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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.05.1992
Aktenzeichen: T-54/91
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 25
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Verpflichtung, jede aufgrund des Statuts getroffene individuelle Verfügung mit Gründen zu versehen, soll zum einen dem Betroffenen die notwendigen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Verfügung begründet ist, und zum anderen die richterliche Kontrolle ermöglichen. Was die Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren angeht, einen Bewerber nicht zu den Prüfungen zuzulassen, so muß der Prüfungsausschuß dazu genau angeben, welche der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen bei dem Bewerber als nicht erfuellt angesehen worden sind. Im Falle eines Auswahlverfahrens mit hoher Teilnehmerzahl ist der Prüfungsausschuß zwar berechtigt, sich in einem ersten Stadium darauf zu beschränken, die Ablehnung summarisch zu begründen und den Bewerbern lediglich die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl mitzuteilen, er hat jedoch später den Bewerbern, die dies ausdrücklich verlangen, individuelle Erklärungen zu geben.

Diesem Begründungserfordernis ist genügt, wenn der Prüfungsausschuß, nachdem er auf Antrag eines zu den Prüfungen nicht zugelassenen Bewerbers dessen Bewerbung überprüft hat, in einem Schreiben an den Betroffenen darauf hinweist, daß die erforderliche Berufserfahrung bei Ablauf der Bewerbungsfrist nicht vollständig nachgewiesen war.

2. Obwohl der Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren aufgrund von Befähigungsnachweisen und Prüfungen bei der Beurteilung der Befähigungsnachweise und der Berufserfahrung der Bewerber über ein Ermessen verfügt, ist er an den Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens gebunden. Die entscheidende Rolle dieser Ausschreibung besteht nämlich darin, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die zu besetzende Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen und welche Nachweise für die Arbeit des Prüfungsausschusses von Wichtigkeit und daher den Bewerbungsunterlagen beizufügen sind.

Der Prüfungsausschuß ist nur verpflichtet, diejenigen Belege zu berücksichtigen, die die Bewerber vor Ablauf der Bewerbungsfrist einzureichen hatten. Er ist weder verpflichtet, alle Bewerbungen daraufhin zu prüfen, ob alle verlangten Unterlagen übersandt wurden, und die Betroffenen gegebenenfalls aufzufordern, zusätzliche Unterlagen vorzulegen, noch, nach diesem Zeitpunkt eingereichte Unterlagen zu berücksichtigen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 21. MAI 1992. - NICOLE ALMEIDA ANTUNES GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - AUSWAHLVERFAHREN - BERUFSERFAHRUNG - VERPFLICHTUNG ZUR BEGRUENDUNG DER ENTSCHEIDUNG UEBER DIE ABLEHNUNG EINER BEWERBUNG - VERPFLICHTUNG ZUR BEACHTUNG DER BEDINGUNGEN DER AUSSCHREIBUNG DES AUSWAHLVERFAHRENS. - RECHTSSACHE T-54/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin beteiligte sich am allgemeinen Auswahlverfahren PE/107/C, das vom Europäischen Parlament (im folgenden: Parlament) zur Bildung einer Einstellungsreserve von Schreibkräften französischer Sprache, deren Laufbahn sich auf die Besoldungsgruppen 5 und 4 der Laufbahngruppe C erstreckte, veranstaltet wurde.

2 In der Ausschreibung, die im Amtsblatt C 118 vom 12. Mai 1990, Seite 28, veröffentlicht wurde, war hinsichtlich der Zulassungsbedingungen festgelegt:

"III. Auswahlverfahren: Art des Auswahlverfahrens und Zulassungsbedingungen

...

A. Allgemeine Bedingungen

...

B. Besondere Bedingungen

1. Erforderliche Befähigungsnachweise, Zeugnisse und/oder Berufserfahrung:

a) Abgeschlossene mittlere Schulbildung (mittlere Reife, Handelsschule, Fachschule, Berufsschule) bzw. gleichwertige Berufserfahrung.

