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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.10.2004
Aktenzeichen: T-49/03
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, EG


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 2
EG Art. 5 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 21. Oktober 2004. - Gunda Schumann gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beamte - Allgemeines Auswahlverfahren - Vorauswahltests - Annullierung einer Multiple-Choice-Frage - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Verstoß gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens. - Rechtssache T-49/03.

Parteien:

In der Rechtssache T-49/03,

Gunda Schumann, wohnhaft in Berlin (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Y. Bock, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses des allgemeinen Auswahlverfahrens KOM/A/11/01, die Klägerin zu den auf die Vorauswahltests folgenden Prüfungen nicht zuzulassen,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García-Valdecasas und J. D. Cooke,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

4. Mai 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt

1. Am 9. Oktober 2001 veröffentlichte die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften die Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens KOM/A/11/01 (im Folgenden: Ausschreibung) zur Bildung einer Einstellungsreserve von Hauptverwaltungsrätinnen und Hauptverwaltungsräten (Laufbahn A 5/A 4) in den Sachgebieten Justiz und Inneres sowie Zivil- und Strafrecht (ABl. C 283 A, S. 13).

2. Punkt I 1 der Ausschreibung - Allgemeine Bedingungen - enthält folgende Angaben:

Das Auswahlverfahren KOM/A/11/01 wird zur Einstellung von Hauptverwaltungsrätinnen und Hauptverwaltungsräten (Laufbahn A 5/A 4) in den Sachgebieten Justiz und Inneres sowie Zivil- und Strafrecht durchgeführt. In beiden Sachgebieten dient es der Aufstellung einer Reserveliste mit jeweils 30 Bewerberinnen und Bewerbern zur Besetzung einer Anzahl von Planstellen, die in jedem Sachgebiet auf 25 veranschlagt werden kann....

3. Punkt I 5 der Ausschreibung - Verfahren - führt Folgendes aus:

...

Erste Phase des Verfahrens: maschinenlesbares Anmeldeformular und Vorauswahltests

...

Die Bewerberinnen und Bewerber, die das maschinenlesbare Anmeldeformular fristgerecht eingesandt haben und die allgemeinen Zulassungsbedingungen erfuellen sowie die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannte Altersgrenze nicht überschreiten, werden zur Teilnahme an den Vorauswahltests (siehe Titel IV) eingeladen.

Zweite Phase des Verfahrens: vollständige Bewerbung

Nach Bewertung der Vorauswahltests werden die Bewerberinnen und Bewerber, die im Sachgebiet Justiz und Inneres... die 100 besten Ergebnisse erzielt haben, aufgefordert, den ihnen zugesandten Bewerbungsfragebogen auszufuellen....

Der Prüfungsausschuss prüft die vorgelegten Unterlagen und stellt auf dieser Grundlage das Verzeichnis der Bewerberinnen und Bewerber auf, die die in der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens genannten Bedingungen erfuellen und zur schriftlichen Prüfung zugelassen sind (siehe Titel III).

...

4. Die Vorauswahltests der ersten Phase bestanden aus vier Testreihen von Multiple-Choice-Fragen, die mit den Buchstaben a bis d versehen waren. Punkt V der Ausschreibung - Vorauswahltests - Bewertung - sieht Folgendes für den Test c vor:

Test, bestehend aus einer Reihe von Fragen mit mehreren Antwortvorgaben (Multiple-Choice-Verfahren) zu den wichtigsten Entwicklungen im europäischen Einigungsprozess und in den verschiedenen Bereichen der Gemeinschaftspolitik.

Dieser Test wird mit 0 bis 20 Punkten bewertet (erforderliche Mindestpunktzahl: 10).

...

Bei den Vorauswahltests führen falsche Antworten nicht zu einem Punkteabzug.

Wird in einem Test die erforderliche Mindestpunktzahl nicht erreicht, so führt dies zum Ausschluss.

5. Anhang II der Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens - Auskunftsersuchen - Rechtsmittel - Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten sieht Folgendes vor:

In jeder Phase des Auswahlverfahrens können Bewerberinnen und Bewerber bei einer sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Entscheidung Erläuterungen zu dieser Entscheidung verlangen [oder] Rechtsmittel einlegen...

-...

Erläuterungen sind schriftlich unter Angabe von Gründen bei folgender Stelle anzufordern:

Europäische Kommission

Referat Einstellungen - MO 34 2/31 -

z. H. des oder der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses des Auswahlverfahrens KOM/A/11/01

...

- Rechtsmittel

- Einreichung einer Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften. Diese Beschwerde ist an folgende Anschrift zu richten:

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Generaldirektion Personal und Verwaltung

Referat Statut

...

- oder Klage... beim

Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften

...

6. Die Klägerin bewarb sich für das Auswahlverfahren KOM/A/11/01 und wählte das Sachgebiet Justiz und Inneres. Sie wurde aufgefordert, an den Vorauswahltests teilzunehmen, die am 26. April 2002 stattfanden.

