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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 12.07.1996
Aktenzeichen: T-52/96 R
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 4064/89, EG-Vertrag


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 4064/89 Art. 3
EG-Vertrag Art. 185
EG-Vertrag Art. 186
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Befugnisse des Gemeinschaftsrichters bestehen darin, die rechtliche Kontrolle über die Maßnahmen auszuüben, die die Kommission in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsbehörde ergreift, sie erstrecken sich jedoch nicht auf die Beurteilung der Fragen, zu denen dieses Organ noch nicht Stellung genommen hat. Eine solche Befugnis würde nämlich der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinanderbringen; dies wäre mit dem System der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Gemeinschaftsgerichten sowie mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege und eines ordnungsgemässen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens unvereinbar.

So kann der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich einem Antrag auf einstweilige Anordnungen nicht stattgeben, mit dem die Kommission daran gehindert werden soll, ihre Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse unmittelbar nach der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 und noch vor dem Erlaß vorläufiger oder endgültiger Maßnahmen, deren Vollzug zu verhindern beabsichtigt ist, auszuüben. Erließe nämlich der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes solche Maßnahmen, so würde er sich nicht im Rahmen der Kontrolle der Tätigkeit des betreffenden Organs halten, sondern an dessen Stelle rein administrative Zuständigkeiten ausüben. Daher kann ein Unternehmer nicht gemäß den Artikeln 185 und 186 des Vertrages beantragen, einem Organ die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens aufzugeben und ihm ° wenn auch nur vorläufig ° die Ausübung seiner Befugnisse im Rahmen eines solchen Verfahrens zu untersagen.

Ein solcher Anspruch könnte ihm nur dann zugebilligt werden, wenn dieser Antrag Angaben enthielte, die es dem Richter des vorläufigen Rechtsschutzes erlaubten, das Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände festzustellen, die den Erlaß der beantragten Maßnahmen rechtfertigten.


Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 12. Juli 1996. - Sogecable SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Aussetzung des Vollzugs - Einstweilige Anordnungen. - Rechtssache T-52/96 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin, die Sogecable, SA, vormals Sociedad de Televisión Canal Plus, SA, ist eine Gesellschaft spanischen Rechts, deren Gesellschaftskapital zu 50 % von den Firmen Canal Plus SA (im folgenden: Canal Plus France) und Promotora de Informaciones, SA (im folgenden: Prisa) gehalten wird.

2 Am 26. Juli 1995 schlossen die Telefónica de España, SA, ein öffentliches Unternehmen, das Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikationen anbietet (im folgenden: Telefónica), und ihr Tochterunternehmen Telecartera, SA einerseits, und die beiden Unternehmen Sociedad de Gestion de cable, SA und Sociedad de Televisión Canal Plus, SA (im folgenden: Canal Plus Espagne) andererseits Verträge, die zu einem Unternehmenszusammenschluß führten, der durch den Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über die Sociedad General de Cablevisión, SA verwirklicht wurde (im folgenden: Cablevisión-Zusammenschluß).

3 Am 26. Oktober 1995 wurde dieser Unternehmenszusammenschluß von diesen Unternehmen den zuständigen spanischen Behörden gemäß dem nationalen Wettbewerbsrecht angezeigt.

4 Am selben Tag sandte das Unternehmen Telefónica der Direktion "Kartelle, Mißbrauch marktbeherrschender Stellungen und sonstige Wettbewerbsverzerrungen II" der Generaldirektion für Wettbewerb (GD IV) der Kommission im Rahmen der Untersuchung einer Beschwerde eines Wettbewerbers gegen diesen Zusammenschluß ein Schreiben, in dem dieses Unternehmen die Ansicht vertrat, daß der Cablevisión-Zusammenschluß einen Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. 1990, L 257, S. 13) darstelle, daß dieser Zusammenschluß jedoch nach Ansicht der Telefónica und von Canal Plus Espagne keine gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 der Verordnung habe; dem Schreiben waren Kopien der den spanischen Behörden übermittelten Unterlagen beigefügt.

