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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 24.01.1995
Aktenzeichen: T-5/93
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), EG-Vertrag


Vorschriften:

Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204) Art. 3 Absatz 2
EG-Vertrag Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Begründung einer beschwerenden Entscheidung muß es dem Betroffenen ermöglichen, die Gründe für die erlassene Maßnahme zu erfahren, so daß er seine Rechte verteidigen und die Begründetheit der Entscheidung prüfen kann, und den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzen, die Rechtmässigkeit zu überprüfen. Die Kommission braucht jedoch bei der Begründung von Entscheidungen, die sie zur Sicherstellung der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu treffen hat, nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen zur Stützung ihres Antrags auf Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen diese Regeln vorbringen. Es reicht aus, wenn sie die Tatsachen anführt und die Rechtsausführungen macht, denen nach dem Aufbau der erlassenen Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt.

Die Begründung einer Entscheidung, mit der die Kommission eine auf drei Rügen gestützte Beschwerde zurückweist, entspricht nicht den Anforderungen des Artikels 190 des Vertrages, wenn sie zwei dieser Rügen behandelt, ohne die Gründe für die Zurückweisung der Beschwerde zu nennen, was die dritte Rüge angeht.

2. Ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung stellt eine Verletzung der Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages dar, die die Gültigkeit der betreffenden Handlung beeinträchtigen kann, wenn nachgewiesen wird, daß der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen konnte und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist.

3. Die Artikel 85 Absatz 1 und 86 des Vertrages erzeugen in den Beziehungen zwischen den Bürgern unmittelbare Wirkungen und lassen in deren Person Rechte entstehen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben. Angesichts dieser Verteilung der Zuständigkeit auf Kommission und nationale Gerichte und des sich hieraus ergebenden Rechtsschutzes für die Bürger vor den nationalen Gerichten ist festzustellen, daß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 demjenigen, der eine Beschwerde nach diesem Artikel einlegt, keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne des Artikels 189 des Vertrages über das Vorliegen eines Verstosses gegen die genannten Bestimmungen des Vertrages verleiht. Etwas anderes gilt nur, wenn die Beschwerde ihrem Gegenstand nach in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fällt, wie dies beim Widerruf einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages der Fall ist.

4. Die Kommission ist befugt, eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie vor der Einleitung eines Untersuchungsverfahrens oder nach der Durchführung von Untersuchungsmaßnahmen ein mangelndes Gemeinschaftsinteresse an der Fortführung der Untersuchung der Sache feststellt. Bei der Würdigung dieses Interesses hat die Kommission die Umstände des Einzelfalles und insbesondere die in der Beschwerde vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Sie hat insbesondere die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens und das Ausmaß der Untersuchungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, die notwendig sind, um unter den bestmöglichen Bedingungen ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Artikel 85 und 86 des Vertrages zu erfuellen. Daß ein nationales Gericht oder eine nationale Wettbewerbsbehörde bereits mit der Frage der Vereinbarkeit eines Kartells oder einer Verhaltensweise mit den Artikeln 85 oder 86 des Vertrages befasst ist, kann von der Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses, das in der Sache besteht, berücksichtigt werden.

Werden die Auswirkungen der in einer Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen im wesentlichen nur im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaats spürbar und wurden die Gerichte und zuständigen Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaats vom Beschwerdeführer mit Rechtsstreitigkeiten betreffend diese Zuwiderhandlungen befasst, so ist die Kommission befugt, die Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses zurückzuweisen, sofern die Rechte des Beschwerdeführers von den nationalen Stellen in zufriedenstellender Weise geschützt werden können; dies setzt voraus, daß diese in der Lage sind, die Tatsachen zu ermitteln, die für die Feststellung erforderlich sind, ob die streitigen Verhaltensweisen eine Zuwiderhandlung gegen die genannten Bestimmungen des Vertrages darstellen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 24. JANUAR 1995. - ROGER TREMBLAY, FRANCOIS LUCAZEAU UND HARRY KESTENBERG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - URHEBERRECHTE - VERORDNUNG NR. 17 - ZURUECKWEISUNG EINER BESCHWERDE - PFLICHTEN BEI DER UNTERSUCHUNG VON BESCHWERDEN - GEMEINSCHAFTSINTERESSE. - RECHTSSACHE T-5/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Zwischen 1979 und 1988 wurde die Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204) mit zahlreichen Anträgen auf Feststellung von Verstössen gegen die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag seitens der Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique (nachstehend: SACEM), der französischen Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten an Musikwerken, befasst. Diese Anträge wurden von Verbänden von Diskothekenbetreibern sowie von einzelnen Diskothekenbetreibern, unter ihnen die drei Kläger in der vorliegenden Rechtssache, eingereicht.

2 Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß in den Beschwerden der Kläger im wesentlichen folgende Rügen vorgebracht wurden:

° Die Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten an Musikwerken in den einzelnen Mitgliedstaaten hätten den Markt durch den Abschluß von Verträgen über die gegenseitige Vertretung untereinander aufgeteilt, da es den Gesellschaften aufgrund dieser Verträge untersagt sei, unmittelbar mit den Nutzern aus einem anderen Mitgliedstaat Geschäfte zu tätigen.

° Der von der SACEM angewandte Gebührensatz von 8,25 % des Umsatzes sei erheblich höher als die Sätze der von den Diskotheken in den anderen Mitgliedstaaten entrichteten Gebühren; dieser ihrer Meinung nach mißbräuchliche und diskriminierende Gebührensatz diene nicht der Entgeltzahlung an die vertretenen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten, insbesondere der ausländischen Gesellschaften, sondern komme ausschließlich der SACEM zugute, die an ihre Mitglieder lächerlich niedrige Beträge ausschütte.

° Die SACEM weigere sich, die Nutzung nur ihres ausländischen Bestandes zu gestatten, da jeder Nutzer verpflichtet werde, die gesamten Bestände der Gesellschaft, die französischen wie die ausländischen, zu erwerben.

3 Aufgrund der bei ihr eingereichten Beschwerden begann die Kommission mit Ermittlungen in Form von Auskunftsersuchen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17.

4 Das Verfahren wurde ausgesetzt, als dem Gerichtshof zwischen Dezember 1987 und August 1988 Ersuchen der Cour d' appel Aix-en-Provence und Poitiers und des Tribunal de grande instance Poitiers vorgelegt wurden, die insbesondere die Frage aufwarfen, wie die Höhe der von der SACEM erhobenen Gebühren, der Abschluß von Verträgen zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten über die gegenseitige Vertretung und der umfassende, die gesamten Bestände einschließende Charakter der zwischen der SACEM und den französischen Diskotheken abgeschlossenen Beitrittsverträge im Hinblick auf die Artikel 85 und 86 des Vertrages zu beurteilen seien. In seinen Urteilen vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 395/87 (Tournier, Slg. 1989, 2521, 2580) und den verbundenen Rechtssachen 110/88, 241/88 und 242/88 (Lucazeau u. a., Slg. 1989, 2811, 2834) erkannte der Gerichtshof u. a. für Recht: "Artikel 85 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß er jegliche zwischen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten abgestimmte Verhaltensweise untersagt, die bezweckt oder bewirkt, daß jede Gesellschaft den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Benutzern den unmittelbaren Zugang zu ihren Beständen verweigert... Artikel 86 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß eine nationale Gesellschaft zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes eine beherrschende Stellung innehat, unangemessene Geschäftsbedingungen erzwingt, wenn die Gebühren, die sie von Diskotheken fordert, erheblich höher sind als die in den anderen Mitgliedstaaten erhobenen Gebühren, sofern die verschiedenen Tarife, was ihre Höhe betrifft, miteinander auf einheitlicher Grundlage verglichen wurden. Anders wäre es, wenn die in Rede stehende Verwertungsgesellschaft diese Differenz unter Hinweis auf objektive und relevante Unterschiede bei der Wahrnehmung der Urheberrechte in dem betroffenen Mitgliedstaat und in den übrigen Mitgliedstaaten rechtfertigen könnte."

5 Im Anschluß an diese Urteile nahm die Kommission ihre Untersuchungen insbesondere bezueglich der Unterschiede bei der Höhe der von den verschiedenen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten in der Gemeinschaft erhobenen Gebühren wieder auf. Um zu einer homogenen Vergleichsbasis zu gelangen, bildete sie fünf Kategorien fiktiver Diskothekentypen. Sodann richtete sie gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 Auskunftsersuchen an die Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten in den einzelnen Mitgliedstaaten bezueglich der Gebühren, die für diese verschiedenen Typen von Diskotheken auf der Grundlage der Tarife jeweils in der Fassung vor und nach den Urteilen des Gerichtshofes galten.

