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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.09.1991
Aktenzeichen: T-54/90
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat
Vorschriften:
EWG/EAG BeamtStat Art. 85 | |
EWG/EAG BeamtStat Art. 90 | |
EWG/EAG BeamtStat Art. 91 |
1. Die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts festgelegten Beschwerde- und Klagefristen dienen dazu, die Sicherheit der Rechtsverhältnisse zu gewährleisten. Sie sind daher zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts.
Die Tatsache, daß ein Organ eine verspätete und damit unzulässige Verwaltungsbeschwerde sachlich bescheidet, kann nicht bewirken, daß das durch die genannten Artikel eingeführte System der zwingenden Fristen ausser Kraft gesetzt wird oder daß der Verwaltung die Möglichkeit genommen wird, im Stadium des gerichtlichen Verfahrens eine Einrede der Unzulässigkeit wegen Verspätung der Beschwerde zu erheben, und noch weniger, daß das Gericht von seiner Verpflichtung entbunden wird, die Einhaltung der statutarischen Fristen zu prüfen.
2. Eine Beschwerde ist im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eingelegt, wenn sie bei dem Organ, an das sie gerichtet ist, eingeht. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt nämlich, daß der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerde als vom Beamten bei der Verwaltung eingelegt gilt, mit dem Zeitpunkt übereinstimmt, zu dem die Frist für die Beantwortung der Beschwerde zu laufen beginnt. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung in der Lage ist, die Beschwerde zur Kenntnis zu nehmen, während die blosse Aufgabe zur Post für sich allein kein hinreichend sicherer Anhaltspunkt für den Zeitpunkt sein kann, zu dem das Beschwerdeschreiben dem Organ, für das es bestimmt ist, zugeleitet wird.
Andererseits darf der Beamte durch Umstände, die von seinem Willen unabhängig sind und die die Übermittlung seiner Beschwerde aufhalten können, wie Mängel oder Verzögerungen bei der Übermittlung von einer Dienststelle zur anderen innerhalb des fraglichen Organs, keine Nachteile erleiden. Folglich ist für die Beurteilung, ob die Beschwerde innerhalb der in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehenen Frist von drei Monaten eingelegt wurde, auf den Zeitpunkt des Eingangs in der Poststelle des Organs, für das sie bestimmt ist, abzustellen.
URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 25. SEPTEMBER 1991. - MAX LACROIX GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - ZULAESSIGKEIT - BESCHWERDEFRIST. - RECHTSSACHE T-54/90.
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1 Der am 9. Februar 1913 geborene Kläger wurde mit Wirkung vom 1. März 1978 in den Ruhestand versetzt. Er wohnte zunächst weiterhin in Brüssel, seinem letzten Dienstort, bis er im Februar 1981 Belgien verließ, um seinen Wohnsitz in Kanada zu nehmen.
2 Mit Schreiben vom 30. August 1988 teilte der Leiter des besonderen Dienstes "Ruhegehälter" dem Kläger mit, daß der Rat nach dem Erlaß der Verordnung (Euratom, EGKS, EWG) Nr. 3019/87 vom 5. Oktober 1987 über Sondervorschriften für Beamte der Europäischen Gemeinschaften, die in einem Drittland Dienst tun (ABl. L 286, S. 3), für die Länder ausserhalb der Gemeinschaft neue Berichtigungsköffizienten festgesetzt habe, die jedoch nur auf die Dienstbezuege der Beamten im aktiven Dienst anwendbar seien. Artikel 3 der Verordnung (EGKS, EWG, Euratom) Nr. 2175/88 des Rates vom 18. Juli 1988 zur Festsetzung der Berichtigungsköffizienten in Drittländern (ABl. L 191, S. 1) sehe vor, daß auf die Versorgungsbezuege der Berichtigungsköffizient 100 angewandt werde, wenn der Versorgungsberechtigte seinen Wohnsitz in einem Land ausserhalb der Gemeinschaft nehme. Der Leiter des Dienstes fügte hinzu, daß diese neue Berechnungsweise vom 10. Oktober 1987 an gelte, ohne die Höhe des Ruhegehalts des Klägers rückwirkend zu beeinflussen. Er führte weiter aus: "Um Ihre Kaufkraft soweit wie möglich zu erhalten und Ihnen die Beibehaltung Ihres Wohnsitzes in Kanada zu ermöglichen, wird Ihnen eine monatliche Ausgleichszulage in Höhe von 225,62 CAD gezahlt."
