Judicialis Rechtsprechung
Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:
Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.12.1993
Aktenzeichen: T-58/92
Rechtsgebiete: Beamtenstatut
Vorschriften:
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2 | |
Beamtenstatut Art. 45 |
1. Ein Beamter kann gemäß den Artikeln 90 und 91 des Statuts Klage auf Aufhebung einer Ernennungsentscheidung der Anstellungsbehörde erheben, falls er ein persönliches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts hat. Dies ist bei einem Beamten der Fall, der in Anbetracht der Fristen, die für die Durchführung eines Urteils erforderlich sind, und des Zeitraums, der ihn von der Versetzung in den Ruhestand trennt, noch Anspruch auf den streitigen Dienstposten erheben kann.
2. Vorbereitende Maßnahmen wie die Stellungnahme eines Beratenden Ernennungsausschusses, der nur über eine Beratungszuständigkeit verfügt, sind, selbst wenn es sich um die einzigen Maßnahmen handelt, von denen der Kläger angeblich Kenntnis hatte, nicht im Klagewege anfechtbar.
3. Die Klagefristen sind zwingendes Recht und stehen nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts, da sie die Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse gewährleisten sollen. Der Klage gegen eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde muß unbedingt eine Verwaltungsbeschwerde vorausgehen, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Ein solches Verfahren soll der Verwaltung die Möglichkeit geben, die angefochtene Maßnahme zu überprüfen, und dem Beamten die Möglichkeit verschaffen, die der angefochtenen Maßnahme zugrunde liegende Begründung hinzunehmen und auf eine Klageerhebung zu verzichten; dem können sich die Parteien nicht entziehen. Daher ist eine vor Zurückweisung der Beschwerde erhobene Klage unzulässig, ohne daß die Möglichkeit einer Heilung besteht.
4. Die Verpflichtung zur Vornahme einer Abwägung der Verdienste der Bewerber um eine Beförderung sowie der Beurteilungen über diese Bewerber ist Ausdruck sowohl des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Beamten als auch des Grundsatzes ihrer Anwartschaft auf eine Laufbahn.
Die Beurteilung stellt ein unentbehrliches Bewertungskriterium stets dann dar, wenn die Laufbahn des Beamten für den Dienstherrn von Bedeutung ist. Ein Beförderungsverfahren ist rechtswidrig, wenn die Anstellungsbehörde keine Abwägung der Verdienste der Bewerber vornehmen konnte, weil die Beurteilungen eines oder mehrerer Bewerber durch das Verhalten der Verwaltung mit erheblicher Verspätung erstellt worden sind, falls nicht die Anstellungsbehörde andere Informationen über die Verdienste der Bewerber besessen hat, die ihr die Abwägung dieser Verdienste ermöglicht haben.
Ist nicht nachgewiesen, daß das Fehlen der letzten Beurteilung eines Bewerbers, von der sich später herausgestellt hat, daß sie positive Änderungen aufweist, durch die Kenntnis der für die Entscheidung über die Bewerbung des Betroffenen zuständigen Stellen von anderen, dieser Beurteilung gleichwertigen Informationen ausgeglichen wurde, ist davon auszugehen, daß das Beförderungsverfahren rechtswidrig war.
5. Die Aufhebung der Entscheidung über die Ablehnung der Bewerbung eines Beamten um eine Beförderung und der Entscheidung über die Ernennung eines anderen Bewerbers kann eine ebenso ausreichende wie angemessene Wiedergutmachung des dem Betroffenen entstandenen materiellen oder immateriellen Schadens einschließlich des Schadens darstellen, der sich aus der Verspätung bei der Erstellung seiner Beurteilung ergibt, auf der die Rechtswidrigkeit des Beförderungsverfahrens beruht.
URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 16. DEZEMBER 1993. - ANDREW MACRAE MOAT GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - ANFECHTUNGSKLAGE - ABWAEGUNG DER VERDIENSTE - VERSPAETETE BEURTEILUNG - SCHADENSERSATZ. - RECHTSSACHE T-58/92.
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt und Verfahren
1 Der Kläger Andrew XX Moat ist Beamter der Besoldungsgruppe A 4 der Kommission. Unter Hinweis darauf, daß er seit 1986 bei allen seinen Beurteilungen eine Umsetzung auf einen Dienstposten beantragt habe, der es ihm ermöglicht hätte, seine Managerbefähigung zur Geltung zu bringen, trägt er vor, daß er mit Rücksicht auf seine Führungseigenschaften, die in seinen Beurteilungen seit 1981 lobend erwähnt würden, eine Beförderung oder eine Versetzung verlangen könne.
2 Im November 1991 wandte sich die Sekretärin des den Kläger Beurteilenden an diesen, um ihm den Vorschlag des Beurteilenden zu unterbreiten, seine Beurteilung für 1987°1989 für den Beurteilungszeitraum 1989°1991 fortzuschreiben, was der Kläger unter Hinweis darauf, daß seine Aufgaben geändert worden seien, ablehnte.
3 Am 4. Dezember 1991 schlug der Generaldirektor der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) dem Kläger vor, für eine der Datenbanken der Generaldirektion einen Thesaurus zu entwickeln. Der Kläger nahm diese Aufgabe an, machte allerdings geltend, daß er eher für einen Managerposten geeignet sei.