6 Die Ergebnisse der Untersuchung der Kommission wurden in einem Bericht vom 7. November 1991 zusammengefasst. In diesem Bericht wird zunächst auf die Entscheidungen des Gerichtshofes in den beiden Rechtssachen Tournier und Lucazeau u. a. (a. a. O.) sowie auf die Schwierigkeiten eines Vergleichs der Gebühren hingewiesen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Kategorien von Diskothekentypen erhoben werden. In dem Bericht wird sodann festgestellt, daß die Tarife der SACEM für die Zeit vor dem 1. Januar 1990 erheblich von den Gebühren abwichen, die von den anderen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten mit Ausnahme der italienischen Gesellschaft gefordert wurden. In dem Bericht werden die beiden Erklärungen, die die SACEM zur Rechtfertigung dieses Unterschieds anführte, nämlich zum einen eine französische Tradition, Urheberrechte auf einem sehr hohen Niveau zu vergüten, und zum anderen die sehr strenge Kontrolle der aufgeführten Werke zwecks Ermittlung der Anspruchsberechtigten für die Gebühren, in Zweifel gezogen. Aus dem Bericht ergibt sich ebenfalls, daß die in Frankreich und Italien erhobenen Gebühren für die Zeit nach dem 1. Januar 1990 nach wie vor spürbar höher waren als in den anderen Mitgliedstaaten. In dem Bericht wird schließlich untersucht, ob die SACEM die französischen Diskotheken unterschiedlich und in einer möglicherweise gegen Artikel 86 des Vertrages verstossenden Weise behandelt.

7 Mit Schreiben vom 18. Dezember 1991 forderten die Kläger die Kommission gemäß Artikel 175 EWG-Vertrag auf, zu ihrer Beschwerde Stellung zu nehmen.

8 Am 20. Januar 1992 richtete die Kommission eine Mitteilung gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, 127, S. 2268) an das Bureau européen des médias de l' industrie musicale (nachstehend: BEMIM). Die Kommission steht auf dem Standpunkt, daß die Kläger in der vorliegenden Rechtssache entweder als Mitglieder des BEMIM oder über ihren Prozeßbevollmächtigten, der ebenfalls der Rechtsberater des BEMIM war, Kenntnis von diesem Schreiben hatten, so daß sie es nicht für notwendig hielt, ihnen Einzelmitteilungen zu übersenden.

9 Die Kommission macht in dem als "Rechtliche Würdigung" bezeichneten Teil ihres Schreibens vom 20. Januar 1992 u. a. geltend, daß "die Untersuchung bei ihrem jetzigen Stand nicht die Feststellung zulässt, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 86 bezueglich der Höhe der gegenwärtig von der SACEM angewandten Tarife erfuellt sind". In dem Abschnitt "Schlußfolgerungen" des Schreibens vom 20. Januar 1992 heisst es:

"Demgemäß teile ich Ihnen gemäß Artikel 6 der Verordnung der Kommission Nr. 99/63 mit, daß die Kommission in Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Dezentralisation angesichts des fehlenden Gemeinschaftsinteresses, da die in Ihrer Beschwerde gerügten Praktiken eine im wesentlichen nationale Auswirkung haben und bereits mehrere französische Gerichte damit befasst sind, der Ansicht ist, daß die in Ihrer Beschwerde angeführten Gesichtspunkte es nicht gestatten, dieser Beschwerde stattzugeben.

Die Kommission wird den französischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, die dies beantragt haben, eine Kopie des von ihren Dienststellen erstellten Berichts über den Vergleich der Gebührensätze in der Gemeinschaft und über die Ungleichbehandlung von Nutzern auf dem französischen Markt übermitteln."

10 Am 20. März 1992 gab der Rechtsberater der Kläger Bemerkungen zu der Mitteilung vom 20. Januar 1992 ab, in denen er die Fortführung der Untersuchung durch die Kommission und die Übermittlung der Beschwerdepunkte an die SACEM beantragte.

11 Die Kläger wurden von dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission mit Schreiben vom 12. November 1992 über die endgültige Zurückweisung ihrer Beschwerde benachrichtigt.

12 In den Punkten 1 bis 3 dieses Schreibens werden die zwischen der Kommission und den Beschwerdeführern gewechselten Schreiben angeführt, und in Punkt 4 wird darauf hingewiesen, daß das Schreiben die endgültige Entscheidung der Kommission darstelle. In Punkt 5 wird erklärt, daß die Kommission aus den bereits in ihrem Schreiben vom 20. Januar 1992 dargestellten Gründen den Beschwerden nicht stattgebe.

13 In den Punkten 6 bis 13 ihres Schreibens antwortet die Kommission auf das wesentliche Vorbringen der Kläger in ihrer Stellungnahme zu dem Schreiben vom 20. Januar 1992. Die Kommission bekräftigt erneut, daß die Angelegenheit keine besondere Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes habe und es folglich an einem ausreichenden Gemeinschaftsinteresse an der Fortführung der Untersuchung fehle, und weist sodann unter Hinweis insbesondere auf das Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache C-24/90 (Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnr. 88, nachstehend: Automec II) darauf hin, daß die Befassung nationaler Gerichte einen Umstand darstelle, der als Rechtfertigung für eine Einstellungsverfügung herangezogen werden könne. Zu dem Vorbringen der Kläger, daß ihre Stellungnahme einen unangemessenen Rückgriff auf den Grundsatz der Subsidiarität darstelle, betont die Kommission, es gehe nicht darum, jede öffentliche Maßnahme einzustellen, sondern lediglich darum, unter den sachlich zuständigen Behörden diejenigen auszuwählen, die am besten in der Lage seien, die betreffenden Fragen zu lösen. Nur die nationalen Gerichte seien dafür zuständig, über Schadensersatzklagen zu entscheiden; ihnen habe sie in ihrem Bericht vom 7. November 1991 die notwendigen Informationen geliefert, um die Tarife der verschiedenen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten miteinander vergleichen zu können. Die Verwendung dieses Berichts als Beweismittel durch die nationalen Gerichte werde insoweit nicht durch ihre Pflicht beschränkt, das Berufsgeheimnis zu wahren, da die Ersuchen, die sie an die einzelnen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten gerichtet habe, nicht auf die Höhe der geltenden Tarife gerichtet gewesen sei, die ihrer Natur nach allgemein bekannt seien, sondern auf den Vergleich des praktischen Ergebnisses der Anwendung dieser Tarife auf fünf Diskothekentypen. Zu den Rügen der Kläger bezueglich des Fehlens einer Stellungnahme für die Zeit vor dem 1. Januar 1990 macht die Kommission geltend, sie sei nicht zur Prüfung der Frage verpflichtet, ob in der Vergangenheit gegebenenfalls Verstösse gegen die Wettbewerbsregeln stattgefunden hätten, da es das Hauptziel einer solchen Untersuchung sei, die Gewährung von Schadensersatz durch die nationalen Gerichte zu erleichtern. Zu dem Vorbringen bezueglich des Vorliegens eines Kartells zwischen den einzelnen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten macht sie geltend, daß zwar das Vorliegen eines solchen Kartells, für das sie ein gewichtiges Indiz nicht habe finden können, nicht ausgeschlossen werden könne, daß man ihm aber andererseits keine konkreten Auswirkungen im Bereich der Tarife zuschreiben könne, von denen einige in der Zeit nach dem Erlaß der Urteile Tournier und Lucazeau u. a. herab-, andere heraufgesetzt worden seien. Zu dem Vorbringen der Kläger bezueglich des Vorliegens eines Kartells zwischen der SACEM und bestimmten Verbänden von Diskothekenbetreibern vertritt die Kommission die Auffassung, daß ein solches Kartell, wenn es bestehe, Auswirkungen nur innerhalb des französischen Staatsgebietes hätte haben können.

14 In Punkt 14 der Entscheidung teilt die Kommission den Klägern mit, daß der Antrag, den sie gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 eingereicht hätten, "zurückgewiesen und an die nationalen Gerichte verwiesen" werde.

Verfahren und Anträge der Parteien

15 Unter diesen Umständen haben die Kläger mit Klageschrift, die am 11. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

16 Durch Beschluß des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 20. Mai 1993 ist das Syndicat des exploitants de lieux de loisirs (SELL) als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kläger zugelassen worden.

