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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: T-58/00
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EG) Nr. 2790/1999


Vorschriften:

EGV Art. 230 Abs. 4
EGV Art. 81 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 2790/1999
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Um als von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung individuell betroffen angesehen werden zu können, muss eine natürliche oder juristische Person durch den fraglichen Rechtsakt wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender tatsächlicher Umstände berührt sein.

Klagen von Vereinigungen können als zulässig angesehen werden, wenn diese die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, die selbst klagebefugt sind.

Als individuell betroffen durch die Verordnung Nr. 2790/1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen können nicht angesehen werden eine Vereinigung, deren Aufgabe es ist, die Interessen der regionalen Vereinigungen von Kfz-Werkstätten im weiteren Sinne und die Interessen ihrer Mitglieder, die durch in den Geltungsbereich der Verordnung fallende vertikale Vereinbarungen gebunden sein sollen, zu vertreten, oder Wirtschaftsteilnehmer, die auf dem gleichen Sektor tätig sind und ebenfalls durch solche vertikale Vereinbarungen gebunden sein sollen.

Die durch die Verordnung gewährte Freistellung, die zur Unanwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 1 EG und damit der in Artikel 81 Absatz 2 EG vorgesehenen Sanktion der Nichtigkeit führt, betrifft die Mitglieder der Vereinigung und die genannten Wirtschaftsteilnehmer aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als durch vertikale Vereinbarungen gebundene Wirtschaftsteilnehmer ebenso wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, die an solchen Vereinbarungen beteiligt sind.

Im Übrigen ist auch ein Zustand der wirtschaftlichen Abhängigkeit dieser Vereinigung und ihrer Mitglieder von den großen Lieferanten nicht geeignet, sie aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer herauszuheben.

(vgl. Randnrn. 15-18)


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte Kammer) vom 19. Oktober 2000. - Bond Van de Fegarbel-Beroepsverenigingen, Jules Appeltants und Benny Corbeels gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-58/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-58/00

Bond van de Fegarbel-Beroepsverenigingen mit Sitz in Brüssel (Belgien),

Jules Appeltants, wohnhaft in Grâce-Hollogne (Belgien),

Benny Corbeels, wohnhaft in Louvain (Belgien),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt J. van Hoof, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts F. Brouxel, 6, rue Zithe, Luxemburg,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter K. Lenaerts und M. Jaeger,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Durch Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21; im Folgenden: angefochtene Verordnung) wird Artikel 81 Absatz 1 EG unter bestimmten Voraussetzungen für unanwendbar erklärt auf Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen zwei oder mehr Unternehmen, von denen jedes zwecks Durchführung der Vereinbarung auf einer unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufe tätig ist, und die die Bedingungen betreffen, zu denen die Parteien bestimmte Waren oder Dienstleistungen beziehen, verkaufen oder weiterverkaufen können (im Folgenden: vertikale Vereinbarungen).

2 Der Bond van de Fegarbel-Beroepsverenigingen (im Folgenden: BFB) hat zur Aufgabe, die Interessen der regionalen Vereinigungen von Kfz-Werkstätten im weiteren Sinne und die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. So soll der BFB 2 500 kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Sitz in Belgien vertreten. Die beiden anderen Kläger sollen Wirtschaftsbeteiligte sein, die auf dem gleichen Sektor wie die Mitglieder des BFB tätig sind. Die durch den BFB vertretenen KMU und die beiden anderen Kläger sollen durch vertikale Vereinbarungen gebunden sein, die in den Geltungsbereich der angefochtenen Verordnung fallen.

Verfahren und Anträge der Parteien

3 Mit Klageschrift, die am 14. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

4 Die Kläger beantragen,

- die angefochtene Verordnung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise das Anhörungsverfahren für nichtig zu erklären und seine erneute Durchführung anzuordnen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

5 Mit gesondertem Schriftsatz, der am 29. Mai 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

6 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

7 Die Kläger haben zu der Einrede der Unzulässigkeit innerhalb der ihnen hierzu vom Gericht gesetzten Frist keine Stellungnahme eingereicht.

Zur Zulässigkeit

8 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung wird über die Einrede der Unzulässigkeit mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend, so dass die mündliche Verhandlung nicht eröffnet zu werden braucht.

Vorbringen der Parteien

9 Die Kommission trägt vor, die angefochtene Verordnung könne nicht als die Kläger unmittelbar und individuell betreffende Entscheidung im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG angesehen werden. Es handele sich nämlich um einen Rechtsakt mit rein allgemeiner Geltung. Die Klage sei daher unzulässig.

10 Die Kläger machen geltend, sie seien durch die angefochtene Verordnung unmittelbar und individuell betroffen. Sie seien selbst KMU oder verträten KMU, die als Händler von den großen Lieferanten, insbesondere den Kfz-Herstellern bzw. -Importeuren und den Lieferanten von Mineralölerzeugnissen, wirtschaftlich abhängig seien. Aufgrund der Anwendung der angefochtenen Verordnung fielen die vertikalen Vereinbarungen, durch die dieser Zustand der wirtschaftlichen Abhängigkeit geschaffen werde, nicht unter die Geltung des Artikels 81 Absatz 1 EG und der Sanktion der Nichtigkeit ex tunc gemäß Artikel 81 Absatz 2 EG.

