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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 24.09.1996
Aktenzeichen: T-491/93
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen der Abwicklung eines Darlehens der Gemeinschaft für die Sowjetunion und ihre Republiken, das diesen die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs ermöglichen soll, ist ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wurde, von einer an den Finanzmakler der das Darlehen empfangenden Republik gerichteten Entscheidung, mit der es abgelehnt wird, die Vereinbarkeit der Zusätze zu den zwischen dem Unternehmen, an das der Auftrag vergeben wurde, und dem Bevollmächtigten der das Darlehen empfangenden Republik für diesen Zweck geschlossenen Verträgen mit den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuerkennen, nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen, da das Unternehmen, an das der Auftrag vergeben wurde, rechtliche Beziehungen nur zu seinem Vertragspartner, nämlich dem für den Abschluß der Kaufverträge Bevollmächtigten, unterhält, die Kommission rechtliche Beziehungen nur mit ihrem Vertragspartner, nämlich dem Finanzmakler der das Darlehen empfangenden Republik, unterhält und das Handeln der Kommission, der nur die Rolle zugewiesen ist, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, daher nicht die Rechtsgültigkeit der erwähnten Verträge berührt.

Daher ist die gegen die erwähnte Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage des Unternehmens, an das ein Auftrag vergeben wurde, unzulässig.

2. Die Schadensersatzklage nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages ist als ein selbständiger Rechtsbehelf mit Eigenfunktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen worden, so daß grundsätzlich die Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nicht zur Unzulässigkeit einer Klage auf Ersatz eines angeblich durch die Handlung, deren Nichtigerklärung beantragt wird, entstandenen Schadens führen kann. Anders ist es jedoch, wenn mit der Schadensersatzklage in Wirklichkeit die Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung begehrt wird und sie somit einen Verfahrensmißbrauch darstellt. Die Beweislast für einen solchen Verfahrensmißbrauch obliegt der Partei, die sich darauf beruft.

Dieser Obliegenheit wird nicht mit einer Einrede der Unzulässigkeit nachgekommen, die sich auf den Vortrag beschränkt, daß der Kläger mit seiner Schadensersatzklage nur den gleichen Preis zu erzielen suche, wie er ihn erhalten hätte, wenn die Kommission im Rahmen der Abwicklung eines von der Gemeinschaft gewährten Darlehens Zusätze zu einem vom Kläger geschlossenen Handelsvertrag als konform mit den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften anerkannt hätte. Da sich zum anderen nicht ausschließen lässt, daß durch Handlungen oder durch das Verhalten der Kommission, ihrer Dienststellen oder einzelner Beamter Dritte geschädigt werden, muß, wer immer glaubt, durch solche Handlungen einen Schaden erlitten zu haben, Schadensersatzklage erheben können, sofern er das Vorliegen eines durch ein rechtswidriges der Gemeinschaft zurechenbares Handeln oder Verhalten verursachten Schadens darlegt. Daher ist eine Klage auf Ersatz des dem Kläger angeblich durch die Entscheidung der Kommission, die Vereinbarkeit von Zusätzen zum Vertrag mit den genannten Bestimmungen nicht anzuerkennen, entstandenen materiellen Schadens für zulässig zu erklären.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 24. September 1996. - Richco Commodities Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nothilfe der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion - Ausschreibung - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Schadenersatzklage - Zulässigkeit. - Rechtssache T-491/93.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nachdem der Rat festgestellt hatte, daß es erforderlich sei, der Sowjetunion und ihren Republiken Nahrungsmittelhilfe und medizinische Hilfe zu gewähren, erließ er am 16. Dezember 1991 den Beschluß 91/658/EWG über ein mittelfristiges Darlehen für die Sowjetunion und ihre Republiken (ABl. L 362, S. 89), in dem folgendes bestimmt ist:

"Artikel 1

(1) Die Gemeinschaft gewährt der UdSSR und deren Republiken ein mittelfristiges Darlehen über einen Kapitalbetrag von höchstens 1 250 Millionen ECU in drei aufeinanderfolgenden Tranchen mit einer Hoechstlaufzeit von drei Jahren, um die Einfuhr von Agrarerzeugnissen und Nahrungsmitteln sowie Waren des medizinischen Bedarfs... zu ermöglichen.

...

Artikel 2

Für die Zwecke des Artikels 1 wird die Kommission ermächtigt, im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die erforderlichen Gelder aufzunehmen, die der UdSSR und deren Republiken in Form eines Darlehens zur Verfügung gestellt werden.

Artikel 3

Das Darlehen nach Artikel 2 wird von der Kommission verwaltet.

Artikel 4

(1) Die Kommission wird ermächtigt, in Abstimmung mit den Behörden der UdSSR und ihrer Republiken... die wirtschaftlichen und finanziellen Bedingungen des Darlehens, die Regeln für die Bereitstellung der Gelder und die erforderlichen Garantien für die Darlehenstilgung aufzustellen.

...

(3) Die Einfuhr der Erzeugnisse, die durch das Darlehen finanziert wird, erfolgt zu Weltmarktpreisen. Der freie Wettbewerb muß für den Kauf und die Lieferung der Erzeugnisse gewährleistet sein, die den international anerkannten Qualitätsnormen entsprechen müssen."

2 Am 9. Juli 1992 erließ die Kommission die Verordnung (EWG) Nr. 1897/92 mit den Modalitäten für die Abwicklung eines mittelfristigen Darlehens für die Sowjetunion und ihre Republiken aufgrund des Beschlusses 91/658/EWG des Rates (ABl. L 191, S. 22), in der folgendes bestimmt ist:

"Artikel 2

Die Darlehen werden auf der Grundlage von Abkommen zwischen den Republiken und der Kommission gewährt, die als Bedingungen für die Auszahlung der Darlehen die in Artikel 3 bis 7 festgelegten Bestimmungen enthalten.