7. Mit Schreiben vom 4. Juni 2002, der Klägerin zugestellt am 6. Juni 2002, teilte der Prüfungsausschuss ihr mit, dass sie nicht zu den weiteren Phasen des Auswahlverfahrens zugelassen werden könne, da sie in Test c nur 9,744 Punkte und damit nicht die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht habe.

8. Dem Schreiben vom 4. Juni 2002 war ein Informationsblatt beigefügt; in diesem hieß es:

Aufgrund nach dem Prüfungstermin festgestellter Fehler hat der Prüfungsausschuss beschlossen, folgende Fragen zu annullieren:

...

Vorauswahltest c (Test bezüglich der Europäischen Union): Frage 3.

Um die Gleichbehandlung aller Bewerberinnen und Bewerber zu gewährleisten, [wurde diese Frage] in allen Sprachfassungen annulliert. Die im Amtsblatt festgelegte Bewertung der Tests bleibt unverändert... der Wert jeder übrig gebliebenen Frage [berechnet sich] durch Division der [in der Ausschreibung angegebenen] Gesamtpunktzahl durch die Anzahl der übrig gebliebenen Fragen.

9. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002, bei der Kommission eingegangen am 8. Juli 2002, legte die Klägerin gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 4. Juni 2002 beim Referat Statut der Generaldirektion Personal und Verwaltung ein.

10. In diesem Schreiben macht die Klägerin insbesondere Folgendes geltend:

Das nachträgliche Sinken der Chancen für das Bestehen des Tests entspricht einer zweiten Selektion und stellt damit eine Abweichung von der... Bewertung von 0,5 Punkten für jede richtige Antwort dar (20 Punkte für 40 richtige Antworten). Diese Abweichung wirkt sich insbesondere auf diejenigen Bewerber/innen beschwerend aus, die mit nur einer Antwort unter dem Mindestsoll liegen, deren Punktzahl demzufolge über 9,5 für den Einzeltest liegt und die darüber hinaus alle anderen Tests bestanden haben. Das ist bei mir der Fall. Die Punktezahl für Test c müsste daher, um eine Nachselektion zu vermeiden, auf 10 aufgerundet werden.

Ich bitte daher um eine Korrektur meiner Punktzahl für Test c und eine Bestätigung über das Bestehen des Gesamt-Vorauswahltests.

11. Mit Schreiben vom 19. Juli 2002 übermittelte der Leiter des Referats Statut der Klägerin die Entscheidung des Prüfungsausschusses, dass die Entscheidung vom 4. Juni 2002, sie zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens nicht zuzulassen, endgültig sei.

12. Mit Schreiben vom 5. September 2002 gab der Prüfungsausschuss dem Antrag der Klägerin vom 3. Juli 2002 auf Einsicht in ihre korrigierten Unterlagen statt. Aus dem Korrekturbogen ergibt sich, dass die Klägerin in Test c, der nach Streichung der Frage 3 nur noch 39 Fragen umfasste, 19 Fragen richtig und 20 Fragen falsch beantwortet hatte. Weiter ergibt sich daraus, dass der Prüfungsausschuss den Buchstaben N hinter Frage 3 des Tests c vermerkt hat.

13. Mit Entscheidung vom 30. Oktober 2002, die in Französisch verfasst war und der Klägerin am 7. November 2002 zuging, und einem Begleitschreiben vom 31. Oktober 2002 wies die Anstellungsbehörde ihre Beschwerde zurück.

14. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2002, zugegangen am 6. Januar 2003, erhielt die Klägerin eine deutsche Übersetzung der Entscheidung vom 30. Oktober 2002.

15. Nach einem entsprechenden Antrag wurde die Klägerin von der Kommission mit E-Mail vom 14. Januar 2003 darüber informiert, dass sie, falls sie die Mindestpunktzahl für den Test c erreicht hätte, mit einer Gesamtpunktzahl vom 80,022 zu den 100 besten Bewerbern gezählt hätte und damit zur Teilnahme an der zweiten Phase des Auswahlverfahrens zugelassen worden wäre.

Verfahren und Anträge der Parteien

16. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 6. Februar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17. Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht der Berichterstatterin beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und als prozessleitende Maßnahme an die Kommission das Ersuchen gerichtet, eine Kopie der Ausschreibung des Auswahlverfahrens KOM/A/11/01 zu den Akten zu geben. Die Kommission ist diesem Ersuchen nachgekommen.

