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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: T-50/00
Rechtsgebiete: Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag
Vorschriften:
Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag Art. 1 Abs. 2 | |
Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Art. 81 EG-Vertrag Art. 4 |
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004. - Dalmine SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Kartelle - Märkte für nahtlose Stahlrohre - Dauer der Zuwiderhandlung - Geldbußen. - Rechtssache T-50/00.
Parteien:
In der Rechtssache T-50/00
Dalmine SpA mit Sitz in Dalmine (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Siragusa und F. Moretti, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Erhart und A. Whelan als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt A. Dal Ferro, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache IV/E-1/35.860-B - Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1) oder, hilfsweise, Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidentens N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19., 20. und
21. März 2003,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt und Verfahren
1. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG (Sache IV/E 1/35.860B - Nahtlose Stahlrohre) (ABl. 2003, L 140, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung oder Entscheidung).
2. Die Kommission richtete die angefochtene Entscheidung an acht Unternehmen, die unlegierte nahtlose Stahlrohre herstellen (im Folgenden: Adressaten der angefochtenen Entscheidung). Zu diesen Unternehmen gehören vier europäische Unternehmen (im Folgenden: europäische Hersteller oder Gemeinschaftshersteller), nämlich die MannesmannröhrenWerke AG (im Folgenden: Mannesmann), die Vallourec SA (im Folgenden: Vallourec), die Corus UK Ltd (ehemals British Steel plc, dann British Steel Ltd, im Folgenden: Corus) und die Dalmine SpA (im Folgenden: Dalmine). Die übrigen vier Adressaten der Entscheidung sind japanische Unternehmen (im Folgenden: japanische Hersteller oder japanische Klägerinnen): die NKK Corp. (im Folgenden: NKK), die Nippon Steel Corp. (im Folgenden: Nippon), die Kawasaki Steel Corp. (im Folgenden: Kawasaki) und die Sumitomo Metal Industries Ltd (im Folgenden: Sumitomo).
Das Verwaltungsverfahren
3. Mit Entscheidung vom 17. November 1994 ermächtigte die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelszone (EFTA) gemäß Artikel 8 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, genehmigt durch den Beschluss 94/1/EGKS, EG des Rates und der Kommission vom 13. Dezember 1993 über den Abschluss des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten sowie der Republik Österreich, der Republik Finnland, der Republik Island, dem Fürstentum Liechtenstein, dem Königreich Norwegen, dem Königreich Schweden und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (ABl. 1994, L 1, S. 1, im Folgenden: EWRAbkommen oder EWR), ihr für Wettbewerbssachen zuständiges Mitglied, die Kommission um die Durchführung einer Untersuchung auf dem Gebiet der Gemeinschaft zu ersuchen, um festzustellen, ob im Hinblick auf unlegierte nahtlose Stahlrohre, die die norwegische Erdölindustrie für Bohrungen und Ölleitungen einsetzte, möglicherweise wettbewerbswidrige Praktiken vorlagen.
4. Mit einem nicht veröffentlichten Beschluss vom 25. November 1994 (Sache IV/35.304, im Folgenden: Beschluss vom 25. November 1994), der als Seite 3 in der Kommissionsakte enthalten ist und auf der doppelten Rechtsgrundlage von Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), und der Entscheidung der EFTA Überwachungsbehörde vom 17. November 1994 erging, entschied die Kommission, eine Untersuchung durchzuführen. Diese Untersuchung sollte sich mit den in der Entscheidung der EFTAÜberwachungsbehörde vom 17. November 1994 genannten Praktiken befassen, soweit diese einen möglichen Verstoß nicht nur gegen Artikel 53 EWR, sondern auch gegen Artikel 81 EG darstellten. Die Kommission richtete ihren Beschluss vom 25. November 1994 an acht Unternehmen, darunter Mannesmann, Corus, Vallourec und eine Gesellschaft des SumitomoKonzerns, die Sumitomo Deutschland GmbH. Am 1. und 2. Dezember 1994 nahmen Beamte der Kommission und Vertreter der Wettbewerbsbehörden der jeweiligen Mitgliedstaaten bei diesen Unternehmen aufgrund dieses Beschlusses Nachprüfungen vor.
5. Mit Beschluss vom 6. Dezember 1995 stellte die EFTAÜberwachungsbehörde fest, dass die bei ihr anhängige Sache, da eine erhebliche Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft vorliege, nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c EWR in die Zuständigkeit der Kommission falle. Sie überwies die Sache daher gemäß Artikel 10 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des EWRAbkommens an die Kommission; diese gab der Sache von diesem Datum an ein neues Aktenzeichen (IV/E1/35.860).
6. Zwischen September 1996 und Dezember 1997 nahm die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei Vallourec, Dalmine und Mannesmann zusätzliche Nachprüfungen vor. Insbesondere führte sie am 17. September 1996 eine Nachprüfung bei Vallourec durch, bei der Herr Verluca, der Vorstandsvorsitzende der Vallourec Oil & Gas, eine auf Seite 6356 der Kommissionsakte wiedergegebene Erklärung (im Folgenden: Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996) abgab, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat. Anschließend richtete die Kommission an alle Adressaten der angefochtenen Entscheidung und einige weitere Unternehmen Auskunftsersuchen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17.
7. Da Dalmine und die argentinischen Unternehmen Siderca SAIC (im Folgenden: Siderca) und Techint Group einige der angeforderten Auskünfte verweigerten, richtete die Kommission am 6. Oktober 1997 an sie eine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 (C[1997] 3036, IV/35.860, Stahlrohre, nicht veröffentlicht). Siderca und Dalmine erhoben gegen diese Entscheidung beim Gericht Nichtigkeitsklage. Die von Dalmine erhobene Nichtigkeitsklage wurde mit Beschluss vom 24. Juni 1998 in der Rechtssache T596/97 (Dalmine/Kommission, Slg. 1998, II2383) als offensichtlich unzulässig abgewiesen, während die Nichtigkeitsklage von Siderca nach ihrer Rücknahme durch die Klägerin mit Beschluss vom 7. Juni 1998 in der Rechtssache T8/98 (Siderca/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) aus dem Register des Gerichts gestrichen wurde.
8. Auch Mannesmann verweigerte verschiedene von der Kommission verlangte Auskünfte. Trotz einer gegen sie ergangenen Entscheidung der Kommission vom 15. Mai 1998 (C[1998] 1204, IV/35.860, Stahlrohre, nicht veröffentlicht) gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 blieb Mannesmann bei ihrer Weigerung und erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Gericht. Mit Urteil vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache T112/98 (MannesmannröhrenWerke/Kommission, Slg. 2001, II729) erklärte das Gericht die Entscheidung für teilweise nichtig und wies die Klage im Übrigen ab.
9. Im Januar 1999 erließ die Kommission zwei Mitteilungen von Beschwerdepunkten, von denen die eine geschweißte, die andere nahtlose Stahlrohre zum Gegenstand hatte. Sie trennte somit das Verfahren, wobei die Sache IV/E1/35.860A unlegierte geschweißte Stahlrohre, die Sache IV/E1/35.860B unlegierte nahtlose Stahlrohre betraf.
10. In der nahtlose Stahlrohre betreffenden Sache sandte die Kommission ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte an die acht Unternehmen, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist, sowie an Siderca und das mexikanische Unternehmen Tubos de Acero de México SA. Diese Unternehmen erhielten in der Zeit vom 11. Februar bis 20. April 1999 Einsicht in die Akten, die die Kommission in dieser Sache zusammengestellt hatte. Außerdem übersandte die Kommission mit Schreiben vom 11. Mai 1999 Kopien der Nachprüfungsbeschlüsse vom November 1994 an die Unternehmen, an die diese Beschlüsse nicht gerichtet worden waren und die sie daher noch nicht kannten.
11. Nach Einreichung ihrer schriftlichen Stellungnahmen wurden die Adressaten der beiden Mitteilungen der Beschwerdepunkte von der Kommission in der Sache der geschweißten Stahlrohre am 9. Juni 1999 und in der die nahtlosen Stahlrohre betreffenden Sache am 10. Juni 1999 angehört. Im Juli 1999 teilte die Kommission den Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte in der unlegierte geschweißte Stahlrohre betreffenden Sache IV/E1/35.860A mit, dass sie dieses Verfahren eingestellt habe. Die Sache IV/E1/35.860B wurde hingegen weiterbetrieben.
12. Am 8. Dezember 1999 erließ die Kommission sodann die angefochtene Entscheidung
Die betroffenen Produkte
13. Die Produkte, um die es in der Sache IV/E1/35.860B geht, sind unlegierte nahtlose Stahlrohre, die in der Öl und Gasindustrie verwendet werden und zu denen zwei große Produktgruppen gehören.
14. Die erste Produktgruppe sind die Ölfeldrohre, die gemeinhin als Oil Country Tubular Goods oder OCTG bezeichnet werden. Diese Rohre werden entweder ohne Gewinde (so genannte Glattendrohre) oder als Gewinderohre verkauft. Das Gewindeschneiden dient dazu, die OCTGRohre miteinander verbinden zu können. Das Gewinde kann entweder in einer vom American Petroleum Institute (API) normierten Standardausführung (nach dieser Norm hergestellte Gewinderohre werden im Folgenden als OCTGStandardrohre bezeichnet) oder in Spezialausführungen nach in der Regel patentgeschützten Techniken geschnitten werden. Im letzteren Fall spricht man von erstklassigen oder Premiumgewinden oder gegebenenfalls erstklassigen oder Premiumverbindungen (Gewinderohre in einer solchen Ausführung werden im Folgenden als OCTG Premiumrohre bezeichnet).
15. Die zweite Produktgruppe besteht aus den Leitungsrohren für Öl und Gas (line pipe) aus unlegiertem nahtlosem Stahl, bei denen unterschieden wird zwischen Rohren in einer Standardausführung und den für bestimmte Projekte maßgefertigten Rohren (im Folgenden: projektbezogene Leitungsrohre).
Die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen
16. In der angefochtenen Entscheidung nimmt die Kommission zunächst an, dass die acht Hersteller, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet ist, eine Übereinkunft getroffen hätten, die neben anderen Punkten den gegenseitigen Schutz ihrer nationalen Heimatmärkte zum Gegenstand gehabt habe (Randnrn. 62 bis 67 der angefochtenen Entscheidung). Nach dieser Übereinkunft habe jedes Unternehmen davon Abstand genommen, OCTG Standardrohre und projektbezogene Leitungsrohre auf dem Heimatmarkt eines anderen Teilnehmers an der Übereinkunft zu verkaufen. Diese Übereinkunft sei im Rahmen von Sitzungen, die von Herstellern der Gemeinschaft und aus Japan abgehalten worden seien, geschlossen worden, wobei diese Zusammenkünfte als der so genannte Europäisch Japanische Club bekannt gewesen seien. Der Grundsatz des Schutzes der Heimatmärkte sei unter der Bezeichnung Grundregeln (fundamentals) bekannt gewesen. Hilfsweise weist die Kommission in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, dass die Grundregeln tatsächlich respektiert worden seien und die Übereinkunft folglich wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt gehabt habe (Randnr. 68 der angefochtenen Entscheidung).
17. Die Kommission sah in dieser Übereinkunft einen Verstoß gegen den Verbotstatbestand des Artikels 81 Absatz 1 EG (Randnr. 109 der angefochtenen Entscheidung). Sie stellte daher in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen dieser Zuwiderhandlung fest und verhängte gegen die acht Unternehmen, an die sich die Entscheidung richtete, Geldbußen.
18. Hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung ging die Kommission davon aus, dass zwar der Europäisch Japanische Club bereits seit 1977 Sitzungen veranstaltet habe (Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung), dass aber für die Festsetzung der Geldbußen als Beginn der Zuwiderhandlung das Jahr 1990 anzusetzen sei, weil 1977 bis 1990 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Japan Abkommen über eine Selbstbeschränkung (im Folgenden: Selbstbeschränkungsabkommen) bestanden hätten (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung). Nach Auffassung der Kommission endete die Zuwiderhandlung im Jahr 1995 (Randnrn. 96 und 97 der angefochtenen Entscheidung).
19. Im Rahmen der Bemessung der Geldbußen, die gegen die acht von der angefochtenen Entscheidung betroffenen Unternehmen verhängt wurden, stufte die Kommission die Zuwiderhandlung als äußerst schweren Verstoß ein, weil die fragliche Vereinbarung über den Schutz der Heimatmärkte das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigt habe (Randnrn. 161 und 162 der angefochtenen Entscheidung). Sie wies allerdings darauf hin, dass die Adressaten der Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten jährlich nahtlose Stahlrohre nur im Wert von etwa 73 Millionen Euro abgesetzt hätten. Nach diesen Gesichtspunkten bezifferte die Kommission den Bußgeldbetrag wegen der Schwere des Verstoßes für jedes der acht Unternehmen auf 10 Millionen Euro. Da es sich durchweg um Großunternehmen handelte, hielt die Kommission eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht für notwendig (Randnrn. 162, 163 und 165 der angefochtenen Entscheidung).
20. Da der Verstoß von mittlerer Dauer gewesen sei, wandte die Kommission, um den Grundbetrag der gegen jedes der beteiligten Unternehmen zu verhängenden Geldbuße festzusetzen, für jedes Jahr der Beteiligung an der Zuwiderhandlung einen Aufschlag von 10 % auf den wegen der Schwere des Verstoßes angesetzten Betrag an (Randnr. 166 der angefochtenen Entscheidung). Da sich aber die Stahlrohrproduktion in einer langjährigen Krisensituation befunden und sich die Branchenlage seit 1991 noch weiter verschlechtert habe, minderte die Kommission wiederum den Grundbetrag um 10 % wegen mildernder Umstände (Randnrn. 168 und 169 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich setzte die Kommission gemäß Abschnitt D Nummer 2 ihrer Mitteilung 96/C 207/04 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) die gegen Vallourec zu verhängende Geldbuße um 40 % und die gegen Dalmine zu verhängende Geldbuße um 20 % niedriger fest, weil zu berücksichtigen sei, dass diese beiden Unternehmen im Verwaltungsverfahren mit der Kommission kooperiert hätten (Randnrn. 170 bis 173 der angefochtenen Entscheidung).
21. Die Beträge der gegen die betroffenen Unternehmen jeweils verhängten Geldbußen, wie sie sich aus der in den beiden vorstehenden Randnummern dargelegten Berechnung ergaben, sind in Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt (siehe unten, Randnr. 33).
22. Zweitens stellte die Kommission in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung fest, dass auch die Verträge zwischen den Gemeinschaftsherstellern über den Verkauf von Glattendrohren auf dem britischen Markt eine Zuwiderhandlung darstellten (Randnr. 116 der angefochtenen Entscheidung).
Der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellte wesentliche Sachverhalt
23. Laut der angefochtenen Entscheidung kam der EuropäischJapanische Club von 1977 bis 1994 in der Regel zweimal jährlich zusammen (Randnr. 60 der angefochtenen Entscheidung). Nach der Erklärung von Herrn Verluca vom 17. September 1996 hätten solche Sitzungen am 14. April 1992 in Florenz, am 23. Oktober 1992 in Tokyo, am 19. Mai 1993 in Paris, am 5. November 1993 in Tokyo und am 16. März 1994 in Cannes stattgefunden. Wie sich aus dem Vermerk Einige Informationen zum EuropäischJapanischen Club von Vallourec vom 4. November 1991 (S. 4350 der Kommissionsakte, im Folgenden: Vermerk Einige Informationen) und dem Vermerk vom 24. Juli 1990 mit dem Titel Sitzung vom 24. Juli 1990 mit British Steel (S. 15586 der Kommissionsakte, im Folgenden: Sitzungsvermerk vom 24. Juli 1990) ergebe, seien auch in den Jahren 1989 und 1991 weitere Sitzungen des EuropäischJapanischen Clubs abgehalten worden.
24. Die im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs getroffene Übereinkunft habe auf drei Säulen geruht, nämlich erstens den (oben in Randnr. 16 erwähnten) Grundregeln (fundamentals) des Heimatmarktschutzes, die den Verstoß im Sinne von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung bildeten, zweitens Preisabstimmungen für Ausschreibungen und der Festlegung von Mindestpreisen auf den so genannten Sondermärkten (special markets) und drittens der Aufteilung der restlichen Weltmärkte, außer Kanada und den Vereinigten Staaten von Amerika, mittels Verteilerschlüsseln (sharing keys) (Randnr. 61 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission stützte ihre Feststellung, dass das Vorliegen der Grundregeln erwiesen sei, auf ein Bündel von schriftlichen Indizien, die in den Randnummern 62 bis 67 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt sind, sowie auf die Tabelle in deren Randnummer 68. Dieser Tabelle sei zu entnehmen, dass der Anteil des jeweiligen heimischen Herstellers am Gesamtabsatz von OCTG und Leitungsrohren durch alle Adressaten der angefochtenen Entscheidung zusammen in Japan ebenso wie auf den Heimatmärkten der vier Gemeinschaftshersteller sehr hoch gewesen sei. Hieraus sei zu schließen, dass die heimischen Märkte von den Parteien der Übereinkunft insgesamt durchaus respektiert worden seien. Die Beweise für die anderen beiden Säulen der Übereinkunft legte die Kommission in den Randnummern 70 bis 77 der angefochtenen Entscheidung dar.
25. Als Corus im Jahr 1990 ihre Produktion von Glattendrohren habe einstellen wollen, sei für die Gemeinschaftshersteller die Frage entstanden, wie der in den Grundregeln festgelegte Heimatmarktschutz für den Markt des Vereinigten Königreichs beibehalten werden könne. Daraufhin hätten Vallourec und Corus ein Konzept von verbesserten Grundregeln (fundamentals improved) vorgeschlagen, deren Zweck es gewesen sei, die Zugangsbeschränkungen der japanischen Hersteller für den britischen Markt trotz des Rückzugs von Corus aufrechtzuerhalten. Im Juli 1990 hätten sich Vallourec und Corus, und zwar anlässlich der Verlängerung des Lizenzvertrags für die VAM Gewindeschneidetechnik, schließlich in diesem Sinne dahin geeinigt, dass die künftige Versorgung von Corus mit Glattendrohren den Unternehmen Vallourec, Mannesmann und Dalmine vorbehalten bleiben solle (Randnr. 78 der angefochtenen Entscheidung).
26. Im April 1991 habe Corus ihr Werk in Clydesdale (Vereinigtes Königreich) dann tatsächlich geschlossen, in dem sie zuvor ungefähr 90 % ihrer Glattendrohre hergestellt habe. Anschließend habe Corus Verträge über die Lieferung von Glattendrohren für ursprünglich fünf Jahre mit stillschweigender Verlängerung bei Ausbleiben einer Kündigung mit einer Frist von zwölf Monaten mit Vallourec (am 24. Juli 1991), Dalmine (am 4. Dezember 1991) und Mannesmann (am 9. August 1993) geschlossen (im Folgenden auch: Lieferverträge). Diese drei Verträge, die in der Kommissionsakte auf den Seiten 12867, 12910 und 12948 enthalten sind, weisen den begünstigten Unternehmen eine Lieferquote von 40 % respektive 30 % und 30 % des Bedarfes von Corus zu; davon ausgenommen sind Rohre mit schmalem Durchmesser (Randnrn. 79 bis 82 der angefochtenen Entscheidung).
27. Im Jahr 1993 seien die Grundsätze, nach denen der Europäisch Japanische Club funktioniert habe, durch drei Faktoren ins Wanken geraten. Erstens habe sich damals eine Umstrukturierung der europäischen Stahlindustrie vollzogen. So habe im Vereinigten Königreich Corus ihre letzten Produktionsbereiche, nämlich von nahtlosen Gewinderohren, aufgeben wollen. In Belgien sei zum 31. Dezember 1993 das Unternehmen New Tubemeuse (im Folgenden: NTM), dessen geschäftlicher Schwerpunkt der Export nach dem Mittleren und Fernen Osten gewesen sei, liquidiert worden. Als zweiter Faktor habe der Zugang der lateinamerikanischen Hersteller zum Gemeinschaftsmarkt den Fortbestand der im Rahmen des Europäisch Japanischen Clubs vereinbarten Verteilerschlüssel bedroht. Drittens und letztens sei auf dem Weltmarkt für Rohre zur Erdöl und Gasprospektierung und förderung trotz bleibender starker regionaler Unterschiede die Nachfrage nach geschweißten Rohren stark gestiegen (Randnrn. 83 und 84 der angefochtenen Entscheidung).
28. In diesem Zusammenhang hätten sich die Mitglieder des EuropäischJapanischen Clubs am 5. November 1993 in Tokyo getroffen, um zu versuchen, eine neue Marktaufteilungsvereinbarung mit den lateinamerikanischen Herstellern zu treffen. Der Inhalt der getroffenen Übereinkunft lasse sich einem Dokument mit einem Verteilerschlüssel (sharing key) entnehmen, das der Kommission am 12. November 1997 von einem am Verfahren nicht beteiligten Informanten übergeben worden sei (S. 7320 der Kommissionsakte, im Folgenden: VerteilerschlüsselPapier). Nach Aussage des Informanten stamme das Dokument von einem Handelsvertreter eines der Teilnehmer an dieser Sitzung. Was die Folgen der Umstellung der europäischen Stahlindustrie angehe, so habe die Schließung von NTM den Gemeinschaftsherstellern Zugeständnisse der japanischen und südamerikanischen Hersteller eingebracht, die vom Rückzug von NTM aus den Exportmärkten am meisten profitiert hätten (Randnrn. 85 bis 89 der angefochtenen Entscheidung).
29. Corus habe ihrerseits endgültig entschieden, ihre letzte verbleibende Erzeugung von nahtlosen Rohren einzustellen. Am 22. Februar 1994 habe Vallourec die Kontrolle über die Gewindeschneide und sonstigen Produktionsanlagen für Rohre von Corus übernommen und zu diesem Zweck das Unternehmen Tubular Industries Scotland Ltd gegründet; dieses Unternehmen habe zum 31. März 1994 die Lieferverträge für Glattendrohre übernommen, die Corus mit Dalmine und Mannesmann geschlossen habe. Am 24. April 1997 sei der mit Mannesmann geschlossene Vertrag noch in Kraft gewesen. Am 30. März 1999 habe Dalmine den Liefervertrag mit der Tubular Industries Scotland Ltd beendet (Randnrn. 90 bis 92 der angefochtenen Entscheidung).
30. Die Kommission meint, die Gemeinschaftshersteller hätten mit diesen Verträgen die Lieferquoten für Glattendrohre für den britischen Markt, auf den mehr als die Hälfte des Gemeinschaftsverbrauchs an OCTG Rohren entfalle, untereinander aufgeteilt; die Verträge seien daher eine nach Artikel 81 Absatz 1 EG verbotene Übereinkunft (vgl. oben, Randnr. 22).
Der Tenor der angefochtenen Entscheidung
31. Nach Artikel 1 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung haben die acht Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, gegen die Bestimmungen des Artikels 81 Absatz 1 EG Vertrag aufgrund der Beteiligung an einer Übereinkunft, die unter anderem den Schutz der Heimatmärkte für nahtlose [OCTG Standardrohre] und [projektbezogene Leitungsrohre] vorsah,... verstoßen.
32. Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung erstreckte sich die Zuwiderhandlung im Fall von Mannesmann, Vallourec, Dalmine, Sumitomo, Nippon, der Kawasaki Steel Corp. und der NKK Corp. auf den Zeitraum 1990 bis 1995 und im Fall von Corus auf den Zeitraum von 1990 bis Februar 1994.
33. Die weiteren einschlägigen Bestimmungen der angefochtenen Entscheidung lauten:
Artikel 2
(1) [Mannesmann], [Vallourec], [Corus] und [Dalmine] haben gegen Artikel 81 Absatz 1 EG Vertrag verstoßen, indem sie im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung Verträge abgeschlossen haben, die zu einer Aufteilung der Glattendrohrlieferungen an [Corus] (ab 1994 [Vallourec]) geführt haben.
(2) Im Falle von [Corus] dauerte die Zuwiderhandlung vom 24. Juli 1991 bis Februar 1994, im Falle von [Vallourec] vom 24. Juli 1991 bis 30. März 1999, im Falle von [Dalmine] vom 4. Dezember 1991 bis 30. März 1999 und im Falle von [Mannesmann] vom 9. August 1993 bis 24. April 1997.
...
Artikel 4
Gegen die in Artikel 1 genannten Unternehmen werden wegen der dort bezeichneten Zuwiderhandlung folgende Geldbußen verhängt:
1. [Mannesmann] 13 500 000 EUR
2. [Vallourec] 8 100 000 EUR
3. [Corus] 12 600 000 EUR
4. [Dalmine] 10 800 000 EUR
5. [Sumitomo] 13 500 000 EUR
6. [Nippon] 13 500 000 EUR
7. [Kawasaki Steel Corp.] 13 500 000 EUR
8. [NKK Corp.] 13 500 000 EUR
...
