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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: T-509/93 (1)
Rechtsgebiete: Beschluss 91/658/EWG, EGV


Vorschriften:

Beschluss 91/658/EWG
EGV Art. 230
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

8. November 2000 (1)

"Nothilfe der Gemeinschaft für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion - Ausschreibung - Nichtigkeitsklage"

Parteien:

In der Rechtssache T-509/93

Glencore Grain Ltd, früher Richco Commodities Ltd, mit Sitz in Hamilton (Bermudas), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. Slotboom, P. V. F. Bos und J. G. A. van Zuuren, Rotterdam, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts M. Loesch, 11, rue Goethe, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , zunächst vertreten durch B. J. Drijber und N. Khan, Juristischer Dienst, dann durch Rechtsberaterin M.-J. Jonczy und H. van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der an die State Export-Import Bank of Ukraine gerichteten Entscheidung der Kommission vom 12. Juli 1993, mit der die Genehmigung des von der Klägerin und Ukrimpex geschlossenen Vertrages abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung sowie der Richter A. Potocki und A. W. H. Meij,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1. Nachdem der Rat festgestellt hatte, dass es erforderlich sei, der Sowjetunion und ihren Republiken Nahrungsmittelhilfe und medizinische Hilfe zu gewähren, erließ er am 16. Dezember 1991 den Beschluss 91/658/EWG über ein mittelfristiges Darlehen für die Sowjetunion und ihre Republiken (ABl. L 362, S. 89). Artikel 4 Absatz 3 dieses Beschlusses bestimmt:

"Die Einfuhr der Erzeugnisse, die durch das Darlehen finanziert wird, erfolgt zu Weltmarktpreisen. Der freie Wettbewerb muss für den Kauf und die Lieferung der Erzeugnisse gewährleistet sein, die den international anerkannten Qualitätsnormen entsprechen müssen."

2. Mit der Verordnung (EWG) Nr. 1897/92 vom 9. Juli 1992 beschloss die Kommission die Modalitäten für die Abwicklung des durch den Beschluss 91/658gewährten Darlehens (ABl. L 191, S. 22). Nach Artikel 4 dieser Verordnung dienen die den Republiken der ehemaligen Sowjetunion von der Kommission gewährten Darlehen nur zur Finanzierung von Käufen und Lieferungen im Rahmen von Verträgen, vorausgesetzt die Kommission hat anerkannt, dass diese Verträge dem Beschluss 91/658 und den Abkommen zwischen den Republiken und der Kommission zur Gewährung der betreffenden Darlehen entsprechen. Nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 1897/92 ist diese Anerkennung an die Erfüllung insbesondere folgender Bedingung gebunden:

"2. Der Vertrag bietet die günstigsten Preisbedingungen, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden."

3. Am 13. Juli 1992 schlossen die Gemeinschaft und die Ukraine gemäß der Verordnung Nr. 1897/92 ein "Memorandum of Understanding" (im Folgenden: Rahmenvereinbarung). Darin ist vorgesehen, dass die Gemeinschaft als Darlehensgeber der Ukraine als Darlehensnehmer über deren Finanzmakler, die State Export-Import Bank of Ukraine (im Folgenden: SEIB), ein mittelfristiges Darlehen von 130 Millionen ECU für höchstens drei Jahre gewähren sollte. Diese Rahmenvereinbarung wiederholt in ihrem Artikel 7 dreizehnter Gedankenstrich die oben zitierte Bestimmung des Artikels 5 der Verordnung Nr. 1897/92.

4. Am selben Tag schlossen die Gemeinschaft, die Ukraine und die SEIB den in der Verordnung Nr. 1897/92 und der Rahmenvereinbarung vorgesehenen Darlehensvertrag (im Folgenden: Darlehensvertrag). Dieser Vertrag legt den Mechanismus der Auszahlung des Darlehens fest.