17 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen und am 4. August 1993 abgeschlossen worden.

18 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Auf Ersuchen des Gerichts hat die Beklagte bestimmte Schriftstücke vorgelegt und bestimmte schriftliche Fragen beantwortet.

19 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 18. Mai 1994 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

20 Die Kläger beantragen,

° die Entscheidung der Kommission vom 12. November 1992 für nichtig zu erklären;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21 Die Kommission beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22 Der Streithelfer beantragt,

° die Entscheidung der Kommission aufzuheben.

Zur Begründetheit

23 Die Kläger stützen ihre Klage im wesentlichen auf vier Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund wird eine Verletzung des Artikels 190 EG-Vertrag geltend gemacht, weil die streitige Entscheidung nicht ausreichend begründet sei. Mit dem zweiten Klagegrund machen die Kläger geltend, die streitige Entscheidung enthalte einen Rechtsfehler sowie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, der zu ihrer Nichtigkeit führen müsse. Mit dem dritten Klagegrund wird eine Verletzung mehrerer allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und mit dem vierten Klagegrund ein Ermessensmißbrauch gerügt.

24 Der Streithelfer hat schriftlich geltend gemacht, daß er sich das gesamte Vorbringen, auf das die Kläger ihre Klage stützten, zu eigen mache.

Zum Klagegrund der Verletzung des Artikels 190 des Vertrages

Vorbringen der Beteiligten

25 Die Kläger rügen das Fehlen einer Begründung in der streitigen Entscheidung, soweit mit dieser die Rüge des Vorliegens eines abgestimmten Verhaltens zwischen der Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückgewiesen wird. Soweit mit der Entscheidung die übrigen in ihrer Beschwerde vorgebrachten Rügen zurückgewiesen würden, seien die angeführten Gründe widersprüchlich. Die Würdigung der Kommission in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 vom 20. Januar 1992 (nachstehend: Schreiben nach Artikel 6), wonach "die Untersuchung bei ihrem jetzigen Stand nicht die Feststellung zulässt, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 86 bezueglich der Höhe der gegenwärtig von der SACEM angewandten Tarife erfuellt sind", widerspreche zum einen der streitigen Entscheidung, in der unter Bezugnahme auf dieses Schreiben ausgeführt werde, daß die Kommission zu den angeschnittenen Rechtsfragen keine Stellung beziehen wolle, und zum anderen dem Schreiben vom 17. Dezember 1992 an die SACEM, in dem die Kommission geltend gemacht habe, daß sie "den nationalen Gerichten, an die die Beschwerde verwiesen werde, einen möglichst umfassenden Beurteilungsspielraum zubilligen" wolle. Auch in Punkt 9 der streitigen Entscheidung bestehe ein Widerspruch zwischen der Behauptung der Kommission, daß sie einen Vergleich der von den einzelnen Verwertungsgesellschaften der Gemeinschaft angewandten Tarife durchgeführt habe, und der weiteren Behauptung, daß die an die einzelnen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten gerichteten Auskunftsersuchen nicht auf die Höhe der angewandten Tarife, sondern auf den Vergleich des praktischen Ergebnisses der Anwendung dieser Tarife auf fünf Diskothekentypen gerichtet gewesen seien.

26 Die Kommission erwidert, die streitige Entscheidung sei ausreichend begründet, um den Betroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte und dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle zu ermöglichen, so daß sie den Anforderungen genüge, die insoweit in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts aufgestellt worden seien (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867). Ausserdem brauche sie nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen zur Stützung ihres Antrags vorbrächten; es reiche aus, wenn sie die Tatsachen anführe und die Rechtsausführungen mache, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukomme (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, und Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1).

27 Die Kommission sieht keinen Widerspruch zwischen ihrem Schreiben nach Artikel 6 und der Entscheidung zur endgültigen Zurückweisung der Beschwerden. Die Feststellung in ihrem Schreiben nach Artikel 6 könne nicht als eine Stellungnahme zur Qualifikation der streitigen Verhaltensweisen der SACEM gewertet werden; auf jeden Fall sei die streitige Entscheidung nicht darauf gestützt, daß kein Verstoß vorliege, sondern auf andere Gründe.

28 Zu dem angeblichen Widerspruch zwischen der streitigen Entscheidung und sonstigen Schreiben führt die Kommission aus, Abweichungen zwischen der Begründung einer Entscheidung und etwaigen sonstigen Stellungnahmen in anderen Rechtsakten könnten die Gültigkeit der Entscheidung im Hinblick auf Artikel 190 EWG-Vertrag nicht berühren, wenn feststehe, daß die Gründe der Entscheidung weder in sich widersprüchlich seien noch im Widerspruch zum verfügenden Teil stuenden.

Würdigung durch das Gericht

29 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung einer beschwerenden Entscheidung es dem Betroffenen ermöglichen, die Gründe für die erlassene Maßnahme zu erfahren, so daß er seine Rechte verteidigen und die Begründetheit der Entscheidung prüfen kann, und den Gemeinschaftsrichter in die Lage versetzen, die Rechtmässigkeit zu überprüfen (Urteile des Gerichts La Cinq/Kommission, a. a. O., Randnr. 42, und vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 30). Die Kommission braucht insoweit bei der Begründung von Entscheidungen, die sie zur Sicherstellung der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu treffen hat, nicht auf alle Argumente einzugehen, die die Betroffenen zur Stützung ihres Antrags vorbringen. Es reicht aus, wenn sie die Tatsachen anführt und die Rechtsausführungen macht, denen nach dem Aufbau der Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 55/69, Cassella/Kommission, Slg. 1972, 887, Randnr. 22, und in der Rechtssache 56/69, Hoechst/Kommission, Slg. 1972, 927, Randnr. 22; VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O., Randnr. 22; Urteile des Gerichts La Cinq/Kommission, a. a. O., Randnr. 41, und Asia Motor France u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 31).

30 Die Kläger haben mit ihren Beschwerden im wesentlichen drei Rügen vorgebracht. Mit der ersten beanstandeten sie eine angebliche Aufteilung ° und die sich hieraus ergebende völlige Abschottung ° des Marktes unter den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der einzelnen Mitgliedstaaten durch den Abschluß von Verträgen über die gegenseitige Vertretung. Angesichts des Umstandes, daß die mit dieser Rüge geltend gemachten Wettbewerbsbeschränkungen auf das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen Unternehmen zurückzuführen sein sollen, ist das Gericht der Auffassung, daß sie angesichts des Fehlens entgegenstehender Anhaltspunkte auf eine Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gestützt sein soll. Die zweite und die dritte Rüge bezogen sich auf den überhöhten und diskriminierenden Charakter des von der SACEM vorgeschriebenen Gebührensatzes bzw. auf deren Weigerung, den französischen Diskotheken die Nutzung nur des ausländischen Bestandes zu erlauben. Nach Auffassung des Gerichts ist davon auszugehen, daß mit den beiden letztgenannten Rügen eine Verletzung des Artikels 86 des Vertrages geltend gemacht werden soll, da jeder Hinweis darauf fehlt, daß die betreffenden Praktiken auf irgendeine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zurückzuführen seien.

31 Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, die streitige Entscheidung sei insoweit unzureichend begründet, als in ihr die Rüge eines abgestimmten Verhaltens der Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten in den einzelnen Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückgewiesen werde.

32 Es ist zunächst festzustellen, daß die Beschwerden der Kläger mit dem Schreiben vom 12. November 1992 insgesamt zurückgewiesen wurden. In Punkt 14 der streitigen Entscheidung heisst es nämlich ohne irgendeine Unterscheidung der Rügen einer Verletzung des Artikels 85 und des Artikels 86: "Ich teile Ihnen aus den vorstehend dargelegten Gründen mit, daß Ihr gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17/62 an die Kommission gerichteter Antrag zurückgewiesen und an die nationalen Gerichte verwiesen wird."

33 In der Entscheidung vom 12. November 1992 wird die Zurückweisung der Beschwerden im wesentlichen auf die Gründe gestützt, die in dem Schreiben nach Artikel 6 angeführt worden waren. In Punkt 5 der streitigen Entscheidung heisst es nämlich: "Die Kommission ist aus den in ihrem Schreiben vom 20. Januar 1992 dargelegten Gründen der Auffassung, daß es keine ausreichenden Gründe gibt, Ihrem Antrag auf Feststellung eines Verstosses zu entsprechen. Ihre Äusserungen vom 20. März 1992 enthalten nämlich keine neuen tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte, die die Beurteilung und die Schlußfolgerungen der Kommission in ihrem Schreiben vom 20. Januar 1992 zu ändern vermöchten."