18. Die Parteien haben in der Sitzung vom 4. Mai 2004 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

19. Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung vom 4. Juni 2002 aufzuheben, mit der der Prüfungsausschuss des Auswahlverfahrens KOM/A/11/01 es abgelehnt hat, sie zu der zweiten Phase dieses Verfahrens zuzulassen;

- die Entscheidung vom 19. Juli 2002 aufzuheben, mit der der Prüfungsausschuss die Entscheidung vom 4. Juni 2002 bestätigt hat;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20. Die Kommission beantragt,

- die Klage teilweise oder insgesamt für unzulässig zu erklären;

- die Klage jedenfalls als unbegründet abzuweisen;

- über die Kosten des Verfahrens nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Entscheidung vom 19. Juli 2002

Vorbringen der Parteien

21. Die Kommission trägt vor, soweit sich die Klage gegen die Entscheidung vom 19. Juli 2002 richte, sei sie nicht etwa deshalb als zulässig anzusehen, weil zwischen dieser Entscheidung und der Entscheidung vom 4. Juni 2002 ein thematischer Zusammenhang bestehe. Sollte das Gericht nämlich die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 4. Juni 2002 aufheben, so wäre die Entscheidung vom 19. Juli 2002 automatisch hinfällig. Somit sei es unnötig, die Aufhebung der Entscheidung vom 19. Juli 2002 zu beantragen.

22. Die Klägerin habe jedenfalls gegen diese Entscheidung weder eine Beschwerde bei der Anstellungsbehörde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eingereicht, noch Klage beim Gericht gemäß Artikel 91 des Statuts erhoben. Die einzige von der Klägerin eingelegte Beschwerde sei gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 4. Juni 2002 gerichtet und vor der Entscheidung vom 19. Juli 2002 eingelegt worden.

23. Die Klägerin weist das Vorbringen zurück, dass die Klage teilweise unzulässig sei. Zwischen der Entscheidung vom 4. Juni 2002 und der vom 19. Juli 2002 bestehe ein thematischer Zusammenhang, der eine einzige Klage möglich mache. Das Schreiben vom 19. Juli 2002 stelle keine Entscheidung dar, die von der vom 4. Juni 2002 unabhängig sei. In diesem Schreiben habe sich der Prüfungsausschuss nämlich ausschließlich auf seine Entscheidung vom 4. Juni 2002 bezogen, mit der die Ergebnisse der Vorausauswahltests mitgeteilt worden seien, deren Richtigkeit bestätigt und festgestellt, dass die Entscheidung, sie nicht zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens zuzulassen, endgültig sei. So enthalte diese Entscheidung keinerlei neue Darlegung rechtlicher Gründe und stellte sich daher für die Klägerin als Bestätigung der Entscheidung vom 4. Juni 2002 dar.

24. Die Klägerin versuche auch nicht, die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts enthaltenen Anforderungen des Vorverfahrens zu umgehen. Indem sie ihre Klage gegen die Entscheidungen vom 4. Juni 2002 und vom 19. Juli 2002 richte, habe sie vielmehr den Grundsatz der Prozessökonomie beachtet, weil die von ihr gegen diese beiden Entscheidungen geltend gemachten rechtlichen und tatsächlichen Gründe identisch seien.

Würdigung durch das Gericht

25. Die Rechtsschutzmöglichkeit, über die die Betroffenen gegenüber einer Entscheidung eines Prüfungsausschusses verfügen, besteht normalerweise darin, den Gemeinschaftsrichter unmittelbar anzurufen. Zwar verlängert die Einlegung einer Verwaltungsbeschwerde unabhängig von ihrer rechtlichen Bedeutung die Frist für die Klageerhebung, sie befreit die Betroffenen jedoch nicht von der Beachtung aller verfahrensmäßigen Zwänge, die mit dem von ihnen gewählten Weg der vorhergehenden Beschwerde verbunden sind (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 52/85, Rihoux/Kommission, Slg. 1986, 1555, Randnrn. 9 ff). Hierzu sieht Anhang II der Ausschreibung vor, dass die Bewerber bei einer sie ihrer Ansicht nach beschwerenden Entscheidung Erläuterungen zu dieser Entscheidung verlangen oder unmittelbar ein Rechtsmittel gegen sie einlegen können. Diese letzte Möglichkeit kann entweder in der Einreichung einer Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts bei der Anstellungsbehörde oder in einer Klage beim Gericht nach Artikel 91 des Statuts bestehen. Anhang II der Ausschreibung führt die zu beachtenden Formalitäten für jeden der beiden vorgesehenen Rechtsbehelfe auf und nennt insbesondere die zuständige Stelle der Kommission, an die Bewerberinnen oder Bewerber ihren Antrag zu richten haben.

26. Im vorliegenden Fall ergibt sich zum einen aus den Akten, dass die Klägerin eine Beschwerde gegen die Entscheidung vom 4. Juni 2002 gemäß den im Anhang II der Ausschreibung vorgesehenen Modalitäten eingelegt hat. Sie hat nämlich ihr Schreiben vom 18. Juni 2002 als Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts bezeichnet und es an das Referat Statut der Generaldirektion Personal und Verwaltung, d. h. an die Anstellungsbehörde, gerichtet. Zum anderen bat sie in diesem Schreiben darum, ihre Punktezahl für Test c zu korrigieren und ihr Bestehen sämtlicher Vorauswahltests zu bestätigen, was ausschließlich in das Ermessen des Prüfungsausschusses fällt.