...

Artikel 4

(1) Die Darlehen dienen nur zur Finanzierung von Käufen und Lieferungen im Rahmen von Verträgen, vorausgesetzt die Kommission hat anerkannt, daß diese Verträge dem Beschluß 91/658/EWG und den Abkommen gemäß Artikel 2 entsprechen.

(2) Die Republiken oder die von ihnen bezeichneten Finanzmakler legen der Kommission die Verträge zur Anerkennung vor.

Artikel 5

Die Anerkennung gemäß Artikel 4 ist an die Erfuellung insbesondere folgender Bedingungen gebunden:

1. Die Auftragsvergabe erfolgt unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs...

2. Der Vertrag bietet die günstigsten Preisbedingungen, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden."

3 Am 9. Dezember 1992 schlossen die EWG, die Russische Föderation und deren Finanzmakler, die Vnesheconombank (im folgenden: VEB), gemäß der Verordnung Nr. 1897/92 ein "Memorandum of Understanding" (im folgenden: Rahmenvereinbarung), aufgrund dessen die Europäische Gemeinschaft der Russischen Föderation das im Beschluß 91/658 vorgesehene Darlehen gewähren sollte. So war vorgesehen, daß die EWG als Darlehensgeber der VEB als Darlehensnehmer, gesichert durch die Russische Föderation, ein mittelfristiges Darlehen von 349 Millionen ECU als Darlehensbetrag für höchstens drei Jahre gewähren sollte. In der Rahmenvereinbarung heisst es:

"6. Der Darlehensbetrag abzueglich der Provisionen und der der EWG entstandenen Kosten ist dem Darlehensnehmer auszuzahlen und entsprechend den Bestimmungen und Bedingungen des Darlehensvertrages ausschließlich zur Deckung unwiderruflicher Dokumentenakkreditive zu verwenden, die der Darlehensnehmer in der international üblichen Form gemäß Lieferverträgen eröffnet hat, vorbehaltlich der Anerkennung dieser Verträge und Akkreditive durch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften als dem Beschluß des Rates vom 16. Dezember 1991 und der vorliegenden Vereinbarung entsprechend."

Gemäß Nr. 7 der Rahmenvereinbarung war die Anerkennung der Konformität des Vertrages von der Erfuellung bestimmter Voraussetzungen abhängig. Eine dieser Voraussetzungen ging dahin, daß die Lieferanten von den zu diesem Zweck von der Regierung der Russischen Föderation benannten russischen Einrichtungen ausgewählt werden sollten.

4 Am 9. Dezember 1992 schlossen die Kommission und die VEB den in der Verordnung Nr. 1897/92 und der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Darlehensvertrag (im folgenden: Darlehensvertrag). Dieser Vertrag legt genau den Mechanismus der Auszahlung des Darlehens fest. Er sieht eine Möglichkeit vor, auf die im Ziehungszeitraum (15. Januar 1993 bis 15. Juli 1993) zurückgegriffen werden kann und mit der bezweckt ist, die für die Bezahlung von Lieferungen genehmigten Beträge vorzuschießen.

5 Der Auszahlungsmechanismus, der auf den klassischen, im internationalen Handel allgemein anerkannten Regelungen beruht, wird in Teil III des Darlehensvertrags wie folgt beschrieben:

"5. Ziehung

5.1 Verfahren

a) Der Darlehensnehmer unterrichtet den Darlehensgeber von einer angestrebten Auszahlung, indem er einen Genehmigungsantrag... stellt.

b) Hat der Ziehungszeitraum begonnen und ist der Darlehensgeber aufgrund der Angaben im Genehmigungsantrag nach seinem uneingeschränkten Ermessen davon überzeugt, daß der Zweck der angestrebten Auszahlung mit Nr. 3 und der Rahmenvereinbarung übereinstimmt und daß die im Genehmigungsantrag bezeichnete avisierende/bestätigende Bank für ihn akzeptabel ist, stellt er innerhalb angemessener Frist ein im Kern dem als Anhang 3 beigefügten Muster entsprechendes Bestätigungsschreiben aus.

c) Nach dem Empfang eines Bestätigungsschreibens, das sich auf eine angestrebte Auszahlung bezieht, stellt der Darlehensnehmer innerhalb des Auszahlungszeitraums gemäß Nr. 5.3 einen Auszahlungsantrag.

...

5.3 Auszahlung

a) Vorbehaltlich Nr. 5.5 kann ein Auszahlungsbetrag aufgrund eines Auszahlungsantrags, den der Darlehensgeber vom Darlehensnehmer erhalten hat, zur Ziehung nur bereitgestellt werden, wenn diese der Erfuellung einer fälligen Zahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers gegenüber einer anerkannten bestätigenden Bank dienen soll. Alle gestellten Auszahlungsanträge sind unwiderruflich und führen (vorbehaltlich der Nrn. 10 und 12) dazu, daß der Darlehensnehmer den angebenen Betrag am angegebenen Tag schuldet und die Auszahlungsbedingungen anzunehmen hat.

b) Jeder Auszahlungsantrag muß

i) dem als Anhang 4 beigefügten Muster entsprechen;

ii) vom Darlehensnehmer unterzeichnet sein;

iii) zum Inhalt haben, daß die entsprechende Zahlung spätestens am letzten Werktag des Ziehungszeitraums an die anerkannte bestätigende Bank durch Gutschrift des Betrages dieser Zahlung auf das Konto dieser Bank zu leisten ist;

iv) in der Anlage die im Anhang 4 aufgezählten Unterlagen enthalten."