...

b) Nachweis einer mindestens zweijährigen Berufserfahrung in dem unter Abschnitt I 'Art der Tätigkeit' genannten Bereich, die nach dem unter Buchstabe a) genannten Bildungsniveau erworben wurde.

Als Berufserfahrung anerkannt werden dem Erwerb von Fachkenntnissen oder der Weiterbildung dienende Praktika oder Zusatzausbildungen, die im Zusammenhang mit der unter Abschnitt I genannten Tätigkeit stehen und durch ein Zeugnis oder Diplom nachgewiesen werden."

3 Nach Abschnitt I der Ausschreibung bestand die fragliche Tätigkeit in der Ausführung laufender Büroarbeiten, die insbesondere Schreibarbeiten umfassten.

4 Die Ausschreibung enthielt einen Abschnitt V "Überprüfung der Bewerbungen", der folgenden Wortlaut hatte:

"Jeder Bewerber hat das Recht, eine Überprüfung seiner Bewerbung zu beantragen, wenn seiner Ansicht nach ein Irrtum unterlaufen ist. In diesem Fall kann er innerhalb von 20 Tagen nach Absendung des Schreibens, in dem ihm mitgeteilt wurde, daß seine Bewerbung nicht berücksichtigt wird (Datum des Poststempels), unter Angabe der Nummer des Auswahlverfahrens auf dem Schreiben und dem Umschlag eine Reklamation an das Europäische Parlament, Dienststelle Personaleinstellung, BAK 222, L-2929 Luxemburg, richten.

Der Prüfungsausschuß überprüft dann nochmals die Unterlagen unter Berücksichtigung der Bemerkungen des Bewerbers binnen 30 Tagen nach Absendung des Schreibens, mit dem der Bewerber die Überprüfung beantragt hat (Datum des Poststempels)."

5 Nach Abschnitt VIII der am 12. Mai 1990 veröffentlichen Ausschreibung musste die Bewerbung zusammen mit den Belegen spätestens bis zum 25. Juni 1989 abgesandt werden. In Wirklichkeit muß es "25. Juni 1990" heissen; es handelt sich hierbei um einen Schreibfehler, der keine Folgen nach sich zieht, zumal keine der Parteien dies erwähnt.

6 Die Klägerin verfügt neben dem "Diplôme d' enseignement secondaire inférieur", das in Belgien dem Zeugnis der mittleren Reife entspricht, über den Befähigungsnachweis für das sechste Jahr des Unterrichts an weiterführenden Schulen und das Zeugnis über den Besuch der Oberstufe, aus dem hervorgeht, daß sie Fachschulunterricht in dem Zweig "Qualifizierung", Fachgebiet "OG Sekretariat 20 h" genossen hat, sowie über das Zeugnis der Hochschulreife. Die letzten drei Zeugnisse wurden ihr am 30. Juni 1987 von dem Institut Marie José, Lüttich, erteilt.

7 Mit Formschreiben vom 4. März 1991 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren der Klägerin mit, daß sie nicht zu den Prüfungen zugelassen worden sei, und begründete dies wie folgt (vgl. Punkt 7 des Schreibens vom 4. März 1991):

"Keine mindestens zweijährige Berufserfahrung (Punkt III.B.1 der Ausschreibung des Auswahlverfahrens)".

8 Die Klägerin bat mit Schreiben vom 18. März 1991 um Überprüfung ihrer Bewerbung. Sie gab ferner Erläuterungen zu den verschiedenen Beschäftigungen ab, denen sie zuvor nachgegangen war, nämlich vom 1. Oktober 1987 bis 31. Oktober 1988 bei einem Unternehmen mit Sitz in Soumagne (Belgien), vom 22. August 1988 bis 12. November 1989 bei einem Notar in Lüttich, vom 28. November 1989 bis zum 31. Oktober 1990 als Angestellte eines Vermittlungsbüros für Zeitarbeitskräfte bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und seit dem 1. November 1990 als Hilfskraft bei der Kommission. Sie führte auch die verschiedenen Aufgaben an, die sie bei den verschiedenen Arbeitgebern versah.