Verfahren vor dem Gericht
34. Mit sieben Klageschriften, die zwischen dem 28. Februar und 3. April 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Mannesmann, Corus, Dalmine, die NKK Corp., Nippon, Kawasaki und Sumitomo gegen die angefochtene Entscheidung Klagen erhoben.
35. Mit Beschluss vom 18. Juni 2002 sind gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten die sieben Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden. Nach diesen Verbindungen konnten die Klägerinnen in den sieben Rechtssachen sämtliche Akten des vorliegenden Verfahrens bei der Kanzlei des Gerichts einsehen. Es sind ferner prozessleitende Maßnahmen erlassen worden.
36. Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien haben in der Sitzung vom 19., 20. und 21. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
37. Die Klägerin beantragt,
- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese sie betrifft;
- die gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder jedenfalls herabzusetzen;
- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
38. Die Kommission beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zu dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung
39. In der mündlichen Verhandlung hat Dalmine erklärt, dass sie, nachdem ihr im Wege prozessleitender Maßnahmen eine nichtvertrauliche Zusammenfassung der unkenntlich gemachten Teile von bestimmten Aktenstücken zugänglich gemacht worden sei, auf ihren Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte durch vertrauliche Behandlung dieser Unterlagen im Verwaltungsverfahren verzichte.
1. Zu den Klagegründen, mit denen eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Verwaltungsverfahren geltend gemacht wird
Zur Rechtmäßigkeit der von der Kommission während ihrer Untersuchung gestellten Fragen
Vorbringen der Parteien
40. Die Klägerin meint, dass durch voreingenommene Fragen der Kommission ihr Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, verletzt worden sei. Die Fragen seien darauf angelegt gewesen, sie entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnrn. 34 und 35) zu zwingen, das Vorliegen einer Zuwiderhandlung einzuräumen. Die angefochtene Entscheidung sei daher für nichtig zu erklären, soweit sie auf den Antworten auf diese Fragen beruhe.
41. Die Kommission habe sie nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 am 13. Februar und 22. April 1997 befragt. Sie habe dabei versucht, Dalmine zu dem Geständnis zu bewegen, dass sie an bestimmten Sitzungen von Stahlrohrherstellern teilgenommen habe und dass diese Sitzungen einem rechtswidrigen Zweck gedient hätten, indem sie ihr bestimmte rechtswidrige Praktiken wie Absprachen über den Schutz der Heimatmärkte vorgehalten und sie ermahnt habe, dass sie ihre Beteiligung daran eingestehen müsse. So habe die Kommission sie insbesondere aufgefordert, die beschlossenen Entscheidungen, die diskutierten oder beschlossenen Verteilerschlüssel (sharing keys) nach räumlichen Märkten und Geltungsdauer [und] die erörterten oder festgesetzten Preise nach ihrer Art und Geltungsgebieten und zeiträumen anzugeben. Dabei habe sie ihr vorgeworfen, diese Fragen nur zögerlich zu beantworten.
42. Am 12. Juni 1997 habe die Kommission Dalmine ein weiteres Mal zur Mitteilung der gewünschten Auskünfte aufgefordert. Da sie die Antworten von Dalmine für unvollständig gehalten habe, habe sie am 6. Oktober 1997 eine Entscheidung erlassen, mit der sie der Klägerin unter Androhung eines Zwangsgeldes die Mitteilung der angeforderten Auskünfte binnen 30 Tagen aufgegeben habe. Diese Entscheidung, gegen die Dalmine eine Klage erhoben habe (Beschluss Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 7), habe Dalmine einen Schaden verursacht.
43. Die Kommission bestreitet, dass sie Dalmine Fragen gestellt habe, die diese zu ihrer eigenen Belastung verpflichtet hätten.
44. Die Kommission erinnert weiter daran, dass es Unternehmen und Unternehmensverbänden frei stehe, ihnen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 gestellte Fragen nicht zu beantworten (Urteil des Grichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T25/95, T26/95, T30/95 bis T32/95, T34/95 bis T39/95, T42/95 bis T46/95, T48/95, T50/95 bis T65/95, T68/95 bis T71/95, T87/95, T88/95, T103/95 und T104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Zement, Slg. 2000, II491, Randnr. 734). Sanktionen kämen nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 17 nur bei unrichtigen Auskünften eines Unternehmens in Betracht.
Würdigung durch das Gericht
45. Wie sich aus dem Urteil Orkem/Kommission (zitiert oben in Randnr. 40, Randnr. 32) ergibt, betrifft der vorliegende Klagegrund die Verteidigungsrechte von Unternehmen (vgl. auch Urteil MannesmannröhrenWerke/Kommission, zitiert oben in Randnr. 8, Randnr. 63). Nach dieser Rechtsprechung hat ein Unternehmen, an das ein Auskunftsersuchen gemäß Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 gerichtet wird, ein Auskunftsverweigerungsrecht, soweit es unter Androhung einer Geldbuße zu Antworten verpflichtet wird, mit denen es das Vorliegen einer Zuwiderhandlung einräumen müsste, deren Beweis der Kommission obliegt (Urteile Orkem/Kommission, Randnr. 35, und MannesmannröhrenWerke/Kommission, Randnr. 67).
46. Dagegen sind Unternehmen, wie in ständiger Rechtsprechung entschieden, nach dieser Rechtsregel auf ein einfaches Auskunftsersuchen nach Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 nicht zur Beantwortung verpflichtet, und sie können daher, wenn sie ein solches Ersuchen freiwillig beantwortet haben, nicht geltend machen, es sei ihr Recht verletzt worden, sich nicht selbst zu belasten (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 734).
47. Selbst wenn die von Dalmine erhobene Rüge, manche der ihr gestellten Fragen seien rechtswidrig gewesen, im vorliegenden Verfahren zulässig wäre, obgleich sie gegen die Entscheidung vom 6. Oktober 1997 innerhalb der Frist nach Artikel 230 EG keine zulässige Klage erhoben hat (vgl. dazu Beschluss Dalmine/Kommission, zitiert oben in Randnr. 7, mit dem die Klage von Dalmine gegen die Entscheidung vom 6. Oktober 1997 abgewiesen wurde), ist darauf hinzuweisen, dass die angefochtene Entscheidung unter diesem Aspekt nur rechtswidrig sein könnte, wenn Dalmine durch die Fragen, die Gegenstand der Entscheidung vom 6. Oktober 1997 waren, dazu veranlasst wurde, das Vorliegen von in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen im Sinne des Urteils Orkem/Kommission (zitiert oben in Randnr. 40) einzuräumen. Aber auch wenn die Kommission in ihrem ursprünglichen Auskunftsersuchen vom 22. April 1997 eine lange Reihe von Fragen gestellt hatte, betrafen doch ihre einzigen Fragen an Dalmine im Rahmen der Entscheidung vom 6. Oktober 1997 die Mitteilung von Unterlagen und Angaben gänzlich objektiver Art und waren daher nicht geeignet, Dalmine zum Eingeständnis einer Zuwiderhandlung zu bewegen.
48. Was die Fragen an die argentinischen Unternehmen Techint Group und Siderca angeht, denen mit der Begründung, sie bildeten zusammen mit Dalmine nur ein einziges Unternehmen, gemeinsam mit dieser Geldbußen angedroht wurden (Randnr. 13 und Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung vom 6. Oktober 1997), so entspricht zwar die ihnen in der Entscheidung vom 6. Oktober 1997 erneut gestellte - und im Anhang der Entscheidung wiedergegebene - Frage 2, letzter Gedankenstrich, den Mannesmann mit Entscheidung vom 15. Mai 1998 gestellten Fragen 1.6, 1.7 und 2.3, jeweils letzter Gedankenstrich, die das Gericht auf der Grundlage des Urteils Orkem/Kommission (zitiert oben in Randnr. 40) in seinem Urteil MannesmannröhrenWerke/Kommission (zitiert oben in Randnr. 8) für nichtig erklärt hat.
49. Jedoch abgesehen davon, dass die Kommission diese Auskünfte nicht unmittelbar von Dalmine als juristische Person anforderte, bezog sich dieser Gedankenstrich der Frage allein auf das Verhältnis zwischen den europäischen und den lateinamerikanischen Herstellern, das einen Aspekt der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannten Übereinkunft bilden sollte, der letztlich in der angefochtenen Entscheidung nicht analysiert wurde.
50. Demnach konnte dieser Aspekt der Entscheidung der Kommission vom 6. Oktober 1997 Dalmine nicht dazu veranlassen, sich hinsichtlich der Zuwiderhandlung, die in der Marktaufteilungsabsprache zwischen den japanischen und europäischen Herstellern im Sinne von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung liegen soll, selbst zu belasten. Selbst wenn die Kommission insoweit rechtswidrig gehandelt haben sollte, kann dies somit keinerlei Auswirkung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung gehabt haben und diese daher nicht rechtswidrig machen.
51. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
Zur Übereinstimmung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Beweismittel
Vorbringen der Parteien
52. Dalmine erinnert daran, dass die Kommission einem Beschuldigten sämtliche Unterlagen zugänglich machen müsse, auf denen ihre Beanstandungen beruhten (XXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik , S. 113 und 114). Im vorliegenden Fall habe die Kommission aber sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung Schriftstücke zitiert, die der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht beigefügt gewesen seien.
53. Dabei handele es sich um
- ein Fax von Sumitomo vom 12. Januar 1990, das in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Randnummer 70 zitiert werde, in der Kommissionsakte auf S. 4785 enthalten sei und in Randnummer 71 der angefochtenen Entscheidung erwähnt werde, und
- um einen Bericht von Vallourec von 1994, der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Randnummer 119 zitiert werde, in der Kommissionsakte auf S. 14617 enthalten sei und in der Randnummer 92 der angefochtenen Entscheidung erwähnt werde.
54. Überdies zitiere die angefochtene Entscheidung verschiedene Dokumente, die zwar der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügt, darin selbst aber nicht erwähnt worden seien. Dies gelte für die Vernehmungsprotokolle der Herren Benelli, Jachia und Ciocca vom 2., 5. und 8. Juni 1995, 6. September 1995 und 21. Februar 1996 (S. 8220c der Akte, zitiert in Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung).
55. Durch dieses Vorgehen habe es die Kommission Dalmine beträchtlich erschwert, die Belastungsbeweise zu prüfen. Während die angefochtene Entscheidung die Unterlagen nach ihrer Registernummer aufführe, seien die Mitteilung der Beschwerdepunkte und die Akte, die sie in den Räumen der Kommission habe einsehen können, nach einer anderen Methode angelegt. Damit habe die Kommission ihre Verteidigungsrechte irreparabel beeinträchtigt, was allein die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertige. Hilfsweise mache sie geltend, dass die fraglichen belastenden Beweismittel im Verfahren nicht verwertet werden dürften und die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung demgemäß ohne ihre Berücksichtigung zu beurteilen sei (Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T30/91, Solvay/Kommission, Slg. 1995, II1775, Randnr. 98).
56. Die Kommission meint, dass Dalmine sämtliche Unterlagen, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 3. März 1999 oder in ihren Anlagen zitiert seien, im Rahmen ihrer Akteneinsicht habe prüfen können. Eine Verletzung der Verteidigungsrechte sei daher ausgeschlossen (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 144).
57. Das Schriftstück, das auf S. 8220c in die Verwaltungsakte aufgenommen worden sei, werde im Übrigen in Randnummer 46 der Mitteilung der Beschwerdepunkte zitiert.
58. Schließlich dürften der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügte, dort aber nicht erwähnte Schriftstücke in der Entscheidung gegen einen Kläger verwendet werden, wenn dieser aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte bei vernünftiger Betrachtung ableiten konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus ziehen wollte (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 323).
Würdigung durch das Gericht
59. Um es den betroffenen Unternehmen und Unternehmensverbänden zu ermöglichen, sich gegen die ihnen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zur Last gelegten Beschwerdepunkte sachgerecht verteidigen zu können, muss ihnen die Kommission die vollständige Ermittlungsakte zugänglich machen, ausgenommen die Schriftstücke, die die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen oder andere vertrauliche Informationen enthalten, und die internen Vermerke der Kommission selbst (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 144).
60. Wird ein Schriftstück in einer Mitteilung von Beschwerdepunkten erwähnt, ist ihr aber nicht beigefügt, so liegt hierin jedoch grundsätzlich keine Verletzung der Verteidigungsrechte, soweit die Adressaten der Mitteilung das Schriftstück einsehen konnten, bevor sie zu der Mitteilung Stellung zu nehmen hatten.
61. Im vorliegenden Fall macht die Kommission - unwidersprochen seitens Dalmine - hinsichtlich der in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zitierten, ihr aber nicht beigefügten Unterlagen geltend, dass Dalmine diese am 3. März 1999 habe einsehen können.
62. Zu dem Vorbringen, dass die Art und Weise, wie die Akteneinsicht hier organisiert gewesen sei, die Identifizierung der beiden fraglichen Schriftstücke erschwert habe, genügt der Hinweis, dass Dalmine hierdurch in ihrer Verteidigung nicht beeinträchtigt wurde, da sie selbst in ihrer Erwiderung erklärt hat, dass ihr die beiden Schriftstücke bei der Akteneinsicht durch die Kommission zugänglich gemacht worden seien.
63. Jedenfalls wurden beide Dokumente sowohl in der Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in der angefochtenen Entscheidung zur Beschreibung des generellen Kontextes, nicht aber der spezifischen Art der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen herangezogen, so dass eine Ausklammerung dieser Unterlagen aus der angefochtenen Entscheidung auf deren Begründetheit ohne Einfluss bliebe. So wird das vom 12. Januar 1990 datierende Fax von Sumitomo in der Mitteilung und der Entscheidung jeweils in dem Teil der Beschreibung des EuropäischJapanischen Clubs zitiert, der sich auf die Sondermärkte, also die Drittlandmärkte bezieht. Der Bericht von Vallourec von 1994 ist kurz in einer Fußnote (Fußnote 65 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Fußnote 32 der angefochtenen Entscheidung) als Beleg dafür erwähnt, dass Dalmine nicht bestreitet, dass [a]m 22. Februar 1994... die VallourecTochtergesellschaft Valtubes die auf Wärmebehandlungen und VAMGewinderohrverbindungen spezialisierten schottischen [Corus]Werke [übernahm] und... die Gesellschaft Tubular Industries Scotland Ltd (TISL), heute Marktführer für die Belieferung von in der Nordsee tätigen Gesellschaften mit Standard oder Spezialgewinderohren [gründete].
64. Zu den der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten, in ihr aber nicht erwähnten Unterlagen, also den Vernehmungsprotokollen der Herren Benelli, Jachia und Ciocca, genügt der Hinweis, dass sowohl die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch die angefochtene Entscheidung auf die Aussagen mehrerer DalmineFührungskräfte Bezug nehmen (vgl. Randnr. 46 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung), ausführlich aber nur die Aussage von Herrn Biasizzo zitieren (vgl. Randnr. 58 der Mitteilung der Beschwerdepunkte und Randnr. 64 der angefochtenen Entscheidung). Damit aber bezog sich die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte auf diese Schriftstücke, und im Licht ihrer späteren Verwertung in der angefochtenen Entscheidung genügte diese Bezugnahme, um Dalmine in dieser Frage eine sachgerechte Verteidigung im Verwaltungsverfahren zu ermöglichen.
65. Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Zur Zulässigkeit bestimmter Beweismittel
66. Dalmine macht geltend, dass bestimmte Schriftstücke, die die Kommission ihr unter Verletzung ihrer Verteidigungsrechte entgegengehalten habe, als Beweismittel unzulässig seien. Wegen der rechtswidrigen Verwertung dieser Unterlagen sei die angefochtene Erklärung für nichtig zu erklären. Hilfsweise begehrt sie, diese Schriftstücke als Beweismittel zu verwerfen und die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung ohne ihre Berücksichtigung zu beurteilen.
Zum VerteilerschlüsselPapier
- Vorbringen der Parteien
67. Die Klägerin meint, dass das VerteilerschlüsselPapier als Beweis für die in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen unzulässig sei, weil die Kommission weder die Identität seines Verfassers noch seine Herkunft offenbart habe. Ohne diese Angaben bestuenden aber Bedenken gegen Echtheit und Beweiskraft dieses belastenden Dokuments.
68. Die angefochtene Entscheidung vermittele außerdem in Randnummer 85 den Eindruck, dass der Verfasser des Papiers an der Sitzung in Tokyo am 15. November 1993 nicht teilgenommen habe, obgleich das Papier als Beweis für die angeblich bei dieser Gelegenheit geschlossene Marktaufteilungsabsprache angeführt werde. Unter diesen Umständen sei eine Verteidigung gegen dieses Schriftstück nicht möglich.
69. Die Kommission entgegnet, dass die Identifizierung der Person, die ihr das VerteilerschlüsselPapier ausgehändigt habe, für die Wahrnehmung der Verteidigungsrechte der Klägerin nicht notwendig sei.
70. Im Übrigen sei sie nicht dazu verpflichtet, die Identität ihres Informanten zu offenbaren. Dies folge aus Abschnitt II ihrer Mitteilung 97/C 23/03 über interne Verfahrensvorschriften für die Behandlung von Anträgen auf Akteneinsicht in Fällen einer Anwendung der Artikel [81 EG] und [82 EG], der Artikel 65 und 66 EGKSVertrag und der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (ABl. 1997, C 23, S. 3, im Folgenden: Mitteilung zur Akteneinsicht).
71. Überdies werde der Inhalt des VerteilerschlüsselPapiers durch verschiedene Beweismittel in den Akten erhärtet, so besonders durch die in den Randnummern 121 und 122 der Entscheidung genannten Nachweise.
- Würdigung durch das Gericht
72. Im Gemeinschaftsrecht gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, und das alleinige Kriterium für die Beurteilung von Beweismitteln ist ihre Glaubhaftigkeit (Schlussanträge des zum Generalanwalt bestellten Richters Vesterdorf vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T1/89, RhônePoulenc/Kommission, Slg. 1991, II867, II869; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 23. März 2000 in den Rechtssachen C310/98 und C406/98, MetTrans und Sagpol, Slg. 2000, I1797, Randnr. 29, und Urteil des Gerichts vom 7. November 2002 in den Rechtssachen T141/99, T142/99, T150/99 und T151/99, Vela und Tecnagrind/Kommission, Slg. 2002, II4547, Randnr. 223). Im Übrigen kann es für die Kommission erforderlich sein, die Anonymität von Informanten zu schützen (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539, Randnr. 34), und dies allein verpflichtet sie nicht dazu, ein in ihrem Besitz befindliches Beweismittel außer Betracht zu lassen.
73. Wenn das Vorbringen von Dalmine somit auch für die Prüfung zu berücksichtigen ist, ob das VerteilerschlüsselPapier glaubhaft ist, ist das Papier doch kein unzulässiges Beweismittel, das aus der Akte zu entfernen wäre.
Zu den Protokollen über die Vernehmung von früheren leitenden Angestellten Dalmines
- Vorbringen der Parteien
74. Dalmine wendet sich weiterhin gegen die Verwertung von Aussagen, die verschiedene ihrer leitenden Mitarbeiter im Rahmen eines Strafverfahrens gegenüber dem Staatsanwalt von Bergamo (Italien) gemacht haben.
75. So habe die Kommission die Verteidigungsrechte von Dalmine erstens dadurch schwerwiegend beeinträchtigt, dass sie ihr nicht rechtzeitig mitgeteilt habe, dass sich diese vertraulichen Aussagen in ihrem Besitz befunden hätten. Tatsächlich habe die Kommission, nachdem sie die Dokumente bereits am 16. Januar 1996 bei der italienischen Wettbewerbsbehörde (Autorità garante della Concorrenza e del Mercato) angefordert habe, drei Jahre gewartet, bis sie Dalmine die Schriftstücke mit ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt habe. Da Dalmine von der möglichen Verwertung der Unterlagen nichts gewusst habe, habe sie sich insoweit nicht verteidigen können.
76. Zweitens sei es ein schwerer wettbewerbsrechtlicher Verstoß, dass die Kommission Unterlagen aus einem Strafverfahren verwerte, das mit ihrer Untersuchung nichts zu tun habe. Die Kommission dürfe Aussagen nicht außerhalb des Verfahrens verwerten, in dessen Rahmen sie eingeholt worden seien.
77. In der mündlichen Verhandlung hat Dalmine insoweit geltend gemacht, dass es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere nach dem Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C67/91 (Asociación Española de Banca Privada u. a., Spanische Banken, Slg. 1992, I4785, Randnrn. 35 ff.) eine Verletzung des Berufsgeheimnisses und der Verteidigungsrechte eines Unternehmens sei, wenn eine nationale Behörde zu Lasten des Unternehmens Beweismittel verwerte, die in einer Untersuchung mit anderen Zwecken erlangt worden seien. Dieser Grundsatz greife analog auch hier ein, da die Kommission Beweismittel aus einem nationalen Strafverfahren herangezogen habe.
78. Im Übrigen sei der Beweiswert der in Frage stehenden Erklärungen von ehemaligen leitenden Mitarbeitern fragwürdig, da sich diese gegen Anschuldigungen der Bestechlichkeit hätten verteidigen müssen. Vor allem hätten sie als Beschuldigte anders als Zeugen keine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage gehabt, weshalb ihre Erklärungen zum Bestehen eines rechtswidrigen Kartells weder verlässlich noch sachlich zutreffend seien.
79. Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen.
80. So habe sie die fraglichen Vernehmungsprotokolle völlig rechtmäßig mit Zustimmung der nationalen Wettbewerbsbehörde und ausdrücklicher Genehmigung der zuständigen Staatsanwälte erlangt (Anlage 15 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 8220c, S1, und Anlage 1). Insoweit könne Dalmine keinerlei Rechtsgrundlage geltend machen, aus der sich ein etwaiger Anspruch ergeben könnte, vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte davon zu erfahren, dass die Kommission im Besitz der Vernehmungsprotokolle gewesen sei. Selbst wenn ein solcher Anspruch bestuende, wären jedenfalls durch seine Verkennung nicht die Rechte der Verteidigung verletzt worden.
81. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass ihr die Protokolle der Vernehmungen leitender Mitarbeiter von Dalmine durch die italienische Staatsanwaltschaft von der italienischen Wettbewerbsbehörde übermittelt worden seien, die sie ihrerseits von der Staatsanwaltschaft erhalten habe. Die Übermittlung der Protokolle durch die italienischen Behörden sei rechtmäßig gewesen und ihre Verwertung durch die Kommission sei unter keinem Gesichtspunkt illegal.
82. Schließlich seien die Protokolle in Verbindung mit den übrigen Informationen, die die Kommission ermittelt habe, auch beweiskräftig.
- Würdigung durch das Gericht
83. Es ist zunächst in Übereinstimmung mit der Kommission festzustellen, dass Dalmine keine Rechtsgrundlage anführt, aus der sich ein ihr zustehender Anspruch ergeben könnte, vor Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte darüber unterrichtet zu werden, dass die Kommission im Besitz von Protokollen über die Vernehmung von früheren leitenden Angestellten Dalmines durch den Staatsanwalt von Bergamo war. Denn in dem Verfahrensstadium, in dem die Kommission von den Unternehmen, die sie der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung verdächtigt, Auskünfte einholt, ist sie keineswegs verpflichtet, diese auf die Beweismittel hinzuweisen, über die sie bereits verfügt. Ein solcher Hinweis könnte vielmehr die Effizienz der von der Kommission geführten Untersuchung beeinträchtigen, da er den fraglichen Unternehmen die Feststellung erlaubte, welche Informationen der Kommission bereits bekannt sind und welche Informationen damit noch vor ihr verborgen werden können.
84. Soweit Dalmine eine Verletzung von Verfahrensregeln im Analogieschluss aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, besonders dem Urteil Spanische Banken (zitiert oben in Randnr. 77), herleitet, ist darauf hinzuweisen, dass diese Rechtsprechung die Verwertung von Informationen, die die Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erlangt hat, durch nationale Behörden betrifft. Diese Fallkonstellation wird durch Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 ausdrücklich geregelt.
85. Nach dem Wortlaut von Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 und dieser Rechtsprechung beurteilt sich die Rechtmäßigkeit einer Weitergabe von nach der Verordnung Nr. 17 erlangten Informationen durch die Kommission an eine nationale Behörde und eines Verbotes der unmittelbaren Verwertung dieser Informationen als Beweismittel nach dem Gemeinschaftsrecht.
86. Die Fragen hingegen, ob die Weitergabe von nach dem nationalen Strafrecht erlangten Erkenntnissen durch einen nationalen Staatsanwalt oder nationale Wettbewerbsbehörden an die Kommission und deren anschließende Verwertung durch die Kommission rechtmäßig sind, unterliegen grundsätzlich dem für die Ermittlungen der innerstaatlichen Behörden maßgebenden nationalen Recht und, im Fall eines gerichtlichen Verfahrens, der Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Denn im Rahmen einer Klage nach Artikel 230 EG ist es nicht Sache des Gemeinschaftsrichters, eine nach dem nationalen Recht erlassene Maßnahme einer nationalen Behörde auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen (vgl. analog Urteile des Gerichtshofes vom 3. Dezember 1992 in der Rechtssache C97/91, Oleificio Borelli/Kommission, Slg. 1992, I6313, Randnr. 9, und des Gerichts vom 15. Dezember 1999 in der Rechtssache T22/97, Kesko/Kommission, Slg. 1999, II3775, Randnr. 83).