27. Aus den Akten ergibt sich außerdem, dass die Kommission infolge des Schreibens der Klägerin vom 18. Juni 2002 gleichzeitig zwei Verfahren eingeleitet hat: ein Verfahren des Ersuchens um Erläuterungen bei dem Prüfungsausschuss und ein Beschwerdeverfahren bei der Anstellungsbehörde. Daher hat die Anstellungsbehörde am 30. Oktober 2002 eine Entscheidung erlassen, mit der das von ihr als Beschwerde verstandene Schreiben zurückgewiesen wurde. Inzwischen hatte der Prüfungsausschuss nach Überprüfung der Ergebnisse der Klägerin als Antwort auf dasselbe Schreiben am 19. Juli 2002 eine Entscheidung getroffen, mit der die ablehnende Entscheidung vom 4. Juni 2002 über eine Zulassung der Klägerin zur Teilnahme an der zweiten Phase des Auswahlverfahrens für endgültig erklärt wurde. Es ist festzustellen, dass die Klägerin keine Beschwerde oder Klage gegen diese Entscheidung innerhalb der Fristen der Artikel 90 und 91 des Statuts eingereicht hat.

28. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist, soweit sie gegen die Entscheidung vom 19. Juli 2002 erhoben wurde.

Begründetheit

29. Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen zwei Gründe geltend, mit denen sie erstens eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und zweitens einen Verstoß gegen die Ausschreibung rügt.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Zur Zulässigkeit des Klagegrundes

- Vorbringen der Parteien

30. Die Klägerin trägt vor, dass die Entscheidung, die Frage 3 des Tests c des Auswahlverfahrens zu annullieren und damit die Entscheidung vom 4. Juni 2002, sie nicht zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens zuzulassen, unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit getroffen worden seien. Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit dieses Klagegrundes. Sie macht geltend, dass die Klage nach ständiger Rechtsprechung keine anderen Rügen als die bereits im Vorverfahren erhobenen enthalten dürfe. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin sei dieses Erfordernis zwingendes Recht und gelte für alle Kläger, einerlei, ob es sich um Beamte handele oder um Personen, die erfolglos an einem Auswahlverfahren teilgenommen hätten (Urteile des Gerichts vom 29. März 1990 in der Rechtssache T57/89, Alexandrakis/Kommission, Slg. 1990, II143, Randnr. 8, und vom 16. September 1998 in der Rechtssache T215/97, Jouhki/Kommission, Slg. ÖD 1998, IA-503 und II1513, Randnr. 22). Dieses Erfordernis sei im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden. Denn die Klägerin habe das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in ihrer Beschwerde vom 18. Juni 2002 oder in ihrem Antrag auf Akteneinsicht vom 3. Juli 2002 nicht ausdrücklich geltend gemacht.

31. Dieser Klagegrund lehne sich nicht eng an den in der Beschwerde angeführten Grund an. Die einzige rechtliche Ausführung der Klägerin gehe nämlich dahin, dass der Prüfungsausschuss von dem in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten Bewertungssystem von 0,5 Punkten für jede richtige Antwort abgewichen sei und damit eine Nachselektion vorgenommen habe.

32. Außerdem habe die Klägerin auch dadurch, dass sie in ihrer Beschwerde vortrage, dass diese Abweichung von der Ausschreibung für sie besonders nachteilige Folgen habe, weil ihr nur eine einzige Antwort für die Erreichung der Mindestpunktzahl fehle, keine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht. Vielmehr habe sie nur die Folgen bewertet, die sich aus dem Verstoß gegen die Ausschreibung ergäben. Die Tatsache, dass die Klägerin sowohl in ihrer Beschwerde als auch in ihrer Klage ein Aufrunden der von ihr im Test c erzielten Punktzahl auf zehn verlange, ändere hieran nichts.

33. Die einzigen im Stadium des Vorverfahrens gemachten Ausführungen über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien in der Begründung der Entscheidung vom 19. Juli 2002 zu finden, der zufolge der Prüfungsausschuss der Auffassung gewesen sei, dass die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit es ausschließe, die Vorauswahltests für alle Bewerber zu wiederholen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin erwähne diese Begründung nicht, dass der Prüfungsausschuss die Beschwerde in dem Sinne verstanden habe, dass die Klägerin das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht habe.

34. Die Klägerin entgegnet, es sei zwar richtig, dass sie eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Vorverfahren nicht ausdrücklich gerügt habe; doch sei die Rechtsprechung zur Beachtung der sich aus den Artikeln 90 und 91 des Statuts ergebenden Anforderungen im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Von einer Person, die wie sie keine Beamtin sei, könne nicht in demselben Ausmaß erwartet werden, dass sie im Vorverfahren alle erheblichen rechtlichen Rügen ausdrücklich geltend mache.