34 Das Gericht ist daher der Auffassung, daß bei der Prüfung, ob die streitige Entscheidung ausreichend begründet ist, sowohl die in dem Schreiben vom 12. November 1992 als auch die in dem Schreiben nach Artikel 6 angeführten Gründe zu berücksichtigen sind.

35 Das Gericht stellt fest, daß weder das Schreiben der Kommission nach Artikel 6 noch der diesem Schreiben beigefügte Bericht vom 7. November 1991 ein Indiz für die Annahme enthalten, die Kommission habe die von den Klägern erhobene Rüge einer Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 untersucht, sondern daß sie im Gegenteil beweisen, daß die Kommission ausschließlich die Rügen einer Verletzung des Artikels 86 geprüft hat. In ihrem Schreiben nach Artikel 6 legt die Kommission nämlich dar, daß ihre "Nachforschungen insbesondere auf einen Vergleich der Höhe der Gebühren in der EWG" gerichtet waren (Punkt I, E). Sie stellt dort fest, daß "die Untersuchung bei ihrem jetzigen Stand nicht die Feststellung zulässt, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 86 bezueglich der Höhe der gegenwärtig von der SACEM angewandten Tarife erfuellt sind" (Punkt II). In dem mit "Schlußfolgerungen" überschriebenen Teil ihres Schreibens nach Artikel 6 erklärt die Kommission, sie beabsichtige die Zurückweisung der Beschwerde "angesichts des fehlenden Gemeinschaftsinteresses, da die in Ihrer Beschwerde gerügten Praktiken im wesentlichen nationale Auswirkungen haben und bereits mehrere französische Gerichte damit befasst sind" (Punkt III). Die im wesentlichen nationale Auswirkung ergibt sich nach Auffassung der Kommission daraus, daß "die Auswirkungen der behaupteten Mißbräuche im wesentlichen nur im Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaates bzw. in einem Teil dieses Hoheitsgebietes spürbar werden" (Punkt II). Auch der dem Schreiben der Kommission nach Artikel 6 beigefügte Bericht mit der Überschrift "Anwendbarkeit des Artikels 86 EWG-Vertrag auf das von der SACEM gegenüber französischen Diskotheken angewandte Gebührensystem" behandelt die Rüge einer Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 durch die einzelnen nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten nicht.

36 In ihrem Schreiben vom 12. November 1992 wiederholt die Kommission unter Punkt 6 die bereits in ihrem Schreiben nach Artikel 6 getroffene Feststellung, daß "der Schwerpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung in Frankreich liegt, ihre Auswirkungen in den übrigen Mitgliedstaaten nur sehr beschränkt sein können, folglich dieser Sache keine besondere Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zukommt und das Gemeinschaftsinteresse es daher nicht erfordert, daß die Kommission sich mit diesen Beschwerden befasst, sondern gebietet, daß sie an die französischen Gerichte und die französischen Verwaltungsbehörden verwiesen werden". Zur Rechtfertigung dieser Verweisung an die nationalen Gerichte beruft sie sich unter Punkt 7 der Entscheidung auf die Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Edward in den Rechtssachen Automec II und Asia Motor France u. a. sowie auf das Urteil Automec II. Sie untersucht sodann die Bemerkungen der Kläger im Anschluß an die Übermittlung ihres Schreibens nach Artikel 6 und kommt zu dem Schluß, daß sie die Feststellung unter Punkt 6 der streitigen Entscheidung nicht entkräften könnten (Punkte 8 bis 13).

37 Nach Auffassung des Gerichts kann sich Punkt 6 des Schreibens vom 12. November 1992, der die wesentlichen Gründe für die endgültige Zurückweisung der Beschwerden enthält, vernünftigerweise nicht auf die Rüge der Kläger beziehen, daß zwischen den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der einzelnen Mitgliedstaaten ein Kartell bestehe. Nur vor dem Hintergrund der in der Beschwerde erhobenen Rügen einer Verletzung des Artikels 86 des Vertrages ° insbesondere wegen des mißbräuchlichen und diskriminierenden Charakters der Höhe der von der SACEM verlangten Gebühren und der Weigerung der SACEM, nur ihre ausländischen Bestände zugänglich zu machen ° kann nämlich der Feststellung der Kommission, daß der Schwerpunkt der Zuwiderhandlung in Frankreich liege, eine vernünftige Bedeutung beigemessen werden.

38 Das Gericht stellt des weiteren fest, daß sich in der streitigen Entscheidung lediglich die Punkte 12 und 13 auf die Rüge einer Verletzung des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages beziehen; sie lauten wie folgt:

"12. Bezueglich des Kartells, das [der Rechtsberater der Kläger] auf Seite 12 seines Schreibens vom 20.3.1992 beanstandet und das zwischen der SACEM und den anderen Verwertungsgesellschaften der Gemeinschaft bestehen soll, stellt die Kommission fest, daß zwar das Vorliegen dieses Kartells, für das sie kein gewichtiges Indiz hat finden können, oder doch zumindest einer zwischen all diesen Gesellschaften, insbesondere im Rahmen des GESAC, abgestimmten Verhaltensweise nicht ausgeschlossen werden kann, man ihm aber konkrete Auswirkungen im Bereich der Tarife nicht zurechnen kann. Diese Tarife sind in der Zeit nach Erlaß der Urteile des Gerichtshofes vom 13.7.1989 zum Teil gesunken, zum Teil gestiegen und weisen vor allem nach wie vor, wie alle Beschwerdeführer mit Nachdruck hervorheben, untereinander erhebliche Abweichungen auf. Allerdings wäre die Kommission bereit, sie zu berücksichtigen, wenn förmliche Beweise für das Vorliegen und die Auswirkungen dieses Kartells erbracht würden.

13. Was das angebliche Kartell zwischen der SACEM und bestimmten Diskothekenverbänden betrifft, das auf Seite 13 des Schreibens [des Rechtsberaters der Kläger] vom 20.3.1992 beanstandet wird, vertritt die Kommission die Auffassung, daß es Auswirkungen zugunsten bestimmter Diskotheken und zu Lasten anderer lediglich innerhalb des französischen Hoheitsgebietes gehabt haben kann und daß daher nach den Grundsätzen der Zusammenarbeit und der Aufgabenverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten die nationalen Behörden hierüber zu entscheiden haben werden, zumal die Kommission sich zwar mit diesen Behörden die Zuständigkeit zur Anwendung der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln teilt, diese Behörden indessen alleine befugt sind, Schadensersatz zuzusprechen. Ferner legt die Kommission Wert auf den Hinweis, daß eine etwaige Stellungnahme ihrerseits zu diesem Kartell die freie Würdigung der nationalen Gerichte in keinem Fall einschränken könnte."

39 Nach Auffassung des Gerichts enthalten die Punkte 12 und 13 der streitigen Entscheidung die Gründe der Zurückweisung zweier anderer Rügen, die die Kläger in ihren Bemerkungen zum Schreiben nach Artikel 6 erhoben haben. Diese Rügen bezogen sich auf das Vorliegen eines angeblichen Kartells zwischen den nationalen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten, die im Rahmen des GESAC vertreten sind, um ihre Gebühren auf dem höchstmöglichen Niveau zu vereinheitlichen, und eines solchen zwischen der SACEM und bestimmten französischen Verbänden von Diskothekenbetreibern. Nach Auffassung des Gerichts enthalten demgegenüber die Punkte 12 und 13 der streitigen Entscheidung keine Begründung für die Zurückweisung der Beschwerden der Kläger, soweit in ihnen eine Abschottung des Marktes beanstandet wird.

40 Unter diesen Umständen konnten die Kläger der Begründung der streitigen Entscheidung nicht die Gründe für die Zurückweisung ihrer Beschwerden entnehmen, soweit sich diese auf eine angebliche Abschottung des Marktes infolge von Verträgen über die gegenseitige Vertretung zwischen den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der verschiedenen Mitgliedstaaten bezogen. Die Kommission hat folglich in diesem Punkt die ihr nach Artikel 190 EWG-Vertrag obliegende Pflicht, ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen, nicht erfuellt. Der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes griff daher durch.

41 Mit dem zweiten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, die streitige Entscheidung sei insoweit, als mit ihr die übrigen Rügen der Beschwerde zurückgewiesen wurden, widersprüchlich begründet.