3 Nachdem der Rat am 24. Oktober 1988 die Verordnungen (EGKS, EWG, Euratom) Nrn. 3294/88 und 3295/88 (ABl. L 293, S. 1) erlassen hatte, mit denen die Berichtigungsköffizienten, die in den einzelnen Mitgliedstaaten ausser Belgien auf die Dienstbezuege der Beamten mit Dienstort in einem dieser Staaten sowie auf die Versorgungsbezuege der ehemaligen Beamten mit Wohnsitz in einem dieser Staaten anwendbar sind, berichtigt wurden, sandte die Verwaltung am 5. Dezember 1988 und 5. Januar 1989 zwei Rundschreiben an sämtliche Ruhegehaltsempfänger einschließlich des Klägers, in denen diese auf die Folgen der Einführung der neuen Berichtigungsköffizienten, die sich infolge der fünfjährlichen Überprüfungen von 1980 und 1985 ergaben, durch die genannten Verordnungen aufmerksam gemacht wurden.
4 Die Ruhegehaltsabrechnung des Klägers für Dezember 1988 enthielt eine Abrechnung über eine als "Ausgleichszulage" bezeichnete Vergütung. Diese Vergütung wurde dem Kläger von Juli 1988 bis November 1989 gezahlt. Ihre Höhe wurde in dieser Zeit verschiedentlich geändert. Aus den Akten ergibt sich, daß sich der Gesamtbetrag der dem Kläger gezahlten Vergütungen auf 5 787,37 CAD belief.
5 Mit Schreiben vom 12. Januar 1990, das der Kläger am 22. Januar 1990 erhielt, teilte der Leiter des Referats "Ruhegehälter und Beziehungen zu den ehemaligen Beamten und Bediensteten" dem Kläger mit, daß "die seit Juli 1988 gewährte Ausgleichszulage (Code 341) nicht gezahlt zu werden brauchte" und "folglich... mit Wirkung vom 1. Dezember 1989 entzogen" wurde. Er fügte hinzu: "Hinsichtlich der vorhergehenden Monate, d. h. seit dem 1. Juli 1988, wird der Entzug so bald wie möglich erfolgen." Ausserdem kündigte er an, daß er "zu gegebener Zeit den geschuldeten Betrag sowie die Art und Weise der Rückzahlung" mitteilen werde.
6 Mit Schreiben vom 13. März 1990 teilte der Leiter des genannten Referats dem Kläger mit, daß der von seinem Ruhegehalt einzubehaltende Betrag sich auf 5 787,37 CAD belaufe und daß die Rückforderung dieses Betrags ab April 1990 in sechs Monatsraten erfolgen werde.
7 Während der folgenden Monate wurden diese Beträge vom Ruhegehalt des Klägers einbehalten.
8 Mit Schreiben vom 21. April 1990, das am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, bei der Poststelle der Kommission am 27. April 1990 einging und am 30. April 1990 in das Register des Generalsekretariats der Kommission eingetragen wurde, legte der Kläger gegen die in den beiden Schreiben vom 12. Januar 1990 und 13. März 1990 enthaltenen Entscheidungen Beschwerde ein. Seiner Ansicht nach war die erste Entscheidung nicht begründet worden, trug seinen wohlerworbenen Rechten nicht Rechnung und wurde unter Verletzung von Artikel 85 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) erlassen. Die zweite Entscheidung sei infolge der Nichtigkeit der ersten Entscheidung ebenfalls nichtig. Im übrigen überschreite der zurückgeforderte Betrag den Betrag, der ihm ausgezahlt worden sei.