6 Der vorgesehene Mechanismus des unwiderruflichen Akkreditivs stimmt mit den von der Internationalen Handelskammer in Paris ausgearbeiteten "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuchen für Dokumentenakkreditive" überein, die die Gemeinschaft als Standardmuster für Dokumentenakkreditive zum Gebrauch durch die Ausstellerbanken übernommen hat.

7 Am 15. Januar 1993 schloß die Kommission gemäß Artikel 2 des Beschlusses 91/658 als Darlehensgeber im Namen der Gemeinschaft einen Darlehensvertrag mit einem vom Crédit Lyonnais angeführten Bankenkonsortium.

Sachverhalt

8 Die Klägerin, eine internationale Handelsgesellschaft, wurde zusammen mit anderen Unternehmen im Rahmen einer von der Firma Exportkhleb, der von der Russischen Föderation mit den Verhandlungen über den Ankauf von Weizen beauftragten staatlichen Gesellschaft, veranstalteten informellen Ausschreibung angesprochen.

9 Die Klägerin schloß mit Exportkhleb am 28. November 1992 einen Kaufvertrag, mit dem sie sich verpflichtete, eine Menge von 700 000 t Müllereiweizen zum Preis von 140 USD/t cif frei Ostsee-Aussenhafen zu liefern. Nach diesem Vertrag sollte die Ware vor dem 28. Februar 1993 verladen werden.

10 Nach Unterzeichnung des Darlehensvertrages (oben, unter Randnr. 4) beantragte die VEB bei der Kommission die Genehmigung der zwischen Exportkhleb und den Ausfuhrunternehmen geschlossenen Verträge, zu denen der mit der Klägerin geschlossene Vertrag gehörte.

11 Nachdem die Kommission von der Klägerin bestimmte unerläßliche zusätzliche Auskünfte erhalten hatte, die insbesondere den Wechselkurs ECU/USD betrafen, der in dem Vertrag nicht festgesetzt worden war, erteilte sie schließlich am 27. Januar 1993 ihre Genehmigung in Form eines an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens. Die Klägerin trägt vor, durch dieses Bestätigungsschreiben sei der Vertrag jedoch in zwei Punkten geändert worden, nämlich in bezug auf die Dauer der Verladung, die die Kommission einseitig bis zum 31. März 1993 verlängert habe, und in bezug auf den Wechselkurs ECU/USD. Durch den am 28. Januar 1993 unterzeichneten Vertragszusatz Nr. 2 kamen Exportkhleb und die Klägerin schließlich überein, den Wechselkurs anhand des offiziellen Kurses vom 15. Januar 1993 festzusetzen, wodurch sich der Preis auf 115,86 ECU/t erhöhte.

12 Nach dem Vorbringen der Klägerin trat das Dokumentenakkreditiv erst am 22. Februar 1993, eine Woche vor Ablauf des in den Verträgen vorgesehenen Verladezeitraums (28. Februar 1993), in Kraft.

13 Zwar sei ein bedeutender Teil der Ware geliefert oder verladen worden, es habe sich jedoch klar abgezeichnet, daß nicht die gesamte Ware vor dem 28. Februar 1993 würde geliefert werden können.

14 Die Firma Exportkhleb berief am 19. Februar 1993 alle Exporteure zu einer Sitzung in Brüssel ein, die am 22. und 23. Februar 1993 abgehalten wurde. Im Laufe dieser Sitzung verlangte Exportkhleb von den Exporteuren neue Preisangebote für die Lieferung der von ihr so genannten "vorhersehbaren Restmenge", d. h. der Mengen, bei denen vernünftigerweise vorhersehbar war, daß sie nicht vor dem 28. Februar 1993 geliefert würden. Nach dem Vorbringen der Klägerin stieg der Weizenpreis auf dem Weltmarkt von November 1992, dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags, bis zum Februar 1993, dem Zeitpunkt der neuen Verhandlungen, erheblich an.

15 In Verhandlungen, in denen sich die Unternehmen dem niedrigsten Gebot von 155 USD/t anpassen mussten, das nach dem Vorbringen der Klägerin den damaligen Weltmarktpreis widerspiegelte, wurde eine Einigung zwischen Exportkhleb und ihren Vertragspartnern über die Aufteilung der von den einzelnen Unternehmen zu liefernden neuen Mengen erzielt. Der Klägerin wurde ein Zuschlag über 450 000 t Müllereiweizen erteilt, zu liefern im Zeitraum März/April 1993. Nach dem neuen, von den Parteien festgelegten Wechselkurs betrug der vereinbarte Preise 132 ECU.

16 Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde auf Verlangen von Exportkhleb wegen der Dringlichkeit, die sich aus den Schwierigkeiten bei der Nahrungsmittelversorgung in Rußland ergab, beschlossen, diese Änderungen durch einen einfachen Zusatz zum ursprünglichen Vertrag (Zusatz Nr. 3) mit dem Datum des 23. Februar 1993 formell niederzulegen. Bei der Abfassung dieses Zusatzes wurde vereinbart, die zu liefernde Menge Weizen auf 430 200 t zu verringern, um ° so die Klägerin ° zu verhindern, daß der neue Gesamtpreis höher als der ursprünglich vorgesehene Gesamtpreis würde.

17 Am 9. März 1993 teilte die Firma Exportkhleb der Kommission mit, daß der mit der Klägerin geschlossene Vertrag geändert worden sei.