42 Hierzu ist das Gericht der Ansicht, daß ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung eine Verletzung der Begründungspflicht nach Artikel 190 des Vertrages darstellt, die die Gültigkeit der betreffenden Handlung beeinträchtigen kann, wenn nachgewiesen wird, daß der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen konnte und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juli 1981 in der Rechtssache 158/80, Rewe, Slg. 1981, 1805, Randnr. 26).

43 Bei der Prüfung, ob die streitige Entscheidung ausreichend begründet ist, sind sowohl die in den Schreiben vom 12. November 1992 als auch die in dem Schreiben nach Artikel 6 angeführten Gründe zu berücksichtigen.

44 Zu der Frage, ob zwischen den Gründen des Schreibens nach Artikel 6 und denen der streitigen Entscheidung ein Widerspruch besteht, wie die Kläger behaupten, stellt das Gericht fest, daß sich aus dem Abschnitt "Schlußfolgerung" des Schreibens nach Artikel 6 ergibt (siehe Randnr. 9 dieses Urteils), daß die Kommission beabsichtigte, die Beschwerden mit der alleinigen Begründung zurückzuweisen, daß ein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse fehle, da die gerügten Praktiken eine im wesentlichen nationale Auswirkung hätten und mehrere französische Gerichte mit den betreffenden Fragen befasst seien. Die Feststellung in dem Schreiben nach Artikel 6, daß "die Untersuchung bei ihrem jetzigen Stand nicht die Feststellung zulässt, daß die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 86 bezueglich der Höhe der gegenwärtig von der SACEM angewandten Tarife erfuellt sind", stellt mithin keinen Grund dar, auf den die Entscheidung, die Beschwerden zurückzuweisen, gestützt wäre.

45 Ausserdem ergibt sich aus dem Schreiben vom 12. November 1992, dessen Inhalt in den Randnummern 12 bis 14 dieses Urteils zusammengefasst wurde, daß auch die endgültige Entscheidung, die Beschwerden zurückzuweisen, allein darauf gestützt wurde, daß ein Gemeinschaftsinteresse an der Fortführung der Untersuchung der Angelegenheit fehle, weil zum einen die behaupteten Zuwiderhandlungen in den anderen Mitgliedstaaten nur beschränkte Wirkungen haben könnten und weil zum anderen mehrere nationale Gerichte sowie der französische Conseil de la concurrence mit Sachen befasst seien, in denen es um die gleichen Fragen wie in den Beschwerden gehe.

46 Demzufolge besteht zwischen der Begründung des Schreibens nach Artikel 6 und der in der streitigen Entscheidung zur Rechtfertigung der Zurückweisung der Beschwerden gegebenen Begründung kein Widerspruch.

47 Zu dem Vorbringen, die Behauptung in Punkt 9 der streitigen Entscheidung, daß die Kommission die Höhe der Tarife selbst nicht miteinander verglichen habe, stehe im Widerspruch zu einer anderen Äusserung der Kommission in derselben Randnummer, ist das Gericht aufgrund der vorstehenden Prüfung der Auffassung, daß ein etwaiger Widerspruch in den Erwägungen der Kommission zur Höhe der von der SACEM angewandten Tarife auf keinen Fall dem verfügenden Teil der streitigen Entscheidung, der ausschließlich auf das Fehlen eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses gestützt wurde, die rechtliche Stütze entziehen kann. Selbst wenn daher der angebliche Widerspruch festzustellen wäre, könnte er die Gültigkeit der streitigen Entscheidung nicht beeinträchtigen.

48 Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

49 Nach alledem ist die streitige Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als mit ihr die von den Klägern erhobene Rüge einer Abschottung des Marktes infolge des Vorliegens eines angeblichen Kartells zwischen der SACEM und den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der anderen Mitgliedstaaten, das die französischen Diskotheken am unmittelbaren Zugang zu den Beständen dieser Gesellschaften hindert, zurückgewiesen wird.

Zum Klagegrund eines Rechtsfehlers und offensichtlicher Beurteilungsfehler

Vorbringen der Beteiligten

50 Nach Auffassung der Kläger enthält die streitige Entscheidung einen Rechtsfehler und offensichtliche Beurteilungsfehler, die zu ihrer Nichtigerklärung führen müssten.

51 Erstens habe die Kommission einen Rechtsfehler begangen, als sie die Beschwerden wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses zurückgewiesen habe. Nach dem Urteil Automec II sei die Kommission nur befugt, das Gemeinschaftsinteresse an der Angelegenheit bei der Festlegung der Priorität, mit der die Beschwerde von ihren Dienststellen zu behandeln sei, zu berücksichtigen, nicht hingegen, um deren Zurückweisung zu rechtfertigen.

52 Zweitens habe die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie sich auf den Grundsatz der Subsidiarität berufen habe, um die Verweisung der Beschwerden an die nationalen Gerichte zu rechtfertigen, obwohl sie über alle Gesichtspunkte verfügt habe, die ihr die rechtliche Qualifikation der in den Beschwerden beanstandeten Praktiken gestattet hätten.

53 Drittens habe die Kommission auf jeden Fall einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Bewertung des Gemeinschaftsinteresses an der Sache begangen, da sie bezueglich der Rüge einer Aufteilung des Marktes und der sich hieraus ergebenden völligen Abschottung mit ihrer Behauptung in Punkt 6 der streitigen Entscheidung, daß die behaupteten Zuwiderhandlungen in erster Linie Frankreich beträfen und nur sehr beschränkte Auswirkungen in den übrigen Mitgliedstaaten hätten, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen habe. Die Kommission sei im vorliegenden Fall nicht befugt gewesen, sich bei dieser Würdigung darauf zu stützen, daß mehrere nationale Gerichte mit den in ihren Beschwerden angesprochenen Rechtsfragen befasst seien. In der Rechtssache Automec II habe es sich um ein einziges nationales Verfahren gehandelt, in dem sich die betreffenden Parteien gegenübergestanden hätten, so daß die Kommission die vorliegende Rechtssache, in der es nicht nur ein einziges Verfahren gebe, zu Unrecht mit der Rechtssache Automec II verglichen habe. Darüber hinaus sei die Verweisung an die nationalen Gerichte im vorliegenden Fall ohnehin nicht zu rechtfertigen, weil sich aus mehreren Urteilen und Entscheidungen dieser Gerichte ergebe, daß diese nicht in der Lage seien, eine ordnungsgemässe und einheitliche Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des Vertrages sicherzustellen. Zu beanstanden sei auch, daß die Kommission in dem Bericht, den sie für die nationalen Gerichte erstellt habe, um die in den verschiedenen Mitgliedstaaten anwendbaren Tarife zu vergleichen, sich ausschließlich auf fiktive Diskotheken gestützt habe.

54 Die Kommission tritt der Auslegung des Urteils Automec II durch die Kläger entgegen. Nach ihrer Auffassung ergibt sich eindeutig aus diesem Urteil, daß sie berechtigt war, eine Beschwerde mangels Gemeinschaftsinteresses zurückzuweisen.

55 Zurückzuweisen sei ebenfalls das Vorbringen, daß sie die Befassung nationaler Gerichte als einschlägiges Kriterium bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Sache nur berücksichtigen dürfe, wenn es ein einziges nationales Verfahren gebe, in dem sich die betreffenden Parteien gegenüberstuenden. Zur angeblichen Unfähigkeit der französischen Gerichte zur Durchführung dieses Verfahrens weist die Kommission darauf hin, daß sie bei der Anwendung der Artikel 85 Absatz 1 und 86 des Vertrages, die unmittelbare Rechte in der Person der Bürger begründeten, die die nationalen Gerichte zu wahren hätten, nicht über eine ausschließliche Zuständigkeit verfüge. Das Risiko von Abweichungen bei der Anwendung dieser Artikel des Vertrages in den Entscheidungen der Gerichte sei untrennbar mit diesem Recht der Bürger verbunden, sich vor den nationalen Gerichten auf diese Vorschriften zu berufen. Es sei Sache der höheren Gerichte der Mitgliedstaaten, Einheit und Zusammenhang der Rechtsprechung zu den betreffenden Vorschriften gegebenenfalls durch Anrufung des Gerichtshofes im Wege der Vorabentscheidung nach Artikel 177 EG-Vertrag zu wahren.

56 Soweit die Kläger der Begründetheit der Methode zum Vergleich der Tarife in Frage stellen, entgegnet die Kommission, daß sie diese Methodenwahl in ihrem Bericht ausführlich begründet habe, daß der Gerichtshof sie stillschweigend in seinen Urteilen Tournier und Lucazeau u. a. gebilligt habe und daß die Kläger selbst eingeräumt hätten, daß der Bericht darauf hinauslaufe, daß die behaupteten Zuwiderhandlungen gegeben seien.