9 Nach einem Schriftwechsel zwischen der Verwaltung und dem Kläger teilte der Generaldirektor für Personal und Verwaltung der Kommission dem Kläger mit Schreiben vom 9. November 1990, beim Kläger eingegangen am 3. Dezember 1990, folgendes mit:
"Nach sorgfältiger Prüfung der Akten kann ich Ihnen mitteilen, daß Ihrer Beschwerde stattgegeben wird.
Die sachlichen Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 85 des Statuts waren im vorliegenden Fall nicht erfuellt.
Es werden Ihnen daher 5 787,37 CAD ausgezahlt. Dies entspricht dem Betrag, der zu Unrecht von Ihrem Ruhegehalt einbehalten wurde.
Da Ihrer Beschwerde somit in vollem Umfang stattgegeben wurde, ist sie nunmehr gegenstandslos."
Verfahren
10 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 28. Dezember 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage auf Aufhebung der Entscheidungen vom 12. Januar 1990 und 13. März 1990 und der stillschweigenden Zurückweisung seiner Beschwerde vom 21. April 1990 erhoben.
11 Die Kommission hat gegen die Klage eine am 12. Februar 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragene Einrede der Unzulässigkeit erhoben, ohne eine Klagebeantwortung zur Sache einzureichen.
12 Der Kläger hat Erklärungen eingereicht, die am 10. April 1991 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden sind und mit denen er die Zurückweisung der Einrede der Unzulässigkeit begehrt.
13 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung, beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit, ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
14 Die mündliche Verhandlung hat am 11. Juni 1991 stattgefunden. Die Vertreter der Parteien haben Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichts beantwortet.
15 Der Kläger beantragt,
- die Klage für zulässig zu erklären, da sie gemäß den Vorschriften des Statuts eingereicht worden ist;
- die stillschweigende Zurückweisung seiner Beschwerde vom 21. April 1990 durch die Kommission aufzuheben, soweit ihr durch das Schreiben der Kommission vom 9. November 1990 nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist;
- festzustellen, daß der Beschwerde zu Unrecht nicht stattgegeben worden ist, da die Entscheidungen vom 12. Januar 1990 und 13. März 1990 nicht wegen Verletzung von Artikel 25 Absatz 2 des Statuts förmlich aufgehoben worden sind;
- die genannten Entscheidungen wegen fehlender oder falscher Begründung aufzuheben;
- die genannten Entscheidungen aufzuheben, weil sie dadurch ein wohlerworbenes Recht verletzen, daß sie dem Kläger willkürlich eine Vergütung entziehen, die ihm während vieler Monate gezahlt wurde und die Bestandteil seines Ruhegehalts geworden ist;
- festzustellen, daß die als "Ausgleichszulage" bezeichnete Vergütung ihm bis heute und für die Zukunft endgültig geschuldet bleibt und zusteht;
- festzustellen, daß die Kommission verpflichtet ist, ihm die bis heute nicht gewährten Vergütungen und die künftig anfallenden Vergütungen zuzueglich 10 % Zinsen oder der gesetzlichen Zinsen ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen;
- der Beklagten sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
16 Die Beklagte beantragt,
- die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie die Entscheidung vom 12. Januar 1990 sowie die stillschweigende Zurückweisung der gegen diese Entscheidung eingelegten Beschwerde betrifft;
- festzustellen, daß über die Klage, soweit sie die Entscheidung vom 13. März 1990 betrifft, nicht entschieden werden muß;
- die übrigen Klageanträge als unzulässig abzuweisen;
- über die Kosten gemäß Rechtslage zu entscheiden.
Zulässigkeit
17 Die Beklagte beruft sich für ihre Einrede der Unzulässigkeit auf zwei Gründe: zum einen auf die Verspätung der Beschwerde, soweit es um die Entscheidung vom 12. Januar 1990 geht, und zum anderen darauf, daß die Klage, soweit sie sich auf die Aufhebung der Entscheidung vom 13. März 1990 richtet, gegenstandslos geworden sei.
