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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.07.2000
Aktenzeichen: T-62/98
Rechtsgebiete: EGV, Verordnung (EWG) Nr. 123/85, Entscheidung 98/273/EG
Vorschriften:
EGV Art. 81 | |
Verordnung (EWG) Nr. 123/85 | |
Entscheidung 98/273/EG |
1 Um zu prüfen, ob die Kommission den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt hat, als sie festgestellt hat, daß der Kläger Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) begangen hat, ist festzustellen, ob die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beigebracht hat, um die feste Überzeugung zu begründen, daß die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat. (vgl. Randnr. 43)
2 Eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) nur beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann. Hierfür muß insbesondere untersucht werden, ob die fraglichen beschränkenden Maßnahmen auf dem Markt für bestimmte Waren Handelsschranken zwischen Mitgliedstaaten errichten und so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung erschweren können. Das ist offensichtlich der Fall, wenn diese Maßnahmen sämtliche Händler der betreffenden Kraftfahrzeugmarken in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes binden. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind schon ihrem Wesen nach geeignet, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem sie die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindern. (vgl. Randnr. 179 )
3 Aus dem Anspruch der Wirtschaftsteilnehmer auf Rechtssicherheit folgt, daß die Kommission bei einem Streit über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln Beweismaterial beibringen muß, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, daß sie vernünftigerweise den Schluß zulassen, daß die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist. (vgl. Randnr. 188)
4 Die Abgrenzung des Marktes spielt in einem Fall des Artikels 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) nicht dieselbe Rolle wie in einem Fall des Artikels 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG). Bei der Anwendung des Artikels 86 EG-Vertrag hat die angemessene Definition des relevanten Marktes notwendig jeder Beurteilung eines angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Kommission vorauszugehen, da vor dem Nachweis der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung die Existenz einer solchen Stellung auf einem bestimmten Markt nachgewiesen werden muß, was die vorherige Abgrenzung dieses Marktes voraussetzt. In einem Fall des Artikels 85 EG-Vertrag dagegen ist der relevante Markt gegebenenfalls zu definieren, um zu bestimmen, ob die Vereinbarung, der Beschluß der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt.
Folglich ist die Kommission verpflichtet, in einer Entscheidung aufgrund von Artikel 85 EG-Vertrag eine Marktabgrenzung vorzunehmen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluß der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt. (vgl. Randnr. 230)
5 Eine Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers an seine Vertragshändler stellt keine einseitige Handlung dar, die sich dem Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) entzieht, sondern eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgt, die einer im voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterliegen. (vgl. Randnr. 236)
6 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) kann keinesfalls für nicht anwendbar erklärt werden, wenn die Parteien einer selektiven Vertriebsvereinbarung sich so verhalten, daß die Parallelimporte eingeschränkt werden. Denn der Geist einer Verordnung zur Gruppenfreistellung von Vertriebsvereinbarungen besteht darin, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden.
Insofern ermächtigt die Verordnung Nr. 123/85, auch wenn sie den Herstellern von Kraftfahrzeugen weitreichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer Vertriebsnetze bietet, diese doch nicht zur Abschottung ihrer Märkte. Durch diese Verordnung werden zwar Vereinbarungen freigestellt, mit denen der Lieferant einen autorisierten Wiederverkäufer mit dem Vertrieb und dem Kundendienst für Kraftfahrzeuge in einem bestimmten Gebiet betraut und sich verpflichtet, ihm die Lieferung der Vertragswaren in diesem Gebiet vorzubehalten. Dadurch wird somit insbesondere die dem autorisierten Wiederverkäufer auferlegte Verpflichtung freigestellt, Vertragswaren nicht an nichtautorisierte Wiederverkäufer zu liefern (Artikel 3 Ziffer 10), sofern es sich nicht um Vermittler handelt, also um Wirtschaftsteilnehmer, die im Namen und für Rechnung von Endverbrauchern tätig werden und hierzu schriftlich bevollmächtigt worden sind (Artikel 3 Ziffer 11). Nichtsdestoweniger kann die Kommission gemäß Artikel 10 dieser Verordnung den Vorteil der Anwendung der Verordnung entziehen, wenn sie feststellt, daß eine nach dieser Verordnung freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind, insbesondere dann, wenn der Hersteller oder ein Unternehmen des Vertriebsnetzes es Endverbrauchern oder anderen Unternehmen des Vertriebsnetzes in einer über die Freistellung nach dieser Verordnung hinausgehenden Weise dauernd oder systematisch erschwert, innerhalb des Gemeinsamen Marktes Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren sich zu beschaffen. (vgl. Randnrn. 241-242)
7 Das Vorliegen einer nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens tatsächlich erwiesenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Kommission nachgewiesen wird, daß sie ihre Überzeugung von der Existenz der Zuwiderhandlung während dieses Verfahrens verfrüht bekundet hat. Soweit zudem die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten tatsächlichen Gesichtspunkte im wesentlichen rechtlich hinreichend nachgewiesen sind, kann der Kläger nicht behaupten, daß die Kommission die sichergestellten Dokumente einseitig gewürdigt oder Schlußfolgerungen auf der Grundlage willkürlicher Unterstellungen gezogen habe. (vgl. Randnrn. 270-271)
8 Die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, kann keinesfalls durch die Weigerung der Kommission beeinträchtigt werden, einer Bitte des Klägers zu entsprechen, ihm die Kopien der Beweisdokumente zu überlassen, die nach dem Erlaß und der Zustellung der Entscheidung an die Kommission gerichtet wird. (vgl. Randnr. 277)
9 Artikel 214 EG-Vertrag (jetzt Artikel 287 EG) verpflichtet die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaftsorgane dazu, Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben; dies gilt insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente. Obwohl sich diese Bestimmung in erster Linie auf Auskünfte bezieht, die bei Unternehmen eingeholt worden sind, zeigt der Zusatz "insbesondere", daß es sich insoweit um einen allgemeinen Grundsatz handelt, der auch für andere vertrauliche Auskünfte gilt.
In streitigen Verfahren, die zur Verhängung einer Sanktion führen können, fallen insofern die Art und die Höhe der vorgeschlagenen Sanktion ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis, solange die Sanktion noch nicht endgültig gebilligt und verhängt worden ist.
Dieser Grundsatz folgt insbesondere aus der Notwendigkeit, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen zu wahren, solange die Sanktion nicht gegen ihn verhängt worden ist.
Die Pflicht der Kommission, der Presse keine Auskünfte über die konkret geplante Sanktion zu geben, deckt sich nicht nur mit ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, sondern auch mit ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung.
Schließlich wird die Unschuldsvermutung, die auch in Verfahren wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln durch Unternehmen gilt, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, von der Kommission offensichtlich mißachtet, wenn sie das dem Beratenden Ausschuß und dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Beratung vorgelegte Verdikt vor der förmlichen Verhängung der Sanktion gegen das von ihr beschuldigte Unternehmen der Presse mitteilt.
Eine derartige Unregelmäßigkeit kann zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, daß ohne diese Unregelmäßigkeit die Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre. (vgl. Randnrn. 279, 281, 283)
10 Die Kommission ist nicht verpflichtet, die Dokumente wiederzugeben, auf die sie in den Fußnoten der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, verweist, wenn diese dem Kläger oder seinen Tochtergesellschaften vorliegen. (vgl. Randnr. 302)
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 6. Juli 2000. - Volkswagen AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Vertrieb von Kraftfahrzeugen - Abschottung - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) - Verordnung (EWG) Nr. 123/85 - Weitergabe an die Presse - Berufsgeheimnis - Ordnungsgemäße Verwaltung - Geldbuße - Schwere der Zuwiderhandlung. - Rechtssache T-62/98.
Parteien:
In der Rechtssache T-62/98
Volkswagen AG, Wolfsburg (Deutschland), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt R. Bechtold, Stuttgart, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte De Bandt, van Hecke, Lagae und Loesch, 4, rue Carlo Hemmer, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Wiedner, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, im Beistand von Rechtsanwalt H. J. Freund, Brüssel, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 98/273/EG der Kommission vom 28. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.733 - VW) (ABl. L 124, S. 60) oder, hilfsweise, Herabsetzung der in dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
(Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos sowie der Richterin V. Tiili und des Richters P. Mengozzi,
Kanzler: B. Pastor, Hauptverwaltungsrätin
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt und rechtlicher Rahmen
1 Die Klägerin ist die Dachgesellschaft des Volkswagen-Konzerns. Die geschäftlichen Aktivitäten des Konzerns umfassen die Herstellung von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda sowie die Fertigung von Komponenten und Teilen. Weitere Tätigkeiten des Konzerns betreffen die Bereiche Industriemotoren, Finanzdienstleistungen und Versicherungen. Die Klägerin hält eine Beteiligung von 98,99 % an der Audi AG (im folgenden: Audi). Die Geschäftstätigkeit von Audi, die ihren Sitz in Ingolstadt (Deutschland) hat, umfaßt im wesentlichen die Herstellung und den Vertrieb von Fahrzeugen der Marke Audi sowie die Herstellung von Fahrzeugteilen und Motoren.
2 Die Kraftfahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi werden innerhalb der Gemeinschaft über selektive Händlernetze vertrieben. Der Import dieser Fahrzeuge sowie ihrer Ersatzteile und ihres Zubehörs nach Italien wird ausschließlich von der Gesellschaft italienischen Rechts Autogerma SpA (im folgenden: Autogerma) mit Sitz in Verona (Italien) durchgeführt. Diese ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Klägerin und bildet demnach mit dieser und Audi wirtschaftlich eine Einheit. Der Vertrieb in Italien wird über rechtlich und wirtschaftlich selbständige Händler organisiert, die in einem Vertragsverhältnis zu Autogerma stehen.
3 Die Händlerverträge sind unter bestimmten Voraussetzungen von der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) freigestellt durch die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16), die mit Wirkung vom 1. Oktober 1995 durch die Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 (ABl. L 145, S. 25) ersetzt wurde. Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 1475/95 gilt das Verbot von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht zwischen dem 1. Oktober 1995 und dem 30. September 1996 für Vereinbarungen, die am 1. Oktober 1995 bereits bestanden und die Voraussetzungen für eine Freistellung gemäß der Verordnung Nr. 123/85 erfuellten.
4 Artikel 1 der Verordnung Nr. 123/85 bestimmt:
"Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages wird gemäß Artikel 85 Absatz 3 [des Vertrages] unter den in dieser Verordnung genannten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt auf Vereinbarungen, an denen nur zwei Unternehmen beteiligt sind und in denen sich ein Vertragspartner dem anderen gegenüber verpflichtet, zum Zwecke des Weiterverkaufs bestimmte zur Benutzung auf öffentlichen Wegen vorgesehene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge... innerhalb eines abgegrenzten Gebietes des Gemeinsamen Marktes
1. nur an ihn oder
2. nur an ihn und eine bestimmte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes
zu liefern."
5 Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 123/85 gilt die Freistellung auch, "wenn die in Artikel 1 genannte Verpflichtung mit der Verpflichtung des Lieferanten verbunden ist, innerhalb des Vertragsgebiets keine Vertragswaren an Endverbraucher zu vertreiben..."
6 Artikel 3 der Verordnung Nr. 123/85 bestimmt: "Die Erklärung... gilt auch, wenn [die selektive Vertriebsvereinbarung] mit der Verpflichtung des Händlers verbunden ist,
...
8. außerhalb des Vertragsgebiets
a) für den Vertrieb von Vertragswaren und ihnen entsprechenden Waren keine Niederlassungen oder Auslieferungslager zu unterhalten,
b) für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren keine Kunden zu werben;
9. Dritte nicht damit zu betrauen, außerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren zu vertreiben oder Kundendienst für sie zu leisten;
10. an einen Wiederverkäufer
a) Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nur zu liefern, wenn er ein Unternehmen des Vertriebsnetzes ist,
...
11. Kraftfahrzeuge... Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur zu verkaufen, wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs und bei Abholung durch diesen auch zur Abnahme bevollmächtigt wurde".
7 Der Wortlaut der Artikel 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 1475/95 ist nahezu identisch mit dem der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 123/85. Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1475/95 sieht vor: "Die Freistellung gilt nicht,
...
3. wenn die Vertragspartner... Wettbewerbsbeschränkungen vereinbaren, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich freigestellt sind, oder
...
7. wenn der Hersteller, der Lieferant oder ein anderes Unternehmen des Vertriebsnetzes unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Endverbraucher, der bevollmächtigten Vermittler oder der Vertragshändler einschränkt, innerhalb des Gemeinsamen Markts bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes ihrer Wahl Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren zu erwerben..., oder die Freiheit der Endverbraucher einschränkt, Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren weiterzuverkaufen, vorausgesetzt, daß dieser Verkauf nicht zu kommerziellen Zwecken durchgeführt wird, oder
8. wenn der Lieferant den Händlern Entgelte gewährt, die ohne sachlich gerechtfertigten Grund nach Maßgabe des Bestimmungsortes der weiterverkauften Kraftfahrzeuge oder des Wohnsitzes des Käufers berechnet werden..."
8 Ab September 1992 und im Jahre 1993 sank die italienische Lira stark im Verhältnis zur Deutschen Mark. Die Klägerin erhöhte jedoch ihre Verkaufspreise in Italien nicht entsprechend. Die sich daraus ergebenden Preisdifferenzen machten den Reexport von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi aus Italien wirtschaftlich interessant.
9 Im Laufe der Jahre 1994 und 1995 erhielt die Kommission Schreiben deutscher und österreichischer Verbraucher, die sich über Hindernisse beim Erwerb neuer Kraftfahrzeuge der genannten Marken in Italien zum anschließenden Reexport nach Deutschland oder Österreich beschwerten.
10 Mit Schreiben vom 24. Februar 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie aufgrund von Beschwerden deutscher Verbraucher festgestellt habe, daß die Klägerin oder Autogerma den italienischen Vertragshändlern der Marken Volkswagen und Audi unter Androhung der Kündigung ihres Händlervertrags auferlegt hätten, Fahrzeuge nur an italienische Kunden zu verkaufen. In demselben Schreiben forderte die Kommission die Klägerin auf, diese Behinderung des Reexports einzustellen und ihr innerhalb von drei Wochen nach Zugang dieses Schreibens die zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen mitzuteilen.
11 Mit Schreiben vom 30. März 1995 antwortete die Klägerin, daß die Schwierigkeiten einiger Verbraucher durch ein Kommunikationsproblem, vor allem zwischen Autogerma und den italienischen Händlern, hätten entstanden sein können. Sie fügte diesem Schreiben die Kopie eines Rundschreibens bei, das am 16. März 1995 an die italienischen Vertragshändler übersandt worden sei, um jedes mögliche Mißverständnis auszuräumen.
12 Mit Schreiben vom 2. Mai 1995 antwortete die Kommission der Klägerin, daß das Rundschreiben vom 16. März 1995 die Behinderungen des Reexports nicht beendet habe. Sie berief sich hierfür auf neue Beschwerden einiger deutscher und österreichischer Verbraucher.
13 Am 17. Oktober 1995 erließ die Kommission eine Entscheidung über Nachprüfungen gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204). Die Nachprüfungen erfolgten am 23. und 24. Oktober 1995 bei der Klägerin und Audi sowie in Italien bei Autogerma, Auto Brenner SpA in Bozen/Bolzano, Auto Pedross Herbert & Co. in Schlanders/Silandro, Dorigoni SpA in Trento, Eurocar SpA in Udine, IOB Silvano & C. SRL in Gemona, Adriano Mansutti in Tricesimo, Günther Rabanser in Waidbruck/Pontegardena, Mutschlechner S.A.S. in Bruneck/Brunico und Franz Nitz in Sterzing/Vipiteno. Mit diesen Nachprüfungen versuchte die Kommission herauszufinden, ob die Klägerin und Audi mit Autogerma und ihren Händlern in Italien Vereinbarungen getroffen oder abgestimmte Verhaltensweisen praktiziert hatten mit dem Ziel, neue Kraftfahrzeuge nicht an Verbraucher zu verkaufen, die in anderen Mitgliedstaaten wohnhaft sind.
14 Auf der Grundlage der bei diesen Nachprüfungen gefundenen Dokumente gelangte die Kommission zu der Auffassung, daß die Klägerin, Audi und Autogerma mit ihren italienischen Vertragshändlern eine Marktabschottungspolitik vereinbart hätten. Am 25. Oktober 1996 stellte die Kommission der Klägerin und Audi eine entsprechende Mitteilung der Beschwerdepunkte zu.
15 Mit Schreiben vom 18. November 1996 beantragten die Klägerin und Audi Einsicht in die Akten, die ihnen am 5. Dezember 1996 gewährt wurde.
16 Am 19. Dezember 1996 richtete Autogerma auf ausdrückliche Aufforderung der Klägerin ein Rundschreiben an die italienischen Händler, in dem deutlich gemacht wurde, daß die Exporte an Endabnehmer (gegebenenfalls über Vermittler) sowie an Händler des Vertriebsnetzes zulässig seien und somit keine Sanktionen zur Folge hätten. Dieses Rundschreiben wies ebenfalls darauf hin, daß der den Händlern auf den Kaufpreis der bestellten Fahrzeuge gewährte Rabatt ("Marge") und die Zahlung ihres Bonus völlig unabhängig davon seien, ob die Fahrzeuge innerhalb oder außerhalb des Vertragsgebiets verkauft worden seien.
17 Die Klägerin und Audi übersandten der Kommission mit Schriftsatz vom 12. Januar 1997 ihre Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte.
18 Sie legten ihren Standpunkt der zuständigen Dienststelle der Kommission ebenfalls bei einer mündlichen Anhörung am 7. April 1997 dar.
19 Am 7. Oktober 1997 hatte der Anwalt der Klägerin auf seine Anregung ferner ein Gespräch mit dem Leiter dieser Dienststelle, insbesondere über die Frage, ob die festgestellten Zuwiderhandlungen nach Auffassung der Kommission beendet worden seien oder noch andauerten.
20 Am 28. Januar 1998 erließ die Kommission die Entscheidung 98/273/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.733 - VW) (ABl. L 124, S. 60; im folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung). Die Klägerin wird darin als einzige Adressatin genannt. Hierzu führt die Kommission aus, daß die Klägerin für die festgestellte Zuwiderhandlung verantwortlich sei, da Audi und Autogerma ihre Tochtergesellschaften seien und ihr deren Tätigkeiten bekannt gewesen seien. Bezüglich der italienischen Vertragshändler weist die Kommission darauf hin, daß diese nicht aktiv an den Behinderungen des Reexports mitgewirkt hätten, sondern der durch die Hersteller und Autogerma eingeführten restriktiven Politik als deren Opfer auf Druck zugestimmt hätten.
21 Bezüglich des zur Last gelegten Sachverhalts zählt die Kommission eine Reihe von Dokumenten auf, um nachzuweisen, daß die Klägerin und Audi mit gezielten Maßnahmen und mit eigenen finanziellen und personellen Mitteln den Reexport von Fahrzeugen aus Italien nach Deutschland oder in andere Mitgliedstaaten unterbunden hätten und daß Autogerma auf Anweisungen der Klägerin und von Audi strenge Kontrollen bei den italienischen Vertragshändlern vorgenommen habe, um der Praxis einiger von ihnen, Fahrzeuge an ausländische Erwerber zu verkaufen, Einhalt zu gebieten, und einigen dieser Händler strenge Sanktionen auferlegt habe.
22 Mit Bezug auf die von der Klägerin und Audi ergriffenen Maßnahmen nennt die Kommission die Einführung eines "Splitmargensystems" durch die Klägerin für Verkäufe des neuen VW Polo in Italien. Nach diesem System werde dem Händler statt eines Gesamtnachlasses von 13 % auf den Rechnungsbetrag für jedes bestellte Fahrzeug ein Preisnachlaß von nur 8 % bei Rechnungsstellung gewährt und nachträglich ein Nachlaßanteil von 5 % eingeräumt, der von der Zulassung des Fahrzeugs in seinem Vertragsgebiet abhängig sei. Der Entscheidung zufolge hat Audi ein ähnliches System für den Verkauf des Audi A 4 in Italien eingeführt. Die Kommission erwähnt ebenfalls die Reduzierung der Händlerlager durch die Klägerin und Audi. Diese Maßnahme habe in Verbindung mit einer restriktiven Lieferpolitik zu einer erheblichen Verlängerung der Lieferzeiten geführt, die einige Kunden zur Stornierung ihrer Bestellung veranlaßt habe. Sie habe es Autogerma zudem ermöglicht, Anfragen deutscher Händler nach Lieferungen (Querlieferungen innerhalb des Volkswagen-Vertriebsnetzes) zurückzuweisen. Die Kommission führt auch die von Audi und Autogerma festgelegten Voraussetzungen für die Berechnung des Quartalsbonus von 3 % an, der den Händlern aufgrund der Anzahl der verkauften Fahrzeuge gezahlt worden sei.
23 Als Sanktionen, die Autogerma gegenüber den Vertragshändlern ergriffen habe, nennt die Kommission die Kündigung einiger Händlerverträge und die Streichung des Quartalsbonus von 3 % für Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets.
24 In der Entscheidung wird hervorgehoben, daß die von der Klägerin, Audi und Autogerma ergriffenen Maßnahmen zur Steuerung der Verkäufe von Kraftfahrzeugen durch die italienischen Vertragshändler sowohl die Lieferungen an nicht zum Vertriebsnetz gehörende Wiederverkäufer (im folgenden: nichtautorisierte Wiederverkäufer) als auch die Lieferungen an Endverbraucher und Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi betroffen hätten, die in anderen Mitgliedstaaten als Italien wohnhaft oder niedergelassen seien.
25 Die Kommission führt außerdem Dokumente an, die bewiesen, daß die oben genannten Maßnahmen den Handel zwischen Italien einerseits und Deutschland und Österreich andererseits tatsächlich insofern beschränkt hätten, als die Aufträge zahlreicher Kunden aus den beiden letztgenannten Staaten von den italienischen Händlern abgelehnt worden seien.