Würdigung durch das Gericht

57 Die Prüfung des ersten Klagegrundes, mit dem ein Begründungsmangel geltend gemacht wird, hat ergeben, daß die streitige Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären ist, als mit ihr die von den Klägern erhobene Rüge einer Abschottung des Marktes zurückgewiesen wurde. Mithin ist der Teil des vorliegenden Klagegrundes, mit dem ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen der angeblichen Abschottung des Marktes geltend gemacht wird, gegenstandslos geworden.

58 Somit ist der vorliegende Klagegrund ausschließlich in bezug auf die Rügen zu prüfen, mit denen in den Beschwerden eine Verletzung des Artikels 86 des Vertrages geltend gemacht wurde, nämlich den überhöhten und diskriminierenden Charakter der Gebührensätze der SACEM und die angebliche Weigerung der SACEM, den französischen Diskotheken die Nutzung nur ihres ausländischen Bestandes zu gestatten.

59 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Artikel 85 Absatz 1 und 86 des Vertrages nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts in den Beziehungen zwischen den Bürgern unmittelbare Wirkungen erzeugen und in deren Person Rechte entstehen lassen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (Urteile des Gerichtshofes vom 30. Januar 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT, Slg. 1974, 51, Randnr. 16; vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 37/79, Lauder, Slg. 1980, 2481, Randnr. 13; vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 45, und Urteil des Gerichts in der Rechtssache Tetra Pak/Kommission, a. a. O., Randnr. 42). Angesichts dieser Verteilung der Zuständigkeit auf Kommission und nationale Gerichte und des sich hieraus ergebenden Rechtsschutzes für die Bürger vor den nationalen Gerichten haben Gerichtshof und Gericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 demjenigen, der eine Beschwerde nach diesem Artikel einlegt, keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne des Artikels 189 EWG-Vertrag über das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertrages verleiht (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1979 in der Rechtssache 125/78, GEMA/Kommission, Slg. 1979, 3173, Randnr. 17; Urteile Rendo u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 98, und Automec II, a. a. O., Randnrn. 75 und 76). Etwas anderes gilt nur, wenn die Beschwerde ihrem Gegenstand nach in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fällt, wie dies beim Widerruf einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages der Fall ist (Urteile Automec II, Randnr. 75, und Rendo u. a./Kommission, Randnr. 99).

60 Zum ersten Teil dieses Klagegrundes, der darauf gestützt ist, daß die Kommission bei der Zurückweisung der Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses einen Rechtsfehler begangen habe, ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht im Urteil Automec II entschieden hat, daß die Kommission befugt ist, bei der Prüfung der bei ihr eingereichten Beschwerden unterschiedliche Priorität zu setzen, und daß sie hierbei auf das Gemeinschaftsinteresse an einer Sache als Kriterium für die Priorität abstellen kann (Randnrn. 83 bis 85). Aus demselben Urteil, in dem sich das Gericht insbesondere zur Rechtmässigkeit einer Einstellungsverfügung geäussert hat, ergibt sich ebenfalls, daß die Kommission eine Beschwerde wegen mangelnden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückweisen kann. Dieser Teil des vorliegenden Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

61 Was den zweiten Teil des Klagegrundes anlangt, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie sich auf den Grundsatz der Subsidiarität berufen habe, um die Verweisung der Beschwerde an die nationalen Gerichte zu rechtfertigen, so ergibt sich aus den Punkten 6 bis 8 der streitigen Entscheidung, daß die Kommission die Zurückweisung der Beschwerden der Kläger nicht auf den Grundsatz der Subsidiarität, sondern allein auf das Fehlen eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses gestützt hat. Unter diesen Umständen machen die Kläger nach Auffassung des Gerichts mit diesem Teil des Klagegrundes geltend, daß die streitige Entscheidung deswegen rechtswidrig sei, weil die Kommission unter den Gegebenheiten des vorliegendes Falles, statt die Sache an die nationalen Gerichte zu verweisen, die Feststellung hätte treffen müssen, daß die Gebührenpraktiken der SACEM eine Verletzung des Artikels 86 des Vertrages darstellten. Nach der in Randnummer 59 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung hatten die Kläger indessen keinen Anspruch auf eine solche Entscheidung der Kommission, selbst wenn diese zu der Überzeugung gelangt wäre, daß die betreffenden Praktiken einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages darstellten. Mithin ist auch dieser Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

62 Zum dritten Teil dieses Klagegrundes, mit dem ein angeblicher Fehler der Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht im Urteil Automec II festgestellt hat, daß bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung einer Sache die Kommission die Umstände des Einzelfalles und insbesondere die in der Beschwerde vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen hat. Sie hat insbesondere die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens und das Ausmaß der Untersuchungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, die notwendig sind, um unter den bestmöglichen Bedingungen ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Artikel 85 und 86 zu erfuellen (Randnr. 86). Daß ein nationales Gericht oder eine nationale Wettbewerbsbehörde bereits mit der Frage der Vereinbarkeit eines Kartells oder einer Verhaltensweise mit den Artikeln 85 oder 86 des Vertrages befasst ist, kann von der Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses, das in der Sache besteht, berücksichtigt werden. Entgegen dem Vorbringen der Kläger ist die Befugnis, die Befassung nationaler Gerichte als maßgebliches Kriterium bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung einer Sache zu berücksichtigen, nicht auf den Fall beschränkt, daß sich der Beschwerdeführer und derjenige, gegen den sich die Beschwerde richtet, in einem einzigen nationalen Verfahren gegenüberstehen.

63 Das Gericht stellt hierzu fest, daß die Kommission in den Punkten 6 bis 8 der streitigen Entscheidung ihre Beurteilung bezueglich des Vorliegens eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses zum einen darauf gestützt hat, daß die behaupteten Zuwiderhandlungen in anderen Mitgliedstaaten als Frankreich nur beschränkte Auswirkungen hervorrufen könnten, und zum anderen darauf, daß mehrere nationale Gerichte sowie der französische Conseil de la concurrence mit Verfahren befasst waren, in denen es um die gleichen Fragen wie in den Beschwerden ging.

64 Da zum einen feststeht, daß die Kläger die im wesentlichen nationale Auswirkung der in ihren Beschwerden als Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages gerügten Praktiken nicht bestreiten, und zum anderen, daß mehrere französische Gerichte in Verfahren zwischen der SACEM und den Klägern sowie der französische Conseil de la concurrence mit der Frage befasst waren, ob diese Praktiken mit den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des Vertrages vereinbar sind, ist im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Kommission angesichts dieser Tatsachen die Frage des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache nicht offensichtlich fehlerhaft beurteilt hat.

65 Werden die Auswirkungen der in einer Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen im wesentlichen nur im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats spürbar und wurden die Gerichte und zuständigen Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates mit Verfahren befasst, in denen sich der Beschwerdeführer und derjenige gegenüberstehen, gegen den sich die Beschwerde richtet, so ist nach Auffassung des Gerichts die Kommission befugt, die Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückzuweisen, sofern die Rechte des Beschwerdeführers in zufriedenstellender Weise, insbesondere von den nationalen Gerichten, geschützt werden können (Urteil Automec II, Randnrn. 89 bis 96).

66 Die Kläger machen indessen geltend, daß eine Verweisung an die nationalen Gerichte im vorliegenden Fall nicht zu rechtfertigen gewesen sei, weil die französischen Gerichte angesichts der Komplexität der Sache nicht in der Lage seien, eine ordnungsgemässe und einheitliche Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des Vertrages sicherzustellen.

67 Insoweit ist das Gericht zunächst der Auffassung, daß der Umstand, daß das nationale Gericht Schwierigkeiten bei der Auslegung der Artikel 85 oder 86 des Vertrages haben könnte, angesichts der durch Artikel 177 des Vertrages gebotenen Möglichkeit kein Gesichtspunkt ist, den die Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung einer Sache zu berücksichtigen hätte. Diese Vorschrift des Vertrages soll insbesondere die einheitliche Anwendung von Vorschriften des Vertrages dadurch gewährleisten, daß sie die einzelstaatlichen Gerichte, deren Entscheidungen selbst nicht mehr in Rechtsmittel des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, verpflichtet, den Gerichtshof um eine Vorabentscheidung zu ersuchen, wenn sich in einem bei ihnen anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung der Vorschriften des Vertrages stellt.