Zum ersten Einredegrund: Verspätung der Beschwerde
18 Die Beklagte macht geltend, daß der Klage, soweit mit ihr die Aufhebung der Entscheidung vom 12. Januar 1990 verfolgt werde, keine innerhalb der in Artikel 90 Absatz 2 des Statuts vorgesehenen Frist von drei Monaten eingelegte vorgerichtliche Beschwerde vorausgegangen sei. Die Klage müsse deshalb gemäß Artikel 91 Absatz 2 des Statuts für unzulässig erklärt werden.
19 Zur Stützung dieses Einredegrundes führt die Beklagte aus, der Kläger habe die fragliche Entscheidung, die am 17. Januar 1990 von der Verwaltung abgeschickt worden sei, nach seinen eigenen Angaben am 22. Januar 1990 erhalten. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde sei jedoch erst am 30. April 1990 und damit mehr als drei Monate, nachdem der Kläger die Entscheidung erhalten habe, in das Register des Generalsekretariats der Kommission eingetragen worden. Sie müsse auch dann als verspätet angesehen werden, wenn man nicht den Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Register des Generalsekretariats, sondern den Zeitpunkt des Eintreffens in der Poststelle der Kommission, also den 27. April 1990, heranziehe.
20 Der Kläger beantragt die Zurückweisung dieses Unzulässigkeitsgrundes und trägt vor, die Frist von drei Monaten sei vorliegend eingehalten worden, da sein Beschwerdeschreiben am 21. April 1990 und damit innerhalb der im Statut vorgesehenen Frist zur Post gegeben worden sei. Das Statut verlange nicht, daß die Beschwerde innerhalb der Frist von drei Monaten bei dem Organ eingehe. Die sehr geringen Förmlichkeiten des vorgerichtlichen Verfahrens, in dem die Beschwerde durch einfachen Brief eingelegt werden könne, führten im Gegenteil zu der Annahme, daß es in diesem Bereich ausreiche, auf den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post abzustellen, da andernfalls die Frist von drei Monaten verkürzt werde, was zu einer Ungleichheit zwischen den Beamten je nach ihrem Wohnort führe. Da die Vorschriften zu dem heranzuziehenden Zeitpunkt, nämlich entweder dem der Absendung oder dem des Eingangs der Beschwerde, schwiegen, müsse zugunsten desjenigen entschieden werden, dessen Rechte eingeschränkt würden, d. h. zugunsten des Beamten.
21 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ausserdem ausgeführt, daß kein Hinderungsgrund bestehe, zum einen den Zeitpunkt der Aufgabe des Beschwerdeschreibens zur Post zu berücksichtigen und es dem betreffenden Beamten damit zu ermöglichen, dem Fristablauf zu entgehen, und zum anderen auf den Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens beim Organ für den Beginn der Frist, über die das Organ zur Beantwortung der Beschwerde verfüge, abzustellen.
22 Es ist festzustellen, daß sich der Kläger im vorliegenden Fall nicht auf einen aussergewöhnlichen Umstand wie einen Streik oder einen Fall höherer Gewalt berufen hat, der die Aufgabe zur Post oder die Beförderung seines Schreibens hätte verzögern können und der es verhindert hätte, daß dieses rechtzeitig am Bestimmungsort eintrifft.
23 Das Gericht hat die Frage zu entscheiden, welcher Zeitpunkt für den Beginn der im Statut vorgesehenen Frist für die Einlegung einer vorgerichtlichen Beschwerde zu berücksichtigen ist, wenn diese auf dem Postweg übermittelt wird, nämlich der Zeitpunkt der Aufgabe des Schreibens zur Post, der Zeitpunkt seines Eingangs in der Poststelle des Organs oder der Zeitpunkt seiner offiziellen Eintragung in das Register des zuständigen Dienstes. Insoweit ist daran zu erinnern, daß sich aus den zu den Akten gereichten Unterlagen ergibt, daß das Beschwerdeschreiben am 21. April 1990 zur Post gegeben wurde, daß es am 27. April 1990 in der Poststelle der Kommission einging und daß die Beschwerde am 30. April 1990 in das Register des Generalsekretariats eingetragen wurde.