18 Am 12. März 1993 wies der Leiter der Generaldirektion Landwirtschaft (GD VI), Herr Legras, Exportkhleb darauf hin, daß die Kommission, da der Hoechstwert der von Exportkhleb geschlossenen Verträge bereits durch das Bestätigungsschreiben der Kommission festgesetzt worden sei und sämtliche für Weizen verfügbaren Kredite bereits vergeben seien, einem solchen Antrag nur stattgeben könne, wenn der Gesamtwert der Verträge beibehalten würde, was durch eine entsprechende Kürzung der noch zu liefernden Mengen erreicht werden könne. Der Antrag auf Genehmigung der Änderungen könne von der Kommission nur berücksichtigt werden, wenn er von der VEB offiziell gestellt werde.

19 Nach Ansicht der Klägerin wurden diese Informationen als Bestätigung des grundsätzlichen Einverständnisses der Kommission ausgelegt.

20 Die Unterlagen mit den neuen Angeboten und den Vertragsänderungen seien der Kommission von der VEB offiziell am 23. und 26. März 1993 übersandt worden. Die Klägerin führt aus, sie sei am 7. April 1993 durch Exportkhleb von der Weigerung der Kommission unterrichtet worden, die Änderungen des ursprünglich geschlossenen Vertrages zu genehmigen; diese Weigerung sei in einem Schreiben des für Agrarfragen zuständigen Kommissionsmitglieds an die VEB vom 1. April 1993 ausgesprochen worden.

21 Im Kern teilte das Kommissionsmitglied R. Steichen in seinem Schreiben vom 1. April 1993 mit, daß die Kommission nach Prüfung der Änderungen der zwischen Exportkhleb und bestimmten Lieferanten geschlossenen Verträge diejenigen anerkennen könne, die sich auf den Aufschub der Fälligkeit von Lieferung und Zahlung bezögen. Hingegen sei "der Umfang der Preiserhöhungen... so groß, daß wir sie nicht als eine notwendige Anpassung betrachten können, sondern als eine wesentliche Änderung der ursprünglich ausgehandelten Verträge". Er fuhr fort: "Das gegenwärtige Niveau der Preise auf dem Weltmarkt (Ende März 1993) unterscheidet sich nämlich nicht signifikant von demjenigen in dem Zeitpunkt, zu dem die Preise ursprünglich vereinbart wurden (Ende November 1992)." Herr Steichen erinnerte daran, daß die Notwendigkeit, zum einen den freien Wettbewerb zwischen potentiellen Lieferanten und zum anderen möglichst günstige Kaufbedingungen zu gewährleisten, einer der wichtigsten Faktoren für die Genehmigung von Verträgen durch die Kommission sei. Er stellte fest, daß im vorliegenden Fall die Änderungen unmittelbar mit den betroffenen Unternehmen vereinbart worden seien, ohne daß diese dem Wettbewerb mit anderen Lieferanten ausgesetzt worden seien. Sodann schloß er: "Die Kommission kann derart wichtige Änderungen, die durch einfache Zusätze zu den bestehenden Verträgen vorgenommen werden, nicht genehmigen." Er erklärte sich bereit, die Änderungen in bezug auf den Aufschub von Lieferungen und Zahlungen zu genehmigen, vorbehaltlich der Einhaltung des üblichen Verfahrens. Hingegen führte er aus: "Wenn es für notwendig erachtet wurde, die Preise oder die Mengen zu ändern, so hätten neue Verträge ausgehandelt werden müssen, die der Kommission in Anwendung des üblichen vollständigen Verfahrens (einschließlich der Einreichung mindestens dreier Angebote) zur Genehmigung hätten vorgelegt werden müssen."

Verfahren und Anträge der Parteien

22 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 5. Juli 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben, die unter der Nummer C-343/93 in das Register eingetragen worden ist.

23 Der Gerichtshof hat das Verfahren mit Beschluß vom 27. September 1993 gemäß dem Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften verwiesen.

24 Die Rechtssache ist unter der Nummer T-491/93 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden. Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 30. September 1993 bei der Kanzlei eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

25 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

26 Die Vertreter der Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 25. April 1996 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

27 Die Klägerin beantragt,

° die an die VEB gerichtete Entscheidung oder zumindest die Handlung der Kommission vom 1. April 1993 für nichtig zu erklären;

° die Gemeinschaft zu verurteilen, an sie 7 374 023,78 ECU, und zwar 6 615 990,36 ECU als Unterschiedsbetrag zwischen dem vereinbarten und dem gezahlten Preis, und 758 033,42 ECU für den Zinsverlust, nebst Zinsen ab Klageerhebung zu zahlen;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

28 In ihrer Einrede der Unzulässigkeit beantragt die Kommission,

° die Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären;

° die Schadensersatzklage für unzulässig zu erklären;

° der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

29 Die Klägerin beantragt in ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit,

° die Einrede der Unzulässigkeit sowohl in bezug auf die Nichtigkeitsklage als auch in bezug auf die Klage wegen ausservertraglicher Haftung zurückzuweisen;

° hilfsweise, die Entscheidung dem Endurteil vorzubehalten;

° die Kommission zu verurteilen, die beiden Darlehensverträge in ihrem vollen Wortlaut zu den Akten zu reichen und es der Klägerin zu gestatten, hierzu Stellung zu nehmen.

Zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage

Vorbringen der Parteien

30 Die Kommission erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung, daß die Klägerin von der angefochtenen Maßnahme nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen sei.

31 Vorab macht die Kommission umfangreiche Ausführungen zur Beschreibung der in Rede stehenden gesetzlichen und vertraglichen Mechanismen. Sie macht geltend, daß die Nichtigkeitsklage schon wegen der Art der getroffenen Vereinbarungen nach Artikel 173 des Vertrages unzulässig sei.