26 Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, daß diese Maßnahmen, die sich alle in die vertraglichen Beziehungen einfügten, die die Hersteller über Autogerma mit den italienischen Händlern ihres selektiven Händlernetzes hätten, auf einer Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise beruhten und einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellten, da sie Ausdruck der Durchführung einer Marktabschottungspolitik seien. Sie stellt fest, daß diese Maßnahmen nicht von den Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 gedeckt seien, da keine Bestimmung dieser Verordnungen eine Vereinbarung zur Verhinderung von Parallelexporten durch Endverbraucher, von diesen beauftragte Vermittler oder durch andere Händler des Händlernetzes freistelle. Sie führt weiter aus, daß die Erteilung einer Einzelfreistellung im vorliegenden Fall ausgeschlossen sei, da die Klägerin, Audi und Autogerma keine ihrer Vereinbarungen mit den Vertragshändlern angemeldet hätten und die Behinderungen des Reexports jedenfalls das in Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag niedergelegte Ziel des Verbraucherschutzes mißachteten.
27 Bezüglich der von der Klägerin und Audi in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte geäußerten Auffassung, bestimmte Dokumente, auf die sich die Kommission stütze, seien nur konzerninterne Berichte, die nur eine Diskussion und manchmal Interessengegensätze innerhalb des Konzerns wiedergäben, führt die Kommission aus, daß die konzerninternen Konflikte nicht relevant seien, da sie nichts daran änderten, daß die Klägerin und ihre Tochtergesellschaften Audi und Autogerma mit ihren Vertragshändlern eine Vereinbarung getroffen hätten, die den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln zuwiderlaufe. Der ebenfalls in der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte entwickelten Argumentation, daß die große Mehrzahl der Reexporte aus Italien nach Deutschland und Österreich auf unzulässige Lieferungen an nichtautorisierte Wiederverkäufer entfallen sei und die Verkäufe an Privatpersonen (gegebenenfalls über Vermittler) oder an andere Händler der Marken Volkswagen und Audi keine wesentliche Rolle gespielt hätten, hält die Kommission entgegen, daß, auch wenn nur eine geringe Anzahl der verhinderten Verkäufe Endverbraucher, ihre Vermittler oder andere Händler dieser Marken betroffen habe, der Handel zwischen den Mitgliedstaaten immer noch spürbar beeinträchtigt sei, so daß ein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln vorliege.
28 In Artikel 1 der Entscheidung stellt die Kommission fest, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma "Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag begangen [hat], da sie mit den italienischen Händlern des Vertriebsnetzes Vereinbarungen getroffen hat, um Verkäufe an Endverbraucher aus anderen Mitgliedstaaten, die entweder selbst auftreten oder über einen von ihnen beauftragten Vermittler handeln, und an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Vertragshändler des Vertriebsnetzes zu verbieten oder zu beschränken". In Artikel 2 der Entscheidung schreibt sie der Klägerin vor, diese Zuwiderhandlungen abzustellen, und gibt ihr hierzu auf, u. a. die von ihr aufgezählten Maßnahmen zu ergreifen.
29 In Artikel 3 der Entscheidung verhängt die Kommission gegen die Klägerin wegen der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung eine Geldbuße von 102 000 000 ECU. Hierzu stellt sie fest, daß die Behinderung des Parallelexports von Fahrzeugen durch Endverbraucher und von Querlieferungen innerhalb des Händlernetzes das Ziel der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes und damit einen Grundsatz der Europäischen Gemeinschaft beeinträchtige, so daß die festgestellte Zuwiderhandlung besonders schwer sei. Hinzu komme, daß die in dieser Hinsicht geltenden Regeln seit vielen Jahren festgelegt seien und daß der Volkswagen-Konzern der Hersteller von Kraftfahrzeugen mit dem höchsten Marktanteil in der Gemeinschaft sei. Die Kommission führt zudem Dokumente zum Beweis dafür an, daß die Klägerin sich vollkommen bewußt gewesen sei, daß ihr Verhalten gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoße. Sie stellt außerdem fest, daß der Verstoß mehr als zehn Jahre gedauert habe. Schließlich hat die Kommission als erschwerende Umstände berücksichtigt, daß die Klägerin die beanstandeten Maßnahmen nicht beendet habe, obwohl die Kommission sie 1995 in zwei Schreiben darauf hingewiesen habe, daß das Verhalten der Be- oder Verhinderung von Parallelexporten aus Italien einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln bedeute, und daß die Klägerin das zwischen einem Kraftfahrzeughersteller und seinen Händlern bestehende wirtschaftliche Machtgefälle ausgenutzt habe, was bei mehreren Händlern zu erheblichen Umsatzeinbußen geführt habe. Hierzu wird in der Entscheidung ausgeführt, daß die Klägerin, Audi und Autogerma mehr als 50 Vertragshändlern die Kündigung ihres Vertrages angedroht hätten, falls sie weiterhin Fahrzeuge an ausländische Kunden verkaufen sollten, und daß in zwölf Fällen tatsächlich Händlerverträge gekündigt worden seien und damit die Existenz der betroffenen Betriebe massiv gefährdet worden sei.
30 Die Entscheidung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 5. Februar 1998 bekanntgegeben, das ihr am darauffolgenden Tag zuging.
31 Mit Schreiben vom 2. März 1998 teilte die Klägerin der Kommission die zur Durchführung des Artikels 2 der Entscheidung ergriffenen Maßnahmen mit und bat um Mitteilung, ob diese den in dem genannten Artikel vorgesehenen Maßnahmen entsprächen. Mit Schreiben vom 27. März 1998 antwortete die Kommission, daß die genannten Maßnahmen im wesentlichen denjenigen entsprächen, zu denen die Entscheidung verpflichte.
Verfahren und Anträge der Parteien
32 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 8. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.
33 Das schriftliche Verfahren ist am 11. Januar 1999 abgeschlossen worden.
34 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Wege einer prozeßleitenden Maßnahme hat es die Parteien aufgefordert, schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung nachgekommen.
35 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung des Gerichts vom 7. Oktober 1999 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.
36 Die Klägerin beantragt,
- die Entscheidung für nichtig zu erklären;
- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.
37 Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
38 Die Klägerin macht im wesentlichen fünf Nichtigkeitsgründe geltend. Die ersten beiden Gründe werden auf Sachverhaltsirrtümer bzw. Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag gestützt. Die weiteren drei Gründe werden auf eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Begründungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützt.
39 Darüber hinaus trägt die Klägerin hilfsweise einen Klagegrund vor, der auf die Herabsetzung der durch die Entscheidung verhängten Geldbuße gerichtet ist, weil diese überhöht sei.
A - Erster Klagegrund: Sachverhaltsirrtümer bei der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag
Zu den Reexportbehinderungen
Einleitende Feststellungen
40 Die Klägerin trägt im Rahmen des ersten Klagegrundes vor, daß sie die in den Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 niedergelegten Grundsätze des selektiven Vertriebs beachtet habe. Sie habe immer anerkannt, daß die Verkäufe ihrer italienischen Händler an ausländische Endabnehmer und an andere Händler ihres Vertriebssystems zulässig gewesen seien. Alle Maßnahmen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung für mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln unvereinbar gehalten habe, hätten in Wirklichkeit nur zum Ziel gehabt, die unzulässigen Verkäufe, nämlich solche an nichtautorisierte Wiederverkäufer, zu verhindern. Das Vorbringen der Klägerin stützt sich auf die Behauptung, daß "[a]lle Beteiligten wußten, daß die Verkäufe italienischer Händler an ausländische Endabnehmer und an andere Händler des Vertriebssystems zulässig waren und nicht behindert werden durften", und dient folglich dem Nachweis, daß die behaupteten Behinderungen nicht stattgefunden hätten (Randnrn. 13 und 78 der Klageschrift). Insbesondere behauptet die Klägerin, daß alle Händler des Konzerns während des gesamten von der Kommission berücksichtigten Zeitraums berechtigt gewesen seien, Neufahrzeuge an Endabnehmer sowohl innerhalb als auch außerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen und Querlieferungen an andere Händler der Marken Volkswagen und Audi vorzunehmen (Randnr. 56 der Klageschrift).
41 Die Klägerin bestreitet nicht, daß - wenn sie die Reexporte aus Italien in der von der Kommission dargelegten Weise behindert hätte - ein solches Verhalten mit den Händlerverträgen und der Gemeinschaftsregelung unvereinbar gewesen wäre. Sie hätte sich wegen Nichteinhaltung der Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 Verfolgungsmaßnahmen durch die Kommission ausgesetzt und ihre vertragliche Haftung gegenüber den Händlern ihres Vertriebsnetzes ausgelöst (Randnr. 4 der Erwiderung).
42 Die Beklagte bestreitet nicht, daß das Verbot der Reexporte durch nichtautorisierte Wiederverkäufer und die zu diesem Zweck getroffenen Anordnungen mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln vereinbar sind. Die von der Klägerin, Audi und Autogerma ergriffenen Maßnahmen hätten sich jedoch in Wirklichkeit gegen alle Reexporte von Kraftfahrzeugen aus Italien gerichtet.
43 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Kommission den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt hat, als sie in Artikel 1 der Entscheidung festgestellt hat, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma "Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag begangen [hat], da sie mit den italienischen Händlern des Vertriebsnetzes Vereinbarungen getroffen hat, um Verkäufe an Endverbraucher aus anderen Mitgliedstaaten, die entweder selbst auftreten oder über einen von ihnen beauftragten Vermittler handeln, und an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Vertragshändler des Vertriebsnetzes zu verbieten oder zu beschränken". Zu diesem Zweck ist festzustellen, ob die Kommission hinreichend aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beigebracht hat, um die feste Überzeugung zu begründen, daß die behauptete Zuwiderhandlung stattgefunden hat (Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen T-185/96, T-189/96 und T-190/96, Riviera Auto Service/Kommission, Slg. 1999, II-93, Randnr. 47).
Zur Behinderung infolge des Bonussystems
- Vorbringen der Parteien
44 Bezüglich der konkreten Maßnahmen, die Autogerma gegenüber den Händlern ergriffen haben soll, die Verkäufe außerhalb ihres Vertragsgebiets getätigt hatten, wendet sich die Klägerin zunächst gegen die Feststellungen der Kommission zur Art und Weise der Berechnung des Quartalsbonus von 3 %. Sie führt aus, daß Autogerma den Vertragshändlern gewöhnlich einen in der "Convenzione B" festgelegten Bonus gewähre, der im Laufe der Jahre hinsichtlich der Höhe und seiner Voraussetzungen variiere. Dieser Bonus diene dazu, die Händler für die im Rahmen der Erfuellung ihrer vertraglichen Pflichten erzielten Ergebnisse zu prämieren. Da unter diesen Pflichten diejenige von Bedeutung sei, die darin bestehe, den Absatz der Neufahrzeuge im Vertragsgebiet bestmöglich zu fördern und einen qualitativ hochwertigen Kundendienst in diesem Gebiet anzubieten, habe die Gewährung des Bonus logischerweise mit der besonders guten Erfuellung dieser Pflicht im Zusammenhang gestanden. Vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1990 sei dieser Bonus von 3 % in Höhe von 2 % bzw. 0,5 % für die Erreichung der viermonatigen Zielmenge bzw. des Jahresziels und in Höhe von 0,5 % für die Einhaltung anderer Standards gewährt worden. Diese Aufteilung sei später geändert worden (vom 1. Januar 1991 bis 30. April 1994: 1,5 % für die viermonatige Zielmenge und 1,5 % für das Jahresziel; vom 1. Mai 1994 bis 31. Dezember 1994: 1,4 % für die viermonatige Zielmenge, 1 % für das Jahresziel und 0,6 % für die Kundenzufriedenheit). In der Convenzione B sei ausdrücklich die Regelung vorgesehen gewesen, daß für die Berechnung des Bonus alle Verkäufe berücksichtigt würden, wobei Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets aber nur bis zu 15 % der gesamten vom Händler getätigten Verkäufe bonifiziert würden (im folgenden: 15%-Regelung). In der Praxis sei die 15%-Regelung, die bis zum 30. September 1996 in Kraft gewesen sei, jedoch nicht angewandt worden. Vom 1. Oktober 1996 an seien alle Verkäufe von Neufahrzeugen bonifiziert worden. Ursprünglich sei die Menge der verkauften Fahrzeuge aufgrund der Auslieferungen bestimmt worden. Vom 1. Januar 1995 bis 30. September 1996 sei der Bonus für die Erreichung der viermonatigen Zielmenge von den Zulassungen abhängig gewesen.
45 Die Dokumente, die die Kommission zum Beweis dafür zitiere, daß mittels dieses Bonus Sanktionen ergriffen worden seien, hätten entweder mit dieser Frage nichts zu tun oder keine Beweiskraft. Nur diejenigen Händler, die durch Lieferungen von Fahrzeugen an nichtautorisierte Wiederverkäufer gegen ihren Händlervertrag verstoßen hätten, seien mit Sanktionen belegt worden. Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang aller von der Kommission aufgeführten Dokumente ergebe sich eindeutig, daß nur die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer gemeint gewesen seien. Außerdem gebe es keinen Anhaltspunkt für die von der Kommission gezogene Schlußfolgerung, daß das streitige Bonussystem viele Händler dazu veranlaßt habe, generell auf Verkäufe außerhalb des eigenen Vertragsgebiets zu verzichten. Auch habe die "Unione Concessionari Audi Volkswagen" (im folgenden: Händlerbeirat UCAV) - entgegen der Behauptung der Kommission - niemals Bedenken gegen dieses System zum Ausdruck gebracht. Zudem sei die Kommission seit langem über dessen Inhalt informiert gewesen, da sie 1988 eine Kopie der Convenzione B erhalten habe. Sie habe dieses System nicht beanstandet, weil das System insgesamt und insbesondere die 15%-Regelung mit der Verordnung Nr. 123/85 vereinbar gewesen sei.
46 Die Beklagte führt zunächst aus, daß der finanzielle Nachteil, den der Händler beim Verkauf und später der Zulassung des Audi A 4 außerhalb des Vertragsgebiets bei Überschreiten der durch die 15%-Regelung gesetzten Obergrenze erlitten habe, 8 % des Rechnungspreises betragen habe, nämlich den Verlust des Bonusanteils von 3 % und des gesplitteten Margenanteils von 5 %.
47 Ferner werde in keinem der in der Entscheidung aufgeführten Dokumente bei der Behandlung des Bonus danach differenziert, ob der Verkauf außerhalb des Vertragsgebiets mit nichtautorisierten Wiederverkäufern oder aber mit Endverbrauchern oder anderen Vertragshändlern abgeschlossen worden sei. Die Beklagte verweist auf ein Dokument, in dem erklärt werde, der Bonus sei "für sämtliche außergebietlichen Verkäufe gesperrt..." Sie führt ferner Schriftstücke an, die bewiesen, daß das Bonussystem ein Druckmittel dargestellt habe, um die Händler von Verkäufen an Ausländer abzuhalten, und daß die italienischen Händler sich dadurch in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt gefühlt hätten. Schließlich sei dieses seit 1988 geltende System ab Herbst 1993 verschärft worden, indem die Zahlung des Bonus von 3 % an die Zulassung der Fahrzeuge im Vertragsgebiet des Händlers geknüpft worden sei.
- Würdigung durch das Gericht
48 Die Klägerin bestreitet nicht, daß die Berechnung des Bonus, den Autogerma den italienischen Vertragshändlern gewährte, um die besonders gute Erfuellung ihrer vertraglichen Pflichten zu prämieren, vom 1. Januar 1988 bis 30. September 1996 der in der Convenzione B vorgesehenen 15%-Regelung unterlag. Danach wurden sowohl die Verkäufe innerhalb als auch die außerhalb des Vertragsgebiets für die Zahlung des Bonus berücksichtigt, letztere aber nur bis zu 15 % der insgesamt getätigten Verkäufe (vgl. oben, Randnr. 44).
49 Diese Regelung war geeignet, die italienischen Vertragshändler dazu zu veranlassen, mindestens 85 % der verfügbaren Fahrzeuge innerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen. Sie beschränkte die Möglichkeiten der Endverbraucher und der Vertragshändler anderer Mitgliedstaaten, Fahrzeuge in Italien zu erwerben, und dies insbesondere in Zeiten, in denen einerseits solche Käufe für sie sehr interessant waren und andererseits die Anzahl der in diesem Staat für den Verkauf verfügbaren Fahrzeuge begrenzt war (vgl. hierzu unten, Randnrn. 79 ff.). Folglich war die Kommission insbesondere zu der in Randnummer 181 der Entscheidung gezogenen Schlußfolgerung berechtigt, daß die 15%-Regelung von der Freistellung der Verordnung Nr. 123/85 nicht erfaßt war. Denn die Verordnung Nr. 123/85 bietet den Herstellern zwar weitreichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer Vertriebsnetze, ermächtigt sie jedoch nicht zu Maßnahmen, die zu einer Abschottung der Märkte beitragen (Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1995 in der Rechtssache C-70/93, Bayerische Motorenwerke, Slg. 1995, I-3439, Randnr. 37).
50 Außerdem ist das Vorbringen der Klägerin, die 15%-Regelung sei in der Praxis nicht angewandt und damit nicht als Mittel eingesetzt worden, um die Reexporte aus Italien einzuschränken, angesichts mehrerer Dokumente in der Akte nicht glaubhaft.
51 So äußert sich Herr Schlesinger, Präsident von Autogerma, in einem internen Vermerk vom 28. Juni 1994 (Fußnote 97 der Entscheidung) mit dem Betreff "Nichtanerkennung/Senkung des Großrabatts für Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets (einschließlich Parallelausfuhren)" folgendermaßen:
"Im Anschluß an meine mündliche Ankündigung möchte ich hiermit bestätigen, daß jeder Einzelfall der nachherigen Anerkennung einer Rückstellung/Verringerung des Großrabatts für Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets und für Parallelausfuhren von mir schriftlich zu genehmigen [ist]...
Ich wiederhole noch einmal, daß unser Vertriebsnetz unsere Fahrzeuge in Italien verkaufen muß (vor allem, um "überleben" zu können) und sich nicht in "Vertriebstätigkeiten" außerhalb des Vertragsgebiets ergehen darf.
Wie bekannt fordert Autogerma schon seit langem von den eigenen Mutterhäusern Erleichterungen bei den Lieferungen, den Preisen, den Sonderausstattungen usw., was nicht durch einen Weiterverkauf unserer Fahrzeuge im Ausland "durchkreuzt" werden darf."
52 In einem Vermerk vom 4. Juli 1994 (Fußnote 97 der Entscheidung) führt Herr Schlesinger aus:
"Diesbezüglich verweise ich zum wiederholten Mal darauf, daß... unsere Vertragshändler ihre Verkaufstätigkeit "außerhalb des Vertragsgebiets" vollständig einstellen müssen (ausgenommen die vertraglich vorgesehenen 15 %, die aber "zugelassen" sein müssen); der Großrabatt wird nicht für außergebietliche Verkäufe gewährt und der Großrabatt und eventuelle Prämien/Verkaufshilfen jeglicher Art werden von uns jetzt und in Zukunft für "zugelassene" Fahrzeuge gezahlt (und nicht mehr für die Auslieferung)".
53 Ferner nimmt das Protokoll der Sitzung vom 27. Juli 1994 mit dem Händlerbeirat UCAV und Autogerma (Fußnote 67 der Entscheidung) auf folgende Diskussion Bezug:
"Scarabel:
Unterstreicht, daß Sonderrabatte für Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets bei einigen Händlern blockiert worden seien, die - zumindest in der Theorie - legal eingefordert werden könnten. Er betont ferner die Notwendigkeit, die für Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets tolerierte Quote von 15 % erneut zu diskutieren.
Dr. Schlesinger:
... Der Sonderrabatt sei einfach ein zusätzlicher Rabatt - etwas über das Übliche hinaus. In der Vergangenheit sei er sehr großzügig gehandhabt worden und wenn heute ungefähr 20 Händler von insgesamt 234 diesen Sonderrabatt nicht erhalten hätten dann deshalb, weil keine Großhändler oder Exporteure belohnt werden sollen. Früher haben wir ein Auge und mehr zugedrückt, doch heute tendieren wir dazu, den Sonderrabatt beim Verkauf außerhalb des Vertragsgebiets zu verweigern, weil er auf Zulassungen und nicht auf Auslieferungen vergeben wird.
...
Dr. Schlesinger:
Fordert die U.C.A.V. auf, die Basis zu einem guten Anlauf des neuen Polo zu sensibilisieren (begrenzte Rabattgewährung, kein Export)."
54 Ein Bericht von Audi über einen Besuch bei Autogerma am 12. Oktober 1994 (Fußnote 101 der Entscheidung) bestätigt:
"Der Verkauf außerhalb der eigenen Zone ist bis max. 15 % erlaubt (Filialen etc.), darüber hinaus wird der 3 % Bonus nicht gewährt."
55 Das Rundschreiben von Autogerma an die Vertragshändler vom 20. Oktober 1994 betreffend die Fakturierung des neuen VW Polo (Fußnote 85 der Entscheidung) gibt ebenfalls zu erkennen, daß die 15%-Regelung angewandt wurde, denn es heißt dort:
"Es bleibt zu klären, ob es in unser aller Interesse steht, den gegenwärtigen Freibetrag von 15 % (für außerhalb des Vertragsgebiets) nach oben oder unten anzupassen."
56 Ferner wird in einer Notiz vom 22. November 1994 (Fußnote 91 der Entscheidung) folgendes erklärt: "Bonus (Trimester) wird gezahlt auf Basis Fahrzeug-Zulassungen im Marktgebiet, nicht nach Verkäufen generell". Nach einem Rundschreiben von Audi vom 8. Dezember 1994 stand diese Maßnahme mit dem geplanten Splitmargensystem im Zusammenhang und sollte erreichen, "daß nur bei nachweislich erfolgter Bearbeitung des eigenen Marktverantwortungsgebietes eine Marge bzw. Bonus ausgezahlt wird..." (Fußnote 92 der Entscheidung).