24 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung die in den Artikeln 90 und 91 des Statuts festgelegten Beschwerde- und Klagefristen dazu dienen, die Sicherheit der Rechtsverhältnisse zu gewährleisten. Sie sind daher zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts. Die Tatsache, daß ein Organ einen verspäteten und damit unzulässigen Antrag sachlich bescheidet, kann nicht bewirken, daß das durch die Artikel 90 und 91 des Statuts eingeführte System der zwingenden Fristen ausser Kraft gesetzt wird und ein endgültig ausgeschlossenes Klagerecht wiederauflebt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 227/83, Moussis/Kommission, Slg. 1984, 3133). Es ist festzustellen, daß die Verfasser des Statuts es unterlassen haben, insoweit eine Sonderregelung für die Beamten im Ruhestand vorzusehen, namentlich für diejenigen, die ausserhalb des Gebiets der Gemeinschaft wohnen und nicht die Möglichkeit haben, ihre Beschwerde auf dem Dienstweg innerhalb des Organs einzureichen.
25 Unter diesen Umständen kann die Tatsache, daß im vorliegenden Fall die Beklagte während des vorgerichtlichen Verfahrens nicht die Verspätung der Beschwerde und den Ausschluß des Rechts des Klägers zur Erhebung einer Klage vor dem Gericht hervorgehoben hat, nicht dazu führen, daß der Verwaltung die Möglichkeit genommen wird, im Stadium des gerichtlichen Verfahrens eine Einrede der Unzulässigkeit wegen Verspätung der Beschwerde zu erheben, und noch weniger, daß das Gericht von seiner Verpflichtung entbunden wird, die Einhaltung der statutarischen Fristen zu prüfen (vgl. auch Urteile des Gerichts vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache T-130/89, B./Kommission, Slg. 1990, II-761, vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache T-6/90, Petrilli/Kommission, Slg. 1990, II-765, vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache T-19/90, Von Hößle/Rechnungshof, Slg. 1991, II-615, und Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991 in der Rechtssache T-14/91, Weyrich/Kommission, Slg. 1991, II-235).
26 Wegen der Bestimmung des maßgebenden Zeitpunkts für die Einlegung der Beschwerde ist vorab ausserdem auf Artikel 90 Absatz 2 des Statuts zu verweisen, nach dessen Unterabsatz 1 die "Beschwerde... innerhalb einer Frist von drei Monaten eingelegt werden [muß]", und nach dessen Unterabsatz 2 die "Anstellungsbehörde... dem Betreffenden ihre begründete Entscheidung binnen vier Monaten nach dem Tag der Einreichung der Beschwerde mit[teilt]". Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der nach ständiger Rechtsprechung Bestandteil der Rechtsordnung der Gemeinschaft ist, verlangt, daß jede Maßnahme der Verwaltung, die Rechtswirkungen entfaltet, klar und deutlich ist und dem Betroffenen in der Weise zur Kenntnis gebracht wird, daß er mit Sicherheit den Zeitpunkt erkennen kann, von dem an die genannte Maßnahme besteht und zu dem sie ihre Rechtswirkungen zu entfalten beginnt, insbesondere im Hinblick auf die Eröffnung der in den einschlägigen Bestimmungen, im vorliegenden Fall dem Statut, vorgesehenen Klagemöglichkeiten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor, Slg. 1983, 2633, Urteil des Gerichts vom 7. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen T-18/89 und T-24/89, Tagaras/Gerichtshof, Slg. 1991, II-55, und Beschluß des Gerichts vom 7. Juni 1991 in der Rechtssache T-14/91, a. a. O.). Das Gericht ist daher der Auffassung, daß der Grundsatz der Rechtssicherheit es untersagt, für die Bestimmung des Zeitpunkts der Einlegung der Beschwerde zwei verschiedene Zeitpunkte zu berücksichtigen, da der Zeitpunkt, zu dem die Beschwerde als vom Kläger bei der Verwaltung eingelegt gilt, auch der Zeitpunkt sein muß, zu dem die Frist für die Beantwortung der Beschwerde zu laufen beginnt.