32 Die Rahmenvereinbarung stelle die Grundlage für den Vertrag zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Gewährung des Darlehens dar. Sie setze den Betrag des Darlehens fest (349 Millionen ECU), und in ihr seien die Voraussetzungen für die Genehmigung der Verträge aufgeführt.

33 Zum Darlehensvertrag führt die Kommission aus, nichts lasse den Schluß zu, daß die dort vorgesehene Möglichkeit vom 15. Januar 1993 an gelte, da nach der Bestimmung Nr. 4 verschiedene Voraussetzungen erfuellt sein müssten, damit sie wirksam werden könne. Auch billige der Vertrag ihr keine Rolle beim Abschluß von Lieferverträgen zu, sondern sie beschränke sich auf deren Prüfung daraufhin, ob sie für das Gemeinschaftsdarlehen in Betracht kämen.

34 Zum eigentlichen Dokumentenakkreditiv führt die Kommission aus, daß zwar durch das unwiderrufliche Akkreditiv ein rechtlich bindender Vertrag zwischen der Bank, die es eröffne, und dem Schuldner zustande komme, ein solcher Vertrag aber keine Verpflichtung der Gemeinschaft beinhalte, daß dem Auszahlungsantrag des Lieferanten von den Gemeinschaftsbehörden stattgegeben werde. Im übrigen begründe ein von der Akkreditivbank eröffnetes Dokumentenakkreditiv wie jedes nicht bestätigte Akkreditiv nur eine bedingte Haftung der betreffenden Bank gegenüber dem Lieferanten, da dessen Zahlungsanspruch nur dann wirksam werde, wenn das Unternehmen die Dokumente vorlege, die belegten, daß die für die Zahlung notwendigen Handlungen vorgenommen worden seien, beispielsweise durch die Vorlage von Verladerechnungen. Daher übernehme die Gemeinschaft keinerlei Haftung gegenüber dem Lieferanten oder seiner Bank, und in der Praxis übersende die Gemeinschaft der Bank des Lieferanten eine Erstattungszusage, wenn bei ihr ein berechtigter Auszahlungsantrag gestellt werde. Diese Zusage erfolge auf alle Fälle nach Maßgabe der im Bestätigungsschreiben enthaltenen wesentlichen Angaben, gelte jedoch vor allem nur gegenüber der Bank des Lieferanten, der die Gemeinschaft lediglich garantiere, daß die Verpflichtung der Akkreditivbank entsprechend dem Dokumentenakkreditiv erfuellt werde. Die Kommission hebt hervor, daß der blosse Zahlungsanspruch eines Lieferanten aufgrund eines nicht bestätigten Dokumentenakkreditivs nur gegenüber der Akkreditivbank, im vorliegenden Fall der VEB, bestehe.

35 Die Kommission macht geltend, daß der mit Exportkhleb geschlossene Liefervertrag vor dem Abschluß der Rahmenvereinbarung und des Darlehensvertrags unterschrieben worden sei und daß die Klägerin weder über den Darlehensvertrag habe verfügen noch den Zeitpunkt habe bestimmen können, zu dem die Akkreditivbank die aufgestellten Bedingungen für die Bereitstellung des Darlehens erfuellen würde.

36 Zu dem Bestätigungsschreiben bemerkt die Kommission, sie habe den von der VEB vorgelegten Vertrag im Hinblick auf die Bestimmungen des Darlehensvertrags geprüft und ihr Schreiben am 27. Januar 1993 abgefasst, d. h. vor der Änderung des Vertrages.

37 Ebenfalls vorab weist die Kommission auf Parallelen hin, die dieses System mit demjenigen aufweise, das für die Finanzierung von Entwicklungsprojekten im Rahmen des Lomé-Abkommens gelte. Wie der Gerichtshof im Urteil vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 126/83 (STS/Kommission, Slg. 1984, 2769) entschieden habe, werde durch Artikel 120 des Abkommens von Lomé der Grundsatz aufgestellt, daß die Mitgliedstaaten für die Durchführung der Vorhaben und Aktionsprogramme ausschließlich verantwortlich seien. In diesem Zusammenhang seien sie für die Vorbereitung, Aushandlung und Abschluß der Aufträge verantwortlich, die in Zusammenhang mit der Durchführung dieser Vorgänge stuenden. Das gleiche gelte für das System, das zur Finanzierung der Weizeneinfuhren eingeführt worden sei, denn nach der Rahmenvereinbarung werde das Darlehen zur Deckung der vom Darlehensnehmer zur Erfuellung der Lieferverträge gegebenen unwiderruflichen Dokumentenakkreditive gewährt. Die Rolle der Kommission im System von Lomé sei noch bedeutender als im System des russischen Darlehens, da sie bei letzterem nicht an der Auftragsvergabe beteiligt sei.

38 Die Klägerin könne nicht als von dem streitigen Schreiben vom 1. April 1993 unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages betrachtet werden. Die Klägerin verwechsele völlig die Rolle der Kommission, die nur darin bestehe, die Auszahlung des russischen Kredits zu genehmigen, mit ihrer vertraglichen Beziehung zu Exportkhleb. Die Weigerung der Kommission wirke sich rechtlich nicht auf diese vertragliche Beziehung aus; unabhängig von der Entscheidung der Kommission sei Exportkhleb verpflichtet, den erhöhten Preis zu zahlen. Das Schreiben der Kommission habe nur zur Folge, daß das Darlehen nicht mehr zur Bezahlung der Weizenlieferungen nach dem geänderten Inhalt des Vertrages dienen könne.

39 Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die Rechtssache STS/Kommission (a. a. O.), in der sich vergleichbare Probleme im Rahmen des Abkommens von Lomé gestellt hätten und dessen Ergebnis übertragbar sei.

