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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.05.2000
Aktenzeichen: T-46/97
Rechtsgebiete: EGV


Vorschriften:

EGV Art. 93 Abs. 2 a.F.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Adressaten der Entscheidungen, die die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen erläßt, sind stets die Mitgliedstaaten. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Entscheidung staatliche Maßnahmen betrifft, die in Beschwerden als vertragswidrige staatliche Beihilfen bezeichnet werden, und sich aus ihr ergibt, daß die Kommission es ablehnt, das in Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) vorgesehene Verfahren einzuleiten, weil die beanstandeten Maßnahmen nach ihrer Auffassung keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) darstellen oder weil sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Wenn die Kommission solche Entscheidungen erläßt und gemäß ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung die Beschwerdeführer davon unterrichtet, hat der Beschwerdeführer gegebenenfalls die an den Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung und nicht das ihm gesandte Schreiben anzufechten.

(vgl. Randnr. 45)

2 Das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) ist unerläßlich, sobald die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob ein Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt. Die Kommission kann sich also für den Erlaß einer positiven Entscheidung über ein Beihilfevorhaben nur dann auf die Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung in der Lage ist, zu der Überzeugung zu gelangen, daß dieses Vorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Hat diese erste Prüfung dagegen die Kommission veranlaßt, die gegenteilige Überzeugung zu gewinnen, oder es nicht ermöglicht, alle Schwierigkeiten auszuräumen, die bei der Beurteilung der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt aufgetaucht sind, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und dazu das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten.

Ferner ist die Kommission verpflichtet, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten, wenn sie bei einer ersten Prüfung nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ausräumen konnte, ob eine ihrer Kontrolle unterliegende staatliche Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn sie nicht die Überzeugung gewinnen konnte, daß diese Maßnahme, auch wenn sie als staatliche Beihilfe qualifiziert wird, jedenfalls mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist.

(vgl. Randnrn. 71-72)

3 Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) unterscheidet nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Interventionen, sondern definiert diese nach ihren Wirkungen. Der Beihilfebegriff ist somit ein objektiver Begriff, der sich nur danach bestimmt, ob eine staatliche Maßnahme einem oder einigen Unternehmen einen Vorteil verschafft. Daraus ergibt sich insbesondere, daß der Umstand, daß die staatlichen Stellen einem Unternehmen einen finanziellen Vorteil gewähren, um die Kosten aufgrund der von diesem Unternehmen angeblich übernommenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auszugleichen, keine Auswirkung auf die Qualifizierung dieser Maßnahme als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag hat, auch wenn dies bei der Prüfung der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG) berücksichtigt werden kann.

(vgl. Randnrn. 83-84)

4 Die bloße Tatsache, daß in der Phase der Vorprüfung einer Beihilfe Erörterungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat stattgefunden haben und die Kommission in diesem Rahmen unter Umständen zusätzliche Informationen über die ihrer Kontrolle unterliegenden Maßnahmen verlangt hat, kann für sich allein nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß die Kommission auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten gestoßen ist, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) erforderlich machen. Es läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß der Inhalt der Erörterungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat während dieser Vorprüfungsphase des Verfahrens unter bestimmten Umständen geeignet sein kann, das Vorliegen solcher Schwierigkeiten erkennen zu lassen.

(vgl. Randnr. 89)

5 Der Ablauf eines Zeitraums, der beträchtlich über das hinausgeht, was normalerweise für eine erste Prüfung im Rahmen der Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) erforderlich ist, kann zusammen mit anderen Faktoren zu der Feststellung führen, daß die Kommission auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten gestoßen ist, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag verlangten.

Zwar ist die Kommission in einem Fall, in dem der betreffende Mitgliedstaat sie nicht von den streitigen staatlichen Maßnahmen unterrichtet hat, nicht verpflichtet, diese Maßnahmen innerhalb der in der Rechtsprechung erwähnten Zweimonatsfrist einer Vorprüfung zu unterziehen, doch ist sie, wenn betroffene Dritte bei ihr Beschwerden erhoben haben, verpflichtet, diese Beschwerden im Rahmen der in dieser Vorschrift vorgesehenen Vorprüfungsphase im Interesse einer ordnungsgemäßen Anwendung der grundlegenden Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen. Daraus folgt insbesondere, daß sie die Vorprüfung staatlicher Maßnahmen, gegen die eine Beschwerde im Hinblick auf Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) erhoben wurde, nicht unbegrenzt verlängern kann, wenn sie eine solche Vorprüfung eingeleitet hat.

Zeiträume von mehr als 39 Monaten nach Einreichung der ersten Beschwerde des Beschwerdeführers und fast 33 Monaten nach Ergänzung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer gehen beträchtlich über das hinaus, was normalerweise für eine erste Prüfung erforderlich ist, die es der Kommission lediglich ermöglichen soll, sich eine erste Meinung über die Qualifizierung der ihrer Beurteilung unterliegenden Maßnahmen und über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu bilden.

(vgl. Randnrn. 102-107)


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 10. Mai 2000. - SIC - Sociedade Independente de Comunicação SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Finanzierung der öffentlichen Fernsehkanäle - Beschwerde - Staatliche Beihilfen - Mangelnde Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) - Nichtigkeitsklage. - Rechtssache T-46/97.

Parteien:

In der Rechtssache T-46/97

SIC - Sociedade Independente de Comunicação, SA, mit Sitz in Estrada da Outorela (Portugal), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Botelho Moniz und P. Moura Pinheiro, Lissabon, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts A. May, 31, Grand-rue, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater G. Rozet und A. M. Alves Vieira, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, mit Sitz in Lissabon (Portugal), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Tinoco de Faria Manuel und I. Jalles, Lissabon, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Beghin und Feider, 56-58, rue Charles Martel, Luxemburg,

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes, Direktor des Juristischen Dienstes der Generaldirektion für Gemeinschaftsangelegenheiten des Außenministeriums, sowie Rechtsberaterin M. L. Duarte und T. Ribeiro, Leiterin der Abteilung für Beratung und internationale Angelegenheiten des Instituts für Medien, als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Portugiesische Botschaft, 33, allée Scheffer, Luxemburg,

und

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch R. Magrill als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift: Britische Botschaft, 14, boulevard Roosevelt, Luxemburg,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der der Klägerin am 6. Januar 1997 mitgeteilten Entscheidung der Kommission vom 7. November 1996 bezüglich eines Verfahrens nach Artikel 93 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) im Bereich der Finanzierung der öffentlichen Fernsehkanäle sowie der angeblich im Schreiben der Kommission vom 20. Dezember 1996 betreffend die Beschwerde der Klägerin gegen die RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, enthaltenen Entscheidung

erläßt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richterin V. Tiili sowie der Richter A. Potocki, A. W. H. Meij und M. Vilaras,

Kanzler: G. Herzig, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, eine ehemals öffentlich-rechtliche Einrichtung, ist seit 1992, als das Monopol des portugiesischen Staates im audiovisuellen Bereich endete, eine Aktiengesellschaft mit staatlichem Kapital. Als Konzessionärin des portugiesischen öffentlichen Fernsehdienstes betreibt die RTP das erste und das zweite Programm sowie das portugiesischsprachige Programm RTP Internacional. Während die privaten portugiesischen Fernsehkanäle allein durch Werbeeinnahmen finanziert werden, verfügt die RTP nicht nur über solche Einnahmen, sondern auch über staatliche Mittel, die ihr jedes Jahr aufgrund ihrer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährt werden und sich von 1992 bis 1995 auf 15 % bis 18 % des Gesamtbetrags ihrer jährlichen Einnahmen beliefen.

2 Die SIC - Sociedade Independente de Communicação, SA, ist eine Handelsgesellschaft portugiesischen Rechts, die im Fernsehbereich tätig ist und seit Oktober 1992 einen der führenden privaten Fernsehkanäle in Portugal betreibt.

Beschwerden und Verwaltungsverfahren vor der Kommission

3 Am 30. Juli 1993 legte die SIC bei der Kommission eine Beschwerde (im folgenden: erste Beschwerde) bezüglich der Art und Weise der Finanzierung der von der RTP betriebenen Fernsehkanäle ein, die auf die Feststellung gerichtet war, daß verschiedene Maßnahmen der Portugiesischen Republik zugunsten der RTP gemäß Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien und daß gegen Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) verstoßen worden sei, da die beanstandeten Beihilfen nicht im voraus angemeldet worden seien. In dieser ersten Beschwerde veranschlagte die SIC die Mittelzuweisungen, die der Staat der RTP 1992 und 1993 als Ausgleichsentschädigungen für ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährt hatte, mit 6 200 und 7 100 Mio. PTE. Außer diesen Zuweisungen beanstandete die SIC die Befreiungen der RTP im Bereich der Eintragungsgebühren und das im Konzessionsvertrag vorgesehene System von Investitionsbeihilfen. Die SIC forderte daher die Kommission auf, das förmliche Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten und der Portugiesischen Republik aufzugeben, die Zahlung dieser nicht angemeldeten Beihilfen bis zum Erlaß einer endgültigen Entscheidung auszusetzen.