35. Jedenfalls sei die Kommission, auch wenn man unterstelle, dass diese Anforderungen für die Klägerin gälten, verpflichtet, die Beschwerde aufgeschlossen auszulegen, um auf diese Weise alle erheblichen Rügen zu würdigen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. März 1989 in der Rechtssache 133/88, Del Amo Martinez/Parlament, Slg. 1989, 689, Randnr. 11). Es sei nicht erforderlich, dass alle rechtlichen Argumente in dem Vorbringen im Vorverfahren bereits enthalten gewesen seien. Vielmehr könnten die Rügen in der Klage durch neue Gründe und Argumente weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache T19/90, Von Hoessle/Rechnungshof, Slg. 1991, II615, Randnr. 34).

36. Im vorliegenden Fall habe die Kommission ihrer Beschwerde vom 18. Juni 2002 ohne weiteres eine implizit auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegründete Rüge entnehmen können, zumal der Prüfungsausschuss in seiner Entscheidung vom 19. Juli 2002 selbst hervorgehoben habe, dass die Annullierung der Fragen unter Berücksichtigung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit erfolgt sei.

- Würdigung durch das Gericht

37. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts vorgesehenen Verfahrensvorschriften entgegen dem Vortrag der Klägerin für alle Kläger gelten, einerlei, ob es sich um Beamte handelt oder um Personen, die erfolglos an einem Auswahlverfahren teilgenommen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Jouhki/Kommission, Randnr. 22). Der Grundsatz der zwingenden Übereinstimmung der Beschwerde mit der Klage ist daher im vorliegenden Fall anwendbar. Er verlangt für die Zulässigkeit eines vor dem Gemeinschaftsrichter geltend gemachten Klagegrundes, dass dieser bereits im Rahmen des Vorverfahrens vorgetragen worden ist, damit die zuständige Behörde von den Rügen des Betroffenen hinreichend genau hat Kenntnis nehmen können, um den Streit gütlich beilegen zu können.

38. Wie die Klägerin jedoch zutreffend ausführt, dürfen die beim Gemeinschaftsgericht eingereichten Anträge zwar nur dieselben Rügen enthalten, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde angeführten; doch können diese Rügen durch das Vorbringen von Gründen und Argumenten weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (vgl. Urteile des Gerichts vom 6. Juni 1996 in der Rechtssache T262/94, Baiwir/Kommission, Slg. ÖD 1996, IA-257 und II739, Randnr. 41, und vom 14. Oktober 2003 in der Rechtssache T174/02, Wieme/Kommission, Slg. 2003, II0000, Randnr. 18, und die dort zitierte Rechtsprechung).

39. Da das Vorverfahren informeller Natur ist und die Betroffenen in dieser Phase im Allgemeinen ohne den Beistand eines Rechtsanwalts handeln, darf die Verwaltung die Beschwerden nicht eng auslegen, sondern muss sie vielmehr aufgeschlossen prüfen (Urteil Del Amo Martinez/Parlament, Randnr. 11).

40. Im vorliegenden Fall führt die Beschwerde der Klägerin zwar nicht ausdrücklich eine Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an; sie enthält aber die Punkte, aus denen die Anstellungsbehörde in dem Bemühen, die Beschwerde aufgeschlossen auszulegen, hätte ableiten können, dass diese nicht nur einen Verstoß gegen die Ausschreibung, sondern auch eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit betraf. Die Klägerin führte nämlich in ihrer Beschwerde aus, dass die vorgenommene Maßnahme für sie insbesondere beschwerend sei, weil ihr nur eine richtige Antwort gefehlt habe, um die Mindestpunktzahl im Test c zu erreichen, und sie alle anderen Tests bestanden habe. Außerdem bat sie darum, die Punktzahl im Test c auf 10 aufzurunden, um eine Nachselektion zu vermeiden. Somit ist das Gericht der Auffassung, dass sich der Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eng an die Beschwerde anlehnt, da ihr die stillschweigende Behauptung zu entnehmen war, dass die der Klägerin durch die vorgenommene Maßnahme entstandenen Nachteile außer Verhältnis zum angestrebten Ziel stuenden und die Kommission diesem Zustand hätte abhelfen müssen.

41. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Klagegrund einer Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für zulässig zu erklären ist.

Zur Begründetheit des Klagegrundes

- Vorbringen der Parteien

42. Die Klägerin trägt vor, in der Entscheidung, die Frage 3 des Tests c des Auswahlverfahrens zu annullieren und damit in der Entscheidung vom 4. Juni 2002, mit der ihre Zulassung zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens abgelehnt worden sei, liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Insoweit macht sie geltend, dass sie die betreffende, vom Prüfungsausschuss später annullierte Frage bei den Vorauswahltests richtig beantwortet habe. Daher beruhe die Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie nicht zu der zweiten Phase des Auswahlverfahrens zuzulassen, und damit ihr Scheitern im Auswahlverfahren insgesamt darauf, dass die Antwort auf diese Frage nicht berücksichtigt worden sei. Wenn ihr nämlich die Mindestpunktzahl für den Test c gewährt worden wäre, hätte sie eine Gesamtnote von 80,022 Punkten erzielt und damit zu den 100 besten Bewerbern gehört.