57 Schließlich wird in einer Notiz der Klägerin vom 24. März 1995 (Fußnote 91 der Entscheidung) bestätigt:
"Dem Händler ist es gestattet, bis zu 15 % in andere Vertragsgebiete zu liefern. Die Bonuszahlung setzt ein bei 80-85 % Zielerreichung. Der Bonus orientiert sich z. Zt. noch an den Auslieferungen, künftig soll er für Zulassungen gezahlt werden".
58 Diese Dokumente belegen, daß die 15%-Regelung mit dem ausdrücklichen Ziel angewandt wurde, die italienischen Vertragshändler von Verkäufen ins Ausland abzuhalten. Aus den zitierten Erklärungen von Herrn Schlesinger vom 4. Juli 1994 und von Herrn Scarabel vom 27. Juli 1994 sowie aus dem Rundschreiben vom 20. Oktober 1994, dem Bericht von Audi über den Besuch bei Autogerma am 12. Oktober 1994 und der Notiz vom 24. März 1995, die oben erwähnt wurden, geht ferner hervor, daß die 15%-Regelung nicht nur als Kriterium für die Nichtzahlung des Bonus bei außerhalb des Vertragsgebiets durchgeführten Verkäufen über die Obergrenze von 15 % der insgesamt getätigten Verkäufe hinaus galt, sondern auch als Verbot solcher Verkäufe ausgelegt wurde.
59 Nach alledem ist das Vorbringen, die Kommission habe fälschlicherweise festgestellt, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma bezweckt habe, die Reexporte aus Italien mittels des in der Convenzione B vorgesehenen Bonussystems zu behindern, zurückzuweisen.
60 Das Argument, die Kommission könne nicht eine Anwendung der in der Convenzione B vorgesehenen 15%-Regelung durch die Klägerin ahnden, da diese Vereinbarung 1988 angemeldet worden sei, wird im Rahmen des hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes geprüft, der auf die Herabsetzung der Geldbuße gerichtet ist.
Zur Einführung eines Splitmargensystems
- Vorbringen der Parteien
61 Die Klägerin trägt vor, daß die Idee eines Splitmargensystems, insbesondere für die neuen Kraftfahrzeuge VW Polo und Audi A 4, zwar 1994 mit der Zielsetzung diskutiert worden sei, daß jeder Händler seine Tätigkeit auf sein eigenes Vertragsgebiet konzentrieren solle. Ein solches System sei aber - entgegen der Behauptung der Kommission - niemals eingeführt worden. Diese Einführung setze auch eine Änderung der Händlerverträge voraus. Das Schlüsseldokument im Bereich der Marge, die Zusatzvereinbarung zu den mit den italienischen Händlern abgeschlossenen Verträgen, das sogenannte "allegato A", beweise keineswegs die Einführung einer Splitmarge. Die Klägerin beruft sich auf mehrere Rundschreiben von Autogerma an die Händler. In dem Rundschreiben vom 20. Oktober 1994 habe Autogerma lediglich den Stand der Diskussion mit dem Händlerbeirat UCAV wiedergegeben. In den Rundschreiben vom 2. November 1994 und vom 9. Mai 1995 habe sie mitgeteilt, daß es für die Fakturierung des neuen VW Polo keine Splitmarge geben und daß mithin ein Gesamtrabatt von 13 % angewandt werde. Sie erwähnt auch ein Dokument ähnlichen Inhalts betreffend den Audi A 4 und legt eine entsprechende Erklärung des Präsidenten des Händlerbeirats UCAV vor. Die einzige von der Kommission genannte Person, der zufolge ein Splitmargensystem tatsächlich angewandt worden sei, sei Herr Mutschlechner, ein Subkonzessionär des Händlers Beikircher. Es sei nicht ausgeschlossen, daß einige Händler ein solches System gegenüber Subkonzessionären angewandt hätten, aber das falle keinesfalls in die Verantwortung der Hersteller oder von Autogerma. Die Klägerin bestreitet im übrigen nicht, daß ein Splitmargensystem in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geplanten Form gemeinschaftsrechtswidrig gewesen wäre.
62 Die Beklagte führt auf der Grundlage der in der Entscheidung zitierten Dokumente aus, daß ein Splitmargensystem im Oktober/November 1994 eingeführt worden sei. Daß der Händlerbeirat UCAV den vorherigen Vorstoß von Autogerma zur Einführung eines solchen Systems im Mai 1994 abgewehrt habe, sage nichts darüber aus, ob diese es nicht doch im Herbst 1994 eingeführt habe. Das Rundschreiben von Autogerma vom 2. November 1994 beweise demgegenüber, daß ein vorläufiges Splitmargensystem bis zum 30. April 1995 für den neuen VW Polo eingeführt worden sei. Dieses System sei auch tatsächlich angewandt worden. Auch bezüglich des Audi A 4 habe der Händlerbeirat UCAV nach einem internen Vermerk von Audi vom 25. November 1994 das vorgeschlagene Splitmargensystem am 18. Oktober 1994 akzeptiert, das dann auch angewandt worden sei. Daß der Händlerbeirat UCAV Monate später im Februar 1995 einem solchen System doch nicht mehr habe zustimmen wollen, lasse dessen Anwendung unberührt. Im übrigen bestreitet die Beklagte, daß zur Einführung dieses Systems eine Änderung des Händlervertrags erforderlich gewesen sei.
63 In der Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission in der Klagebeantwortung einräume, daß das Splitmargensystem nicht durch das Rundschreiben vom 20. Oktober 1994 eingeführt worden sei, und behaupte, daß das durch das Rundschreiben vom 2. November 1994 geschehen sei. Anders als noch in der Entscheidung gehe die Kommission vor Gericht davon aus, daß dieses System nur vorübergehend, nämlich bis zum 30. April 1995, gegolten habe. Es sei aber kein Splitmargensystem eingeführt worden. Die Klägerin fügt der Erwiderung einen Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Coopers & Lybrand vom 30. Oktober 1998 bei, worin es heißt: "Unsere Überprüfungen sämtlicher für die Untersuchung relevanten Datenbestände für den Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 31. Dezember 1995 haben ergeben, daß in keinem Fall eine Margenkürzung durch [Autogerma] - weder für den VW Polo noch für den Audi A 4 - vorgenommen wurde. In allen Fällen haben die Händler die ihnen zustehende volle Marge von 13 % (VW Polo) bzw. 15 % (Audi A 4) erhalten."
64 Die Beklagte bestreitet, daß es bezüglich des Splitmargensystems einen Widerspruch zwischen der Entscheidung und der Klagebeantwortung gebe. Denn die Entscheidung und die Klagebeantwortung verwiesen auf das Rundschreiben vom 2. November 1994 zur Einführung dieses Systems und stellten fest, daß es zunächst nur bis zum 30. April 1995 habe gelten sollen. Im übrigen könne der Bericht von Coopers & Lybrand die Beweiskraft der Rundschreiben von Autogerma an die Händler vom 20. Oktober 1994 und vom 2. November 1994 nicht erschüttern.
- Würdigung durch das Gericht
65 Die Behauptung der Kommission, ein Splitmargensystem sei im Oktober oder November 1994 für den neuen Audi A 4 und den neuen VW Polo eingeführt worden (vgl. oben, Randnr. 62), wird durch die in der Akte befindlichen Dokumente nicht ausreichend untermauert.
66 So weist Autogerma in einem Schreiben vom 10. November 1994 (Fußnote 87 der Entscheidung) darauf hin, daß mit den Händlern noch einige Punkte zu regeln seien, bevor das neue System tatsächlich eingeführt werden könne. Sie schreibt nämlich:
"Beide Parteien Autogerma und Händler sind dabei zunächst eine Testphase des neuen Margensystems bis 30.4.95 zu vereinbaren".
67 Auch in einem Bericht vom 10. Februar 1995 über einen Besuch bei Autogerma (Fußnote 42 der Entscheidung) erklärt Audi:
"Die Autogerma zeigt die bis zum heutigen Zeitpunkt eingeleiteten Maßnahmen auf: - Splitting Marge für A4 > ist jedoch vom italienischen Händlerbeirat noch nicht abgesegnet; faktisch noch nicht wirksam, wahrscheinlich in den nächsten Monaten..."
68 Bezüglich des VW Polo legen einige Dokumente nahe, daß ein Splitmargensystem von der Klägerin und Autogerma vorgeschlagen wurde. Die Notiz vom 22. November 1994 und der Vermerk vom 6. Februar 1995 (Fußnoten 91 und 49 der Entscheidung) erwähnen nämlich die "Aufteilung Händlermarge Polo" und anders formuliert das "Margen-Splitting beim Polo A03" als eine von Autogerma ergriffene Maßnahme. Außerdem heißt es in einer internen Notiz der Klägerin vom 24. März 1995 (Fußnote 91 der Entscheidung): "Die Splittung der Polo-Marge (8 + 5) wurde kritisch erörtert." Schließlich soll ein italienischer Subkonzessionär, Herr Mutschlechner, bei den Nachprüfungen durch die Kommission erklärt haben: "Ab November 1994 mit Beginn des Vertriebs des neuen Polo gab es eine Vereinbarung zwischen Autogerma und ihren Händlern (sogenannte UCAV Vereinbarung), wonach die [dem Subkonzessionär gewährte] Marge von 9 % zum Zeitpunkt des Verkaufs des Fahrzeugs nicht in vollem Umfang gezahlt wurde, sondern ein Teil (4 %) zurückbehalten wurde, dessen Zahlung von dem Nachweis abhängig gemacht wurde, daß das Fahrzeug auch vor Ort zugelassen worden war" (Fußnote 86 der Entscheidung).
69 Außer dieser Aussage von Herrn Mutschlechner, die den besonderen Fall der Subkonzessionäre betrifft, läßt jedoch kein Beweismittel den sicheren Schluß zu, daß die Einführung der Splitmarge für den neuen VW Polo Gegenstand einer Vereinbarung zwischen allen beteiligten Parteien einschließlich des Händlerbeirats UCAV war. Ein Schreiben von Autogerma vom 24. Oktober 1994 (Fußnote 79 der Entscheidung) beruft sich auf eine positive Stellungnahme dieses Gremiums, weist aber auch darauf hin, daß dessen endgültige Zustimmung noch nicht erreicht sei:
"Ergebnis unserer Beratung mit dem Händlerbeirat UCAV ist, daß wir beim neuen Polo die Marge teilen, und zwar:
- ein sofortiger Nachlaß (in der Fahrzeugrechnung)
- ein späterer Nachlaßanteil, wenn das Fahrzeug im Vertragsgebiet des Händlers zugelassen wird.
Für die Demo-Polos wird der gesamte Nachlaß sofort berechnet. Für die normale Fakturierung planen wir das neue System einzuführen: acht plus fünf Prozent bzw. zehn plus drei Prozent nach endgültiger Abstimmung mit UCAV in den nächsten Tagen."
70 Aus der Akte ergibt sich ferner, daß das geplante Splitmargensystem innerhalb des Volkswagen-Konzerns kritisiert wurde. In einer internen Notiz vom 23. Februar 1995 (Fußnote 80 der Entscheidung) schreibt Herr Bothe, der bei der Klägerin beschäftigt war:
"Über BMW erhielt ich die Information, daß die Autogerma eine gesplittete Marge einführen will. Für das Volumen, das nicht im Vertragsgebiet des Händlers zugelassen wird, soll dieser nur zwei Drittel seiner sonst üblichen Marge bekommen.
Diese Regelung, über die mich bereits Herr Bertino am 10. Februar informiert hatte, bereitet mir Sorge. Sie widerspricht Artikel 6 Ziff. 8 des neuen [Gemeinschaftsverordnungs-]Entwurfs... und führt zum Entfall der Freistellung.
Aber auch heute schon dürfte die EG-Kommission eine gesplittete Marge als von der jetzigen [Gemeinschaftsverordnung] nicht gedeckt ansehen, weil dadurch das von der Kommission gerade gewünschte Übergrenzgeschäft unterbunden werden soll.
Ich hatte Herrn Bertino gesagt, daß das Praktizieren der vorgeschlagenen Lösung eine schwierige Gratwanderung darstelle und so lange vertretbar sei, wie es "intern" bleibt. Die Information über BMW zeigt aber, daß das Thema schon außerhalb diskutiert wird. Es kommt hinzu, daß Herr Breitgoff, der uns bekannte norddeutsche Reimporteur, gestern morgen in einem Interview im Bayerischen Rundfunk gesagt haben soll: "VW ist in Italien dicht." Da Herr Breitgoff sich über uns in der Vergangenheit schon mehrfach bei der Kommission beschwert hat, ist es m. E. nur eine Frage der Zeit, wann das Thema, das sehr bußgeldverdächtig ist, von der Kommission aufgegriffen wird.
Wir sollten uns daher ganz kurzfristig mit der Autogerma über eine Sprachregelung und Handhabung verständigen, die auch gegenüber der Kommission vertretbar ist."
71 Aus diesem Dokument läßt sich ableiten, daß Autogerma gegen Ende Februar 1995 noch kein Splitmargensystem eingeführt hatte ("daß die Autogerma eine gesplittete Marge einführen will") und daß die Klägerin selbst zögerte, die Einführung eines solchen Systems zu befürworten.
72 Folglich ergibt sich bezüglich des neuen Audi A 4 und des neuen VW Polo aus den in der Akte befindlichen Dokumenten keine Übereinstimmung darüber, ob ein Splitmargensystem zwischen den Herstellern, Autogerma und den Vertragshändlern wirklich vereinbart worden ist. Daher hat die Kommission nicht hinreichend aussagekräftig und übereinstimmend nachgewiesen, daß ein solches System in Form einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise eingeführt worden ist. Die angefochtene Entscheidung enthält folglich in dieser Hinsicht einen Beurteilungsfehler.
Zur Behinderung infolge der Maßnahmen auf der Ebene der Belieferung
- Vorbringen der Parteien
73 Nach Auffassung der Klägerin ist die Kommission fälschlicherweise davon ausgegangen, daß Autogerma ihre Lieferungen an die Händler wegen der verstärkten Reexporte verzögert und beschränkt habe und daß die auf der Ebene der Belieferung ergriffenen Maßnahmen somit auch die Reexporte behindert hätten.
74 Hierzu erläutert die Klägerin zunächst, daß Autogerma eine Zeit lang aufgrund von Schwierigkeiten im Produktionsanlauf der besonders gefragten Modelle wie des neuen VW Polo und des neuen Audi A 4 die italienischen Händler nur anteilig habe beliefern können, um einen gleichmäßigen Vertrieb dieser Modelle sicherzustellen. Reduzierungen von Liefermengen seien im übrigen rechtlich nicht zu beanstanden. Die ihr von Autogerma mit Schreiben vom 26. September 1994 vorgeschlagenen Maßnahmen (insbesondere die Vertriebskontrolle für den neuen VW Polo) seien niemals durchgeführt worden. Dieses Fahrzeug sei noch nicht auf dem Markt gewesen, als dieses Schreiben verfaßt worden sei.
75 Die Klägerin legt auch Zahlenangaben zum Beweis dafür vor, daß die Behauptung der Kommission, der italienische Markt sei restriktiv beliefert worden, haltlos sei. Sie führt Daten an, um zu beweisen, daß Autogerma und die italienischen Händler gegen Ende 1992 wegen eines Einbruchs der Nachfrage in Italien zu hohe Lagerbestände von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi angesammelt hätten. Der Absturz der italienischen Lira habe dann aber eine starke Nachfrage deutscher und österreichischer Käufer auf dem italienischen Markt erzeugt. In den Jahren 1994 und 1995 hätten folglich der Bedarf und die Aufträge die Produktion deutlich überstiegen, was zu einer Verlängerung der Lieferzeiten geführt habe. Aus diesem Grund und aufgrund des Risikos von Wechselkursschwankungen hätten einige Kunden sich gezwungen gesehen, ihre Bestellungen zu stornieren. Dieses Problem zeige sich üblicherweise am stärksten bei der Einführung neuer Modelle wie des Audi A 4, da sich in diesem Fall die Produktion nur allmählich der Nachfrage anpasse. Jedenfalls sei in Italien nie eine andere Vertriebspolitik verfolgt worden als in den anderen Ländern der Gemeinschaft. Der Vertrieb sei immer einerseits am Bedarf in den Mitgliedstaaten und andererseits an den Produktionsmöglichkeiten orientiert gewesen. Die Lieferfristen der neuen Fahrzeugmodelle seien somit in Italien und in anderen Ländern der Gemeinschaft ähnlich gewesen.
76 Aus der Tatsache, daß im Laufe der Jahre 1993, 1994 und 1995 jeweils mindestens 20 000 Fahrzeuge pro Jahr tatsächlich aus Italien reexportiert worden seien, ergebe sich, daß wesentlich mehr Fahrzeuge geliefert worden seien, als zur Belieferung der italienischen Endabnehmer erforderlich gewesen sei.
77 Schließlich habe die Kommission kein Beweismittel dafür beigebracht, daß die Hersteller und Autogerma den italienischen Vertragshändlern Lieferungen an andere Vertragshändler der Organisation untersagt hätten. Die Klägerin räumt ein, daß ein deutscher Händler, Herr Senger, ihr in einem Schreiben vom 26. November 1993 mitgeteilt habe, ein italienischer Händler habe ihm gegenüber gesagt, die Belieferung von deutschen Vertragshändlern sei untersagt worden. Sie habe diese Behauptung jedoch umgehend mit Schreiben vom 7. Dezember 1993 zurückgewiesen mit dem Hinweis, daß es für ein Verbot von Querlieferungen keine rechtliche oder vertragliche Handhabe gebe. Wenn ein italienischer Händler die Belieferung deutscher Händler abgelehnt habe, dann sei dies zweifellos darauf zurückzuführen, daß dieser zunächst die traditionelle Klientel am Ort bedienen wolle. Die Dokumente, auf die sich die Kommission gestützt habe, zeigten lediglich, daß die verbreitete Praxis der Belieferung nichtautorisierter Wiederverkäufer von den deutschen Vertragshändlern als nachteilig empfunden worden sei, daß einige von ihnen die Hersteller zum Einschreiten aufgefordert hätten und daß Autogerma der Auffassung gewesen sei, daß die deutschen Händler die italienischen Händler durch ihre ständigen Anfragen nach Querlieferungen allzusehr störten. Der Bitte von Autogerma, diesem Verhalten der deutschen Vertragshändler Einhalt zu gebieten, sei nicht entsprochen worden und habe auch nicht entsprochen werden dürfen.
78 Die Beklagte macht unter Berufung auf die in der Entscheidung zitierten Dokumente geltend, daß die langen Lieferfristen, auf die Autogerma in ihren Antwortschreiben an einige Interessenten verwiesen habe, die Folge der "bedarfsgerechten Belieferung" des italienischen Marktes gewesen seien. Denn mehrere Dokumente bewiesen, daß es sich um eine wirkliche Kontingentierung der Belieferung italienischer Händler gehandelt habe, um die Reexporte aus Italien einzudämmen. Eine solche Kontingentierung sei insbesondere bei der Lieferung der Fahrzeuge Audi A 4 und VW Polo praktiziert worden, auch wenn es richtig sei, daß letzterer noch nicht auf dem Markt verfügbar gewesen sei, als das Schreiben von Autogerma vom 26. September 1994 verfaßt worden sei.
- Würdigung durch das Gericht
79 Mehrere von der Kommission sichergestellte Dokumente belegen, daß eine Kontingentierungsstrategie mit dem Ziel angewandt worden ist, die Reexporte aus Italien insgesamt zu beschränken.
80 So heißt es in einem internen Dokument "Stand Maßnahmen gegen Graumarkt, 25.11.1994" bezüglich des neuen Audi A 4: "Belieferung wird so gesteuert, daß nur die italienische Nachfrage befriedigt wird" (Fußnote 58 der Entscheidung). Daraus folgt, daß das angestrebte Ziel darin bestand, die Lieferung von Fahrzeugen an alle Käufer außerhalb Italiens, einschließlich der Endverbraucher und der Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi, zu unterbinden. In demselben Dokument wird angegeben, daß diese Maßnahme im Januar 1995 in Kraft treten werde ("Einsatz: Jan. 95"). Nach einem Schreiben von Autogerma an Audi vom 13. Juni 1994 (Fußnote 62 der Entscheidung) wurde die Kontingentierung der Fahrzeuge der Marke Audi bereits 1994 für die alten Modelle praktiziert. Dort heißt es nämlich: "Obwohl die Lieferzeiten für den Audi 80 von bis zu 8 Monaten deutlich reduziert werden konnten, werden die Händler noch immer kontingentiert."
81 Außerdem ergibt sich aus einer Gesprächsnotiz vom 30. August 1993 über einen Kontakt zwischen der Klägerin und Audi, daß diese bereits geeignete Maßnahmen planten, um die Belieferung ihrer Vertragshändler so zu organisieren, daß die Anzahl der in Italien verfügbaren Fahrzeuge drastisch verringert werde (Fußnote 105 der Entscheidung). Dort heißt es:
"Praktische Maßnahmen
1. Reduzierung des Lagerdrucks in Italien durch Umleiten von Produktionsvolumen aus Italien in andere Märkte....
2. Fahrzeuge aus dem Importeurslager der Autogerma sollen über die VW AG zurückgekauft werden, um sie entsprechend Pkt. I in andere Märkte abzusetzen. Bewertung der Aufwände durch Controlling entsprechend.
..."
82 Offensichtlich hat diese Umgestaltung von 1993 an ihr Ziel erreicht. Denn in einem Schreiben an die Klägerin vom 26. November 1993 (Fußnote 112 der Entscheidung) beklagt ein deutscher Händler der Marken Volkswagen und Audi folgenden Sachverhalt:
"Nach Auskunft unseres italienischen Händlers ist ab sofort die Belieferung von deutschen VW/Audi-Händlern durch Weisung der Volkswagen AG untersagt worden. Alle bestätigten Fahrzeuge werden nicht zur Auslieferung kommen".
