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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 18.06.1992
Aktenzeichen: T-49/91
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 7
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Das Rechtsschutzinteresse muß zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen. Daher ist die Anfechtungsklage eines Beamten gegen eine Entscheidung der Verwaltung, die zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage zurückgenommen worden war, unzulässig. Der Umstand, daß diese Entscheidung unter dem Vorbehalt einer Überprüfung zurückgenommen wurde, die letztlich dazu führen kann, daß die Verwaltung erneut dieselbe Entscheidung trifft, kann dem Betroffenen kein gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse für ein Vorgehen gegen die zurückgenommene Maßnahme verschaffen.

2. Die Gemeinschaftsorgane verfügen bei der Organisation ihrer Dienststellen entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben und bei der Verwendung des ihnen zur Verfügung stehenden Personals für diese Aufgaben über ein weites Ermessen, vorausgesetzt jedoch, daß diese Verwendung im dienstlichen Interesse geschieht und die Gleichwertigkeit der Dienstposten berücksichtigt wird.

Ein solcher Ermessensspielraum ist unerläßlich, um eine leistungsfähige Arbeitsorganisation zu erreichen und diese wechselnden Erfordernissen anpassen zu können.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 18. JUNI 1992. - MARIETTE TURNER GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - MASSNAHME ZUR NEUORGANISATION EINER ABTEILUNG. - RECHTSSACHE T-49/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist Beamtin der Besoldungsgruppe A 4 bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Sie übte das Amt einer "Vertrauensärztin" im Referat "Kranken- und Unfallversicherung" (Referat IX.DO.5) aus. Zusammen mit einem weiteren Arzt, Dr. S., der auf der Grundlage eines erneuerbaren Vertrags beschäftigt war und halbtags arbeitete, trug sie die Verantwortung für den Bereich "Vertrauensärzte". Im September 1989 erhielt das Referat einen neuen Leiter, Herrn C.

2 Am 23. August 1990 fand eine Sitzung statt, an der der Leiter des Referats, die Klägerin, Dr. S. sowie mehrere A- und B-Beamte des Referats teilnahmen. Im Protokoll dieser Sitzung, das die Unterschrift sämtlicher Teilnehmer trägt, heisst es:

"In der vorangegangenen Sitzung, die im Juli stattfand, wurde vereinbart, die beiden Sekretärinnen im Bereich der Vertrauensärzte auszuwechseln, um die optimale Funktionsfähigkeit dieses Bereichs sicherzustellen. Diese Entscheidung wurde in der Sitzung vom 23. August bestätigt.

Die Durchführung dieser Entscheidung bringt folgende Änderungen mit sich:

1) Frau R. wird aus dienstlichen Gründen mit Wirkung vom 3. September zum Bereich Berufsunfälle und -krankheiten versetzt und durch Frau Da. ersetzt, bis deren Hilfskraftvertrag abläuft. Zu diesem Zeitpunkt (15.1.1991) wird die 'Hilfskraftstelle' den Zusagen der DG IX zufolge in eine Beamtenstelle (ex-Elfert) umgewandelt; der Bereich der Vertrauensärzte und Herr C. werden gemeinsam einen geeigneten Ersatz suchen.

2) Da Frau A. mehrfach den Wunsch geäussert hat, das Referat zu verlassen, wird sie der Dienststelle 'Post' zugewiesen, bis eine Stelle ausserhalb der Krankenkasse zur Verfügung steht; damit wird ihrem Herrn C. gegenüber geäusserten Wunsch entsprochen. Sie wird die Verantwortung für die Post übernehmen. Sie wird durch Frau Du. ersetzt, die gegenwärtig als Sachbearbeiterin in der Abrechnungsstelle tätig ist. Diese Versetzungen erfolgen mit Wirkung zum 1. Oktober; während des auf diese Veränderung folgenden Monats wird Frau A. Frau Du. über die zwischen Dr. Turner und Herrn M. vereinbarten Bedingungen unterrichten. Für den Fall, daß Dr. Turner mit der Arbeit von Frau Du. nach Ablauf von sechs Monaten nicht zufrieden ist, wird vereinbart, daß die Abrechnungsstelle sie gerne wieder als Sachbearbeiterin übernimmt.

Herr C. wird ein Schreiben an Frau R. erstellen, um ihr zu erläutern, daß die Verantwortlichen der Krankenkasse nach Abwägung des Für und Wider der beiden am 22. August erörterten Möglichkeiten beschlossen haben, daß es erforderlich ist, sie zum Bereich Unfälle zu versetzen."