4 Nach einem zweiwöchigen Krankheitsurlaub im Oktober 1991 blieb der Kläger vom 5. Dezember 1991 an erneut für einen Monat wegen einer Erkrankung dem Dienst fern, die seiner Meinung nach mit einer Streßsituation zusammenhing, weil die Kommission seinen Umsetzungswunsch nicht berücksichtige.
5 Am 30. Januar 1992 veröffentlichte die Kommission zwei Stellenausschreibungen, COM/6/92 und COM/4/92, für die Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7, "Einstellung", in der Generaldirektion Personal und Verwaltung (GD IX) und des Leiters des Referats IV D 3, "Verkehr und Tourismus", in der GD IV, die in den Besoldungsgruppen A 3, A 4 oder A 5 zu besetzen waren. Die Bewerbungen des Klägers um diese Dienstposten wurden am 6. Februar 1992 registriert.
6 Am 27. Februar 1992 teilte der Sekretär des Beratenden Ernennungsauschusses der Kommission dem Kläger mit, daß der Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 in der Besoldungsgruppe A 3 besetzt werde und daß seine Bewerbung nach Prüfung der Bewerbungen um diesen Dienstposten bei dessen Besetzung nicht berücksichtigt werden könne.
7 Am 3. März 1992 forderte der ehemalige Leiter des Referats des Klägers diesen auf, ihm eine eingehende Beschreibung der Änderungen seiner Aufgaben vorzulegen.
8 Am 10. März 1992 übermittelte der den Kläger Beurteilende diesem den Entwurf einer Beurteilung für den Zeitraum von Juli 1989 bis Juni 1991, den der Kläger mit der Bemerkung an den Beurteilenden zurücksandte, daß die Ad-hoc-Gruppe, die nach dem Leitfaden für die Beurteilung bezueglich der Tätigkeiten von Beamten als gewählte oder abgeordnete Personalvertreter im Bereich des Statuts oder der Gewerkschaften die Aufgabe des Beurteilenden erfuelle, nicht gehört worden sei.
9 Am 20. März 1992 übermittelte die Ad-hoc-Gruppe dem Direktor der GD IV ihre Bemerkungen zu den Leistungen des Klägers im Rahmen seiner Abordnung zur statutarischen Vertretung sowie im Rahmen seiner Aufgaben als gewählter, beauftragter oder abgeordneter Vertreter in den Gewerkschaftsgremien.
10 Am 25. März 1992 teilte der Sekretär des Ernennungsausschusses dem Kläger mit, daß der Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 in der Besoldungsgruppe A 3 besetzt werde und daß seine Bewerbung bei der Besetzung des Dienstpostens nicht berücksichtigt werden könne.
11 Mit Note vom 26. März 1992 teilte der Leiter der Abteilung "Personalstruktur ° Personal der Laufbahngruppe A und der Sonderlaufbahngruppe LA" der GD IX dem Kläger mit, daß seine Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 abgelehnt worden sei.
12 Am 2. April 1992 legte der Kläger gemäß Artikel 90 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) gegen die Ablehnung seiner Bewerbungen um die Dienstposten des Leiters der Referate IX A 7 und IV D 3 eine Beschwerde ein, in der er beanstandete, daß die Kommission seine Beurteilung für den Zeitraum von 1989 bis 1991 verspätet erstellt und seine Bewerbungen um die genannten Dienstposten ohne Heranziehung seiner Beurteilungen abgelehnt habe.
13 Nach einer Unterredung mit seinem Beurteiler am 8. April 1992 unterzeichnete der Kläger am 13. April 1992 die endgültige Fassung seiner Beurteilung für den Zeitraum von Juli 1989 bis Juni 1991 und vermerkte, daß seine Beurteilung im Anschluß an diese Unterredung ausführlicher gestaltet worden sei.
14 Mit Note vom 21. Mai 1992 teilte ein Abteilungsleiter der GD IV dem Kläger mit, daß seine Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 abgelehnt worden sei.
15 Am 12. August 1992 legte der Kläger eine zweite Beschwerde gegen die Ablehnung seiner Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 ein, in der er beanstandete, daß die Kommission seine persönlichen Interessen sowie die des Organs verletzt habe, indem sie es abgelehnt habe, ihm einen seinen Fähigkeiten entsprechenden Dienstposten zu verschaffen.
16 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 20. August 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
17 Mit Schreiben vom 17. November 1992 übermittelte der Generaldirektor für Personal und Verwaltung dem Kläger die Entscheidung, die die Kommission am 13. November 1992 als Antwort auf seine Beschwerde vom 12. August 1992 getroffen hatte und mit der sie die Beschwerde zurückwies. Diese Entscheidung wurde damit begründet, daß das Fehlen der letzten Beurteilung des Klägers bei der Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Referats IV D 3 keinen Einfluß auf die Entscheidung gehabt habe, ihn nicht auf den betreffenden Dienstposten zu ernennen, und daß die Rüge des Klägers, Artikel 45 des Statuts sei verletzt worden, jedenfalls ebenso wie seine Anträge auf Schadensersatz völlig unbegründet sei, weil das Verfahren zur Besetzung eines freien Dienstpostens durch die Artikel 4, 7 und 29 des Statuts geregelt werde.