Sachverhalt

5. Nach einer im Mai 1993 veranstalteten informellen Ausschreibung im Hinblick auf den Ankauf von Weizen erhielt Ukrimpex, eine für Rechnung der Ukraine handelnde Einrichtung, sieben Angebote, darunter dasjenige der Klägerin. Dieses bestand in Wirklichkeit aus vier Angeboten, deren Preise u. a. von den Lieferfristen abhingen. Ukrimpex nahm das erste Angebot der Klägerin an, da es zwar preislich nicht das günstigste war, aber nach der Rücknahme eines anderen Angebots als einziges die Lieferung von Weizen vor dem 15. Juni 1993 gewährleistete. In einem am 26. Mai 1993 geschlossenen Vertrag verpflichtete sich die Klägerin dementsprechend, 40 424 t Weizen zum Preis von 137,47 ECU/t cif frei ukrainischer Schwarzmeer-Außenhafen mit garantierter Verladung spätestens am 15. Juni 1993 zu liefern.

6. Nachdem die SEIB der Kommission den Vertrag zur Genehmigung vorgelegt hatte und der Vizepremierminister der Ukraine in einer persönlichen Intervention darauf bestanden hatte, dass der Vertrag so schnell wie möglich genehmigt wird, teilte die Kommission diesem mit Schreiben vom 10. Juni 1993 mit, sie könne den Vertrag, der ihr von der SEIB vorgelegt worden sei, nicht genehmigen. Dieser Vertrag bietenicht die besten Preisbedingungen, insbesondere weil der Preis den für akzeptabel erachteten Preis übersteige. Mit demselben Schreiben erklärte sich die Kommission angesichts der dringlichen Lage bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln bereit, die Gemeinschaftsbestände für die sofortige Lieferung von 50 000 t Weizen an die Ukraine zu einem Preis zu öffnen, der um 30 USD/t niedriger sein könne als derjenige, den die Klägerin angeboten habe. Für diese Lieferung erfolgte später eine neue Ausschreibung, in der die Klägerin den Zuschlag erhielt.

7. Am 11. Juni 1993 unterrichtete Ukrimpex die Klägerin von der ablehnenden Entscheidung der Kommission und bat sie um Aufschub der Beförderung der Ware. Die Klägerin antwortete, sie habe bereits ein Schiff gechartert. So wurden tatsächlich beinahe 40 000 t Getreide geliefert.

8. Mit Schreiben vom 12. Juli 1993 unterrichtete das für Agrarfragen zuständige Kommissionsmitglied die SEIB offiziell von der Weigerung der Kommission, den ihr vorgelegten Vertrag zu genehmigen. Das Kommissionsmitglied führte in diesem Zusammenhang aus: "Die Kommission kann Lieferverträge nur dann anerkennen, wenn sie alle in dem Beschluss 91/658 des Rates, der Verordnung Nr. 1897/92 der Kommission und der Rahmenvereinbarung aufgeführten Kriterien erfüllen. Ferner sieht Abschnitt 5.1 Buchstabe b des mit der Ukraine am 13. Juli 1992 geschlossenen Darlehensvertrags vor, dass die Kommission die Bestätigungsschreiben nach ihrem .uneingeschränkten Ermessen' ausstellt. Die Kommission ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der mit Ihrem Genehmigungsantrag vom 31. Mai vorgelegte Vertrag nicht alle aufgestellten Kriterien erfüllt und dass sie es daher ablehnen muss, ihr Ermessen auszuüben, um ein Bestätigungsschreiben auszustellen." Er führte aus, dass der Grund für diese Ablehnung darin bestehe, dass der im Vertrag vereinbarte Preis "deutlich höher als derjenige ist, den die Kommission als akzeptabel erachtet". Es handele sich hierbei um eine der in dem Beschluss 91/658 (Artikel 4 Absatz 3) und in der Verordnung Nr. 1897/92 (Artikel 5 Absatz 2) aufgeführten Voraussetzungen für das Darlehensgeschäft. Daraus folgerte er: "Nach alledem kann die Kommission, obwohl ich mir der Dringlichkeit des Bedarfs der Ukraine bewusst bin, nicht feststellen, dass der vorgelegte Vertrag die günstigsten Preisbedingungen bietet ..."