Würdigung durch das Gericht

11 Gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG kann jede natürliche oder juristische Person gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.

12 In der angefochtenen Verordnung wird Artikel 81 Absatz 1 EG unter bestimmten Voraussetzungen auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen für unanwendbar erklärt. Die angefochtene Verordnung, die aufgrund eines in ihr gemäß ihrer Zweckbestimmung festgelegten objektiven Tatbestands rechtlicher oder tatsächlicher Art angewandt wird, richtet sich an alle Unternehmen, die von vertikalen Vereinbarungen betroffen sind.

13 Die angefochtene Verordnung hat daher aufgrund ihrer allgemeinen Geltung normativen Charakter und stellt keine Entscheidung im Sinne des Artikels 249 EG dar (vgl. Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2000 in der Rechtssache T-45/00, Conseil national des professions de l'automobile u. a./Kommission, Slg. 2000, II-2927, Randnr. 18).

14 Ihr normativer Charakter schließt jedoch nicht aus, dass die angefochtene Verordnung einige natürliche oder juristische Personen im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG unmittelbar und individuell betreffen könnte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 19; Urteile des Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2305, Randnr. 66, und vom 13. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-481/93 und T-484/93, Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2941, Randnr. 50)

15 Was zunächst die Frage angeht, ob die angefochtene Verordnung die Kläger individuell betrifft, so ist daran zu erinnern, dass eine natürliche oder juristische Person, um als von einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung individuell betroffen angesehen werden zu können, durch den fraglichen Rechtsakt wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender tatsächlicher Umstände berührt sein muss (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238; Beschlüsse des Gerichts vom 30. September 1997 in der Rechtssache T-122/96, Federolio/Kommission, Slg. 1997, II-1559, Randnr. 59, und vom 29. April 1999 in der Rechtssache T-120/98, Alce/Kommission, Slg. 1999, II-1395, Randnr. 19).

16 Die Kläger verweisen insoweit auf ihre wirtschaftliche Abhängigkeit bzw. im Fall des BFB auf die wirtschaftliche Abhängigkeit seiner Mitglieder von den großen Lieferanten sowie darauf, dass es ihnen infolge der Wirkung der angefochtenen Verordnung unmöglich sei, sich gegenüber den vertikalen Vereinbarungen, die in den Geltungsbereich der angefochtenen Verordnung fielen, auf die in Artikel 81 Absatz 2 EG vorgesehene Sanktion der Nichtigkeit ex tunc zu berufen.

17 Nach ständiger Rechtsprechung können Klagen von Vereinigungen als zulässig angesehen werden, wenn diese die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, die selbst klagebefugt sind (Urteil Exporteurs in Levende Varkens u. a./Kommission, zitiert oben in Randnr. 14, Randnr. 64; Beschluss Federolio/Kommission, zitiert oben in Randnr. 15, Randnr. 61).

18 In der vorliegenden Rechtssache betrifft die durch die angefochtene Verordnung gewährte Freistellung, die zur Unanwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 1 EG und damit der in Artikel 81 Absatz 2 EG vorgesehenen Sanktion der Nichtigkeit führt, die Kläger - ausgenommen den BFB - sowie dessen Mitglieder aufgrund ihrer objektiven Eigenschaft als durch vertikale Vereinbarungen gebundene Wirtschaftsteilnehmer ebenso wie alle anderen Wirtschaftsteilnehmer, die an solchen Vereinbarungen beteiligt sind. Was die von den Klägern angeführte wirtschaftliche Abhängigkeit angeht, so ist dieser Umstand ebenfalls nicht geeignet, sie aus dem Kreis aller übrigen Wirtschaftsteilnehmer herauszuheben.

19 Schließlich ist festzustellen, dass der BFB, auch wenn er rügt, das dem Erlass der angefochtenen Verordnung vorausgegangene Anhörungsverfahren sei lückenhaft" gewesen, sich auf kein spezifisches prozessuales Recht und kein eigenes Interesse beruft, die sich von denen seiner Mitglieder unterscheiden würden und die durch die angefochtene Verordnung beeinträchtigt wären (Urteile des Gerichtshofes vom 2. Februar 1988 in den Rechtssachen 67/85, 68/85 und 70/85, Van der Kooy u. a./Kommission, Slg. 1988, 219, Randnrn. 21 bis 24, und vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnrn. 28 bis 30; Beschluss Federolio/Kommission, zitiert oben in Randnr. 15, Randnr. 61).

20 Aus alledem ergibt sich, dass die Kläger nicht als durch die angefochtene Verordnung individuell betroffen angesehen werden können. Da die Kläger eine der in Artikel 230 Absatz 4 EG aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfuellen, ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen.

21 Auch wenn die Kläger nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung verlangen können, so bleibt ihnen doch die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit dieser Verordnung vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die unter Beachtung des Artikels 234 EG entscheiden (Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-70/97 P, Kruidvat/Kommission, Slg. 1998, I-7183, Randnrn. 48 und 49).

Kostenentscheidung:

Kosten

22 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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