27 Zur Beurteilung der streitigen Frage, nämlich die Bestimmung des maßgebenden Zeitpunkts, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof im Urteil vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80 (Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Randnrn. 8 und 13), nachdem er die Frage des Beginns der Beschwerdefrist geprüft hat, als Zeitpunkt des Ablaufs dieser Frist ausdrücklich den Zeitpunkt berücksichtigt hat, zu dem das Beschwerdeschreiben der Poststelle des Organs zugeleitet wurde. Ausserdem hat das Gericht im Urteil vom 7. Februar 1991 in den verbundenen Rechtssachen T-18/89 und T-24/89 (a. a. O.) ausgeführt, daß in dem gegebenen Fall vom "Empfang dieser Beschwerde an... die Dienststellen des Gerichtshofes über eine Frist von vier Monaten für deren Beantwortung [verfügten]".
28 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, daß Artikel 90 des Statuts, wonach die Beschwerde innerhalb von drei Monaten "eingelegt" werden muß, so auszulegen ist, daß sie "nicht dann eingereicht [ist], wenn sie bei der Post aufgegeben worden ist, sondern dann, wenn sie eingegangen ist" (siehe Schlussanträge des Generalanwalts Sir Gordon Slynn zum Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, a. a. O., 2882), oder, wie es der Gerichtshof selbst ausgedrückt hat, bei dem Organ, an das sie gerichtet ist, "eingegangen" ist (vorgenanntes Urteil, Randnr. 13).
29 In diesem Zusammenhang ist allgemein festzustellen, daß die Sicherheit der Rechtsverhältnisse im Interesse der Verfahrensbeteiligten und möglicher betroffener Dritter verlangt, daß bei jeder Frist Beginn und Ende klar bestimmt sind und strikt beachtet werden. Was ausserdem speziell die Streitigkeiten des öffentlichen Dienstes der Gemeinschaft angeht, so stellt der Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde den Beginn der Frist dar, innerhalb deren die Verwaltung ihre Entscheidung dem Beschwerdeführer mitteilen muß, wobei diese Mitteilung ihrerseits die Klagefrist in Gang setzt. Unter diesen Umständen vertritt das Gericht die Auffassung, daß erst der Zeitpunkt, zu dem die Verwaltung in der Lage ist, die Beschwerde zur Kenntnis zu nehmen, berücksichtigt werden kann, während die blosse Aufgabe zur Post für sich allein kein hinreichend sicherer Anhaltspunkt für den Zeitpunkt sein kann, zu dem das Beschwerdeschreiben dem Organ, für das es bestimmt ist, zugeleitet wird.
30 Andererseits liegt es auf der Hand, daß der Beamte durch Umstände, die von seinem Willen unabhängig sind und die die Übermittlung seines Beschwerdeschreibens aufhalten können, keine Nachteile erleiden darf. Insbesondere darf er nicht für Mängel oder Verzögerungen bei der Übermittlung von Dienststelle zu Dienststelle innerhalb des Organs, für das die Beschwerde bestimmt ist, verantwortlich gemacht werden.
31 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten und ist unstreitig, daß das Beschwerdeschreiben, das am 30. April 1990 in das Register des Generalsekretariats eingetragen wurde, am 27. April 1990 in der Poststelle der Kommission einging. Folglich ist für die Beurteilung, ob die Beschwerde innnerhalb der im Statut vorgesehenen Frist von drei Monaten eingelegt wurde, von dem letztgenannten Zeitpunkt auszugehen.