40 Abschließend stellt die Kommission fest, daß das Unternehmen ebenso, wie sie in bezug auf den zwischen Exportkhleb und der Klägerin geschlossenen Vertrag Dritte sei, die Klägerin in bezug auf den Darlehensvertrag Dritter sei. Unter diesen Umständen könne die Klägerin nicht unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 173 des Vertrages sein.

41 Die Klägerin, die die Ansicht vertritt, sie sei durch das Schreiben vom 1. April 1993 individuell betroffen, macht geltend, sie sei aus mehreren Gründen auch unmittelbar betroffen.

42 Erstens habe der Gerichtshof im Urteil vom 1. Juli 1965 in den Rechtssachen 106/63 und 107/63 (Töpfer, Slg. 1965, 548) entschieden, daß ein einzelner von einer Entscheidung eines Organs unmittelbar betroffen sei, wenn diese Entscheidung an die Stelle einer Entscheidung der nationalen Behörde trete. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar, da die Anerkennungsentscheidung der Kommission an die Stelle der Entscheidung der Russischen Föderation, der VEB oder von Exportkhleb über die Fortsetzung des Ankaufs von Weizen getreten sei. Die Erfuellung des Vertrages hänge nämlich völlig von der Gewährung der Gemeinschaftsdarlehen ab, wie sich im übrigen aus der in den Kaufvertrag aufgenommenen aufschiebenden Bedingung ergebe.

43 Zweitens bleibe der VEB als Adressatin der Entscheidung der Kommission kein Ermessensspielraum, wenn die Kommission die Anerkennung des Vertrages ablehne. Angesichts der Erwägungen des Gerichtshofes im Urteil vom 13. Mai 1971 in den Rechtssachen 41/70 bis 44/70 (International Fruit Company/Kommission, Slg. 1971, 411) sei es also durchaus die Entscheidung der Kommission, die die Klägerin unmittelbar betreffe.

44 Drittens verfüge die Kommission über kein Ermessen bei der Anwendung der Bedingungen, die in der unmittelbare Wirkungen entfaltenden Verordnung Nr. 1897/92 aufgestellt seien. Die vertragschließenden Unternehmen hätten daher ein Recht darauf, daß die Kommission eine ° zustimmende oder ablehnende ° Entscheidung über die Anerkennung des Vertrages treffe. Werde ihnen dieses Recht entzogen, so würden ihre Belange beeinträchtigt, und sie seien daher unmittelbar betroffen.

45 Viertens ergebe sich aus der Natur und der Tragweite der Entscheidung der Kommission, daß die Klägerin unmittelbar betroffen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 18. November 1975 in der Rechtssache 100/74, CAM/Kommission, Slg. 1975, 1393). Die Entscheidung solle es der Russischen Föderation nämlich ermöglichen, Waren des dringensten Bedarfs zu normalen Handelsbedingungen zu erwerben. Eine ablehnende Entscheidung könne dazu führen, daß der Vertrag hinfällig werde oder daß wie im vorliegenden Fall ein Lieferant gezwungen sei, zu nicht marktkonformen Preisen zu liefern.

46 Fünftens sei die Rechtsprechung des Gerichtshofes im Rahmen des Abkommens von Lomé auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sich die Kommission aktiv an der Ausarbeitung und Abwicklung des Vertrages beteiligt habe, wie dies im übrigen auch bei der Ausarbeitung und Durchführung verschiedener anderer von der Klägerin mit Exportkhleb geschlossener Verträge der Fall gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

47 Nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann jede natürliche oder juristische Person gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

48 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin von dem Schreiben, das die Kommission am 1. April 1993 an die VEB richtete, unmittelbar und individuell betroffen ist.

49 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Kommission nicht bestritten hat, daß die Klägerin individuell betroffen sei. Aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß nur die Frage zu prüfen ist, ob die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

50 Hierzu ist festzustellen, daß die Regelungen der Gemeinschaft und die zwischen der Gemeinschaft und der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen eine Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und dem von der Russischen Föderation mit dem Ankauf von Weizen beauftragten Bevollmächtigten vorsehen. Es ist nämlich Sache dieses Bevollmächtigten, im vorliegenden Fall der Exportkhleb, im Wege der Ausschreibung den Vertragspartner auszuwählen, die Vertragsbedingungen auszuhandeln und den Vertrag zu schließen. Der Kommission ist dabei nur die Rolle zugewiesen, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gemeinschaftsfinanzierung erfuellt sind, und gegebenenfalls im Hinblick auf die Auszahlung des Darlehens zu bestätigen, daß die Verträge dem Beschluß 91/658 und den mit der Russischen Föderation geschlossenen Abkommen entsprechen. Es ist daher nicht Aufgabe der Kommission, den Handelsvertrag anhand anderer als dieser Kriterien zu beurteilen.

51 Somit unterhält ein Unternehmen, an das ein Auftrag vergeben wird, rechtliche Beziehungen nur mit seinem Vertragspartner, der Exportkhleb, die von der Russischen Föderation zum Kauf von Weizen bevollmächtigt ist. Die Kommission unterhält rechtliche Beziehungen nur zum Darlehensnehmer, d. h. dem Finanzmakler der Russischen Föderation, der VEB, die ihr die Handelsverträge zum Zweck der Anerkennung der Konformität übersendet und Adressat der entsprechenden Entscheidung der Kommission ist.

52 Daher berührt das Handeln der Kommission nicht die Rechtsgültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Handelsvertrags und ändert den Inhalt des Vertrages insbesondere in bezug auf die zwischen den Parteien vereinbarten Preise nicht. Somit bleibt die von den Parteien am 23. Februar 1993 vorgenommene Änderung ihres Vertrages vom 28. November 1992 unabhängig von der Entscheidung der Kommission, die Übereinstimmung der Vereinbarungen mit den anwendbaren Bestimmungen nicht anzuerkennen, mit dem zwischen den Parteien vereinbarten Inhalt wirksam.

