtliche Unterstützung zu gewähren hat, die dieser benötigt. Diesem Schutz stehen auf der anderen Seite die Berufs- und Standespflichten gegenüber, die im Allgemeininteresse von dazu ermächtigten Einrichtungen festgelegt und kontrolliert werden. Dieses Verständnis entspricht den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten und hat auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung seinen Niederschlag gefunden (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1982 in der Rechtssache 155/79, AM & S/Kommission, Slg. 1982, 1575, Randnr. 24).

13 Da J. Kääriäinen kein zugelassenes Mitglied der Anwaltskammer ist, ist er nicht Anwalt ("advokat") im Sinne von Artikel 19 der Satzung des Gerichtshofes. Daher erfüllt er, auch wenn er nach schwedischem Recht Beteiligte in Rechtsstreitigkeiten vor den schwedischen Gerichten vertreten darf, nicht die erste der beiden in Artikel 19 Absatz 4 festgelegten, kumulativ geltenden Voraussetzungen und ist damit nicht befugt, die Klägerin vor dem Gericht zu vertreten (vgl. Energy Technologies ET/HABM).

14 In den von der Klägerin erwähnten Rechtssachen (vgl. Randnr. 6 des vorliegenden Beschlusses) hat zwar weder der Gerichtshof noch das Gericht die Vertretung durch einen Anwalt, der kein "advokat" war, beanstandet, wobei das Gericht bemerkt, dass in keiner dieser Rechtssachen die Vertretungsfrage ausdrücklich angesprochen wurde.

15 Jedenfalls könnte sich die Klägerin aber nicht auf die in Randnummer 6 des vorliegenden Beschlusses erwähnten Entscheidungen berufen, um von der Anwendung der Vorschriften der Satzung des Gerichtshofes oder der Verfahrensordnung befreit zu werden. Nach Artikel 43 § 1 der Verfahrensordnung ist die Urschrift jedes Schriftsatzes vom Bevollmächtigten oder vom Anwalt der Partei zu unterzeichnen. Die Klägerin hat kein von einem Anwalt im Sinne von Artikel 19 Absatz 4 der Satzung unterzeichnetes Schriftstück vorgelegt. Die Vorlage der in Randnummer 7 des vorliegenden Beschlusses erwähnten Bescheinigungen und die Behauptung, dass die darin genannten Anwälte bereit seien, die Klägerin zu vertreten, reichen nicht aus, um das Erfordernis zu erfüllen, dass eine Klageschrift von einem Anwalt im Sinne des Artikels 19 der Satzung unterzeichnet sein muss.

16 Die Klage ist daher als offensichtlich unzulässig abzuweisen, ohne dass es der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten bedarf.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Da der vorliegende Beschluss vor Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ergeht und diesem damit keine Kosten entstehen konnten, ist gemäß Artikel 87 § 1 der Verfahrensordnung nur zu entscheiden, dass die Klägerin ihre eigenen Kosten trägt.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

Das Gericht erster Instanz (Zweite Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 26. Juni 2006



Ende der Entscheidung

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