4 Nach Eingang der ersten Beschwerde fand am 3. November 1993 eine Besprechung zwischen den Dienststellen der Kommission und den Vertretern der SIC statt, in deren Verlauf die SIC aufgefordert wurde, zusätzliche Daten zu dem betreffenden Markt vorzulegen.

5 Mit Schreiben vom 12. Februar 1994 legte die Klägerin die verlangten Daten vor. Außerdem ergänzte sie ihre Beschwerde dahin, daß die portugiesische Regierung die gestaffelte Tilgung einer Schuld in Höhe von 2 Mrd. PTE bei der Segurança social (Soziale Sicherheit) zusammen mit einer Befreiung von Verzugszinsen genehmigt habe und daß der Staat das Fernsehnetz von dessen Eigentümerin RTP zu einem überhöhten Preis gekauft und das mit der Verwaltung dieses Netzes beauftragte öffentliche Unternehmen der RTP Zahlungserleichterungen gewährt habe. Da die Klägerin diese Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen hielt, beantragte sie auch insoweit die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages.

6 Kurz zuvor, im Dezember 1993, hatte die Kommission ein externes Beraterunternehmen beauftragt, eine Studie über die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter in der gesamten Gemeinschaft zu erstellen, und der Klägerin mitgeteilt, daß diese Studie eine entscheidende Rolle bei der Prüfung ihrer Beschwerde spielen werde.

7 Am 15. März 1994 legte die Klägerin der Kommission neue Daten zu den Einschaltquoten der verschiedenen Fernsehsender in Portugal vor, und am 14. April 1994 teilte sie ihr mit, daß die portugiesische Regierung der RTP für das Jahr 1994 eine weitere Ausgleichsentschädigung in Höhe von 7 145 Mio. PTE gezahlt habe.

8 Mit Schreiben vom 4. August 1995 forderte die Klägerin die Kommission gemäß Artikel 175 EG-Vertrag (jetzt Artikel 232 EG) auf, zu ihrer Beschwerde und insbesondere zu ihrem Antrag auf Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages Stellung zu nehmen.

9 Am 16. Oktober 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie nach Empfang der vorläufigen Fassung der im Dezember 1993 in Auftrag gegebenen Studie zusätzliche Informationen von den portugiesischen Behörden verlangt habe, um die Angelegenheit im Hinblick auf Artikel 92 des Vertrages prüfen zu können.

10 Am 1. November 1995 erhielt die Kommission die endgültige Fassung der Studie und schickte den portugiesischen Behörden ein Exemplar zur Stellungnahme.

11 Mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 machten die portugiesischen Behörden die von der Kommission verlangten Angaben zu den in den Beschwerden beanstandeten Beihilfemaßnahmen.

12 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 19. Dezember 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eine Untätigkeitsklage gemäß Artikel 175 des Vertrages erhoben, die unter dem Aktenzeichen T-231/95 eingetragen worden ist.

13 Mit Schreiben vom 31. Januar 1996 teilte die Kommission den portugiesischen Behörden mit, daß aufgrund ihrer Antworten "bestimmte Punkte noch zu klären" seien. Die Kommission forderte sie insoweit vor allem auf, ihr Buchführungsdaten zu den aufgrund der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen der RTP in den Jahren 1992 und 1993 gewährten Mittelzuweisungen und zu den Betriebskosten von RTP Internacional von 1992 bis 1995 vorzulegen. Sodann stellte sie fest, daß "nach einer ersten Prüfung die Steuerbefreiungen und die für die Zahlungen im Zusammenhang mit dem TDP-Netz gewährten Aufschübe staatliche Beihilfen zu sein [scheinen], die unter Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages fallen". Sie forderte daher die portugiesischen Behörden auf, ihr mitzuteilen, ob nach ihrer Auffassung die betreffenden Beihilfen auf eine der in Artikel 92 des Vertrages genannten Ausnahmen gestützt seien.

14 Mit Schreiben vom 20. März 1996 kamen die portugiesischen Behörden der Aufforderung der Kommission nach.

15 Am 16. April 1996 verlangte die Kommission von den portugiesischen Behörden weitere Informationen zu den Steuerbefreiungen und den Zahlungserleichterungen für die RTP; die Behörden kamen dieser Aufforderung mit Schreiben vom 21. Juni 1996 nach.

16 Am 22. Oktober 1996 legte die Klägerin eine neue Beschwerde ein (im folgenden: zweite Beschwerde), die auf die Feststellung gerichtet war, daß die Mittelzuweisungen des portugiesischen Staates an die RTP im Zeitraum 1994 bis 1996 aus den in der ersten Beschwerde genannten Gründen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien. Die Klägerin beanstandete ferner, daß der RTP 1994 neue, vom portugiesischen Staat nicht angemeldete Beihilfen gewährt worden seien, die aus einer Kapitalerhöhung und der Übernahme einer Bürgschaft durch den portugiesischen Staat im Rahmen einer von der RTP begebenen Obligationsanleihe resultierten. Die SIC forderte daher die Kommission auf, das förmliche Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten und der Portugiesischen Republik aufzugeben, die Gewährung dieser Beihilfen bis zum Erlaß einer endgültigen Entscheidung einzustellen.

17 Mit Schreiben vom 20. Dezember 1996 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie auf deren zweite Beschwerde gegen die RTP von den portugiesischen Behörden Informationen zur Kapitalerhöhung der RTP und zur Begebung einer Obligationsanleihe durch die RTP im Jahr 1994 sowie zur Erstellung eines Umstrukturierungsplans für den Zeitraum 1996 bis 2000 und zum Abschluß einer Vereinbarung mit dem Kultusministerium zur Unterstützung der Filmtätigkeit verlangt habe. Im zweiten Absatz des Schreibens fügte sie hinzu: "Die Mittel im Zusammenhang mit den von der... RTP im Zeitraum 1994 bis 1996 erhaltenen Ausgleichsentschädigungen sind unseres Erachtens keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages. Die Gründe hierfür stehen in der Entscheidung [vom 7. November 1996], die wir Ihnen in Kopie zuschicken werden, sobald uns die portugiesischen Behörden mitgeteilt haben, welche Teile vertraulich sind und nicht an Dritte weitergeleitet werden dürfen."

18 Am 6. Januar 1997 erhielt die Klägerin eine Kopie der an die Portugiesische Republik gerichteten Entscheidung der Kommission vom 7. November 1996 bezüglich der Finanzierung der öffentlichen Fernsehkanäle (im folgenden: Entscheidung).

Die Entscheidung

19 Die Entscheidung betrifft sechs Gruppen von Maßnahmen, die der portugiesische Staat zugunsten der RTP getroffen hat.

20 Die erste Gruppe geprüfter Maßnahmen betrifft die der RTP von 1992 bis 1995 als Ausgleichsentschädigungen gewährten Mittelzuweisungen. Laut Entscheidung betragen diese Zuweisungen, die zwischen 6 200 Mio. PTE (ungefähr 32,5 Mio. ECU) im Jahr 1992 und 7 125 Mio. PTE (ungefähr 36,2 Mio. ECU) im Jahr 1995 liegen, 15 % bis 18 % der Jahreseinnahmen der RTP und dienen der Finanzierung der Lasten aufgrund der Erfuellung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen, die die privaten Fernsehsender nicht haben. Im folgenden werden die Verpflichtungen und die von der RTP bezogenen Ausgleichsentschädigungen (in PTE) dargestellt:

1992 / 1993 / 1994 / 1995

1. Verpflichtung zur Ausstrahlung von Programmen, die das gesamte portugiesische Festland erreichen (Privatsender erreichen nicht das gesamte Gebiet) (Klausel 4.2 der Vertragsbedingungen)

406,7 / 1 312 / 500 / 1 032,81

2. Ausstrahlung von Programmen in den autonomen Regionen (Klausel 4.3 der Vertragsbedingungen)

3 454 / 3 486 / 1 804 / 1 992,166

3. Führung audiovisueller Archive (Klausel 7 der Vertragsbedingungen)

509 / 241,5 / 517 / 283,66

4. Betrieb von RTP Internacional

(Klausel 6 der Vertragsbedingungen)

882,3 / 1 517 / 2 623 / 2 729,116

5. Aufrechterhaltung der Struktur der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Ländern, in denen Portugiesisch Amtssprache ist (Klausel 8 der Vertragsbedingungen)