18 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
19 Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. Oktober 1993 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Parteien
20 Der Kläger beantragt,
1) die Klage für zulässig und begründet zu erklären;
2) die Kommission wegen der nicht rechtzeitigen Erstellung der Beurteilung des Klägers für den Zeitraum von Juli 1989 bis Juni 1991 zu verurteilen;
3) die Kommission wegen der unterlassenen Heranziehung dieser Beurteilung bei der Entscheidung über die Besetzung der Dienstposten des Leiters der Referate IX A 7 und IV D 3 zu verurteilen, ihre Ablehnung der Bewerbungen des Klägers um diese Dienstposten aufzuheben und folglich die Ernennungen von Herrn T. und Herrn F. aufzuheben;
4) die Kommission zu verurteilen, weil sie über die Beschwerde des Klägers nicht innerhalb der im Statut vorgeschriebenen Frist durch eine mit Gründen versehene Entscheidung befunden hat;
5) die Kommission zu verurteilen, an den Kläger zur Wiedergutmachung des ihm verursachten Schadens die Beträge von 500 000 BFR, 250 000 BFR und 100 000 BFR zu zahlen.
21 Die Kommission beantragt,
1) über die Zulässigkeit der Klage gemäß den dem Gericht nach Artikel 114 seiner Verfahrensordnung übertragenen Befugnisse zu entscheiden;
2) die Klage insgesamt für unbegründet zu erklären und sie abzuweisen;
3) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.
Zu den Anträgen auf Aufhebung der Entscheidungen über die Ablehnung der Bewerbung des Klägers um die Dienstposten des Leiters der Referate IX A 7 und IV D 3 und auf Aufhebung der Entscheidungen über die Ernennung von Herrn T. und Herrn F. auf diese Dienstposten
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Parteien
22 Die Kommission macht in ihrer Klagebeantwortung einen Unzulässigkeitsgrund geltend, der darauf gestützt wird, daß die Beschwerde vom 2. April 1992 und die Klage, soweit sie gegen die Entscheidungen über die Ablehnung der Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 und die Ernennung eines anderen Bewerbers auf diesen Dienstposten gerichtet seien, verfrüht eingereicht seien.
23 Zur Stützung dieses Grundes trägt die Kommission in erster Linie vor, daß die Beschwerde vom 2. April 1992, soweit sie die Ablehnung der Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 betreffe, vor der Mitteilung vom 21. Mai 1992 an den Kläger eingelegt worden sei, wonach seine Bewerbung abgelehnt worden sei. Diese Beschwerde sei daher, weil sie verfrüht und daher gegenstandslos gewesen sei, unzulässig gewesen.
24 Die Kommission stellt zweitens fest, daß der Kläger am 12. August 1992, d. h. am Tag der Erhebung der vorliegenden Klage, eine zweite Beschwerde gegen die betreffende Ernennung eingereicht habe. Folglich sei die Klage, soweit sie gegen die Ablehnung seiner Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 gerichtet sei, ebenfalls verfrüht, da der Kläger vor ihrer Erhebung nicht den Ablauf der Viermonatsfrist nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts abgewartet habe.
25 Die Kommission räumt ein, daß die Anfechtungsklage zulässig sei, soweit sie gegen die Ablehnung der Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 und die Ernennung von Herrn T. auf diesen Dienstposten gerichtet sei.
26 Unter Hinweis auf den Grundsatz der Verfahrensökonomie sieht die Kommission indessen keinen Hinderungsgrund dafür, daß das Gericht im Hinblick auf die besonderen Umstände des vorliegenden Falles die beiden Aufhebungsanträge in gleicher Weise behandelt und in ein und demselben Urteil über sie entscheidet. Sie trägt vor, sie erhebe keine formelle Unzulässigkeitseinrede, und stellt, da es sich um eine Frage von allgemeinem Interesse handele, die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts.
27 In diesem Zusammenhang führt die Kommission das Urteil des Gerichtshofes vom 7. April 1965 in der Rechtssache 28/64 (Müller/Rat, Slg. 1965, 323) an, in dem der Gerichtshof ihres Erachtens den Grundsatz aufgestellt hat, daß eine verfrühte Klage durch eine nachträgliche Entscheidung, die den verfrüht angefochtenen Standpunkt bestätige, zulässig werden könne. Sie verweist ebenfalls darauf, daß die Zweite Kammer des Gerichtshofes im Beschluß vom 23. September 1986 in der Rechtssache 130/86 (Du Besset/Rat, Slg. 1986, 2619) entschieden habe, daß das vorgerichtliche Verfahren "der Verwaltung die Möglichkeit geben [soll], den angefochtenen Rechtsakt zu überprüfen". Im vorliegenden Fall habe die Kommission keineswegs die Absicht, ihre Entscheidung, Herrn Moat nicht auf den streitigen Dienstposten zu ernennen, in Frage zu stellen. Eine ausdrückliche Antwort auf die Beschwerde vom 12. August 1992 werde vorbereitet und werde dem Kläger innerhalb der Frist des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts zugehen. Diese Antwort bezwecke allein, dem Kläger die Gründe bekanntzumachen, aus denen die Kommission der Auffassung sei, daß die vom Kläger erhobenen Beanstandungen gegen das Verfahren, das mit der Ablehnung seiner Bewerbungen um die Dienstposten des Leiters der Referate IX A 7 und IV D 3 geendet habe, nicht begründet seien.