5 Mit Schreiben vom 6. Februar 1996 teilte der Generaldirektor der GD IV Canal Plus Espagne mit, daß der Cablevisión-Zusammenschluß nach den Informationen, über die die Kommission verfüge, ein Zusammenschluß von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne der Verordnung Nr. 4064/89 sei. Er erinnerte das Unternehmen daran, daß es den Zusammenschluß gemäß den Bestimmungen der Verordnung unverzueglich anzumelden habe, und wies es auf die Befugnis der Kommission hin, im Rahmen des Verfahrens der Kontrolle von Zusammenschlüssen Geldbussen und Zwangsgelder festzusetzen. Am 7. Februar 1996 unterrichtete die Kommission die zuständigen spanischen Behörden vom Inhalt dieses Schreibens.

6 Der Sprecher des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds erläuterte den Inhalt und die Tragweite der Entscheidung vom 6. Februar 1996 in Gesprächen mit Journalisten am 8. und 9. Februar 1996.

7 Am 1. März 1996 genehmigten die spanischen Behörden diesen Zusammenschluß unter bestimmten Bedingungen, da sie ihn als einen Zusammenschluß erachteten, der nur den nationalen Markt betreffe. Am 11. März 1996 übersandten sie der Kommission eine Kopie dieser Entscheidung.

8 Am 29. März 1996 übersandte die Kommission den betroffenen Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und setzte den Zeitpunkt der Anhörung der Beteiligten im Sinne von Artikel 18 der Verordnung Nr. 4064/89 fest. In dieser Mitteilung erläuterte die Kommission ihnen im übrigen ihre Befugnis, gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und Zwangsgelder festzusetzen.

9 Am 31. Mai 1996 meldete die Sogecable den Cablevisión-Zusammenschluß gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 bei der Kommission an.

Verfahren

10 Das Unternehmen Sogecable hat mit Klageschrift, die am 16. April 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 6. und 7. Februar 1996 sowie der öffentlichen Erklärung des Sprechers des für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglieds der Kommission vom 8. Februar 1996.

11 Mit besonderem Schriftsatz, der am 26. April 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag den vorliegenden Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gestellt; der Antrag ist gerichtet auf Aussetzung des Vollzugs der in der Erklärung des Sprechers des für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglieds der Kommission vom 8. Februar 1996 enthaltenen Entscheidung und auf Erlaß der erforderlichen einstweiligen Anordnungen, damit die Kommission gegen sie keine Maßnahme oder Entscheidung nach den Artikeln 8, 13, 14 und 15 der Verordnung Nr. 4064/89 erlässt, bevor das Gericht über die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache entschieden hat.

12 Die Kommission hat ihre schriftliche Stellungnahme mit Schriftsatz, der am 15. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, eingereicht.

13 Am 12. Juni 1996 haben die Unternehmen Cableuropa, SA, Cable i Televisió de Catalunya, SA, Santander de Cable, SA, Jerez de Cable, SA, und am 13. Juni 1996 das Unternehmen Antena 3 TV, SA, ihre Zulassung als Streithelfer im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt. Der Präsident des Gerichts hat sie am 14. Juni 1996 als Streithelfer zugelassen.

14 Die Parteien haben am 14. Juni 1996 ihre mündlichen Stellungnahmen abgegeben.

Entscheidungsgründe

15 Nach den Artikeln 185 und 186 des Vertrages in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch den Beschluß 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) und durch den Beschluß 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

16 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnung im Sinne der Artikel 185 und 186 des Vertrages den Streitgegenstand bezeichnen und die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen vorläufig in dem Sinne sein, daß sie die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (vgl. zuletzt Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 4. Juni 1996 in der Rechtssache T-18/96 R, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, II-0000, Randnr. 15).

Vorbringen der Parteien

Zur Zulässigkeit

17 Erstens macht die Antragstellerin geltend, daß der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zulässig sei, da sich ihr Aussetzungsantrag auf die im Verfahren zur Hauptsache angefochtene Entscheidung beziehe, die verbindliche Rechtswirkungen habe erzeugen sollen, die ihre Rechtsstellung erheblich änderten. Die hauptsächlichen Wirkungen dieser Entscheidung bestuenden in einer Verpflichtung der Sogecable, den Cablevisión-Zusammenschluß bei der Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 anzumelden und gemäß Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung nicht zu vollziehen (hierfür beruft sich die Antragstellerin in ihrer Klageschrift auf die Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C-312/90, Spanien/Kommission, Slg. 1992, I-4117, und des Gerichts vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93, Air France/Kommission, Slg. 1994, II-121).