186,9 / 128,3 / 172 / 195,273

6. Religiöse Sendungen (Übertragung des Senderechts) (Klausel 5.1 f der Vertragsbedingungen)

482 / 350 / 579 / 327,9

7. Delegationen und Korrespondenten

(Klausel 5.1 n der Vertragsbedingungen)

797,8 / 658,6 / 800 / 504,27

8. Stiftung São Carlos (staatliches Theater) (Klausel 12.1.8 der Vertragsbedingungen)

... / 50 / 55 / 60

21 Für das Jahr 1993 unterzieht die Kommission die von der Klägerin und der RTP vorgelegten Zahlen zur Bewertung der Kosten dieser Verpflichtungen einer vergleichenden Prüfung. Insoweit wird ausgeführt, daß "die Berechnungsmethode der Beschwerdeführerin nicht genau genug ist, [während] die Prüfung durch die portugiesischen Behörden und die von diesen vorgelegten Beträge wesentlich zuverlässiger sind, und zwar insbesondere, wenn man [Letztere] mit den Entschädigungen von 1994 und 1995 vergleicht, als die Betriebsbuchführung zwingend war". Für die Jahre 1994 und 1995 stellt die Kommission fest, daß die Anwendung der Regeln der Betriebsbuchführung auf die Berechnung der mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verbundenen Kosten und die Kontrolle durch die Inspecção-geral de finanças (Generalinspektion für Finanzen) gewährleistet habe, daß keine überschüssigen Ausgleichszahlungen erfolgten.

22 Die Kommission schließt aus diesen Umständen, daß "der finanzielle Vorteil, der [aus diesen] Zahlungen resultiert, nicht den Betrag übersteigt, der für die Erfuellung der nach den Vertragsbedingungen bestehenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unbedingt erforderlich ist".

23 Für das Jahr 1992 wird festgestellt, daß, obwohl die RTP keine Buchführungsdaten vorgelegt habe, "aufgrund des Betrages der betreffenden Mittel..., der deutlich unter dem der beiden folgenden Jahre liegt, und aufgrund seiner Aufteilung ein überschüssiger Ausgleich ausgeschlossen werden kann".

24 Was erstens die Ausgleichsentschädigungen angeht, so stellt die Kommission fest, daß sie "weder an der Transparenz des Systems der Finanzierung der mit den gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verbundenen Kosten, das 1994 und 1995 ordnungsgemäß die Übereinstimmung der staatlichen Mittel mit den tatsächlichen Kosten der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gewährleistet hat, noch daran zweifelt, daß die betreffenden Maßnahmen keine Beihilfeelemente enthalten". Diese Feststellung gelte aus den gleichen Gründen auch für die Jahre 1992 und 1993.

25 Was zweitens die beanstandeten Steuerbefreiungen betrifft, so ist die Kommission der Auffassung, daß die RTP tatsächlich nur von der Zahlung der mit der Eintragung ihres Gründungsakts im Jahr 1992 verbundenen Abgaben und Kosten in Höhe von ungefähr 33 Mio. PTE befreit sei. Diese Befreiung sei keine staatliche Beihilfe, da sie sich in den Zusammenhang des Steuersystems einfüge, wonach die Eintragung eines Aktes nicht erforderlich sei, wenn dessen Beglaubigung gesetzlich erfolge. Bei der Kapitalerhöhung im Jahr 1995 habe die RTP dagegen sämtliche Eintragungsabgaben und -kosten bezahlt, die juristische Personen des Privatrechts bei dieser Gelegenheit zu tragen hätten.

26 Drittens stellt die Kommission zur Schuld der RTP bei der Segurança social in Höhe von insgesamt 2 189 Mio. PTE für den Zeitraum 1983 bis 1989 fest, daß sich die RTP und die Segurança social wegen unterschiedlicher Auffassungen zur Rechtmäßigkeit der Besteuerungsgrundlagen zwecks Vermeidung des Rechtsweges gütlich geeinigt hätten, bevor schließlich durch eine gemeinsame Verordnung des Finanzministeriums und des Ministeriums für soziale Sicherheit vom 3. Mai 1993 eine gestaffelte Tilgung der Schuld und ein Verzicht auf die Beitreibung der entsprechenden Geldbußen und Zinsen festgelegt worden seien. Die gütliche Einigung über den Verzicht auf mit 1 206 Mio. PTE veranschlagte Verzugszinsen und das Einverständnis mit einer gestaffelten Tilgung der Schuld in wesentlich geringerer Höhe als den von der Klägerin genannten 2 Mrd. PTE zeige, daß sich die Einrichtung der sozialen Sicherheit ähnlich wie ein Privatunternehmen verhalten habe, das versuche, fällige Beträge einzutreiben.

27 Viertens meint die Kommission zum Erwerb des zuvor im Eigentum der RTP stehenden Fernsehnetzes durch den portugiesischen Staat für 5 400 Mio. PTE im Jahr 1994, daß dieser Preis, da er auf der Grundlage von Gutachten insbesondere einer unabhängigen privaten Einrichtung berechnet worden sei, keine versteckte staatliche Beihilfe sei. Außerdem garantiere die Jahresgebühr von 2 000 Mio. PTE, die die RTP für die Nutzung des Netzes zahle, dem gegenwärtigen Eigentümer eine sehr hohe Rentabilität des investierten Kapitals.

28 Was fünftens die verspäteten Zahlungen dieser Gebühr angeht, die die Portugal Telecom, die neue Eigentümerin des Fernsehnetzes, nur bei der RTP, nicht aber bei der SIC toleriere, so weisen sie nach der Entscheidung nicht auf das Vorliegen einer Beihilfe hin. Da die Portugal Telecom nämlich nicht auf die Beitreibung der im März 1996 mit ungefähr 398 Mio. PTE veranschlagten fälligen Verzugszinsen verzichtet habe, sei die RTP nicht von den finanziellen Folgen ihres Verhaltens befreit.

29 Sechstens erklärt die Kommission zu den Investitionsbeihilfen gemäß Artikel 14 der Vertragsbedingungen, wonach sich der Staat an den von der RTP getätigten Investitionen beteiligen kann, daß nach den von den portugiesischen Behörden erteilten Auskünften bislang keine derartige Zahlung erfolgt sei.

Ereignisse nach Erlaß der Entscheidung

30 Nach dem Erlaß der Entscheidung hat die Klägerin die Untätigkeitsklage in der Rechtssache T-231/95 zurückgenommen. Daraufhin wurde diese Rechtssache durch Beschluß des Gerichts vom 4. Juli 1997 im Register gestrichen.

31 Mit Schreiben vom 21. April 1997 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie, nachdem sie die Informationen der portugiesischen Behörden erhalten habe, der Auffassung sei, die in der zweiten Beschwerde bezüglich der Kapitalerhöhung der RTP und der Begebung einer Obligationsanleihe durch die RTP im Jahr 1994 beanstandeten Maßnahmen sowie die Vereinbarung zur Unterstützung der Filmtätigkeit und der Umstrukturierungsplan für den Zeitraum 1996 bis 2000 hätten nicht zur Zahlung staatlicher Beihilfen geführt. Ohne neue Anhaltspunkte beabsichtige sie daher nicht, die Prüfung dieser Beschwerde fortzusetzen.

Verfahren

32 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 3. März 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

33 Mit Schriftsätzen, die am 28. Juli sowie am 5. und 18. August 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die RTP, die Portugiesische Republik und das Vereinigte Königreich beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden. Diesen Anträgen hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer durch Beschlüsse vom 13. November 1997 stattgegeben. Nur das Vereinigte Königreich hat keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht und war auch nicht in der Sitzung vertreten.

34 Durch Entscheidung des Gerichts vom 21. September 1998 ist der Berichterstatter der Ersten erweiterten Kammer des Gerichts zugeteilt worden, der die Rechtssache daraufhin zugewiesen worden ist.

35 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen sind die Parteien und die Streithelfer aufgefordert worden, in der Sitzung Fragen zu beantworten. Die Kommission und die Klägerin sind ferner aufgefordert worden, bis zum 13. November 1999 bestimmte Unterlagen vorzulegen, was innerhalb der gesetzten Frist geschehen ist. Am 29. November 1999 hat die Klägerin bei der Kanzlei des Gerichts jedoch noch die Kopie eines am 16. Juni 1999 verkündeten Urteils des Supremo Tribunal Administrativo vorgelegt. Da dieses Dokument verspätet vorgelegt worden ist, ist es entsprechend den Stellungnahmen der Kommission und der RTP im Rahmen dieses Urteils nicht zu berücksichtigen.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

36 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- die Entscheidung im Schreiben der Kommission vom 20. Dezember 1996 für nichtig zu erklären;

- der Kommission aufzugeben, die Verwaltungsdokumente, die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegen, zu den Akten zu reichen;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

37 In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen beantragt die Klägerin ferner,

- das sich auf Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages (jetzt Artikel 86 Absatz 2 EG) beziehende Vorbringen der Streithelfer als unzulässig zurückzuweisen;

- den Streithelfern die durch die Streithilfe verursachten Kosten aufzuerlegen.