28 Der Kläger ist sich der Möglichkeit bewusst, daß die Klage, soweit sie gegen die Ernennung von Herrn F. auf den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 gerichtet ist, als unzulässig behandelt werden könnte, und rechtfertigt die Erhebung seiner Klage damit, daß er, weil er die Ernennung als stillschweigende Zurückweisung seiner Beschwerde vom 2. April 1992 gewertet habe, bemüht gewesen sei, die insoweit vorgeschriebene Klagefrist einzuhalten. Er räumt ein, daß er im Verlauf des vorgerichtlichen Verfahrens erfahren habe, daß die Anstellungsbehörde den Entwurf einer ausdrücklichen Antwort erstellt habe, deren fristgerechte Mitteilung die Klagefrist von neuem in Lauf gesetzt hätte, legt aber dar, daß er angesichts der Möglichkeit, daß dieser Entwurf nicht zur endgültigen Entscheidung reifen würde, die Klage habe erheben müssen, um seine Rechte zu wahren.
29 Der Kläger weist in seiner Erwiderung, mit der er die Antwort der Kommission vom 17. November 1992 auf seine Beschwerde vom 12. August 1992 vorgelegt hat, darauf hin, daß die Kommission nichts dagegen habe, daß über die beiden Aufhebungsanträge in ein und demselben Urteil entschieden werde, und ersucht das Gericht, gleichzeitig über die beiden Anträge zu entscheiden.
30 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dem Gericht mitgeteilt, daß er am 31. Januar 1995 in den Ruhestand versetzt werde. Auf die Frage des Gerichts hat er erklärt, er erhalte seine Anträge bezueglich der Aufhebung der Ernennungen von Herrn T. und Herrn F. trotz der bevorstehenden Versetzung in den Ruhestand aufrecht.
Würdigung durch das Gericht
31 Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Beamter oder ehemaliger Beamter gemäß den Artikeln 90 und 91 des Statuts Klage auf Aufhebung einer Ernennungsentscheidung der Anstellungsbehörde erheben, falls er ein persönliches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts hat (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1975 in den Rechtssachen 81/74 bis 88/74, Marenco u. a./Kommission, Slg. 1975, 1247, vom 30. Mai 1984 in der Rechtssache 111/83, Picciolo/Parlament, Slg. 1984, 2323, vom 10. März 1989 in der Rechtssache 126/87, Del Plato/Kommission, Slg. 1989, 643, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-20/89, Moritz/Kommission, Slg. 1990, II-769).
32 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob der Kläger im Hinblick auf seine Versetzung in den Ruhestand am 31. Januar 1995 noch Anspruch auf die streitigen Dienstposten erheben kann. Bei Klageerhebung am 12. August 1992 trennten zwei Jahre, fünf Monate und neunzehn Tage den Kläger vom Ruhestand. Unter Berücksichtigung der Fristen, die für die Durchführung eines Urteils erforderlich sind, kann nicht ausgeschlossen werden, daß eine Aussicht für den Kläger bestand, zu diesem Zeitpunkt noch dem Organ anzugehören, bei dem die Stellen frei waren, die mit den angefochtenen Rechtsakten besetzt wurden. Folglich hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung der Ernennungen der auf diese Dienstposten ernannten Bewerber.
33 Folglich ist die Klage zulässig, soweit sie auf die Aufhebung der Entscheidungen gerichtet ist, mit denen die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 abgelehnt und Herr T. auf diesen Dienstposten ernannt wurde.
34 Die Beklagte hält die Klage ebenfalls für verfrüht, soweit sie gegen die Ablehnung der Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 und die Ernennung von Herrn F. auf diesen Dienstposten gerichtet ist. Sie fügt jedoch hinzu, sie habe nichts dagegen, daß das Gericht unter den Umständen des vorliegenden Falles, obwohl die Klage verfrüht sei, über die Begründetheit des Aufhebungsantrags bezueglich der Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Referats IV D 3 zur gleichen Zeit wie über die Begründetheit des Aufhebungsantrags bezueglich der Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Referats IX A 7 entscheide.
35 Das Gericht ist zunächst der Auffassung, daß die Ernennung von Herrn F. auf den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 nicht als stillschweigende Zurückweisung der Beschwerde des Klägers vom 2. April 1992 gelten kann, soweit sie sich auf die Besetzung dieses Dienstpostens bezog. Eine solche Auslegung liefe nämlich auf das Eingeständnis hinaus, daß diese Beschwerde wirksam gegen die Entscheidung des Ernennungsausschusses gerichtet gewesen wäre, den Kläger nicht für eine Ernennung auf den betreffenden Dienstposten vorzuschlagen.