18 Zweitens macht sie geltend, ihr gemäß Artikel 186 EG-Vertrag eingereichter Antrag auf einstweilige Anordnungen sei zulässig, da er sich in Übereinstimmung mit Artikel 104 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung auf das Verfahren zur Hauptsache beziehe. So sei die mit der angefochtenen Maßnahme getroffene Feststellung, daß der Zusammenschluß von gemeinschaftsweiter Bedeutung sei, für den Erlaß aller in der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehener Maßnahmen erforderlich, und auf diese Maßnahmen beziehe sich der Antrag auf einstweilige Anordnungen. Die Antragstellerin verweist hierfür auf die Beschlüsse in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 11. Oktober 1973 in den Rechtssachen 160/73 R und 161/73 R (Miles Druce/Kommission, Slg. 1973, 1049) und vom 16. März 1974 in den Rechtssachen 160/73 R II, 161/73 R II und 170/73 R II (Miles Druce/Kommission, Slg. 1974, 281), in denen das Gericht einstweilige Anordnungen in bezug auf eine künftige Entscheidung der Kommission über die Genehmigung eines Zusammenschlusses gemäß Artikel 66 EGKS-Vertrag erlassen hat.

19 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz. Sie macht hauptsächlich geltend, daß die Maßnahme, deren Vollzug nach dem Antrag der Antragstellerin ausgesetzt werden solle, nicht die mit der Klage im Verfahren zur Hauptsache angefochtene Maßnahme sei. Mit dieser Klage beantrage die Sogecable nämlich, die in den Schreiben vom 6. und 7. Februar 1996 enthaltene Entscheidung, die durch die Erklärungen des Sprechers des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds am folgenden Tag öffentlich bekanntgemacht worden seien, für nichtig zu erklären. Hingegen begehre die Antragstellerin mit ihren vorliegenden Anträgen auf vorläufigen Rechtsschutz nur die Aussetzung der in den Erklärungen vom 8. Februar 1996 enthaltenen Entscheidung.

20 Hilfsweise vertritt die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, die Ansicht, daß der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wegen seines Zusammenhangs mit der ihrerseits offensichtlich unzulässigen Klage im Verfahren zur Hauptsache unzulässig sei. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin stellten die angefochtenen Schreiben vom 6. und 7. Februar 1996, deren Inhalt vom Sprecher des für die Wettbewerbspolitik zuständigen Kommissionsmitglieds am folgenden Tag öffentlich bekanntgemacht worden sei, weder insgesamt noch einzeln eine endgültige Maßnahme der Kommission im Sinne der von der Antragstellerin zitierten Rechtsprechung dar. Im einzelnen stelle das Schreiben des Generaldirektors der GD IV vom 6. Februar keine abschließende Stellungnahme dieses Organs zur Natur des Cablevisión-Zusammenschlusses dar, sondern lediglich eine Mitteilung der Kommission, die aufgrund der Informationen, über die sie damals verfügt habe, den Beteiligten geraten habe, den Zusammenschluß gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 anzumelden. Erst nach dieser Anmeldung könne die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen, wie dies die Artikel 6 und 8 der Verordnung Nr. 4064/89 vorsähen.

21 Weiter weist die Beklagte darauf hin, daß sich im vorliegenden Fall die Verpflichtung zum Aufschub des Zusammenschlusses nicht aus der genannten Stellungnahme der Kommission ergebe, sondern vielmehr aus Artikel 7 der Verordnung Nr. 4064/89, der die Verpflichtung der betroffenen Unternehmen vorsehe, den Zusammenschluß nicht vor dessen Anmeldung bei der Kommission zu vollziehen, und zwar unabhängig davon, wie dieses Organ möglicherweise den Zusammenschluß einstufe. Daher unterscheide sich der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache von demjenigen der Rechtssache Cenemesa, auf die sich die Antragstellerin berufe (Urteil Spanien/Kommission, a. a. O.) und in der der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt habe, daß die Maßnahme der Kommission, mit der sie Beihilfen als neue eingeordnet habe, eine Maßnahme darstelle, die Rechtswirkungen entfalte, da sich die Entscheidung über die Aussetzung der Beihilfe nicht aus dem Vertrag, sondern aus der Maßnahme der Kommission ergebe, die eine solche Einordnung enthalten habe. Somit habe die Kommission keine Entscheidung erlassen, mit der der Aufschub des in Rede stehenden Zusammenschlusses verfügt worden sei, sondern sie habe nur insbesondere in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 29. März 1996 die Möglichkeit des Erlasses einer solchen Entscheidung angesprochen. Daher vertritt die Antragsgegnerin unter Hinweis auf das IBM-Urteil (Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639) die Ansicht, daß die fragliche Maßnahme, selbst wenn sie eine einseitige Änderung des Verhaltens der betroffenen Unternehmen oder dritter Unternehmen bewirken könne, nicht mit einer Klage angefochten werden könne, da sie keine anderen Rechtswirkungen entfalte als die, die sich automatisch aus der Verordnung Nr. 4064/89 ergäben.