3 Mit Schreiben von Anfang September 1990 und vom 25. September 1990 teilte der Referatsleiter Frau R. und Frau A. seine Entscheidungen mit, sie neu zuzuweisen.

4 Die Betroffenen ließen den Referatsleiter mit Schreiben vom 13. September und 4. Oktober 1990 wissen, daß sie diese Entscheidungen bedauerten. Frau R. sah einen Zusammenhang zwischen dieser Entscheidung über die Neuzuweisung und dem Umstand, daß sie seit dem 18. Mai 1990 - bis Mitte November - aufgrund eines Krankenhausaufenthalts und der Genesungszeit abwesend war.

5 Am 28. September 1990 wurde Frau Du., die Sekretärin, Stenotypistin und Sachbearbeiterin des Referats, dem Sekretariat des Bereichs "Vertrauensärzte" zugewiesen. Anfang Oktober 1990 wurde die Hilfskraft Frau Da. bis zur Einstellung einer beamteten Sekretärin ebenfalls diesem Bereich zugewiesen.

6 Mit Schreiben vom 9. Oktober 1990 teilte die Klägerin dem Referatsleiter mit, sie bedauere die Versetzung von Frau A., die auf eine von ihm getroffene Entscheidung zurückzuführen sei. Sie fügte hinzu, daß ihr "die getroffenen Entscheidungen nicht im dienstlichen Interesse zu liegen scheinen".

7 Mit mehreren Schreiben vom 17. Oktober, 26. Oktober und 21. November 1990 machte die Klägerin ihre Vorgesetzten auf die die Funktionsfähigkeit der Dienststelle beeinträchtigenden Mängel aufmerksam, die auf deren Reorganisation zurückzuführen seien.

8 Am 23. November 1990 legte die Klägerin gegen die Entscheidung über die Reorganisation des Bereichs "Vertrauensärzte" vom 23. August 1990 und die nachfolgenden Entscheidungen, d. h. die Versetzungen von Frau A. und Frau R., Beschwerde ein.

9 Im Laufe des Monats Dezember 1990 setzte die Klägerin ihren Schriftwechsel mit dem Referatsleiter über die Mängel ihres Sekretariats fort. Mit Schreiben vom 7. Dezember 1990 wies sie den Referatsleiter darauf hin, daß Frau A. nach ihrem Krankheitsurlaub bereit sei, erneut im Bereich "Vertrauensärzte" zu arbeiten. Mit Wirkung vom 1. Januar 1991 wurde als Ersatz für Frau Da. eine neue Hilfskraft, Frau P., eingestellt.

10 Mit Schreiben vom 21. Januar 1991 unterrichtete der Referatsleiter die Klägerin von seinen Entscheidungen, Frau A. mit Wirkung vom 15. Februar 1991 zum Sekretariat der Klägerin zu versetzen, Frau Du. zur Abrechnungsstelle zu versetzen und zur Wahrnehmung des ärztlichen Sekretariats neben Frau A. eine "ständige" Hilfskraft zu benennen. Er behielt sich vor, in den folgenden achtzehn Monaten eine Neubewertung der Leistungen von Frau A. vorzunehmen und sie gegebenenfalls erneut zu einer anderen Dienststelle zu versetzen, "wenn es keine spürbaren Fortschritte gibt". Diese Entscheidungen wurden den Betroffenen am 28. Januar 1991 bekanntgegeben.

11 Ende März 1991 lief der Hilfskraftvertrag von Frau P. aus und wurde nicht erneuert. Ab dem 1. August 1991 wurde sie durch eine andere Hilfskraft, Frau E., ersetzt.

12 Zwischen dem 5. März und dem 15. April 1991 richtete die Klägerin an den Referatsleiter mehrere Schreiben, in denen sie sich über den Zustand ihres Sekretariats beklagte und vorschlug, Frau P., die ein Auswahlverfahren bestanden habe, endgültig einzustellen.

13 Mit Schreiben vom 25. April 1991 teilte der Referatsleiter mit, daß er die Ernennung von Frau P. nicht grundsätzlich ablehne, daß diese Ernennung aber nur bei Freiwerden einer speziellen Planstelle und nur in der von der GD IX aufgestellten Reihenfolge erfolgen könne.

14 Am 26. April 1991 beschwerte sich die Klägerin beim Referatsleiter darüber, daß etwa zehn Krankenakten ohne ihr Wissen zu dem Zweck zum Bereich "Unfälle" gebracht worden seien, dort bestimmte ärztliche Unterlagen zu fotokopieren; dies stelle eine krasse Verletzung des ärztlichen Berufsgeheimnisses dar, die auf die in ihrem Bereich bestehenden Schwierigkeiten im Sekretariat zurückzuführen sei.