36 Nach der Rechtsprechung des Gerichts sind vorbereitende Maßnahmen wie die Stellungnahme eines Beratenden Ernennungsausschusses, der nur über eine Beratungszuständigkeit verfügt, selbst wenn es sich um die einzigen Maßnahmen handelt, von denen der Kläger angeblich Kenntnis hatte, nicht im Klagewege anfechtbar (Urteil vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache T-27/90, Latham/Kommission, Slg. 1991, II-35).
37 Im vorliegenden Fall stellen die Entscheidungen, mit denen die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 abgelehnt und Herr F. auf diesen Dienstposten ernannt wurde, die den Kläger beschwerenden Maßnahmen dar, die er durch Einlegung einer Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts hätte anfechten können.
38 Folglich ist die Klage, soweit sie gegen diese Entscheidungen gerichtet ist, vor Abschluß des vorgerichtlichen Verfahrens und daher verfrüht erhoben worden.
39 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Klagefristen zwingendes Recht sind und nicht zur Disposition der Parteien oder des Gerichts stehen, da sie die Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse gewährleisten sollen (vgl. Urteile des Gerichts vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache T-19/90, von Hößle/Rechnungshof, Slg. 1991, II-615, und vom 25. September 1991 in der Rechtssache T-54/90, Lacroix/Kommission, Slg. 1991, II-749, sowie Beschluß des Gerichts vom 11. Mai 1992 in der Rechtssache T-34/91, Whitehead/Kommission, Slg. 1992, II-1723). Der Klage gegen eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde muß unbedingt eine Verwaltungsbeschwerde vorausgehen, die ausdrücklich oder stillschweigend zurückgewiesen worden ist. Ein solches Verfahren soll der Verwaltung die Möglichkeit geben, die angefochtene Maßnahme zu überprüfen (vgl. Beschluß Du Besset/Rat, a. a. O.), und dem Beamten die Möglichkeit verschaffen, die der angefochtenen Maßnahme zugrunde liegende Begründung hinzunehmen und auf eine Klageerhebung zu verzichten; dem können sich die Parteien nicht entziehen.
40 Das Gericht ist weiter der Auffassung, daß das Urteil Müller/Rat, auf das sich die Kommission berufen hat, unter aussergewöhnlichen Umständen ergangen ist, die mit denen der vorliegenden Rechtssache nicht verglichen werden können. In der Rechtssache Müller/Rat hat nämlich der Gerichtshof entschieden, daß der Mangel einer verfrühten Klageerhebung durch eine spätere Entscheidung geheilt worden ist, mit der der frühere Standpunkt der Beklagten bestätigt wurde, da in dieser Entscheidung eine neue Regelung auf den Fall von Herrn Müller angewandt wurde, die zwischen der ersten Stellungnahme der Beklagten und der Klageerhebung getroffen worden war. Nach Auffassung des Gerichts kann aber die ausdrückliche Zurückweisung einer Beschwerde, die nach Erhebung einer Klage gegen die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung ergeht, nicht als Heilung einer verfrüht erhobenen Klage betrachtet werden und damit die Parteien in die Lage versetzen, die Klagefristen abzukürzen.
41 Folglich ist die Klage, soweit sie auf Aufhebung der Entscheidungen gerichtet ist, mit der die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IV D 3 abgelehnt und Herr F. auf diesen Dienstposten ernannt wurde, als unzulässig abzuweisen, da sie verfrüht erhoben wurde.
Zur Begründetheit
42 Zur Stützung seines Antrags auf Aufhebung der Entscheidung, mit der seine Bewerbung um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 abgelehnt und Herr T. auf diesen Dienstposten ernannt wurde, macht der Kläger als einzigen Klagegrund die Verletzung des Artikels 45 des Statuts geltend.
Zum einzigen Klagegrund der Verletzung des Artikels 45 des Statuts
Vorbringen der Parteien
43 Der Kläger weist zunächst darauf hin, daß seine Ernennung auf den betreffenden Dienstposten im Wege einer Beförderung habe erfolgen können und daß folglich die Anstellungsbehörde verpflichtet gewesen sei, gemäß Artikel 45 des Statuts seine Verdienste und seine Beurteilungen mit denen der anderen Bewerber zu vergleichen.
44 Seine Beurteilung für den Zeitraum von 1989 bis 1991 sei zu dem Zeitpunkt, als die Anstellungsbehörde Herrn T. auf den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 ernannt habe, noch nicht fertiggestellt gewesen, so daß die Anstellungsbehörde diese Ernennung ohne Abwägung der Beurteilungen der Bewerber ausgesprochen und damit Artikel 45 des Statuts verletzt habe.
45 In ihrer Klagebeantwortung weist die Kommission zunächst darauf hin, daß in ihren Dienststellen 71 Beamte der Besoldungsgruppe A 4 tätig seien, die ° wie der Kläger ° ein Dienstalter von 18 Jahren und mehr hätten, und daß der Fall des Klägers nicht aussergewöhnlich sei.