22 Ferner werde der vorläufige Charakter der Handlung weder durch den Inhalt des Schreibens des Generaldirektors der GD IV vom 7. Februar 1996 an den Präsidenten des spanischen Tribunal de Defensa de la Competencia in Frage gestellt, bei dem es sich um ein blosses Informationsschreiben handele, das an die für Wettbewerbsfragen zuständigen spanischen Behörden gerichtet sei, noch durch die Erklärungen des Sprechers des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds vom 8. Februar 1996, der sich darauf beschränkt habe, die Presse von der Untersuchungstätigkeit der Kommission zu unterrichten, und damit eine vorbereitende nicht zu einer endgültigen Maßnahme machen könne.

23 Schließlich macht die Kommission geltend, daß der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz jedenfalls unzulässig sei, da er in Wirklichkeit auf Aussetzung des Verfahrens gerichtet sei, das die Kommission gestützt auf die Artikel 4, 7, 8, 14 und 15 der Verordnung Nr. 4064/89 eingeleitet habe. Gemäß dem Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 22. November 1995 in der Rechtssache T-395/94 R II (Atlantic Container u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2893), seien die Parteien nicht befugt, von den ihnen durch die Artikel 185 und 186 des Vertrages verliehenen Rechten Gebrauch zu machen, um sowohl die Aussetzung eines laufenden Verfahrens als auch die Aussetzung des Vollzugs jeder etwaigen endgültigen Entscheidung, die im Rahmen eines solchen Verfahrens erlassen werde, zu beantragen. Die Möglichkeit, ein laufendes Verfahren auszusetzen, hindere die Kommission daran, die ihr im Rahmen der Anwendung des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts anvertrauten Aufgaben zu erfuellen und störe ernstlich das vom Vertrag geschaffene System der Zuständigkeitsverteilung.

24 Die Streithelferin Antena 3 TV äussert sich ebenfalls in diesem Sinn. Nach Ansicht dieses Unternehmens ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz für unzulässig zu erklären, da mit ihm in Wirklichkeit eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Aufschub, die sich aus der Anmeldepflicht ergebe, verlangt werde. Die Kommission sei nämlich dafür zuständig, zum einen im Rahmen eines solchen Verfahrens die von den Parteien beantragten vorläufigen Maßnahmen zu prüfen, um zu verhindern, daß einem oder mehreren von einem Zusammenschluß betroffenen Unternehmen ein schwerer Schaden entstehe, und zum anderen festzustellen, ob ein meldepflichtiger Zusammenschluß vorliege. Wenn also beim Gericht vorläufiger Rechtsschutz beantragt werde, bevor die Kommission über einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zum Aufschub oder über das Vorliegen eines Zusammenschlusses von gemeinschaftsweiter Bedeutung entschieden habe, so laufe das darauf hinaus, vom Gericht die Ausübung einer der Verwaltung zustehenden Befugnis zu verlangen, die die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Gemeinschaftsorganen beeinträchtigen würde.

