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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: T-49/00
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EG) Nr. 2626/1999, Verordnung (EWG) Nr. 2658/87


Vorschriften:

EGV Art. 230 Abs. 4
Verordnung (EG) Nr. 2626/1999
Verordnung (EWG) Nr. 2658/87
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Nichtigkeitsklage eines Unternehmens, das Konserven von Pilzen der Gattung Agaricus einführt, gegen die Verordnung Nr. 2626/1999 der Kommission zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, die, um die Pilze der Unterposition 2001 90 50 der Kombinierten Nomenklatur und die Pilze der Unterposition 2003 10 voneinander abzugrenzen, vorsieht, dass der Salzgehalt von Pilzen der Unterposition 2001 90 50 einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf, ist unzulässig.

Denn die angefochtene Verordnung ist ein genereller Rechtsakt im Sinne des Artikels 249 Absatz 2 EG. Sie betrifft im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs eine objektiv umschriebene Situation und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber einem allgemein und abstrakt umschriebenen Personenkreis, insbesondere gegenüber den Einführern der in ihr beschriebenen Erzeugnisse.

Die Klägerin gehört zwar zu einem begrenzten Kreis von Marktbeteiligten, die Verträge eingegangen sind, deren Erfuellung angeblich durch die genannte Verordnung unmöglich gemacht wird, sie beruft sich aber auf keine besondere Bestimmung, die die Kommission verpflichtet hätte, in der angefochtenen Verordnung der Situation dieser Marktbeteiligten Rechnung zu tragen.

Außerdem bedeutet der Umstand, dass die Personen, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, nicht, dass sie von der Maßnahme individuell betroffen sind, sofern nur feststeht, dass die Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist. Die angefochtene Verordnung, die für einen objektiv bestimmten Tatbestand gilt, betrifft aber die Klägerin nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Einführer der betreffenden Erzeugnisse. Der Umstand, dass sich ein genereller Rechtsakt auf Normadressaten konkret unterschiedlich auswirken kann, vermag diese nicht aus dem Kreis aller übrigen betroffenen Marktbeteiligten herauszuheben, sofern seine Anwendung aufgrund eines objektiv bestimmten Tatbestands erfolgt.

Auch wenn die Klägerin die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung nicht verlangen kann, so kann sie doch vor den nationalen Gerichten ihre Rechtswidrigkeit geltend machen; diese entscheiden unter Beachtung des Artikels 234 EG.

( vgl. Randnrn. 24, 27, 29, 31-33, 36 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Zweite Kammer) vom 30. Januar 2001. - Industria pugliese olive in salamoia erbe aromatiche Snc (Iposea) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Gemeinsamer Zolltarif - Verordnung zur Änderung der Kombinierten Nomenklatur - Nichtigkeitsklage - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-49/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-49/00

Industria pugliese olive in salamoia erbe aromatiche Snc (Iposea) mit Sitz in Cerignola (Italien), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Guarino, Rom, und A. Lorang, Luxemburg, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Lorang, 2, rue des Dahlias, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Schieferer, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt M. Moretto, Venedig, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2626/1999 der Kommission vom 13. Dezember 1999 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 321, S. 3)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie der Richter A. Potocki und J. Pirrung,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

1 Die Klägerin ist ein Unternehmen, das in der Gemeinschaft mit für den menschlichen Verzehr bestimmten haltbar gemachten Gemüsen handelt. Sie führt - hauptsächlich aus der Volksrepublik China - Konserven von Pilzen der Gattung Agaricus ein.

2 Die eingeführten Pilze fallen unter den Gemeinsamen Zolltarif. Kapitel 20 des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2505/92 der Kommission vom 14. Juli 1992 (ABl. L 267, S. 1) sieht dafür u. a. folgende Positionen und Unterpositionen vor:

2001 Gemüse, Früchte und andere genießbare Pflanzenteile, mit Essig zubereitet oder haltbar gemacht:

...

2001 90 50 - - Pilze

...

2003 Pilze und Trüffeln, ohne Essig zubereitet oder haltbar gemacht:

2003 10 - Pilze:

- - der Gattung Agaricus:

2003 10 20 - - - vorläufig haltbar gemacht, vollständig gegart

2003 10 30 - - - andere..."