83 In ihrem Antwortschreiben vom 7. Dezember 1993 auf diese schwere Anschuldigung einer Behinderung von Querlieferungen (Fußnote 113 der Entscheidung) bestreitet die Klägerin nicht, daß eine Belieferungsstrategie mit dem Ziel, nur die Nachfrage durch italienische Verbraucher zu befriedigen, bereits in Kraft sei und ihre Wirkung zeige. Sie erklärt:
"Wir möchten jedoch noch auf eine in Ihrem Brief enthaltene Feststellung eingehen, derzufolge der betreffende italienische Händler ausgesagt haben soll, daß "ab sofort die Belieferung von deutschen VW/Audi-Händlern durch Weisung der Volkswagen AG untersagt worden ist".
Dies trifft nicht zu, zumal es hierfür gar keine rechtliche oder vertragliche Handhabe gäbe. Vielmehr scheinen allmählich die in Wolfsburg ergriffenen Maßnahmen einer bedarfsgerechten Belieferung des italienischen Marktes ihre Wirkung zu zeigen mit der Konsequenz, daß der italienische Handel mit der verfügbaren Ware zunächst mal seine traditionelle Klientel am Ort bedient."
84 Aus einer internen Mitteilung von Audi vom 6. Februar 1995 ergibt sich, daß dieser Hersteller entschieden hat, eine Anfrage von italienischen Händlern nach Lieferung von 8 000 Fahrzeugen abzulehnen. Diese Ablehnung der Belieferung wird wie folgt begründet (Fußnote 109 der Entscheidung):
"Durch die Zusage von weiteren 8000 Fahrzeugen können sich die italienischen Händler bereits im jetzigen Stadium auf den Reexport von Audi A4 einstellen und entsprechende Zusagen gegenüber freien Importeuren und Händlern abgeben... Um in Italien ein Zeichen zu setzen, daß die... angekündigte restriktive und marktgerechte Belieferung beibehalten wird, sollte die Zusage vom Ressortgespräch, daß die geforderten 8000 Fahrzeuge nicht geliefert werden, umgehend dem Importeur bekannt gegeben werden."
85 Selbst nachdem der Klägerin das Schreiben der Kommission vom 24. Februar 1995 (vgl. oben, Randnr. 10) zugegangen war, wertete Audi in einem Bericht vom 15. Mai 1995 die "Befriedigung nur der italienischen Inlandsnachfrage" als einen Erfolg (Fußnote 104 der Entscheidung).
86 Ein wahrscheinlich vom 31. Januar 1995 datiertes Dokument von Autogerma über Maßnahmen zur "Unterbindung von Reexporten aus Italien" erwähnt die "Anpassung der Lieferung an Bedarf" (Fußnote 42 der Entscheidung).
87 Außerdem ergibt sich aus einem Telefax von Autogerma an Audi vom 6. Oktober 1995 (Fußnote 111 der Entscheidung), daß diese restriktive Lieferpolitik als Instrument zur Abschottung des italienischen Marktes bis gegen Ende des Jahres 1995 aufrechterhalten wurde. Dort heißt es:
"Aus heutiger Sicht ist es nicht realistisch, zu erwarten, daß die gewünschten 36 000 Verkäufe an Verbraucher erzielt werden. Verstärkte Aktivitäten zusätzlich zum "starken Jahresendprogramm", das wir Ihnen bereits vorgestellt haben, würden unvermeidlich dazu führen, daß einige dieser zusätzlich an Verbraucher ausgelieferten Fahrzeuge eben nicht in Italien zugelassen würden.
Aus diesem Grund sollten wir bei dem Gesamtvolumen von 35 190 Verkäufen an Verbraucher bleiben..."
88 Aus all diesen Dokumenten geht deutlich hervor, daß die Kommission zu der Schlußfolgerung berechtigt war, daß die Klägerin mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaften Audi und Autogerma eine Politik der Kontingentierung der Belieferung von italienischen Händlern mit dem ausdrücklichen Ziel betrieben hat, die Reexporte aus Italien zu behindern und damit den italienischen Markt abzuschotten.
89 Da diese Politik offen darauf gerichtet war, Reexporte zu behindern, wird ihre Qualifizierung als Maßnahme zur Abschottung des italienischen Marktes nicht durch die Produktionsschwierigkeiten entkräftet, auf die sich die Klägerin beruft. Die Kontingentierung in Verbindung mit dem System der Bonuszahlung (15%-Regelung, vgl. oben, Randnrn. 48 bis 58) war geeignet, die italienischen Vertragshändler dazu zu veranlassen, den Verkauf von Fahrzeugen an Käufer anderer Mitgliedstaaten als Italien, also - entgegen dem Vortrag der Klägerin (vgl. oben, Randnr. 77) - auch an Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi, abzulehnen.
90 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin, diese Händler hätten aus eigenem Antrieb entschieden, daß es für sie nicht attraktiv gewesen sei, Fahrzeuge außerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen, belegen die oben angeführten Dokumente, daß deren Belieferung beschränkt wurde, um sie zu beeinflussen und insbesondere davon abzuhalten, Fahrzeuge aus Italien zu reexportieren.
91 Die Wirksamkeit dieser Strategie wurde durch eine den Händlern übermittelte Information verstärkt, die ebenfalls in dem Dokument von Autogerma vom 31. Januar 1995 erwähnt wird ("Information, daß für reexportierte Fahrzeuge weder Bonus noch Verkaufshilfen gewährt werden"). Da die italienischen Vertragshändler gleichzeitig einer restriktiven Belieferung und der "15%-Regelung" ausgesetzt und sich bewußt waren, daß die Reexporte von Autogerma und den Herstellern sehr schlecht aufgenommen wurden, hatten sie offensichtlich ein starkes Interesse daran, die begrenzte Zahl verfügbarer Fahrzeuge nur oder fast nur an in Italien wohnhafte Käufer zu verkaufen. Ihr Geschäftsverhalten wurde somit von den Herstellern und Autogerma beeinflußt.
92 Diese Analyse wird ferner durch ein Schreiben an die Firma Silemotori Negro in Conegliano (Italien) vom 6. Oktober 1994 bestätigt, in dem Autogerma schreibt:
"Wir wollen Sie darauf aufmerksam machen, daß der Anlauf des neuen Audi A4 Avant ca. ein Jahr nach dem Anlauf des neuen Audi A4 Limousine (Januar 1995) erfolgen wird und daß es folglich um so wichtiger ist, die wenigen Fahrzeuge, die für eine so lange Zeitspanne verbleiben, gut unterzubringen, wobei dem Absatz im eigenen Vertragsgebiet besonderes Augenmerk zu widmen sein wird."
93 Nach alledem kann dem Vorbringen der Klägerin, eine Behinderung auf der Ebene der Belieferung habe nicht stattgefunden, nicht gefolgt werden.
Zur Behinderung infolge des Geschäftsverhaltens gegenüber den Verbrauchern
- Vorbringen der Parteien
94 Die Klägerin wirft der Kommission ebenfalls vor, fälschlicherweise festgestellt zu haben, daß das Geschäftsverhalten der Hersteller und ihres Vertriebsnetzes in Italien gegenüber den Verbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten eine Behinderung der Reexporte dargestellt habe.
95 Hierzu trägt die Klägerin zunächst vor, daß die Kommission auf Beschwerden einiger Kunden bei den Herstellern verweise. Tatsächlich hätten die Hersteller ein Standardschreiben verfaßt, um den Kaufinteressenten zu antworten, die sie nach den Gründen für die unterschiedlichen Preise in den verschiedenen Ländern befragt hätten. Die Klägerin habe den Verbrauchern nicht nur keine falschen Informationen gegeben, sondern sie habe vielmehr den Kaufinteressenten aus anderen Mitgliedstaaten als Italien, die ein Fahrzeug der Marke Volkswagen oder Audi in diesem Staat hätten kaufen wollen, dadurch geholfen, daß sie ihre Mitarbeiter angewiesen habe, ihnen ein Verzeichnis aller italienischen Händler zur Verfügung zu stellen.
96 Das Verhalten von Autogerma, die Kaufinteressenten an die Händler zu verweisen, sei völlig legitim, da Autogerma Fahrzeuge nicht direkt an Kunden verkaufe. Die Händler seien zwar ohne Einschränkung berechtigt, Endkunden mit Fahrzeugen zu beliefern, aber sie seien nicht dazu verpflichtet. In einem Einzelfall habe Autogerma tatsächlich einen Kaufinteressenten aufgefordert, seine Absicht zu bestätigen, ein Fahrzeug in Italien zu erwerben. Entgegen dem Vortrag der Kommission habe sie aber nicht eine Bestätigung darüber verlangt, daß der Kunde diesen Erwerb "direkt oder über einen zuverlässigen Vermittler" vornehme. Wenn Kunden sich im übrigen bei Problemen mit einem Händler an Autogerma gewandt hätten, habe sich diese bemüht, ihnen zu helfen. Auch die Hersteller hätten sich um die Beratung der deutschen Kunden bemüht, die beim Erwerb eines Fahrzeugs von einem italienischen Händler auf Schwierigkeiten gestoßen seien.
97 Auch wenn sich aus manchen Schreiben deutscher oder österreichischer Kunden ergebe, daß sie nur wegen ihrer Staatsangehörigkeit zurückgewiesen worden seien, sei es falsch, daraus den Schluß zu ziehen, daß diese Ablehnung auf ein Verbot seitens der Hersteller oder Autogerma zurückzuführen sei. Ein Händler, der aus irgendeinem Grund nicht verkaufen wolle, behaupte offenbar lieber, nicht zu dürfen als nicht zu wollen. Die von der Kommission zitierten Schreiben bewiesen jedenfalls nicht nur, daß ihre Verfasser auf die Ablehnung der italienischen Händler gestoßen seien, sondern auch, daß die Klägerin, Audi und Autogerma jedesmal, wenn ein Kunde sich an sie gewandt habe, sofort erklärt hätten, daß Lieferungen an Endverbraucher nicht verweigert werden dürften, und diesem Kunden beim Erwerb eines Fahrzeugs behilflich gewesen seien.
98 Die Händler könnten durchaus ein Interesse daran haben, bestimmte besonders gefragte, aber nur beschränkt verfügbare Fahrzeugmodelle vorrangig an Kunden in ihrem eigenen Vertragsgebiet zu verkaufen. Denn damit sicherten sie sich das ertragreiche After-Sales-Geschäft. Sie vermieden auch die Schwierigkeiten, die mit der Rückforderung der Mehrwertsteuer verbunden seien. So hätten die von der Kommission im Rahmen ihrer Nachprüfungen befragten italienischen Händler nicht bestätigt, unter dem Druck der Hersteller oder von Autogerma Verkäufe an ausländische Endabnehmer abgelehnt zu haben, sondern erklärt, daß solche Verkäufe für sie einfach nicht attraktiv gewesen seien. Einige von ihnen hätten sogar entschieden verneint, daß es ein Verkaufsverbot ins Ausland gegeben habe, oder hätten ausgesagt, daß sie die ausdrückliche Anweisung erhalten hätten, an alle Endabnehmer unabhängig von deren Wohnsitz zu liefern.
99 Was die Verpflichtungserklärung angehe, die auf Empfehlung von Autogerma an die Händler in einem Rundschreiben vom 15. Oktober 1993 von bestimmten Erwerbern habe verlangt werden sollen, so bestreitet die Klägerin, daß dadurch Reexporte hätten verhindert werden sollen. Durch diese Erklärung habe sich der Erwerber verpflichtet, das Fahrzeug - bei Androhung einer Vertragsstrafe von 10 % des Kaufpreises - nicht vor Ablauf eines Zeitraums von drei Monaten und Erreichen eines Kilometerstands von 3 000 km zu verkaufen. Eine solche Maßnahme habe Lieferungen an Endabnehmer außerhalb des Händlergebiets in keiner Weise gestört. Sie habe lediglich dem Schutz des selektiven Vertriebssystems gedient, da sich der Händler dadurch mehr Gewißheit darüber habe verschaffen können, daß der Käufer kein Strohmann gewesen sei, der für Rechnung eines nichtautorisierten Wiederverkäufers gehandelt habe. Außerdem habe diese Verpflichtungserklärung nach dem Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 26. September 1994 nur von verdächtigen ausländischen Käufern verlangt werden dürfen, also wenn Zweifel bestanden hätten, ob der Kunde ein Endabnehmer gewesen sei. Bereits in ihrem Rundschreiben vom 15. Oktober 1993 habe Autogerma den Händlern empfohlen, die Maßnahme nur in diesem Fall einzusetzen. Zumindest bis zum Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1475/95 habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, daß eine solche Maßnahme zulässig sei. Das ergebe sich aus einem Schreiben der Kommission vom 31. März 1995. Seit Anfang 1996 sei die fragliche Verpflichtungserklärung nicht mehr verlangt worden.
100 Soweit die Kommission schließlich festgestellt habe, daß Autogerma alle ausgelieferten Fahrzeuge mit Mehrwertsteuer fakturiert habe, um die Reexporte zu erschweren (Randnr. 42 der Entscheidung), sei zu bemerken, daß die Klägerin lediglich die Rechtsvorschriften angewandt habe, wonach Lieferungen - wie die von Autogerma an ihre Händler - mehrwertsteuerpflichtig seien.
101 Die Beklagte verweist zunächst auf den Inhalt eines in Randnummer 34 der Entscheidung zitierten handschriftlichen Vermerks, wonach die Klägerin angeordnet habe, bei Anfragen von Endverbrauchern oder zulässigen Vermittlern in keinem Fall den Eindruck entstehen zu lassen, daß sie Anweisungen gegeben habe, damit keine Informationen herausgegeben würden. Bei zahlreichen Gelegenheiten hätten sich Kaufinteressenten über Behinderungen von Reexporten beklagt, so daß die Klägerin ein Standardschreiben verfaßt habe, um ihnen zu antworten. Die Verbraucher aus Deutschland oder Österreich hätten einen regelrechten Hürdenlauf zu absolvieren gehabt, wozu auch die Lieferzeiten gehört hätten. Die hohe Zahl an Beschwerdebriefen von Kaufinteressenten gäben hierüber Aufschluß.
102 Was insbesondere die Maßnahme angehe, von den Kunden, bei denen Zweifel bestuenden, ob sie Endabnehmer seien, eine Verpflichtungserklärung zu verlangen, so sei sie den Händlern früher nur empfohlen worden, später aber vorgeschrieben worden.
103 Die schriftlichen Aussagen der Händler bei den Nachprüfungen im Oktober 1995 hätten angesichts der Warnungen und Drohungen mit der Kündigung ihres Händlervertrags durch Autogerma keinen allzu großen Beweiswert. Diese Drohungen erklärten außerdem die Unterschiede zwischen den schriftlichen und mündlichen Äußerungen einiger Händler. Jedenfalls bewiesen mehrere Dokumente eindeutig, daß der Verkauf ausländischen Kaufinteressenten gegenüber ausdrücklich abgelehnt worden sei.
104 Schließlich erwähnt die Beklagte ein Dokument, aus dem sich unmißverständlich ergebe, daß die Fakturierung mit Mehrwertsteuer bewußt als Mittel zur Behinderung der Reexporte eingesetzt worden sei.
- Würdigung durch das Gericht
105 Dem Vorbringen der Klägerin steht offensichtlich eine beträchtliche Zahl von Beschwerden entgegen, die insbesondere im Laufe des Jahres 1995 von Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten als Italien, zumeist deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit, entweder an die Klägerin, Audi oder Autogerma oder an die Kommission gerichtet wurden. Auf die Aufforderung des Gerichts, ihm sämtliche von ihr empfangenen oder sichergestellten Schreiben von Verbrauchern vorzulegen, hat die Kommission mehr als sechzig Briefe oder Telefaxe vorgelegt, die allesamt Hindernisse beklagen, auf die diese Verbraucher beim Erwerb eines Fahrzeugs der Marke Volkswagen oder Audi in Italien gestoßen sind. Im folgenden sollen nur einige der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung untersuchten Schreiben wiedergegeben werden.
106 In einem Telefax an Audi vom 15. Februar 1995 (Fußnote 33 der Entscheidung) schreibt Herr Wieser:
"Ich bin mit einem Südtiroler Audi-Händler in Kontakt getreten um einen Audi 1,8 A4 zu erwerben und nach Österreich zu importieren.
Ich mußte aber erfahren, daß aufgrund einer Weisung der Audi-Werke, an Österreicher nicht verkauft werden darf...
Auf meinen Hinweis, daß diese Maßnahmen gegen EU-Recht verstoßen, erklärte mir Ihr Vertragspartner, er wisse, daß es gesetzeswidrig ist, aber er befürchtet Repressalien Ihres Unternehmens..."
107 In einem Telefax an die Kommission vom 27. April 1995 (Fußnote 36 der Entscheidung) schreibt Herr Bernhard:
"[H]iermit beschwere ich mich über folgende VW-Firmen:... Ich wollte beim Autohaus Lanz einen VW Passat GL bestellen und erhielt die Auskunft, daß dies kein Problem ist, mir als Deutschem innerhalb der EG ein Auto zu verkaufen. Nach zwei Tagen war ich mir über den Fahrzeugtyp und die Ausstattung klar und erteilte den Auftrag. Einen Tag später bekam ich vom Firmenchef die telefonische Auskunft, daß er mir als Deutschem kein Auto verkaufen darf (eine Bestimmung der Volkswagen AG).
Anschließend versuchte ich bei der Brenner-Garage S.P.A. AG Volkswagen-Händler und -Werkstatt ein Fahrzeug zu kaufen. Dies wurde mir auch verwehrt."
108 In einem Telefax an die Klägerin vom 27. April 1995 (Fußnote 132 der Entscheidung) schreibt Herr Lenz:
"Bezug nehmend auf das mit Ihnen geführte Telefonat, möchte ich hier nochmals den mir in Italien dargestellten, und nicht nur aus meiner Sicht, ungeheueren Sachverhalt erläutern.
Als ernsthafter Käufer eines o.g. Golf's (für meinen Sohn), wurde mir anläßlich meines Osteraufenthaltes in Südtirol bei drei VW-Händlern mitgeteilt, daß der Export jeglicher Fahrzeuge nicht erlaubt sei, und man sich an diese Anordnung strikt zu halten habe. Einigen Händlern sei - wegen Mißachtung dieser Anordnung - bereits die Konzession entzogen worden.
Es wurde weiter angewiesen, daß die interessierten Käufer mit fadenscheinigen Ausreden, wie: Lieferzeit etwa 1 Jahr, vorhandene Fahrzeuge sind bereits verkauft, bzw. reserviert, usw. hinzuhalten... sind.
Offensichtlich wurde dabei übersehen, daß es keinerlei Verbote in diese Richtung geben darf, da wir im EU-Raum leben. Diese Tatsache dürfte zwischenzeitlich auch im letzten Winkel der EU bekannt sein. Oder?
Das Deutsche Fernsehen hat bereits in der ARD Sendung: "Auto & Verkehr", am 22.04.95, gerade dieses Thema aufgegriffen und allgemein über die Unzulässigkeit einer solchen Verfügung ausgiebig berichtet. Das dürfte Ihnen sicherlich auch bekannt sein!..."
109 In einem Schreiben an Autogerma mit Kopie an Audi und die Kommission vom 18. Mai 1995 (Fußnote 39 der Entscheidung) schreibt Herr Baur:
"Noch einmal zum Verhalten meines Falles: Ich habe über einen Vermittler, der eine Vollmacht besitzt, in meinem Namen zu handeln, bei der Firma Funari am 19.2.95 einen Audi A6 bestellt. Diese Bestellung läuft bei Ihnen unter der Nummer 95/0014. Da ein rechtsgültiger Vertrag besteht, möchte ich umgehend von Ihnen die Information, wann mein Auto geliefert wird.
Wie es derzeit ausschaut, setzen Sie alles daran, Kunden von Audi abzuwehren. Ich habe mehrere italienische Händler kontaktiert, die mir erzählen, daß sie Repressalien (selbstverständlich laufen die Bedrohungen nur über Telefon) zu erwarten hätten, wenn auch nur ein Audi nach Österreich geliefert wird...."
110 In einem Schreiben an die Klägerin vom 8. Juni 1995 (Fußnote 36 der Entscheidung) schreibt Herr Keppler:
"Ich war am 02.05.-04.05.95 in Italien. In der Nähe von St. Leonhardt haben wir von dem dortigen VW-Händler die niederschmetternde Antwort erhalten, daß wir in ganz Südtirol keinen VW-Händler finden würden, der an Ausländer einen VW verkauft. Als Begründung führte er aus, daß VW den Verkauf verboten hätte. Bei Nichtbeachtung dieses Verbotes hätte VW den Entzug der Händlerlizenz angedroht. Und tatsächlich. In ganz Südtirol (zumindest in Meran, Bozen, Schlanders) hat uns kein Händler einen VW verkauft....
Hierzu die Auskunft der "Brenner-Garage" in Bozen und Meran: "Bis Dezember 94 haben wir wie verrückt Autos an Deutsche verkauft, aber jetzt hat uns Volkswagen leider den Hahn zugedreht. Wir bekommen von VW nur noch soviele Autos, daß wir mit erheblichen Lieferzeiten gerade noch den einheimischen Markt abdecken können. Wir würden Ihnen gerne einen VW verkaufen, leider macht uns Volkswagen dies unmöglich.""
111 In einem Schreiben an Autogerma vom 23. Juni 1995 (Fußnote 133 der Entscheidung) schreibt Herr Schneider:
"Ich würde gerne einen Audi A4 1.8 in Italien kaufen und nach Österreich exportieren.
Alle Händler sagten mir, daß es nicht möglich sei, weil sie sonst in Zukunft kein Auto mehr bekommen würden, wenn sie für einen Österreicher noch einmal ein Auto bestellen würden..."
112 In einem Telefax an die Klägerin vom 19. Juli 1995 (Fußnote 134 der Entscheidung) schreibt Herr Mosser:
"Da Österreich nun auch der EU angehört hätte ich eine sehr wichtige Frage.