9 Mit Schreiben vom 5. April 1991 bestätigte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses den Erhalt des Beschwerdeschreibens vom 18. März 1991 und teilte der Klägerin folgendes mit: "In seiner Sitzung vom 27. März 1991 hat der Prüfungsausschuß Ihre Unterlagen überprüft und Ihre Bemerkungen zur Kenntnis genommen. Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, daß sich keine Gesichtspunkte für eine Abänderung der ursprünglichen Entscheidung ergaben, denn die erforderliche Berufserfahrung war bei Ablauf der Bewerbungsfrist nicht vollständig nachgewiesen."

10 Mit Schreiben vom 10. April 1991 beantragte die Klägerin beim Prüfungsausschuß eine erneute Überprüfung ihrer Bewerbung unter Hinweis auf ihre in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 31. Oktober 1988 und vom 22. August 1988 bis 12. November 1989 erworbene Berufserfahrung von 28 Monaten und darauf, daß sie einen Befähigungsnachweis für das sechste Schuljahr der Oberstufe besitze, mit dem bescheinigt werde, daß sie Fachschulunterricht genossen habe.

11 Die Klägerin macht geltend, daß dieser Antrag nicht bearbeitet worden sei. Der Beklagte führt hingegen aus, daß der Vorsitzende des Prüfungsausschusses mit Schreiben vom 22. Mai 1991 die Entscheidung des Prüfungsausschusses, die Klägerin nicht zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, bestätigt habe. Das Parlament hat die Kopie eines Schreibens vom 22. Mai 1991 vorgelegt, mit dem der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Klägerin mitteilte, daß "jede Bewerbung eingehend entsprechend den Bestimmungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens geprüft worden" sei, und mit dem er ferner darauf "hinweist", daß das Schreiben der Klägerin nicht als Beschwerde gelte.

Das Verfahren

12 Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 4. Juli 1991 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

13 Nach Einreichung der Klagebeantwortung hat die Klägerin auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet. Der Beklagte hat entsprechend auf die Einreichung einer Gegenerwiderung verzichtet.

14 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch mit Schreiben seines Kanzlers vom 20. Januar 1992 den Beklagten aufgefordert, den Nachweis der Zustellung des Schreibens vom 22. Mai 1991 an die Klägerin zu erbringen. Es hat ferner beide Parteien aufgefordert, anzugeben, zu welchem Zeitpunkt die Klägerin die verschiedenen Unterlagen für ihre Bewerbung eingereicht hat.

15 Die mündliche Verhandlung fand am 17. März 1992 statt. Die Vertreter der Parteien wurden mit ihren Ausführungen und mit ihren Antworten auf die vom Gericht gestellten Fragen gehört.

16 Aus den Erklärungen der Parteien hat sich ergeben, daß das Schreiben vom 22. Mai 1991 vom Parlament abgesandt worden war, jedoch der Klägerin nicht zuging, möglicherweise weil diese Ende April/Anfang Mai 1991 ihre alte Wohnung verlassen hatte und nach diesem Umzug Schwierigkeiten bei der Zustellung ihrer Post auftraten.

17 In der mündlichen Verhandlung ist in bezug auf den Nachweis der eigentlichen Berufserfahrung der Klägerin festgestellt worden, daß diese dem Prüfungsausschuß zusammen mit ihrer Bewerbung und somit vor Ablauf der Frist für die Vorlage der Belege nur ein Arbeitszeugnis für die Beschäftigung, der sie in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 31. Oktober 1988 bei einem Unternehmen in Soumagne in Teilzeitarbeit nachgegangen war, und ein Zeugnis für die Beschäftigung übersandt hat, die sie in der Zeit vom 22. August 1988 bis 12. November 1989 bei einem Notar in Lüttich in Vollzeit ausübte. Erst zusammen mit ihrer Beschwerde vom 18. März 1991 legte sie ein Arbeitszeugnis vom 18. Oktober 1990 für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 28. November 1989 bis 31. Oktober 1990 als Angestellte eines Büros für die Vermittlung von Zeitarbeitskräften in Luxemburg vor.