15 Nachdem ihre Beschwerde nicht beantwortet wurde, forderte die Klägerin den Generaldirektor der GD IX mit Schreiben ihres Anwalts vom 5. Juni 1991 auf, ihr so schnell wie möglich zu antworten. Sie erhielt keine Antwort.

Verfahren

16 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 21. Juni 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

18 Die mündliche Verhandlung hat am 4. Juni 1992 stattgefunden. Die Parteivertreter haben zur Sache verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

19 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

- infolgedessen die Entscheidung vom 23. August 1990, in der die Reorganisation des Bereichs "Vertrauensärzte" festgelegt wurde, aufzuheben;

- der Beklagten sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

- die Klage für unzulässig oder zumindest für unbegründet zu erklären;

- die Klägerin zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

Zum Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung

20 Bei der Beurteilung der vorliegenden Klage, die auf die Aufhebung der Entscheidung vom 23. August 1990 über die Reorganisation des Bereichs "Vertrauensärzte" gerichtet ist, sind die beiden Maßnahmen, die Gegenstand dieser Entscheidung sind, nämlich zum einen die Versetzung von Frau A. und zum anderen die Versetzung von Frau R., getrennt zu prüfen.

Zum ersten Gegenstand der angefochtenen Entscheidung

21 Die Kommission erhebt gegen die Klage, soweit sie die Versetzung von Frau A. betrifft, die Einrede der Unzulässigkeit. Sie macht geltend, im Anschluß an die von der Klägerin eingelegte Beschwerde sei die angefochtene Entscheidung teilweise zurückgenommen und Frau A. ihre frühere Tätigkeit bei der Klägerin wieder übertragen worden. Die Entscheidung sei daher in diesem Punkt nicht mehr anfechtbar, da ein Beamter, "der darauf beharrt, gegen eine Maßnahme, die in der Zwischenzeit von der Verwaltung zurückgenommen wurde, weiter vorzugehen", kein Rechtsschutzinteresse besitze (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 124/78, List/Kommission, Slg. 1979, 2499).

22 Die Tatsache, daß die Wiederverwendung von Frau A. in der Dienststelle der Klägerin nur unter dem Vorbehalt einer erneuten Überprüfung nach Ablauf von achtzehn Monaten beschlossen worden sei, habe keinen Einfluß auf die Zulässigkeit der Klage, da sie die Situation von Frau A. betreffe. Wenn Frau A. nämlich zu diesem Zeitpunkt erneut versetzt werden sollte, könne allein gegen die dann zu treffende Entscheidung gegebenenfalls Klage erhoben werden.

23 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Wiederverwendung von Frau A. vom Referatsleiter nur unter der folgenden Bedingung beschlossen worden sei:

"Nach einem angemessenen Zeitraum, der etwa achtzehn Monate betragen sollte, werde ich unter Mitwirkung vor allem des Leiters der betreffenden Abrechnungsstelle eine Bestandsaufnahme vornehmen, um zu überprüfen, ob Frau A. in der Lage war, den Bereich zu modernisieren, und ob ihr Verhältnis zur Abrechnungsstelle zufriedenstellend ist. Ich behalte mir das Recht vor, Frau A. erneut zu versetzen, wenn es keine spürbaren Fortschritte gibt."

Die an die Wiederverwendung geknüpften Bedingungen zeigten, daß die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt nicht zurückgenommen worden sei.

24 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1962 in den verbundenen Rechtssachen 5/62 bis 11/62 und 13/62 bis 15/62, Società industriale Acciaierie San Michele u. a./Hohe Behörde, Slg. 1962, 919, 941, und vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 124/78, a. a. O., Randnr. 7, sowie Urteil des Gerichts vom 25. September 1991 in der Rechtssache T-54/90, Lacroix/Kommission, Slg. 1991, II-749, Randnr. 38), die die Klägerin laut ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht in Frage stellt, muß das Rechtsschutzinteresse zum Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen.

25 Im vorliegenden Fall war die Entscheidung über die Versetzung von Frau A. jedoch zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 21. Juni 1991 zurückgenommen worden. Frau A. wurde nämlich durch Entscheidung vom 21. Januar 1991 mit Wirkung zum 15. Februar 1991 unter dem Vorbehalt einer Neubeurteilung ihrer Leistungen nach Ablauf von etwa achtzehn Monaten wieder dem Sekretariat der Klägerin zugewiesen.