Am 8.06.1995 war ich in unserem Nachbarland Italien, um mir einen Audi A4 TDI zu kaufen. Zuerst fuhr ich nach Gemona und in der Folge nach San Daniele....
Doch ich erlebte eine böse Überraschung. Es wurde mir von der Geschäftsleitung in Gemona und in San Daniele mitgeteilt, daß die jeweilige Werkstätte ein Verbot von der Generalvertretung v. Audi hätte, die Autos an Ausländer zu verkaufen...."
113 In einem Telefax an Audi vom 3. August 1995 (Fußnote 135 der Entscheidung) schreibt Herr Bilogan:
"[I]ch habe die Absicht mir [einen Audi A4] in Italien zu erwerben.
Von verschiedenen Personen wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß die italienischen Händler an Personen aus der Bundesrepublik Deutschland und Österreich, angeblich wegen einer Weisung des Fahrzeugherstellers, nichts verkaufen dürfen...."
114 In einem Schreiben an die Klägerin (Fußnote 136 der Entscheidung) schreibt Herr Albrecht:
"Als überzeugter Europäer wollte ich nun auch einmal die Vorteile der EU in Anspruch nehmen, wie ja auch Sie in Ihrem Unternehmen, und so machten ich und meine Frau uns auf den Weg nach Italien.
Wir machten in Mailand Halt und suchten einen VAG-Händler auf. Die Freude war groß als wir in den Ausstellungsräumen unsere geplanten Wagen sahen. Für meine Frau sollte es ein Polo sein und für mich ein neuer Audi A4.
Doch schon bald war die Freude in Enttäuschung umgeschlagen. Ohne große Umschweife wurde uns mitgeteilt, daß wir, auf Anordnung von Wolfsburg, als Deutsche keinen Wagen dieser Modelle bekommen könnten.
... Was geblieben ist bei unserem schönen 2-tägigen Urlaub sind Kosten für Fahrt und Übernachtung und die Erkenntnis, daß Ihr Unternehmen nur für sich die Vorteile der EU in Anspruch nehmen möchte, der kleine Mann aber, wie üblich, mal wieder auf der Strecke bleibt und gefälligst in Deutschland einzukaufen hat."
115 Aus diesen Dokumenten ergibt sich in ausreichend repräsentativer Weise, daß ein Interessent mit Wohnsitz außerhalb Italiens während des betreffenden Zeitraums auf größte Schwierigkeiten stieß, einen italienischen Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi zu finden, der bereit war, ihm ein Fahrzeug zu verkaufen. Folglich war die Kommission zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß das Geschäftsverhalten der Hersteller und ihres Vertriebsnetzes in Italien gegenüber Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten ebenfalls eine Behinderung der Reexporte darstellte.
116 Diese Schlußfolgerung wird weder durch die von der Klägerin in ihren Schriftsätzen vorgetragene Auslegung dieser Dokumente noch durch ihre Erklärung zum Thema Mehrwertsteuer, noch durch die Reaktion der Hersteller und von Autogerma entkräftet, dem Beschwerdeführer systematisch zu antworten, daß es sich um ein Mißverständnis handele, und praktische Maßnahmen zu ergreifen, damit dieser ein Fahrzeug bei einem italienischen Vertragshändler kaufen konnte. Wenn systematisch die gleiche Absage erteilt wird, kann diese nicht als Mißverständnis gewertet werden. Daß den Beschwerdeführern beim Erwerb eines Fahrzeugs in Italien geholfen wurde, läßt sich mit der Befürchtung erklären, daß diese sonst Gerichtsverfahren hätten einleiten können, und ändert nichts daran, daß es für Interessenten eines anderen Mitgliedstaats schwierig geworden war, in Italien ein Fahrzeug der Marke Volkswagen oder Audi zu erwerben.
117 Was die Kritik der Klägerin an der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Beurteilung der Maßnahme angeht, von bestimmten Erwerbern eine Verpflichtungserklärung zu verlangen, so war diese Maßnahme allein zwar nicht dazu geeignet, die Reexporte durch Endverbraucher zu verhindern. Dies entkräftet jedoch nicht im geringsten die zuvor getroffene Feststellung, daß die italienischen Vertragshändler dazu veranlaßt wurden, den Verkauf von Fahrzeugen an ausländische Erwerber systematisch abzulehnen. Daher braucht nicht geprüft zu werden, wie die streitige Maßnahme auszulegen ist. Im übrigen steht dem Argument der Klägerin, sie habe aus der Korrespondenz mit der Kommission herleiten dürfen, daß diese die fragliche Maßnahme für zulässig hielt, ein Schreiben der Kommission an sie vom 23. November 1994 entgegen, das nachfolgend im Rahmen des hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes zur Höhe der verhängten Geldbuße geprüft wird (vgl. unten, Randnrn. 338 und 339).
118 Nach alledem kann dem Vorbringen der Klägerin, das Geschäftsverhalten der Hersteller und ihres Vertriebsnetzes in Italien gegenüber den Verbrauchern habe keine Behinderung der Reexporte dargestellt, nicht gefolgt werden.
Zum Argument der Klägerin, die ergriffenen Maßnahmen hätten lediglich der Verhinderung der Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer gedient
- Vorbringen der Parteien
119 Die Klägerin führt aus, daß die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, alle Reexporte seien behindert worden, auch darauf zurückzuführen sei, daß die Kommission den in der internen Korrespondenz des Volkswagen-Konzerns verwendeten Sprachgebrauch fehlinterpretiert habe.
120 So habe die Kommission fälschlicherweise den Ausdruck "Graumarkt" so ausgelegt, als würden darunter neben den Verkäufen an nichtautorisierte Wiederverkäufer auch die Verkäufe an andere Vertragshändler und an Endabnehmer anderer Mitgliedstaaten als Italien verstanden. Die Klägerin wendet sich dabei gegen die Behauptung der Kommission, die Hersteller und Autogerma hätten den Graumarkt und die Reexporte aus Italien bewußt zusammengefaßt und so vermieden, zwischen zulässigen und unzulässigen Reexporten zu unterscheiden (Randnrn. 43 bis 58 der Entscheidung). Ihrer Auffassung nach ist offensichtlich, daß sich der Ausdruck "Graumarkt" auf unzulässige Geschäfte und nicht auf zulässige Verkäufe beziehe.
121 Die Klägerin bestreitet nicht, daß in der Korrespondenz innerhalb des Konzerns und zwischen Autogerma und den Händlern allgemeinere Ausdrücke wie "Reexporte", "organisierte Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets", "Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets" und "Wiederverkäufer" verwendet wurden. In all diesen Fällen sei aber aus dem Wortlaut oder Zusammenhang der fraglichen Korrespondenz oder aber aus einem nachfolgenden Dokument ersichtlich gewesen, daß nur die unzulässigen, also die händlervertragswidrigen Reexporte gemeint gewesen seien.
122 Die Klägerin zitiert einige Rundschreiben von Autogerma an Vertragshändler, aus denen eindeutig hervorgehe, daß sie ihnen nur Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer verboten habe. Sie bestreitet nicht, daß Autogerma den Händlern vor allem im Hinblick auf den neuen VW Polo empfohlen habe, ihre Verkaufsaktivitäten auf das eigene Händlergebiet in Italien zu konzentrieren, was aber zulässig sei.
123 Jedenfalls habe die Kommission nicht den Beweis erbracht, daß die Verwendung von allgemeinen Ausdrücken in den Mitteilungen und Rundschreiben bei den Händlern einen Zustand der Verunsicherung geschaffen habe, der diese dazu veranlaßt habe, auf Verträge mit Endverbrauchern oder von diesen beauftragten Vermittlern zu verzichten (Randnrn. 60 und 61 der Entscheidung). Die Händler seien als Fachleute mit dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht vertraut. Außerdem werde in ihrem Händlervertrag auf den Unterschied hingewiesen, der zwischen erlaubten Verkäufen an Endverbraucher und verbotenen Verkäufen an nichtautorisierte Wiederverkäufer bestehe.
124 Die Klägerin widerspricht ferner der Auslegung einiger Dokumente durch die Kommission, die diese als Beleg für eine "Gesamtstrategie" zur Verhinderung zulässiger Exporte angeführt habe. So enthalte das Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 21. September 1994 (Randnr. 21 der Entscheidung) nur allgemeine Überlegungen über die Art der möglichen Maßnahmen. Autogerma habe mit diesem Schreiben gegenüber der Klägerin zu zeigen versucht, daß sie aktiv gegen alle Reexporte habe vorgehen wollen, während ihr in Wirklichkeit nur die Instrumente zur Verfügung gestanden hätten, die sich aus den Händlerverträgen ergeben hätten.
125 Die anderen Dokumente hätten sich nur auf die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer bezogen. Bei dem Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 26. September 1994 (Randnr. 22 der Entscheidung) ergebe sich dies aus dem Wortlaut des Dokuments selbst und insbesondere aus der dortigen Bezugnahme auf die Verordnung Nr. 123/85. Diese Auslegung werde im übrigen durch ein weiteres Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 24. Oktober 1994 bestätigt.
126 Das gelte auch für einen internen Vermerk der Klägerin vom 6. Februar 1995 über Maßnahmen durch Autogerma zur Vermeidung von Reexporten (Randnr. 23 der Entscheidung) und für eine interne Mitteilung von Audi vom 12. Dezember 1994 (Randnr. 24 der Entscheidung), die sich lediglich auf den Entwurf eines Rundschreibens über "Graumarkt; Margensystem in Italien" bezogen habe. Das Rundschreiben, das schließlich mit dem Betreff "Graumarkt" an die deutschen Händler übersandt worden sei, habe diese auch dazu aufgefordert, Informationen über nichtautorisierte Wiederverkäufer zu übermitteln. Ebenso verhalte es sich mit den Berichten der von Autogerma mit der Überwachung der italienischen Vertragshändler beauftragten Abteilung vom 17. Dezember 1993 über die Verkaufspraktiken zweier Händler, einem Vermerk von Autogerma vom 15. März 1995, einem Telefax der Klägerin an Audi vom 24. März 1995, einer Mitteilung von Audi an ihre deutschen Händler vom 16. März 1995 und einem Telefax der Firma Porsche Austria vom 27. März 1995, die den Import von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi und Porsche nach Österreich durchführt (Randnrn. 25, 28, 31, 41 und 42 der Entscheidung).
127 Schließlich wirft die Klägerin der Kommission vor, weder den Interessengegensätzen innerhalb des Volkswagen-Konzerns, die manchmal zu übersteigerten Aussagen in internen Vermerken geführt hätten, noch der Stellung der Verfasser der ausgewählten Dokumente, die manchmal lediglich Sachbearbeiter gewesen seien, Rechnung getragen zu haben.
128 Die Beklagte führt aus, daß die Klägerin es unterlassen habe, sicherzustellen, daß die fraglichen Maßnahmen sich tatsächlich nur gegen Reexporte durch nichtautorisierte Wiederverkäufer gerichtet hätten und nicht auch Reexporte durch Endabnehmer, von diesen beauftragte Vermittler und andere Vertragshändler desselben Vertriebsnetzes berührt hätten. Ihrer Auffassung nach gingen die beanstandeten Maßnahmen in ihrer Zwecksetzung über das von der Klägerin behauptete Ziel einer Verhinderung allein von Verkäufen an nichtautorisierte Wiederverkäufer hinaus. Wenn es auch möglich sei, daß Autogerma und die italienischen Händler - wie die Klägerin vortrage - gewußt hätten, daß die Verkäufe an ausländische Endabnehmer und an andere Händler des Vertriebsnetzes zulässig gewesen seien und somit nicht hätten behindert werden dürfen, so hätten sie dieses Wissen jedenfalls nicht praktiziert.
129 Sowohl in der Korrespondenz zwischen der Klägerin, Audi und Autogerma als auch in der Korrespondenz zwischen Autogerma und den Händlern sei nicht klar zwischen zulässigen Reexporten und unzulässigen Reexporten unterschieden worden. So belegten verschiedene Dokumente, daß der Begriff "Graumarkt" oder "Graumarkt der Reimporte" für die Beteiligten die Exporte an Endabnehmer und an andere Händler der Organisation einschließe. Hierfür verweist die Beklagte auf eine Vorlage zur Audi-Vorstandssitzung am 13. Februar 1995, in der ein Auftrag erwähnt sei, das derzeitige "Reimportvolumen" um mindestens 50 % zu reduzieren, wobei ausgeführt werde, daß diese Reimporte entweder "Quereinkäufe der deutschen Vertragshändler im Ausland" oder "Belieferung organisationsfremder Wiederverkäufer (= Graumarkt-Händler)" sein könnten. Sie beruft sich auch auf eine interne Mitteilung von Audi vom 12. Dezember 1994 und auf ein Schreiben der Kundenbetreuung von Audi an einen Kaufinteressenten aus Österreich.
130 Hinsichtlich der anderen Begriffe, die in der Korrespondenz des Volkswagen-Konzerns benutzt worden seien, um die zu verhindernden Geschäfte zu bezeichnen, zitiert die Beklagte den Bericht vom 4. Juni 1994 über die Prüfung eines Händlers. Aus diesem Bericht gehe klar hervor, daß unter dem Ausdruck "organisierte Verkaufsaktivitäten ins Ausland" alle Reexporte aus Italien subsumiert worden seien. Außerdem habe Autogerma in ihrer Korrespondenz mit den Händlern den Zusatz "organisiert" manchmal weggelassen.
131 Jedenfalls ergebe sich aus den Vermerken von Autogerma eindeutig, daß bestimmte Maßnahmen gegen Exporte schlechthin gerichtet gewesen seien. Die Beklagte erwähnt noch weitere in der Entscheidung zitierte Dokumente, die bewiesen, daß alle Reexporte gemeint gewesen seien.
132 Die Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 21. und 26. September 1994 und vom 24. Oktober 1994 sowie der Vermerk von Autogerma vom 15. März 1995 belegten die durch die Klägerin geschaffene Verwirrung hinsichtlich der zulässigen und der unzulässigen Reexporte. Diese Schreiben beträfen im übrigen eindeutig bereits ergriffene Maßnahmen. Ein weiteres Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 14. Juni 1994 habe die gleiche Tragweite und zeige zudem, daß Autogerma die Verordnung Nr. 123/85 zur Steuerung der Tätigkeit der Händler mißbraucht habe. Die interne Mitteilung von Audi vom 12. Dezember 1994 beweise ihrerseits die Einführung eines Splitmargensystems zur Verhinderung der zulässigen Reexporte.
- Würdigung durch das Gericht
133 Angesichts aller oben erörterten Umstände und Dokumente kann dem Vorbringen der Klägerin, die von ihr, Audi und Autogerma ergriffenen Maßnahmen hätten in Wirklichkeit lediglich der Verhinderung der Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer gedient, nicht gefolgt werden. Wie bereits festgestellt, wurde die durch die 15%-Regelung vorgesehene Obergrenze in bezug auf alle Reexporte angewandt (vgl. oben, Randnrn. 48 bis 58), wurde die Belieferung der italienischen Vertragshändler mit dem ausdrücklichen Ziel kontingentiert, die Reexporte insgesamt zu verringern (vgl. oben, Randnrn. 80 bis 89), und wurden Endverbrauchern aus anderen Mitgliedstaaten als Italien beim Erwerb eines Fahrzeugs in diesem Staat Hindernisse entgegengesetzt (vgl. oben, Randnrn. 105 bis 115).
134 Daher kann das Argument der Klägerin, der Ausdruck "Graumarkt" belege, daß nur die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer gemeint gewesen seien, nicht überzeugen. Zwar findet sich dieser Ausdruck in einer großen Zahl der von der Kommission sichergestellten Dokumente und kann auf unzulässige Geschäfte, nämlich die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer, hindeuten, doch zeigt sich auch, daß sich bestimmte Schriftwechsel innerhalb des Volkswagen-Konzerns allgemein auf die Reexporte aus Italien beziehen (vgl. z. B. die oben, in den Randnrn. 51 und 87 zitierten Dokumente) und daß die 15%-Regelung und die Beschwerden von Interessenten ganz offensichtlich nicht speziell die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer betreffen.
135 Zudem vermitteln einige der Dokumente, die nach ihrem Betreff den Graumarkt, "Grauexporte [aus Italien]" oder "Grauimporte [aus Italien]" behandeln, ihrem Inhalt nach den Eindruck, daß sie sich allgemein auf die Reexporte aus Italien erstrecken.
136 So lautet eine interne Mitteilung von Audi vom 12. Dezember 1994 (Fußnote 17 der Entscheidung):
"Grauimporte Italien
Wie gewünscht erhalten Sie anbei den Entwurf des Briefes an die deutsche Händlerorganisation.
Dieser Brief ist kritisch. Der Grund hierfür liegt in der geltenden Gruppenfreistellungsverordnung. Dort kommt klar zum Ausdruck, daß die Hersteller mit Maßnahmen den legalen Parallel-Import nicht verhindern dürften. Daher ist es mit einem gewissen Risiko verbunden, die Maßnahmen, welche wir in Italien ergriffen haben, mit der Verhinderung von Reimporten in Verbindung zu bringen und dies in einem Brief an die deutsche Händlerorganisation zu dokumentieren. Dies sollte insbesondere vor dem Hintergrund der strittigen Verlängerung und Änderung der Gruppenfreistellungsverordnung beachtet werden.
Die Maßnahmen in Italien sollten über die Regionen mündlich kommuniziert werden."
137 In dieser Mitteilung wird also hervorgehoben, daß es besser wäre, die Maßnahmen, die in bezug auf Italien ergriffen worden seien, mündlich zu kommunizieren, da schriftliche Mitteilungen darüber die Unvereinbarkeit dieser Maßnahmen mit der Verordnung Nr. 123/85 offenbaren könnten. Diese Mitteilung belegt die Zweideutigkeit des Ausdrucks "Graumarkt" in der internen Korrespondenz des Volkswagen-Konzerns. Denn während der Betreff als Gegenstand der Mitteilung die "Grauimporte Italien" angibt, ist der Inhalt der Mitteilung auf die Parallelimporte allgemein und nicht nur auf die Importe durch nichtautorisierte Wiederverkäufer gerichtet.
138 Ein weiteres Beispiel dieser Zweideutigkeit liefert das Telefax der Firma Porsche Austria an Audi vom 27. März 1995 (Fußnote 31 der Entscheidung). Nach seinem Betreff bezieht sich dieses Telefax auf "Grauimporte", doch heißt es im Text, daß dank der ergriffenen Maßnahmen alle Reexporte von Fahrzeugen der Marke Audi A 4 aus Italien nach Österreich unterbunden worden seien:
"Betreff: Grauimporte
...
Einmal etwas Erfreuliches zu diesem Thema!
Aus den in der jüngsten Zeit mit den Händlern der betroffenen Gebiete geführten Gesprächen konnten wir feststellen, daß sich das Thema Grauimporte beruhigt hat. So ist bis zur Stunde kein einziger A4 aus Italien nach Österreich importiert worden.
Die von Ihnen gemeinsam mit dem italienischen Importeur eingeleiteten Maßnahmen scheinen also zu wirken...."
139 Zu dieser Frage ist auch der "Marketingplan Deutschland 1995" (Fußnote 50 der Entscheidung) heranzuziehen. In diesem Dokument kündigt die Klägerin als Strategie in bezug auf die Reimporte nach Deutschland an:
"Gegenmaßnahmen zur Eindämmung von Reimporten durch laufende Analyse der Preisstellungen und Lieferströme sowie Einflußnahme auf die Händlerschaft.
Gezielte Maßnahmen gegen "Grauimporteure"."
140 In diesem Dokument könnte der Ausdruck "Grauimporteure" zwar "nichtautorisierte Wiederverkäufer" bedeuten, aber der vorhergehende Absatz zeigt, daß auch die Reimporte nach Deutschland ganz allgemein von den Gegenmaßnahmen erfaßt sind, die auf die Eindämmung dieser Reimporte durch Preisanpassungen und Kontrolle der Lieferungen oder der Belieferung und durch Einflußnahme auf die Händler abzielen.
141 Unter Berücksichtigung der gesamten internen Korrespondenz des Volkswagen-Konzerns kann der Ausdruck "Graumarkt", wie er dort verwendet wird, somit offensichtlich nicht dahin ausgelegt werden, daß er lediglich die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer erfaßt. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Rundschreiben, die Autogerma an die italienischen Vertragshändler übersandt hat, unter Bezugnahme auf die Verordnung Nr. 123/85 die als zulässig bezeichneten Verkäufe an Endverbraucher (unabhängig von deren Wohnsitz) klar von den als unzulässig bezeichneten Verkäufen an nichtautorisierte Wiederverkäufer unterscheiden. Es ist nämlich denkbar, daß sich Autogerma bei der Abfassung solcher formellen Mitteilungen an die Vertragshändler der Gemeinschaftsregelung unterworfen, sich dabei aber die Möglichkeit vorbehalten hat, letzteren Anweisungen auf informelleren Wegen zu geben.
142 Die Schlußfolgerung, daß die Klägerin, Audi und Autogerma ihr Vorgehen nicht darauf beschränkt haben, die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer zu unterbinden, wird ferner durch die Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 21. und 26. September 1994 (Fußnoten 14 und 15 der Entscheidung) bestätigt. Diese Schreiben enthalten die meisten der von der Kommission gegen die Klägerin vorgebrachten Umstände.
143 Das Schreiben vom 21. September 1994 nennt als Betreff "Parallelexporte" und lautet folgendermaßen:
"Sehr geehrte Herren,
wir kommen auf das im Betreff genannte und bereits ausführlich behandelte Thema zurück, um Ihnen die derzeitige Situation darzulegen.
Bei der gesamten italienischen Verkaufsorganisation besteht große Sorge um die Erreichung der Verkaufsziele und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der bisherigen Verkaufserfolge. Diese Notwendigkeit hat dazu geführt, daß einige Partner, gedrängt von außenstehenden Verkaufsorganisationen (darunter zahlreiche ausländische Volkswagen- und Audi-Händler), Verkaufsaktivitäten auch in Gebieten tätigen, die weit von der vertraglich festgelegten Zone liegen, manchmal sogar bis ins Ausland.