43. Die Klägerin macht geltend, dass sich der vorliegende Fall insoweit von den von der Kommission angeführten Rechtssachen (Urteile des Gerichts vom 17. Januar 2001 in der Rechtssache T189/99, Gerochristos/Kommission, Slg. ÖD 2001, IA-11 und II53, Randnr. 26, und vom 2. Mai 2001 in den Rechtssachen T167/99 und T174/99, Giulietti u. a./Kommission, Slg. ÖD 2001, IA-93 und II441, Randnr. 35) unterscheide, in denen die Kläger zu den weiteren Prüfungen des Auswahlverfahrens auch dann nicht zugelassen worden wären, wenn die in Rede stehenden Fragen nicht annulliert worden wären. Da sie auf alle Fragen geantwortet habe, mache sie, im Gegensatz zu der Klägerin in der zum Urteil Giulietti u. a. führenden Rechtssache, auch nicht geltend, dass eine Diskriminierung im Verhältnis zu den Bewerbern vorliege, die nicht alle Fragen beantwortet hätten.

44. Die Klägerin erkennt an, dass der Prüfungsausschuss über ein weites Ermessen verfüge, wenn es darum gehe, Unregelmäßigkeiten oder Fehler bei einem Auswahlverfahren zu beheben, um die Gleichbehandlung aller Bewerber sicherzustellen und deren objektive Bewertung zu ermöglichen (Urteil Gerochristos/Kommission, Randnr. 25).

45. Entscheidungen der Exekutivorgane der Kommission müssten jedoch nicht nur einen legitimen Zweck erfuellen, der im vorliegenden Fall in der Garantie einer objektiven Bewertung aller Bewerber bestehe, sondern darüber hinaus auch verhältnismäßig sein. Dies bedeute im konkreten Fall, dass die Annullierung einer Frage des Auswahlverfahrens und die Folgen, die sich daraus für einzelne Bewerber ergeben hätten, nicht über das hinausgehen dürften, was zur Erreichung dieses legitimen Zweckes erforderlich sei (Urteile des Gerichtshofes vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C8/89, Zardi, Slg. 1990, I2515, Randnr. 10, und vom 9. November 1995 in der Rechtssache C426/93, Deutschland/Rat, Slg. 1995, I3723, Randnr. 42; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1995 in den Rechtssachen T466/93, T469/93, T473/93, T474/93 und T477/93, O'Dwyer u. a./Rat, Slg. 1995, II2071, Randnr. 107).

46. Dies bedeute auch, dass die nachträgliche Annullierung der Frage 3 des Tests c nur dann erforderlich gewesen wäre, wenn kein anderes Mittel ersichtlich gewesen wäre, das den angestrebten Zweck ebenso gut erreiche, aber die anderen Bewerber, die die annullierten Fragen in den anderen Sprachfassungen richtig beantwortet hätten, weniger belastete. Statt die in Rede stehende Frage zu annullieren, hätte der Prüfungsausschuss diese zu Gunsten aller Bewerberinnen und Bewerber als richtig beantwortet werten können.

47. Ein derartiges Vorgehen hätte es ihr ermöglicht, die erste Voraussetzung für die Zulassung zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens zu erfuellen, d. h. die erforderliche Mindestpunktzahl im Test c zu erreichen. Zwar hätte eine solche Lösung einen Bewerber im Hinblick auf die zweite Voraussetzung für die Zulassung zur nächsten Phase, d. h. unter den Bewerbern mit den 100 besten Ergebnissen zu sein, ihr gegenüber schlechter stellen können. Da dieses Kriterium jedoch auch einheitlich für alle Bewerber angewendet worden wäre, hätte diese Lösung einen höheren Grad an Objektivität gewährleistet.

48. Die Klägerin bestreitet die Behauptung der Kommission, dass eine Bewertung der betreffenden Frage als richtig nicht in gleicher Weise wie deren Annullierung die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ermögliche. Dieser Grundsatz sei in jedem Fall verletzt, da der Prüfungsausschuss in beiden Fällen die Antworten der Bewerber auf diese Frage nicht mehr objektiv habe vergleichen können, weil die Bewerber, die sich bemüht hätten, die in Rede stehende Frage zu beantworten, gegenüber denen, die keine Zeit auf ihre Beantwortung verwendet hätten, in einen Nachteil geraten seien.

49. Im Rahmen dieses Klagegrundes fügt die Klägerin hinzu, dass der Prüfungsausschuss auch den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt habe, indem er Fehler beim Ablauf des Auswahlverfahrens zu ihren Lasten korrigiert habe (Urteil des Gerichts vom 24. April 2001 in der Rechtssache T159/98, Torre u. a./Kommission, Slg. ÖD 2001, IA-83 und II395, Randnr. 46).