87. Im vorliegenden Fall macht Dalmine lediglich geltend, dass die Untersuchung, in deren Rahmen die fraglichen Aussagen gemacht worden seien, einen anderen Zweck gehabt habe als die Untersuchung der Kommission. Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass die italienischen Gerichte auch nur angerufen worden wären, um die Rechtmäßigkeit der Weitergabe der fraglichen Vernehmungsprotokolle und ihrer Verwertung auf Gemeinschaftsebene überprüfen zu lassen. Dalmine hat jedenfalls auch nichts vorgetragen, was belegen könnte, dass diese Verwertung dem einschlägigen italienischen Recht widersprochen hätte.
88. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass der von Dalmine geltend gemachten Rechtsprechung das Erfordernis zugrunde liegt, die Verteidigungsrechte und das Berufsgeheimnis von Unternehmen zu schützen, die bestimmte von der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 angeforderte Informationen offenbart haben (Urteil Spanische Banken, zitiert oben in Randnr. 77, Randnrn. 36 bis 38). Hier aber beziehen sich die Vernehmungsprotokolle auf persönliche Erklärungen von früheren Angestellten Dalmines, die nicht in deren Namen abgegeben wurden.
89. Damit kann die Verwertung dieser Beweismittel durch die Kommission zu Lasten von Dalmine weder die Verteidigungsrechte noch das Berufsgeheimnis oder gar die Privatsphäre der Urheber dieser Erklärungen beeinträchtigen, da sie durch das vorliegende Verfahren in keiner Hinsicht betroffen sind.
90. Das Vorbringen von Dalmine berührt somit lediglich die Glaubhaftigkeit und damit den Beweiswert der Zeugnisse ihrer leitenden Mitarbeiter, nicht aber deren Zulässigkeit als Beweismittel im vorliegenden Verfahren. Ihr Vorbringen ist daher im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht relevant.
91. Demnach ist der Klagegrund zurückzuweisen.
Zur Rechtmäßigkeit des Nachprüfungsbeschlusses der Kommission vom 25. November 1994
Vorbringen der Parteien
92. Dalmine bestreitet die Rechtmäßigkeit des Beschlusses der Kommission vom 25. November 1994 nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17, zu dessen Adressaten sie nicht gehörte. Mit diesem Beschluss habe die Kommission Nachprüfungen bei bestimmten Unternehmen wegen nach Artikel 81 EG oder Artikel 53 EWRAbkommen verbotener Vereinbarungen angeordnet. Die Kommission habe sodann bestimmte Dokumente, die sie bei den Nachprüfungen auf der Grundlage dieses Beschlusses beschlagnahmt habe, gegen Dalmine verwendet.
93. Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen.
94. Dalmine rügt erstens, dass die Kommission den Gegenstand der Untersuchung, in der die EFTAÜberwachungsbehörde sie um Amtshilfe ersucht habe, rechtswidrig ausgeweitet habe. So habe die EFTAÜberwachungsbehörde mit Schreiben vom 17. November 1994 die Kommission lediglich um bestimmte Nachprüfungen zu etwaigen Verstößen gegen Artikel 56 EWRAbkommen ersucht, die Stahlrohre für die norwegische OffshoreÖlindustrie betroffen hätten. Von Zuwiderhandlungen gegen gemeinschaftliche Wettbewerbsvorschriften sei in dem Amtshilfeersuchen nicht die Rede gewesen.
95. Demnach hätte sich die Kommission an den Wortlaut des Ersuchens der EFTAÜberwachungsbehörde halten müssen, bis diese zum einen das Nichtvorliegen eines Verstoßes gegen das EWRAbkommen und zum anderen eine mögliche Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels festgestellt hätte. Dennoch habe die Kommission am 25. November 1994 beschlossen, ihre Befassung auf das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen Artikel 81 EG auszuweiten. Sie habe damit die Verteidigungsrechte verkannt, ihr Ermessen missbraucht und gegen die Verfahrensregeln des Artikels 8 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des EWRAbkommens verstoßen.
96. Dalmine rügt zweitens, dass die Kommission den Beschluss vom 25. November 1994 nicht an sie gerichtet habe. Die EFTAÜberwachungsbehörde habe die Kommission in ihrem Schreiben vom 17. November 1994 darauf hingewiesen, dass sie Dalmine der Beteiligung an einem Kartell auf dem norwegischen Markt verdächtigt habe. Dennoch habe es die Kommission versäumt, Dalmine in den Kreis der Adressaten ihres Beschlusses vom 25. November 1994 aufzunehmen.
97. Mit diesem Versäumnis seien die Verteidigungsrechte von Dalmine verletzt worden. So hätte die Kommission sie auf die etwaige Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bereits vom 25. November 1994 an hinweisen müssen. Denn eine Person, gegen die ein bestimmter Verdacht bestehe, habe ein Recht darauf, hierüber unterrichtet zu werden. Obgleich die Kommission am 13. Februar 1997 die ersten Nachprüfungen bei Dalmine vorgenommen habe, habe sie doch bis zum 11. Mai 1999 gewartet, bevor sie ihr bestimmte Dokumente übermittelt habe, die bereits seit Dezember 1994 in ihrem Besitz gewesen seien.
98. Das genannte Versäumnis bedeute auch eine Diskriminierung. Denn hätte die Kommission den Beschluss vom 25. November 1994 auch an sie gerichtet, so hätte sie Gelegenheit gehabt, die ihr zur Last gelegten Verhaltensweisen ebenso wie die Adressaten des Beschlusses damals zu beenden.
99. Die angefochtene Entscheidung sei daher für nichtig zu erklären. Hilfsweise seien die der Kommission durch die EFTAÜberwachungsbehörde zugeleiteten Dokumente aus den Akten zu entfernen und für die Beurteilung, ob die angefochtene Entscheidung rechtmäßig sei, außer Betracht zu lassen. Schließlich sei als Endzeitpunkt der Zuwiderhandlung der 25. November 1994 zugrunde zu legen, als die Kommission sie über den gegen sie bestehenden Verdacht hätte unterrichten müssen.
100. Die Kommission tritt diesen Rügen entgegen.
101. Sie weist erstens das Vorbringen zurück, dass ihre Untersuchungsbefugnisse durch den Wortlaut des Amtshilfeersuchens der EFTAÜberwachungsbehörde begrenzt würden. Es sei daran zu erinnern, dass sie auch von Amts wegen Untersuchungen einleiten könne. Erst recht dürfe sie von Amts wegen tätig werden, wenn sie bestimmte Mitteilungen von der EFTAÜberwachungsbehörde erhalten habe. Letztere könne diese Befugnis weder blockieren noch begrenzen. Im Zeitpunkt ihres Beschlusses, Nachprüfungen durchzuführen, habe sie nicht wissen können, ob die Ergebnisse ihrer Untersuchung unter Artikel 53 EWRAbkommen fallen würden oder unter Artikel 81 EG, der bei der Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels durch eine Absprache unter Unternehmen einschlägig sei.
102. Zweitens habe sich die Lage von Dalmine von der der Adressaten des Beschlusses vom 25. November 1994 unterschieden. Sobald ersichtlich geworden sei, dass Dalmine an einem Kartell beteiligt gewesen sei, habe die Kommission auch bei ihr Nachprüfungen durchgeführt und ihr Akteneinsicht gewährt.
Würdigung durch das Gericht
103. Zum Vorbringen von Dalmine im Rahmen des ersten Teiles des vorliegenden Klagegrundes, mit dem gerügt wird, dass die Kommission den Gegenstand der Untersuchung, in der die EFTAÜberwachungsbehörde sie um Amtshilfe ersucht habe, rechtswidrig ausgeweitet habe, ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in seinem Gutachten 1/92 vom 10. April 1992 (Slg. 1992, II2821) festgestellt hat, dass die von ihm in dem Gutachten zu prüfenden Bestimmungen des EWRAbkommens, insbesondere dessen Artikel 56 über die Aufteilung der Zuständigkeiten in Wettbewerbssachen zwischen der EFTAÜberwachungsbehörde und der Kommission, mit dem EGVertrag vereinbar sind.
104. Dieses Ergebnis hat der Gerichtshof hinsichtlich des Artikels 56 EWR in den Randnummern 40 und 41 des Gutachtens daraus hergeleitet, dass die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss internationaler Abkommen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts zwangsläufig die Möglichkeit einschließt, vertraglichen Bestimmungen über die Verteilung der jeweiligen Zuständigkeiten der Vertragsparteien in Wettbewerbssachen zuzustimmen, sofern diese Bestimmungen die Zuständigkeiten der Gemeinschaft und ihrer Organe, wie sie im EGVertrag ausgestaltet sind, nicht verfälschen.
105. Dem Gutachten 1/92 ist damit zu entnehmen, dass Artikel 56 EWR die vom EGVertrag vorgesehenen Zuständigkeiten der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts nicht verfälscht.
106. Insoweit geht sowohl aus Artikel 56 EWR selbst als auch aus seiner eingehenden Erläuterung im einleitenden Teil des Gutachtens 1/92, im Abschnitt Zusammenfassung des Antrags der Kommission, hervor, dass alle Angelegenheiten, die vor dem Inkrafttreten des EWRAbkommens in die wettbewerbsrechtliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fielen, auch nach dem Inkrafttreten des Abkommens in der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission verbleiben. So fallen alle Angelegenheiten, in denen der Handel zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft beeinträchtigt ist, weiterhin in die Zuständigkeit der Kommission, gleichviel ob auch der Handel zwischen der Gemeinschaft und den EFTAStaaten und/oder nur unter den EFTAStaaten beeinträchtigt ist.
107. Demnach können die Vorschriften des EFTAAbkommens nicht in einer Weise ausgelegt werden, mit der der Kommission auch nur vorübergehend ihre Zuständigkeit genommen würde, Artikel 81 EG auf eine wettbewerbswidrige Vereinbarung anzuwenden, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beeinträchtigt.
108. Im vorliegenden Fall ist jedoch festzustellen, dass sich die Kommission in ihrem Beschluss vom 25. November 1994 über die Einleitung einer Untersuchung auf dem Stahlrohrsektor auch auf Artikel 81 EG und die Verordnung Nr. 17 als Rechtsgrundlage stützte. Im Rahmen dieser Untersuchung machte sie von den ihr durch die Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnissen Gebrauch, um die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise zusammenzutragen, und ahndete sie die rechtswidrigen Vereinbarungen in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung letztlich allein nach Artikel 81 EG.
109. Der erste Teil des vorliegenden Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.
110. Zum zweiten Teil des vorliegenden Klagegrundes ist festzustellen, dass es im Gemeinschaftsrecht keinen Anspruch gibt, über den Stand eines Verwaltungsverfahrens vor der förmlichen Übermittlung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte unterrichtet zu werden. Folgte man der Ansicht von Dalmine, so würde ein Anspruch darauf geschaffen, in einer Situation, in der gegen ein Unternehmen ein bestimmter Verdacht besteht, über die Untersuchung unterrichtet zu werden. Dies könnte die Tätigkeit der Kommission schwerwiegend beeinträchtigen.
111. Zu der weiteren Rüge, Dalmine sei dadurch diskriminiert worden, dass sie die ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlungen nicht zeitig habe beenden können, ist festzustellen, dass die Kommission das Vorliegen der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung nur bis zum 1. Januar 1995 berücksichtigte (vgl. unten, Randnrn. 317 ff., und Urteile des Gerichts vom heutigen Tage in den Rechtssachen T67/00, T68/00, T71/00 und T78/00, JFE Engineering u. a./Kommission, und in der Rechtssache T44/00, MannesmannröhrenWerke/Kommission, Slg. 2004, II0000). Da die Nachprüfungen indessen in den Geschäftsräumen der Adressaten des Beschlusses vom 25. November 1994 am 1. und 2. Dezember 1994 durchgeführt wurden (vgl. Randnr. 1 der angefochtenen Entscheidung), wäre Dalmine über die Untersuchung ohnehin erst einen Monat vor Ende der gegen sie angenommenen Zuwiderhandlungsdauer oder sogar, legt man die in den vorgenannten Urteilen angenommene Zuwiderhandlungsdauer zugrunde, erst nach deren Ende unterrichtet worden.
112. Selbst wenn sich Dalmine für eine unverzügliche Beendigung ihres rechtswidrigens Verhaltens entschieden hätte, wäre es ihr somit unmöglich gewesen, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Marktaufteilungsabsprachen vor Ende der Zuwiderhandlungsdauer zu unterbinden und diese Dauer somit zu verkürzen. Das Vorbringen von Dalmine greift daher hinsichtlich der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung nicht durch.
113. Was die Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 2 der Entscheidung angeht, so genügt der Hinweis, dass Dalmine und Vallourec die weitere Erfuellung ihres Liefervertrags erst aussetzten, als sie im Januar 1999 die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhielten, obgleich die erste Nachprüfung in den Geschäftsräumen von Dalmine bereits im Februar 1997 stattgefunden hatte. Da Dalmine im Februar 1997 nichts unternahm, um das diese Zuwiderhandlung bildende Verhalten zu beenden, besteht kein Grund zur Annahme, dass sie dies nach einer etwaigen Nachprüfung im Dezember 1994 getan hätte.
114. Demnach ist der vorliegende Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.
Zur Akteneinsicht
Vorbringen der Parteien
115. Dalmine rügt, dass sie die Akten nicht vollständig habe einsehen können. Trotz ihres Akteneinsichtsgesuchs habe ihr die Kommission den Zugang zu den Schriftstücken verweigert, die die EFTAÜberwachungsbehörde übermittelt habe. Zur Begründung habe die Kommission lediglich auf den internen Charakter dieser Unterlagen verwiesen, ohne dies näher zu erläutern oder deren Inhalt geprüft zu haben, vor allem aber ohne zu unterscheiden zwischen Schriftstücken, die Beurteilungen der EFTAÜberwachungsbehörde enthalten hätten, und Dokumenten, die die EFTAÜberwachungsbehörde lediglich zusammengetragen habe; eben dies werde der Kommission aber durch Fußnote 19 der Mitteilung zur Akteneinsicht vorgeschrieben. Damit sei Dalmine der Zugang zu belastenden Aktenstücken verwehrt worden, die möglicherweise in den Akten der EFTAÜberwachungsbehörde enthalten gewesen seien.
116. Die Klägerin rügte weiter, dass ihr die Kommission kein vollständiges Verzeichnis der Unterlagen übermittelt habe, die bei den Nachprüfungen nach dem Beschluss vom 25. November 1994 erlangt worden seien, obgleich es sich um belastende Schriftstücke handele (Randnr. 53 der angefochtenen Entscheidung).
117. Die Kommission hält diesen Rügen entgegen, dass sie den Unternehmen im Verwaltungsverfahren nicht Unterlagen zu übermitteln brauche, die sie nicht in ihre Ermittlungsakte aufgenommen habe und gegen die betroffenen Unternehmen in der endgültigen Entscheidung nicht verwerten wolle (Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 383). Überdies sei sie nicht verpflichtet, im Verwaltungsverfahren Zugang zu internen Unterlagen zu gewähren.
Würdigung durch das Gericht
118. In Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht heißt es:
Die internen Dokumente werden künftig zum Zwecke der Vereinfachung und einer effizienten Verwaltung in chronologischer Reihenfolge im Rahmen der Sammlung interner (nicht einsehbarer) Schriftstücke über anhängige Fälle verwahrt. Diese Ablage erfolgt unter Aufsicht des Anhörungsbeauftragten, der gegebenenfalls die Einstufung der so gesammelten Dokumente als interne Schriftstücke bestätigen kann.
Als interne Schriftstücke gelten z. B.:
...
c) Schriftverkehr in einer Sache mit anderen Behörden(19 )
...
119. In Fußnote 19 der Mitteilung zur Akteneinsicht wird ausgeführt:
Bei von Behörden stammenden Schriftstücken ist die Vertraulichkeit zu wahren. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für Wettbewerbsbehörden, sondern auch für sonstige Behörden eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands.... Allerdings ist zu unterscheiden zwischen den einem absoluten Schutz unterliegenden Beurteilungen oder Bemerkungen dieser Behörden und den von ihnen gelieferten Schriftstücken, die nicht immer unter die Ausnahmeregelung fallen....
120. Dem Wortlaut von Punkt II.A.2 der Mitteilung zur Akteneinsicht ist zu entnehmen, dass die vom Anhörungsbeauftragten ausgeübte Kontrolle, in deren Rahmen er den internen Charakter der Unterlagen in den Akten überprüft, kein durchgehend auszuführender Verfahrensschritt ist. Da nämlich danach der Anhörungsbeauftragte eine solche Überprüfung gegebenenfalls vornehmen kann, ergibt sich der Schluss, dass er in Fällen, in denen die Einstufung von bestimmten Unterlagen als interne Schriftstücke nicht oder gegebenenfalls nicht mehr bestritten wird, nicht tätig zu werden braucht. Im Übrigen oblag es Dalmine, den Anhörungsbeauftragten mit der Angelegenheit zu befassen, um zu erreichen, dass er den internen Charakter der Dokumente, die die EFTAÜberwachungsbehörde der Kommission zugeleitet hatte und die als intern eingestuft wurden, überprüft.
121. Auf eine schriftliche Frage des Gerichts, die auf die Vorlage des gesamten Schriftwechsels zwischen der Kommission und Dalmine über den Zugang zu den internen Unterlagen gerichtet war, haben die beiden Parteien ein Schreiben von Dalmine vom 7. Juni 1999 vorgelegt. Darin machte Dalmine vor allem geltend, dass sie die von der EFTAÜberwachungsbehörde zusammengetragenen und anschließend der Kommission zugeleiteten Unterlagen nicht identifizieren könne. Sie ersuchte die Kommission, ihr diese Beweismittel zu übersenden, so dass sie die gesamte Akte in ihrer Sache einsehen könne. Jedoch beantragte Dalmine in diesem Schreiben vom 7. Juni 1999 nicht, dass der Anhörungsbeauftragte den etwaigen internen Charakter der der Kommission zugeleiteten Unterlagen überprüfe.
122. Die Kommission hat außerdem ein Schreiben vom 11. Mai 1999 vorgelegt, in dem sie Dalmine die Entscheidung der EFTAÜberwachungsbehörde vom 25. November 1994, mit der diese die Kommission nach Artikel 8 Absatz 3 des Protokolls Nr. 23 des EWRAbkommens um Nachprüfungen auf dem Gemeinschaftsgebiet ersucht hatte, und die daraufhin erlassenen Beschlüsse der Kommission über diese Nachprüfungen nach Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 übermittelte.
123. In Beantwortung einer anderen Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, dass die ihr von der EFTAÜberwachungsbehörde zugeleiteten Unterlagen als Seiten 1 bis 350 unter der Rubrik Interne, nicht mitzuteilende Schriftstücke in die Verfahrensakte aufgenommen worden seien. Wie die anderen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte konnte Dalmine jedoch unstreitig vom 11. Februar bis 20. April 1999 die Verfahrensakte der Kommission einsehen. Sie konnte damit feststellen, dass es im Umfang von 350 Seiten interne Schriftstücke gab, deren Einsichtnahme ihr die Kommission verwehrte. Dass Dalmine keinen Antrag auf Überprüfung des internen Charakters dieser Schriftstücke stellte, kann deshalb nicht darauf beruhen, dass sie von ihrer Existenz nichts wusste.
124. Dabei ist es im Rahmen dieses Klagegrundes unerheblich, dass es sich bei diesen Schriftstücken um Unterlagen der EFTAÜberwachungsbehörde, die diese später der Kommission übermittelte, handelte, und nicht, wie Dalmine möglicherweise vor Erhalt des Schreibens vom 11. Mai 1999 vermutete, um interne Schriftstücke der Kommission. Denn nach Fußnote 19 der Mitteilung zur Akteneinsicht genießen interne Schriftstücke anderer Gemeinschafts- oder sonstiger Behörden den gleichen Schutz wie interne Schriftstücke der Kommission.
125. Jedenfalls hat das Gericht die Kommission im Wege verfahrensleitender Maßnahmen aufgefordert, ihm ein Verzeichnis über den Inhalt der Seiten 1 bis 350 ihrer Verfahrensakte vorzulegen. Diesem Verzeichnis ist aber zu entnehmen, dass alle fraglichen Unterlagen unbestreitbar interne Schriftstücke sind, so dass ihre fehlende Überprüfung durch den Anhörungsbeauftragten nicht die Möglichkeiten von Dalmine, sich zu verteidigen, beeinträchtigen und damit ihre Verteidigungsrechte verletzen konnte.
126. Soweit Dalmine schließlich rügt, sie habe die bei den Nachprüfungen erlangten belastenden Unterlagen nicht identifizieren können, ist daran zu erinnern, dass sie die gesamte Verfahrensakte einsehen konnte. Da die Rechtmäßigkeit der Nachprüfungen außer Zweifel steht (vgl. oben, Randnrn. 103 bis 114), konnte diese Schwierigkeit, selbst wenn sie vorgelegen haben sollte, die Verteidigungsrechte von Dalmine nicht beeinträchtigen. Sieht man von der Frage ab, ob die Erlangung dieser Unterlagen rechtmäßig war, hat Dalmine jedoch nichts vorgetragen, was für eine Beeinträchtigung ihrer Rechte durch die Methode, nach der diese Unterlagen erlangt wurden, sprechen könnte.
127. Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
2. Zu den materiellrechtlichen Klagegründen
Zur über die Sache hinaus gehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung
Vorbringen der Parteien
128. Dalmine wendet sich dagegen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung verschiedene Umstände dargelegt habe, die mit den festgestellten Zuwiderhandlungen nichts zu tun hätten, aber ihr schaden könnten. So seien die Feststellungen zu den Märkten außerhalb der Gemeinschaft und zur Preisabstimmung (Randnrn. 54 bis 61, 70 bis 77, 121 und 122 der angefochtenen Entscheidung) für den Nachweis der in den Artikeln 1 und 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlungen gar nicht verwertet worden. Dieser Teil der Begründung sei daher für die angefochtene Entscheidung überfluessig. Es sei aber zu befürchten, dass sich in der Zukunft Drittunternehmen für Schadensersatzklagen auf diese Feststellungen stützen könnten.
129. Sie habe die Kommission in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und bei der Anhörung aufgefordert, in der angefochtenen Entscheidung von jedem Hinweis auf tatsächliche Umstände außerhalb des Sachverhalts abzusehen, der den angenommenen Zuwiderhandlungen zugrunde liege. Mit diesem Antrag habe sie sich gegen Ansprüche Dritter schützen wollen. Die Kommission habe darauf aber nicht reagiert.
130. Zur Begründung dieser Rüge verweist Dalmine auf den Schutz des Berufsgeheimnisses nach Artikel 287 EG und auf Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, der der Kommission die Verpflichtung einer echten Amtsverschwiegenheit auferlege (Schlussanträge von Generalanwalt Lenz vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 53/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1965, 1966, 1977).
131. Außerdem brauche die Kommission nur den wesentlichen Inhalt der Entscheidung zu veröffentlichen und müsse das berechtigte Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse [Rechung tragen] (Artikel 21 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17). Zum wesentlichen Inhalt einer wettbewerbsrechtlichen Entscheidung gehörten außer dem Tenor die wesentlichen Entscheidungsgründe, auf die die Kommission sich gestützt habe. Davon zu sondern seien indessen Tatsachenbehauptungen ohne Bedeutung für die Feststellung von Zuwiderhandlungen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG. Dalmine beantragt, die unerheblichen Feststellungen für nichtig zu erklären und daraus hinsichtlich der Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung die angezeigten Konsequenzen zu ziehen.
132. Die Kommission führt aus, dass sie im Zeitpunkt der Einreichung der Klagebeantwortung die Anträge auf vertrauliche Behandlung von bestimmten Daten in der Entscheidung für deren Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften noch geprüft habe. Dalmine könne damit nach wie vor beantragen, bestimmte Teile der angefochtenen Entscheidung nicht zu veröffentlichen.
133. Im Übrigen enthalte die angefochtene Entscheidung keinerlei Angaben, deren Veröffentlichung Dalmine Schadensersatzklagen seitens Dritter aussetzen könnten. Dass bestimmte Praktiken nicht als Teil einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG gewertet worden seien, könne die Klägerin nicht beschweren.
Würdigung durch das Gericht
134. Insoweit genügt der Hinweis, dass es keine rechtliche Regel gibt, wonach der Adressat einer Entscheidung im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG einzelne Gründe der Entscheidung anfechten könnte, es sei denn, diese erzeugten zwingende Rechtsfolgen, die seine Interessen beeinträchtigen können (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T125/97 und T127/97, CocaCola/Kommission, Slg. 2000, II1733, Randnrn. 77 und 80 bis 85). Grundsätzlich ist die Begründung einer Entscheidung nicht geeignet, solche Rechtsfolgen zu erzeugen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht dargetan, dass die gerügten Begründungsteile Rechtsfolgen hervorbrächten, die ihre Rechtslage ändern könnten.