38 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

39 Die RTP beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

40 Die Portugiesische Republik beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens vom 20. Dezember 1996

Zulässigkeit

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

41 Die Kommission, unterstützt durch die Portugiesische Republik und die RTP, vertritt die Auffassung, daß nur die Entscheidung eine anfechtbare Handlung darstelle. Dagegen sei das Schreiben vom 20. Dezember 1996 eine bloße informatorische Note gewesen, die nicht mit einer Klage angefochten werden könne.

42 In ihrer Erwiderung räumt die Klägerin ein, daß der erste Absatz des Schreibens vom 20. Dezember 1996 insbesondere über die Kapitalerhöhung und die Obligationsanleihe der RTP keinen endgültigen Standpunkt der Kommission enthalte; dieser sei ihr in deren Schreiben vom 21. April 1997 nach Erhebung der vorliegenden Klage mitgeteilt worden.

43 Dagegen enthalte der zweite Absatz des Schreibens eine im Klagewege anfechtbare Handlung, da er einen endgültigen Standpunkt der Kommission zur rechtlichen Qualifizierung der 1994 bis 1996 gezahlten Ausgleichsentschädigungen zum Ausdruck bringe. Es handele sich nämlich um eine Zurückweisung ihrer zweiten Beschwerde, die durch bloße Verweisung auf die Begründung in der Entscheidung vom 7. November 1996 begründet werde.

Würdigung durch das Gericht

44 Nach ständiger Rechtsprechung sind nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen qualifizierten Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen können, Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) gegeben ist (Beschluß des Gerichts vom 30. September 1999 in der Rechtssache T-182/98, UPS Europe/Kommission, Slg. 1999, II-2857, Randnr. 39, und die dort zitierte Rechtsprechung).

45 Adressaten der Entscheidungen, die die Kommission im Bereich der staatlichen Beihilfen erläßt, sind stets die Mitgliedstaaten. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Entscheidung staatliche Maßnahmen betrifft, die in Beschwerden als vertragswidrige staatliche Beihilfen bezeichnet werden, und sich aus ihr ergibt, daß die Kommission es ablehnt, das in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages vorgesehene Verfahren einzuleiten, weil die beanstandeten Maßnahmen nach ihrer Auffassung keine staatlichen Beihilfen im Sinne des Artikels 92 des Vertrages darstellen oder weil sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Wenn die Kommission solche Entscheidungen erläßt und gemäß ihrer Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung die Beschwerdeführer davon unterrichtet, hat der Beschwerdeführer gegebenenfalls die an den Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung und nicht das ihm gesandte Schreiben anzufechten (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 45, und Beschluß UPS Europe/Kommission, Randnr. 37).

46 Im vorliegenden Fall enthält der erste Absatz des Schreibens vom 20. Dezember 1996 über bestimmte, in der zweiten Beschwerde beanstandete Maßnahmen (siehe oben, Randnr. 17), wie die Klägerin einräumt, keine Stellungnahme der Kommission. Der SIC wird lediglich mitgeteilt, daß von den portugiesischen Behörden Auskünfte verlangt worden seien. Außerdem unterrichtete die Kommission die Klägerin erst mit Schreiben vom 21. April 1997 von ihrer Entscheidung, die Prüfung dieser Maßnahmen abzuschließen. Somit entfaltet das Schreiben vom 20. Dezember 1996 in dieser Hinsicht keine Rechtswirkungen.

47 Im zweiten Absatz des letztgenannten Schreibens über die der RTP im Zeitraum 1994 bis 1996 als Ausgleichsentschädigungen gewährten Mittelzuweisungen wird der Klägerin lediglich mitgeteilt, welchen Standpunkt die Kommission in der Entscheidung zur Qualifizierung solcher Maßnahmen im Hinblick auf Artikel 92 des Vertrages eingenommen hat.

48 Zwar hat die Kommission in der Entscheidung vom 7. November 1996 nur Stellung zu den der RTP von 1992 bis 1995 gewährten Mittelzuweisungen genommen, ohne die Zuweisung für das Jahr 1996 zu prüfen. Dieser Umstand kann jedoch nicht dazu führen, daß das Schreiben vom 20. Dezember 1996 dahin ausgelegt wird, daß es eine Entscheidung bezüglich der letztgenannten Zuweisung enthält. Auf entsprechende Fragen in der Sitzung hat die Kommission erklärt, daß sie die Mittelzuweisung, die die RTP 1996 erhalten habe, nicht geprüft habe und daß ihre Dienststellen über diesen Aspekt der zweiten Beschwerde noch zu entscheiden hätten.

49 Da das Schreiben vom 20. Dezember 1996 somit nur informativen Charakter hatte, weist es nicht die Merkmale einer Handlung auf, die verbindliche Rechtswirkungen für die Klägerin erzeugt. Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, soweit sie gegen das Schreiben vom 20. Dezember 1996 gerichtet ist.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

Gegenstand des Antrags

50 Auf eine Frage des Gerichts in der Sitzung hat die Klägerin erläutert, daß die Klage nicht auf Nichtigerklärung der Entscheidung gerichtet sei, soweit diese den Preis, für den der portugiesische Staat das Fernsehnetz von dessen Eigentümerin RTP erworben habe, und das Investitionsbeihilfensystem gemäß Artikel 14 der Vertragsbedingungen betreffe. Dies hat der Kanzler zu Protokoll genommen.

51 Der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung ist daher dahin zu verstehen, daß er nur auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung gerichtet ist, soweit diese die Maßnahmen zugunsten der RTP betrifft, die in der Gewährung von Mittelzuweisungen als Ausgleichsentschädigungen für die Jahre 1992 bis 1995, Steuerbefreiungen, Zahlungserleichterungen bei der Gebühr für die Nutzung des Fernsehnetzes und einer gestaffelten Tilgung der Schuld bei der Segurança social zusammen mit einer Befreiung von Verzugszinsen bestehen.

Begründetheit

52 Die Klägerin stützt ihren Nichtigkeitsantrag auf drei Klagegründe, und zwar erstens auf einen Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften, zweitens auf eine Verletzung der Begründungspflicht und drittens auf einen Verstoß gegen Artikel 92 des Vertrages.

Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften

53 In den Schriftsätzen der Klägerin bestand dieser Klagegrund ursprünglich aus zwei Teilen, nämlich aus einem Verstoß gegen den Grundsatz der vorherigen Anhörung der Beschwerdeführer in der Vorprüfungsphase und einem Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages. In der Sitzung hat die Klägerin jedoch auf eine Frage des Gerichts zur Relevanz des ersten Teils des Klagegrundes nach Verkündung des Urteils Kommission/Sytraval und Brink's France diesen Teil zurückgenommen, was der Kanzler zu Protokoll genommen hat. Der erste Klagegrund ist somit dahin zu verstehen, daß er auf einen Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages gestützt wird.

- Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

54 Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission wegen der Zweifel, die bezüglich der Natur der im Hinblick auf Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages beanstandeten Maßnahmen bestanden hätten oder die sie hätte haben müssen, verpflichtet gewesen sei, das förmliche Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten.

55 Erstens sei nachgewiesen worden, daß die Kommission ernsthafte Zweifel bezüglich der Steuerbefreiungen und der Zahlungserleichterungen für die RTP gehabt habe, da sie noch nach einer zweieinhalb Jahre dauernden Prüfung und nach Erhalt der Antworten der portugiesischen Behörden in einem an diese gerichteten Schreiben vom 31. Januar 1996 die Auffassung vertreten habe, daß diese Maßnahmen "staatliche Beihilfen zu sein [scheinen]", und die Behörden daher aufgefordert habe, ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages darzutun.

56 Zweitens hätte die Kommission um so stärkere Zweifel bezüglich der Qualifizierung der beanstandeten Ausgleichsentschädigungen im Hinblick auf Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages haben müssen, als sie in einer Entscheidung von 1994 selbst festgestellt habe, daß ähnliche Entschädigungen, die der portugiesische Staat dem nationalen Luftfahrtunternehmen gezahlt habe, staatliche Beihilfen seien (Entscheidung 94/666/EG der Kommission vom 6. Juli 1994 über die Ausgleichszahlungen für die Verluste von TAP im Verkehr zu den Autonomen Regionen Azoren und Madeira; ABl. L 260, S. 27). Außerdem gehe aus dem Urteil des Gerichts vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache T-106/95 (FFSA u. a./Kommission, Slg. 1997, II-229) hervor, daß, auch wenn die Gewährung eines Vorteils die Lasten aufgrund von im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben ausgleichen solle, dieser Umstand nichts an der Qualifizierung der betreffenden Maßnahme als staatliche Beihilfe ändere, vorbehaltlich des Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages, dessen Anwendung die Kommission in ihrer Entscheidung jedoch nicht erwogen habe.