18 Ferner haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung unstreitig gestellt, daß die Klägerin zusammen mit ihrer Bewerbung drei "vorläufige Formblätter" einreichte, mit denen bescheinigt wurde, daß sie am 30. Juni 1987 den "Befähigungsnachweis für das sechste technische Qualifikationsfachschuljahr - Gruppe Wirtschaft", das Zeugnis für die Oberstufe und das Zeugnis der Hochschulreife erhalten hat. Hingegen ist zwischen den Parteien der Zeitpunkt streitig, zu dem die oben in Randnummer 6 aufgeführten endgültigen Zeugnisse eingereicht wurden; die Klägerin behauptet, sie habe sie zusammen mit ihrer Bewerbung übersandt, während der Beklagte behauptet, er habe sie erst mit dem Schreiben vom 18. März 1991 erhalten, mit dem die Klägerin eine Überprüfung ihrer Bewerbung beantragt habe.

19 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren PE/107/C vom 5. April 1991, sie nicht zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen, aufzuheben;

- dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20 Der Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Begründetheit

21 Die Klägerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung mehrfach erklärt, daß sie zur Begründung ihrer Klage nur die Rüge vortrage, daß es der angefochtenen Entscheidung an einer Begründung mangele. Sie macht jedoch im Rahmen dieser Rüge und am Schluß der Darstellung ihres Vorbringens geltend, daß die Entscheidung auch auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruhe und unter Verstoß gegen die Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens ergangen sei. Daher ist die Klage auch unter diesem Gesichtspunkt zu überprüfen.

Zum Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht

22 Die Klägerin stützt ihre Klage auf die Verletzung des Artikels 25 Absatz 2 des Beamtenstatuts der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut), in dem bestimmt ist: "Jede Verfügung aufgrund des Statuts ist dem betroffenen Beamten unverzueglich schriftlich mitzuteilen. Jede beschwerende Verfügung muß mit Gründen versehen sein."

23 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts zur Begründungspflicht (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861; Schlussanträge der Generalanwältin Rozès in den Rechtssachen 316/82 und 40/83, Kohler/Rechnungshof [Urteil des Gerichtshofes vom 9. Februar 1984, Slg. 1984, 667]; Urteil des Gerichts vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90, Pérez Mingüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143, Randnr. 73) sei im vorliegenden Fall zum einen zu prüfen, ob die Begründung der angefochtenen Entscheidung ihr ausreichende Hinweise für die Feststellung gebe, ob die Entscheidung begründet sei oder unter einem Mangel leide, der ihre Rechtmässigkeit in Frage stelle, und zum anderen, ob die Begründung der Entscheidung dem Gericht ermögliche, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu überprüfen.

24 Sie habe dem Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren mit ihrer Bewerbung eine Kopie aller ihr vom Institut Marie José, Lüttich, erteilten Zeugnisse und der Arbeitszeugnisse für die Beschäftigungen, denen sie in den Zeiten vom 1. Oktober 1987 bis 31. Oktober 1988 und vom 22. August 1988 bis 12. November 1989 nachgegangen sei, zugesandt. Zum einen ergebe sich aus diesen Schriftstücken in bezug auf die Ausbildungsvoraussetzungen, daß die Klägerin über eine durch ein Abschlußzeugnis nachgewiesene mittlere Schulbildung verfüge. Zum anderen gehe aus ihnen in bezug auf die Voraussetzung der Berufserfahrung hervor, daß der Prüfungsausschuß sowohl die durch die Arbeitsbescheinigungen nachgewiesene Berufserfahrung als auch die drei Jahre der zusätzlichen Sekretariatsausbildung hätte berücksichtigen müssen, die die Klägerin absolviert habe und die durch das Oberstufenzeugnis nachgewiesen seien; diese Ausbildung stehe im Zusammenhang mit der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens beschriebenen Tätigkeit. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die endgültigen Zeugnisse nicht innerhalb der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Frist eingereicht worden seien, sei ihre Befähigung allein durch die "vorläufigen Formblätter" hinreichend nachgewiesen.