3 Durch die Verordnung (EWG) Nr. 3537/91 der Kommission vom 4. Dezember 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 2658/87 (ABl. L 335, S. 9) wurde in Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur folgende zusätzliche Anmerkung eingefügt:

1. Als Waren der Position 2001 gelten Gemüse, Früchte und andere genießbare Pflanzenteile, mit Essig zubereitet oder haltbar gemacht, nur, wenn ihr Gehalt an freier fluechtiger Säure, berechnet als Essigsäure 0,5 GHT oder mehr beträgt."

4 Nach den Punkten 3 und 4 des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1196/97 der Kommission vom 27. Juni 1997 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 170, S. 13) sind folgende Erzeugnisse in die Unterposition 2001 90 50 einzureihen:

3. Pilze der Gattung ,Agaricus, zubereitet, blanchiert, in Flüssigkeit eingelegt und in folgender Zusammensetzung:

...

4. Pilze der Gattung ,Agaricus, vollständig gegart,..., in Salzlake konserviert (15-25 % Salz) mit Zusatz von Essig oder Essigsäure, mit einem Gehalt an freier fluechtiger Säure, berechnet als Essigsäure von 0,5 GHT oder mehr."

5 Um die Pilze der Unterposition 2001 90 50 und die Pilze der Unterposition 2003 10 voneinander abzugrenzen, wurden durch die Verordnung (EG) Nr. 2626/1999 der Kommission vom 13. Dezember 1999 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung Nr. 2658/87 (ABl. L 321, S. 3, nachfolgend: angefochtene Verordnung) die Punkte 3 und 4 des Anhangs der Verordnung Nr. 1196/97 aufgehoben; die zusätzliche Anmerkung 1 in Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur (nachfolgend: KN) erhielt folgende Fassung: 1. Als Waren der Position 2001 gelten Gemüse, Früchte, Nüsse und andere genießbare Pflanzenteile... nur, wenn ihr Gehalt an freier fluechtiger Säure, berechnet als Essigsäure, 0,5 GHT oder mehr beträgt. Zusätzlich darf für Pilze der Unterposition 2001 90 50 der Salzgehalt nicht mehr als 2,5 GHT betragen." Nach ihrem Artikel 3 ist die angefochtene Verordnung am einundzwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Dezember 1999 in Kraft getreten.

6 Aus der Klageschrift geht hervor, dass die von der Klägerin eingeführten Konserven von Pilzen vor Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung in die Unterposition 2001 90 50 eingereiht waren. Nach Ansicht der Klägerin bewirkt die angefochtene Verordnung, dass diese Erzeugnisse nun in die Unterposition 2003 10 eingereiht seien. Der zolltarifliche Unterschied zwischen diesen beiden Unterpositionen sei aber erheblich, da bei der Unterposition 2003 10 nicht nur der proportionale Zollsatz höher sei, sondern darüber hinaus jedes Kilogramm eines eingeführten Erzeugnisses dieser Unterposition einer zusätzlichen Abschöpfung von etwa 2,5 ECU unterliege. Ferner unterfielen die betreffenden Erzeugnisse durch die Änderung der zolltariflichen Einreihung nunmehr einem Kontingentierungssystem, das die Einfuhren der Klägerin weitgehend unmöglich mache (siehe unten, Randnr. 22).

7 Die Klägerin weist darauf hin, dass sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verordnung wie andere Marktbeteiligte auch mit ihren Lieferanten bereits Verträge über die Lieferung von Pilzen der Gattung Agaricus abgeschlossen gehabt habe, die in Salzlake konserviert gewesen seien, deren Salzgehalt die nach der angefochtenen Verordnung zugelassenen Grenzwerte übersteige, und dass diese Lieferungen nach Inkrafttreten der genannten Verordnung erfolgen würden. Die eingeführten Erzeugnisse würden nämlich auf dem Seeweg transportiert, was je nach Jahreszeit durchschnittlich 30 bis 40 Tage dauere. Sie fügt hinzu, ohne dass die Kommission dem widerspräche, dass sie mit ihren Lieferanten Jahresverträge schließe, nach denen die Lieferungen in regelmäßigen Abständen erfolgten und in denen der Umfang jeder Lieferung von vornherein festgelegt sei.