57 Drittens macht die Klägerin zur gestaffelten Tilgung der Schuld der RTP bei der Segurança social und zum Verzicht auf die Beitreibung der fälligen Verzugszinsen geltend, die Kommission habe ihr zwar Gelegenheit gegeben, sich zu den Erklärungen der portugiesischen Regierung zu äußern, doch hätte sie erkennen können, daß es sich in Wirklichkeit um einen durch Verordnung gewährten außerordentlichen Schuldnachlaß nur zugunsten der RTP handele. Das Argument, dieser Schuldnachlaß sei Teil der Beziehungen zwischen zwei Unternehmen, sei falsch, da das dem Streit zugrunde liegende Problem die Auslegung der portugiesischen Rechtsvorschriften über die Bemessungsgrundlage der Beiträge betreffe und alle Abgabenpflichtigen angehe.

58 Schließlich zeige jedenfalls der Umstand, daß mehr als drei Jahre vergangen seien, bevor es der Kommission gelungen sei, sich eine erste Meinung zu bilden, daß das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages hätte eingeleitet werden müssen. Da die Kommission nicht aufgrund einer einfachen Vorprüfung eine Überzeugung habe gewinnen können, hätte sie nach der Rechtsprechung durch Einleitung des Verfahrens eine gründliche Prüfung vornehmen müssen (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg. 1984, 1451, Randnr. 13). Zwar sei insoweit die in der Rechtsprechung gesetzte Frist von zwei Monaten für die Vorprüfung ordnungsgemäß angemeldeter Beihilfen (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1973 in der Rechtssache 120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471) nicht zwangsläufig auf nicht angemeldete Maßnahmen, die bereits durchgeführt würden, anwendbar, doch müsse das Verfahren auch in diesem Fall von der Kommission "unverzüglich in Gang gesetzt werden" (Schlußanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn in der durch Urteil des Gerichtshofes vom 24. November 1987 entschiedenen Rechtssache 223/85, RSV/Kommission, Slg. 1987, 4617, 4646). Würden derartige Maßnahmen nicht angemeldet, mache dies ein rasches Handeln der Kommission erforderlich, damit säumige Staaten nicht begünstigt würden.

59 Die Einleitung des Verfahrens hätte im vorliegenden Fall erhebliche Folgen gehabt. Zum einem hätte sich die Kommission so aller notwendigen Untersuchungsmittel bedienen können, um in voller Sachkenntnis zu entscheiden. Zum anderen hätte die Klägerin als Beschwerdeführerin Gelegenheit erhalten, Stellung zu nehmen, um die Garantie zu haben, daß ihre Interessen berücksichtigt würden. Schließlich hätte die Kommission, da sie für die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt allein zuständig sei, die Pflicht gehabt, zu allen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen.

60 Auf das Vorbringen der Kommission, die Klägerin hätte die nationalen Gerichte anrufen können, entgegnet diese, daß die Einleitung derartiger Verfahren nichts mit der Verpfichtung der Kommission zur Einhaltung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 des Vertrages zu tun habe. Sie habe jedoch wiederholt das Supremo Tribunal Administrativo angerufen. Zwar habe dieses zunächst die ministerielle Entscheidung über die Festsetzung des Betrages der der RTP 1993 gewährten Ausgleichsentschädigung aufgehoben, da sie keine Begründung hinsichtlich der vom Staat herangezogenen Berechnungsfaktoren enthalten habe (Urteil vom 13. Februar 1996), doch habe das Plenum dieses Gerichts anschließend mit Urteil vom 23. Juni 1998 festgestellt, daß eine solche Handlung nicht mit einer Klage angefochten werden könne. Das Supremo Tribunal Administrativo habe sich daher nicht zur rechtlichen Qualifizierung der beanstandeten Maßnahmen im Hinblick auf die Artikel 92 und 93 des Vertrages äußern können. Vor den portugiesischen Gerichten seien noch weitere Verfahren anhängig, die die späteren Ausgleichsentschädigungen und die Forderungsverzichte der Segurança social beträfen.

61 Die Kommission macht geltend, sie sei nicht verpflichtet, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, wenn sie bei der Bestimmung der Rechtsnatur der betreffenden Maßnahmen auf Schwierigkeiten stoße. Nach Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages verpflichte die Einleitung des Verfahrens den Mitgliedstaat, die Gewährung der Beihilfe auszusetzen; diese Verpflichtung habe für angemeldete wie für nicht angemeldete Beihilfen unmittelbare Geltung (Urteil Lorenz). Die Aussetzung der angeblichen Beihilfemaßnahmen könnte schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen haben, wenn anschließend festgestellt würde, daß diese Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar seien oder daß nicht einmal staatliche Beihilfen vorlägen.

62 Wenn die Klägerin erreichen wolle, daß die portugiesischen Behörden die Gewährung der beanstandeten Beihilfen einstellten, müsse sie die portugiesischen Gerichte anrufen, bis die Kommission die Prüfungsverfahren beendet habe. Die nationalen Gerichte seien auch bei gleichzeitiger Anrufung der Kommission befugt, die Gültigkeit der von den Mitgliedstaaten erlassenen Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfen, deren Rechtmäßigkeit bestritten werde, zu prüfen, um die Rechte des einzelnen zu schützen (Urteile des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires und Syndicat national des négociants et transformateurs de saumon, Slg. 1991, I-5505, und vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache C-39/94, SFEI u. a., Slg. 1996, I-3547). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin im übrigen in ihrer Beschwerde erwähnt, daß sie die nationalen Gerichte angerufen habe, um gegen die angeblichen Beihilfen für die RTP vorzugehen, und daß sie sich an die die staatlichen Stellen und den Wettbewerbsrat gewandt habe.

63 Jedenfalls sei die Kommission vorliegend nicht verpflichtet gewesen, das Verfahren einzuleiten.

64 Zunächst beseitige das Schreiben vom 31. Januar 1996 an die portugiesischen Behörden die Zweifel daran, daß die Steuerbefreiungen und die für die Zahlung der Gebühr für die Nutzung des TDP-Netzes eingeräumten Fristen den Charakter staatlicher Beihilfen hätten. Zusätzliche Erläuterungen seien nur verlangt worden, damit sich die Kommission dazu eine Meinung habe bilden können, ob tatsächlich eine staatliche Beihilfe vorliege oder nicht. Da nicht alle erforderlichen Angaben für eine angemessene Beurteilung der Situation zum Zweck der Entscheidungsfindung vorgelegen hätten, habe sie nicht unüberlegt das Verfahren einleiten können.

65 Was die Qualifizierung der von der Segurança social gewährten gestaffelten Tilgung der Schuld angehe, so sei eine anschließend durch Verordnung bestätigte gütliche Einigung mit der RTP erfolgt, um ein Gerichtsverfahren wegen der Auslegung der nationalen Vorschriften über die Besteuerung bestimmter Einkommenszusätze, deren Verfassungsmäßigkeit streitig sei, zu vermeiden.

66 Sodann sei die Argumentation unzutreffend, daß die Einleitung des Verfahrens es der Kommission ermöglicht hätte, ihren Standpunkt ohne unangemessene Eile festzulegen und die Interessen der Beschwerdeführerin besser zu berücksichtigen. Sie sei für die Prüfung des Vorliegens von Beihilfen nicht allein zuständig, so daß die Klägerin nicht nur deshalb, weil kein Verfahren eingeleitet worden sei, ihren Rechtsschutz verloren habe, da sie die nationalen Gerichte habe anrufen können. Zudem könne die Entscheidung mit einer Klage angefochten werden.

67 Schließlich bedeute der Umstand, daß die Vorprüfung lange dauere, nicht, daß bereits deswegen das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages eingeleitet werden müsse. Im vorliegenden Fall sei die Kommission nicht untätig geblieben, und es wäre unüberlegt gewesen, das Verfahren einzuleiten, ohne über sämtliche Angaben zu den allgemeinen Problemen des audiovisuellen Bereichs in Europa und über Erläuterungen der nationalen Behörden zu verfügen.

68 Die Portugiesische Republik vertritt die Auffassung, daß die Kommission das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages nur dann einleiten müsse, wenn sie Zweifel an der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt habe, nicht aber dann, wenn es lediglich darum gehe, Maßnahmen im Hinblick auf Artikel 92 des Vertrages zu qualifizieren. Daß dieser Vorgang der Qualifizierung wie im vorliegenden Fall eine komplexe, kontinuierliche und zeitaufwendige Prüfung der Tatsachen durch die Kommission voraussetzen könne, bedeute aber nicht, daß er zwangsläufig zu der Schlußfolgerung führe, daß es sich um staatliche Beihilfen handele. Insoweit habe die Kommission zu entscheiden, ob sie über ausreichende Angaben verfüge, um es ablehnen zu können, eine Maßnahme als staatliche Beihilfe zu qualifizieren, und zu diesem Zweck die Zeit und Mittel in Anspruch zu nehmen, die sie für erforderlich halte.