Zur Dringlichkeit

25 Zur Dringlichkeit macht die Antragstellerin geltend, ihr drohten angesichts der gegenwärtigen Situation, in der es so aussehe, als ob sie zwei schwerwiegende Verstösse gegen das Gemeinschaftsrecht begangen habe, indem sie den Cablevisión-Zusammenschluß nicht angemeldet und aufgeschoben habe, schwere und nicht wiedergutzumachende Schäden. Erstens schädige die Stellungnahme der Kommission zur gemeinschaftsweiten Bedeutung des Cablevisión-Zusammenschlusses ihren Ruf schwer, da diese Entscheidung insbesondere in der Presse weit verbreitet worden sei. Zweitens schade die angefochtene Entscheidung der Tätigkeit der Sogecable sehr, da sie zu einer Lähmung umfangreicher Geschäftsvorhaben geführt und den Eintritt von Gesellschaftern in eine Reihe örtlicher Telekommunikationsgesellschaften, die von Cablevisión bedient würden, habe scheitern lassen. Drittens habe es die Drohung der Einstellung der Tätigkeiten dieses Unternehmens diesem unmöglich gemacht, neue Kunden anzuwerben. Daher verschlechtere eine solche Entscheidung ihre Wettbewerbsposition auf dem Markt für Dienstleistungen im Bereich der Kabeltelekommunikation unwiederbringlich. Denn auf einem im Entstehen begriffenen Markt wie dem der Telekommunikation könne die Vertreibung eines Teilnehmers die Marktstruktur in irreversibler Weise ändern und auf diese Weise dessen Wettbewerbsposition schaden.

26 Die Kommission bestreitet die schweren und nicht wiedergutzumachenden Schäden, die die Antragstellerin behauptet. Zum angeblichen immateriellen Schaden führt sie aus, sie habe die Antragstellerin in keinem öffentlichen Dokument der beiden Verstösse bezichtigt, auf die sich diese beziehe. Im übrigen bezweifelt die Antragsgegnerin, daß die Sogecable als juristische Person immaterielle Schäden erleiden könne, und macht geltend, daß diese angeblichen Schäden jedenfalls stets durch Zahlung einer Entschädigung nebst Zinsen ersetzt werden könnten.

27 Zu den übrigen geltend gemachten Schäden führt die Antragsgegnerin aus, daß die Antragstellerin weder das Bestehen noch die Folgen des angeblichen Klimas der Unsicherheit glaubhaft gemacht habe. Insbesondere belege nichts die Behauptung, daß die angefochtene Handlung den Eintritt von Gesellschaftern in die örtlichen Gesellschaften behindert hätte. Zudem habe die Sogecable nicht das Vorliegen einer Maßnahme dargetan, mit der die Kommission ihre Absicht, den Cablevisión -Zusammenschluß auszusetzen, zum Ausdruck gebracht hätte, und die Antragstellerin könnte auf alle Fälle selbst dann, wenn eine solche Entscheidung erlassen würde, stets die Aussetzung ihres Vollzugs beantragen.

28 Die Streithelferinnen schließen sich dem zuletzt angeführten Vorbringen der Kommission an. Sie fügen noch hinzu, daß in Wirklichkeit die Cablevisión sowie die übrigen am fraglichen Zusammenschluß beteiligten Unternehmen niemals ihre Tätigkeit auf dem spanischen Markt eingestellt hätten.

Zur Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnungen (Fumus boni iuris)

29 Insoweit macht die Antragstellerin nur einen Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 geltend. Sie vertritt die Ansicht, die Kommission habe dem Cablevisión-Zusammenschluß gemeinschaftsweite Bedeutung beigemessen, indem sie fälschlich davon ausgegangen sei, daß die Sogecable ein gemeinsam von der Prisa und Canal Plus France kontrolliertes Unternehmen sei.

30 Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin habe jedoch nur die Prisa im Sinne von Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe b vierter Gedankenstrich der Verordnung das Recht, die Geschäfte des Unternehmens Sogecable zu führen. [...](1) Daher könne die Kommission diese Bestimmung der Verordnung Nr. 4064/89 nicht aufgrund blosser Vermutungen anwenden.

31 Hilfsweise macht die Antragstellerin geltend, selbst wenn man annehme, daß die Sogecable gemeinsam von der Prisa und Canal Plus France kontrolliert werde, dürfe der Umsatz dieser beiden Unternehmen nicht zu dem der Sogecable hinzugezählt werden, um die gemeinschaftsweite Bedeutung des Cablevisión-Zusammenschlusses zu konstruieren. Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe b vierter Gedankenstrich finde nämlich nur dann Anwendung, wenn die Kontrolle von einem einzigen Unternehmen ausgeuebt werde, da die gemeinsame Kontrolle nur in denjenigen Fällen berücksichtigt werden dürfe, die vom Gesetzgeber genau angegeben seien. Das Argument der Kommission, daß die Verwendung der Mehrzahl ° "der Unternehmen" ° in Artikel 5 Absatz 4 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 sie ermächtige, die Umsätze der Unternehmen, die gemeinsam die Geschäfte der betreffenden Unternehmen führten, zusammenzurechnen, sei nicht stichhaltig. Buchstabe c betreffe nämlich nur die Unternehmen, die von dem für die Zwecke der Berechnung berücksichtigten kontrolliert würden, dürfe jedoch nicht auf die Unternehmen erstreckt werden, die dieses kontrollierten.