Verfahren

8 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 8. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

9 In der Klageschrift beantragt sie,

- die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

10 Die Kommission hat mit besonderem Schriftsatz, der am 22. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Sie beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Die Klägerin hat am 12. September 2000 gemäß Artikel 114 § 2 der Verfahrensordnung eine Stellungnahme zu dieser Einrede eingereicht. Sie beantragt,

- die Einrede der Unzulässigkeit zu verwerfen;

- hilfsweise, die Entscheidung dem Endurteil vorzubehalten;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

12 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Zulässigkeit entscheiden. Gemäß Artikel 114 § 3 wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Vorliegend sieht sich das Gericht durch die Akten ausreichend unterrichtet, um ohne mündliche Verhandlung über den Antrag entscheiden zu können.

Vorbringen der Parteien

13 Nach Ansicht der Kommission kann die Klägerin nicht behaupten, durch die angefochtene Verordnung im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG individuell betroffen zu sein. Die Verordnung sei ein genereller Rechtsakt, der die Klägerin nur aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als Einführer der entsprechenden Erzeugnisse betreffe. Die Klägerin sei durch keine besonderen Umstände aus dem Kreis aller übrigen Personen herausgehoben.

14 Außerdem sei die Kommission gemeinschaftsrechtlich nicht verpflichtet, die Lage der Klägerin zu berücksichtigen und eine Übergangsregelung für im Versand befindliche Waren vorzusehen. Im Übrigen hätte die Klägerin sich dadurch schützen können, dass sie eine verbindliche Zolltarifauskunft beantragt hätte, die es ihr nach Artikel 12 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1, nachfolgend: Zollkodex) ermöglicht hätte, sich während eines bestimmten Zeitraums und unter bestimmten Voraussetzungen auch dann, wenn die Auskunft ungültig geworden wäre, auf die vorherige zolltarifliche Einreihung zu berufen, wenn sie als Antragstellerin aufgrund dieser Auskunft einen rechtsverbindlichen und endgültigen Liefervertrag geschlossen hätte. Vorliegend habe die Klägerin aber keine verbindliche Zolltarifauskunft für die nun im Versand befindlichen Erzeugnisse beantragt.

15 Die Klägerin erwidert, dass grundsätzlich individuell von einem Akt betroffen sei, wer zumindest unter logischen Gesichtspunkten vor Erlass des Aktes als sein tatsächlicher Adressat hätte identifiziert werden können. Dass ein solcher Akt eine generelle Norm sei, hindere nicht, dass er bestimmte Personen individuell betreffe (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnrn. 19 und 20). Wenn es also möglich sei, eine Gruppe von Personen zu bestimmen, die sich von allen anderen unterschieden, und wenn später, nach Erlass des betreffenden Aktes, kein weiteres Rechtssubjekt zu dieser Gruppe hinzutreten könne, so betreffe dieser Akt alle Adressaten, die der so bestimmten Gruppe angehörten, individuell.

16 Wenn ein Gemeinschaftsakt zur Änderung der Zollregelung für bestimmte Erzeugnisse auch die Erzeugnisse betreffe, die vor Erlass dieses Aktes versandt worden seien, für die aber die Zollformalitäten erst nach Inkrafttreten dieses Aktes erledigt würden, so stelle die Gruppe der über diese Erzeugnisse betroffenen Marktbeteiligten einen geschlossenen Kreis dar; nach Erlass des Aktes könne kein weiterer Marktbeteiligter zu dieser Gruppe hinzutreten. Folglich betreffe die angefochtene Verordnung jeden dieser Marktbeteiligten individuell.

17 Für diese Marktbeteiligten seien die Wirkungen der angefochtenen Verordnung zu dem Zeitpunkt, zu dem die betreffenden Erzeugnisse aus dem Ursprungsland in die Gemeinschaft verbracht worden seien, nicht vorhersehbar gewesen. Alle anderen Marktbeteiligten, die später gleichartige Erzeugnisse eingeführt hätten, hätten dagegen von vornherein feststellen können, ob die Erzeugnisse in die Unterposition 2001 90 50 oder in die Unterposition 2003 10 der KN einzureihen seien. Daher hätten sie den tatsächlichen Betrag der Zollschuld genau ermitteln und feststellen können, ob es ihnen möglich sein werde, die Einfuhr im Rahmen des Kontingentierungssystems vorzunehmen (siehe unten, Randnr. 22).