135. Der vorliegende Klagegrund kann daher nicht durchgreifen.
Zur Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung (EuropäischJapanischer Club)
136. Dalmine bestreitet nicht, dass es eine Übereinkunft zwischen den Adressaten der angefochtenen Entscheidung gegeben habe, aber macht geltend, dass diese sich nicht auf die Heimatmärkte in der Gemeinschaft bezogen habe und darum auch nicht unter das Verbot nach Artikel 81 Absatz 1 EG falle. Hierzu formuliert sie zwei Arten von Klagegründen.
Zu den Klagegründen, die sich auf die Analyse des relevanten Marktes und das Marktverhalten der Adressaten der Entscheidung beziehen
- Vorbringen der Parteien
137. Dalmine macht geltend, dass die angefochtene Entscheidung nicht den Anforderungen an die Begründung nach Artikel 253 EG genüge und auf einer fehlerhaften Anwendung von Artikel 81 EG beruhe. Da die Kommission vor allem eine eingehende Analyse des relevanten Marktes versäumt habe, habe sie nicht feststellen können, ob die Anwendungsvoraussetzungen von Artikel 81 Absatz 1 EG vorgelegen hätten, und damit gegen diese Bestimmung verstoßen.
138. Dalmine wendet sich zunächst gegen die Feststellungen zum Bestehen eines gegenseitigen Heimatmarktschutzes unter den Herstellern von nahtlosen Stahlrohren. Die angeblichen Zuwiderhandlungen beträfen nur zwei Produktarten: OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre. Die Kommission habe aber keine Angaben gemacht, anhand deren sich feststellen ließe, ob die für Artikel 81 Absatz 1 EG geltenden Anwendungsvoraussetzungen einer Wettbewerbsbeschränkung und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten erfuellt gewesen seien. In Wirklichkeit habe sich die Kommission auf Angaben gestützt, die eine wesentlich größere Produktpalette beträfen (z. B. Anhänge 1, 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission sei so zu dem Schluss gelangt, dass die nationalen Stahlrohrhersteller auf ihrem jeweiligen Heimatmarkt eine beherrschende Stellung innegehabt hätten.
139. Dabei wäre die Kommission zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen, wenn sie sich auf die Prüfung der Lage auf dem relevanten Produktmarkt beschränkt hätte. So habe Dalmine auf dem italienischen Markt, anders als die Tabelle in Randnummer 68 der angefochtenen Entscheidung suggeriere, nur geringe Mengen von OCTGStandardrohren abgesetzt, während andere Adressaten der Entscheidung dieses Erzeugnis in wesentlich größerem Umfang abgesetzt hätten. Das von der Kommission behauptete Phänomen der Marktbeherrschung habe in Wirklichkeit nur für den Verkauf von Premiumrohren an die nationalen Ölgesellschaften bestanden.
140. Insoweit sei daran zu erinnern, dass die Aussagen von Herrn Biasizzo aus den oben in Randnummer 78 genannten Gründen als belastende Beweismittel nicht verlässlich seien. Diese Aussagen hätten außerdem nur den Verkauf von OCTGRohren betroffen, da die Leitungsrohre in der Zeit der Zuwiderhandlung nicht zu ihrer Geschäftstätigkeit gehört hätten. Da die an AGIP verkauften OCTGRohre überwiegend Premiumrohre gewesen seien, bezögen sich diese Aussagen nur auf einen geringen Anteil am Verkauf eines der in Frage stehenden Produkte. Überdies widersprächen die Aussagen den Daten in den Anhängen der angefochtenen Entscheidung.
141. Was den Verkauf von projektbezogenen Leitungsrohren auf dem italienischen Markt betreffe, so habe Dalmine im Vergleich zu ihren Konkurrenten, die ebenfalls Adressaten der angefochtenen Entscheidung seien, eine eher starke Stellung. Indessen bildeten die projektbezogenen Leitungsrohre nur einen geringen Anteil an den insgesamt auf dem italienischen Markt verkauften Leitungsrohren. Im Übrigen habe sie im fraglichen Zeitraum in erheblichem Umfang projektbezogene Leitungsrohre auf dem britischen Markt und, in etwas geringerem Umfang, in Deutschland und Frankreich verkauft. Die Kommission habe außerdem übersehen, dass die projektbezogenen Leitungsrohre bei bestimmten Verwendungen durch geschweißte Stahlrohre ersetzt werden könnten. Schließlich sei das wirtschaftliche Gewicht, das Dalmine auf diesen italienischen Produktmärkten innegehabt habe, beträchtlich geschwächt worden durch die Einfuhren von OCTGRohren und Leitungsrohren aus anderen Drittländern als Japan.
142. Die Kommission erwidert hierauf, dass sie die Auswirkungen der fraglichen Absprache auf Gemeinschaftsebene geprüft habe.
143. Die Tabelle in Randnummer 68 der angefochtenen Entscheidung zeige, dass die Marktaufteilung für die fraglichen Produkte tatsächlich eingehalten worden sei. Dies werde bestätigt durch die Erklärungen von Vallourec und durch die Aussagen leitender Mitarbeiter von Dalmine vor dem Staatsanwalt von Bergamo. Soweit sich Dalmine gegen die Verlässlichkeit der Aussagen von Herrn Biasizzo wende, sei ihr Vorbringen nicht begründet.
144. Was die Lage auf dem italienischen Markt angehe, so hätten sich Dalmines jährliche Verkäufe von OCTGStandardrohren und projektbezogenen Leitungsrohren zwischen 1990 und 1995 durchschnittlich auf 13 506 Tonnen belaufen (Antwort von Dalmine auf eine Frage der Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17). In derselben Zeit hätten die Gesamtverkäufe der acht an der Absprache beteiligten Unternehmen auf diesem Markt 14 869 Tonnen betragen (vgl. Anhang 2 der angefochtenen Entscheidung, wobei die in Italien ausgelieferten OCTGStandardgewinderohre im Umfang von 1 514 Tonnen zu den dort ebenfalls gelieferten projektbezogenen Leitungsrohren im Umfang von 13 355 Tonnen zu addieren seien). Folglich habe Dalmine im fraglichen Zeitraum auf den relevanten italienischen Produktmärkten einen Marktanteil von 91 % gehalten.
- Würdigung durch das Gericht
145. Was die gerügte Verletzung von Artikel 253 EG anbelangt, so ist nach ständiger Rechtsprechung das Begründungserfordernis nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, so insbesondere nach dem Inhalt des fraglichen Rechtsakts, nach der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse, dass die Adressaten des Rechtsakts oder andere von ihm unmittelbar und individuell betroffene Personen an entsprechenden Erläuterungen haben können (z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I723, Randnr. 86, und vom 2. April 1998 in der Rechtssache C367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I1719, Randnr. 63). So genügt es, dass die Kommission in ihren Entscheidungen die Tatsachen und rechtlichen Erwägungen darlegt, die in dem Zusammenhang der Entscheidung von wesentlicher Bedeutung sind (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 17. Juli 1998 in der Rechtssache T111/96, ITT Promedia/Kommission, Slg. 1998, II2937, Randnr. 131).
146. Im Licht dieser Rechtsprechung ist die Rüge einer angeblich über die Sache hinaus gehenden Begründung der Entscheidung ohne weiteres als unbeachtlich zurückzuweisen, da sie nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung führen kann (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C122/01 P, T. Port/Kommission, Slg. 2003, I4261, Randnr. 17; vgl. auch oben, Randnr. 136).
147. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Kommission für den Nachweis eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG, wenn sie das Vorliegen einer Absprache oder abgestimmten Verhaltensweise mit dem Zweck der Wettbewerbsbeschränkung bewiesen hat, nicht überdies belegen muss, dass auch wettbewerbsschädigende Auswirkungen bestanden (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II917, Randnrn. 30 ff., und vom 11. März 1999 in der Rechtssache T141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II347, Randnr. 277).
148. Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission für ihre Feststellung der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Zuwiderhandlung vor allem auf den wettbewerbswidrigen Zweck der Absprache über die Aufteilung insbesondere des britischen, deutschen, französischen und italienischen Marktes gestützt und hierfür eine Reihe von Beweisurkunden angeführt (vgl. u. a. Randnrn. 62 bis 67 der angefochtenen Entscheidung und Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 111, Randnr. 173 bis 337).
149. Damit enthält Randnummer 68 der angefochtenen Entscheidung, die die Auswirkungen der Übereinkunft zum Gegenstand hat, eine alternative und damit zusätzliche Begründung im Kontext der Entscheidungsgründe, die sich auf das Vorliegen der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung beziehen. Selbst wenn Dalmine nachweisen könnte, dass diese alternative Begründung unzureichend ist, wäre somit Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung nicht für nichtig zu erklären, sofern die wettbewerbswidrige Zielsetzung in der vorliegenden Rechtssache rechtlich hinreichend nachgewiesen ist (vgl. unten, Randnr. 152). Der Klagegrund eines insoweit bestehenden Begründungsmangels ist somit unbeachtlich und folglich zurückzuweisen.
150. Soweit Dalmine geltend macht, dass der in der angefochtenen Entscheidung dargelegte Sachverhalt keine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG begründe, bezieht sich ihr Vorbringen im Wesentlichen auf das angebliche Fehlen von praktischen Auswirkungen der Absprachen über die OCTGStandardrohre und projektbezogenen Leitungsrohre.
151. Auch insoweit ist hervorzuheben, dass die Kommission für den Nachweis eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG, wenn sie eine Absprache mit wettbewerbswidrigem Zweck bewiesen hat, nicht außerdem belegen muss, dass auch wettbewerbsschädigende Auswirkungen bestanden (vgl. oben, Randnr. 145, und die dort zitierte Rechtsprechung). Da sie sich im vorliegenden Fall indessen im Wesentlichen auf den wettbewerbswidrigen Zweck der Marktaufteilungsabsprache stützte, ist das Vorbringen von Dalmine hinsichtlich der Auswirkungen der Absprache in diesem Kontext unbeachtlich.
152. Dalmine bestreitet ferner den Beweiswert der Aussagen von Herrn Biasizzo. Sie betont, dass Herr Biasizzo hauptsächlich mit dem Verkauf von OCTGRohren, nicht aber von projektbezogenen Leitungsrohren betraut gewesen sei. Dazu genügt der Hinweis, dass sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Zwecks der geahndeten Übereinkunft auf ein Bündel von Beweisen gestützt hat, deren Stichhaltigkeit Dalmine nicht bestreitet, so besonders auf die zwar knappen, aber expliziten Angaben von Herrn Verluca und somit keineswegs nur auf die Ausage von Herrn Biasizzo, deren Beweiswert Dalmine in Abrede stellt. Selbst wenn dieses Vorbringen begründet wäre, könnte es folglich allein die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung nicht herbeiführen.
153. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Aussage von Herrn Biasizzo durch weitere Aussagen seiner Kollegen gestützt wird, die in der Kommissionsakte enthalten sind und von der Kommission vor dem Gericht angeführt worden sind, ohne indessen in der angefochtenen Entscheidung genannt zu sein. So ist etwa der Aussage von Herrn Jachia vom 5. Juni 1995 (S. 8220, S6, der Kommissionsakte) zu entnehmen, dass eine Vereinbarung über die Respektierung der den verschiedenen Akteuren gehörenden Zonen bestanden habe. Herr Ciocca sagte am 8. Juni 1995 aus, dass es ein weltweites Kartell von Rohrherstellern gegeben habe (S. 8220, S3, der Kommissionsakte).
154. Im Übrigen ist, ohne dass die Meinungsverschiedenheit der Parteien über den genauen Zeitraum der Verantwortlichkeit von Herrn Biasizzo für den Verkauf der beiden in der angefochtenen Entscheidung genannten Produktarten geklärt zu werden braucht, im vorliegenden Fall unstreitig, dass er für Dalmines Verkauf von OCTGRohren während eines erheblichen Teils der Zuwiderhandlungsdauer und für ihren Verkauf von projektbezogenen Leitungsrohren mindestens mehrere Monate lang in dieser Zeit verantwortlich war, so dass er die von ihm beschriebenen Tatsachen aus eigener Anschauung kannte.
155. Im Ergebnis ist die Aussage von Herrn Biasizzo daher als verlässlich anzusehen, besonders soweit sie die Erklärungen von Herrn Verluca über das Vorliegen einer Absprache zur Aufteilung der Heimatmärkte erhärtet (vgl. dazu Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 111, Randnrn. 309 ff.).
156. Soweit Dalmine schließlich geltend macht, dass die in Artikel 1 der Entscheidung geahndete Marktaufteilungsabsprache ohne Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten geblieben sei, ist daran zu erinnern, dass ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher und tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen können (Urteil des Gerichts vom 28. Februar 2002 in der Rechtssache T395/94, Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 2002, II857, Randnrn. 79 und 90). Folglich braucht die Kommission, da eine potenzielle Beeinflussung genügt, nicht nachzuweisen, dass der Handel tatsächlich beeinträchtigt wurde (in diesem Sinne Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, Randnr. 90). Jedoch darf diese tatsächliche oder potenzielle Beeinflussung nicht nur geringfügig sein darf (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 2001 in der Rechtssache C475/99, Ambulanz Glöckner, Slg. 2001, I8089, Randnr. 48).
157. Eine Absprache zur Aufteilung von nationalen Märkten der Gemeinschaft, wie sie in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, hat jedoch potenziell immer die - sich im Fall ihrer Durchführung konkretisierende - Wirkung, den Umfang des innergemeinschaftlichen Handels zu reduzieren. Damit ist diese Voraussetzung im Fall der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung klar erfuellt.
158. Nach alledem sind alle Klagegründe und Argumente von Dalmine zur Analyse des Marktes, der von der Zuwiderhandlung im Sinne des Artikels 1 der Entscheidung betroffen war, zurückzuweisen.
Zur Beteiligung von Dalmine an der Zuwiderhandlung
- Vorbringen der Parteien
159. Dalmine meint, dass ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung ohne messbare Wirkung auf den Wettbewerb geblieben sei. Angesichts ihrer bescheidenen Stellung auf dem italienischen Markt für OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre habe sie unter den Herstellern von nahtlosen Stahlrohren keine führende Rolle spielen können. Sie habe sich an die fragliche Absprache auch nicht gehalten und sei von den anderen Herstellern als unzuverlässig angesehen worden. Berücksichtige man die Merkmale des Marktes und das Fehlen jeder Sanktion zur Absicherung der Absprache, so sei festzustellen, dass die Absprache die Interessen der Konkurrenten oder Kunden der Adressaten der Entscheidung gar nicht habe beeinträchtigen können. Die Kommission habe dies nicht berücksichtigt und es versäumt, zwischen der Lage von Dalmine und der der übrigen Adressaten der angefochtenen Entscheidung zu differenzieren.
160. Die Kommission hält dieses Vorbringen von Dalmine für unbegründet. Um festzustellen, ob Unternehmen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hätten, sei allein die Frage relevant, ob ihr Verhalten auf dem Markt Ergebnis einer Willensübereinstimmung sei.
- Würdigung durch das Gericht
161. Auch insoweit ist zu betonen, dass die Kommission auf den wettbewerbswidrigen Zweck der unter Beteiligung von Dalmine geschlossenen Marktaufteilungsabsprache abstellte, so dass das etwaige Fehlen von Beweisen für wettbewerbswidrige Auswirkungen des individuellen Verhaltens von Dalmine ohne Einfluss auf die Feststellung ist, dass die in Artikel 1 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung in ihrem Fall vorlag (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnrn. 1085 bis 1088, sowie oben Randnr. 145 und die dort zitierte Rechtsprechung). Überdies hat sich die Kommission, insbesondere in den Randnummern 62 bis 67 der angefochtenen Entscheidung, für die Beteiligung von Dalmine an der Zuwiderhandlung in erster Linie auf Beweisurkunden gestützt (vgl. auch oben, Randnr. 152).
162. Soweit Dalmine geltend macht, sie habe in der Praxis ihre Entscheidungsfreiheit bewahrt, ist daran zu erinnern, dass ein Unternehmen, wenn es an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern den Eindruck seiner Beteiligung an der fraglichen Absprache vermittelt, nach ständiger Rechtsprechung als Beteiligter an der Absprache anzusehen ist (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II1711, Randnr. 232, vom 10. März 1992 in der Rechtssache T12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II907, Randnr. 98, vom 6. April 1995 in der Rechtssache T141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II791, Randnrn. 85 und 86, und in den Rechtssachen Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 1353).
163. Der vorliegende Klagegrund kann daher nicht durchgreifen. Der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ist somit zurückzuweisen.
Zur Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung
Zu den Klauseln des Liefervertrages zwischen Corus und Dalmine
- Vorbringen der Parteien
164. Dalmine weist die Beurteilung der Kommission zurück, wonach bestimmte Klauseln in ihrem Liefervertrag mit Corus rechtswidrig gewesen seien. In Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung wolle die Kommission offenbar zum Ausdruck bringen, dass bestimmte Regelungen der Lieferverträge mit Corus selbst dann, wenn die Verträge keine Maßnahmen zur Durchführung der im EuropäischJapanischen Club beschlossenen Grundregeln über den Heimatmarktschutz wären, gleichwohl nach Artikel 81 Absatz 1 EG verboten wären.
165. Dabei habe die Kommission erstens die Vertragsklauseln zur Festlegung der an Corus gelieferten Rohrmengen rechtlich fehlerhaft beurteilt.
166. So sei die in Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Behauptung der Kommission unzutreffend, dass sich Vallourec, [Mannesmann] und Dalmine durch die Festlegung der an [Corus] zu liefernden Mengen [von Glattendrohren] in Prozentwerten anstelle von Festmengen im Voraus verpflichteten, einem Wettbewerber unbekannte Produktmengen zu liefern.
167. Da der Bedarf von Corus je nach Entwicklung der Nachfrage unvorhersehbar geschwankt habe, habe sie nicht das Risiko eingehen können, für einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich eine feste Menge von Glattendrohren abzunehmen.
168. Dalmine habe sich auch ihrerseits nicht verpflichtet, an Corus Glattendrohre in unbestimmtem Umfang zu liefern. Denn Artikel 4 des Liefervertrages regele die Festsetzung der Liefermengen durch die Vertragsparteien wie folgt:
Für jede einzelne Bestellung für einen Kalendermonat bestätigt [Corus] die bestellte Menge in Tonnen drei Monate im Voraus (z. B. Ende Januar die Menge in Tonnen für April). [Corus] teilt sodann die Einzelheiten ihrer monatlichen Bestellung in Tonnen zwei Monate im Voraus mit (z. B. bestätigt sie Ende Februar die Einzelheiten für die Bestellung im April). Dalmine akzeptiert Detailänderungen der Lieferung bis zu zehn Tagen vor dem Kalendermonat der Herstellung. Nach Ablauf dieser Frist können spätere Änderungen zwischen den Parteien nur schriftlich vereinbart werden.
169. Weiter heiße es in dieser Vertragsklausel:
[Corus] und Dalmine halten monatlich förmliche Verbindungstreffen über operationelle und technische Fragen ab, um die regelmäßige Belieferung zu gewährleisten und eine Vorausplanung der Lieferungen (für mindestens drei Monate im Voraus) zu erstellen.
170. Damit sei der Vorwurf haltlos, dass Dalmine gegen die Zuteilung einer Quote an den Glattendrohrlieferungen an Corus darauf verzichtet habe, sich eine etwaige Erhöhung der Nachfrage nach Gewinderohren zunutze zu machen.
171. Zum einen sei ihr der Markt für Gewinderohre ohnehin nicht zugänglich gewesen, da Vallourec die VAMVerbindungstechnik kontrolliert habe und überdies ihre eigene Produktion an Standardgewinderohren minimal sei. Ihr könne daher nicht vorgeworfen werden, dass sie Corus auf dem britischen Markt für Premiumgewinderohre, auf dem sie ohnehin nicht präsent gewesen sei, keinen Wettbewerb geliefert habe.
172. Ebenso sei die in Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Behauptung unzutreffend, dass sie sich nicht gemeinsam mit Mannesmann zur Lieferung von Glattendrohren in unbestimmter Menge an Corus verpflichtet hätte, wenn Corus ihr nicht zugesichert hätte, dass sie dies nicht ausnutzen werde, um ihren Anteil am Markt für Gewinderohre zu erhöhen. Laut der angefochtenen Entscheidung sei diese Zusicherung in Form eines Kündigungsrechtes der Klägerin bei erheblichen Verlusten gemacht worden (vgl. Artikel 9 Buchstabe c des Liefervertrages zwischen Dalmine und Corus). Diese Auslegung sei unrichtig. Die Kündigungsklausel betreffe nicht Verluste infolge der Unmöglichkeit, unmittelbar von einer Erhöhung der Nachfrage nach Gewinderohren zu profitieren. Sie beziehe sich vielmehr auf mögliche Verluste aus einer anhaltenden Schwäche der Nachfrage nach Gewinderohren und damit des Bedarfes von Corus an Glattendrohren.
173. Auch die vertragliche Vereinbarung über die Preisfestsetzung habe die Kommission falsch ausgelegt. Laut der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 153) sei Corus verpflichtet gewesen, Mannesmann und Dalmine die Preise und die Mengen der von ihr verkauften Gewinderohren mitzuteilen, obgleich es sich um vertrauliche Geschäftsdaten gehandelt habe. Außerdem werde in der angefochtenen Entscheidung beanstandet, dass der Preis für die Glattendrohre von dem Preis abhängig gewesen sei, den Corus für den Wiederverkauf der Rohre nach der Einschneidung von Gewinden erzielt habe.
174. Diese Ausführungen hätten keine Basis in den Tatsachen und seien unzureichend begründet. Was die angebliche Mitteilung von vertraulichen Informationen angehe, so habe Corus ihr nicht den Verkaufspreis für die von ihr vermarkteten Gewinderohre mitgeteilt. Zwar sei dieser Preis als ein Faktor in die mathematische Formel zur Berechnung des Preises eingegangen, den Corus für die Glattendrohre gezahlt habe. Für diese Berechnung sei aber Corus zuständig gewesen, und Dalmine sei nur das Endergebnis mitgeteilt worden. Bei einer Meinungsverschiedenheit über den so berechneten Preis habe Dalmine einen unabhängigen Dritten einschalten können. Dieser Mechanismus habe es erlaubt, die Vertraulichkeit der von Corus verlangten Preise zu wahren.
175. Die Kommission beharrt darauf, dass der vertragliche Mechanismus zur Festsetzung der Liefermengen den Wettbewerb beschränkt habe.
176. Zur Gültigkeit der Vertragsklausel über die Preisfestsetzung sei darauf hinzuweisen, dass der Preis für die Glattendrohre nach der vereinbarten Formel vom Preis für Gewinderohre abhängig gewesen sei. Folglich hätten Vallourec, Mannesmann und Dalmine keinerlei Interesse daran gehabt, Corus hinsichtlich des Preises für Gewinderohre im Vereinigten Königreich Wettbewerb zu liefern.
177. Es stehe außer Zweifel, dass die in Artikel 6 des Liefervertrags enthaltene Formel zur Berechnung der Preise für die Glattendrohre Informationen berücksichtige, die konkurrierende Unternehmen nicht untereinander austauschen dürften.
- Würdigung durch das Gericht
178. Den Zweck und die Wirkungen der drei Lieferverträge hat die Kommission in Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung wie folgt beschrieben:
Gegenstand dieser Verträge war die Versorgung des Marktführers für OCTG im Nordseeraum mit Glattendrohren, um im Vereinigten Königreich einen heimischen Hersteller zu bewahren und so die Einhaltung der im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs vereinbarten [Grundregeln] erreichen zu können. Diese Verträge bewirkten, dass sich [Mannesmann], Vallourec und Dalmine die Deckung des Glattendrohrbedarfs ihres Konkurrenten [Corus] (Vallourec von Februar 1994 an) teilten. Des Weiteren erfolgte eine Anbindung der Glattendrohrpreise an die [Corus]-Verkaufspreise für Gewinderohre. Die Verträge schränkten auch die Lieferfreiheit von [Corus] (Vallourec ab Februar 1994) ein, da [Corus] sich verpflichten musste, seine Konkurrenten über Verkaufspreise und Absatzmengen zu informieren. [Mannesmann], Vallourec (bis Februar 1994) und Dalmine verpflichteten sich ihrerseits zur Belieferung eines Konkurrenten ([Corus] bzw. ab März 1994 Vallourec), ohne im Voraus den genauen Bedarf zu kennen.
179. Der Wortlaut der dem Gericht vorgelegten Lieferverträge, darunter der Vertrag zwischen Dalmine und Corus vom 4. Dezember 1991, bestätigt im Wesentlichen die Tatsachenfeststellungen, die in Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung und in deren Randnummern 78 bis 82 und 153 getroffen wurden. Zusammen teilten diese Verträge zumindest ab dem 9. August 1993 den Bedarf von Corus an Glattendrohren unter den drei anderen europäischen Herstellern auf (40 % für Vallourec, 30 % für Dalmine und 30 % für Mannesmann). Außerdem ist in jedem der drei Verträge vorgesehen, dass der von Corus für die Glattendrohre zu zahlende Preis nach einer mathematischen Formel berechnet wird, die auf den Preis abstellt, den Corus für ihre mit Gewinden versehenen Rohre erzielt.