Verfahren

9. Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 10. September 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

10. Das Gericht hat die Klage mit Urteil vom 24. September 1996 (Rechtssache T-509/93, Slg. 1996, II-1181) für unzulässig erklärt.

11. Mit Rechtsmittelschrift, die am 23. Dezember 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Klägerin Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts eingelegt.

12. Mit Urteil vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-404/96 P (Glencore Grain/Kommission, Slg. 1998, I-2435) hat der Gerichtshof das Urteil des Gerichts aufgehoben, die Rechtssache zur Entscheidung über die Begründetheit an das Gericht zurückverwiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

13. Gemäß Artikel 119 § 2 des Verfahrensordnung des Gerichts ist das schriftliche Verfahren vor dem Gericht in dem Stadium, in dem es sich befand, fortgesetzt worden.

14. Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

15. Durch Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 19. Januar 2000 sind die Rechtssachen T-485/93, T-491/93, T-494/93, T-61/98 und T-509/93 nach Anhörung der Parteien aufgrund ihres Zusammenhangs zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden.

16. Die Parteien haben in der Sitzung des Gerichts vom 23. Februar 2000 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

17. Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung der Kommission vom 12. Juli 1993 für nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18. Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

19. Die Kommission trägt vor, dass die Klage gegen das Schreiben vom 12. Juli 1993 gerichtet sei. Dieses bestätige aber lediglich das Schreiben vom 10. Juni 1993, das von der Klägerin nicht fristgemäß angefochten worden sei. Die Klage gegen diese bestätigende Maßnahme sei daher unzulässig (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1988 in den Rechtssachen 166/86 und 220/86, Irish Cement Ltd/Kommission, Slg. 1988, 6473, Randnr. 16).

20. Außerdem habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse mehr. Da das Darlehen für die Ukraine abgewickelt sei, könne die Kommission nämlich selbst dann kein Bestätigungsschreiben mehr ausstellen, wenn die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt werden sollte. Darüber hinaus könne die etwaige Nichtigerklärung nicht die Grundlage für eine Haftungsklage bilden, da Schadensersatzansprüche inzwischen verjährt seien.

21. Die Klägerin wendet ein, dass die Kommission in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium nicht mehr geltend machen dürfe, dass die Klage verspätet erhoben und deshalb unzulässig sei.

22. Jedenfalls sei das Schreiben vom 10. Juni 1993 an den Vizepremierminister der Ukraine gerichtet gewesen. Nach den Bedingungen des Darlehensvertrags stehe die Kommission aber nicht mit der Ukraine, sondern nur mit der SEIB in einer rechtlichen Beziehung.

Würdigung durch das Gericht

23. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Klagefristen zwingendes Recht (u. a. Urteil des Gerichts vom 18. September 1997 in den Rechtssachen T-121/96 und T-151/96, Mutual Aid Administration Services/Kommission, Slg. 1997, II-1355, Randnr. 38). Das Gericht kann daher eine Einrede der Unzulässigkeit, die mit einer verspäteten Klageerhebung begründet wird, von Amts wegen prüfen.

24. Eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, durch die eine nicht fristgerecht angefochtene Entscheidung nur bestätigt wird, ist unzulässig (Beschluss des Gerichtshofes vom 21. November 1990 in der Rechtssache C-12/90, Infortec/Kommission, Slg. 1990, I-4265, Randnr. 10).

25. Ein Vergleich der zu den Akten gereichten Schreiben vom 10. Juni 1993 und vom 12. Juli 1993 führt zu dem Ergebnis, das das zweite Schreiben gegenüber dem ersten nichts Neues enthält; insbesondere die Begründung ist identisch. Darüber hinaus ist weder aus den dem Gericht vorgelegten Akten noch aus dem Schreiben vom 12. Juli 1993 ersichtlich, dass der Abfassung des letzteren eine erneute Prüfung vorausgegangen wäre.