53 Der Umstand, daß die Kommission Kontakte zur Klägerin oder zu Exportkhleb unterhielt, kann an dieser Beurteilung der Rechte und rechtlichen Pflichten nichts ändern, die sich für jede Partei aus den anwendbaren Regelungen und Vertragsbestimmungen ergeben. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage ist überdies festzustellen, daß der Schriftwechsel, auf den sich die Klägerin beruft, nicht belegt, daß die Kommission etwa ihre Befugnisse überschritten hätte, die dahin gingen, die Konformität des ursprünglichen Vertrages oder der Vertragsänderung mit den maßgeblichen Bestimmungen zu prüfen und gegebenenfalls anzuerkennen. So hatten die angeführten Kontakte zwischen der Kommission und der Klägerin im Januar 1993 ausschließlich den Zweck, zu erreichen, daß die Parteien in ihren Vertrag eine für die Anerkennung der Konformität unerläßliche Bedingung aufnehmen; es blieb jedoch den Parteien überlassen, ihren Vertrag zu ändern, wenn sie in den Genuß der vorgesehenen Finanzierung kommen wollten. Auch lässt sich aus dem Umstand, daß die Kommission die Klägerin von der Entwicklung des Vorgangs insbesondere durch Übermittlung einer Kopie des an die VEB gerichteten Bestätigungsschreibens informierte, nicht ableiten, daß die Klägerin von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist.

54 Zwar kann die VEB, wenn sie von der Kommission eine Entscheidung erhält, mit der die Unvereinbarkeit des Vertrages mit den anwendbaren Bestimmungen festgestellt wird, kein Dokumentenakkreditiv ausstellen, für das die Garantie der Gemeinschaft erteilt werden kann; doch berührt diese Entscheidung weder die Gültigkeit des zwischen der Klägerin und Exportkhleb geschlossenen Vertrages noch dessen Inhalt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Kommission nicht eine Entscheidung der nationalen russischen Behörden ersetzt, da die Kommission nur für die Prüfung der Konformität der Verträge im Hinblick auf die Gemeinschaftsfinanzierung zuständig ist.

55 Im übrigen ist in bezug auf die unmittelbare Geltung der Verordnung Nr. 1897/92, auf die sich die Klägerin beruft, festzustellen, daß in Artikel 5 dieser Verordnung in ° wie sich aus der Verwendung des Adverbs "insbesondere" ergibt ° nicht erschöpfender Weise die Bedingungen aufgeführt sind, die Verträge erfuellen müssen, damit sie für die Gemeinschaftsfinanzierung in Betracht kommen; ausserdem verweist Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung ausdrücklich auf die Bestimmungen der zwischen der Russischen Föderation und der Kommission geschlossenen Abkommen. In Abschnitt 5.1 des Darlehensvertrags, in dem genau angegeben ist, nach welchen Modalitäten die Gemeinschaftsfinanzierung gewährt wird, ist vom uneingeschränkten Ermessen der Kommission die Rede. Unter diesen Umständen erscheint das Vorbringen der Klägerin unbegründet.

56 Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht, um darzutun, daß sie von der streitigen Entscheidung unmittelbar betroffen ist, auf den Umstand berufen, daß die Handelsverträge eine aufschiebende Bestimmung enthalten, nach der die Erfuellung des Vertrages und die Zahlung des Preises davon abhängig sein soll, daß die Kommission die Erfuellung der Voraussetzungen für die Auszahlung des Gemeinschaftsdarlehens bestätigt. Durch eine solche Bestimmung wollen die Vertragsparteien nämlich einen Zusammenhang zwischen dem von ihnen geschlossenen Vertrag und einem zukünftigen ungewissen Ereignis in dem Sinn herstellen, daß die Wirksamkeit ihres Vertrages vom Eintritt dieses Ereignisses abhängen soll. Die Zulässigkeit einer Klage gemäß Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages kann aber nicht vom Willen der Parteien abhängig gemacht werden. Das Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

57 Aufgrund dieser Umstände ist das Gericht der Ansicht, daß die Klägerin von der an die VEB gerichteten Entscheidung der Kommission vom 1. April 1993 nicht im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages unmittelbar betroffen ist. Daher ist die gegen diese Entscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage für unzulässig zu erklären.

Zur Zulässigkeit der Schadensersatzklage

Vorbringen der Parteien

58 Die Kommission führt zunächst aus, daß das Schreiben vom 1. April 1993 nicht gegen die Bestimmungen des mit der Russischen Föderation geschlossenen Darlehensvertrags verstosse, so daß ihr kein rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden könne, das ihre Haftung auslösen könnte, erst recht nicht gegenüber einer Person, die von dieser Entscheidung nicht unmittelbar betroffen sei.

59 Zwar habe der Gerichtshof den Grundsatz der Selbständigkeit der Schadensersatzklage gegenüber der Nichtigkeitsklage aufgestellt (Urteil des Gerichtshofes vom 28. April 1971 in der Rechtssache 4/69, Lütticke, Slg. 1971, 325, Randnr. 6, unter Abänderung der Lösung im Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213; Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1985 in der Rechtssache 118/83, CMC/Kommission, Slg. 1985, 2325, Randnr. 31); die Schadensersatzklage bleibe jedoch unzulässig, wenn es bei ihr in Wirklichkeit nicht um das Schadensersatzverlangen, sondern um die Gültigkeit der Handlung gehe. Die Klägerin wolle im Wege des Schadensersatzes nur den gleichen Preis erzielen, wie sie ihn erhalten hätte, wenn die Kommission die Anhebung des Preises genehmigt hätte; die Schadensersatzklage erweise sich demnach als Versuch, die Erfordernisse des Artikels 173 des Vertrages zu umgehen.