25 In der Begründung der angefochtenen Entscheidung sei weder erläutert, inwieweit die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens verlangte Berufserfahrung im Zeitpunkt der Einreichung ihrer Bewerbung nicht vollständig nachgewiesen worden sei, noch seien die Gründe dargetan, aus denen die zusätzliche Ausbildung, die sie absolviert habe, nicht berücksichtigt worden sei.

26 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin noch geltend gemacht, daß die Ansicht des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren irrig sei, die Teilzeitbeschäftigung, die sie in dem Unternehmen in Soumagne ausgeuebt habe, sei eine Halbzeitbeschäftigung gewesen; in Wirklichkeit habe es sich um Dreiviertel-Zeitarbeit gehandelt. Wäre diese Beschäftigungszeit richtig berechnet worden, hätte der Prüfungsausschuß zu dem Ergebnis gelangen müssen, daß die Klägerin eine Berufserfahrung von insgesamt 24 Monaten, also die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens verlangten zwei Jahre, allein durch die beiden bei dem Unternehmen in Soumagne (drei Viertel von 13 Monaten) und beim Notar in Lüttich (15 Monate) ausgeuebten Tätigkeiten nachgewiesen habe.

27 Abschließend macht die Klägerin geltend, daß die angefochtene Entscheidung nicht oder zumindest unzureichend begründet, mit einem offensichtlichen Beurteilungsirrtum behaftet und unter Verstoß gegen die Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens ergangen sei.

28 Der Beklagte verweist einleitend auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Zweck und Umfang der dem Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren zukommenden Begründungspflicht (vgl. Urteile vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Slg. 1988, 1399, Randnr. 48; vom 9. Juni 1983 in der Rechtssache 225/82, Verzyck/Kommission, Slg. 1983, 1991, und vom 26. November 1981, Michel/Parlament, a. a. O.).

29 Der Gerichtshof habe in mehreren Urteilen zugelassen, daß ein Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren mit hoher Teilnehmerzahl seiner Begründungspflicht in zwei Stufen nachkomme (vgl. Urteile vom 12. Juli 1989 in der Rechtssache 225/87, Belardinelli/Gerichtshof, Slg. 1989, 2353; vom 28. Februar 1989 in den Rechtssachen 100/87, 146/87 und 153/87, Basch/Kommission, Slg. 1989, 447 und vom 16. Dezember 1987 in der Rechtssache 206/85, Beiten/Kommission, Slg. 1987, 530; vgl. auch die Urteile Michel/Parlament, Verzyck/Kommission und Sergio/Kommission, a. a. O.).

30 Im übrigen habe der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im Anschluß an die von der Klägerin am 18. März 1991 eingelegte Beschwerde in seiner Antwort vom 5. April 1991 individuelle Erklärungen gegeben, indem er erläuternd ausgeführt habe, daß "die erforderliche Berufserfahrung [...] bei Ablauf der Bewerbungsfrist nicht vollständig nachgewiesen [war]". Lese man diese Antwort im Zusammenhang mit der im Schreiben vom 4. März 1991 enthaltenen, so werde deutlich, daß die Bewerberin nach Ansicht des Prüfungsausschusses nicht die verlangte zweijährige Berufserfahrung besitze.