50. Hilfsweise trägt die Klägerin vor, selbst wenn die Annullierung der in Rede stehenden Frage erforderlich gewesen sein sollte, verlange es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Annullierung keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem Erfolg oder Misserfolg eines Bewerbers bei sämtlichen Vorauswahltests zusammen haben dürfe. Um einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Allgemeininteresse, ein objektives Einstellungsverfahren zu gewährleisten, und der Intensität der Nachteile für einige Bewerber aufgrund der fraglichen Annullierung herzustellen, hätte der Prüfungsausschuss die Punktezahl von 9,744, die die Klägerin im Test c erzielt habe, auf 10 aufrunden müssen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung wäre gewahrt worden, wenn alle Teilnehmer des Auswahlverfahrens, die in gleicher Weise wie die Klägerin von der Annullierung betroffen gewesen seien, in entsprechender Weise heraufgestuft worden wären.

51. Die Kommission bestreitet das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

- Würdigung durch das Gericht

52. Nach ständiger Rechtsprechung gehört der in Artikel 5 Absatz 3 EG niedergelegte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts. Nach diesem Grundsatz hängt die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme eines Gemeinschaftsorgans davon ab, dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende ergriffen wird; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I4023, Randnr. 13, Urteil des Gerichts O'Dwyer u. a./Rat, Randnr. 107, und vom 11. September 2002 in der Rechtssache T13/99, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 2002, II3305, Randnr. 413).

53. Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung verfügt der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren über ein weites Ermessen hinsichtlich der Modalitäten und des genauen Inhalts der im Rahmen des Auswahlverfahrens vorgesehenen Prüfungen. Dieses weite Ermessen ist in den gleichen Grenzen dem Prüfungsausschuss eines Auswahlverfahrens zuzuerkennen, wenn er sich, wie im vorliegenden Fall, Unregelmäßigkeiten oder Fehlern gegenübersieht, die beim Ablauf eines allgemeinen Auswahlverfahrens mit großer Teilnehmerzahl aufgetreten sind und die nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht durch eine Wiederholung der Prüfungen des Auswahlverfahrens behoben werden können (Urteile Gerochristos/Kommission, Randnr. 25, und Giulietti u. a./Kommission, Randnr. 58).

54. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass nur die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, die der Prüfungsausschuss erlässt, um diesen Unregelmäßigkeiten oder Fehlern abzuhelfen, deren Rechtmäßigkeit beeinträchtigen könnte. Dazu ist festzustellen, dass die von der Klägerin vorgebrachten Argumente nicht den Schluss zulassen können, dass dies hier der Fall ist.

55. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Annullierung der in Rede stehenden Frage über das hinausging, was im vorliegenden Fall erforderlich war. Die Entscheidung, die in Rede stehende Frage zu annullieren, kann nämlich nicht als belastender angesehen werden als die von der Klägerin vorgeschlagene Alternative, alle Antworten auf diese Frage heraufzustufen, denn in beiden Fällen würden nur die Bewerber, die in den vier Vorauswahltests die Mindestpunktzahl erreicht haben und zu den 100 besten Bewerbern zählen, zur zweiten Phase des Auswahlverfahrens zugelassen.

56. Wie die Kommission zutreffend vorträgt, würde es die von der Klägerin vorgeschlagene Alternative, alle Antworten auf die betreffende Frage heraufzustufen, darüber hinaus nicht erlauben, die Bewerber auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Leistung im Test c zu beurteilen. Ein Auswahlverfahren soll es nämlich zu überprüfen ermöglichen, ob die Bewerber den in Artikel 27 des Statuts festgelegten Anforderungen für den Eintritt in den europäischen öffentlichen Dienst genügen. Eine solche Überprüfung kann nur auf tatsächlich gegebene Antworten und nicht auf fiktive Antworten gestützt werden.

57. Zu dem Vorbringen, dass die zur Korrektur der Unregelmäßigkeiten beim Ablauf des Auswahlverfahrens getroffene Maßnahme auch gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoße, ist festzustellen, dass die zur Begründung dafür vorgetragenen Argumente vollständig mit denen zusammenfallen, die zur Begründung des Klagegrundes eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgebracht worden sind.

58. Darüber hinaus kann dem Hilfsvorbringen der Klägerin nicht gefolgt werden, wonach die Annullierung der in Rede stehenden Frage, selbst wenn sie erforderlich sein sollte, keinen ursächlichen Zusammenhang mit dem Erfolg der Klägerin bei sämtlichen Vorauswahltests zusammen haben dürfe und der Prüfungsausschuss daher ihr Ergebnis im Test c von 9,744 Punkten auf 10 hätte aufrunden müssen. Wie die Kommission zutreffend ausführt, beruht die Behauptung der Klägerin, dass die Annullierung der in Rede stehenden Frage ursächlich für ihr Scheitern im Test c gewesen sei, auf der Annahme, dass sie auf diese Frage richtig geantwortet habe. Da diese Frage jedoch annulliert wurde, kann dieser Behauptung nicht gefolgt werden.