32 Der Kläger hat die angefochtene Entscheidung vom 12. Januar 1990 nach seinen eigenen Angaben, denen die Kommission nicht widersprochen hat, am 22. Januar 1990 erhalten, so daß seine Beschwerde spätestens am 22. April 1990 eingelegt werden musste (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Januar 1987 in der Rechtssache 152/85, Misset/Rat, Slg. 1987, 223, Randnr. 8). Daraus folgt, daß die am 27. April 1990 eingelegte Beschwerde als verspätet anzusehen ist.
33 Folglich ist die Klage unzulässig, soweit mit ihr die Aufhebung der Entscheidung vom 12. Januar 1990 begehrt wird.
Zum zweiten Einredegrund: Gegenstandslosigkeit der Klage
34 Nach Ansicht der Beklagten ist die Klage, soweit mit ihr die Aufhebung der Entscheidung vom 13. März 1990 verfolgt wird, in der die Höhe des zurückzufordernden Betrags und die Einzelheiten dieser Rückforderung festgelegt wurden, schon vor ihrer Erhebung gegenstandslos geworden, da die Verwaltung dem Kläger in der Entscheidung vom 9. November 1990 mitgeteilt habe, daß ihm der zu Unrecht zurückgeforderte Betrag erstattet werde.
35 Die Beklagte beantragt daher, festzustellen, daß über diesen Klageantrag nicht entschieden zu werden braucht.
36 Der Kläger hat in seinen am 10. April 1991 eingereichten Erklärungen auf diesen Einredegrund nichts entgegnet.
37 Das Gericht stellt fest, daß sich die Entscheidung vom 13. März 1990 auf die Angabe des Gesamtbetrags - nämlich 5 787,37 CAD - und der Einzelheiten der Rückforderung der dem Kläger angeblich zu Unrecht gezahlten Beträge beschränkt. Die Kommission teilte dem Kläger jedoch mit Schreiben vom 9. November 1990 mit, daß sie der Beschwerde, die er an sie gerichtet hatte, stattgegeben habe und daß ihm die von seinem Ruhegehalt einbehaltenen Beträge erstattet würden.
38 Da die Forderungen des Klägers insoweit schon vor der Klageerhebung am 28. Dezember 1990 erfuellt wurden, hat er kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, so daß dieser Klageantrag ebenfalls für unzulässig erklärt werden muß.
39 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß die Klage als unzulässig abzuweisen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
40 Nach der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Danach tragen die Organe jedoch in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Ausserdem kann das Gericht die Kosten ganz oder teilweise gegeneinander aufheben, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist.
41 In diesem Zusammenhang ist im vorliegenden Fall zunächst zu berücksichtigen, daß das Verhalten der Kommission, die Entscheidungen an den Kläger richtete, die das Bestehen seiner Rechte im Zweifel ließen, und die die verschiedenen Schreiben, die der Kläger vor der Einlegung seiner Beschwerde an sie sandte, nicht beantwortete, zur Entstehung des Rechtsstreits beigetragen hat. Weiterhin ist zu bemerken, daß die Kommission, obwohl sie sich der Tatsache bewusst war, daß die Beschwerde nicht fristgemäß eingelegt worden war und eine mögliche Klage daher unzulässig wäre, den Kläger hierauf nicht rechtzeitig aufmerksam gemacht hat. Sie hat nämlich insoweit nach dem Empfang des Schreibens, das der Kläger am 2. Juni 1990 an sie richtete und in dem er ausdrücklich feststellte, daß seine Beschwerde am 27. April 1990 bei der Poststelle des Organs eingegangen sei, keine Reaktion erkennen lassen. Ausserdem ergibt sich aus den Antworten auf die Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung, daß die Dienststellen der Kommission die Verspätung der Beschwerde auch nicht bei den verschiedenen Telefongesprächen erwähnt haben, die sie mit dem Kläger während des Verwaltungsverfahrens führten. Unter diesen Umständen vertritt das Gericht die Auffassung, daß die Beklagte zur Tragung der Hälfte der Kosten des Klägers zu verurteilen ist.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2) Die Beklagte trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten des Klägers, der die andere Hälfte seiner Kosten trägt.
Ende der Entscheidung
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