31 Zu der Art und Weise der Berechnung der Dauer der von der Klägerin erworbenen Berufserfahrung führt der Beklagte aus, daß er nur die vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Bewerbungen vorgelegten Schul- und Arbeitszeugnisse berücksichtigt habe. Die "vorläufigen Formblätter", die bescheinigten, daß die Klägerin das Diplom und die Zeugnisse erteilt bekommen habe, deren Besitz sie jetzt geltend mache, enthielten keine hinreichenden Angaben zum Gegenstand der Ausbildung der Klägerin. Erst in dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin das endgültige Diplom und die endgültigen Zeugnisse vorgelegt habe, seien Erläuterungen zum Gegenstand dieser Ausbildung gegeben worden. Daher habe der Prüfungsausschuß erst in diesem Zeitpunkt Kenntnis davon erlangt, daß die Oberstufenbescheinigung der Klägerin den Vermerk "Sekretariat" getragen habe und daß ihr Befähigungsnachweis für das sechste Schuljahr ausweise, daß diese Ausbildung während eines vollständigen Schuljahres erfolgt sei. Daher habe es der Prüfungsausschuß zu Recht abgelehnt, die genannte zusätzliche Ausbildung zu berücksichtigen. Zur Berufserfahrung im eigentlichen Sinn macht der Beklagte geltend, daß der Prüfungsausschuß 21,5 Monate Berufserfahrung, 13 Monate Halbzeittätigkeit, also 6,5 Monate und 15 Monate Vollzeittätigkeit, anerkannt habe, obwohl die als beim ersten und beim zweiten Arbeitgeber zurückgelegt angegebenen Arbeitszeiten für den Zeitraum vom 22. August 1988 bis 31. Oktober 1988 zusammenfielen.

32 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-115/89, González Holgüra/Parlament, Slg. 1990, II-831, Randnrn. 42 bis 45) soll die Verpflichtung, jede aufgrund des Statuts getroffene individuelle Verfügung mit Gründen zu versehen, zum einen dem Betroffenen die notwendigen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Verfügung begründet ist, und zum anderen die richterliche Kontrolle ermöglichen. Was insbesondere die Entscheidungen angeht, mit denen die Zulassung zu einem Auswahlverfahren abgelehnt wird, so hat der Gerichtshof ausgeführt, daß der Prüfungsausschuß dazu genau angeben muß, welche der in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens aufgestellten Voraussetzungen bei dem Bewerber als nicht erfuellt angesehen worden sind (vgl. beispielsweise Urteile vom 30. November 1978 in den verbundenen Rechtssachen 4/78, 19/78 und 28/78, Salerno/Kommission, Slg. 1978, 2403, 2416, und vom 21. März 1985, De Santis/Rechnungshof, Slg. 1985, 947).

33 Im übrigen ist der Prüfungsausschuß nach gefestigter Rechtsprechung im Falle eines Auswahlverfahrens mit hoher Teinahme berechtigt, sich in einem ersten Stadium darauf zu beschränken, die Ablehnung summarisch zu begründen und den Bewerbern lediglich die Kriterien und das Ergebnis der Auswahl mitzuteilen (vgl. Urteil vom 12. Juli 1989, Belardinelli/Gerichtshof, a. a. O.).

34 Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich im vorliegenden Fall um ein Auswahlverfahren mit hoher Teilnehmerzahl handelt, genügt die Entscheidung vom 4. März 1991, in der darauf hingewiesen wird, daß auf seiten der Klägerin "keine mindestens zweijährige Berufserfahrung (Punkt III.B.1. der Ausschreibung des Auswahlverfahrens)" vorliege, der in Artikel 25 des Statuts vorgeschriebenen Begründungspflicht.

35 Nach derselben Rechtsprechung hat jedoch der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren später den Bewerbern, die dies ausdrücklich verlangen, individuelle Erklärungen zu geben. Im vorliegenden Fall hat die in der Entscheidung vom 5. April 1991, die auf den Antrag auf Überprüfung hin erlassen wurde, gegebene Begründung ("da die erforderliche Berufserfahrung bei Ablauf der Bewerbungsfrist nicht vollständig nachgewiesen war") in Verbindung mit dem ersten Schreiben vom 4. März 1991 der Klägerin die notwendigen Hinweise zu den Gründen der Ablehnung ihrer Zulassung zur Teilnahme am Auswahlverfahren gegeben. Es wurde ihr nämlich eindeutig erläutert, daß sie bei Ablauf der Bewerbungsfrist keine ausreichenden Unterlagen zum Nachweis einer Berufserfahrung von zwei Jahren vorgelegt habe. Diese Mitteilung reichte aus, um es der Klägerin zu ermöglichen, zu beurteilen, ob die Entscheidung gerechtfertigt war, und zu entscheiden, ob es angebracht war, Klage zu erheben, und dem Gericht die richterliche Kontrolle zu ermöglichen.