59. Schließlich hat die Kommission zu Recht vorgetragen, dass eine derartige Maßnahme nicht die tatsächlich von der Klägerin erbrachte Leistung wiedergeben würde und daher auch mit dem Sinn und Zweck eines Auswahlverfahrens unvereinbar sei. Im Übrigen wäre sie mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbar, weil sie eine objektive Entscheidung, die gegenüber allen Bewerbern ergangen ist, durch eine mit der Situation einiger Bewerber begründete AdhocEntscheidung ersetze.

60. Aus allem Vorstehenden ergibt sich, dass der erste Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen ist.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Ausschreibung

61. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Frage 3 des Tests c zu annullieren, zu einer Veränderung der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens festgelegten Bewertungsgrundlage führe. Die Chancen, den Test zu bestehen, verschlechterten sich nämlich, da nun mehr als 50 % aller Fragen, nämlich 20 von 39, richtig zu beantworten seien. Die Neuverteilung der Punkte könne diesen Nachteil nicht ausgleichen. Entgegen der Ansicht der Kommission habe diese Maßnahme somit zu einer zusätzlichen Selektion der Bewerberinnen und Bewerber geführt.

62. Die Kommission erwidert, dass die Ausschreibung die Mindestpunktzahl für das Bestehen des Tests c auf 10 und die Hoechstpunktzahl auf 20 festsetze. Dagegen setze sie nicht die Anzahl der Fragen für den Test c, deren Benotung oder eine für das Bestehen dieses Tests erforderliche Mindestanzahl richtiger Antworten fest. Somit komme es nicht darauf an, welchen Anteil an richtigen Antworten man hätte haben müssen, um die erforderliche Mindestpunktzahl zu erreichen, ebenso wenig wie es im Fall des Bestehens darauf angekommen wäre, welchen Punkteanteil man hätte haben müssen, um die Mindestpunktzahl zu überschreiten.

63. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfungsausschuss zwar bei der Festlegung der Bedingungen eines Auswahlverfahrens über ein weites Ermessen verfügt, jedoch an den Text der Ausschreibung, wie er veröffentlicht wurde, gebunden ist (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Februar 1982 in der Rechtssache 67/81, Ruske/Kommission, Slg. 1982, 661, Randnr. 9, und Urteil vom 5. März 2003 in der Rechtssache T24/01, Staelen/Parlament, Slg. ÖD 2003, IA79 und II423, Randnr. 47). Der Wortlaut der Ausschreibung stellt sowohl den Rahmen der Rechtmäßigkeit als auch den Rahmen für das Ermessen des Prüfungsausschusses dar (Urteile des Gerichts vom 16. April 1997 in der Rechtssache T80/96, Fernandes Leite Mateus/Rat, Slg. ÖD 1997, IA-87 und II259, Randnr. 27, und Staelen/Parlament, Randnr. 47).

64. Im vorliegenden Fall sah die Ausschreibung in ihrem Punkt V für den Test c vor, dass die Bewertungsskala von 0 bis 20 Punkte reicht und dass jede Punktzahl unter 10 zum Ausschluss führt. Somit war jeder Test ausschließend, wenn der Bewerber die Mindestpunktzahl nicht erreicht hatte. Diese Bewertungsparameter wurden ihrem Wesen nach durch die Annullierung der in Rede stehenden Frage nicht berührt.

65. Insoweit ist festzustellen, dass die in der Ausschreibung vorgesehene Hoechstpunktzahl von 20 Punkten nach der Annullierung der Frage 3 des Tests c nicht geändert wurde. Denn der Wert jeder verbleibenden Frage wurde durch Division der in der Ausschreibung angegebenen Punktesumme durch die Anzahl der verbleibenden Fragen errechnet.

66. Sodann kann auch dem Vorbringen nicht gefolgt werden, dass dadurch gegen die Ausschreibung verstoßen worden sei, dass nun mehr als 50 % der Fragen, nämlich 20 von 39, richtig zu beantworten gewesen seien. Denn wie die Kommission zutreffend ausführt, setzt die Ausschreibung die für das Bestehen des Tests c erforderliche Mindestpunktzahl auf 10 und die Hoechstpunktzahl auf 20 Punkte fest. Dagegen setzt sie nicht die Anzahl der Fragen des Tests c, deren Benotung oder eine für das Bestehen dieses Tests erforderliche Mindestzahl richtiger Antworten fest. Demnach hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Annullierung der betreffenden Frage zu einer Veränderung der in der Ausschreibung festgelegten Bewertungskriterien für diesen Test geführt hat.

67. Aus allem Vorstehenden folgt, dass dieser Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen ist.

68. Nach alledem ist die Klage teilweise als unzulässig und im Übrigen als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

69. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit sie die Aufhebung der Entscheidung vom 19. Juli 2002 betrifft.

2. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen, soweit sie die Aufhebung der Entscheidung vom 4. Juni 2002 betrifft.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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