46 Die Kommission, die nicht bestreitet, daß die Anstellungsbehörde zum Zeitpunkt der Ernennung von Herrn T. nicht über die letzte Beurteilung des Klägers verfügte, tritt sodann der Behauptung des Klägers entgegen, daß das Fehlen seiner Beurteilung bei der Besetzung des streitigen Dienstpostens zur Aufhebung der betreffenden Ernennung führen müsse. Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sich die Kommission auf die Urteile des Gerichtshofes vom 27. Januar 1993 in der Rechtssache 263/81 (List/Kommission, Slg. 1983, 103) und vom 10. Juni 1987 in der Rechtssache 7/86 (Vincent/Parlament, Slg. 1987, 2473), in denen der Gerichtshof entschieden habe, daß bei einem Ernennungsverfahren sich alle Bewerber nicht genau in der gleichen Lage hinsichtlich des Stands ihrer Beurteilungen befinden müssten und daß die Anstellungsbehörde nicht verpflichtet sei, ihre Entscheidung aufzuschieben, wenn die letzte Beurteilung des einen oder anderen Bewerbers noch nicht erstellt sei. Für die Aufhebung der Beförderungen sei es nicht ausreichend, daß die Personalakte eines Bewerbers nicht ordnungsgemäß geführt oder unvollständig sei, sofern nicht feststehe, daß sich dieser Umstand auf das Ernennungsverfahren entscheidend habe auswirken können.
47 Im vorliegenden Fall steht die Kommission auf dem Standpunkt, daß sich das Fehlen der letzten Beurteilung des Klägers auf das Ernennungsverfahren nicht entscheidend habe auswirken können. Die Beurteilung für den Zeitraum von 1989 bis 1991 enthalte im Abschnitt "Einzelbeurteilungen" genau die gleichen Noten, nämlich zehn "ausgezeichnet" und vier "sehr gut", wie die Beurteilung für den Zeitraum von 1987 bis 1989, die sich in den Personalakten des Klägers befunden habe und sowohl dem Ernennungsausschuß als auch der Anstellungsbehörde zugänglich gewesen sei.
48 In seiner Erwiderung weist der Kläger darauf hin, daß die Beurteilung für den Zeitraum von 1989 bis 1991 nicht mit der Beurteilung für 1987°1989 übereinstimme, weil die Beurteilung für 1989°1991 folgende zusätzliche Bemerkung enthalte: "Hervorzuheben ist, daß 1991, als der Beurteilte mit sechs der zehn Prioritätsangelegenheiten B II betraut war, seiner Arbeit nicht anzumerken war, daß er fast während der gesamten Zeit mit Lohnverhandlungen beschäftigt war. Geschätzt wurde auch seine Bereitschaft, diese Angelegenheiten voranzutreiben, obwohl er während der gesamten Dienstzeit für die Personalvertretung freigestellt war."
49 Der Umstand, daß die Personen, die über die Besetzung des streitigen Dienstpostens entschieden hätten, keine Kenntnis von dieser Beurteilung gehabt hätten, habe entscheidenden Einfluß auf ihre Entscheidungen gehabt. Die betreffende Bewertung stelle den Beweis dafür dar, daß er trotz seiner Gewerkschaftsarbeit und seiner Inanspruchnahme durch die Lohnverhandlungen alle seine übrigen Aufgaben bestens erledigt habe.
50 Die Kommission entgegnet in ihrer Gegenerwiderung, die allgemeine Bewertung in der Beurteilung für 1989°1991 stimme zwar nicht ganz mit der vorausgegangenen Beurteilung überein, sei aber in gleichen Worten gehalten. Der Kläger könne daher vernünftigerweise nicht behaupten, daß das Fehlen seiner Beurteilung irgendeinen Einfluß auf das Verfahren der Ernennung auf den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 gehabt habe.
51 Im übrigen bezieht sich die Kommission auf ihr Vorbringen in ihrer Antwort vom 17. November 1992 auf die Beschwerde des Klägers vom 12. August 1992 und verweist darauf, daß das Verfahren der Ernennung auf den betreffenden Dienstposten nicht unter Artikel 45, sondern unter die Artikel 4, 7 und 29 des Statuts falle.
52 Das Verfahren nach Artikel 29 des Statuts bestehe in einer Aufforderung zur Einreichung von Bewerbungen nach den Erfordernissen der Stellenausschreibung und einer Prüfung dieser Bewerbungen im Hinblick auf die Eignung der Bewerber für die zu besetzende Stelle. Im Rahmen dieses Verfahrens, das sich von dem nach Artikel 45 des Statuts unterscheide (Urteil des Gerichtshofes vom 4. März 1964 in der Rechtssache 15/63, Lassalle/Parlament, Slg. 1964, 57), müssten die Bewerber ihren Lebenslauf einreichen und hätten damit die Möglichkeit, jedes Interesse oder jede Eignung für die betreffende Stelle in einer Weise geltend zu machen, mit der das etwaige Fehlen einer Beurteilung ausgeglichen werde.
53 Ausserdem müsse das Organ den Bewerber auswählen, der für die wahrzunehmenden Aufgaben am geeignetsten sei, ohne daß dieser notwendigerweise die beste Beurteilung aufweisen müsse. Ferner würden Stellen der mittleren Führungsebene immer in den Besoldungsgruppen A 3, A 4 und A 5 ausgeschrieben, was ebenfalls beweise, daß dieses Verfahren nicht Artikel 45 des Statuts unterliege. Mithin sei der Klagegrund der Verletzung des Artikels 45 unberechtigt.