36 Zwar hat der Beklagte in seiner Klagebeantwortung zusätzliche Erläuterungen zu den Einzelheiten der Zusammenrechnung der Zeiten der Berufserfahrung der Klägerin und den der Bewerbung beigefügten Unterlagen gegeben, hiervon ist jedoch insoweit nicht herzuleiten, daß die vorherigen Erläuterungen unzureichend gewesen wären. Ferner kann vom Prüfungsausschuß für ein Auswahlverfahren, in dem sich mehr als 2 000 Personen beworben haben, nicht verlangt werden, daß mit jedem Bewerber einzeln Verbindung aufgenommen wird, um zu prüfen, ob alle Unterlagen, die dieser vorlegen könnte oder die er in seiner Bewerbung aufgeführt hat, tatsächlich eingereicht wurden. Auch ist es nicht Sache des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, dem unvollständige oder nicht eindeutige Unterlagen vorgelegt werden, wie im vorliegenden Fall das Zeugnis, mit dem eine Teilzeitbeschäftigung bescheinigt wird, ohne daß die Dauer der Arbeit angegeben ist, mit dem Betroffenen zur Klärung der Lücken und Unklarheiten Verbindung aufzunehmen.

37 Aufgrund dieser Erwägungen ist die Rüge einer fehlenden oder unzureichenden Begründung zurückzuweisen.

Die Rüge eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und eines Verstosses gegen die Bedingungen der Ausschreibung des Auswahlverfahrens

38 Die Klägerin stützt diese Rüge auf das gleiche Vorbringen wie die erste Rüge. Der Beklagte bezieht sich ebenfalls auf sein Vorbringen zur ersten Rüge.

39 Im Rahmen der vorliegenden Rüge ist zu prüfen, ob der Prüfungsausschuß gegen die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorgesehenen Zulassungsvoraussetzungen für die Prüfungen verstossen hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Prüfungsausschuß unbeschadet seines Ermessens an den veröffentlichten Wortlaut der Ausschreibung des Auswahlverfahrens gebunden ist. Die entscheidende Rolle der Ausschreibung des Auswahlverfahrens nach dem Statut besteht nämlich darin, die an einer Bewerbung Interessierten so genau wie möglich über die Art der für die fragliche Stelle notwendigen Voraussetzungen zu unterrichten, damit sie beurteilen können, ob sie sich bewerben sollen und welche Nachweise für die Arbeit des Prüfungsausschusses von Wichtigkeit und daher den Bewerbungsunterlagen beizufügen sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. November 1991 in der Rechtssache T-158/89, Van Hecken/WSA, Slg. 1991, II-1341, Randnr. 23).

40 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß der Prüfungsausschuß bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Klägerin, wie sie in III.B.1.b der Ausschreibung des Auswahlverfahrens verlangt wird, nur verpflichtet war, diejenigen Unterlagen zu berücksichtigen, die die Bewerber vor Ablauf der Bewerbungsfrist einzureichen hatten. Er war weder verpflichtet, alle Bewerbungen daraufhin zu prüfen, ob alle verlangten Unterlagen übersandt worden waren, und die Betroffenen gegebenenfalls aufzufordern, zusätzliche Unterlagen vorzulegen, noch, nach diesem Zeitpunkt eingereichte Unterlagen zu berücksichtigen.

41 Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die Arbeitszeugnisse und die "vorläufigen Formblätter", die in den Randnummern 17 und 18 beschrieben sind, von der Klägerin vor Fristablauf eingereicht wurden.

42 Die Klägerin hat auch eingeräumt, daß das Arbeitszeugnis für ihre Tätigkeit für eine Zeitarbeitskräftevermittlung in der Zeit vom 28. November 1989 bis 31. Oktober 1990 vom 18. Oktober 1990 nach Fristablauf eingereicht wurde. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen zu den Verpflichtungen des Prüfungsausschusses in bezug auf die Berücksichtigung von den Bewerbern eingereichter Unterlagen war der Prüfungsausschuß für das streitige Auswahlverfahren nicht verpflichtet, die genannte Arbeitszeit zu berücksichtigen.