Würdigung durch den Richter des vorläufigen Rechtsschutzes

32 Zur Beurteilung der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz ist zunächst dessen Gegenstand zu bestimmen.

33 In ihrer Antragsschrift beantragt die Sogecable erstens die "Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 8. Februar 1996" und zweitens den Erlaß der "erforderlichen einstweiligen Anordnungen, damit die Kommission keine Maßnahme aufgrund des Umstands erlässt, daß sie in dieser Entscheidung ihre Zuständigkeit behauptet, und damit sie insbesondere keine (vorläufige, endgültige oder vorsorgliche) Maßnahme oder Entscheidung gemäß den Artikeln 8, 13, 14 und 15 der Verordnung Nr. 4064/89 erlässt, bevor das Gericht im Verfahren zur Hauptsache über die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung entschieden hat".

34 In bezug auf den ersten Antrag hat die Antragstellerin bei der Anhörung auf entsprechende Fragen hin klargestellt, daß dieser auf die Aussetzung der Entscheidung der Kommission gerichtet sei, die sowohl in den Schreiben vom 6. und 7. Februar 1996 als auch in den in der Pressemitteilung der Agentur FECHA vom 8. Februar 1996 wiedergegebenen Ausführungen des Sprechers enthalten sei. In dieser Entscheidung werde die gemeinschaftsweite Bedeutung des Cablevisión-Zusammenschlusses festgestellt und unter Erwähnung der Anmeldepflicht die Möglichkeit in Aussicht gestellt, Geldbussen und Zwangsgelder festzusetzen.

35 Die einzige im vorliegenden Fall erhebliche Entscheidung ist die in dem Schreiben vom 6. Februar 1996 enthaltene, mit dem der Generaldirektor der GD IV Canal Plus Espagne mitteilte, daß die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Informationen der Ansicht sei, daß der Cablevisión-Zusammenschluß ein Zusammenschluß von gemeinschaftsweiter Bedeutung sei, für den das in der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehene Kontrollverfahren durchzuführen sei. Weiter wies der Generaldirektor Canal Plus Espagne auf ihre Verpflichtung hin, diesen Zusammenschluß gemäß Artikel 4 der Verordnung anzumelden, und auf die Befugnis der Kommission, bei Unterbleiben insbesondere der Anmeldung Geldbussen und Zwangsgelder festzusetzen. Das Schreiben vom 7. Februar 1996, mit dem der Generaldirektor die spanischen Behörden vom Inhalt des Schreibens an die Antragstellerin unterrichtete, und die Erklärungen des Sprechers, mit denen die Presse informell über die Tragweite der genannten Entscheidung unterrichtet werden sollte, sind dem ersten Anschein nach Maßnahmen zur Bestätigung der Entscheidung vom 6. Februar 1996, die als solche im Rahmen der Prüfung des vorliegenden Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz unerheblich sind.

36 Da die Maßnahme, deren Aussetzung die Antragstellerin begehrt, die Entscheidung vom 6. Februar 1996 ist und da die betroffenen Unternehmen die Anmeldung des Cablevisión-Zusammenschlusses am 31. Mai 1996 vornahmen, ist festzustellen, daß der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs nur gegen die Entscheidung gerichtet ist, diesen Zusammenschluß dem nach der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehenen Kontrollverfahren zu unterziehen.

37 Was den zweiten Antrag angeht, so ergibt sich aus den Ausführungen in der Antragsschrift, daß die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz begehrt, um der Kommission ° wenn auch nur vorläufig ° zu untersagen, von den ihr durch die Verordnung Nr. 4064/89 zugebilligten Befugnissen in Bezug auf den Erlaß von Maßnahmen und Entscheidungen mit vorläufigem, vorsorglichem und endgültigem Charakter Gebrauch zu machen. Somit ist dieser Antrag in Wirklichkeit auf die Aussetzung des Verwaltungskontrollverfahrens gerichtet, dem der Cablevisión-Zusammenschluß unterliegt. Mit ihm soll daher der gleiche Zweck erreicht werden wie mit dem Antrag auf Aussetzung der genannten Entscheidung vom 6. Februar 1996.