26. Doch geht aus den Akten zwar hervor, dass die Klägerin bereits am folgenden Tag von dem Schreiben vom 10. Juni 1993 erfuhr, nicht aber, dass sie von den Gründen unterrichtet wurde, auf denen es beruhte.

27. Außerdem steht zwar, wie die Kommission hervorgehoben hat, im Darlehensvertrag nicht ausdrücklich, wer der Adressat einer Entscheidung über die Ablehnung der Genehmigung eines Vertrages ist; doch musste nach dem Darlehensvertrag die SEIB sowohl die Genehmigung von Verträgen und als auch die Auszahlung des Darlehens bei der Kommission beantragen. Zudem ist im Darlehensvertrag ein "Bestätigungsschreiben" für einen vorgelegten Liefervertrag definiert als"Mitteilung der Zustimmung, die der Darlehensgeber [die Europäische Gemeinschaft] an den Finanzmakler [die SEIB] richtet". Daraus ist zu schließen, dass die SEIB auch Adressatin der Entscheidung, kein Bestätigungsschreiben auszustellen, sein musste. Da die Kommission die SEIB erst mit Schreiben vom 12. Juli 1993 unterrichtete, durfte die Klägerin davon ausgehen, dass nur diese förmliche Benachrichtigung die endgültige Entscheidung darstellte.

28. Die Klage kann somit nicht als verspätet abgewiesen werden.

29. Zum angeblich fehlenden Rechtsschutzinteresse ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dafür auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen ist (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1963 in der Rechtssache 14/63, Forges de Clabecq/Hohe Behörde, Slg. 1963, 769, 799). Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin aber unstreitig ein Rechtsschutzinteresse.

30. Folgte man der Auffassung der Kommission, so würde man außerdem im Voraus unterstellen, welche Konsequenzen die Kommission nach Artikel 176 EG-Vertrag (jetzt Artikel 233 EG) aus dem zu erlassenden Urteil zu ziehen hätte.

31. Schließlich lässt sich nicht ausschließen, dass die Nichtigerklärung einer Entscheidung wie der angefochtenen selbst Rechtswirkungen insbesondere dadurch erzeugen kann, dass verhindert wird, dass die Kommission erneut so vorgeht (Beschluss vom 1. Februar 1999 in der Rechtssache T-256/97, BEUC/Kommission, Slg. 1999, II-169, Randnr. 18, und die dort zitierte Rechtsprechung).

32. Die gegen die Zulässigkeit der Klage vorgebrachten Einwände sind somit zurückzuweisen.

Begründetheit

Zum Klagegrund einer Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Klägerin

33. Nach Auffassung der Klägerin ist die Entscheidung nicht angemessen begründet. Sie gebe nämlich nicht an, aus welchen Gründen die Kommission den vereinbarten Preis nicht für akzeptabel gehalten habe. Die bloße Verweisung auf die Bestimmungen der Entscheidung 91/658 und der Verordnung Nr. 1897/92 sei insoweit unzureichend.

34. Im Übrigen könne aus dem Umstand, dass die SEIB, die die Adressatin der Entscheidung sei, oder Ukrimpex die Höhe des Weltmarktpreises möglicherweise gekannt hätte, nicht gefolgert werden, dass die Entscheidung gegenüber der Klägerin ordnungsgemäß begründet sei.

Würdigung durch das Gericht

35. Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 190 des Vertrages (jetzt Artikel 230 EG) vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts und sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnrn. 63 und 67).

36. Im vorliegenden Fall steht in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich, dass die Entscheidung der Kommission ihren Grund darin habe, dass der zwischen Ukrimpex und der Klägerin vereinbarte Preis weit höher sei, als es die Kommission für akzeptabel erachte. Die ausdrückliche Nennung des Artikels 4 Absatz 3 des Beschlusses 91/658 und des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1897/92 macht deutlich, dass die Kommission der Auffassung war, der vereinbarte Preis entspreche nicht den günstigsten Bedingungen im Sinne der anwendbaren Regelung.

37. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin brauchte die Kommission aufgrund der Begründungspflicht nicht anzugeben, welchen Preis sie für akzeptabel erachtet hätte.

38. Somit entspricht die Entscheidung den Erfordernissen des Artikels 190 des Vertrages.

39. Im Übrigen zeigen die Ausführungen der Klägerin zur Richtigkeit der Entscheidung, dass sie die Argumentation der Kommission durchaus verstanden hat.

40. Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Verstoß gegen den Beschluss 91/658 und die Verordnung Nr. 1897/92

Vorbringen der Klägerin

41. Die Klägerin bestreitet, dass die Kommission bei der Genehmigung von Verträgen wie den im vorliegenden Fall streitigen über ein Ermessen verfüge, und macht geltend, dass der zwischen Ukrimpex und ihr selbst vereinbarte Preis die günstigsten Preisbedingungen biete, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt würden. Der Vertrag entspreche somit entgegen der Entscheidung der Kommission sowohl dem Beschluss 91/658 als auch der Verordnung Nr. 1897/92.

42. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die vereinbarten Verladefristen kurz gewesen seien. Als Ukrimpex angesichts der dringlichen Versorgungslage um rasche Lieferung gebeten habe, hätten lediglich zwei Unternehmen ein Angebot gemacht, das eine Verladung im Juni vorgesehen habe; nachdem eines dieser beiden Unternehmen sein Angebot schließlich zurückgenommen habe, habe nur noch von ihr ein für Ukrimpex attraktives Angebot vorgelegen.

43. Außerdem habe die Kommission, indem sie die vereinbarten Preise für nicht akzeptabel erklärt habe, außer Acht gelassen, dass die Preise im Juni 1993 höher als die vom Juli 1993 gewesen seien, die für die neue Ernte gegolten hätten.

44. Die von Drittunternehmen geschlossenen Verträge, auf die sich die Beklagte berufe, seien mit dem im vorliegenden Fall streitigen Vertrag nicht vergleichbar. Die Bedingungen, insbesondere die Lieferbedingungen, seien nämlich unterschiedlich.

Würdigung durch das Gericht

45. Aus der Entscheidung geht hervor, dass die Kommission die Genehmigung des von der Klägerin und Ukrimpex geschlossenen Vertrages deshalb abgelehnt hat, weil dieser nicht die günstigsten Preisbedingungen bot, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden.

46. Die Kommission hat somit eines der Kriterien der Rechtsvorschriften zur Regelung der Mechanismen des Gemeinschaftsdarlehens angewandt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Bedingung bezüglich des Preises für das Funktionieren dieses Darlehens von entscheidender Bedeutung ist. Insofern als sie eine Garantie für die optimale Verwendung der bereitgestellten Mittel darstellt, soll sie die Gemeinschaft als Darlehensgeber genauso schützen wie die Ukraine als Empfänger der Nahrungsmittelhilfe.

47. Zunächst ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen, dass die Kommission die Preise vom Juli 1993 und nicht die höheren Preise vom Juni 1993 berücksichtigt habe. Diese Behauptung der Klägerin findet nämlich weder in der angefochtenen Entscheidung noch in den Akten eine Grundlage. Außerdem ist das Argument der Klägerin nicht stichhaltig, da die Kommission ihre Ablehnung des vereinbarten Preises bereits am 10. Juni 1993 mitgeteilt hatte.

48. Im Übrigen bestreitet die Klägerin nicht, dass der von ihr angebotene Preis als solcher nicht den günstigsten Bedingungen im Sinne der anwendbaren Regelung entsprach. Tatsächlich macht ein Vergleich der von den verschiedenen Anbietern vorgeschlagenen Preise deutlich, dass der zwischen der Klägerin und Ukrimpex vereinbarte Preis weit über dem von den anderen Unternehmen angebotenen Preis lag.

49. Dessen ungeachtet macht die Klägerin geltend, der angebotene Preis habe durchaus den günstigsten Preisbedingungen entsprochen, da sie als einziger Anbieter eine Verladung vor dem 15. Juni 1993 garantiert habe.