18 Die Wirkungen der angefochtenen Verordnung seien denen eines rückwirkenden Aktes gleichzusetzen. In beiden Fällen seien die Tatbestandsvoraussetzungen, von denen die Anwendbarkeit des Aktes abhänge, bereits bei Erlass des Aktes erfuellt, und die Situation sei nach Erlass der angefochtenen Verordnung unabänderlich. Es liege aber auf der Hand, dass ein rückwirkender Akt alle seine Adressaten individuell betreffe.

19 Die These der Kommission, sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Lage der Einführer Rechnung zu tragen, die ihre Erzeugnisse bereits vor Erlass der angefochtenen Verordnung versandt hätten, sei für die Zulässigkeit nicht erheblich. Sie könne nur die Begründetheit betreffen.

20 Im Übrigen sei diese These falsch. Die Klägerin befinde sich gerade wegen ihrer besonderen Lage in einer besonderen rechtlichen Situation, die die Kommission hätte berücksichtigen müssen. Denn die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, dass die Kommission in die angefochtene Verordnung Bestimmungen aufnehme, die die Anwendung dieser Verordnung auf Einfuhren ausschlössen, die bei Erlass der Verordnung bereits in Gang gesetzt gewesen seien. Dass die Kommission dieses berechtigte Vertrauen nicht berücksichtigt habe, lasse nur einen Schluss zu: Sie habe die Wirkungen der angefochtenen Verordnung auch auf die Marktbeteiligten erstrecken wollen, die ihre Erzeugnisse bereits vor Erlass dieser Verordnung versandt hätten. Diese Feststellung spreche jedoch nicht gegen die Zulässigkeit der vorliegenden Klage.

21 Zudem führe Artikel 12 des Zollkodex ausdrücklich den allgemeinen Grundsatz auf, dass nicht nur die Zollbehörden, sondern auch die Kommission eine Bestimmung über die Einreihung von Erzeugnissen nicht ändern dürften, ohne den Betroffenen mindestens sechs Monate Anpassungszeit einzuräumen, wenn sie an einen Vertrag über den Verkauf oder den Kauf der betreffenden Erzeugnisse auf der Grundlage dieser Bestimmung gebunden seien. Darin komme der Grundsatz des Vertrauensschutzes zum Ausdruck.

22 Schließlich sei der Klägerin die Erfuellung ihrer vertraglichen Verpflichtungen durch die angefochtene Verordnung unmöglich geworden. Die vertraglichen Mengen beliefen sich auf über 4 000 Tonnen. Die Einfuhr von Pilzen der Unterposition 2003 10 der KN unterliege aber nach der Verordnung (EG) Nr. 2125/95 der Kommission vom 6. September 1995 zur Eröffnung und Verwaltung von Zollkontingenten für Konserven von Pilzen der Gattung Agaricus (ABl. L 212, S. 16) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2493/98 der Kommission vom 18. November 1998 (ABl. L 309, S. 38) einer Quotenregelung. Diese Verordnungen ließen die jährliche Einfuhr von 22 750 Tonnen Erzeugnissen mit Ursprung in China zu. Nach dem darin vorgesehenen Zuweisungsschlüssel seien 85 % davon den Einführern vorbehalten, die die gleichen kontingentierten Erzeugnisse bereits in den vorhergehenden Jahren eingeführt hätten. Die Klägerin gehöre aber nicht zu den traditionellen Einführern, da die von ihr eingeführten Erzeugnisse vor Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung in die Unterposition 2001 90 50 der KN eingereiht und daher nicht kontingentiert gewesen seien. Folglich könne sie lediglich an der Zuweisung der übrigen 15 %, d. h. von 3 412 Tonnen, an sämtliche neuen Einführer in der Gemeinschaft teilhaben. Daher sei die Menge, die zugewiesen werden könne, weitaus niedriger als die Menge, zu deren Einfuhr sie sich für das laufende Jahr vertraglich verpflichtet habe.