180. Wie aus diesen Feststellungen folgt, haben es die Lieferverträge bezweckt und/oder jedenfalls bewirkt, zumindest unter den vier europäischen Herstellern an die Stelle eines mit Risiken verbundenen Wettbewerbs eine ausgehandelte Aufteilung des auf dem britischen Markt erzielbaren Gewinns aus dem Verkauf von Gewinderohren treten zu lassen (vgl. analog zu abgestimmten Verhaltensweisen Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 3150).
181. Mit jedem der Lieferverträge band Corus ihre drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten in der Weise, dass für den Preis der Aufgabe ihrer Einkaufsfreiheit jeder wirksame Wettbewerb und auch die Perspektive eines Wettbewerbs durch diese Konkurrenten verschwand. Denn für diese drei Wettbewerber minderten sich die Verkäufe von Glattendrohren, wenn die Gewinderohrverkäufe durch Corus schrumpften. Auch die Gewinnspanne der Glattendrohrverkäufe, zu denen sich diese drei Lieferanten verpflichtet hatten, minderte sich, soweit die von Corus für ihre Gewinderohre erzielten Preise sanken, und konnte sogar in Verlust umschlagen. Unter diesen Umständen erschien es praktisch unvorstellbar, dass es diese drei Hersteller anstreben könnten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen wirksamen Wettbewerb, besonders hinsichtlich der Preise, zu liefern (vgl. Randnr. 153 der angefochtenen Entscheidung).
182. Umgekehrt sicherten sich die drei in der Gemeinschaft ansässigen Konkurrenten von Corus mit dem Abschluss der Verträge mittelbar einen Anteil am Heimatmarkt von Corus und an den sich daraus ergebenden Gewinnen. Für diese Vorteile verzichteten sie faktisch auf die Möglichkeit, auf dem britischen Markt Gewinderohre zu verkaufen, und zumindest ab der Unterzeichnung des dritten Vertrages am 9. August 1993, mit dem die verbleibenden 30 % Mannesmann zugeschlagen wurden, auch auf die Möglichkeit, Corus einen höheren Anteil an den von dieser gekauften Glattendrohren zu liefern als die ihnen von vornherein zuerkannte Quote.
183. Darüber hinaus gingen die Wettbewerber von Corus die kostspielige und daher geschäftlich anormale Verpflichtung ein, Corus bestimmte Mengen an Rohren zu liefern, die im Voraus allein durch eine Koppelung an die von Corus ausgeführten Verkäufe von Gewinderohren festgelegt waren. Diese Verpflichtung verstärkte die zwischen diesen Herstellern und Corus bestehende rechtswidrige wechselseitige Abhängigkeit, da erstere als vertragliche gebundene Lieferanten von der durch Corus verfolgten Geschäftspolitik abhängig waren. Das Argument von Dalmine, das die Liefermengen nach den Modalitäten des Artikels 4 ihres Liefervertrags mit Corus drei Monate vorher vereinbart worden seien, ist nicht stichhaltig, weil diese Vertragsbestimmung es Dalmine nicht ermöglichte, die von ihr gelieferten Glattendrohre mengenmäßig zu begrenzen, da sich die Liefermenge ausschließlich nach dem Bedarf von Corus richtete.
184. Selbst wenn die Kommission im ersten Gedankenstrich der Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung die vertragliche Kündigungsregelung falsch beurteilt haben sollte, wäre dies ohne Auswirkung auf den wettbewerbswidrigen Charakter der Verträge zwischen Corus und den drei anderen Gemeinschaftsherstellern, darunter Dalmine. Diese zusätzliche Meinungsverschiedenheit über den Sachverhalt braucht daher im vorliegenden Verfahren nicht geklärt zu werden.
185. Es ist festzustellen, dass die drei außerbritischen europäischen Hersteller, hätten die Lieferverträge nicht existiert, normalerweise, lässt man die Grundregeln außer Betracht, ein tatsächliches oder zumindest potenzielles geschäftliches Interesse daran gehabt hätten, Corus auf dem britischen Markt für Gewinderohre einen echten Wettbewerb zu liefern und untereinander bei der Belieferung von Corus mit Glattendrohren zu konkurrieren.
186. Was die angeblichen praktischen Hindernisse angeht, die es der Klägerin nach ihrem Vortrag unmöglich gemacht haben sollen, OCTGPremiumrohre und -standardrohre unmittelbar auf dem britischen Markt abzusetzen, so ist nicht hinreichend nachgewiesen, dass Dalmine diese Erzeugnisse ohne ihren Liefervertrag mit Corus und später Vallourec tatsächlich niemals auf dem britischen Markt hätte verkaufen können. Es lässt sich vielmehr nicht ausschließen, dass sich Dalmine im Fall einer positiven Entwicklung auf dem britischen Markt für OCTGRohre eine Lizenz hätte verschaffen können, die ihr die Vermarktung von Premiumgewinderohren auf dem britischen Markt erlaubt hätte, oder ihre Produktion von OCTGStandardrohren für den Verkauf auf dem britischen Markt hätte steigern können. Damit akzeptierte sie aber mit der Unterzeichnung des Liefervertrags tatsächlich die Einschränkungen in ihrer Geschäftspolitik, die oben in den Randnummern 182 bis 185 dargelegt wurden.
187. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass jeder der drei Lieferverträge für eine ursprüngliche Laufzeit von fünf Jahren geschlossen war. Diese verhältnismäßig lange Laufzeit bestätigt und verstärkt den wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verträge, vor allem soweit Dalmine und die beiden anderen Lieferanten von Corus faktisch darauf verzichteten, ein etwaiges Wachstum des britischen Marktes für Gewinderohre während dieser Zeit unmittelbar zu nutzen.
188. Im Übrigen implizierte die in allen drei Lieferverträgen festgelegte Formel für die Berechnung der Preise für Glattendrohre, wie die Kommission in Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung dargelegt hat, einen rechtswidrigen Austausch von geschäftlichen Informationen (vgl. Randnr. 153 der angefochtenen Entscheidung sowie auch deren Randnr. 111), die vertraulich bleiben müssen, da andernfalls die geschäftspolitische Autonomie der konkurrierenden Unternehmen unterlaufen wird (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999 in den Rechtssachen T141/94, Thyssen Stahl/Kommission, zitiert oben in Randnr. 147, Randnr. 403, und T151/94, British Steel/Kommission, Slg. 1999, II629, Randnrn. 383 ff.).
189. Das Vorbringen von Dalmine, ihr seien über die von Corus verkauften Rohrmengen und die dafür von ihren Kunden gezahlten Preise keine vertraulichen Informationen offenbart worden, ist nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht geeignet, die Unterzeichner der Lieferverträge zu entlasten.
190. Zwar trifft der Hinweis zu, dass Corus ihren Vertragspartnern die für ihre Gewinderohre erzielten Preise als solche nicht mitteilte. Folglich wird die Reichweite der insoweit bestehenden vertraglichen Verpflichtungen übertrieben, wenn es in Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung heißt, Corus habe sich verpflichten [müssen], [ihre] Konkurrenten über Verkaufspreise... zu informieren. Jedoch hat die Kommission in Randnummer 153 der angefochtenen Entscheidung und vor dem Gericht zu Recht betont, dass diese Preise zu dem Preis, der für die Glattendrohre gezahlt wurde, in einem bestimmten mathematischen Verhältnis standen, so dass die drei Lieferanten über die Richtung, den Zeitpunkt und den Umfang jeder Fluktuation der von Corus erzielten Verkaufspreise für Gewinderohre genaue Daten erlangten.
191. Festzustellen ist nicht nur, dass die Übermittlung dieser Informationen an Konkurrenten gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstößt, sondern auch, dass es sich, gleichviel ob die Preise für Gewinderohre selbst oder nur Daten über ihre Fluktuation mitgeteilt wurden, im Wesentlichen um einen Verstoß der gleichen Art handelt. Demnach ist die in der vorstehenden Randnummer genannte Ungenauigkeit im größeren Kontext der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung unbedeutend und damit ohne Einfluss auf die Feststellung, dass diese Zuwiderhandlung vorlag.
192. Demnach sind die zum Liefervertrag zwischen Dalmine und Corus erhobenen Rügen insgesamt zurückzuweisen.
Zu den Klagegründen, die das Vorliegen einer Absprache und die Beteiligung von Dalmine daran betreffen
- Vorbringen der Parteien
193. Dalmine bestreitet, dass die Lieferverträge mit Corus Ergebnis einer übergreifenden Absprache seien. Ihr sei es mit dem Abschluss und später der Verlängerung des Liefervertrags mit Corus ausschließlich darum gegangen, ihren Absatz von Glattendrohren auf dem britischen Markt zu steigern. Dies sei ein völlig legitimes geschäftliches Ziel, das die Kommission, die sich auf eine Prüfung der Marktstellung von Corus beschränkt habe, ignoriert habe (Randnr. 152 der angefochtenen Entscheidung).
194. Es sei verfehlt, wenn die Kommission die in Randnummer 80 der angefochtenen Entscheidung angeführten Unterlagen dahin auslegen wolle, dass mit den Lieferverträgen mit Corus die Aufrechterhaltung künstlich überhöhter Preise auf dem britischen Markt bezweckt worden sei. Diese Unterlagen stammten aus einer Zeit vor Abschluss der Lieferverträge und diskutierten lediglich hypothetische Fallgestaltungen. In Wirklichkeit lasse sich ihnen nur entnehmen, dass Vallourec im Jahr 1990 meint, mittels einer Vorzugsbehandlung der europäischen Hersteller auf dem britischen Markt ließe sich ein erhöhtes Preisniveau beibehalten. Die Unterlagen zeigten im Übrigen, dass Corus nicht die Möglichkeit ausgeschlossen habe, sich bei UTM, Siderca und Tubos de Acero de México SA zu versorgen (vgl. den Vermerk Sitzung vom 24. Juli 1990 mit British Steel).
195. Auch die Lieferfristen habe die Kommission falsch analysiert. Die von Corus verlangte Lieferfrist von sechs Wochen hätten wegen des Transports der Produkte und der nötigen Produktionszeit nach einer endgültigen Bestellung allein die europäischen Unternehmen einhalten können. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass Corus ihr auferlegt habe, noch bis zu zehn Tagen vor dem Produktionsmonat Änderungen der Bestellungen anzunehmen. Es sei darum widersprüchlich, dass die Kommission die Lieferfristen einerseits für unwesentlich halte und den Herstellern andererseits vorwerfe, sie hätten sich zu Lieferungen in unbestimmtem Umfang verpflichtet.
196. Die Beweismittel, vor allem die in den Randnummern 78 und 80 der angefochtenen Entscheidung genannten Beweisurkunden, seien auch ohne Beweiskraft. Die Kommission habe sie verfehlt interpretiert. So habe Vallourec in ihren internen Unterlagen, die die Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen der Kommission keineswegs belegten, lediglich bestimmte Hypothesen zu den etwaigen Folgen der Schließung des CorusWerkes in Clydesdale entwickelt. Nichts in diesen Unterlagen deute darauf hin, dass es eine Absprache über die Aufteilung des britischen Marktes gegeben habe.
197. Der Annahme eines Kartells widerspreche auch, dass Mannesmann ihren Liefervertrag mit Corus erst drei Jahre nach den im Jahr 1990 zwischen Corus und Vallourec geführten Diskussionen, aus denen die Kommission das Vorliegen einer unzulässigen Absprache herleiten wolle, geschlossen habe.
198. Selbst wenn es eine Absprache über die Aufteilung des britischen Marktes gegeben haben sollte, so habe jedenfalls Dalmine an keinerlei Absprache dieser Art mit den übrigen europäischen Herstellern teilgenommen. Laut der angefochtenen Entscheidung sollten Vallourec und Corus zwischen 1990 und 1991 übereingekommen sein, die Belieferung von Corus den Gemeinschaftsherstellern vorzubehalten (Randnr. 110 der angefochtenen Entscheidung). Nach der angefochtenen Entscheidung hätten diese Diskussionen die Klägerin nicht betroffen, und die Kommission könne ihr folglich auch nicht die Beteiligung an einer solchen Absprache vorwerfen. Sie könne es ihr somit nicht zur Last legen, dass sie am 4. Dezember 1991 einen Liefervertrag mit Corus geschlossen habe.
199. Die Beweismittel, die die Kommission für ihre Auffassung anführe, beträfen ausschließlich Vallourec und Corus (Randnrn. 78, 91, 110, 146 und 152 der angefochtenen Entscheidung). Sie selbst könne sich nicht sachgerecht gegen Beweismittel verteidigen, die ausschließlich Dritte beträfen.
200. Es sei ebenfalls unzutreffend, wenn die Kommission behaupte, dass Dalmine der Absprache zwischen Vallourec und Corus später beigetreten sei, als Corus sich vom Markt habe zurückziehen und ihre Produktion nahtloser Rohre habe einstellen wollen. In den Beweismitteln, die in Randnummer 91 der angefochtenen Entscheidung angeführt seien, werde von einer Zusammenkunft zwischen Corus, Mannesmann, Vallourec und Dalmine am 29. Januar 1993 gesprochen. Diese Erörterungen seien jedoch dem Abschluss eines Liefervertrages zwischen Mannesmann und Corus am 9. August 1993 vorausgegangen. Folglich habe es am 29. Januar 1993 eine Absprache zwischen den europäischen Herstellern nicht gegeben. Offenbar wolle die Kommission der Klägerin vorwerfen, dass sie der Übernahme der Tätigkeiten von Corus durch Vallourec zugestimmt hat. Indessen habe sie mit dieser Operation überhaupt nichts zu tun gehabt. Ihr Interesse sei es gewesen, eine Absatzmöglichkeit auf dem britischen Markt zu behalten, und aus diesem Grunde habe sie auch nach der Übernahme der Geschäftstätigkeit von Corus durch Vallourec weiterhin Glattendrohre auf dem britischen Markt verkaufen wollen.
201. Die Kommission bewerte es ebenfalls zu Unrecht als unzulässige Absprache, dass Vallourec nach der Übernahme der Produktion nahtloser Stahlrohre von Corus beschlossen habe, die früheren Verträge von Corus mit Mannesmann und Dalmine zu verlängern. Dabei habe es sich um eine Entscheidung von Vallourec gehandelt, auf die Dalmine keinerlei Einfluss gehabt habe. Die Vertragsparteien hätten frei nach ihren geschäftlichen Interessen gehandelt.
202. Schließlich habe sich ihr Liefervertrag mit Corus nur geringfügig auf den Markt ausgewirkt. Von den rund 20 400 Tonnen Glattendrohre, die sie auf dem britischen Markt verkauft habe, seien nur 20 % zu OCTGStandardgewinderohren verarbeitet worden (Anhang 2 der angefochtenen Entscheidung). Diese hätten nur 3 % des britischen Verbrauchs, 1,4 % des Gemeinschaftsverbrauchs und 0,08 % des Weltverbrauchs ausgemacht.
203. Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen. Am Abschluss der fraglichen Verträge habe Corus keinerlei berechtigtes Interesse gehabt.
204. Die Lieferverträge fügten sich vielmehr in den Kontext der im EuropäischJapanischen Club vereinbarten Grundregel über den Heimatmarktschutz ein (Randnr. 146 der angefochtenen Entscheidung). Als sich Corus im Jahr 1990 teilweise aus der Produktion von bestimmten nahtlosen Rohren zurückgezogen habe, habe die Gefahr bestanden, dass die Schutzvereinbarung für das Vereinigte Königreich hinfällig würde. Vallourec und Corus hätten dieses Problem im Juli 1990 bei ihren Verhandlungen über die Verlängerung des Vertrages erörtert, mit dem Corus eine Lizenz für die Verwendung der VAMVerbindungstechnik gewährt worden sei.
205. Die Kommission habe das Vorliegen einer Absprache zwischen diesen beiden Unternehmen rechtlich hinreichend bewiesen. Insoweit sei zu verweisen auf den Vermerk von Vallourec mit der Überschrift Sitzung vom 24. Juli 1990 mit British Steel, der in Randnummer 80 der angefochten Entscheidung erwähnt werde. Auch der Vermerk Strategische Überlegungen von Vallourec, der in derselben Randnummer erwähnt werde, stütze die Auffassung der Kommission.
206. Schließlich sei die verstrichene Zeit zwischen den Erörterungen von Vallourec und Corus im Jahr 1990 und dem Abschluss des Liefervertrages zwischen Corus und Mannesmann am 9. August 1993 ohne Belang. Es gebe im vorliegenden Fall keinen Gesichtspunkt, unter dem sich ausschließen lasse, dass bereits vor dem Abschluss des Liefervertrages durch Mannesmann eine Absprache bestanden habe. Jedenfalls verbiete Artikel 81 Absatz 1 EG jede Übereinkunft dieser Art unabhängig von ihrer Form. Die Kommission habe umfassend nachgewiesen, dass im Rahmen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung eine Absprache über den Heimatmarktschutz bestanden habe.
207. Im Übrigen ergebe sich klar aus den in den Randnummern 65, 67, 84 und 91 der angefochtenen Entscheidung genannten Beweismitteln, dass die Diskussionen zwischen Vallourec und Corus im Jahr 1990 über den schrittweisen Rückzug von Corus vom Markt und die Schließung ihres Werkes in Clydesdale eng mit der Absprache über den Heimatmarktschutz in Verbindung gestanden hätte.
208. Dalmine, die der Absprache über den Heimatmarktschutz ebenfalls beigetreten sei, habe sich dahin geäußert, dass die sich aus der Umstrukturierung von Corus ergebenden Probleme auf europäischer Ebene zu lösen seien, und es für angezeigt gehalten, gleichzeitig mit Vallourec und Mannesmann einen Liefervertrag mit Corus abzuschließen. Sie sei sich gänzlich darüber im Klaren gewesen, dass sie mit dem Abschluss dieses Liefervertrages zur Durchführung der Absprache über den Heimatmarktschutz und zur Abstimmung ihrer Geschäftstätigkeiten mit denen ihrer unmittelbaren Konkurrenten beigetragen habe.
- Würdigung durch das Gericht
209. Wie zunächst festzustellen ist, genügen, da die in Artikel 2 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung in Beschränkungen des Wettbewerbs besteht, die in den Lieferverträgen mit Corus selbst enthalten sind, die obigen Darlegungen zu den vorangegangenen Klagegründen, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung zu belegen.
210. Denn ungeachtet der Frage, bis zu welchem Grad sich die vier europäischen Hersteller tatsächlich untereinander abstimmten, ist festzustellen, das jeder von ihnen einen der Lieferverträge schloss, mit dem der Wettbewerb beschränkt wurde und der sich in die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG einfügte. Wenn es in Artikel 2 Absatz 1 der angefochtenen Entscheidung auch heißt, dass die Lieferverträge im Rahmen der in Artikel 1 erwähnten Zuwiderhandlung... abgeschlossen wurden, geht doch aus Randnummer 111 der Entscheidung klar hervor, dass der Abschluss dieser Verträge selbst die in Artikel 2 festgestellte Zuwiderhandlung bildete.
211. Selbst wenn Dalmine der Nachweis gelungen wäre, dass ihr Liefervertrag mit Corus objektiv mit ihren geschäftlichen Interessen im Einklang stand, würde hierdurch keineswegs die Auffassung der Kommission widerlegt, dass diese Vereinbarung rechtswidrig war. Wettbewerbswidrige Praktiken liegen nämlich, zumindest kurzfristig, sehr häufig im individuellen Geschäftsinteresse von Unternehmen. Angesichts dieser Feststellungen braucht nicht über die zwischen den Parteien bestehende Meinungsverschiedenheit über die Bedeutung der Lieferfristen für Corus entschieden zu werden, denn mit diesem Vorbringen möchte Dalmine dartun, dass Corus mit der vertraglichen Verpflichtung von drei europäischen Lieferanten nur geschäftlich folgerichtig handelte.
212. Da das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen ist, besteht auch keine strikte Notwendigkeit, die Erwägungen der Kommission zur Abstimmung unter den vier europäischen Herstellern zu prüfen. Ebenso bräuchte hierfür nicht das Vorbringen von Dalmine zu jenem Indizienbündel analysiert zu werden, das die Kommission außer den Lieferverträgen selbst zum Beweis dieser Abstimmung anführt.
213. Da indessen der Grad der Abstimmung, die zwischen den vier Gemeinschaftsherstellern hinsichtlich der in Artikel 2 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung bestand, für die Prüfung anderer im vorliegenden Fall vorgetragener Klagegründe relevant ist, ist diese Frage gleichwohl zu prüfen.
214. In diesem Kontext ist festzustellen, dass Verhaltensweisen, die zu einem Gesamtplan gehören, mit dem ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde, als Bestandteile einer einzigen Vereinbarung angesehen werden können (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 4027). Denn beweist die Kommission, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an bestimmten Abmachungen wusste oder zwangsläufig wissen musste, dass es sich damit an einer einzigen Vereinbarung beteiligte, so kann seine Beteiligung an diesen Abmachungen der Ausdruck seines Beitritts zu dieser Vereinbarung sein (in diesem Sinne Urteil Zement, Randnrn. 4068 und 4109).
215. In dieser Hinsicht ist der Vermerk Überlegungen zum VAMVertrag vom 23. März 1990 besonders aussagekräftig. Unter der Überschrift Szenario II erwähnt Herr Verluca dort die Möglichkeit, dass die Japaner dazu gebracht werden können,... sich vom britischen Markt fern[zu]halten und den Europäern [zu] gestatten, das Problem unter sich zu regeln. Er führt dazu weiter aus: In diesem Fall würden sich [Mannesmann], [Vallourec] und Dalmine die Glattendrohrlieferungen an [Corus] teilen. Im folgenden Absatz erwähnt er, dass es [d]ann... wahrscheinlich günstig [wäre], die [Vallourec]Lieferungen an den Preis und die Menge der von [Corus] verkauften VAM zu koppeln.
216. Da dieser Vorschlag den wesentlichen Inhalt des 16 Monate später zwischen Vallourec und Corus geschlossenen Vertrages exakt widerspiegelt, ist eindeutig, dass Vallourec diese Strategie tatsächlich wählte und sie mit dem Vertragsschluss umsetzte.
217. Dass anschließend ein praktisch identischer Vertrag zwischen Corus einerseits und jedem der anderen europäischen Mitglieder des EuropäischJapanischen Clubs andererseits, also erst Dalmine und später Mannesmann, geschlossen wurde, so dass der Bedarf von Corus an Glattendrohren, genau wie es Herr Verluca ins Auge gefasst hatte, effektiv ab August 1993 zwischen den drei anderen Mitgliedern des EuropäischJapanischen Clubs aufgeteilt wurde, bestätigt überdies, dass diese drei Verträge zu dem Zweck geschlossen wurden, die im Rahmen ihrer Abstimmung im EuropäischJapanischen Club vorgeschlagene Strategie zu verfolgen.
218. Dieser Schluss wird weiter gestützt durch die Beweismittel, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, so insbesondere in Randnummer 91, wo es heißt:
Am 21. Januar 1993 schickte [Corus] Vallourec ein Diskussionspapier (S. 4628 [der Kommissionsakte, d. h. Seite 1 des Dokuments Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren]) zu der Frage, wie der Produktionsbereich nahtlose Rohre im Interesse aller umstrukturiert werden könnte. Es ist wahrscheinlich, dass auch [Mannesmann] und Dalmine dieses Papier erhielten. In besagtem Dokument, das auf einer Sitzung zwischen Mannesmann/Vallourec/Dalmine/[Corus] am 29. Januar 1993 diskutiert werden sollte, heißt es: [Corus] [hat angekündigt, dass es die Produktion nahtloser Rohre eventuell einstellen will. Dabei will [Corus] jedoch planvoll vorgehen, damit keine Unterbrechungen bei der Belieferung der Kunden entstehen und das Auftragsvolumen auch unter dem neuen Eigentümer beibehalten werden kann... In den letzten sechs Monaten hat [Corus] Gespräche mit anderen Stahlrohrherstellern geführt, die an einem Erwerb der Anlagen interessiert sind, und dabei den Eindruck gewonnen, dass die in diesem Papier beschriebene Verfahrensweise auf allgemeine Zustimmung stößt. Einer der Vorschläge lautete, Vallourec die Produktion von OCTG zu überlassen und dabei die bestehenden Verträge über die Lieferung von Glattendrohren zwischen [Corus] einerseits und Vallourec, [Mannesmann] und Dalmine andererseits in den gleichen Größenordnungen aufrechtzuerhalten. Am gleichen Tag fand eine Sitzung zwischen [Mannesmann] und [Corus] statt, in deren Verlauf [Mannesmann]... sich dafür aus[sprach], dass Vallourec das OCTGGeschäft übernehmen soll. (S. 4626 [der Kommissionsakte, nämlich das aus nur einer Seite bestehende Fax vom 22. Januar 1993 von Herrn Davis bei Corus an Herrn Patrier bei Vallourec]). In dem DalminePapier [System für nahtlose Stahlrohre in Europa und Marktentwicklung] Seamless steel tube system in Europe and market evolution (S. 2053 [der Kommissionsakte]) vom Mai-August 1993 ist die Rede davon, dass eine für alle zufrieden stellende Lösung des Problems [Corus] nur im Kreise der Europäer gefunden werden könne und dass auch Dalmine nichts gegen die Übernahme der [Corus]Produktionsstätten durch Vallourec einzuwenden habe.