43 Zwischen den Parteien besteht Streit darüber, ob drei offizielle Diplome, die vom Institut Marie José, Lüttich, am 30. Juni 1987 ausgestellt wurden, zusammen mit der Bewerbung eingereicht wurden.

44 Der Klägerin obliegt der Beweis dafür, daß sie ihre Verpflichtung, die genannten Unterlagen innerhalb der Frist nach Abschnitt VIII der Ausschreibung des Auswahlverfahrens vorzulegen, erfuellt hat.

45 Im vorliegenden Fall befinden sich bei den Akten keine Unterlagen, die die Behauptungen der Klägerin in diesem Zusammenhang belegen können. Daher brauchte der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren die zusätzlichen Angaben in den genannten Diplomen nicht zu berücksichtigen.

46 Die "vorläufigen Formblätter" bescheinigen nur, daß die Klägerin am 30. Juni 1987 die genannten Diplome und Zeugnisse erhalten hat, ohne anzugeben, an welchem Unterricht die Klägerin teilnahm und wie lange ihre Ausbildung dauerte. Der Umstand, daß der unten auf der Seite angebrachte Stempel des Instituts Marie José u. a. die Angabe "Sekretariat - Buchführung - Büroarbeiten" trägt, vermag nicht für sich alleine zu beweisen, daß die Klägerin Sekretariatskurse besucht hat.

47 Nach allem hat die Klägerin im Zeitpunkt des Ablaufs der Frist für die Einreichung der Unterlagen nicht den Beweis für die von ihr angegebene Zusatzausbildung erbracht.

48 Somit brauchte der Prüfungsausschuß bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Klägerin nur die Arbeitszeugnisse für ihre Tätigkeit bei dem Unternehmen in Soumagne und bei dem Notar in Lüttich zu berücksichtigen.

49 Das erste Arbeitszeugnis, mit dem bescheinigt wird, daß die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 31. Oktober 1988 in Teilzeitbeschäftigung arbeitete, enthält keine Angabe, die es erlaubt, die genaue tägliche, wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit der Klägerin zu ermitteln. Die Behauptung in der mündlichen Verhandlung, es habe sich um eine Beschäftigung mit Dreiviertel-Arbeitszeit gehandelt, bleibt weiterhin eine reine Behauptung. In der Bewerbung gab die Klägerin überhaupt nicht an, daß es sich um eine Teilzeitbeschäftigung handelte. In Ermangelung weiterer Angaben durfte der Prüfungsausschuß daher die bescheinigte Arbeit als Halbzeitarbeit ansehen; der Prüfungsausschuß hat also keinen offensichtlichen Fehler begangen. Die bescheinigte Arbeitszeit von 13 Monaten durfte daher vom Prüfungsausschuß mit Recht bei der Berufserfahrung wie eine Vollzeitbeschäftigung von 6,5 Monaten berücksichtigt werden.

50 Nach allem hat die Klägerin daher bei Ablauf der Bewerbungsfrist 6,5 Monate (Unternehmen in Soumagne) und 15 Monate (Notar in Lüttich), somit insgesamt 21,5 Monate Berufserfahrung nachgewiesen, wobei unberücksichtigt bleibt, daß die beiden Zeiträume zwischen dem 22. August 1988 und dem 31. Oktober 1988 übereinstimmten. Da in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens verlangt wird, daß der Bewerber über eine Berufserfahrung von mindestens zwei Jahren verfügt, hat der Prüfungsausschuß für das Auswahlverfahren daher die Bewerbung der Klägerin abgelehnt, ohne einen Beurteilungsfehler zu begehen oder gegen die Ausschreibung des Auswahlverfahrens zu verstossen.

51 Aufgrund aller dieser Erwägungen ist die zweite Rüge ebenfalls zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

52 53 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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