Das Eingreifen der Autogerma hat daher den Sinn und Zweck die Volkswagen-Audi-Händler in die vertraglich festgelegten Gebiete zu verweisen, wobei Kontrollen hinsichtlich der Vertragserfuellung, insbesondere was die Verkaufsaktivitäten im Vertragsgebiet selbst betrifft, bei jeder einzelnen Firma durchgeführt werden (wobei bei Nichterfuellung der Vertragsbedingungen 6 Händlerverträge gekündigt worden sind...). Bei anderen Händlern beabsichtigen wir, aufgrund einiger "Auditing-Ergebnisse" bezüglich Auslieferungen, die Nichterfuellung zu beanstanden, um genauere Daten über die Endverbraucher der Fahrzeuge selbst zu erfahren.
Dieses Vorgehen werden wir weiter in der Verkaufsorganisation ausarbeiten; das Projekt sieht eine neue Margenstruktur mit noch größerem Wichtigkeitsgrad vor, wobei der Prozentsatz der "maggiori-sconti" (Bonus) - dem die Erreichung der Vertragsverpflichtung mengen- und qualitätsmäßig unterliegt - erhöht und der feste Prozentsatz auf Fahrzeugrechnungen reduziert wird. Hierdurch wird eine bessere Verteilung der belastenden Margen erreicht...."
144 Dieses Schreiben nimmt Bezug auf ein Eingreifen von Autogerma, um die italienischen Vertragshändler in ihre Vertragsgebiete zu verweisen. Angesichts des Betreffs des Schreibens ("Parallelexporte") und des Zusammenhangs, der dort zwischen der Feststellung, daß einige Händler manchmal Verkäufe ins Ausland tätigten, und dem Eingreifen von Autogerma ("daher") hergestellt wird, muß die Formulierung "die Volkswagen-Audi-Händler in die vertraglich festgelegten Gebiete zu verweisen" bei vernünftiger Betrachtung dahin verstanden werden, daß Autogerma auf die Vertragshändler Druck ausübte, damit diese die Verkäufe außerhalb ihrer Vertragsgebiete, insbesondere an Ausländer, einstellten.
145 Das Schreiben belegt auch, daß, um das Eingreifen möglich zu machen, systematische Kontrollen vorgenommen wurden ("wobei Kontrollen... bei jeder einzelnen Firma durchgeführt werden").
146 Außerdem beweisen seine Abfassung im Präsens und die verwendeten Begriffe, daß das Eingreifen von Autogerma bereits stattfand. Nur die in bezug auf die Marge genannten Maßnahmen werden als Projekt dargestellt.
147 Autogerma hielt es auch für nützlich, "genauere Daten über die Endverbraucher" zu erfahren. Da aber Verkäufe an Endverbraucher definitionsgemäß zulässig sind, hatte Autogerma keinen stichhaltigen Grund, die Identität dieser Verbraucher ausfindig machen zu wollen. Im zweiten Absatz ihres Schreibens, in dem das ihrem Eingreifen zugrunde liegende Problem beschrieben wird, suggeriert Autogerma, daß die im Ausland niedergelassenen Vertragshändler der Organisation Eindringlinge seien. Diese Darstellung der Situation deutet auf ein Bestreben nach Behinderung der Querlieferungen hin. Jedenfalls zeigt die Erwähnung der Endverbraucher und der ausländischen Vertragshändler in dem Schreiben, daß sich dieses nicht nur auf die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer bezieht.
148 Der Maßnahmenkatalog, den Autogerma der Klägerin einige Tage später mit Schreiben vom 26. September 1994 (Fußnote 15 der Entscheidung) übermittelte, bestätigt diese Ausführungen.
149 Dieses Schreiben nennt neunzehn "von Autogerma getroffene... Maßnahmen, um die Wiederausfuhr zu überwachen und zu verhindern". Auch wenn die Beschreibung einiger dieser Maßnahmen es nicht zuläßt, deren Tragweite zu bestimmen (so die Formulierungen "Überprüfungen bei den verdächtigten Händlern", "rückfällige Händler werden zum Verlassen aufgefordert" und "... verhindert, daß sich die Händler nach unerwünschten Absatzkanälen umsehen"), so enthält das Schreiben auch Formulierungen, die klar zu erkennen geben, daß alle Reexporte gemeint sind.
150 So wird erwähnt, daß "[der] für sämtliche außergebietlichen Verkäufe gesperrte Quartalsbonus ab dem nächsten Quartal nur nach Maßgabe der Zulassung der Fahrzeuge gezahlt [wird]". Das Erfordernis der Zulassung des Fahrzeugs in Italien als Voraussetzung für die Zahlung des Bonus hält ganz offensichtlich nicht nur von Verkäufen an nichtautorisierte Wiederverkäufer, sondern auch von Querlieferungen und Direktverkäufen an Endverbraucher aus anderen Mitgliedstaaten ab. Folglich bezweckt diese Maßnahme eindeutig die Abschottung des italienischen Marktes. Auch wenn es richtig ist, daß diese Maßnahme so dargestellt wird, als müsse sie erst "ab dem nächsten Quartal" praktiziert werden, so gilt das nicht für eine andere, ähnliche Maßnahme, die in dem Schreiben so beschrieben wird: "[A]uch für die Werbemaßnahmen, die überwiegend für den Endverbraucher bestimmt sind, ist die Zulassung in Italien Voraussetzung für die Förderleistungen, die vor allem aus Zubehörteilen, Rückkaufzusage oder Finanzierungsmöglichkeiten bestehen".
151 Zu diesen Indizien tritt hinzu, daß das Schreiben allgemein die Verhinderung der Reexporte als zu verfolgendes Ziel behandelt ("getroffene... Maßnahmen, um die Wiederausfuhr zu überwachen und zu verhindern", oder auch "... um [Händler] von der Wiederausfuhr abzubringen").
152 Schließlich kann die Klägerin der Kommission auch nicht vorwerfen, den Interessengegensätzen innerhalb des Volkswagen-Konzerns oder der Stellung der Verfasser der sichergestellten Dokumente nicht Rechnung getragen zu haben. Denn diese Umstände entkräften nicht im geringsten den Inhalt dieser Dokumente.
Zu den Kontrollen, Warnungen und Sanktionen in bezug auf die Vertragshändler
- Vorbringen der Parteien
153 Nach Ansicht der Klägerin hat die Kommission fälschlicherweise festgestellt, daß die Klägerin, Audi und Autogerma die von den italienischen Händlern getätigten Verkäufe systematisch überwacht hätten.
154 Hierzu trägt die Klägerin erstens vor, daß die Kommission aus einer E-Mail vom 26. Januar 1995 geschlossen habe, daß eine Gebühr von 150 DM für die Ausstellung der Herstellerbescheinigung eingeführt worden sei (Randnr. 27 der Entscheidung), während diese Gebühr in Wirklichkeit für einen Zeitraum von wenigen Wochen nach Inkrafttreten einer neuen Regelung und damit für eine sehr begrenzte Zahl von Fahrzeugen eingeführt worden sei. Daß die Gebühr in dieser E-Mail so dargestellt worden sei, als diene sie der Erschwerung von Reexporten, liege daran, daß ihr Verfasser weder für die Gebühr noch für die Ausstellung der Herstellerbescheinigung zuständig gewesen sei. Soweit die Kommission auch berücksichtigt habe, daß Audi zusätzlich zur Gebühr einen Nachweis über den Fahrzeugerwerb verlangt habe (Randnr. 27 der Entscheidung), sei darauf hinzuweisen, daß eine Kopie des Kaufvertrags oder der Rechnung nur gefordert worden sei, um sicherzustellen, daß der Antragsteller der Herstellerbescheinigung auch wirklich der Erwerber gewesen sei. Die Klägerin verweist außerdem darauf, daß die Gebühr der Deckung der mit der Ausstellung von Herstellerbescheinigungen verbundenen internen und externen Kosten gedient habe, und gibt einen Überblick über diese Kosten.
155 Zweitens sei die Kommission angesichts einer Reihe von Dokumenten zu dem Schluß gekommen, daß die Hersteller Autogerma beauftragt hätten, die Reexporte systematisch zu überwachen und ihnen ihre Ergebnisse zu übermitteln (Randnrn. 28, 29 und 39 der Entscheidung). Es sei aber offensichtlich nicht möglich gewesen, aufgrund der in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen die Verkäufe jedes einzelnen Händlers zu überprüfen. Denn anhand der Zahlen über Reexporte lasse sich nicht feststellen, von welchem Händler ein Fahrzeug verkauft worden sei. Die Klägerin, Audi und Autogerma hätten lediglich Überprüfungen vorgenommen, wenn eine Firma oder eine Person, die offensichtlich verdächtig gewesen sei, ein nichtautorisierter Wiederverkäufer zu sein, eine Herstellerbescheinigung angefordert habe. So sei es z. B. bei den 25 Überprüfungen gewesen, die Audi zwischen Juni 1994 und Februar 1995 durchgeführt habe. Nach solchen Überprüfungen hätten die Klägerin und Audi Autogerma die Namen der grob vertragsbrüchigen Händler oder die Fahrgestellnummern der von nichtautorisierten Wiederverkäufern gekauften Fahrzeuge übermittelt, damit Autogerma die Händler habe ausfindig machen können, die diese Fahrzeuge verkauft hätten. Der Austausch solcher Informationen zwischen den Herstellern und Autogerma stelle keineswegs eine rechtswidrige Verhaltensweise dar, sondern habe nur zum Ziel gehabt, Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer aufzudecken.
156 Drittens habe die Kommission behauptet, daß Autogerma "täglich" die Auftragseingänge für Fahrzeuge überwacht habe (Randnr. 40 der Entscheidung), während sich das Protokoll vom 10. Februar 1995, auf dem diese Behauptung beruhe, auf eine stichprobenartige Überprüfung dieser Auftragseingänge beziehe. Auch wenn Autogerma nach diesem Protokoll versprochen habe, eine ständige Überprüfung einzuführen, sei eine solche niemals realisiert worden. Es sei auch nicht richtig, daß Autogerma die italienischen Vertragshändler dazu verpflichtet habe, keine Kraftfahrzeuge ohne ihre vorherige Zustimmung an nicht in Italien wohnhafte Kunden zu verkaufen (Randnr. 114 der Entscheidung). Selbst wenn Autogerma eine ständige Prüfung der Auftragseingänge durchgeführt hätte, wäre dies in Ordnung gewesen, da durch eine solche Überwachung rechtzeitig und präventiv die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer aufgedeckt werden könnten.
157 Viertens sei die Begründung in der Entscheidung, wonach das Kraftfahrt-Bundesamt geholfen habe, die italienischen Vertragshändler zu überwachen (Randnrn. 26 und 28 der Entscheidung), ebenfalls unzutreffend. Das Kraftfahrt-Bundesamt mache in seinen Auskünften die letzten drei Ziffern der Fahrgestellnummern unkenntlich, so daß einzelne Kraftfahrzeuge nicht identifiziert werden könnten. Außerdem habe dieses Amt Daten nur zur statistischen Verwendung übermittelt, anhand deren die Klägerin und Audi dann die Gesamtmenge der nach Deutschland reimportierten Fahrzeuge für jedes Modell hätten ermitteln können.
158 Auch wenn es richtig sei, daß Autogerma Händler ermahnt habe, die "organisierte Verkaufstätigkeit außerhalb der Vertragsgebiete" einzustellen, so sei ebenfalls offensichtlich, daß mit dem Ausdruck "organisierte Verkaufstätigkeit" Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer gemeint seien. Dies ergebe sich unmißverständlich aus einem Bericht vom 7. Dezember 1993, der sich insbesondere auf die Abmahnungen der Händler durch Autogerma und auf die Antworten einiger von ihnen beziehe, in denen diese sich verpflichtet hätten, nicht länger an nichtautorisierte Wiederverkäufer zu verkaufen. Die Klägerin zitiert Dokumente zum Beweis dafür, daß die ermahnten Händler tatsächlich in großem Umfang Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft hätten, so daß eine entschlossene Reaktion von Autogerma rechtlich und wirtschaftlich geboten gewesen sei. Über 90 % der Reexporte von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi aus Italien nach Deutschland, die von der Kommission für 1993 auf 19 000 Fahrzeuge, für 1994 auf 22 000 und für 1995 auf 19 000 geschätzt worden seien (Randnr. 11 der Entscheidung), seien von nichtautorisierten Wiederverkäufern durchgeführt worden. Sie führt ferner Schreiben deutscher Händler an, in denen diese sich darüber beschwerten, daß Vertragshändler unter Verstoß gegen ihre Verträge nicht zum Vertriebsnetz gehörende Wiederverkäufer belieferten, und die Klägerin aufforderten, die zur Einstellung dieser Verhaltensweisen notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
159 In bezug auf die tatsächlich verhängten Sanktionen trägt die Klägerin vor, daß die Kündigungen von Händlerverträgen, auf die sich die Kommission stütze, allesamt Händler beträfen, die wiederholt Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft hätten und die manchmal auch andere schwere Vertragsverletzungen begangen hätten.
160 Nach Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der Gesamtheit der in der Entscheidung zitierten Dokumente, daß die Verkäufe der italienischen Händler, einschließlich derjenigen an Privatpersonen, systematisch überwacht und von Autogerma täglich überprüft worden seien. Die Beklagte bestreitet außerdem, daß in der Entscheidung behauptet werde, Audi habe mit Hilfe der Auskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts eine solche Überwachung durchführen können. Sie weist dennoch darauf hin, daß ein Audi-Mitarbeiter, der einen Audi A 4 in Italien erworben hatte, befürchtet habe, daß das Fahrzeug bei einer Überprüfung der Statistik des Kraftfahrt-Bundesamts "als Reimport resultieren und Ärger bereiten" würde (Randnr. 30 der Entscheidung).
161 Hinsichtlich der Warnungen und Sanktionen beruft sich die Beklagte auf ein Schreiben vom 13. Juni 1994, in dem Autogerma Audi mitgeteilt habe, Händler abgemahnt zu haben, ihr Geschäft ausschließlich auf dem Inlandsmarkt Italien abzuwickeln, und zwei Händlerverträge gekündigt zu haben. In einem Schreiben an die Klägerin vom 14. Juni 1994 habe Autogerma erklärt, seit September 1993 ca. 60 Händler unter Androhung der Kündigung ihres Händlervertrags fortwährend ermahnt zu haben, von der Verkaufsaktivität außerhalb des Vertragsgebiets abzusehen. Die Beklagte erwähnt ferner eine interne Notiz der Klägerin vom 20. Februar 1995, wonach der Volkswagen-Konzern "gegen geltendes Recht [verstoße]" und "demnächst... mehreren Händlern (unter anderem auch größeren Betrieben) wegen Grauimporten gekündigt [werde] (nach außen natürlich wegen anderer Gründe)". Autogerma habe in den genannten Schreiben vom Juni 1994 auch nicht speziell auf nichtautorisierte Wiederverkäufer Bezug genommen. Vielmehr gehe es dort ganz allgemein um Abmahnungen und um die Kündigung einiger Händlerverträge wegen Verkäufen außerhalb des Vertragsgebiets.
- Würdigung durch das Gericht
162 Erstens enthält die angefochtene Entscheidung schlüssige und übereinstimmende Indizien dafür, daß die Klägerin insbesondere mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft Autogerma systematisch Kontrollen vorgenommen hat, um die Wirksamkeit der im Hinblick auf die Behinderung der Reexporte aus Italien ergriffenen Maßnahmen sicherzustellen, und Warnungen an die Vertragshändler gerichtet hat, um deren Geschäftstätigkeit zu begrenzen.
163 Wie oben in Randnummer 145 festgestellt, hat Autogerma nämlich in ihrem Schreiben an die Klägerin vom 21. September 1994 bestätigt, Kontrollen bei jedem ihrer Vertragshändler durchgeführt zu haben, um sich zu vergewissern, daß diese keine Verkäufe außerhalb ihrer Vertragsgebiete tätigten. Auch aus den Erklärungen von Herrn Schlesinger, die oben in Randnummer 51 zitiert sind, ergibt sich, daß diesem daran lag, persönlich jeden Einzelfall der Anerkennung einer Rückstellung/Verringerung des Bonus zu überprüfen, wenn es um die Anwendung der 15%-Regelung ging. Diese Indizien werden auch durch die spezifischen Argumente der Klägerin (vgl. oben, Randnrn. 154 bis 157) nicht entkräftet. Zudem kann die Behauptung der Klägerin, eine ständige und individualisierte Überprüfung der Vertragshändler sei nicht möglich gewesen, nicht die Schlußfolgerung entkräften, daß Autogerma eine Politik der systematischen Kontrolle praktiziert hat, die die anderen Maßnahmen zur Behinderung der Reexporte aus Italien verstärkt hat.
164 Was die Warnungen der Hersteller angeht, so nehmen zunächst die deutschen und österreichischen Verbraucher in ihren Beschwerden an die Hersteller oder die Kommission einhellig darauf Bezug, wobei sie sich auf die Aussagen der italienischen Vertragshändler ihnen gegenüber stützen. Das ergibt sich beispielsweise aus den Briefen oder Telefaxen, die oben in den Randnummern 106, 107, 109, 110 und 112 bis 114 zitiert sind (Telefax von Herrn Wieser: "... aufgrund einer Weisung der Audi-Werke"; Telefax von Herrn Bernhard: "eine Bestimmung der Volkswagen AG"; Schreiben von Herrn Baur: "selbstverständlich laufen die Bedrohungen nur über Telefon"; Schreiben von Herrn Keppler: "... daß VW den Verkauf verboten hätte. Bei Nichtbeachtung dieses Verbotes hätte VW den Entzug der Händlerlizenz angedroht"; Telefax von Herrn Mosser: "... daß die jeweilige Werkstätte ein Verbot von der Generalvertretung v. Audi hätte"; Telefax von Herrn Bilogan: "wegen einer Weisung des Fahrzeugherstellers"; Schreiben von Herrn Albrecht: "auf Anordnung von Wolfsburg"). Diese Aussagen werden durch das oben in Randnummer 92 angeführte Schreiben von Autogerma an die Firma Silemotori Negro und - was insbesondere die Querlieferungen angeht - durch das oben in Randnummer 82 angeführte Schreiben eines deutschen Vertragshändlers der Marken Volkswagen und Audi an die Klägerin vom 26. November 1993 bestätigt.
165 Die interne Mitteilung von Audi vom 12. Dezember 1994, die oben in Randnummer 136 zitiert ist, bestätigt in bezug auf Audi, daß dieser Hersteller es für ratsamer hielt, die im Hinblick auf die Verkäufe in Italien ergriffenen Maßnahmen mündlich mitzuteilen. Darüber hinaus läßt das Ziel, das in dem oben in Randnummer 143 zitierten Schreiben von Autogerma an die Klägerin vom 21. September 1994 bestimmt ist, nämlich "die Volkswagen-Audi-Händler in die vertraglich festgelegten Gebiete zu verweisen", vermuten, daß entsprechende Warnungen an diese Händler ergingen. Die Bestätigung hierfür findet sich in dem Schreiben von Autogerma an Audi vom 13. Juni 1994 (oben in Randnr. 80 zitiert): "[d]urch Autogerma wurden betreffende Händlerbetriebe mehrfach angemahnt ihr Geschäft ausschließlich auf dem Inlandsmarkt Italien abzuwickeln. Es erfolgten sogar zwei Händlerkündigungen." Ebenso berichtet Autogerma in einem Schreiben an die Klägerin vom 14. Juni 1994 über Parallelexporte (Fußnote 65 der Entscheidung): "Seit September 1993 wurden ca. 60 Händler fortwährend ermahnt, von der Verkaufsaktivität außerhalb des Vertragsgebietes im Inland und Ausland abzusehen. Diese Händler wurden explizit darauf hingewiesen, daß im Fall der Nichteinhaltung mit der Lösung des Händlervertrages gerechnet werden muß.... Autogerma beabsichtigt, auch in Zukunft mit gleicher Entschlossenheit vorzugehen, um das festgelegte Ziel zu erreichen die Exporte aus Italien zu unterbinden." Schließlich war der Einfluß auf die Vertragshändler in dem oben in Randnummer 139 zitierten "Marketingplan Deutschland 1995" buchstäblich vorgesehen ("Einflußnahme auf die Händlerschaft"). Dieser Einfluß muß im Kontext dieses Dokuments als Anordnung an die deutschen Vertragshändler verstanden werden, keine Fahrzeuge mehr zu importieren.
166 Zweitens enthält aber die angefochtene Entscheidung keine ausreichend schlüssigen und übereinstimmenden Indizien dafür, daß die Klägerin mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft Autogerma die italienischen Vertragshändler tatsächlich mit Sanktionen belegt hat, insbesondere durch die Kündigung ihres Händlervertrags mit der Begründung, daß sie Fahrzeuge an Endverbraucher oder Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi anderer Mitgliedstaaten lieferten.