219. Es ist außerdem darauf hinzuweisen, dass Vallourec in ihrem in Randnummer 80 der angefochtenen Entscheidung zitierten Vermerk Strategische Überlegungen ausdrücklich eine mögliche Abstimmung zwischen Dalmine und Mannesmann für die Lieferung von Glattendrohren an Corus ins Auge fasste. In Randnummer 59 der angefochtenen Entscheidung stützte sich die Kommission weiterhin auf das Dokument g) Japaner, besonders auf den Zeitplan auf dessen Seite 4 (S. 4912 der Kommissionsakte), als Beleg dafür, dass die europäischen Hersteller vor der Zusammenkunft mit den japanischen Herstellern eine vorbereitende Sitzung abhielten, um ihre Positionen untereinander abzustimmen und im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs gemeinsame Vorschläge zu unterbreiten.
220. Den vorgenannten Beweisurkunden, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, ist zu entnehmen, dass die vier Gemeinschaftshersteller tatsächlich, zumindest im Jahr 1993, zusammenkamen, um ihre Position im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs vor dessen interkontinentalen Sitzungen abzustimmen. Ebenfalls bewiesen ist, dass auf diesen Zusammenkünften über die Schließung des Gewindeschneidewerkes von Corus in Clydesdale und dessen Übernahme durch Vallourec und über die Lieferung von Glattendrohren an Corus durch Dalmine und Mannesmann diskutiert wurde. Es ist daher undenkbar, dass Dalmine die Ausrichtung der von Vallourec erarbeiteten Strategie und der Umstand, dass sich ihr eigener Liefervertrag mit Corus in eine umfassendere wettbewerbswidrige Vereinbarung sowohl über den Markt für Standardgewinderohre als auch für Glattendrohre einfügte, verborgen geblieben sein könnten.
221. Was das Argument von Dalmine angeht, der dritte, nämlich der von Mannesmann geschlossene Liefervertrag mit Corus sei erst deutlich später geschlossen worden als die beiden anderen, so dass die Kommission nicht auf das Vorliegen einer einzigen Zuwiderhandlung unter Beteiligung der vier europäischen Hersteller hätte schließen dürfen, so ist darauf hinzuweisen, dass die Auffassung, die die Kommission zu der von den anderen drei europäischen Herstellern, also Corus, Vallourec und Dalmine, verfolgten Zielsetzung beim Abschluss der beiden anderen Verträge im Jahr 1991 einnimmt, durch das Fehlen eines Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus in der Zeit vor 1993 nicht entkräftet wird. Denn die Strategie einer Aufteilung der Lieferungen von Glattendrohren wurde zwar in vollem Umfang erst von dem Zeitpunkt an umgesetzt, von dem an Corus drei Lieferanten hatte, doch stellte die Unterzeichnung der anderen beiden Verträge über 70 % des Bedarfs an Glattendrohren bereits eine wichtige Teilumsetzung dieses Vorhabens dar.
222. Im Übrigen ist, wie die Kommission vor dem Gericht ausgeführt hat, der in dem Diskussionspapier für eine Vereinbarung über die Umstrukturierung bei nahtlosen Rohren vom 21. Januar 1993 enthaltene Hinweis darauf, dass Mannesmann damals bereits Glattendrohre an Corus lieferte, mit der Unterzeichnung eines Liefervertrags zwischen Corus und Mannesmann im August 1993 keineswegs unvereinbar, wie Dalmine meint, sondern erhärtet die Analyse der Kommission. Denn auch wenn die Kommission das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung vorsorglich erst vom 9. August 1993 an feststellte, weil der Abschluss des Liefervertrags zwischen Mannesmann und Corus zu diesem Datum einen sicheren Beweis für Mannesmanns Beteiligung an der Zuwiderhandlung darstellt, ergibt sich aus diesem Hinweis in Wirklichkeit, dass Mannesmann bereits im Januar 1993 Glattendrohre an Corus lieferte.
223. Den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismitteln ist damit zu entnehmen, dass Vallourec die Strategie zum Schutz des Marktes des Vereinigten Königreichs ausarbeitete und einen Liefervertrag mit Corus schloss, der den ersten Schritt zur Verwirklichung dieser Strategie ermöglichte. Dalmine und Mannesmann schlossen sich später Vallourec an, wie der Abschluss eines eigenen Liefervertrags mit Corus durch jede von ihnen bezeugt.
224. Nach alledem hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Lieferverträge die in Artikel 2 der Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bildeten und damit deren Vorliegen rechtlich hinreichend bewiesen. Vorsorglich ist weiter festzustellen, dass die von der Kommission angeführten ergänzenden Beweise ihre Auffassung erhärten, dass sich diese Verträge in eine gemeinsame umfassendere Politik der Europäer auf dem Markt für OCTGStandardgewinderohre einfügten.
225. Was schließlich das Vorbringen angeht, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Vertrages zwischen Dalmine und Corus seien geringfügig geblieben, so genügt der Hinweis, dass dieser Umstand, selbst wenn er nachgewiesen wäre, auf das Vorliegen der in Artikel 2 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung keinen Einfluss hat, da der wettbewerbswidrige Zweck des Vertrages und die Strategie, zu deren Verwirklichung er beitrug, ihrerseits nachgewiesen sind.
226. Die Klagegründe, die das Vorliegen einer Absprache unter Teilnahme von Dalmine betreffen, sind daher zurückzuweisen.
Zu den Klagegründen, die den relevanten Markt und den Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung betreffen
- Vorbringen der Parteien
227. Dalmine macht geltend, dass die Lieferverträge mit Corus Produkte betroffen hätten, die nicht zum relevanten Markt gehörten. Die Kommission könne daher aus diesen Verträgen nicht auf eine Wettbewerbsbeschränkung auf diesem Markt schließen.
228. Die Kommission meine, dass sich die Lieferverträge mit Corus in den Rahmen der in Artikel 1 der Entscheidung für rechtswidrig erklärten Absprache über den Marktschutz einfügten. Dies setze logischerweise voraus, dass die Lieferverträge den Wettbewerb auf dem in Artikel 1 der Entscheidung genannten Produktmarkt beeinträchtigt hätten. Das sei jedoch nicht der Fall: Die Lieferverträge hätten andere Produkte als die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannten Erzeugnisse betroffen. Denn ihr Gegenstand seien zu 80 % Glattendrohre für die Verarbeitung zu OCTG-Premiumrohren gewesen, während sich die im EuropäischJapanischen Club geschlossene Übereinkunft nur auf OCTGStandardrohre bezogen habe. Die Beurteilung der Kommission sei daher verfehlt und die angefochtene Entscheidung unzureichend begründet.
229. Bei den Lieferverträgen mit Corus habe es sich nicht um Maßnahmen zur Durchführung der in Artikel 1 der Entscheidung genannten Zuwiderhandlung gehandelt. Eine Übereinkunft zwischen Vallourec und Corus zur Abschottung des Marktes gegen die japanischen Hersteller habe es nicht geben können, weil die Japaner im Vereinigten Königreich bereits erhebliche Marktanteile besessen hätten. Wie die von der Kommission angeführten Beweismittel zeigten, sei Vallourec überdies keineswegs davon überzeugt gewesen, dass die Schließung des Werkes in Clydesdale den Wettbewerb durch die japanischen Hersteller intensivieren würde.
230. Corus habe sich schon seit 1991 bei ausländischen Herstellern mit Glattendrohren versorgt. Es habe daher nicht mehr die Rede sein können von einer heimischen Produktion im Vereinigten Königreich, wie dieser Teil der im EuropäischJapanischen Club vereinbarten Grundregeln über den Heimatmarktschutz aber vorausgesetzt hätte. Es sei darum fehlerhaft, dass die von Vallourec, Mannesmann und Dalmine an Corus verkauften Glattendrohre in der Tabelle in Randnummer 68 der angefochtenen Entscheidung in den Anteil des heimischen Herstellers einbezogen worden seien.
231. Für den Fall, dass ihr Liefervertrag mit Corus nach den Feststellungen des Gerichts mit der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung in Verbindung stuende, macht Dalmine hilfsweise geltend, dass dann jeder Begründungsmangel hinsichtlich der Zuwiderhandlung nach Artikel 2 auch die Gültigkeit von Artikel 1 erfasste.
232. Die Kommission meint, in den Randnummern 146 bis 155 der angefochtenen Entscheidung sei umfassend dargelegt, durch welchen Mechanismus die Lieferverträge der Durchführung der im EuropäischJapanischen Club beschlossenen Grundregeln über den Heimatschutz hätten durchführen sollen.
233. Das Vorbringen von Dalmine zum Preisniveau im Vereinigten Königreich ändere nichts daran, dass es sich um erhöhte Preise gehandelt habe.
- Würdigung durch das Gericht
234. Es ist zunächst hervorzuheben, dass die Kommission in den Artikeln 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung zwei gesonderte Zuwiderhandlungen auf benachbarten Märkten feststellte. Es ist dabei keineswegs von vornherein unzulässig, dass sich im Einklang mit den Marktdefinitionen in Randnummer 29 der angefochtenen Entscheidung die in deren Artikel 2 festgestellte Zuwiderhandlung auf den Markt für Glattendrohre bezieht, während der Verstoß im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung den Markt für OCTGStandardgewinderohre betrifft.
235. Die Kommission ist durch keine gemeinschaftsrechtliche Regel daran gehindert, in ein und derselben Entscheidung zwei gesonderte Verstöße gegen Artikel 81 Absatz 1 EG festzustellen. Die festgestellten wirtschaftlichen Sachverhalte können nämlich so komplex sein, dass zwei eigenständige, aber zusammenhängende Märkte von zwei Zuwiderhandlungen betroffen sind, deren Ahndung in ein und derselben Entscheidung folgerichtig ist, weil auch die Zuwiderhandlungen ihrerseits zwar eigenständig sind, aber zusammenhängen.
236. Im vorliegenden Fall hat die Kommission einen Sachverhalt dargelegt, in dem Absprachen zwischen den europäischen Herstellern über den britischen Markt für Glattendrohre zumindest teilweise bezweckten, den nachgelagerten britischen Markt für OCTGStandardgewinderohre gegen japanische Einfuhren zu schützen. Es wäre der Kommission in diesem Fall nicht möglich gewesen, allen in ihrer Untersuchung aufgedeckten Umstände hinreichend Rechnung zu tragen, ohne die verschiedenen wettbewerbswidrigen Praktiken auf den beiden miteinander verbundenen Märkten zu würdigen (vgl. analog, auch wenn mit Rechtsmittel angefochten, Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2002 in der Rechtssache T 5/02, Tetra Laval/Kommission, Slg. 2002, II-4381, Randnrn. 142 bis 147 und 154 bis 162).
237. Soweit sich Dalmine gegen den Zusammenhang zwischen den beiden geahndeten Zuwiderhandlungen wendet, kann ihr Vorbringen auf die Begründetheit des Artikels 2 der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss haben, weil die darin festgestellte Zuwiderhandlung bereits durch den Wortlaut der Lieferverträge selbst rechtlich hinreichend nachgewiesen ist (vgl. oben, Randnrn. 178 bis 192). Dennoch ist dieses Vorbringen zu prüfen, soweit sich die Kommission zum Nachweis der Zuwiderhandlung gemäß Artikel 1 der Entscheidung auf den Zusammenhang zwischen beiden Zuwiderhandlungen gestützt und diesen Zusammenhang außerdem in Randnummer 164 der angefochtenen Entscheidung für die Bußgeldzumessung berücksichtigt hat.
238. Nach der oben in Randnummer 178 zitierten Randnummer 111 der angefochtenen Entscheidung war einer der Zwecke der dort beschriebenen Absprache tatsächlich der Schutz des britischen Marktes für OCTGStandardrohre im Rahmen der Grundregeln, hatte aber die Absprache außerdem gesonderte wettbewerbswidrige Zielsetzungen und Wirkungen auf dem britischen Markt für Glattendrohre. Damit hat die Kommission ihre Auffassung zum Zusammenhang zwischen den beiden Zuwiderhandlungen in der Entscheidung rechtlich hinreichend begründet.
239. Soweit Dalmine argumentiert, dass Corus kein heimischer Hersteller von OCTGStandardgewinderohren mehr gewesen sei, weil sie ihre Glattendrohre bei anderen europäischen Herstellern gekauft habe, ergibt sich aus den Vermerken von Vallourec, dass deren Verfasser, Herr Verluca, die Chancen, eine weitere Respektierung der Grundregeln durch die japanischen Hersteller zu erreichen, für den Fall, dass sich Corus ausschließlich mit Glattendrohren aus der Gemeinschaft versorgen würde, optimistischer einschätzte als für den Fall, dass Corus ihre Glattendrohre aus anderen Kontinenten importieren würde. Da Corus entschieden hatte, ihr Gewindeschneidewerk in Clydesdale zu schließen, war die bevorzugte Lösung zum Schutz des britischen Marktes, also die Verarbeitung von Glattendrohren britischer Herkunft zu Gewinderohren, unerreichbar geworden, was aber entgegen der Darstellung von Dalmine nicht bedeutete, dass jeder Versuch, den Schutz des britischen Marktes gegen die japanischen Hersteller aufrechtzuerhalten, als aussichtslos betrachtet wurde.
240. Vielmehr stellte sich, wie den Akten zu entnehmen ist, für Vallourec die Notwendigkeit, den Status quo durch eine andere Lösung so gut wie möglich abzusichern. Die hierfür von Vallourec erarbeitete Lösung bestand in der Versorgung von Corus mit Glattendrohren ausschließlich aus der Gemeinschaft. Ob diese Lösung wirkungsvoll war, ist ohne Bedeutung, weil nach den vorliegenden Beweismitteln eines der von den europäischen Herstellern mit den Lieferverträgen verfolgten Ziele eben in der Beibehaltung des Heimatmarktstatus des britischen Marktes gegenüber den japanischen Herstellern bestand (vgl. oben, Randnrn. 213 ff.)
241. Aus den gleichen Gründen ist das Vorbringen von Dalmine zurückzuweisen, wonach die Einbeziehung der Verkäufe von Glattendrohren durch Vallourec, Mannesmann und Dalmine an Corus in den Anteil des heimischen Herstellers in der Tabelle in Randnummer 68 der Entscheidung fehlerhaft gewesen sei. Diese Einbeziehung entspricht der Gleichstellung von Glattendrohren europäischer Herkunft, die zunächst Corus und später TISL (Tochtergesellschaft von Vallourec) mit Gewinden versahen, mit Gewinderohren britischer Herkunft.
242. Überdies wird die in Randnummer 111 der Entscheidung enthaltene Beurteilung der Zuwiderhandlung nach Artikel 2 der Entscheidung nicht dadurch entkräftet, dass nur ein Teil der von den Lieferverträgen betroffenen Glattendrohren zu OCTGStandardrohren verarbeitet wurden, während der Rest für die Produktion von OCTG-Premiumgewinderohren bestimmt blieb. Denn ist nachgewiesen, dass ein bestimmter Anteil der Glattendrohre zu OCTGStandardrohren verarbeitet wurde, so ist ein Zusammenhang zwischen den beiden Verstößen nachgewiesen. Damit aber belegt die Begehung der Zuwiderhandlung nach Artikel 2 der Entscheidung jedoch auch die in Artikel 1 festgestellte Zuwiderhandlung.
243. Nach Dalmines eigenem Vorbringen waren etwa 20 % der Glattendrohre, die vom Liefervertrag zwischen Corus und Dalmine erfasst waren, für die Verarbeitung zu Standardgewinderohren bestimmt. So wurde nach Artikel 6 Buchstabe b dieses Vertrages und der anderen Lieferverträge von Corus mit Vallourec und Mannesmann der Verkauf von OCTGStandardrohren (buttress threaded casing) und OCTGPremiumrohren (VAM) zur Berechnung des Preises berücksichtigt, den Corus für die Glattendrohre zu zahlen hatte. Diese Berechnungsweise gab aber nur Sinn, wenn ein Teil der Glattendrohre tatsächlich zu OCTGStandardrohren verarbeitet werden sollte.
244. Vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass die in Randnummer 164 der Entscheidung enthaltene Feststellung, wonach die die Zuwiderhandlung nach Artikel 2 bildenden Lieferverträge nur ein Mittel zur Durchführung der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 waren, zu weitgehend ist, weil die Durchführung nur ein Ziel der zweiten Zuwiderhandlung unter mehreren zusammenhängenden, aber gesonderten wettbewerbswidrigen Zielen war. So hat das Gericht in seinem Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 111, Randnrn. 569 ff.) festgestellt, dass die Kommission den Grundsatz der Gleichbehandlung verkannte, indem sie die Zuwiderhandlung nach Artikel 2 der Entscheidung nicht für die Festsetzung der gegen die europäischen Hersteller verhängten Geldbußen berücksichtigte, obgleich Zweck und Wirkung dieser Zuwiderhandlung über einen Beitrag zur Verfestigung der EuropäischJapanischen Absprache hinausgingen (vgl. insbesondere Randnr. 571 des Urteils).
245. Wenn diese Ungleichbehandlung letztlich auch eine Herabsetzung der gegen die japanischen Klägerinnen verhängten Geldbußen rechtfertigt, kann der ihr zugrunde liegende Beurteilungsfehler im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zur Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung oder ihres Artikels 1 führen.
246. Nach alledem sind die Klagegründe zum relevanten Markt und zum Zusammenhang zwischen den beiden fraglichen Zuwiderhandlungen zurückzuweisen. Der Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung kann daher keinen Erfolg haben.
Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße
247. Unter Bezugnahme auf die beiden vorstehend behandelten Klagegründe beantragt Dalmine, Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung, mit dem gegen sie eine Geldbuße in Höhe von 10,8 Millionen Euro verhängt wurde, und die Randnummern 156 bis 175 der Entscheidung für nichtig zu erklären. Hilfsweise beantragt sie, die ihr auferlegte Geldbuße in der Höhe zu reduzieren. Sie wirft der Kommission in diesem Zusammenhang vor, sie habe die Regeln über die Bemessung von Geldbußen nicht richtig angewandt, so insbesondere nicht die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKSVertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und die Mitteilung über Zusammenarbeit.
1. Zur Schwere der Zuwiderhandlung
248. Dalmine rügt, dass die Kommission die Schwere der Zuwiderhandlung fehlerhaft beurteilt habe.
Zur Definition des relevanten Marktes und zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung
- Vorbringen der Parteien
249. Dalmine trägt vor, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung bei der Beurteilung ihrer Schwere nicht umfassend berücksichtigt habe, wie dies jedoch in den Leitlinien (Abschnitt 1 Buchstabe A) verlangt werde. Die Kommission habe diese Auswirkungen nämlich geprüft, ohne sich, wie geboten, auf den relevanten Markt zu beschränken.
250. Die relevanten Produktmärkte seien hier die Märkte für OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre. In räumlicher Hinsicht habe die Kommission festgestellt, dass der Markt für OCTGStandardrohre ein Weltmarkt sei und der Markt für projektbezogene Leitungsrohre ein zumindest europäischer Markt (Randnrn. 35 und 36 der angefochtenen Entscheidung). Dennoch habe die Kommission diese Definition des relevanten Marktes ignoriert und für ihre Beurteilung, wie schwer die Zuwiderhandlung wiege, ausschließlich die Verkäufe der betroffenen Produkte auf dem Gemeinschaftsmarkt berücksichtigt.
251. Hinsichtlich der OCTGStandardrohre hätte die Kommission den Weltmarkt zugrunde legen müssen. Sie wäre dann zu dem Ergebnis gelangt, dass die von den Adressaten der angefochtenen Entscheidung ausgeführten Verkäufe insgesamt 13,5 % des relevanten Marktes und ihre Verkäufe auf dem europäischen Markt nur 0,75 % des relevanten Marktes ausgemacht hätten.
252. Was die projektbezogenen Leitungsrohre betreffe, so könne die räumliche Begrenzung des relevanten Marktes auf Europa eine nur auf das Gemeinschaftsgebiet beschränkte Analyse nicht rechtfertigen. Die Kommission hätte in ihre Würdigung vielmehr die Auswirkungen der als Zuwiderhandlung geahndeten Absprache auf die Offshore-Gebiete Norwegens einbeziehen müssen.
253. Die Kommission habe sich außerdem darauf berufen, dass auf Deutschland, Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich der überwiegende Verbrauch der betroffenen Produkte in der Gemeinschaft entfalle (Randnr. 161 der angefochtenen Entscheidung). Für die beiden betroffenen Produktarten sei der relevante räumliche Markt aber größer als das Gemeinschaftsgebiet.
254. Schließlich habe auf ihrem eigenen nationalen Markt, also Italien, die im EuropäischJapanischen Club getroffene Absprache zur Respektierung der Grundregeln über den Heimatmarktschutz auf den Verkauf von OCTGRohren allgemein einen nur verschwindenden Einfluss gehabt. Hinsichtlich der projektbezogenen Leitungsrohre habe sich die Kommission nicht zu der Frage geäußert, inwieweit diese Rohre gegen geschweißte Rohre austauschbar seien; daher lasse sich der wirkliche Einfluss der Absprache insoweit nicht feststellen.
255. Die Kommission hält diesen Rügen entgegen, dass sie den Betrag der Geldbuße im Einklang mit der Verordnung Nr. 17 berechnet habe. Der Grundbetrag sei nach der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung bemessen worden.
256. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die vom Verstoß im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung betroffenen Rohre nur einen Teil der nahtlosen Rohre für die Öl und Gasindustrie bildeten. Die von den Unternehmen, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet worden sei, in der Gemeinschaft verkauften OCTGStandardrohre und projektbezogenen Leitungsrohre hätten 19 % des Gemeinschaftsverbrauchs an OCTGRohren und nahtlosen Leitungsrohren ausgemacht, während mehr als 50 % des Gemeinschaftsverbrauchs auf OCTGRohre und Leitungsrohre entfielen, die von der Absprache nicht erfasst worden seien, wobei im übrigen mehr als 21 % dieser Rohre aus anderen Drittländern als Japan eingeführt worden seien.
257. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Kommission die begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf dem Markt klar festgestellt habe. Im Mittelpunkt ihrer Analyse stehe der Gemeinschaftsmarkt, ohne dass hierin ein Widerspruch zur räumlichen Definition des Marktes für OCTGRohre liege (Randnr. 35 der angefochtenen Entscheidung).
Würdigung durch das Gericht
258. Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission Geldbußen in Höhe von 1 000 bis einer Million Euro oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße ist neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.
259. Dagegen ist die Höhe der Geldbuße weder nach der Verordnung Nr. 17, noch nach der Rechtsprechung, noch nach den Leitlinien unmittelbar nach der Größe des betroffenen Marktes festzusetzen, die vielmehr nur einen Gesichtspunkt unter anderen bildet. So ist der Bußgeldbetrag, der einem Unternehmen wegen einer wettbewerblichen Zuwiderhandlung auferlegt wird, nach der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung so zu bemessen, dass er zu der Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere im Verhältnis steht (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II755, Randnr. 240, und analog Urteil vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II1689, Randnr. 127). Wie der Gerichtshof in Randnummer 120 des Urteils vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80 (Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1993, 1825) entschieden hat, sind für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung sehr viele Faktoren zu berücksichtigen, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und den besonderen Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind (vgl. auch Urteil Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127).
260. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Leitlinien zwar in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich angeführt, die gegen die Adressaten der Entscheidung verhängten Geldbußen aber gleichwohl nach der Berechnungsweise bemessen hat, die sie sich selbst in den Leitlinien vorgeschrieben hat.
261. Zwar verfügt die Kommission für die Festsetzung der Höhe von Geldbußen über ein Ermessen (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59, und analog Urteil Deutsche Bahn/Kommission, zitiert oben in Randnr. 259, Randnr. 127), sie darf aber nicht von den Regeln abweichen, die sie sich selbst auferlegt hat (Urteil Herkules Chemicals/Kommission, zitiert oben in Randnr. 162, Randnr. 53, auf Rechtsmittel bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C51/92 P, Herkules Chemicals/Kommission, Slg. 1999, I4235, und die dort zitierte Rechtsprechung). Folglich hat die Kommission den Wortlaut der Leitlinien für die Bemessung von Geldbußen tatsächlich zu berücksichtigen, und zwar besonders die dort zwingend festgelegten Gesichtspunkte. Indessen greifen das Ermessen der Kommission und die ihm von ihr selbst gezogenen Grenzen jedenfalls nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung vor.