60 Ein grosser Teil der Lieferungen, für die die Klägerin Entschädigung begehre, sei durchgeführt worden, noch bevor die VEB die Genehmigung der Änderungen durch die Kommission beantragt habe. Nur aufgrund der mit Exportkhleb vereinbarten vertraglichen Verpflichtungen könne die Klägerin von Exportkhleb die Zahlung des Preisunterschieds erlangen, die sie verlange. Die Kommission könne nicht für eine mögliche Vertragsverletzung von Exportkhleb oder der VEB haftbar gemacht werden, solange das Akkreditiv noch nicht Gegenstand einer Verpflichtung der Gemeinschaft geworden sei.

61 Die Klägerin macht geltend, daß die Schadensersatzklage einen selbständigen Rechtsbehelf darstelle. Ihre Klage gemäß Artikel 215 des Vertrages unterscheide sich von der Nichtigkeitsklage im übrigen dadurch, daß sie nicht auf die Aufhebung der Entscheidung gerichtet sei, sondern auf den Ersatz des von der Gemeinschaft verursachten Schadens (Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 175/84, Krohn/Kommission, Slg. 1986, 753). Die Schadensersatzklage sei nicht erhoben worden, um den mit Exportkhleb vereinbarten geänderten Preis zu erhalten, sondern sie sei auf Ersatz des Schadens gerichtet, den die Kommission ihr durch ihre rechtswidrige und gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstossende Weigerung, diesen vereinbarten Preis zu genehmigen, verursacht habe.

Würdigung durch das Gericht

62 Die Kommission bringt zur Begründung der Einrede der Unzulässigkeit der Klage auf Ersatz des der Klägerin angeblich durch die Entscheidung vom 1. April 1993 entstandenen materiellen Schadens im wesentlichen drei Argumente vor. Erstens sei diese Entscheidung völlig rechtmässig, zweitens könne sie nicht für eine Vertragsverletzung von Exportkhleb oder der VEB haftbar gemacht werden, solange sie keine Verpflichtung eingegangen sei, und drittens sei im vorliegenden Fall die Schadensersatzklage nicht gegenüber der Nichtigkeitsklage selbständig.

63 Die Argumente, mit denen die angebliche Rechtmässigkeit der Entscheidung und eine Vertragsverletzung einer der russischen Parteien geltend gemacht werden, gehören zur Begründetheit und können nicht die Unzulässigkeit der Schadensersatzklage begründen.

64 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Schadensersatzklage nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 des Vertrages als ein selbständiger Rechtsbehelf mit Eigenfunktion im System der Klagemöglichkeiten geschaffen worden (Urteil des Gerichtshofes Krohn/Kommission, a. a. O., Randnr. 26). Daher kann grundsätzlich die Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nicht zur Unzulässigkeit einer Klage auf Ersatz eines angeblich entstandenen Schadens führen.

65 Es ist jedoch als Ausnahme von dem aufgestellten Grundsatz entschieden worden, daß die Unzulässigkeit der Nichtigkeitsklage dann zur Unzulässigkeit der Schadensersatzklage führt, wenn mit der Schadensersatzklage in Wirklichkeit die Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Einzelfallentscheidung begehrt wird (Urteil des Gerichtshofes Krohn/Kommission, a. a. O., Randnr. 33, und Urteil des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-514/93, Cobrecaf u. a./Kommission, Slg. 1995, II-621, Randnr. 59) und sie somit einen Verfahrensmißbrauch darstellt. Die Beweislast für einen solchen Verfahrensmißbrauch obliegt der Partei, die sich darauf beruft.

66 Im vorliegenden Fall ist die Kommission dieser Obliegenheit nicht nachgekommen. Zum einen trägt sie nämlich nur vor, daß die Klägerin nur den gleichen Preis zu erzielen suche, wie sie ihn erhalten hätte, wenn die Kommission die Vertragsänderung als konform anerkannt hätte. Zum anderen lässt sich, wie der Gerichtshof in seinem angeführten Urteil CMC/Kommission in bezug auf eine Ausschreibung im Rahmen des Abkommens von Lomé entschieden hat, in einer Situation wie im vorliegenden Fall nicht ausschließen, daß durch Handlungen oder durch das Verhalten von Dienststellen oder einzelnen Beamten der Kommission Dritte geschädigt werden. Wer immer glaubt, durch solche Handlungen einen Schaden erlitten zu haben, muß daher Klage erheben können, sofern er die haftungsbegründenden Voraussetzungen, d. h. das Vorliegen eines durch ein rechtswidriges der Gemeinschaft zurechenbares Handeln oder Verhalten verursachten Schadens, darlegt (Urteil des Gerichtshofes CMC/Kommission, a. a. O., Randnr. 31).

67 Aufgrund all dieser Umstände ist die Klage auf Ersatz des der Klägerin angeblich durch die Entscheidung der Kommission entstandenen materiellen Schadens für zulässig zu erklären.

Kostenentscheidung:

Kosten

68 Nach Artikel 87 § 1 der Verfahrensordnung wird über die Kosten im Endurteil oder in dem Beschluß, der das Verfahren beendet, entschieden.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Nichtigkeitsklage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Einrede der Unzulässigkeit wird zurückgewiesen, soweit sie gegen die Klage auf Ersatz des von der Klägerin behaupteten Schadens gerichtet ist.

3. Das Verfahren wegen dieser Schadensersatzklage wird in der Sache fortgesetzt.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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