68 Dagegen können nach Auffassung des Gerichts die Rechte eines Beschwerdeführers vor dem innerstaatlichen Gericht nicht als ausreichend geschützt angesehen werden, wenn dieses Gericht angesichts der Komplexität der Sache bei vernünftiger Betrachtung nicht in der Lage ist, die Tatsachen zu ermitteln, die für die Feststellung erforderlich sind, ob die in der Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen eine Zuwiderhandlung gegen die Artikel 85 und/oder 86 des Vertrages darstellen.

69 Im vorliegenden Fall weist das Gericht zur Rüge des angeblich mißbräuchlichen Charakters der von der SACEM vorgeschriebenen Gebühren darauf hin, daß die Kommission gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 Auskunftsersuchen an die Gesellschaften zur Verwaltung von Urheberrechten in den einzelnen Mitgliedstaaten gerichtet und nach dieser Untersuchung am 7. November 1991 einen Bericht erstellt hat, in dem sie die Höhe der von diesen Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten festgesetzten Gebühren auf einheitlicher Grundlage verglichen hat. Die einzigen in diesem Bericht enthaltenen individuellen Angaben über die Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der Mitgliedstaaten, insbesondere zur Höhe der von diesen Gesellschaften festgesetzten Gebühren, sind Informationen, die allgemein zugänglich sind. Unter diesen Umständen lässt sich den Akten nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen, daß die Übermittlung dieses Berichts an die nationalen Gerichte und seine Verwendung durch diese aus Gründen der Beachtung des rechtlichen Gehörs und des Berufsgeheimnisses beschränkt wären.

70 Angesichts der Entscheidungsformel der Urteile Tournier und Lucazeau u. a. ist das Gericht der Auffassung, daß die tatsächlichen Gesichtspunkte, wie sie in dem Bericht vom 7. November 1991 angeführt sind, der eben einen solchen Vergleich der Höhe der von den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten in den einzelnen Mitgliedstaaten festgesetzten Gebühren auf einheitlicher Grundlage enthält, den französischen Gerichten die Feststellung erlauben sollten, ob die Höhe der von der SACEM festgesetzten Gebühren einen Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 des Vertrages darstellt.

71 Das Gericht kann dem Vorbringen der Kläger nichts entnehmen, was die Begründetheit der von der Kommission beim Vergleich der Tarife angewandten Methode in Frage stellen könnte. Im übrigen haben die Kläger auf Seite 8 ihrer Klageschrift geltend gemacht: "Der Bericht [vom 7. November 1991] ist ein wesentlicher Bestandteil der Akten, weil er in aller Eindeutigkeit den Mißbrauch der beherrschenden Stellung erkennen lässt, dessen sich die SACEM schuldig gemacht hat und weiterhin schuldig macht."

72 Bezueglich der Rüge des angeblich diskriminierenden Charakters der Anwendung dieser Gebührensätze weist das Gericht darauf hin, daß die Kommission in ihrem Bericht vom 7. November 1991 auch die Tatsachen in Zusammenhang mit dieser Rüge geprüft und es dem nationalen Gericht überlassen hat, diese Tatsachen rechtlich zu würdigen.

73 Zu der Rüge der angeblichen Weigerung der SACEM, den französischen Diskotheken die Benutzung nur ihres ausländischen Bestandes zu gestatten, stellt das Gericht fest, daß die Kläger nichts Konkretes vorgebracht haben, was die Kompetenz der französischen Gerichte zur Ermittlung der Tatsachen in Zweifel ziehen könnte, die für die Feststellung notwendig sind, ob dieses Verhalten der SACEM ° eines französischen Unternehmens mit Sitz in Frankreich ° eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages darstellt.

74 Demgemäß haben die Kläger nach Auffassung des Gerichts keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgebracht, daß ihre Rechte und die ihrer Mitglieder nicht in befriedigender Weise von den französischen Gerichten gewahrt werden könnten. Unter den Umständen des vorliegenden Falles war es daher legitim, die Beschwerden der Kläger wegen mangelnden Gemeinschaftsinteresses nur auf der Grundlage der Feststellung zurückzuweisen, daß der Schwerpunkt der behaupteten Zuwiderhandlung in Frankreich liege und die französischen Gerichte mit der Sache befasst seien. Der zweite Teil dieses Klagegrundes ist daher zurückzuweisen, ohne daß im vorliegenden Fall zu prüfen wäre, ob die Tatsache der Befassung des französischen Conseil de la concurrence allein ausgereicht hätte, die Zurückweisung der Beschwerde durch die Kommission zu rechtfertigen.

75 Die Prüfung der streitigen Entscheidung durch das Gericht hat demnach weder einen Rechtsfehler noch offensichtliche Beurteilungsfehler erkennen lassen. Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung mehrerer allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts

76 Die Kläger machen geltend, die Kommission habe mit der Verweisung der Sache an die nationalen Gerichte nach vierzehnjähriger Untersuchung, während deren sie nie die Frage eines fehlenden Gemeinschaftsinteresses angeschnitten habe, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstossen. Die Kommission habe insoweit durch ihre Vorgehensweise bei den Klägern eine berechtigte Erwartung geschaffen, daß sie die durch die Beschwerden aufgeworfenen Rechtsfragen selbst entscheiden werde.

77 Ausserdem verletze die streitige Entscheidung den Grundsatz der Rechtssicherheit, weil sie eine abweichende nationale Rechtsprechung weiterbestehen lasse und damit die Gefahr einer sozialen Unordnung sowohl auf der Ebene der Gesetzgebung als auch auf der der privaten Interessen heraufbeschwöre. Ausserdem habe die Kommission, da sie sich unter solchen Umständen geweigert habe, eine Entscheidung über das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zu treffen, die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts ausser acht gelassen und ihre Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten verletzt. Ausserdem habe die Kommission auch den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung nicht beachtet, wie er im Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 140/82, 105/82, 108/82 und 110/82 (IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369) festgelegt worden sei, weil sie mehrere von den Parteien im Verlauf der Untersuchung vorgelegte Schriftstücke nicht geprüft habe.

78 Das Gericht weist darauf hin, daß die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 99/63 mit Ausnahme der Bereiche, in denen die Kommission über eine ausschließliche Zuständigkeit verfügt, den Klägern keinen Anspruch auf eine Entscheidung im Sinne des Artikels 189 des Vertrages darüber verleihen, ob ein Verstoß gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertrages vorliegt oder nicht (Urteil GEMA/Kommission, a. a. O., Randnr. 17; Urteil Rendo u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 98, und Urteil Automec II, a. a. O., Randnrn. 75 und 76).

79 Was die angebliche Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes betrifft, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, daß die Kläger bei der Einreichung ihrer Beschwerde wissen mussten, daß sie keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission hatten, mit der festgestellt würde, daß die von ihnen angezeigten Praktiken der SACEM eine Verletzung der Artikel 85 oder 86 des Vertrages darstellten. Die Kläger haben auch keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgebracht, daß die Kommission ihnen im Verlauf des Verwaltungsverfahrens Anlaß zu der Annahme gegeben hätte, daß sie eine solche Entscheidung treffen werde. Insbesondere ist nach Auffassung des Gerichts die Länge der Untersuchung für sich genommen nicht geeignet, ein solches Vertrauen zu begründen.

80 Das Vorbringen einer Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ist daher zurückzuweisen.

81 Was das Vorbringen betrifft, die Kommission habe mit ihrer Weigerung, eine Entscheidung zu treffen, angesichts der Uneinheitlichkeit der nationalen Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit der Artikel 85 und 86 auf die Praktiken der SACEM den Grundsatz der Rechtssicherheit und ihre Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten verletzt, ist das Gericht der Auffassung, daß dieses Vorbringen darauf hinausläuft, der Kommission die Verpflichtung aufzuerlegen, ausserhalb der Bereiche, in denen sie über eine ausschließliche Zuständigkeit verfügt, eine Entscheidung über das Vorliegen angeblicher Verstösse zu treffen, um die Einheitlichkeit der nationalen Gerichtsentscheidungen zur Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts sicherzustellen. Dies aber würde nicht nur im Widerspruch zu der in Randnummer 78 dieses Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung stehen, wonach die Kommission nicht verpflichtet ist, eine Entscheidung darüber zu erlassen, ob die in einer Beschwerde behandelte Zuwiderhandlung vorliegt oder nicht, sondern würde auch auf einem fehlerhaften Verständnis der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Kommission und nationalen Gerichten beruhen. Es ist nämlich in erster Linie Sache der nationalen Gerichte, für eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts Sorge zu tragen; zu diesem Zweck können sie dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung gemäß Artikel 177 des Vertrages vorlegen.