262. Nach Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien sind [b]ei der Ermittlung der Schwere des Verstoßes... seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen. In Randnummer 159 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie diese drei Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe.
263. Allerdings stützte sich die Kommission in Randnummer 161 der Entscheidung für die Einstufung der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als äußerst schwer im Wesentlichen auf die Art des rechtswidrigen Verhaltens aller betroffenen Unternehmen. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Vereinbarung über den Schutz von Heimatmärkten ihrer Art nach in erheblichem Maße wettbewerbswidrig sei und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts beeinträchtigt habe und dass es sich um ein geheimes und institutionalisiertes System zur Beschränkung des Wettbewerbs gehandelt habe. In Randnummer 161 erwähnte die Kommission weiter, dass der überwiegende Teil des Verbrauchs an nahtlosen OCTG[Rohren] und [Leitungsrohren] in der Gemeinschaft auf die vier von der Übereinkunft betroffenen Mitgliedstaaten [entfalle], die somit einen räumlich ausgedehnten Markt [darstellten].
264. In Randnummer 160 der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission hingegen fest, dass [d]ie konkreten Auswirkungen des Verstoßes auf den Markt... begrenzt seien, weil die beiden von dem Verstoß betroffenen Produktarten, nämlich OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre, nur 19 % des gesamten Gemeinschaftsverbrauchs an nahtlosen OCTGRohren und Leitungsrohren ausmachten und weil wegen des technischen Fortschritts ein Teil der Nachfrage nach nahtlosen Rohren inzwischen durch geschweißte Rohre gedeckt werden könne.
265. So berücksichtigte die Kommission dann in Randnummer 162 der angefochtenen Entscheidung, nachdem sie die Zuwiderhandlung in Randnummer 161 auf der Grundlage der dort genannten Faktoren als äußerst schwer eingestuft hatte, den relativ begrenzten Umfang der Verkäufe der fraglichen Produkte durch die Adressaten der angefochtenen Entscheidung in den vier betroffenen Mitgliedstaaten (73 Millionen Euro jährlich). Diese Bezugnahme auf die Größe des Marktes entspricht der in Randnummer 160 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Beurteilung, dass die Zuwiderhandlung nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. Demgemäß setzte die Kommission den Betrag wegen der Schwere der Zuwiderhandlung auf 10 Millionen Euro fest. Nach den Leitlinien ist indessen für eine Zuwiderhandlung, die zur Kategorie der besonders schweren Verstöße gehört, grundsätzlich eine Geldbuße von oberhalb von 20 Mio. [Euro] zu verhängen.
266. Es ist zu prüfen, ob diese Vorgehensweise der Kommission im Licht der dagegen von Dalmine erhobenen Einwände rechtswidrig ist.
267. Zum Vorbringen von Dalmine zu den relevanten Märkten ist festzustellen, dass die betroffenen räumlichen Märkte in den Randnummern 35 und 36 der angefochtenen Entscheidung so definiert werden, wie sie normalerweise hätten bestehen müssen, wenn es keine rechtswidrigen Vereinbarungen gegeben hätte, die ihre künstliche Aufspaltung bezweckten oder bewirkten. Weiterhin ist der angefochtenen Entscheidung insgesamt, besonders ihren Randnummern 53 bis 77, zu entnehmen, dass sich das Verhalten der japanischen und europäischen Hersteller auf jedem einzelnen Markt eines Staates oder, in manchen Fällen, einer Weltgegend nach besonderen Regeln bestimmte, die von Markt zu Markt unterschiedlich waren und das Resultat der geschäftlichen Verhandlungen im EuropäischJapanischen Club bildeten.
268. Der Hinweis von Dalmine, dass der Verkauf von OCTGStandardrohren und projektbezogenen Leitungsrohren durch die acht Adressaten der angefochtenen Entscheidung nur geringe Prozentanteile am Weltmarkt und am europäischen Markt für diese Produkte gebildet hätten, liegt neben der Sache. Denn die Einstufung der Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 1 der Entscheidung als äußerst schwer beruht darauf, dass es die Zuwiderhandlung zum Zweck und, zumindest in gewissem Umfang, auch zur Wirkung hatte, alle Adressaten der Entscheidung jeweils von den Heimatmärkten der anderen Unternehmen, darunter den Märkten der vier größten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, fernzuhalten.
269. Die Argumente, dass Dalmine OCTGStandardrohre nur in begrenztem Umfang verkauft habe und dass auf ihrem eigenen Heimatmarkt geschweißte Rohre als Konkurrenz zu projektbezogenen Leitungsrohren erhebliche Bedeutung hätten, können nicht durchgreifen, da sich Dalmines Beteiligung an der Zuwiderhandlung der Marktaufteilung aus der von ihr eingegangenen Verpflichtung ergibt, die von der angefochtenen Entscheidung erfassten Erzeugnisse nicht auf den übrigen Märkten zu verkaufen. Selbst wenn dieser von ihr geltend gemachte Sachverhalt rechtlich hinreichend bewiesen wäre, könnte dies nicht die Bewertung entkräften, die die Kommission hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung Dalmines vornahm.
270. Im übrigen wurde der von Dalmine angeführte Umstand, dass die Zuwiderhandlung nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung nur zwei spezielle Produkte, nämlich OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre, nicht aber alle OCTGRohre und Leitungsrohre betraf, von der Kommission in Randnummer 160 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich als ein Faktor erwähnt, der die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf dem Markt begrenzte (vgl. oben, Randnr. 264). Im gleichen Sinne erwähnt die Kommission in derselben Randnummer die steigende Konkurrenz durch geschweißte Rohre (vgl. oben, Randnr. 264). Bei ihrer in der Entscheidung enthaltenen Bewertung, wie schwer die Zuwiderhandlung wog, berücksichtigte die Kommission diese Gesichtspunkte somit bereits.
271. Demnach ist festzustellen, dass die oben in Randnummer 265 erwähnte Herabsetzung des üblichen Mindestbetrags der für einen besonders schweren Verstoß verbürgten Geldbuße um 50 % diese begrenzte Auswirkung des Verstoßes auf den Markt angemessen berücksichtigt.
272. Hierzu ist auch daran zu erinnern, dass Geldbußen im Wettbewerb eine abschreckende Wirkung entfalten sollen (vgl. Abschnitt 1 Buchstabe A vierter Absatz der Leitlinien). Da es sich bei den Adressaten der angefochtenen Entscheidung, wie in deren Randnummer 165 erwähnt (vgl. auch unten, Randnrn. 281 ff.), um Großunternehmen handelt, hätte eine deutlich stärkere Herabsetzung des wegen der Schwere festgesetzten Betrages den Geldbußen ihre abschreckende Wirkung nehmen können.
Zur Beurteilung des individuellen Verhaltens der Unternehmen und zur fehlenden Differenzierung nach der Unternehmensgröße
Vorbringen der Parteien
273. Dalmine rügt, dass die Kommission das individuelle Verhalten und die Größe jedes einzelnen Unternehmens nicht berücksichtigt habe. Nach den Leitlinien habe die Kommission die Höhe der Geldbußen aber nach diesen Faktoren zu gewichten.
274. Ihre eigene Stellung auf dem Markt sei nur marginal gewesen. OCTGStandardrohre hätten zwischen 1990 und 1995 nur 7,3 % ihrer Gesamtverkäufe ausgemacht. Hinsichtlich der projektbezogenen Leitungsrohre habe die Kommission nicht bedacht, welche Bedeutung geschweißte Rohre für die Märkte der nahtlosen Rohre inzwischen hätten; auf dieser Grundlage habe sie aber nicht zu einem definitiv gültigen Ergebnis kommen können. Überdies habe Dalmine die ihr zur Last gelegten wettbewerbswidrigen Absprachen nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt, sondern sich im EuropäischJapanischen Club eine gewisse Handlungsfreiheit bewahrt; so habe sie in und außerhalb Europas weiterhin OCTGRohre und projektbezogene Leitungsrohre verkauft.
275. Die Kommission habe es ebenso versäumt, bei der Bemessung des Bußgeldbetrages die Größe und den auf dem fraglichen Markt erzielten Umsatz jedes einzelnen Unternehmens zu berücksichtigen. Die Billigkeit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangten aber, dass Unternehmen nicht mechanisch gleich behandelt würden, sondern dass ihr Verhalten nach Maßgabe ihrer individuellen Rolle und der Auswirkungen ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung auf dem Markt geahndet werde.
276. So sei die gegen sie verhängte Sanktion nicht gerechtfertigt, da sie unter den Adressaten der angefochtenen Entscheidung eines der kleinsten Unternehmen gewesen sei. So sei die von der Kommission in Randnummer 165 der angefochtenen Entscheidung formulierte apodiktische Feststellung verfehlt, dass alle Adressaten der Entscheidung Großunternehmen seien, so dass eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht nötig sei. Ihre eigene Geschäftstätigkeit sei auf die Herstellung ganz bestimmter Arten von nahtlosen Rohren beschränkt gewesen. Sie könne daher nicht mit Unternehmen verglichen werden, deren Tätigkeitsfeld und Umsatz viel größer seien.
277. Die Kommission betont hierzu, dass Dalmine an einer Absprache über den Heimatmarktschutz teilgenommen habe, die eine sehr schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG darstelle. Die Klägerin habe den ihr in der angefochtenen Entscheidung zur Last gelegten Sachverhalt nicht bestritten. Sie habe sich auch am Verstoß im Sinne von Artikel 2 der Entscheidung beteiligt. Dass sie möglicherweise eine etwas eigenständigere Handlungsweise gegenüber den anderen Teilnehmern an der Absprache befolgt habe, sei an sich noch kein mildernder Umstand (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 142). Jedenfalls sei die Eigenständigkeit, die Dalmine im EuropäischJapanischen Club bewahrt haben wolle, ohne Bedeutung und werde im übrigen widerlegt durch ihre nahezu monopolistische Stellung auf dem italienischen Markt, durch ihre aktive Teilnahme an Diskussionen über die Fortführung der Aktivitäten von Corus und durch ihren Vertrag mit Corus zur Durchführung der im EuropäischJapanischen Club vereinbarten Grundregeln über den Heimatmarktschutz.
278. Angesichts der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellung, dass alle acht Adressaten der Entscheidung Großunternehmen gewesen seien, und der insgesamt relativ begrenzten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Märkten werde durch das Vorbringen von Dalmine nicht hinreichend belegt, dass die Kommission mit der Nichtanwendung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der Leitlinien im vorliegenden Fall die Grenzen ihres Ermessens überschritten hätte.
279. Schließlich sei zu bedenken, dass sich der Umsatz der Klägerin im Jahr 1998 auf 669 Millionen Euro belaufen hätte (Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung). Sie sei daher ein Großunternehmen. Nichts spreche dafür, dass ihr deshalb eine Herabsetzung der Geldbuße zu gewähren gewesen wäre, weil sie kein so großes Unternehmen wie die anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung sei.
Würdigung durch das Gericht
280. Es ist zunächst hervorzuheben, dass die Bezugnahme in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 auf 10 % des weltweiten Umsatzes ausschließlich für die Berechnung der Hoechstgrenze der von der Kommission zu verhängenden Geldbuße relevant ist (vgl. den ersten Absatz der Leitlinien und Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 259, Randnr. 119) und keineswegs bedeutet, dass die Größe eines Unternehmens proportional zur Höhe der ihm auferlegten Geldbuße sein müsste (vgl. auch oben, Randnr. 227).
281. Es ist weiterhin darauf hinzuweisen, dass nach Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Absatz der im vorliegenden Fall anwendbaren (vgl. oben, Randnr. 272) Leitlinien in bestimmten Fällen die innerhalb der einzelnen... Gruppen [von Zuwiderhandlungen] festgesetzten Beträge gewichtet werden [sollten], um das jeweilige Gewicht und damit die tatsächliche Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, vor allem wenn an einem Verstoß derselben Art Unternehmen von sehr unterschiedlicher Größe beteiligt waren.
282. Allerdings ist den Ausdrücken in bestimmten Fällen und vor allem in den Leitlinien zu entnehmen, dass eine Gewichtung nach der individuellen Unternehmensgröße kein durchgehend zu vollziehender Berechnungsschritt ist, zu dem sich die Kommission verpflichtet hat, sondern eine Anpassungsmöglichkeit, die sie sich in Sachen, die dies erfordern, vorbehält. In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung zu beachten, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I1611, Randnr. 54, und Urteile des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnrn. 32 und 33, und vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C238/99 P, C244/95 P, C245/99 P, C247/99 P, C250/99 P bis C252/99 P und C254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I8375, Randnr. 465; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T309/94, KNP BT/Kommission, Slg. 1998, II1007, Randnr. 68).
283. Unter Berücksichtigung von Abschnitt 1 Buchstabe A sechster Abschnitt der Leitlinien ist davon auszugehen, dass der Kommission hinsichtlich der Frage, ob eine solche Gewichtung der Geldbußen nach der Größe des einzelnen Unternehmens angezeigt ist, ein gewisses Ermessen verbleibt. So braucht die Kommission, wenn gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, nicht dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen eine Differenzierung nach ihrem Gesamtumsatz zum Ausdruck kommt (in diesem Sinne, auch wenn mit Rechtsmittel angefochten, Urteile des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-1705, Randnr. 278, und vom 19. März 2003 in der Rechtssache T213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II913, Randnr. 385).
284. Im vorliegenden Fall stellte die Kommission in Randnummer 165 der angefochtenen Entscheidung fest, dass alle Adressaten der angefochtenen Entscheidung Großunternehmen seien, so dass eine Abstufung der Geldbußen nach der Unternehmensgröße nicht angezeigt sei. Dalmine beanstandet diese Beurteilung mit Hinweis darauf, dass sie mit einem Jahresumsatz von 667 Millionen Euro im Jahr 1998 eines der kleinsten Unternehmen sei, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet sei. Tatsächlich ist festzustellen, dass hinsichtlich des Gesamtumsatzes aller Erzeugnisse zwischen Dalmine und dem größten betroffenen Unternehmen, nämlich Nippon mit einem Umsatz von 13 489 Millionen Euro im Jahr 1998, ein beträchtlicher Abstand besteht.
285. Allerdings hat die Kommission - unwidersprochen seitens Dalmine - in ihrer Klagebeantwortung hervorgehoben, dass Dalmine weder ein kleines noch ein mittleres Unternehmen sei. Es ist zutreffend, dass solche Unternehmen nach der zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung geltenden Empfehlung 96/280/EG der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107, S. 4) nur weniger als 250 Personen beschäftigen oder nur einen Jahresumsatz von höchstens 40 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Millionen Euro haben dürfen. In der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36) wurden die beiden letztgenannten Schwellen auf 50 Millionen und 43 Millionen Euro angehoben.
286. Auch wenn dem Gericht keine Zahlen über die Beschäftigten und die Bilanz von Dalmine vorliegen, ist doch festzustellen, dass ihr Umsatz im Jahr 1998 mehr als zehnmal höher war als die Obergrenze, die die Kommission in ihren verschiedenen Empfehlungen als ein Kriterium festgelegt hat. Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen ist somit die von der Kommission in Randnummer 165 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass Dalmine ein Großunternehmen ist, nicht fehlerhaft.
287. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Dalmine in der angefochtenen Entscheidung auferlegte Geldbuße in Höhe von 10,8 Millionen Euro nur rund 1,62 % ihres weltweiten Umsatzes im Jahr 1998 oder 667 Millionen Euro beträgt. Die Höhe ihrer Geldbuße hätte ohne die Herabsetzung wegen Zusammenarbeit 13,5 Millionen Euro, also weniger als 2 % ihres Umsatzes, betragen. Diese Zahlen liegen jedoch weit unter der genannten Obergrenze von 10 %.
288. Soweit Dalmine argumentiert, dass ihr Verhalten sich auf dem Markt nur minimal ausgewirkt habe, weil ihre Marktstellung nur marginal sei, ist ein weiteres Mal daran zu erinnern, dass das Vorbringen von Dalmine zur geringen Bedeutung der OCTGStandardrohre und zur beträchtlichen Konkurrenz zwischen geschweißten Rohren und projektbezogenen Leitungsrohren auf ihren Heimatmarkt unbeachtlich ist, weil sich ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung der Marktaufteilungsabsprache aus der von ihr eingegangenen Verpflichtung ergibt, diese Produkte nicht auf den anderen Märkten zu verkaufen (vgl. oben, Randnr. 269). Selbst wenn dieser Sachverhalt rechtlich hinreichend nachgewiesen wäre, könnte er somit nicht die Bewertung entkräften, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Schwere der von Dalmine begangenen Zuwiderhandlung vornahm.
289. Insoweit ist auch daran zu erinnern, dass jeder Hersteller die gleiche Verpflichtung einging, OCTGStandardrohre und projektbezogene Leitungsrohre nicht auf dem Heimatmarkt der übrigen Mitglieder des EuropäischJapanischen Clubs zu verkaufen. Wie oben in Randnummer 263 erwähnt, stützte sich die Kommission aber für ihre Einstufung der in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung als äußerst schwer hauptsächlich auf den ausgeprägt wettbewerbswidrigen Charakter dieser Verpflichtung.
290. Da Dalmine das einzige italienische Mitglied des EuropäischJapanischen Clubs ist, ist weiterhin festzustellen, dass ihre Beteiligung an der Absprache genügte, um deren räumlichen Anwendungsbereich auf das Gebiet eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft auszudehnen. Damit hatte die Beteiligung von Dalmine an der Zuwiderhandlung eine nicht zu vernachlässigende Auswirkung auf den Markt der Gemeinschaft. Für die Beurteilung der konkreten Auswirkungen, die die Beteiligung von Dalmine an der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung auf den darin genannten Produktmärkten hatte, ist dieser Umstand erheblich relevanter als ein einfacher Vergleich der Gesamtumsätze der in Frage stehenden Unternehmen.
291. Zur angeblichen Handlungsfreiheit der Klägerin im EuropäischJapanischen Club ist daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Abstimmung mit seinen Wettbewerbern über die Aufteilung von Märkten erwiesen ist, auf dem Markt nicht in der mit ihnen vereinbarten Weise verhalten hat, bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen ist (Urteil SCA Holding/Kommission, zitiert oben in Randnr. 277, Randnr. 142). Ein Unternehmen, das trotz seiner Abstimmung mit seinen Wettbewerbern eine partiell unabhängige Politik auf dem Markt verfolgt, versucht nämlich möglicherweise einfach, sich die Absprache zunutze zu machen.
292. Demgemäß ist der zweite Gedankenstrich in Abschnitt 3 der Leitlinien dahin auszulegen, dass die Kommission das Vorliegen eines mildernden Umstands wegen tatsächlicher Nichtanwendung einer Vereinbarung nur anzuerkennen braucht, wenn das Unternehmen, das diesen Umstand geltend macht, nachweisen kann, dass es sich der Anwendung der Vereinbarung so eindeutig und nachdrücklich widersetzt hat, dass dadurch sogar das Funktionieren der Vereinbarung selbst gestört wurde, und es ihr auch nicht scheinbar zustimmte und dadurch andere Unternehmen zur Durchführung der Vereinbarung veranlasste. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Abstimmung mit seinen Wettbewerbern über die Aufteilung von Märkten erwiesen ist, auf dem Markt nicht in der mit ihnen vereinbarten Weise verhalten hat, ist bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße nämlich nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen (Urteil SCA Holding/Kommission, zitiert oben in Randnr. 277, Randnr. 142).
293. Wie das Gericht im Urteil Zement (zitiert oben in Randnr. 42, Randnr. 1389) festgestellt hat, behält ein Unternehmen, das sich von den Ergebnissen eines Treffens, an dem es teilgenommen hat, nicht distanziert, grundsätzlich seine volle Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell. Unternehmen könnten das Risiko, eine beträchtliche Geldbuße zahlen zu müssen, zu leicht minimieren, wenn sie zunächst aus einem rechtswidrigen Kartell Vorteil ziehen und anschließend eine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung beanspruchen könnten, dass sie bei der Durchführung der Zuwiderhandlung nur eine begrenzte Rolle gespielt hätten, obgleich ihre Haltung andere Unternehmen dazu veranlasste, sich in stärkerem Maße wettbewerbsschädigend zu verhalten.
294. Auch soweit Dalmine argumentiert, dass sie in der Absprache nur eine passive Rolle gespielt habe und ihr damit nach Abschnitt 3 der Leitlinien ein mildernder Umstand zugute komme, ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin ihre Beteiligung an dem Treffen des EuropäischJapanischen Clubs nicht in Abrede stellt. Wie jedoch oben im Rahmen der Klagegründe, mit denen die Aufhebung von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung begehrt wird, sowie im Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 111) festgestellt wurde, war der Heimatmarktschutz eine der Fragen, die auf diesen Treffen erörtert wurde.
295. Dalmine macht nicht einmal geltend, dass sie nur sporadischer an diesen Treffen teilgenommen habe als andere Clubmitglieder, was nach der Rechtsprechung möglicherweise eine Herabsetzung der Geldbuße hätte rechtfertigen können (vgl. insoweit Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T317/94, Weig/Kommission, Slg. 1998, II1235, Randnr. 264). Sie macht auch keinen spezifischen Umstand oder kein Beweismittel geltend, wonach ihr Verhalten bei diesen Sitzungen rein passiv oder zustimmend gewesen wäre. Vielmehr wurde, wie oben in Randnummer 290 festgestellt, der italienische Markt in ihrer Anwesenheit im Rahmen des EuropäischJapanischen Clubs in die Marktaufteilungsabsprache einbezogen. Es kann daher der Kommission nicht zur Last gelegt werden, dass sie Dalmine keine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien gewährt.
296. Auch wenn es zuträfe, dass Dalmine begrenzt Verkäufe auf anderen von der Zuwiderhandlung erfassten Gemeinschaftsmärkten vornahm, genügte dies nicht, um ihre Verantwortlichkeit in Frage zu stellen, da sie mit ihrer Präsenz in den Sitzungen des EuropäischJapanischen Clubs an der wettbewerbswidrigen Absprache teilnahm oder zumindest bei den anderen Teilnehmern den Eindruck ihrer Teilnahme erweckte. Wie aus der Akten, insbesondere aus den Zahlen in der Tabelle in Randnummer 68 der angefochtenen Entscheidung, hervorgeht, wurde aber die Marktaufteilung, wie abgesprochen, in der Praxis in gewissem Umfang auch durchgeführt und hatte damit notwendig reale Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen auf den Gemeinschaftsmärkten.
297. Nach alledem konnte die Kommission vernünftigerweise zu dem Ergebnis gelangen, dass die Geldbuße für alle Unternehmen, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet war, nach den Umständen des vorliegenden Falles in gleicher Höhe festzusetzen war. Vorsorglich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission insoweit den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.
298. Im Ergebnis besteht daher für das Gericht kein Anlass, im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung die Höhe der Geldbuße wegen unterschiedlicher Sachverhalte oder Größen der Unternehmen, an die sich die angefochtene Entscheidung richtete, zu ändern.
2. Zur Dauer der Zuwiderhandlung
Vorbringen der Parteien
299. Dalmine bestreitet die Feststellungen der Kommission zur Zuwiderhandlungsdauer. Zwar hätten die Sitzungen des EuropäischJapanischen Clubs schon 1977 begonnen, jedoch habe die Zuwiderhandlungszeit erst am 1. Januar 1991 einsetzen können, und zwar wegen der Selbstbeschränkungsabkommen über Exporte zwischen der Kommission und den japanischen Behörden (Randnr. 108 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission habe es in der angefochtenen Entscheidung versäumt, zu berücksichtigen, dass die zwischen ihr und der japanischen Regierung geschlossenen Selbstbeschränkungsabkommen am 28. Dezember 1989 bis zum 31. Dezember 1990 verlängert worden seien.
300. Im Übrigen habe die Zuwiderhandlungsdauer bereits Ende 1994 nach den ersten Nachprüfungen der Kommission im Dezember 1994 geendet. Sie habe danach an keinerlei Treffen mit den japanischen Herstellern teilgenommen.
301. Jedenfalls könne wegen Mängeln des Verwaltungsverfahrens eine Zuwiderhandlung zu ihrem Nachteil nach den Nachprüfungen am 1. und 2. Dezember 1994 nicht mehr angenommen werden.
302. Die Dauer der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung sei daher auf allenfalls vier Jahre zu verkürzen, also auf die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 2. Dezember 1994. Nach den Leitlinien handele es sich damit um eine Zuwiderhandlung mittlerer Dauer, was eine Erhöhung von 10 % pro Jahr, insgesamt also 30 %, zur Folge habe. Dalmine beantragt, die Höhe der ihr auferlegten Geldbuße entsprechend abzuändern.
303. Die Kommission merkt an, dass sie nach den Leitlinien für Zuwiderhandlungen zwischen ein und fünf Jahren (mittlere Dauer) den Grundbetrag um bis zu 50 % erhöhen könne. Was den Anfang der Zuwiderhandlung angehe, so habe sie diese ohnehin erst ab Anfang 1990 berücksichtigt.