167 Zwar ergibt sich aus bestimmten Dokumenten, daß die Sanktion der Vertragskündigung gegen einige italienische Händler aus Gründen verhängt wurde, die mit Reexporten zusammenhingen. Das gilt beispielsweise für das oben in Randnummer 165 angeführte Schreiben von Autogerma an Audi vom 13. Juni 1994 und die von Autogerma mit Schreiben vom 7. Juni 1994 (Fußnote 121 der Entscheidung) an die Klägerin übermittelte Liste über drei im Jahre 1993 gekündigte Händlerverträge, die folgendermaßen abgefaßt ist:
"1993 wurden drei Verträge mit folgenden Händlern gekündigt:
1) Dino Conti Triest Begründung: a) Grauexporte b) Zusammenarbeit mit anderen Marken
2) Beretich Pordenone Begründung: a) Grauexporte b) Marktabdeckung c) Schwache Organisation d) Finanzielle Probleme
3) Autosial S. Benedetto (AP) a) Grauexporte b) Finanzielle Probleme"
168 Es ist jedoch durchaus denkbar, daß diese Vertragshändler tatsächlich ihren Händlervertrag verletzt hatten, insbesondere durch Verkäufe von Fahrzeugen an nichtautorisierte Wiederverkäufer, was die verhängte Sanktion voll und ganz rechtfertigen würde. Die Aussage von Audi in ihrem Bericht vom 10. Februar 1995 über den Besuch bei Autogerma (Fußnote 125 der Entscheidung), in der es heißt: "8 Händler wurden gekündigt... als Begründung für die Kündigung wurde nicht Grauexport angegeben", steht dieser Überlegung nicht entgegen, da es jedenfalls noch andere Arten von Verletzungen des Händlervertrags gibt als Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer. Der Beistand der Beklagten hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichts bestätigt, daß die Vertragshändler, deren Vertrag gekündigt wurde, Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft hatten.
169 Folglich kann aufgrund der von der Kommission bezüglich der Kündigungen von Händlerverträgen beigebrachten Beweismittel nicht ausgeschlossen werden, daß nur die Vertragshändler, die neben anderen Verletzungen ihrer vertraglichen Pflichten Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft haben, tatsächlich mit Sanktionen belegt wurden. Somit hat die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler begangen, daß sie es als erwiesen angesehen hat, daß die Kündigungen der betreffenden Händlerverträge eine rechtswidrige Maßnahme darstellten.
Zu den Wirkungen der Reexportbehinderungen
Vorbringen der Parteien
170 Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission auch nicht nachgewiesen, daß die angeblich von den Herstellern und Autogerma ergriffenen Maßnahmen die zulässigen Reexporte aus Italien beeinflußt hätten.
171 Daß in allen Zeiten, in denen es erhebliche Disparitäten zwischen der italienischen Lira einerseits und der Deutschen Mark und dem österreichischen Schilling andererseits gegeben habe, Kraftfahrzeuge aus Italien in großer Zahl reexportiert worden seien, belege, daß sich die angeblich von der Klägerin, Audi und Autogerma getroffenen Maßnahmen nicht spürbar ausgewirkt hätten. Die tatsächlichen Reexporte aus Italien nach Deutschland in den Jahren 1993 bis 1995 von je etwa 20 000 Fahrzeugen zeigten, daß die Maßnahmen gegen die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer entweder wirkungslos gewesen seien oder zwar gewirkt hätten, aber die zulässigen Käufe deutscher Endabnehmer in Italien entsprechend zugenommen hätten. Den 1995 reexportierten 19 338 Fahrzeugen stuenden 36 Beschwerden von Personen gegenüber, die sich als Endabnehmer bezeichneten und kein Fahrzeug in Italien hätten erhalten können. Eine große Zahl dieser Beschwerden sei außerdem unberechtigt gewesen. Einige Beschwerdeführer hätten das gewünschte Fahrzeug erhalten, während andere in Wirklichkeit nichtautorisierte Wiederverkäufer gewesen seien.
172 Während des größten Teils des von der Kommission berücksichtigten Zeitraums, nämlich zwischen 1987 und Anfang 1993, sei es für nicht in Italien wohnhafte Verbraucher uninteressant gewesen, ein Fahrzeug in diesem Staat zu erwerben. Eher hätten die italienischen Kunden ein Interesse daran gehabt, ein Fahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat zu kaufen.
173 Schließlich werde die Behauptung der Kommission, die Vertragshändler hätten aufgrund des ihnen auferlegten Verbotes entschieden, keine Exporte bzw. keine Exporte über 15 % hinaus zu tätigen, oder auch andere Maßnahmen ergriffen, wie die Zulassung aller Fahrzeuge in Italien oder die Kündigung von Mitarbeitern, die ins Ausland verkauft hätten, durch keines der zur Begründung angeführten Dokumente belegt.
174 Die Beklagte weist zunächst darauf hin, daß Maßnahmen, die eine Abschottung nationaler Märkte durch Behinderung von Paralleleinfuhren bezweckten oder bewirkten, gegen den EG-Vertrag verstießen, sofern sie spürbar seien. Der Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag hänge nicht vom Erfolg der Versuche ab, die nationalen Märkte gegeneinander abzuschotten.
175 Nach Durchsicht der vielen Beschwerdebriefe von Kaufinteressenten könne es keinem Zweifel unterliegen, daß die italienischen Vertragshändler davon ausgegangen seien, daß ihnen ein Verbot erteilt worden sei, Fahrzeuge an Ausländer zu verkaufen. Es sei offensichtlich, daß diese Situation großenteils dadurch hervorgerufen worden sei, daß Autogerma in ihren Anweisungen gegenüber diesen Händlern nicht zwischen zulässigen und unzulässigen Verkäufen unterschieden habe.
176 Auch hätten die Schreiben der Händler an die Kaufinteressenten, in denen diesen Lieferfristen von über einem Jahr und mögliche Preisänderungen mitgeteilt worden seien, offensichtlich zur Folge gehabt, daß die meisten von ihnen vom Kauf eines Fahrzeugs in Italien abgesehen hätten. Das Erfordernis, daß sich der Erwerber bei Androhung einer schweren Vertragsstrafe habe verpflichten müssen, das Fahrzeug nicht vor Ablauf von drei Monaten nach dem Kauf und Erreichen eines Kilometerstands von 3 000 km weiterzuverkaufen, sei ebenfalls geeignet gewesen, von Käufen in diesem Staat abzuhalten.
177 Die Beklagte zitiert schließlich ein Dokument, das einen Rückgang der Reexporte von Fahrzeugen der Marke Audi aus Italien beweise.
Würdigung durch das Gericht
178 Nach ständiger Rechtsprechung brauchen für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt. Daher ist es nicht erforderlich, tatsächliche wettbewerbswidrige Wirkungen darzulegen, wenn der wettbewerbswidrige Zweck der beanstandeten Verhaltensweisen erwiesen ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322, 390, und vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnrn. 12 bis 14). Wie bereits festgestellt, hat die Kommission bewiesen, daß die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, die die Abschottung des italienischen Marktes bezweckten (vgl. oben, insbesondere Randnrn. 88 und 89). Die Kommission war somit nicht verpflichtet, die konkreten Auswirkungen dieser Maßnahmen auf den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu untersuchen.
179 Solche Maßnahmen waren zudem ihrem Wesen nach im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und 36/78 bis 82/78, BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435, Randnr. 32). Eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur beeinträchtigen, wenn sich anhand objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen läßt, daß sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann. Hierfür muß insbesondere untersucht werden, ob die fraglichen Maßnahmen auf dem Markt für bestimmte Waren Handelsschranken zwischen Mitgliedstaaten errichten und so die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung erschweren können (Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société Technique Minière, Slg. 1966, 282, 303, Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 39). Das ist hier offensichtlich der Fall. Die 15%-Regelung und die Kontingentierung der Belieferung der italienischen Vertragshändler kommen jeweils, insbesondere für die deutschen und österreichischen Vertragshändler, einem Gebietsschutz und für die italienischen Vertragshändler einer Einschränkung ihrer geschäftlichen Handlungsfreiheit gleich. Diese Maßnahmen banden sämtliche Händler der Marken Volkswagen und Audi in einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes (Italien) und trugen damit zur Abschottung des italienischen Marktes bei. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, sind schon ihrem Wesen nach geeignet, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem sie die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindern (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia/Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 22, und Urteil Bayerische Motorenwerke, Randnrn. 19 und 20).
180 Schließlich belegen jedenfalls die Beschwerden deutscher und österreichischer Verbraucher, die oben in den Randnummern 105 bis 116 untersucht wurden, daß die von der Klägerin, Audi und Autogerma ergriffenen Maßnahmen tatsächliche Auswirkungen gehabt haben. Audi hat im übrigen nicht verhehlt, daß es sich um einen "Erfolg" handelte (vgl. das oben in Randnr. 85 zitierte Dokument; vgl. auch das oben in Randnr. 138 zitierte Telefax von Porsche Austria).
181 Nach alledem ist die Argumentation der Klägerin hinsichtlich der Wirkungen der Reexportbehinderungen zurückzuweisen.
Zur Dauer der Reexportbehinderungen
Vorbringen der Parteien
182 Die Klägerin trägt vor, daß die Verhaltensweisen, die ihr vorgeworfen würden, keinesfalls 1987 begonnen hätten und nach Oktober 1995 fortgesetzt worden seien. Die von der Kommission sichergestellten Dokumente bezögen sich nur auf die Jahre 1993 bis 1995.
183 Den Zeitpunkt des Beginns dieser Verhaltensweisen habe die Kommission auf den 30. Dezember 1987 festgelegt, wobei sie sich auf das Datum einer Fassung der Convenzione B berufe (Randnr. 202 der Entscheidung). Da dieses Dokument aber nur die Vereinbarung zwischen den Händlern und Autogerma über das Bonussystem belege und nicht die anderen in der Entscheidung beanstandeten Maßnahmen betreffe, sei die Behauptung der Kommission, der in der Entscheidung abgehandelte Verstoß sei generell ab 30. Dezember 1987 bewiesen, nicht schlüssig.
184 Was den Zeitpunkt der Einstellung der vorgeworfenen Verhaltensweisen betreffe, sei die Schlußfolgerung in Randnummer 216 der Entscheidung, daß die Zuwiderhandlung zum damaligen Zeitpunkt "nicht vollständig beendet [war]", angesichts des den Händlern im Dezember 1996 übersandten Rundschreibens falsch. Selbst wenn die Feststellung in Artikel 1 der Entscheidung zutreffe, müsse daher Artikel 2 der Entscheidung für nichtig erklärt werden, da er der Klägerin bestimmte Maßnahmen aufgebe, die diese bereits ergriffen habe.
185 Die Beklagte trägt zunächst vor, daß sie in Randnummer 202 der Entscheidung den Zeitpunkt 30. Dezember 1987 als Beginn des Verstoßes allein mit dem Bonussystem begründe und also kein Mißverständnis über den Gegenstand oder Umfang des beanstandeten Verstoßes in dem fraglichen Zeitraum entstehen könne. Daß die anderen Maßnahmen erst später ergriffen worden seien, stehe der Qualifizierung der Gesamtheit dieser Maßnahmen einschließlich des Bonussystems als Gesamtstrategie nicht entgegen.
186 Ferner beginne ein Verstoß immer mit der ersten Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise, und er dauere so lange an, wie nicht die letzte Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise aufgekündigt, beendet oder sonst abgestellt worden sei. Das Rundschreiben vom 16. März 1995 habe den Verstoß nicht beseitigt, weil dieses Rundschreiben nicht praktiziert worden sei. Das werde durch mehrere Dokumente belegt. Außerdem seien die Maßnahmen zur finanziellen Sanktionierung von Verkäufen außerhalb des Vertragsgebiets wie die Blockierung des Bonus von 3 % von dem Rundschreiben nicht berührt worden. Auch das Rundschreiben vom Dezember 1996 habe den Verstoß nicht vollständig abgestellt.
187 Daß die Schwere des Verstoßes 1997 zurückgegangen sei, sei schließlich bei der Festsetzung der Geldbuße durch die abgestufte Bemessung der Erhöhungsbeträge für die Dauer des beanstandeten Sachverhalts berücksichtigt worden.
Würdigung durch das Gericht
188 Aus dem Anspruch der Wirtschaftsteilnehmer auf Rechtssicherheit folgt, daß die Kommission bei einem Streit über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln Beweismaterial beibringen muß, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, daß sie vernünftigerweise den Schluß zulassen, daß die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist (Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 79).
189 Erstens ergibt sich aus dem Umstand, daß die 15%-Regelung zwischen dem 1. Januar 1988 und dem 30. September 1996 ununterbrochen in Kraft war (vgl. oben, Randnr. 48), eindeutig, daß die Klägerin während dieser ganzen Zeit gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln verstoßen hat (vgl. oben, Randnr. 49). Auch wenn sich diese Regelung - wie oben in Randnummer 49 angemerkt - in Zeiten, in denen es für Verbraucher anderer Mitgliedstaaten sehr interessant war, ein Fahrzeug in Italien zu kaufen (im vorliegenden Fall ab 1993) deutlicher ausgewirkt haben mag, so hat die fragliche Regelung nichtsdestoweniger zum Ziel, einen gewissen Gebietsschutz und damit insoweit die Abschottung des Marktes dadurch sicherzustellen, daß sie die italienischen Vertragshändler dazu veranlaßt, jedes Jahr mindestens 85 % der verfügbaren Fahrzeuge dem Verkauf an die italienische Kundschaft vorzubehalten. Zwar hat die Kommission eine etwas ungenaue Abgrenzung vorgenommen, als sie für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der 15%-Regelung auf das Jahr 1987 (Randnr. 75 der Entscheidung), auf den 30. Dezember (Randnrn. 202 und 216 der Entscheidung) oder auf den 31. Dezember (Randnr. 215 der Entscheidung) abgestellt hat; es erweist sich jedoch, daß sich dies nicht auf das Gefüge der Entscheidung auswirkt und somit nicht zu deren Nichtigerklärung führen kann, da die Kommission das Jahr 1987 für die Bemessung der Höhe der Geldbuße nicht berücksichtigt hat (Randnr. 217 der Entscheidung).
190 Zweitens hat die Kommission ihr Vorbringen, daß in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung noch immer in gewissem Umfang eine Zuwiderhandlung der Klägerin vorgelegen habe, allein auf die Behauptung gestützt, die Klägerin habe nach Zugang der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Oktober 1996 in dieser ganzen Zeit keine eindeutige Erklärung abgegeben, daß die Maßnahmen zur Marktabschottung aufgehoben worden seien. Das wird durch die Randnummern 27, 28 und 348 der Klagebeantwortung sowie durch die Randnummer 126 der Gegenerwiderung bestätigt. In der letztgenannten Randnummer hat die Kommission erläutert, daß man Ende des Jahres 1996 und im Jahre 1997 nicht davon habe ausgehen können, daß die Zuwiderhandlung beendet worden sei, weil die Klägerin nicht dargelegt habe, "die Gebietsbeschränkungen auch aus ihren Vereinbarungen" entfernt zu haben. Auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat der Beistand der Beklagten diese Erklärung bestätigt.
191 Dieser Beurteilung des Sachverhalts stehen einige Schriftstücke in der Akte entgegen. So haben die Klägerin und Audi in Randnummer 48 der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte eindeutig mitgeteilt: "Mit Wirkung zum 1.10.1996... ist die 15%-Regelung weggefallen." Ferner hat die Klägerin bei der Anhörung am 7. April 1997 vorgetragen: "Die Volkswagen- und Audi-Händlerverträge, ebenso wie die Importeurverträge im Gebiet der Europäischen Union... wurden zum 1. Oktober 1996 so umgestaltet, daß sie nunmehr den von der EU-Kommission neu gesetzten Rahmenbedingungen in der GVO 1475/95 entsprechen." Außerdem hat Autogerma in dem Rundschreiben vom 19. Dezember 1996, das auf Veranlassung der Klägerin an die italienischen Vertragshändler übersandt wurde, diesen die ihnen aufgrund der Gemeinschaftsregelung zustehenden kaufmännischen Rechte klar dargelegt:
"Sehr geehrte Herren,
im Oktober 1996 hat die Kommission der Europäischen Union uns förmlich vorgeworfen, daß wir Sie seit 1987 mit verschiedenen Maßnahmen daran gehindert hätten, Fahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi an Kunden und Vertragshändler der Volkswagen-Audi-Vertriebsorganisation in Deutschland und Österreich zu verkaufen. Wie auch die Volkswagen AG und die Audi AG sind wir der Auffassung, daß diese Beanstandungen nicht gerechtfertigt sind. Hierzu möchten wir jedenfalls folgendes klarstellen:
1. Sie sind ohne Einschränkung berechtigt, Fahrzeuge an Endabnehmer in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes zu verkaufen. Das gilt auch, wenn die Endabnehmer Vermittler einschalten.
Sie sind darüber hinaus ohne Einschränkung berechtigt, Fahrzeuge an andere Händler der Volkswagen-Audi-Vertriebsorganisation in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes zu verkaufen.
Falls Sie solche Verkäufe tätigen, müssen Sie mit keiner direkten oder indirekten Sanktion rechnen, weder von uns noch von der Volkswagen AG oder der Audi AG.
2. Es ist Ihnen demgegenüber nicht gestattet, Fahrzeuge an Verkaufsstellen zu verkaufen, die nicht der Volkswagen-Audi-Vertriebsorganisation angehören.
3. Die Händlermarge und die vereinbarten Bonuszahlungen, die Ihnen von Autogerma gewährt werden, werden in keiner Weise, direkt oder indirekt, ganz oder teilweise, davon abhängig gemacht, in welchem Umfang Sie außerhalb Ihres Vertragsgebiets verkauft haben."
192 Mangels Beibringung entsprechender Beweismittel hat die Kommission rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, daß zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem Januar 1998 noch immer eine Zuwiderhandlung der Klägerin vorgelegen hat.
Schlußfolgerungen
193 Die von der Kommission sichergestellten schlüssigen und übereinstimmenden Dokumente belegen, daß die Klägerin Maßnahmen ergriffen hat, die die Abschottung des italienischen Marktes für Neufahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi bezweckten. Dies geschah in Form einer Kontingentierung der Belieferung der italienischen Vertragshändler, einer Politik, der zufolge der übliche Bonus von 3 % den Vertragshändlern, die mehr als 15 % ihrer Verkäufe mit Personen tätigten, die außerhalb Italiens wohnhaft sind, nur teilweise gewährt wurde, sowie in Form von Kontrollen und Warnungen. Außerdem ist erwiesen, daß sich diese Maßnahmen in Hindernissen für Verbraucher und Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi aus anderen Mitgliedstaaten beim Erwerb von Fahrzeugen dieser Marken in Italien niedergeschlagen haben.
194 Die Prüfung dieses ersten Klagegrundes ergibt somit, daß die Kommission zu der Schlußfolgerung berechtigt war, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag begangen hat. Die Frage, ob die Kommission die unzulässigen Maßnahmen rechtsfehlerhaft als "Vereinbarungen" zwischen der Klägerin, Audi und Autogerma einerseits und den italienischen Vertragshändlern andererseits qualifiziert hat (vgl. den Wortlaut von Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung, oben, Randnr. 28), wird nachfolgend im Rahmen des zweiten Klagegrundes geprüft.
195 Außerdem haben die von der Kommission vorgelegten, oben angeführten Beweismittel eine solche Beweiskraft, daß die zahlenmäßigen Angaben und die Argumente der Klägerin hinsichtlich der erheblichen Fahrzeugmengen, die im vorliegend untersuchten Zeitraum gleichwohl aus Italien nach Deutschland reexportiert worden seien (vgl. oben, Randnr. 76), jedenfalls keinen Einfluß auf die Schlußfolgerungen in bezug auf das Vorliegen des Verstoßes haben können. Denn diese Umstände zeigen allenfalls, daß das angestrebte Ziel mit den Maßnahmen der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaften nicht erreicht werden konnte (vgl. auch oben, Randnr. 178). Selbst wenn sich herausstellen würde, daß die Zahl der verhinderten Reexporte im Vergleich zu der der realisierten Reexporte trotz der zu ihrer Behinderung ergriffenen Maßnahmen gering ist, so bliebe dadurch der systematische Charakter der oben untersuchten Zuwiderhandlungen unberührt, die die Kommission ordnungsgemäß festgestellt hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnrn. 45 und 46).
196 Zwar hat die Klägerin nachgewiesen, daß der Sachverhalt in bestimmten Begründungserwägungen der Entscheidung fehlerhaft gewürdigt wurde, nämlich soweit die Kommission ihre Schlußfolgerungen bezüglich des Splitmargensystems und der Kündigung einiger Händlerverträge gezogen hat, ohne über ausreichend aussagekräftige, schlüssige und übereinstimmende Indizien zu verfügen (vgl. oben, Randnrn. 65 bis 72 und 166 bis 169). Dies kann jedoch nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung insgesamt führen. Denn wie bereits oben in den Randnummern 193 und 194 festgestellt, ist die Kommission zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß die Klägerin Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag begangen hat.
197 Dennoch berührt diese fehlerhafte Sachverhaltswürdigung der Kommission bis zu einem gewissen Grad den verfügenden Teil der Entscheidung. Wie sich insbesondere aus den Randnummern 214 und 220 der Entscheidung ergibt, wurden das Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge - wenn auch nachrangig - bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung und damit bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt, deren Höhe in Artikel 3 der Entscheidung beziffert ist.
198 Folglich muß die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt werden, soweit mit ihr festgestellt wird, daß ein Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge als Sanktion Maßnahmen darstellten, die ergriffen wurden, um Reexporte von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi aus Italien durch Endverbraucher und Vertragshändler dieser Marken aus anderen Mitgliedstaaten zu behindern.
199 Das Fehlen von Beweisen hinsichtlich der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung beeinträchtigt die Rechtmäßigkeit von Artikel 1 der Entscheidung nicht, soweit die Kommission dort feststellt, daß die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen hat. Dadurch wird auch nicht die Rechtmäßigkeit der Artikel 2 und 5 der Entscheidung in Frage gestellt, in denen die Kommission der Klägerin aufgibt, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die Zuwiderhandlung abzustellen, und ein Zwangsgeld festsetzt, um die Durchführung dieser Anweisungen sicherzustellen. Daß die Kommission keine schlüssigen und übereinstimmenden Indizien für die Fortdauer der Zuwiderhandlung nach dem 1. Oktober 1996 beigebracht hat, führt allein nicht zu der Gewißheit, daß diese tatsächlich abgestellt worden ist. Folglich ist der Kommission zwar vorzuwerfen, die Geldbuße neben anderen Elementen auch aufgrund der nicht bewiesenen Behauptung festgesetzt zu haben, daß die Zuwiderhandlung zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem Erlaß der Entscheidung angedauert habe. Es kann ihr dagegen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie im verfügenden Teil der Entscheidung der Klägerin bestimmte mit Zwangsgeld bewehrte Anweisungen gegeben hat, um mit Sicherheit für eine Beendigung jeglicher Zuwiderhandlung zu sorgen. Sollte im übrigen die Zuwiderhandlung tatsächlich beendet worden sein, würde dies ohnehin die Artikel 2 und 5 der Entscheidung wirkungslos machen.
