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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 03.03.1998
Aktenzeichen: T-610/97 R
Rechtsgebiete: EGV, Beschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom
Vorschriften:
EGV Art. 186 | |
EGV Art. 190 | |
Beschluss 88/591/EGKS, EWG, Euratom Art. 4 |
4 Die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein. Sie muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann.
Was eine einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten des Rates ablehnende Entscheidung angeht, die damit begründet wird, daß es sich bei diesen Dokumenten um von den Juristischen Diensten der Gemeinschaftsorgane stammende Stellungnahme handele, deren Offenlegung das öffentliche Interesse "an der Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und an der Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts" und daran verletzen könnte, daß "der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat", so ist diese Begründung im Rahmen eines Verfahrens der einstweiligen Anordnung ausreichend. Insbesondere bedeutet das Fehlen eines Hinweises in der Begründung auf die besonderen Wirkungen der Verbreitung von Schriftstücken dieses Inhalts als solches keinen Begründungsmangel.
5 Nach einer im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung vorgenommenen ersten Prüfung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Stellungnahmen der Juristischen Dienste der Gemeinschaftsorgane über ein bestimmtes Gesetzgebungsvorhaben durch den Rat ist nicht zu erkennen, daß diese Ablehnung gegen den Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten oder den Beschluß 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten verstösst, da sie auf dem Erfordernis beruht, für die "Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit und die Beständigkeit des Gemeinschaftsrechts" sowie dafür zu sorgen, daß "der Rat Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung hat".
Zum einen handelt es sich bei diesen Dokumenten um blosse Arbeitsinstrumente, deren Weitergabe zur Folge hätte, daß die Erörterung und der Meinungsaustausch innerhalb des Organs über Rechtmässigkeit und Tragweite des zu erlassenden Rechtsakts publik gemacht würden, was eine Unsicherheit hinsichtlich der Rechtmässigkeit der Gemeinschaftsrechtsakte schaffen und negative Folgen sowohl für die Stabilität der Gemeinschaftsrechtsordnung als auch das ordnungsgemässe Funktionieren der Gemeinschaftsorgane haben könnte, die öffentliche Interessen darstellen, deren Wahrung gewährleistet werden muß. Zum anderen ist zwar richtig, daß diese Interessen nicht ausdrücklich in der Liste der im Verhaltenskodex und dem Beschluß 93/731 vorgesehenen Ausnahmen genannt sind, die bestimmen, daß der "Zugang zu einem Ratsdokument... nicht gewährt werden [darf], wenn durch die Verbreitung des Dokuments... der Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten) verletzt werden könnte"; nach dem Inhalt dieser Bestimmung ist es jedoch der Schutz des öffentlichen Interesses im allgemeinen, der die Ablehnung des Zugangs rechtfertigen kann, so daß es unzutreffend wäre, die Bedeutung dieses Begriffes auf die fünf in Klammern stehenden Fälle zu beschränken, die ihrerseits nur einige besondere Anwendungsfälle darstellen, denen gegenüber dem allgemeinen Erfordernis, das öffentliche Interesse zu schützen, klar und unzweideutig geringere Bedeutung beigemessen ist.
6 Die Maßnahmen, die der Richter der einstweiligen Anordnung treffen kann, sind zum einen vorläufig in dem Sinn, daß sie grundsätzlich mit der Verkündung des Endurteils ausser Kraft treten und der Entscheidung des Gerichts zur Hauptsache nicht vorgreifen dürfen, und zum anderen akzessorisch in dem Sinn, daß sie nur darauf gerichtet sind, die Interessen einer Partei des Verfahrens im Verfahren vor dem Gericht zu schützen, damit dem Endurteil nicht die praktische Wirksamkeit genommen und es dadurch sinnlos gemacht wird.
Bei einem Antrag auf einstweilige Anordnungen, durch die dem Rat aufgegeben wird, einem nationalen Gericht und den Parteien einer bei diesem Gericht anhängigen Rechtssache bestimmte Dokumente internen Charakters zu übermitteln, ergibt sich nicht nur daraus, daß die Übermittlung der Dokumente der Entscheidung über die Nichtigkeitsklage vorgreifen würde, deren Gegenstand gerade die Entscheidung ist, den Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten abzulehnen, sondern auch daraus, daß diese Übermittlung Wirkungen zeigen würde, die zum Zeitpunkt der Verkündung dieser Entscheidung endgültig nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten, daß diese Maßnahmen nicht als vorläufig angesehen werden können.
Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 3. März 1998. - Hanne Norup Carlsen, Ingeborg Fangel, Nicolas Fischer, Jørgen Erik Hansen, Marianne Henriksen, Ole Donbæk Jensen, Yvonne Petersen, Iver Reedtz-Thott, Lars Ringholm und Arne Würgler gegen Rat der Europäischen Union. - Entscheidung, mit der der Zugang zu bestimmten Dokumenten verweigert wird - Stellungnahme des juristischen Dienstes - Schutz des öffentlichen Interesses - Antrag auf einstweilige Anordnung - Antrag auf Übermittlung von Dokumenten an ein nationales Gericht. - Rechtssache T-610/97 R.
Ende der Entscheidung
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