54 Folglich müsse, da der Kläger einen anderen Mangel bei der Ernennung von Herrn T. nicht geltend gemacht habe, der Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidungen abgewiesen werden.
55 In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Beklagten nicht länger geltend gemacht, daß Artikel 45 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Er hat jedoch ausgeführt, daß bei der Abwägung der Verdienste der Bewerber nicht nur die Beurteilung berücksichtigt werden müsse, und daraus abgeleitet, daß das Fehlen der letzten Beurteilung eines Bewerbers um einen freien Dienstposten bei der Besetzung dieses Dienstpostens für sich allein nicht ausreiche, die Ordnungsmässigkeit der Ernennung eines anderen Bewerbers um diesen Dienstposten zu beeinträchtigen und deren Aufhebung herbeizuführen.
Würdigung durch das Gericht
56 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Prüfung der Bewerbungen um eine Versetzung oder Beförderung nach Artikel 45 des Statuts zu erfolgen hat und daß in der Verpflichtung zur Abwägung der Verdienste nach dieser Vorschrift sowohl der Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten als auch der Grundsatz ihrer Anwartschaft auf eine Laufbahn zum Ausdruck kommt (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in den Rechtssachen 20/83 und 21/83, Vlachos/Gerichtshof, Slg. 1984, 4149; Urteile des Gerichts vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache T-52/90, Volger/Parlament, Slg. 1992, II-121, vom 3. März 1993 in der Rechtssache T-58/91, Booß und Fischer/Kommission, Slg. 1993, II-147, und vom 26. Oktober 1993 in der Rechtssache T-22/92, Weissenfels/Parlament, Slg. 1993, II-1095).
57 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Kommission im Rahmen ihres Ermessensspielraums tatsächlich eine ordnungsgemässe Abwägung der Bewerbungen um den mit Stellenausschreibung COM/6/92 ausgeschriebenen freien Dienstposten vorgenommen hat.
58 Das Gericht stellt dazu fest, daß weder der Ernennungsausschuß noch die Anstellungsbehörde bei der Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Referats IX A 7 zum Zeitpunkt ihrer Stellungnahme über die letzte Beurteilung des Klägers verfügten, weil diese Beurteilung verspätet erstellt wurde, wofür die Beklagte, was sie nicht bestreitet, verantwortlich war.
59 Nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 17. Dezember 1992 in der Rechtssache C-68/91 P, Moritz/Kommission, Slg. 1992, I-6849) und des Gerichts (Urteil vom 3. März 1993 in der Rechtssache T-25/92, Vela Palacios/WSA, Slg. 1993, II-201) stellt die Beurteilung ein unentbehrliches Bewertungskriterium stets dann dar, wenn für eine Entscheidung die Laufbahn eines Beamten zu berücksichtigen ist. Ein Beförderungsverfahren ist rechtswidrig, wenn die Anstellungsbehörde keine Abwägung der Verdienste der Bewerber vornehmen konnte, weil die Beurteilungen eines oder mehrerer Bewerber durch das Verhalten der Verwaltung mit erheblicher Verspätung erstellt worden sind, falls nicht die Anstellungsbehörde andere Informationen über die Verdienste der Bewerber besessen hat, die ihr die Abwägung dieser Verdienste ermöglicht haben.
60 Daher ist zu prüfen, ob sich das Fehlen der letzten Beurteilung des Klägers auf das beanstandete Ernennungsverfahren so auswirken konnte, daß die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben sind.
61 Die Kommission macht hierzu geltend, das Fehlen der Beurteilung sei durch das Vorliegen der vorausgegangenen Beurteilung bei der Besetzung des streitigen Dienstpostens ausgeglichen worden, die die gleiche Zahl von Bewertungen "sehr gut" und "ausgezeichnet" wie die fehlende Beurteilung aufgewiesen habe, sowie durch den Umstand, daß die Bewerber Gelegenheit gehabt hätten, ihren Bewerbungen einen Lebenslauf beizufügen.
62 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß eine Beurteilung, auch wenn sie nur den lobenden Tenor früherer Beurteilungen bestätigt, gleichwohl geeignet ist, diesen eine gewissen "Glanz" zu verleihen (Urteil vom 17. März 1993 in der Rechtssache T-13/92, Moat/Kommission, Slg. 1993, II-287).
63 Das Gericht stellt ferner fest, daß im vorliegenden Fall die letzte Beurteilung des Klägers folgenden lobenden Zusatzvermerk enthält: "Hervorzuheben ist, daß 1991, als der Beurteilte mit sechs der zehn Prioritätsangelegenheiten B II betraut war, seiner Arbeit nicht anzumerken war, daß er fast während der gesamten Zeit mit Lohnverhandlungen beschäftigt war. Geschätzt wurde auch seine Bereitschaft, diese Angelegenheiten voranzutreiben, obwohl er während der gesamten Dienstzeit für die Personalvertretung freigestellt war." Dieser für den Kläger günstigere Vermerk, der sich nicht in der vorausgegangenen Beurteilung befand, hätte bei der Besetzung des streitigen Dienstpostens mitberücksichtigt werden müssen. Es ist daher davon auszugehen, daß das Fehlen der letzten Beurteilung Auswirkungen auf die Beförderungschancen des Klägers gehabt hat.