69 Die RTP schließt sich der Argumentation der Kommission an und macht insbesondere geltend, daß der Fernsehbereich nicht unter die Wettbewerbsvorschriften falle und die streitigen Entschädigungen daher nicht von Artikel 92 des Vertrages und der Kontrolle durch die Kommission erfaßt würden.

- Würdigung durch das Gericht

70 Im Rahmen des Artikels 93 des Vertrages ist zwischen der Vorprüfungsphase nach Absatz 3, die nur dazu dient, der Kommission eine erste Meinungsbildung darüber zu ermöglichen, ob die fragliche Beihilfe den Charakter einer staatlichen Beihilfe hat und ob sie ganz oder teilweise mit dem Vertrag vereinbar ist, und der in Absatz 2 geregelten förmlichen Prüfungsphase zu unterscheiden. Nur in der letztgenannten Phase, die es der Kommission ermöglichen soll, sich ein vollständiges Bild von allen Gegebenheiten des Falles zu verschaffen, sieht der Vertrag die Verpflichtung der Kommission vor, den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung zu geben (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-198/91, Cook/Kommission, Slg. 1993, I-2487, Randnr. 22, und vom 15. Juni 1993 in der Rechtssache C-225/91, Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3203, Randnr. 16).

71 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages unerläßlich, sobald die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob ein Beihilfevorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt. Die Kommission kann sich also für den Erlaß einer positiven Entscheidung über ein Beihilfevorhaben nur dann auf die Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages beschränken, wenn sie nach einer ersten Prüfung in der Lage ist, zu der Überzeugung zu gelangen, daß dieses Vorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist. Hat diese erste Prüfung dagegen die Kommission veranlaßt, die gegenteilige Überzeugung zu gewinnen, oder es nicht ermöglicht, alle Schwierigkeiten auszuräumen, die bei der Beurteilung der Vereinbarkeit dieses Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt aufgetaucht sind, so ist sie verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und dazu das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten (Urteil Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 39, und die dort zitierte Rechtsprechung).

72 Aus dieser Rechtsprechung geht ferner hervor, daß die Kommission verpflichtet ist, das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, wenn sie bei einer ersten Prüfung nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage ausräumen konnte, ob eine ihrer Kontrolle unterliegende staatliche Maßnahme eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellt; dies gilt zumindest dann, wenn sie nicht die Überzeugung gewinnen konnte, daß diese Maßnahme, auch wenn sie als staatliche Beihilfe qualifiziert wird, jedenfalls mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T-11/95, BP Chemicals/Kommission, Slg. 1998, II-3235, Randnr. 166).

73 Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Kommission die Entscheidung erlassen hat, ohne das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten, und die Auffassung vertreten hat, daß die ihr zur Beurteilung unterbreiteten sechs Gruppen von Maßnahmen keine Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten. Auch ist festzustellen, daß die Kommission nicht geprüft hat, ob diese Maßnahmen, falls sie als Beihilfen qualifiziert werden mußten, gemäß Artikel 92 Absatz 2 oder 3 oder gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar waren.

74 Somit ist zu prüfen, ob, soweit es um die vier von der vorliegenden Klage erfaßten Gruppen von Maßnahmen geht, die Beurteilungen, auf die die Kommission nach dem Abschluß der Vorprüfungsphase den Erlaß einer positiven Entscheidung über diese Maßnahmen gestützt hat, Schwierigkeiten aufgeworfen haben, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages rechtfertigten.

75 Was erstens die Mittelzuweisungen betrifft, die der portugiesische Staat der RTP als Ausgleichsentschädigungen gewährt hat, so hat die Kommission in ihrer Entscheidung die Auffassung vertreten, daß sie keine Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages seien, da sie die tatsächlichen Kosten der Erfuellung der von diesem Unternehmen eingegangenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen ausgleichen sollten. Insbesondere hat die Kommission zu den von 1993 bis 1995 gezahlten Entschädigungen festgestellt, daß "der finanzielle Vorteil, der [aus diesen] Zahlungen resultiert, nicht den Betrag übersteigt, der für die Erfuellung der nach den Vertragsbedingungen bestehenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unbedingt erforderlich ist" (siehe oben, Randnr. 22). Für das Jahr 1992 hat sich die Kommission ebenfalls darauf bezogen, daß kein "überschüssiger Ausgleich" erfolgt sei, was sich aus dem geringen Betrag der der RTP in diesem Jahr gezahlten Entschädigung ergebe, und ist zu dem Schluß gelangt, daß diese keine Beihilfe sei (siehe oben, Randnr. 23)

76 Nach Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages "[sind, soweit] in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist,... staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen".

77 Nach ständiger Rechtsprechung soll diese Bestimmung verhindern, daß der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedener Form durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen (Urteile des Gerichtshofes vom 15. März 1994 in der Rechtssache C-387/92, Banco Exterior de España, Slg. 1994, I-877, Randnr. 12, und SFEI u. a., Randnr. 58).

78 Um beurteilen zu können, ob eine staatliche Maßnahme eine Beihilfe darstellt, ist daher zu prüfen, ob das begünstigte Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte (Urteil SFEI u. a., Randnr. 60, sowie Urteile des Gerichtshofes vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-342/96, Spanien/Kommission, Slg. 1999, I-2459, Randnr. 41, und vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C-256/97, DM Transport, Slg. 1999, I-3913, Randnr. 22).

79 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung selbst festgestellt, daß die der RTP jährlich als Ausgleichsentschädigungen gewährten Mittelzuweisungen dazu führen, daß diesem Unternehmen ein "finanzieller Vorteil" gewährt wird.

80 Im übrigen geht aus der Entscheidung hervor, daß die der RTP von 1992 bis 1995 gewährten Zuweisungen 15 % bis 18 % ihrer Jahreseinnahmen betrugen (siehe oben, Randnr. 20), da die RTP wie andere Fernsehsender, mit denen sie auf dem Werbemarkt unmittelbar konkurriert, auch über Werbeeinnahmen verfügt.

81 Soweit die Kommission in ihrer Entscheidung festgestellt hat, daß die RTP einen "finanziellen Vorteil" aufgrund der Gewährung der betreffenden Mittelzuweisungen erhält, die den bestehenden Wettbewerb mit anderen Fernsehunternehmen verfälschen können, war die Frage, ob ihre Beurteilung richtig war, daß diese Maßnahmen keine staatlichen Beihilfen darstellten, zumindest geeignet, ernsthafte Schwierigkeiten hervorzurufen.

82 Daß die Gewährung dieser Zuweisungen nach der Entscheidung nur die Mehrkosten aufgrund der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben der RTP ausgleichen soll, bedeutet nicht, daß die Zuweisungen nicht als Beihilfen im Sinne von Artikel 92 des Vertrages qualifiziert werden könnten.

83 Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages unterscheidet nämlich nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Interventionen, sondern definiert diese nach ihren Wirkungen (Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnr. 79, und vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnr. 20). Der Beihilfebegriff ist somit ein objektiver Begriff, der sich nur danach bestimmt, ob eine staatliche Maßnahme einem oder einigen Unternehmen einen Vorteil verschafft (Urteil des Gerichts vom 27. Januar 1998 in der Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1998, II-1, Randnr. 52).

84 Wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, ergibt sich daraus insbesondere, daß der Umstand, daß die staatlichen Stellen einem Unternehmen einen finanziellen Vorteil gewähren, um die Kosten aufgrund der von diesem Unternehmen angeblich übernommenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auszugleichen, keine Auswirkung auf die Qualifizierung dieser Maßnahme als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages hat, auch wenn dies bei der Prüfung der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages berücksichtigt werden kann (Urteil FFSA u. a./Kommission, Randnrn. 178 und 199, bestätigt durch Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1998 in der Rechtssache C-174/97 P, Slg. 1998, I-1303, Randnr. 33). Insoweit ist festzustellen, daß die Kommission im vorliegenden Fall, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil FFSA u. a./Kommission ergangen ist, in ihrer Entscheidung nicht die Abweichung gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Vertrages und erst recht nicht die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift angewandt hat, was sie im übrigen auch nicht behauptet.

85 Aus diesen Faktoren ergibt sich, daß die Beurteilung, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß die der RTP als Ausgleichsentschädigungen gezahlten Mittelzuweisungen keine Beihilfen darstellen, ernsthafte Schwierigkeiten aufwarf, die, da die Vereinbarkeit dieser Zuweisungen mit dem Gemeinsamen Markt nicht erwiesen war, die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erforderlich machten.