38 Ohne daß daher die Frage entschieden zu werden braucht, ob die angefochtene Entscheidung als Maßnahme mit offensichtlich vorbereitendem Charakter Rechtswirkungen entfaltet, die die Interessen der Antragstellerin durch eine ausgeprägte Änderung ihrer Rechtsstellung beeinträchtigen können und daher die Zulässigkeit sowohl der Nichtigkeitsklage im Verfahren zur Hauptsache als auch des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz rechtfertigen (vgl. hierfür das Urteil IBM/Kommission, a. a. O., Randnr. 23), ist zu prüfen, ob die beantragten Maßnahmen, mit denen bezweckt ist, das von der Kommission zur Kontrolle des Cablevisión-Zusammenschlusses eingeleitete Verwaltungsverfahren aussetzen zu lassen, mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die die Zuständigkeitsverteilung zwischen den verschiedenen Gemeinschaftsorganen regeln.

39 Die Befugnisse des Gemeinschaftsrichters bestehen darin, die rechtliche Kontrolle über die Maßnahmen auszuüben, die die Kommission in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsbehörde ergreift, sie erstrecken sich jedoch nicht auf die Beurteilung der Fragen, zu denen dieses Organ noch nicht Stellung genommen hat. Eine solche Befugnis würde nämlich der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinanderbringen; dies wäre mit dem System der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Gemeinschaftsgerichten sowie mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege und eines ordnungsgemässen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens unvereinbar (vgl. Urteil vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnr. 46).

40 So kann in einem Fall wie dem vorliegenden der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich einem Antrag auf einstweilige Anordnungen nicht stattgeben, mit dem die Kommission daran gehindert werden soll, ihre Ermittlungs- und Sanktionsbefugnisse unmittelbar nach der Einleitung eines Verwaltungsverfahrens und noch vor dem Erlaß vorläufiger oder endgültiger Maßnahmen, deren Vollzug zu verhindern beabsichtigt ist, auszuüben. Erließe nämlich der Richter des vorläufigen Rechtsschutzes solche Maßnahmen, so würde er sich nicht im Rahmen der Kontrolle der Tätigkeit der Antragsgegnerin halten, sondern an deren Stelle rein administrative Zuständigkeiten ausüben. Daher kann die Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht gemäß den Artikeln 185 und 186 des Vertrages beantragen, der Antragsgegnerin die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens aufzugeben und ihr ° wenn auch nur vorläufig ° die Ausübung ihrer Befugnisse im Rahmen eines solchen Verfahrens zu untersagen (vgl. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 6. Dezember 1989 in der Rechtssache T-131/89 R, Cosimex/Kommission, Slg. 1990, II-1, Randnr. 12, vom 14. Dezember 1993 in der Rechtssache T-543/93 R, Gestevisión Telecinco/Kommission, Slg. 1993, II-1409, Randnr. 24, und Atlantic Container u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 39).

41 Ein solcher Anspruch könnte ihr nur dann zugebilligt werden, wenn dieser Antrag Angaben enthielte, die es dem Richter des vorläufigen Rechtsschutzes erlaubten, das Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände festzustellen, die den Erlaß der beantragten Maßnahmen rechtfertigten (vgl. hierzu den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 23. März 1992, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-10/92 R, T-11/92 R, T-12/92 R, T-14/92 R und T-15/92 R, Slg. 1992, II-1571, Randnr. 54).

42 Die Antragstellerin hat nichts zur Glaubhaftmachung des Vorliegens aussergewöhnlicher Umstände vorgebracht, die den Erlaß der beantragten Maßnahmen begründen könnten. Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnungen kann auf dieser Grundlage nicht für zulässig erklärt werden.

43 Nach allem ist festzustellen, daß die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten Maßnahmen im vorliegenden Fall nicht erfuellt sind und daß daher der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzuweisen ist, ohne daß seine Begründetheit geprüft zu werden braucht.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 12. Juli 1996

Ende der Entscheidung

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