64 Daraus ergibt sich, daß die Prüfung der Bewerbung, die der Kläger auf die Stellenausschreibung COM/6/92 für den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 in der GD IX eingereicht hatte, durch das Fehlen seiner letzten Beurteilung in seiner Personalakte beeinträchtigt worden sein kann.
65 Da die Kommission im übrigen nicht nachweisen konnte, daß die für die Entscheidungen in bezug auf den Kläger zuständigen Personen über andere, der fehlenden Beurteilung gleichwertige Informationen verfügten, ist festzustellen, daß die Anstellungsbehörde bei der Besetzung des Dienstpostens des Leiters des Referats IX A 7 keine wirkliche Abwägung der Verdienste des Klägers vorgenommen hat.
66 Der Klagegrund einer Verletzung des Artikels 45 Absatz 1 des Statuts ist daher berechtigt.
67 Demgemäß ist die Entscheidung, mit der die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7 in der GD IX abgelehnt und Herr T. auf diesen Dienstposten ernannt wurde, aufzuheben.
Zu den Anträgen auf Verurteilung der Kommission zur Wiedergutmachung des angeblichen Schadens des Klägers
Vorbringen der Parteien
68 Der Kläger stellt drei Anträge auf Schadensersatz, die er auf drei Klagegründe stützt. Der erste Klagegrund betrifft die Verspätung der Erstellung seiner Beurteilung, der zweite eine Verletzung des Artikels 45 des Statuts und der dritte eine Verletzung des Artikels 90 Absatz 2 des Statuts.
69 Nach Darstellung des Klägers entspricht die Verspätung von 129 Tagen, mit der die Kommission seine Beurteilung für den Zeitraum von 1989 bis 1991 erstellt habe, 13 % der Dauer seiner Restlaufbahn, die ihm vom 7. April 1992 bis zum Eintritt in den Ruhestand noch verbleibe, und der eingetretene Schaden belaufe sich auf 500 000 BFR, während der Schaden infolge der Verletzung des Artikels 45 des Statuts 250 000 BFR betrage, wenn man berücksichtige, daß die Zeit von 178 Tagen, die von seiner Bewerbung um die streitigen Dienstposten bis zur stillschweigenden Zurückweisung seiner Beschwerde vom 12. August 1992 verstrichen sei, 20 % seiner Restlaufbahn entspreche. Ausserdem sei der Kommission vorzuwerfen, daß sie auf seine Beschwerde vom 2. April 1992 nicht durch eine mit Gründen versehene Entscheidung geantwortet habe; der Schaden infolge dieser Unterlassung belaufe sich auf 100 000 BFR.
70 Nach Auffassung der Kommission hat der Kläger keine sicheren und genauen Angaben gemacht, die eine Feststellung gestatteten, inwieweit das Verhalten der Verwaltung ihm irgendeinen Schaden zugefügt habe.
Würdigung durch das Gericht
71 Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger keinen materiellen oder immateriellen Schaden infolge der angefochtenen Entscheidungen dargetan, der nicht in angemessener Weise durch die Aufhebung dieser Entscheidungen wiedergutgemacht werden könnte. Selbst wenn nämlich davon auszugehen wäre, daß die vom Kläger zur Stützung seiner Schadensersatzanträge geltend gemachten Klagegründe zuträfen, hat die Verspätung bei der Erstellung seiner Beurteilung zum Fehlen dieser Beurteilung im Zeitpunkt der Besetzung des streitigen Dienstpostens geführt, was durch die Aufhebung der Entscheidungen über diesen Dienstposten geahndet wird. Das Gericht ist ferner der Auffassung, daß im vorliegenden Fall die Aufhebung, da es an einem sicheren Schaden infolge einer anderen Maßnahme als der Zurückweisung der Beschwerde des Klägers fehlt, eine angemessene und ausreichende Sanktion für die fehlende Begründung der angefochtenen Entscheidung darstellt (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 7. Februar 1990 in der Rechtssache C-343/87, Culin/Kommission, Slg. 1990, I-225, und des Gerichts vom 28. November 1991 in der Rechtssache T-158/89, Van Hecken/WSA, Slg. 1991, II-1341).
72 Die Anträge auf Schadensersatz sind daher zurückzuweisen, ohne daß ihre Zulässigkeit geprüft werden müsste.
Kostenentscheidung:
Kosten
73 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit den Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.
74 Da der Kläger mit seinen Anträgen auf Aufhebung und auf Schadensersatz teilweise unterlegen ist, während die Kommission mit ihren Anträgen auf Abweisung der übrigen Anträge des Klägers teilweise unterlegen ist, hält es das Gericht für angemessen, daß der Kläger die Hälfte seiner eigenen Kosten und die Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten des Klägers zu tragen hat.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Fünfte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Entscheidung der Kommission, mit der die Bewerbung des Klägers um den Dienstposten des Leiters des Referats IX A 7, "Einstellung", in der GD IX abgelehnt wurde, wird aufgehoben.
2) Die Entscheidung der Kommission über die Ernennung von Herrn T. auf diesen Dienstposten wird ebenfalls aufgehoben.
3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten des Klägers. Der Kläger trägt die Hälfte seiner eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.