82 Auch dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.

83 Was die angebliche Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung angeht, sieht sich das Gericht auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger hierzu nicht in der Lage, mit hinreichender Genauigkeit Natur und Gegenstand der Rüge festzustellen, die die Kläger gegenüber der Kommission erheben. Dem Gericht ist insbesondere nicht ersichtlich, welche Schriftstücke die Kommission nicht berücksichtigt haben soll oder aus welchen Gründen diese Unterlassung eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung darstellen soll. Folglich ist auch dieses Vorbringen zurückzuweisen.

84 Demgemäß ist der Klagegrund einer Verletzung mehrerer allgemeiner Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Ermessensmißbrauchs

Vorbringen der Beteiligten

85 Nach Auffassung der Kläger hat sich die Kommission wegen der Art und Weise, in der sie die Beschwerden behandelt hat, eines Ermessensmißbrauchs schuldig gemacht. Aus verfahrensrechtlicher Sicht beanstanden sie die Länge der Untersuchung und die unzureichenden Untersuchungsmaßnahmen. Die Kommission habe vorsätzlich eine Entscheidung verzögert, um die Ungewißheit darüber aufrechtzuerhalten, ob die Praktiken der SACEM wettbewerbswidrig seien. Die Kommission habe über ausreichende Beweise verfügt, um die Praktiken der SACEM nach den Artikeln 85 und 86 des Vertrages zu qualifizieren, habe indessen wegen politischen Drucks beschlossen, dies nicht zu tun. Die Kläger weisen das Gericht zum Beweis für solchen Druck auf bestimmte Erklärungen eines Beamten der Generaldirektion "Binnenmarkt" (GD III) sowie eines Vertreters der SACEM auf einer Urheberrechtskonferenz in Madrid am 16. und 17. März 1992 hin.

86 Die Kommission weist darauf hin, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts der Vorwurf eines Ermessensmißbrauchs nur dann Berücksichtigung finden könne, wenn der Kläger objektive, schlüssige und übereinstimmende Indizien dafür vorbringe. In der vorliegenden Sache hätten die Kläger nur undeutliche Behauptungen aufgestellt und keinen konkreten Anhaltspunkt dafür vorgetragen, daß die Kommission mit der Zurückweisung der Beschwerden in Wirklichkeit eine Anwendung der Wettbewerbsregeln auf die SACEM habe vermeiden wollen. Im übrigen entspreche die gegen sie erhobene Rüge schwerlich ihrem Verhalten während der gesamten Untersuchung und ihren Stellungnahmen aus Anlaß der verschiedenen angeführten Vorabentscheidungssachen.

Würdigung durch das Gericht

87 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteile des Gerichtshofes vom 21. Juni 1984 in der Rechtssache 69/83, Lux/Rechnungshof, Slg. 1984, 2447, Randnr. 30; vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24, und Urteil des Gerichts vom 9. Februar 1994 in der Rechtssache T-109/92, Lacruz Bassols/Gerichtshof, Slg. ÖD 1994, II-105, Randnr. 52).

88 Nach Auffassung des Gerichts lassen die von den Klägern vorgetragenen Gesichtspunkte nicht den Schluß zu, daß die Kommission ihr Ermessen mißbraucht hätte.

89 Zur Dauer des Verfahrens weist das Gericht darauf hin, daß die Beschwerden der Kläger nach Punkt 1 der streitigen Entscheidung nicht vor 1986 eingelegt worden sind. Ferner ist unstreitig, daß diese Beschwerden neue Fragen des Gemeinschaftsrechts aufwarfen und daß die Kommission ihre Untersuchung unterbrochen hat, um im Anschluß an im Dezember 1987 und im August 1988 an den Gerichtshof gerichtete Vorabentscheidungsersuchen den dann am 13. Juli 1989 erfolgten Erlaß der Urteile Tournier und Lucazeau u. a. abzuwarten. Nach dem Erlaß dieser Urteile hat die Kommission versucht, eine homogene Vergleichsbasis für Tarife festzulegen, und hat zu diesem Zweck Auskunftsersuchen an mehrere Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten gerichtet. Sie hat sodann am 7. November 1991 ihren Bericht erstellt, am 20. Januar 1992 das Schreiben nach Artikel 6 abgesandt und am 12. November 1992 die streitige Entscheidung erlassen.

90 Angesichts der Neuheit der durch die Beschwerden aufgeworfenen Rechtsfragen und ihres Zusammenhangs mit den in den Rechtssachen Tournier und Lucazeau u. a. vorgelegten Vorabentscheidungsfragen ist das Gericht der Auffassung, daß der Kommission wegen der Aussetzung ihrer Untersuchung der Beschwerden in Erwartung der Urteile des Gerichtshofes in diesen Rechtssachen kein Vorwurf gemacht werden kann. Darüber hinaus kann nach Auffassung des Gerichts der zwischen der Verkündung dieser Urteile am 13. Juli 1989 einerseits und der Erstellung des Berichts am 7. November 1991 und dem Erlaß der streitigen Entscheidung am 12. November 1992 andererseits verstrichene Zeitraum keineswegs den Schluß rechtfertigen, die Kommission habe vorsätzlich die Untersuchung der Beschwerden verzögert, um die Ungewißheit bezueglich der angeblichen Wettbewerbswidrigkeit der Verhaltensweise der SACEM aufrechtzuerhalten. Ausserdem ist der Bericht vom 7. November 1991 von der Kommission gerade deshalb erstellt worden, um den nationalen Gerichten die Möglichkeit zu geben, die Vereinbarkeit der Tarifpraktiken der SACEM mit Artikel 86 des Vertrages zu beurteilen.

91 Die Kläger versuchen darüber hinaus, den Vorwurf eines Ermessensmißbrauchs damit zu begründen, daß die Untersuchungsmaßnahmen unzulänglich gewesen seien. Das Gericht stellt indessen fest, daß dieses Vorbringen im Widerspruch zu einem anderen Vorbringen der Kläger steht, wonach die Kommission über ausreichende Beweismittel verfügt habe ° und dies bedeutet notwendig, daß weitere Untersuchungsmaßnahmen nach Ansicht der Kläger nicht erforderlich waren °, um die Praktiken der SACEM unter dem Blickwinkel der Artikel 85 und 86 des Vertrages zu qualifizieren, diese Qualifikation jedoch allein wegen des politischen Drucks unterlassen habe. Auf jeden Fall weist das Gericht darauf hin, daß die Kommission, wenn ihr eine Beschwerde nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgelegt wird, nicht verpflichtet ist, in allen Fällen eine vollständige Untersuchung durchzuführen oder eine Entscheidung über das Vorliegen der behaupteten Zuwiderhandlung zu treffen (Urteil Automec II, Randnrn. 75 bis 85).

92 Zur Stützung ihres Vorbringen, daß die Entscheidung das Ergebnis politischen Drucks auf die Kommission gewesen sei, weisen die Kläger das Gericht auf bestimmte Auszuege aus dem Protokoll einer Urheberrechtskonferenz in Madrid vom 16. und 17. März 1992 hin (Anhang 21 zur Klageschrift). Diese Auszuege betreffen insbesondere eine Äusserung eines Beamten der Kommission in der Generaldirektion "Binnenmarkt" zu dem Schreiben nach Artikel 6 sowie Erklärungen eines Vertreters der SACEM über die Politik der Generaldirektion "Binnenmarkt" im Bereich des Urheberrechts. Das Gericht kann diesen Auszuegen nicht die notwendigen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ermessensmißbrauchs entnehmen.

93 Nach alledem ist der Klagegrund eines Ermessensmißbrauchs zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

94 Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Kläger und die Kommission mit ihrem Vorbringen teilweise unterlegen sind, hat die Kommission ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Kläger zu tragen. Der Streithelfer hat seine eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung der Kommission vom 12. November 1992 wird insoweit für nichtig erklärt, als mit ihr die von den Klägern erhobene Rüge einer Abschottung des Marktes infolge eines angeblichen Kartells zwischen der Société des auteurs, compositeurs et éditeurs de musique und den Gesellschaften zur Wahrnehmung von Urheberrechten der anderen Mitgliedstaaten zurückgewiesen wird.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Kläger. Die Kläger tragen die andere Hälfte ihrer eigenen Kosten. Der Streithelfer trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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