86 Was zweitens die Steuerbefreiungen und Zahlungserleichterungen für die RTP angeht, so hat die Kommission in der Entscheidung die Ansicht vertreten, daß auch diese beiden Gruppen von Maßnahmen keine Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten (siehe oben, Randnrn. 25 und 28).

87 Es ist jedoch festzustellen, daß die Kommission mit Schreiben vom 31. Januar 1996 an die portugiesischen Behörden diesen erklärt hat, daß "nach einer ersten Prüfung... die [Maßnahmen] staatliche Beihilfen zu sein [scheinen], die unter Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages fallen", und sie daher gefragt hat, ob sie die Maßnahmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar hielten (siehe oben, Randnr. 13).

88 Zu prüfen ist daher, ob, wie die Klägerin geltend macht, diese Beurteilung der betreffenden Maßnahmen durch die Kommission und die von den portugiesischen Behörden verlangten Auskünfte während der Vorprüfungsphase geeignet sind, das Vorliegen ernsthafter Schwierigkeiten erkennen zu lassen, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erforderlich machen.

89 Nach der Rechtsprechung kann die bloße Tatsache, daß in der Vorprüfungsphase Erörterungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat stattgefunden haben und die Kommission in diesem Rahmen unter Umständen zusätzliche Informationen über die ihrer Kontrolle unterliegenden Maßnahmen verlangt hat, für sich allein nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß die Kommission auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten gestoßen ist (Urteil Matra/Kommission, Randnr. 38). Es läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß der Inhalt der Erörterungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat während dieser Phase des Verfahrens unter bestimmten Umständen geeignet sein kann, das Vorliegen solcher Schwierigkeiten erkennen zu lassen (Urteil Deutschland/Kommission, Randnr. 14).

90 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, daß dem Schreiben der Kommission vom 31. Januar 1996 bereits eine erste Aufforderung zur Erteilung von Auskünften über die betreffenden Maßnahmen vorausgegangen war, auf die die portugiesischen Behörden mit Schreiben vom 14. Dezember 1995 geantwortet hatten. Auch steht fest, daß dieses neue Auskunftsverlangen mehr als 30 Monate, nachdem die Klägerin in ihrer am 30. Juli 1993 eingereichten Beschwerde das Vorliegen von Steuerbefreiungen für die RTP beanstandet hatte, erfolgte, und fast 24 Monate, nachdem die Kommission von den Zahlungserleichterungen unterrichtet worden war, die die mit der Verwaltung des Fernsehnetzes beauftragte öffentliche Einrichtung der RTP gewährt hatte. Im übrigen erging dieses neue Auskunftsverlangen, wie die Kommission in ihrem Schreiben vom 31. Dezember 1996 feststellte, "nach einer ersten Prüfung" dieser Maßnahmen. Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, daß die Kommission zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den portugiesischen Behörden das genannte Schreiben schickte, bereits eine "erste Prüfung" der beanstandeten Maßnahmen im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hatte.

91 Insoweit ist daran zu erinnern, daß sich die Kommission für den Erlaß einer positiven Entscheidung über eine nicht gemeldete staatliche Maßnahme nur dann auf die Vorprüfungsphase des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages beschränken kann, wenn sie nach einer ersten Prüfung in der Lage ist, zu der Überzeugung zu gelangen, daß diese Maßnahme nicht als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages qualifiziert werden kann oder daß sie zwar eine Beihilfe darstellt, jedoch mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T-95/96, Gestevisión Telecinco/Kommission, Slg. 1998, II-3407, Randnr. 52, und die dort zitierte Rechtsprechung).

92 Aus dem Schreiben der Kommission vom 31. Januar 1996 an die portugiesischen Behörden geht aber hervor, daß sie nach der ersten Prüfung der Auffassung war, daß die Steuerbefreiungen und Zahlungserleichterungen für die RTP Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten, und daß sie keineswegs das Verfahren mit einer positiven Entscheidung über diese Maßnahmen beenden konnte, vielmehr weiterhin ernsthafte Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hatte.

93 Diese Feststellung wird durch ein späteres Schreiben vom 16. April 1996 bestätigt, das die Kommission den portugiesischen Behörden gesandt hatte, nachdem sie deren Antwort auf ihre Anfrage erhalten hatte, und das sie auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgelegt hat.

94 Zu den Steuerbefreiungen stellte die Kommission erneut fest: "[Diese Maßnahme] stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dar, und... folglich müßten die portugiesischen Behörden erklären, ob sie der Auffassung sind, daß diese Beihilfe auf der Grundlage der Ausnahmen des Artikels 92 gerechtfertigt sein kann."

95 Bezüglich der Zahlungserleichterungen, die der RTP für die Nutzung des Fernsehnetzes gewährt worden waren, bat die Kommission um Angabe der Gründe, aus denen für die RTP andere Tarife galten als für die SIC, sowie des Betrages der von der RTP geschuldeten Verzugszinsen; sie erklärte, daß "das TDP-Netz öffentliches Eigentum [ist] und jede von ihm gewährte Vorzugsbehandlung, die nicht von einem nach Regeln des Marktes vorgehenden Privatunternehmen angewandt würde,... eine staatliche Beihilfe darstellen [kann]". Dazu ist festzustellen, daß nach der Rechtsprechung Verzugszinsen und Zuschläge, die ein Unternehmen möglicherweise zum Ausgleich für erhebliche Zahlungserleichterungen an eine öffentliche Einrichtung zahlen muß, den Vorteil, der diesem Unternehmen zugute kommt, nicht vollständig aufheben. Solche Zahlungserleichterungen, die dem Unternehmen nach Ermessen gewährt werden, stellen staatliche Beihilfen dar, wenn das Unternehmen in Anbetracht der Bedeutung des damit gewährten wirtschaftlichen Vorteils derartige Erleichterungen offenkundig nicht von einem privaten Gläubiger erhalten hätte, der sich ihm gegenüber in derselben Situation befindet wie der betreffende öffentliche Gläubiger (Urteil DM Transport, Randnrn. 21 und 30).

96 Somit war die Kommission nach der ersten Prüfung tatsächlich auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten nicht nur bei der Qualifizierung der betreffenden Maßnahmen im Hinblick auf den Beihilfebegriff, sondern auch bei der Feststellung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gestoßen, so daß sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einleiten mußte.

97 Drittens geht aus der Entscheidung hervor, daß der RTP im Jahr 1993 die gestaffelte Tilgung einer Schuld in Höhe von 2,189 Mrd. PTE bei der Segurança social gestattet wurde, die durch die Nichtzahlung der Beiträge für die Gehaltszusätze für den Zeitraum 1983 bis 1989 entstanden war; außerdem wurde sie von den entsprechenden Verzugszinsen und -zuschlägen befreit. Die Kommission stellte fest, daß es sich nicht um eine Beihilfe handele, da die beanstandete Maßnahme aus einer Vereinbarung zwischen der RTP und der Segurança social resultiere, mit der ein Gerichtsverfahren wegen der Rechtmäßigkeit der betreffenden Beiträge habe vermieden werden sollen. Die Segurança social habe sich ähnlich wie ein Privatunternehmer unter vergleichbaren Umständen verhalten.

98 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes verschafft das Verhalten einer öffentlichen Einrichtung, die für die Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge zuständig ist und es zuläßt, daß diese Beiträge verspätet gezahlt werden, dem hierdurch begünstigten Unternehmen einen erheblichen geschäftlichen Vorteil, indem es die Belastung, die sich aus der normalen Anwendung des Sozialversicherungssystems ergibt, dem Unternehmen gegenüber erleichtert (Urteil DM Transport, Randnr. 19). Die auf derartige Forderungen normalerweise zu erhebenden Zinsen sollen den Schaden ersetzen, der dem Gläubiger durch den vom Schuldner zu vertretenden Zahlungsverzug entsteht; es handelt sich also um Verzugszinsen (Urteil Spanien/Kommission, Randnr. 48).

99 Zwar muß nach dieser Rechtsprechung, wenn ein Unternehmen und eine mit der Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge beauftragte öffentliche Einrichtung Vereinbarungen über Zahlungserleichterungen treffen, das Verhalten dieser Einrichtung, die wie ein öffentlicher Gläubiger anzusehen ist, mit dem Verhalten eines hypothetischen privaten Gläubigers verglichen werden, der sich in der gleichen Situation gegenüber seinem Schuldner befindet und der die ihm geschuldeten Beträge zurückzuerlangen sucht (Urteil DM Transport, Randnr. 25, und Urteil Spanien/Kommission, Randnr. 46). Daher kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Einigung zwischen einem Träger der sozialen Sicherheit und seinem Schuldner zur Vermeidung der Unsicherheit, die mit der Verfolgung der Streitigkeit vor den Gerichten verbunden ist, ein Verhalten darstellt, das für einen privaten Gläubiger, der die ihm geschuldeten Beträge zurückzuerlangen sucht, typisch ist.