304. Zum Ende der Zuwiderhandlung sei darauf hinzuweisen, dass Herr Verluca in seiner Erklärung vom 17. September 1996 angegeben habe, dass die Kontakte mit den japanischen Unternehmen etwas mehr als ein Jahr zuvor geendet hätten (Randnr. 142 der angefochtenen Entscheidung). Nachdem die Nachprüfungen im Dezember 1994 vorgenommen worden seien, habe die Kommission zulasten Dalmines fehlerfrei eine Zuwiderhandlungsdauer von mindestens fünf Jahren, von 1990 bis einschließlich 1994, angenommen.
Würdigung durch das Gericht
305. Zunächst ist auf die in Randnummer 108 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Feststellung der Kommission hinzuweisen, dass sie das Vorliegen der Zuwiderhandlung ab 1977 hätte feststellen können, hiervon aber wegen des Bestehens der Selbstbeschränkungsabkommen abgesehen habe. Demgemäß hat sie in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der Zuwiderhandlung erst vom Jahr 1990 an festgestellt. Dabei handelt es sich um ein Zugeständnis, das die Kommission den Adressaten der angefochtenen Entscheidung machte.
306. Keine der Parteien hat vor dem Gericht vorgetragen, dass dieses Zugeständnis in der vorliegenden Rechtssache in Frage zu stellen sei. Folglich hat das Gericht nicht zu prüfen, ob dieses Zugeständnis rechtmäßig oder angezeigt war, sondern allein, ob die Kommission dieses in der Begründung der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich gemachte Zugeständnis im vorliegenden Fall auch fehlerfrei umgesetzt hat. Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission genaue und übereinstimmende Beweise beizubringen hat, die die feste Überzeugung begründen, dass die Zuwiderhandlung begangen wurde, da ihr für deren Vorliegen und damit auch für ihre Dauer die Beweislast obliegt (Urteile des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 20, vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C89/95, C104/85, C114/85, C116/85, C117/85 und C125/85 bis C129/85, Ahlström Osakeytiö u. a./Kommission, Zellstoff II, Slg. 1993, I1307, Randnr. 127; Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in den Rechtssachen T68/89, T77/89 und T78/89, Slg. 1992, II1403, Randnrn. 193 bis 195, 198 bis 202, 205 bis 210, 220 bis 232, 249, 250 und 322 bis 328, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II1403, Randnrn. 193 bis 195, und vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II2707, Randnrn. 43 und 72).
307. Dieses Zugeständnis macht das behauptete Außerkrafttreten der Selbstbeschränkungsabkommen zum entscheidenden Kriterium dafür, ob für das Jahr 1990 das Vorliegen der Zuwiderhandlung festgestellt werden durfte. Da es hier um internationale Abkommen zwischen der japanischen Regierung, vertreten durch das Ministerium für Handel und Industrie, und der Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, geht, wäre es nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung Sache der Kommission gewesen, die Dokumente zu archivieren, aus denen sich das Datum des Außerkrafttretens der Abkommen ergibt. Sie hätte daher in der Lage sein müssen, diese Dokumente dem Gericht vorzulegen. Hingegen hat sie vor dem Gericht vorgetragen, sie habe zwar ihre Archive durchsucht, könne habe keine Dokumente über das Ende der Geltungsdauer der Abkommen vorlegen.
308. Auch wenn ein Kläger die Beweislast im Allgemeinen nicht auf den Beklagten abwälzen kann, indem er sich auf Umstände beruft, die er selbst nicht beweisen kann, lässt sich das Prinzip der Beweislast hier nicht zugunsten der Kommission anwenden, soweit es um den Zeitpunkt der Beendigung der von ihr geschlossenen internationalen Verträge geht. Das unerklärliche Unvermögen der Kommission, Beweise für eine sie unmittelbar berührende Tatsache vorzulegen, macht es dem Gericht unmöglich, seine Entscheidung in Kenntnis des Datums zu erlassen, zu dem die Abkommen ausliefen. Es widerspräche dem Grundsatz der geordneten Rechtspflege, die Folgen dieses Unvermögens den Unternehmen aufzubürden, an die die angefochtene Entscheidung gerichtet war und die im Gegensatz zu dem beklagten Organ nicht in der Lage sind, den fehlenden Nachweis zu führen.
309. Unter diesen Umständen ist ausnahmsweise festzustellen, dass es Sache der Kommission war, den Beweis für das Außerkrafttreten der Selbstbeschränkungsabkommen zu erbringen. Die Kommission hat den Beweis für das Datum dieses Außerkrafttretens weder in der angefochtenen Entscheidung noch vor dem Gericht geführt.
310. Jedenfalls haben die japanischen Klägerinnen Beweismittel vorgelegt, die eine Fortführung der Selbstbeschränkungsabkommen bis zum 31. Dezember 1990 zumindest auf japanischer Ebene belegen, was das Vorbringen von Dalmine im vorliegenden Verfahren stützt (JFE Engineering u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 111, Randnr. 345). In verbundenen Rechtssachen, in denen alle Parteien sämtliche Akten einsehen konnten, kann das Gericht von Amts wegen Beweismittel berücksichtigen, die in den Akten der parallelen Rechtssachen enthalten sind (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T113/89, Nefarma und Bond van Groothandelaren in het Farmaceutische Bedrijf/Kommission, Slg. 1990, II797, Randnr. 1, und in der Rechtssache T116/89, Prodifarma u. a./Kommission, Slg. 1990, II843, Randnr. 1). Im vorliegenden Fall hat das Gericht über Rechtssachen zu entscheiden, die zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden worden sind, die dieselbe Entscheidung über eine Zuwiderhandlung betreffen und in denen alle Klägerinnen eine Abänderung der Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen beantragt haben. Damit besitzt das Gericht in der vorliegenden Rechtssache förmlich Kenntnis von den Beweismitteln, die die vier japanischen Klägerinnen eingereicht haben.
311. Im Übrigen hat Dalmine nicht nur beantragt, die angefochtene Entscheidung hinsichtlich des Anfangsdatums der in ihrem Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlung, und insoweit hinsichtlich der Dauer dieser Zuwiderhandlung, für nichtig zu erklären, sondern auch, die Höhe ihrer Geldbuße im Wege der unbeschränkten Ermessensnachprüfung im Einklang mit Artikel 229 EG und nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 herabzusetzen, um dieser verkürzten Zuwiderhandlungsdauer Rechnung zu tragen. Bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat das Gericht, wenn es den angefochtenen Rechtsakt durch eine Neubezifferung der von der Kommission verhängten Geldbußen ändert, alle relevanten Umstände des Sachverhalts zu berücksichtigen (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 246, Randnr. 692). Es wäre daher nicht angemessen, wenn das Gericht die Lage jeder einzelnen Klägerin nach den Umständen ihres jeweiligen Falles isoliert beurteilte und dabei nur die tatsächlichen Gesichtspunkte berücksichtigte, die die jeweilige Klägerin zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht hat, die Umstände jedoch außer Betracht ließe, die die übrigen Klägerinnen oder die Kommission geltend gemacht haben.
312. Im Übrigen hat weder Dalmine noch gar die Kommission behauptet, dass die Selbstbeschränkungsabkommen 1991 noch gültig gewesen wären.
313. Demnach ist im vorliegenden Verfahren festzustellen, dass die Selbstbeschränkungsabkommen zwischen der Kommission und den japanischen Behörden bis Ende 1990 galten.
314. Folglich ist im Licht des von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung gemachten Zugeständnisses die in Artikel 1 der Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlungsdauer um ein Jahr zu kürzen. Artikel 1 der Entscheidung ist somit für nichtig zu erklären, soweit darin das Vorliegen der Dalmine angelasteten Zuwiderhandlung für die Zeit vor dem 1. Januar 1991 festgestellt wird.
315. Zum Endzeitpunkt der Zuwiderhandlung ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts klargestellt hat, dass das Jahr 1995 in der angefochtenen Entscheidung für die Berechnung der Geldbußen nicht berücksichtigt worden sei. Dalmine hat sich daraufhin mit dieser Auslegung der angefochtenen Erklärung einverstanden erklärt.
316. Damit ist in der vorliegenden Rechtssache zwischen den Parteien nur noch strittig, ob die Kommission die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung für die Zeit nach den Nachprüfungen am 1. und 2. Dezember 1994 feststellen durfte. Insoweit ist aber oben in Randnummer 112 festgestellt worden, dass das Vorbringen von Dalmine zum Verstoß nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung insoweit unbeachtlich ist, weil dieser Verstoß nach den Nachprüfungen nur noch etwa 30 Tage fortdauerte. Selbst wenn dieses Vorbringen durchgriffe, wäre jedenfalls wegen eines so geringen Unterschiedes in der Zuwiderhandlungsdauer die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße nicht zu ändern.
317. Nach alledem ist als Dauer der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung eine Zeit von vier Jahren, nämlich vom 1. Januar 1991 bis 1. Januar 1995, anzunehmen. Die Dalmine auferlegte Geldbuße ist zur Berücksichtigung dieses Umstands herabzusetzen.
3. Zur mangelnden Berücksichtigung von bestimmten mildernden Umständen
Vorbringen der Parteien
318. Dalmine wirft der Kommission vor, dass sie bestimmte, eine Herabsetzung der Buße rechtfertigende mildernde Umstände nicht berücksichtigt habe. Zwar habe die Kommission den Bußgeldbetrag wegen der Krisenlage der Stahlindustrie, die sie als mildernden Umstand bewertet habe, um 10 % herabgesetzt. Andere Umstände hätten indessen eine stärkere Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße gerechtfertigt.
319. Insoweit sei zu verweisen auf ihre geringe Rolle und ausschließlich passive Haltung im Rahmen der Zuwiderhandlung, auf deren geringe Auswirkungen und auf ihre unverzügliche Beendigung nach den ersten Untersuchungshandlungen der Kommission am 1. und 2. Dezember 1994. Angesichts der Struktur des Marktes und des Wettbewerbs sowohl auf dem italienischen Markt als auch gemeinschaftsweit lasse sich ihr auch keine vorsätzliche Zuwiderhandlung vorwerfen.
320. Mangels Berücksichtigung dieser Umstände stehe die Höhe der Geldbuße offenkundig außer Verhältnis zur Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung. Der Grundbetrag der Buße entspreche 16 % ihres Gesamtertrags aus dem Verkauf der fraglichen Erzeugnisse im Jahr 1998 (179,5 Milliarden ITL) auf dem Weltmarkt, 38 % auf dem Gemeinschaftsmarkt und 95 % während der Zuwiderhandlungsdauer in Deutschland, Frankreich, Italien und dem Vereinigten Königreich.
321. Die Kommission hält die Beendigung der rechtswidrigen Verhaltensweisen nach den ersten Nachprüfungen nicht für einen mildernden Umstand. Auch die nachrangige Rolle und angebliche Eigenständigkeit der Klägerin im Rahmen des Kartells seien kaum von Bedeutung.
322. Schließlich könne Dalmine ihre Verantwortung nicht durch einen Hinweis auf die Verantwortlichkeit der anderen Adressaten der Entscheidung mindern. Sie haben niemals offen vom Kartell Abstand genommen und sich nicht auf eine passive Rolle beschränkt. Vielmehr habe sie vorgeschlagen, die sich aus dem Marktrückzug von Corus ergebenden Fragen auf europäischer Ebene zu lösen.
323. Die vorsätzliche Begehung der Dalmine zur Last gelegten Zuwiderhandlung stehe außer Zweifel. Es brauche nicht bewiesen zu werden, dass der Klägerin die Verletzung des Artikels 81 Absatz 1 EG bewusst gewesen sei. Es genüge der Nachweis, dass der Klägerin der wettbewerbswidrige Zweck des fraglichen Verhaltens nicht unbekannt geblieben sein könne (Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117, Randnr. 41, und vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131). Es erscheine unwahrscheinlich, dass einem Unternehmen wie Dalmine die elementarsten geltenden Regeln über das Verbot wettbewerbsbeschränkender Praktiken unbekannt geblieben sein könnten (vgl. insoweit Abschnitt 1 Buchstabe A der Leitlinien).
Würdigung durch das Gericht
324. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im vorliegenden Fall eine Herabsetzung der Geldbußen um 10 % wegen der mildernden Umstände gewährte, die sie in der damaligen Krisensituation der Stahlindustrie sah.
325. Außerdem ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen an ihre eigenen Leitlinien halten muss. Diese Leitlinien schreiben der Kommission aber nicht vor, die im Abschnitt 3 der Leitlinien aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert zu berücksichtigen. So sieht Abschnitt 3 der Leitlinien mit der Überschrift Mildernde Umstände eine Verringerung des Grundbetrags bei mildernden Umständen wie z. B.... vor. Wenn die im Abschnitt 3 aufgelisteten Umstände auch gewiss zu den Umständen gehören, die die Kommission in einem gegebenen Fall berücksichtigen kann, ist sie doch nicht dazu verpflichtet, automatisch eine zusätzliche Herabsetzung zu gewähren, wenn ein Unternehmen Gesichtspunkte anführt, die auf das Vorliegen eines dieser Umstände hindeuten können. Denn die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, ist unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen.
326. In diesem Zusammenhang ist an die vor Erlass der Leitlinien ergangene Rechtsprechung zu erinnern, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, für die Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (in diesem Sinne Beschluss SPO u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 282, Randnr. 54, und Urteile Ferriere Nord/Kommission, zitiert oben in Randnr. 282, Randnrn. 32 und 33, und Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 282, Randnr. 465; vgl. auch Urteil KNP BT/Kommission, zitiert oben in Randnr. 282, Randnr. 68). Da sich aus den Leitlinien nichts dafür ergibt, dass die in Betracht kommenden mildernden Umstände zwingend berücksichtigt werden müssten, ist festzustellen, dass der Kommission ein gewisses Ermessen verbleibt, um über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände im Wege einer Gesamtwürdigung zu entscheiden.
327. Zum Vorbringen von Dalmine zu ihrer unbedeutenden und passiven Rolle im Rahmen der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung und zu ihrer angeblichen Handlungsfreiheit genügt jedenfalls der Hinweis, dass diese Gesichtspunkte bereits oben in den Randnummern 280 bis 297 behandelt wurden. Auch die Rügen hinsichtlich der geringen Auswirkungen der Zuwiderhandlung und der Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße allgemein sind bereits oben in den Randnummern 258 bis 272 geprüft worden.
328. Was das Vorbringen zur unverzüglichen Beendigung der Zuwiderhandlung angeht, so kann die im Abschnitt 3 der Leitlinien erwähnte Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden. Denn diese Bestimmung soll Unternehmen darin bestärken, ihr wettbewerbswidriges Verhalten unmittelbar nach Einleitung einer entsprechenden Untersuchung der Kommission zu beenden.
329. Daraus folgt insbesondere, dass eine Herabsetzung der Geldbuße nach Abschnitt 3 der Leitlinien wegen Beendigung der Verstöße nach den ersten Untersuchungshandlungen nicht in Betracht kommt, wenn die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war oder wenn die Unternehmen schon vor diesem Zeitpunkt die klare Entscheidung getroffen hatten, sie zu beenden.
330. Eine Herabsetzung der Geldbuße aus dem im ersten Satz der vorstehenden Randnummer genannten Grund würde außerdem die sich aus den Leitlinien ergebende Berücksichtigung der Zuwiderhandlungsdauer für die Berechnung der Geldbußen verdoppeln. Mit dieser Berücksichtigung wird gerade bezweckt, gegen Unternehmen, die über lange Zeit hinweg gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen haben, strenger vorzugehen als gegen Unternehmen, deren Zuwiderhandlungen von kurzer Dauer waren. Würde eine Geldbuße deshalb herabgesetzt, weil ein Unternehmen sein rechtswidriges Verhalten vor den ersten Untersuchungshandlungen der Kommission beendete, so würden die Verantwortlichen von kurzzeitigen Zuwiderhandlungen hierdurch ein zweites Mal begünstigt.
331. Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil JFE Engineering u. a./Kommission (zitiert oben in Randnr. 111) im Licht der von den Klägerinnen in jenen Rechtssachen vorgetragenen Klagegründe und Argumente zu dem Ergebnis gelangte, dass ihnen gegenüber eine Zuwiderhandlung nicht für die Zeit nach dem 1. Juli 1994 festgestellt werden kann, weil es keinen Beweis dafür gibt, dass gemäß der bis dahin geübten Praxis im Herbst 1994 eine Sitzung des EuropäischJapanischen Clubs in Japan abgehalten wurde. Daraus folgt, dass die Zuwiderhandlung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Nachprüfungen vom 1. und 2. Dezember 1994 vornahm, vermutlich beendet war oder zumindest gerade zu Ende ging.
332. Dass die rechtswidrigen Verhaltensweisen, die die in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung genannte Zuwiderhandlung bilden, nicht über das Datum der ersten Untersuchungshandlungen der Kommission hinaus fortgeführt wurden, rechtfertigt daher nach den Umständen des vorliegenden Falles keine Herabsetzung der gegen Dalmine verhängten Geldbuße.
333. Soweit Dalmine ihre vorsätzliche Begehung der Zuwiderhandlung nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung in Abrede stellt, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission den Beitritt der Klägerin zu einer Absprache mit wettbewerbswidrigem Zweck nachgewiesen hat. Besteht aber der mit einer Absprache verfolgte Zweck als solcher in einer Wettbewerbsbeschränkung, so kann die Beteiligung eines Unternehmens an der Absprache, welche strukturellen Faktoren auch erwogen sein mögen, nur vorsätzlich sein. Im Übrigen können nach der Rechtsprechung Unternehmen eine Beteiligung an einem Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln nicht mit dem Hinweis rechtfertigen, dass sie hierzu durch das Verhalten anderer Wirtschaftsteilnehmer gedrängt worden seien (in diesem Sinne Urteil Zement, zitiert oben in Randnr. 44, Randnr. 2557). So kann sich Dalmine hier nicht mit der Marktstruktur oder dem Verhalten ihrer Wettbewerber entlasten.
334. Nach alledem sind mit Rücksicht darauf, dass die Kommission die fraglichen Geldbußen bereits wegen des mildernden Umstands der Krisensituation in der Stahlbranche herabsetzte (vgl. Randnrn. 168 und 169 der angefochtenen Entscheidung), alle Rügen, mit denen Dalmine die Unterlassung einer weiteren Herabsetzung wegen angeblich mildernder Umstände beanstandet, zurückzuweisen.
4. Zur Zusammenarbeit von Dalmine im Verwaltungsverfahren
Vorbringen der Parteien
335. Dalmine beanstandet, dass die Kommission die Mitteilung über die Zusammenarbeit nicht eingehalten und sie dadurch diskriminiert habe. Obgleich sie sich in einer vergleichbaren Lage befinde wie Vallourec, habe ihr die Kommission zu Unrecht eine Herabsetzung der Geldbuße wegen Zusammenarbeit im Rahmen der Untersuchung verweigert.
336. So habe sie der Kommission am 4. April 1997 in Beantwortung ihrer Fragen anlässlich der ersten Nachprüfungen mitgeteilt, dass sich [i]n den [Grundregeln]... der Standpunkt der Gemeinschaftshersteller von nahtlosen Rohren widerspiegeln [dürfte]... Die Bestrebungen [seien] in zwei Richtungen [gegangen]: Einleitung von Rationalisierungsmaßnahmen... und Kontakte mit der japanischen Industrie, deren Produktionskapazität die Nachfrage überstieg. Bei den Kontakten [sei] es um die Ausfuhr von (insbesondere für die Erdölindustrie bestimmten) Rohren in Nicht-EG-Länder (Russland und China) sowie um die Begrenzung der Ausfuhren in die EG im Anschluss an die Schließung der [Corus]-Werke [gegangen], d. h. um den Schutz der EG-Hersteller von nahtlosen Rohren (Anlage 3 der Klageschrift und Randnr. 65 der angefochtenen Entscheidung).
337. Diese Angaben zeigten den Umfang ihrer Kooperation in der Untersuchung. Es gebe keinen objektiven Gesichtspunkt, unter dem sie insoweit anders zu behandeln sei als Vallourec.
338. Die Kommission tritt diesem Vorbringen entgegen und verweist für ihre Ablehnung, eine zusätzliche Herabsetzung der Geldbuße zu gewähren, auf die Randnummern 172 und 173 der angefochtenen Entscheidung. Eine solche Herabsetzung könne nur Unternehmen gewährt werden, die durch ihre aktive Mitwirkung die Feststellung der Zuwiderhandlung erleichtert hätten (Urteil SCA Holding/Kommission, zitiert oben in Randnr. 277, Randnr. 156). Die Zusammenarbeit von Dalmine sei aber bei der Untersuchung nicht wesentlich gewesen, weil sich die Klägerin darauf beschränkt habe, den von der Kommission festgestellten Sachverhalt nicht zu bestreiten.
339. Die Haltung von Vallourec sei der von Dalmine nicht vergleichbar. Vallourec sei das einzige Unternehmen gewesen, das zum Vorliegen und Inhalt des geahndeten Kartells substanzielle Angaben gemacht habe. Diese hätten der Kommission ihre Aufgabe, Zuwiderhandlungen zu ermitteln, erheblich erleichtert.
Würdigung durch das Gericht
340. Nach ständiger Rechtsprechung darf die Kommission bei der Beurteilung der Zusammenarbeit von Unternehmen nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht lassen, der einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts bildet und der nach der Rechtsprechung verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T45/98 und T47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II3757, Randnr. 237 und die dort zitierte Rechtsprechung).
341. Die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation ist nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T347/94, MayrMelnhof/Kommission, Slg. 1998, II1751, Randnr. 309 und die dort zitierte Rechtsprechung).
342. In der vorliegenden Rechtssache nehmen die Erklärungen, mit denen Herr Verluca als Vertreter von Vallourec die diesem Unternehmen von der Kommission gestellten Fragen beantwortete, als Beweismittel in der vorliegenden Rechtssache eine Schlüsselstellung ein.
343. Zwar ist der Grad der Zusammenarbeit von Unternehmen mit der Kommission als vergleichbar anzusehen, soweit sie dieser im selben Stadium des Verwaltungsverfahrens und unter gleich gelagerten Umständen vergleichbare Informationen über den ihnen angelasteten Sachverhalt mitteilen (vgl. analog Urteil Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, zitiert oben in Randnr. 340, Randnrn. 243 und 245).
344. Auch wenn die von Dalmine gegebenen Antworten auf die Fragen für die Kommission von gewissem Nutzen waren, beschränkten sie sich doch darauf, Informationen zu bestätigen, und zwar weniger genau und explizit als die, die bereits von Vallourec in den Erklärungen von Herrn Verluca geliefert worden waren.
345. Nach alledem sind die Informationen, die Dalmine der Kommission vor der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilte, nicht mit den von Vallourec offenbarten Informationen vergleichbar und rechtfertigen keine Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße über die 20 % hinaus, die ihr für die Einräumung des Sachverhalts erlassen wurden. Wenn dieses Eingeständnis des Sachverhalts der Kommission auch ihre Arbeit möglicherweise erheblich erleichterte, gilt Gleiches nicht für die Informationen, die ihr Dalmine vor der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte mitteilte.
346. Demnach ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.
Zur Berechnung der Geldbuße
347. Nach alledem ist die gegen Dalmine verhängte Geldbuße herabzusetzen, um der Festsetzung der Zuwiderhandlungsdauer auf vier Jahre anstelle von fünf Jahren Rechnung zu tragen.
348. Da die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht die in den Leitlinien festgelegte Methode zur Berechnung der Geldbuße anwandte, ist die Herabsetzung der Geldbuße auch vom Gericht im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung nach dieser Methode vorzunehmen.
349. Demnach beträgt der Grundbetrag der Geldbuße 10 Millionen Euro. Dieser Betrag ist für jedes Jahr der Zuwiderhandlung um 10 %, also um insgesamt 40 % zu erhöhen, womit sich ein Betrag von 14 Millionen Euro ergibt. Dieser Betrag ist wegen der in den Randnummern 168 und 169 der angefochtenen Entscheidung dargelegten mildernden Umstände um 10 % und wegen Zusammenarbeit anschließend um weitere 20 % zu verringern, woraus sich für Dalmine ein Endbetrag von 10 080 000 Euro statt 10 800 000 Euro errechnet.
Kostenentscheidung:
Kosten
350. Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt, sind der Klägerin und der Kommission ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 2003/382/EG der Kommission vom 8. Dezember 1999 in einem Verfahren nach Artikel 81 EGVertrag (Sache IV/E1/35.860B - Nahtlose Stahlrohre) wird für nichtig erklärt, soweit dort festgestellt wird, dass die der Klägerin in diesem Artikel zur Last gelegte Zuwiderhandlung vor dem 1. Januar 1991 vorlag.
2. Die gegen die Klägerin in Artikel 4 der Entscheidung 2003/382 verhängte Geldbuße wird auf 10 080 000 Euro festgesetzt.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin und die Kommission tragen jeweils ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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