50. Da die Verträge nach der Verordnung Nr. 1897/82 die günstigsten Preisbedingungen bieten müssen, ist der angebotene Preis unter Berücksichtigung sämtlicher Vertragsbedingungen, insbesondere der Lieferbedingungen, zu prüfen.

51. Im Rahmen dieser umfassenden Prüfung verfügt die Kommission über ein Ermessen. Die Kontrolle durch den Gemeinschaftsrichter muss sich daher auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und nicht ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmissbrauch vorliegt (z. B. Urteil des Gerichts vom 24. Februar 2000 in der Rechtssache T-145/98, ADT Projekt/Kommission, Slg. 2000, II-387, Randnr. 147).

52. Zu prüfen ist daher, ob der Klägerin der Nachweis gelungen ist, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie die Auffassung vertrat, dass der Preis von 137,47 ECU/t mit garantierter Verladung vor dem 15. Juni 1993 nicht der in der Verordnung Nr. 1897/82 aufgestellten Voraussetzung entsprach.

53. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin zwar behauptet hat, die höheren Preise rechtfertigten sich durch besondere Lieferbedingungen, jedoch weder Angaben gemacht hat, durch die sich der Mehrpreis quantitativ bestimme ließe, noch einen entsprechenden Anfangsbeweis vorgelegt hat. So findet sich keine Erklärung dafür, inwiefern die Garantie einer Verladung vor dem 15. Juni 1993 eine Preiserhöhung um 10 % gegenüber einer für den Monat Juni 1993 garantierten Verladung, wie sie das zweite Angebot der Klägerin vorsah, rechtfertigt. Auch wird nicht erläutert, inwiefern diese Garantie einen Preis rechtfertigen soll, der 20 % bis 25 % höher ist als die von den Konkurrenten angebotenen Preise für Lieferungen, die je nach Angebot im "Juni/Juli 1993", zwischen dem 1. und dem 5. Juli 1993 oder zwischen dem 1. und dem 10. Juli 1993 erfolgen sollten.

54. Im Übrigen erscheint, wenn man die Angebote der Klägerin berücksichtigt, die einen direkteren Vergleich mit denen ihrer Konkurrenten zulassen, der von der Klägerin angebotene Preis höher als der von ihren Konkurrenten angebotene Preis. Tatsächlich erscheint nur das vierte Angebot der Klägerin, das eine spätereLieferung zwischen dem 15. Juli und dem 15. August 1993 einschließlich Beförderung bis zur ungarisch-ukrainischen Grenze vorsieht, etwas interessanter als die Angebote Dritter. Daraus folgt, dass die übrigen Angebote der Klägerin nicht die günstigsten Preisbedingungen im Sinne der anwendbaren Regelung boten.

55. Die dem Gericht vorgelegten Akten lassen mithin nicht den Schluss zu, dass es sich bei dem deutlichen Unterschied zwischen dem Betrag des Angebots der Klägerin und dem der Konkurrenzangebote tatsächlich um einem Preiszusatz handelte, der als Vergütung einer besonderen Dienstleistung, nämlich einer früheren Verladung der Waren, erforderlich war.

56. Die Klägerin hat somit nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie entschied, dass der vereinbarte Preis von 137,47 ECU/t für Verladungen, die für einen früheren Zeitpunkt als den 15. Juni 1993 garantiert wurden, nicht die günstigsten Preisbedingungen bot, die normalerweise auf dem Weltmarkt erzielt werden.

57. Die Klage ist daher in vollem Umfang abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

58. Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Im vorliegenden Fall sind der Kommission sämtliche bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 entstandenen Kosten aufzuerlegen. Die Klägerin trägt sämtliche nach der Verkündung dieses Urteils entstandenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission trägt die bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 entstandenen Kosten. Die Klägerin trägt die nach dieser Verkündung entstandenen Kosten.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. November 2000.

Ende der Entscheidung

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