100 Jedoch geht im vorliegenden Fall aus der Entscheidung selbst hervor, daß, wie die Klägerin in ihrer Beschwerde, ohne daß ihr die Kommission widersprochen hätte, geltend gemacht hat, "die gestaffelte Tilgung der Schuld und die Befreiung von den entsprechenden Geldbußen und Zinsen durch gemeinsame Verordnung des Finanzministeriums und des Ministeriums für soziale Sicherheit festgelegt [wurden]" und nicht durch eine Vereinbarung zwischen der Segurança social und der RTP. Ferner ist unstreitig, daß, wie die Klägerin ebenfalls in ihrer Beschwerde hervorgehoben hat, die beanstandete Regelung, durch die von den Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit abgewichen wurde, nicht auf die übrigen betroffenen Gesellschaften ausgedehnt wurde.

101 Daraus ergibt sich, daß die Kommission unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles, in dem sie sich für die Genehmigung der der RTP gewährten Vorteile ausschließlich auf das Verhalten des portugiesischen Trägers der sozialen Sicherheit stützen wollte, über vollständigere Angaben hinsichtlich der wahren Natur der beanstandeten Maßnahme hätte verfügen müssen, um den Einwänden der Klägerin in ihrer Beschwerde begegnen zu können. Daher mußte sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einleiten, um nach Einholung aller erforderlichen Stellungnahmen die Richtigkeit ihrer Beurteilung zu überprüfen, die in Ermangelung zusätzlicher Erläuterungen geeignet war, ernsthafte Schwierigkeiten hervorzurufen.

102 Schließlich kann nach der Rechtsprechung der Ablauf eines Zeitraums, der beträchtlich über das hinausgeht, was normalerweise für eine erste Prüfung im Rahmen der Bestimmungen des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages erforderlich ist, zusammen mit anderen Faktoren zu der Feststellung führen, daß die Kommission auf ernsthafte Beurteilungsschwierigkeiten gestoßen ist, die die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages verlangten (Urteil Deutschland/Kommission, Randnrn. 15 und 17).

103 Zwar ist die Kommission in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der betreffende Mitgliedstaat sie nicht von den streitigen staatlichen Maßnahmen unterrichtet hat, nicht verpflichtet, diese Maßnahmen innerhalb der im Urteil Lorenz erwähnten Zweimonatsfrist einer Vorprüfung zu unterziehen (Urteil Gestevisión Telecinco/Kommission, Randnr. 79).

104 Diese Lösung beruht auf der Notwendigkeit, dem berechtigten Interesse des betreffenden Mitgliedstaats daran Rechnung zu tragen, rasch über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die der Kommission gemeldet wurden, Bescheid zu wissen. Dieses Merkmal fehlt, wenn der Mitgliedstaat Maßnahmen durchgeführt hat, ohne die Kommission zuvor davon zu unterrichten. War dieser Staat im Zweifel, ob es sich bei den von ihm geplanten Maßnahmen um staatliche Beihilfen handelte, so stand es ihm frei, seine Interessen dadurch zu wahren, daß er die Kommission von seinem Vorhaben unterrichtete, was diese gezwungen hätte, binnen zwei Monaten Stellung zu nehmen (Urteil SFEI u. a., Randnr. 48, und Urteil Gestevisión Telecinco/Kommission, Randnr. 78).

105 Gleichwohl ist die Kommission, wenn betroffene Dritte bei ihr Beschwerden in bezug auf nicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages gemeldete staatliche Maßnahmen erhoben haben, verpflichtet, diese Beschwerden im Rahmen der in dieser Vorschrift vorgesehenen Vorprüfungsphase im Interesse einer ordnungsgemäßen Anwendung der grundlegenden Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen sorgfältig und unvoreingenommen zu prüfen (Urteile Gestevisión Telecinco/Kommission, Randnr. 53, und Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 62). Daraus folgt insbesondere, daß die Kommission die Vorprüfung staatlicher Maßnahmen, gegen die eine Beschwerde im Hinblick auf Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages erhoben wurde, nicht unbegrenzt verlängern kann, wenn sie eine solche Vorprüfung eingeleitet hat (Urteil Gestevisión Telecinco/Kommission, Randnr. 74).

106 Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung vom 7. November 1996 am Ende einer Vorprüfungsphase, die am 30. Juli 1993, dem Tag der Einreichung der ersten Beschwerde der Klägerin, also 39 Monate zuvor, eingeleitet worden war, und jedenfalls fast 33 Monate, nachdem die Klägerin ihre Beschwerde am 12. Februar 1994 ergänzt hatte, erlassen.

107 Nach der Rechtsprechung gehen derartige Zeiträume beträchtlich über das hinaus, was normalerweise für eine erste Prüfung erforderlich ist (Urteil Deutschland/Kommission, Randnrn. 15, Urteil Gestevisión Telecinco/Kommission, Randnrn. 80 und 81, und Schlußanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. I-1723, Nr. 92), die es der Kommission lediglich ermöglichen soll, sich eine erste Meinung über die Qualifizierung der ihrer Beurteilung unterliegenden Maßnahmen und über deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu bilden.

108 Nach alledem war die Kommission nach einer ersten Prüfung nicht in der Lage, sämtliche Schwierigkeiten auszuräumen, die durch die Frage entstanden waren, ob die ihrer Beurteilung unterliegenden streitigen Maßnahmen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten. Da die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt in der Entscheidung nicht nachgewiesen wurde, mußte die Kommission das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages einleiten, um nach Einholung aller erforderlichen Stellungnahmen die Richtigkeit ihrer Beurteilung zu überprüfen.

109 Da der Entscheidung kein solches Verfahren vorausging, ist sie, ohne daß über die übrigen Klagegründe und Anträge der Klägerin zu entscheiden wäre, für nichtig zu erklären, soweit sie sich auf die vom portugiesischen Staat zugunsten der RTP ergriffenen Maßnahmen bezieht, die in als Ausgleichsentschädigungen gewährten Mittelzuweisungen, Steuerbefreiungen, Zahlungserleichterungen für die Nutzung des Fernsehnetzes und der gestaffelten Tilung einer durch die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen entstandenen Schuld zusammen mit dem Verzicht auf die Beitreibung von Verzugszinsen bestehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

110 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

111 Im vorliegenden Fall ist die Kommission mit ihrem Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung unterlegen, während die Klägerin mit ihrem Antrag auf Nichtigerklärung der angeblich im Schreiben vom 20. Dezember 1996 enthaltenen Entscheidung unterlegen ist. Da sich das Vorbringen der Parteien jedoch im wesentlichen auf die Rechtmäßigkeit der Entscheidung bezogen hat, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Kommission außer ihren eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten der Klägerin mit Ausnahme der dieser durch die Streithilfe der Portugiesischen Republik und der RTP entstandenen Kosten aufzuerlegen.

112 Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Gemäß Artikel 87 § 4 Absatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, daß ein anderer Streithelfer als die Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten des EWR-Abkommens, die Organe und die EFTA-Überwachungsbehörde seine eigenen Kosten trägt.

113 Die Portugiesische Republik und die RTP, die dem Rechtsstreit als Streithelferinnen zur Unterstützung der Kommission beigetreten sind, tragen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch zwei Drittel der Kosten, die der Klägerin durch ihren Beitritt entstanden sind.

114 Das Vereinigte Königreich, das keinen Streithilfeschriftsatz eingereicht hat, trägt seine eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit sie gegen das Schreiben der Kommission vom 20. Dezember 1996 gerichtet ist.

2. Die Entscheidung wird für nichtig erklärt, soweit sie sich auf die vom portugiesischen Staat zugunsten der RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, ergriffenen Maßnahmen bezieht, die in als Ausgleichsentschädigungen gewährten Mittelzuweisungen, Steuerbefreiungen, Zahlungserleichterungen für die Nutzung des Fernsehnetzes und der gestaffelten Tilgung einer durch die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen entstandenen Schuld zusammen mit dem Verzicht auf die Beitreibung von Verzugszinsen bestehen.

3. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie zwei Drittel der Kosten der Klägerin mit Ausnahme der Kosten, die durch die Streithilfe der RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, und der Portugiesischen Republik entstanden sind.

4. Die Portugiesische Republik und die RTP - Radiotelevisão Portuguesa, SA, tragen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch zwei Drittel der Kosten, die der Klägerin durch ihre Streithilfe entstanden sind.

5. Das Vereinigte Königreich trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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