Würdigung durch das Gericht

23 Für die Feststellung, ob die Klägerin durch die angefochtene Verordnung im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG individuell betroffen ist, ist von Belang, dass diese Verordnung die zolltarifliche Einreihung einer bestimmten Art von Erzeugnissen klarstellen soll, indem die Abgrenzung zwischen den zwei Unterpositionen der KN festgelegt wird, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung für die Einreihung dieser Art von Erzeugnissen in Betracht kommen konnten. Wie die Klägerin zu Recht ausgeführt hat, bewirkt die angefochtene Verordnung die Einreihung von Erzeugnissen, die zuvor unter die Unterposition 2001 90 50 fallen konnten, in die Unterposition 2003 10 KN.

24 Die angefochtene Verordnung ist ein genereller Rechtsakt im Sinne des Artikels 249 Absatz 2 EG. Sie betrifft im Interesse einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs eine objektiv umschriebene Situation und erzeugt Rechtswirkungen gegenüber einem allgemein und abstrakt umschriebenen Personenkreis, insbesondere gegenüber den Einführern der in ihr beschriebenen Erzeugnisse (siehe in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 40/84, Casteels/Kommission, Slg. 1985, 667, Randnr. 11, und Beschluss des Gerichts vom 29. April 1999 in der Rechtssache T-120/98, Alce/Kommission, Slg. 1999, II-1395, Randnr. 18).

25 Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung, nach der auch ein genereller Rechtsakt bestimmte Marktbeteiligte individuell betreffen könne, geltend, dass sie zu einem begrenzten Kreis von Marktbeteiligten gehöre, die von der angefochtenen Verordnung besonders betroffen seien, nämlich zu dem Kreis der Einführer, die vor Erlass dieser Verordnung Kaufverträge geschlossen hätten, deren Erfuellung in die Zeit falle, in der die Verordnung gelte, wobei die Erzeugnisse, die Gegenstand dieser Verträge seien und von der genannten Verordnung erfasst würden, sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung bereits auf dem Weg in die Gemeinschaft befunden hätten. Nach Ansicht der Klägerin hätte die Kommission die besondere Situation dieser Einführer berücksichtigen müssen, da die angefochtene Verordnung und das Kontingentierungssystem der Verordnungen Nrn. 2125/95 und 2493/98 die Erfuellung der betreffenden Verträge unmöglich gemacht hätten.

26 Diese Gesichtspunkte reichen jedoch nicht aus, um die Klägerin im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG zu individualisieren.

27 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Klage eines Klägers, der zu einem begrenzten Kreis von Marktbeteiligten gehört, die Verträge eingegangen sind, deren Erfuellung angeblich durch den gerügten Normativakt unmöglich gemacht wird, auf Nichtigerklärung dieses Aktes nur zulässig, wenn das Organ, das den angefochtenen Akt erlassen hat, aufgrund besonderer Bestimmungen verpflichtet war, den Auswirkungen des Aktes auf die Situation dieser Marktbeteiligten Rechnung zu tragen (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-209/94 P, Buralux u. a./Rat, Slg. 1996, I-615, Randnrn. 33 und 34, und des Gerichts vom 14. September 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2305, Randnr. 67; siehe in diesem Sinn auch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-300/00 P[R], Federacíon de Cofradías de Pescadores de Guipúzcoa u. a./Rat und Kommission, Slg. 2000, I-8797, Randnr. 46).

28 Diese Rechtsprechung gilt auch für Marktbeteiligte, die sich einer Regelung gegenübersehen, mit der die Kontingentierung bestimmter Einfuhren eingeführt wird, und denen nach dieser Regelung die Erteilung von Einfuhrlizenzen verwehrt wird (Beschluss des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T-100/94, Michailidis u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3115, Randnr. 64, in der auf das Urteil des Gerichtshofes vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport/Kommission, Slg. 1990, I-2477, verwiesen wird).

29 Die Klägerin beruft sich aber auf keine besondere Bestimmung, die die Kommission verpflichtet hätte, in der angefochtenen Verordnung der Situation von Marktbeteiligten wie der Klägerin im Hinblick auf die Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs und des durch die Verordnungen Nrn. 2125/95 und 2493/98 eingeführten Kontingentierungssystems Rechnung zu tragen. Sie beruft sich nur auf den allgemeinen Grundsatz des Vertrauensschutzes, der in Artikel 12 des Zollkodex zum Ausdruck komme.