26 Folglich ist die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, soweit sie die Versetzung von Frau A. betrifft. Daß diese Versetzung unter dem Vorbehalt einer Überprüfung nach achtzehn Monaten zurückgenommen wurde, ist ohne Bedeutung. Dieser Umstand kann der Klägerin nämlich kein gegenwärtiges Rechtsschutzinteresse verschaffen, da er sie selbst nicht beschwert. Sie könnte allenfalls, wenn die Überprüfung letztlich zu einer erneuten Versetzung von Frau A. führen sollte, diese Versetzung anfechten.

Zum zweiten Gegenstand der angefochtenen Entscheidung

27 Die Klägerin macht geltend, jede allgemeine Entscheidung der Verwaltung wie eine Entscheidung über die Reorganisation einer Dienststelle müsse im allgemeinen Interesse liegen. Die angefochtene Entscheidung vom 23. August 1990 zur Reorganisation des Bereichs "Vertrauensärzte" stütze sich jedoch auf keine ernsthafte und objektive Prüfung und sei auf der Ebene des Sekretariats durch katastrophale Maßnahmen umgesetzt worden.

28 Es liege nicht im Interesse der Dienststelle, in einem so heiklen Bereich wie dem medizinischen zwei erfahrene beamtete ärztliche Sekretärinnen durch nicht qualifizierte und unerfahrene Personen zu ersetzen. Unerfahrene Sekretärinnen liefen Gefahr, das ärztliche Berufsgeheimnis zu verletzen, da sie sich ihrer Verantwortung nicht bewusst seien. Einige Monate nach der Fassung des Beschlusses, Frau A. von Amts wegen aus dem Sekretariat des Bereichs "Vertrauensärzte" zu versetzen, sei beschlossen worden, sie dorthin zurückkehren zu lassen, ohne daß in bezug auf Frau R., die andere versetzte Sekretärin, eine befriedigende Lösung gefunden worden sei.

29 Es werde nirgends auf eine von der Kommission getroffene allgemeine "Mobilitätsentscheidung" Bezug genommen, in der der Rahmen für die Umgestaltung des Sekretariats des Bereichs "Vertrauensärzte" festgelegt worden sei. Da die angefochtene Entscheidung weder im allgemeinen noch im dienstlichen Interesse liege und sich nicht in einem zuvor festgelegten Mobilitätsrahmen bewege, könne sich die Kommission zur Begründung dieser Entscheidung nicht auf das dienstliche Interesse berufen.

30 Überdies habe sich die Kommission durch ihre Handlungsweise einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung schuldig gemacht. Die Kontinuität der Dienststelle - ein wesentliches Element ihres reibungslosen Funktionierens - habe nicht gewährleistet werden können. Die Klägerin sei auf diese Weise mit unvorhersehbaren Schwierigkeiten konfrontiert worden und habe Tätigkeiten übernehmen müssen, die ihrem Amt als Vertrauensärztin nicht entsprächen.

31 Die Kommission erhebt zunächst mehrere Einreden der Unzulässigkeit und trägt dann vor, daß es nach ständiger Rechtsprechung Sache des Organs sei, die interne Organisation seiner Dienststellen festzulegen, und daß es hierbei über ein "weites Ermessen" verfüge (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1970 in der Rechtssache 5/70, Prelle/Kommission, Slg. 1970, 1075; vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 14/79, Löbisch/Rat, Slg. 1979, 3679; vom 16. Juni 1971 in der Rechtssache 61/70, Vistosi/Kommission, Slg. 1971, 535; Urteile des Gerichts vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache T-108/89, Scheuer/Kommission, Slg. 1990, II-411, und vom 23. Oktober 1990 in der Rechtssache T-46/89, Pitrone/Kommission, Slg. 1990, II-577). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die Kommission durch die Auswechslung ihrer beiden Sekretärinnen dieses Ermessen mißbraucht habe.

32 Sie folgert daraus, daß die Klage offensichtlich unbegründet sei.

33 Die Klage ist, soweit sie den zweiten Gegenstand der angefochtenen Entscheidung betrifft, für unbegründet zu erklären, ohne daß die von der Kommission erhobenen Einreden der Unzulässigkeit geprüft zu werden brauchen.