30 Auf diesen allgemeinen Grundsatz kann die Klägerin aber die Zulässigkeit ihrer Klage nicht stützen. Zum einen ist unstreitig, dass sie die Möglichkeiten nach Artikel 12 des Zollkodex in der Fassung des Artikels 1 Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 82/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 17, S. 1) nicht genutzt hat, um durch eine verbindliche Zolltarifauskunft zumindest einen gewissen Schutz ihrer Interessen zu erlangen. Zum anderen hat die Kommission dadurch, dass sie das Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung auf den einundzwanzigsten Tag nach deren Veröffentlichung angesetzt hat, sowohl Artikel 254 Absatz 2 EG wie die Rechtsprechung beachtet, nach der der Grundsatz des Vertrauensschutzes die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Folgen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der früheren Regelung entstanden ist, nicht schlechthin ausschließt (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C-60/98, Butterfly Music, Slg. 1999, I-3939, Randnr. 25, und die dort zitierte Rechtsprechung).

31 Die Klägerin bringt weiter vor, der Kreis der Einführer, zu denen sie gehöre, sei begrenzt, da nach Erlass der angefochtenen Verordnung kein neuer Marktbeteiligter mehr zu der Gruppe der betroffenen Einführer hinzukommen könne, so dass diese von der Kommission leicht hätten identifiziert werden können. Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet jedoch der Umstand, dass die Personen, für die eine Maßnahme gilt, nach Zahl oder sogar Identität mehr oder weniger genau bestimmbar sind, nicht, dass sie von der Maßnahme individuell betroffen sind, sofern nur feststeht, dass die Maßnahme aufgrund eines durch sie bestimmten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art anwendbar ist (Urteil des Gerichts vom 22. Februar 2000 in der Rechtssache T-138/98, ACAV u. a./Rat, Slg. 2000, II-341, Randnr. 64, und die zitierte Rechtsprechung).

32 Wie bereits festgestellt, sieht die angefochtene Verordnung vor, dass der Salzgehalt von Pilzen der Unterposition 2001 90 50 der KN einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf. Die Verordnung gilt also für einen objektiv bestimmten Tatbestand; sie betrifft die Klägerin nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Einführer der betreffenden Erzeugnisse.

33 Daher kann auch dem Vorbringen nicht gefolgt werden, die angefochtene Verordnung habe insofern erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Tätigkeit der Klägerin, als sie die Erfuellung ihrer langfristig abgeschlossenen Kaufverträge verhindert habe. Denn nach ständiger Rechtsprechung vermag der Umstand, dass sich ein genereller Rechtsakt auf Normadressaten konkret unterschiedlich auswirken kann, diese nicht aus dem Kreis aller übrigen betroffenen Marktbeteiligten herauszuheben, sofern seine Anwendung aufgrund eines objektiv bestimmten Tatbestands erfolgt (Urteil in der Rechtssache T-138/98, Randnr. 66, und die dort zitierte Rechtsprechung).

34 Zudem hat die Klägerin die jährlichen Lieferverträge aus wirtschaftlichem Eigeninteresse geschlossen. Eine solche vertragliche Position, die notwendiger Bestandteil der normalen Tätigkeit eines jeden Einfuhrunternehmens ist, kann nicht als besonderes Recht im Sinn des Urteils in der Rechtssache C-309/89 qualifiziert werden (siehe in diesem Sinn Beschluss in der Rechtssache T-100/94, Randnrn. 66 und 67). Sie ist daher auch nicht geeignet, die Klägerin im Hinblick auf die angefochtene Verordnung zu individualisieren.

35 Nach alledem betrifft die angefochtene Verordnung die Klägerin nicht individuell. Da somit eine der Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Artikel 230 Absatz 4 EG nicht erfuellt ist, ist die vorliegende Klage unzulässig.

36 Auch wenn die Klägerin die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung nicht verlangen kann, so kann sie doch vor den nationalen Gerichten ihre Rechtswidrigkeit geltend machen; diese entscheiden unter Beachtung des Artikels 234 EG (Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-70/97 P, Kruidvat/Kommission, Slg. 1998, I-7183, Randnrn. 48 und 49).

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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