34 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, verfügen die Organe der Gemeinschaften nach ständiger Rechtsprechung bei der Organisation ihrer Dienststellen entsprechend den ihnen übertragenen Aufgaben und bei der Verwendung des ihnen zur Verfügung stehenden Personals für diese Aufgaben über ein weites Ermessen, vorausgesetzt jedoch, daß diese Verwendung im dienstlichen Interesse geschieht und die Gleichwertigkeit der Dienstposten berücksichtigt wird (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 23. März 1988 in der Rechtssache 19/87, Hecq/Kommission, Slg. 1988, 1681, vom 21. Juni 1984 in der Rechtssache 69/83, Lux/Rechnungshof, Slg. 1984, 2447, vom 14. Juli 1983 in der Rechtssache 176/82, Nebe/Kommission, Slg. 1983, 2475, vom 21. Mai 1981 in der Rechtssache 60/80, Kindermann/Kommission, Slg. 1981, 1329, und vom 16. Juni 1971 in der Rechtssache 61/70, a. a. O.). Ein solcher Ermessensspielraum ist unerläßlich, um eine leistungsfähige Arbeitsorganisation zu erreichen und diese wechselnden Erfordernissen anpassen zu können (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 124/78, a. a. O., und Urteil des Gerichts vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache T-108/89, a. a. O., Randnr. 37).

35 Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sie bestreite nicht, daß ihr Dienstposten auch nach der Reorganisation des Bereichs "Vertrauensärzte" ihrer Besoldungsgruppe entspreche, geht ihre Argumentation im wesentlichen dahin, daß die Kommission durch die Vornahme der angefochtenen Versetzung gegen die ihr obliegende Verpflichtung verstossen habe, der Klägerin Arbeitsbedingungen zu verschaffen, die für die Erfuellung der ihr von der Kommission übertragenen Aufgaben angemessen seien, eine Verpflichtung, die aus dem Statut, insbesondere aus Artikel 7, und den Grundsätzen, auf denen es beruhe, folge (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache T-108/89, a. a. O., Randnr. 31).

36 Als im vorliegenden Fall am 23. August 1990 die Entscheidung über die Versetzung von Frau R. getroffen wurde, war diese wegen Krankheit seit mehr als drei Monaten abwesend. Wie die Klägerin in ihren Schreiben und in der mündlichen Verhandlung mehrfach betont hat, war es jedoch im dienstlichen Interesse und zur Erfuellung der den Vertrauensärzten von der Kommission übertragenen Aufgaben erforderlich, daß diese über ein sachkundiges, verschwiegenes und zuverlässiges Sekretariat verfügen, da ihre Arbeit zum grossen Teil auf ihrem Sekretariat lastet, das den kranken Beamten ständig zur Verfügung stehen muß.

37 Unter diesen Umständen kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, daß die Versetzung einer Beamtin, die zum Zeitpunkt ihrer Versetzung seit mehr als drei Monaten abwesend war und deren Abwesenheit noch fast drei weitere Monate andauerte, von einer Dienststelle, in der eine ständige und zuverlässige Anwesenheit erforderlich ist, zu einer anderen Dienststelle gegen das dienstliche Interesse und den Grundsatz ordnungsgemässer Verwaltung verstösst.

38 Im übrigen mag es zwar beklagenswert sein, daß es im Sekretariat des Bereichs "Vertrauensärzte" zu einer hohen Fluktuation der Sekretärinnen gekommen ist. Diese Fluktuation ist jedoch nicht das Resultat der angefochtenen Entscheidung vom 23. August 1990, sondern einer Reihe späterer Entscheidungen, die nicht Gegenstand der vorliegenden Klage sind.

39 Darüber hinaus kann jedenfalls noch festgestellt werden, daß die Klägerin durch die vorbehaltlose Unterzeichnung des Protokolls der Sitzung vom 23. August 1990 - das keinen Anhaltspunkt dafür enthält, daß sie im Laufe dieser Sitzung darauf hingewiesen hätte, daß diese Entscheidung es nicht ermöglichen würde, für den Bereich "Vertrauensärzte" die "optimale Funktionsfähigkeit sicherzustellen" - zumindest zu dem Zeitpunkt, als diese Entscheidung getroffen wurde, davon ausgegangen ist, daß sie im dienstlichen Interesse liegt, auch wenn sich nicht sagen lässt, daß sie dieser Entscheidung damit in unmißverständlicher Weise zugestimmt hat.

40 Somit ist die Klage abzuweisen, soweit sie den zweiten Gegenstand der angefochtenen Entscheidung betrifft.

41 Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne daß über die Frage zu entscheiden wäre, ob die Maßnahme, gegen die die Klage gerichtet ist, die Klägerin beschwert.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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