200 Dennoch berührt die fehlerhafte Würdigung der Dauer der Zuwiderhandlung durch die Kommission bis zu einem gewissen Grad den verfügenden Teil der Entscheidung. Wie sich aus Randnummer 217 der Entscheidung ergibt, wurden das Ende des Jahres 1996 und das Jahr 1997 für die Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt, deren Höhe in Artikel 3 der Entscheidung beziffert ist.
201 Folglich muß die angefochtene Entscheidung auch insoweit für nichtig erklärt werden, als mit ihr festgestellt wird, daß die fragliche Zuwiderhandlung in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlaß der Entscheidung nicht vollständig beendet war.
202 Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären, als mit ihr festgestellt wird, daß ein Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge als Sanktion Maßnahmen darstellten, die ergriffen wurden, um Reexporte von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi aus Italien durch Endverbraucher und Vertragshändler dieser Marken aus anderen Mitgliedstaaten zu behindern, und daß die fragliche Zuwiderhandlung in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlaß der Entscheidung nicht vollständig beendet war.
B - Zweiter Klagegrund: Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag
Vorbringen der Parteien
203 Die Klägerin macht geltend, daß die Kommission bei der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag mehrere Rechtsfehler begangen habe.
Zur fehlenden Marktabgrenzung
204 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe in der Entscheidung die Tatbestandsmerkmale aus Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag geprüft, die am einfachsten festzustellen seien, wie dasjenige, ob die Hersteller, Autogerma und die Händler Unternehmen seien. Sie habe aber - anders als noch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte - überhaupt nicht behandelt, wie der Markt, auf dem sich der Verstoß gegen den EG-Vertrag abgespielt haben solle, zu definieren sei. Die sachliche Marktabgrenzung sei im vorliegenden Fall offensichtlich (Pkw-Markt), doch beeinträchtige die fehlende räumliche Marktabgrenzung die Rechtmäßigkeit der Entscheidung.
205 Nur wenn der Markt feststehe, könne exakt bestimmt werden, ob die fragliche Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sei und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecke oder bewirke. Außerdem hätten die Hersteller der von der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vertretenen Auffassung, geographisch relevant sei der Gemeinsame Markt, in ihrer Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten dezidiert widersprochen. Der Gemeinsame Markt sei nicht der geographisch relevante Markt, da es beträchtliche rechtliche (im Bereich der Steuergesetzgebung) und ökonomische (Währungsdisparitäten, unterschiedliche Käuferpräferenzen) Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten gebe.
206 Nach Auffassung der Beklagten war eine räumliche Marktabgrenzung im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Unerläßlich sei die Abgrenzung des relevanten Marktes in aller Regel nur in Fällen der Fusionskontrolle und in Verfahren zur Feststellung des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Bei der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sei die einzige wesentliche Frage in geographischer Hinsicht diejenige, ob die Vereinbarung oder die abgestimmten Verhaltensweisen, um die es gehe, geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Zur fehlerhaften Würdigung der Behinderungen in ihrer Gesamtheit
207 Die Klägerin verweist darauf, daß bei der Beurteilung einer Vereinbarung im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag diejenigen Teile der Vereinbarung, die tatsächlich unter das Verbot dieses Artikels fielen, von denen zu unterscheiden seien, bei denen dies nicht der Fall sei. Im vorliegenden Fall habe die Kommission diesen Grundsatz mißachtet, indem sie aus einem "System von Maßnahmen" ein Exportverbot bzw. eine Exportbeschränkung abgeleitet habe (Randnrn. 112 und 131 der Entscheidung).
208 Im übrigen fügten sich die von der Kommission behaupteten Maßnahmen nicht zu einem System zusammen, da kein Zusammenhang zwischen ihnen bestehe.
209 Die Beklagte hält dem entgegen, daß die in der Entscheidung abgehandelten Maßnahmen, wie das Bonussystem, das Splitmargensystem, die Kontingentierung der Belieferung und die von den Erwerbern verlangte Verpflichtungserklärung, offensichtlich eine Gesamtstrategie bildeten, um die italienischen Händler dazu zu veranlassen, von jeglichen Aktivitäten außerhalb ihres Vertragsgebiets abzusehen. Im übrigen habe sie zwischen den zulässigen und den unzulässigen Maßnahmen unterschieden, da sie sich allein gegen die Maßnahmen gewandt habe, die die Be- oder Verhinderung von Verkäufen an Endverbraucher (gegebenenfalls über Vermittler) und an Händler aus anderen Mitgliedstaaten als Italien bezweckt oder bewirkt hätten.
Zur fehlerhaften Qualifizierung der Behinderungen in ihrer Gesamtheit als Vereinbarungen
210 Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Kommission die Maßnahmen der beiden betroffenen Hersteller und von Autogerma fälschlicherweise als Vereinbarungen zwischen diesen drei Unternehmen und den italienischen Händlern gedeutet habe. Eine Vereinbarung habe sicherlich vorgelegen im Hinblick auf das Bonussystem, das ausdrücklich in der Convenzione B, einer Anlage zum Händlervertrag, vorgesehen gewesen sei. Das gälte auch für das Splitmargensystem, wenn es eingeführt worden wäre. Die anderen Maßnahmen wie ein Verbot der Querlieferungen innerhalb des Vertriebsnetzes und eine restriktive Belieferung des italienischen Marktes könnten jedoch nicht als Vereinbarungen qualifiziert werden. Die Entscheidung sei im übrigen in dieser Hinsicht widersprüchlich, da zum einen behauptet werde, daß die genannten Maßnahmen "im gegenseitigen Einverständnis zur praktischen Ausgestaltung des Händlervertrags vorgenommen wurden" (Randnr. 128), und zum anderen, daß es "für eine abgestimmte Verhaltensweise ausreicht,... wenn ein Unternehmen wissentlich und autonom sein Verhalten den Wünschen eines anderen Unternehmens anpaßt" (Randnr. 129).
211 Die von bestimmten Kunden verlangte Verpflichtungserklärung, die die Kommission ebenfalls für mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln unvereinbar gehalten habe, könne keine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen, da die Kunden keine Unternehmen seien.
212 Die Beklagte führt zunächst aus, daß die einzelnen in der Entscheidung abgehandelten Maßnahmen in unterschiedlicher Abstufung Elemente einer Vereinbarung aufwiesen oder aber zumindest abgestimmte Verhaltensweisen darstellten. Eine genaue Abgrenzung zwischen diesen beiden Begriffen sei nicht erforderlich, da der EG-Vertrag die Vereinbarungen und die abgestimmten Verhaltensweisen in gleicher Weise verbiete.
213 Innerhalb einer wirtschaftlichen Einheit könne es zwar weder Vereinbarungen noch abgestimmte Verhaltensweisen geben. Dennoch könnten interne Dokumente beweisen, daß diskutierte Maßnahmen anschließend praktiziert und zum Gegenstand von Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen gemacht worden seien. So habe sich die restriktive Belieferung des italienischen Marktes insofern in die vertraglichen Beziehungen zwischen Autogerma und den Händlern eingefügt, als der Händlervertrag die Lieferungen von Autogerma an die Händler von der Belieferung von Autogerma durch die Hersteller abhängig gemacht habe.
214 Jedenfalls habe es eine Vereinbarung in dem Sinne gegeben, daß zahlreiche Händler der Anwendung des Verbots von Querlieferungen innerhalb des Vertriebsnetzes zugestimmt hätten.
215 Schließlich greife das Argument nicht durch, daß der Käufer des Fahrzeugs kein Unternehmen sei. Nicht die Verpflichtungserklärung, die der Händler von dem Kunden verlange, verstoße gegen den EG-Vertrag, sondern die Vereinbarung zwischen Autogerma und den Händlern über die Verpflichtung, eine solche Verpflichtungserklärung zu verlangen.
Zum Verstoß gegen die Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95
216 Die Klägerin wirft der Kommission außerdem vor, der Verordnung Nr. 123/85 nicht gebührend Rechnung getragen zu haben. Diese charakterisiere in ihrer ersten Begründungserwägung die Vereinbarungen im selektiven Kfz-Vertriebssystem als Vereinbarungen, "in denen der liefernde Vertragspartner den weiterverkaufenden Vertragspartner damit betraut, Vertrieb und Kundendienst für bestimmte Waren des Kraftfahrzeugsektors in einem bestimmten Gebiet zu fördern, und in denen der Lieferant sich gegenüber dem Händler verpflichtet, im Vertragsgebiet mit Vertragswaren nur den Händler oder außer dem Händler nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes zum Zwecke des Weiterverkaufs zu beliefern". Nach der neunten Begründungserwägung dieser Verordnung dürften dem Händler Beschränkungen für Tätigkeiten außerhalb des Vertragsgebiets auferlegt werden, weil sie "zu verstärktem Einsatz bei Vertrieb und Kundendienst in einem überschaubaren Vertragsgebiet und zu verbrauchernaher Marktkenntnis und bedarfsorientiertem Angebot" führten. Außerdem sehe Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 3 der Verordnung Nr. 123/85 vor, daß der Händler verpflichtet werden dürfe, "sich zu bemühen, binnen eines bestimmten Zeitraums innerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren [in einem Mindestumfang] abzusetzen". Die Kommission habe gegen die Verordnung Nr. 123/85 vor allem bei der Beurteilung des Bonussystems verstoßen. Die 15%-Regelung werde vom zitierten Wortlaut der Verordnung Nr. 123/85 vollständig gedeckt. Denn es werde erwartet, daß jeder Händler seine Tätigkeit besonders auf sein Vertragsgebiet konzentriere. Das Bonussystem habe demnach weder einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck noch eine solche Wirkung gehabt.
217 Für die rechtliche Beurteilung dieses Systems sei allein die Verordnung Nr. 123/85 maßgeblich, weil es in der Zeit nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1475/95 nicht mehr gegolten habe. Aber auch nach Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1475/95 wäre das Bonussystem zulässig gewesen, da diese Verordnung Differenzierungen bei Entgelten "nach Maßgabe des Bestimmungsortes der weiterverkauften Kraftfahrzeuge oder des Wohnsitzes des Käufers" gestatte.
218 Die Kommission habe auch bei ihrer Beurteilung der angeblichen Bemühungen der Hersteller, den Händlern in Italien nur so viele Fahrzeuge zu liefern, wie dort tatsächlich zum Verbleib benötigt worden seien, die Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 nicht berücksichtigt. Im System dieser Verordnungen gebe es keine Verpflichtung des Herstellers, die Importeure und Händler mit jeder Fahrzeugmenge zu beliefern, die diese bestellt hätten. Vielmehr könne jeder Hersteller eine Verkaufspolitik praktizieren, die im Rahmen seiner möglicherweise begrenzten Liefermöglichkeiten die bedarfsgerechte Belieferung eines nationalen Marktes zum Ziel habe.
219 Die Klägerin widerspricht ferner der Ansicht der Kommission, daß die Maßnahme, von bestimmten Kunden eine Verpflichtungserklärung zu verlangen, mit Artikel 3 Ziffer 11 der Verordnung Nr. 123/85 unvereinbar sei. Nach dieser Bestimmung dürfe für die Händler nicht die Möglichkeit beeinträchtigt werden, an Endabnehmer zu verkaufen, die einen Vermittler eingeschaltet hätten, wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs bevollmächtigt worden sei. Hier seien die Verpflichtungserklärungen aber in einem anderen Fall verlangt worden, nämlich wenn der Kunde ohne Vermittler kaufe.
220 Im übrigen hätten sich die Klägerin, Audi und Autogerma immer im Rahmen des Artikels 3 Ziffer 10 Buchstabe a der Verordnung Nr. 123/85 gehalten, da sie das Recht der Händler gewahrt hätten, Fahrzeuge an Wiederverkäufer zu liefern, die Unternehmen des Vertriebsnetzes seien.
221 Die Klägerin beruft sich auf den Wortlaut der Händlerverträge, um die oben zusammengefaßten Argumente zu untermauern. Sie zitiert insbesondere den Händlervertrag der Marken Volkswagen und Audi in der Fassung vom Januar 1989, der in Deutschland bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens der Verordnung Nr. 123/85 am 30. September 1996 gegolten habe. Nach diesem Vertrag sei "[d]em Händler... der Vertrieb des Lieferprogramms an außerhalb der VW und AUDI Vertriebsorganisation stehende Personen oder Firmen, die... Kraftfahrzeuge und/oder deren Teile weitervertreiben, ohne vorherige schriftliche Zustimmung der VW AG nicht gestattet". Sie führt außerdem den vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1997 angewandten "Auslaufvertrag" an, der dieselbe Regelung enthalten habe. Sie verweist auch auf den seit dem 1. Januar 1998 in Deutschland geltenden Vertrag, der die obengenannte Regelung übernehme und hinzufüge, daß "[der Händler] fabrikneue... Automobile... an Endverbraucher, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur verkaufen [darf], wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeuges und bei Abholung durch einen Vermittler auch zu dessen Abnahme bevollmächtigt worden ist". Sie zitiert ferner den Händlervertrag, der vom 30. Dezember 1987 bis 30. September 1996 in Italien gegolten habe. Dieser Vertrag sehe vor: "Der Händler kann die Vertragsprodukte an alle Endabnehmer, unabhängig vom Wohnsitz, verkaufen. Wenn der Endabnehmer einen Vermittler für den Kauf des Vertragsfahrzeuges hinzuzieht, wird der Händler die Lieferung nicht durchführen, wenn der Vermittler kein schriftliches Mandat des Endabnehmers vorweisen kann; bei direkter Lieferung an den Vermittler muß dies im Mandat ausdrücklich vorgesehen sein. Der Händler kann keine Vertragsprodukte an Wiederverkäufer verkaufen, die nicht zur Organisation gehören, während Ersatzteile an Dritte für Reparaturzwecke verkauft werden können." Sie führt schließlich den seit 1. Oktober 1996 in Italien geltenden Vertrag an. Dieser bestimme: "Dem Händler ist der Vertrieb und Verkauf von Vertragsprodukten an außerhalb der Vertriebsorganisation stehende Wiederverkäufer nicht gestattet.... Neue Kraftfahrzeuge laut Vertrag darf der Händler an Endabnehmer, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur verkaufen, wenn der Vermittler vorher schriftlich durch den Endabnehmer zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeuges und bei Abholung durch einen Vermittler auch zu dessen Abnahme ausdrücklich bevollmächtigt worden ist." Alle diese Bestimmungen bewiesen, daß die Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 ordnungsgemäß beachtet worden seien.
222 Soweit das Gericht eine Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag feststellen sollte, hätte die Kommission Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag über die Verordnung Nr. 123/85 und gegebenenfalls über die Verordnung Nr. 1475/95 anwenden müssen.
223 Die Klägerin hebt jedoch hervor, daß alle von der Kommission festgestellten Verhaltensweisen aus der Zeit vor Oktober 1996 stammten, so daß die Verordnung Nr. 1475/95 im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Für die Zeit nach dem 1. Oktober 1996 habe die Kommission nämlich nicht einen einzigen Umstand angeführt, der den Schluß rechtfertige, daß der angebliche Verstoß fortgesetzt worden sei. Aus diesem Grund habe die Kommission für den vorliegenden Fall in der Entscheidung fälschlicherweise den Wegfall der Freistellung nach der Verordnung Nr. 1475/95 behauptet. Es sei damit zu rechnen, daß interessierte Dritte sich vor den nationalen Gerichten auf diese Randnummer berufen würden. Gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1475/95 entfalle die Freistellung außerdem nur so lange, wie die beanstandete Verhaltensweise andauere. Auch aus diesem Grund könne von einem Wegfall der Freistellung keine Rede sein, da die beanstandete Verhaltensweise nicht mehr vorliege. Die Kommission habe sich in der Entscheidung auch auf Artikel 6 Absatz 1 Nummer 3 der Verordnung Nr. 1475/95 berufen, wonach die Freistellung nicht gelte, "wenn die Vertragspartner... Wettbewerbsbeschränkungen vereinbaren, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich freigestellt sind", während diese Bestimmung in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht genannt worden sei und ohnehin im vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne, da zwischen den Herstellern, Autogerma und den Händlern keine Wettbewerbsbeschränkung vereinbart worden sei. Die Freistellung des Vertriebssystems des Volkswagen-Konzerns gelte daher fort. Artikel 6 der Verordnung Nr. 1475/95 könne nicht dahin ausgelegt werden, daß mit dem Erlaß wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen dem betroffenen Vertriebsnetz der Vorteil der Freistellung umfassend und dauerhaft entzogen werde. Ferner sei Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1475/95, wonach die Freistellung entfalle, wenn einer der in Absatz 1 dieses Artikels normierten Tatbestände erfuellt sei, mit Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. 1965, Nr. 36, S. 533) unvereinbar, wonach die Kommission die Freistellungswirkung im Einzelfall nur nach einem gemäß der Verordnung Nr. 17 durchgeführten Verfahren entziehen könne.
224 Die Beklagte bestreitet zunächst das Argument der Klägerin, daß die 15%-Regelung nach den Begründungserwägungen und Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 3 der Verordnung Nr. 123/85 zulässig sei. Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag sei verletzt, wenn die Parteien einer Alleinvertriebsvereinbarung Preise, Rabatte oder Abzüge vereinbarten oder praktizierten, die geeignet seien, Reexporte zu erschweren. Das aber sei offensichtlich der Fall, wenn eine Vereinbarung die Gewährung von Boni oder Prämien davon abhängig mache, daß die Vertragsprodukte nicht exportiert würden. Die "primary responsibility" des Händlers für sein Vertragsgebiet könne Maßnahmen zur Behinderung von Verkäufen außerhalb des Vertragsgebiets nicht rechtfertigen. Die von der Klägerin zitierte neunte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 123/85 gebe gerade hierüber Aufschluß. Eine bessere Entlohnung von Verkäufen im Vertragsgebiet bewirke eine mittelbare Gebietsbeschränkung, die von Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 123/85 nicht gedeckt werde. Schließlich habe die 15%-Regelung nicht durch Artikel 6 Absatz 1 Nummer 8 der Verordnung Nr. 1475/95 gerechtfertigt werden können, da diese Regelung ohne jeden sachlichen Grund zur Einschränkung von Reexporten gedient habe.
225 Werde die Belieferung von Händlern - wie im vorliegenden Fall - zur Behinderung zulässiger Reexporte verzögert und kontingentiert, so sei dies mit den Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 sicherlich nicht vereinbar.
226 Ferner stelle die Maßnahme, den italienischen Vertragshändlern aufzuerlegen, von bestimmten Kunden eine Verpflichtungserklärung zu verlangen, durch die damit verbundene Erschwerung von Fahrzeugverkäufen eine Beschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit dieser Händler dar, so daß sie gegen Artikel 3 Ziffer 11 der Verordnung Nr. 123/85 verstoße.
227 Zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1475/95 bekräftigt die Beklagte, daß die fragliche Zuwiderhandlung erst mit den Maßnahmen beendet worden sei, die die Klägerin gemäß Artikel 2 der Entscheidung ergriffen habe. Folglich sei diese Verordnung ebenfalls anwendbar gewesen. Im übrigen bestreitet die Beklagte, in der Entscheidung behauptet zu haben, daß die Freistellung nach der Verordnung Nr. 1475/95 weggefallen sei. Sie habe sich auf eine bloße Wiedergabe von Teilen des Artikels 6 der Verordnung Nr. 1475/95 beschränkt.
228 Der Rahmen der gemäß Artikel 3 Ziffer 10 Buchstabe a und Ziffer 11 der Verordnung Nr. 123/85 zulässigen Verpflichtungen zu Lasten der Händler sei mithin überschritten worden. Dasselbe gelte für den Rahmen der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1475/95 vorgesehenen Freistellung, soweit die in der Entscheidung beanstandeten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen nicht vor dem 1. Oktober 1996 aufgekündigt oder abgestellt worden seien.
229 Die von der Klägerin zitierten Bestimmungen aus den Händlerverträgen seien zu toten Buchstaben verkommen. Die Kommission mache der Klägerin nicht das Recht streitig, gegen Verkäufe an organisationsfremde Händler vorzugehen. Die ergriffenen Maßnahmen gingen jedoch über dieses Ziel hinaus. Die Bestimmungen aus den Händlerverträgen könnten offensichtlich nicht zur Rechtfertigung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln herangezogen werden. Der Händlervertrag vom 30. Dezember 1987 mache die Lieferung der von den italienischen Händlern bestellten Neufahrzeuge von der Belieferung von Autogerma durch die Hersteller abhängig. Auf der Ebene dieser Belieferung habe die Klägerin eine der Maßnahmen zur Verhinderung von Reexporten aus Italien ergriffen.
Würdigung durch das Gericht
Zur fehlenden Marktabgrenzung
230 Um den Umfang der Verpflichtung der Kommission zu bestimmen, vor der Feststellung eines Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln den relevanten Markt zu definieren, ist darauf hinzuweisen, daß die Abgrenzung des Marktes in einem Fall des Artikels 85 EG-Vertrag nicht dieselbe Rolle spielt wie in einem Fall des Artikels 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG). Bei der Anwendung des Artikels 86 EG-Vertrag hat die angemessene Definition des relevanten Marktes notwendig jeder Beurteilung eines angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens vorauszugehen, da vor dem Nachweis der mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung die Existenz einer solchen Stellung auf einem bestimmten Markt nachgewiesen werden muß, was die vorherige Abgrenzung dieses Marktes voraussetzt. In einem Fall des Artikels 85 EG-Vertrag dagegen ist der relevante Markt gegebenenfalls zu definieren, um zu bestimmen, ob die Vereinbarung, der Beschluß der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 74). Folglich ist die Kommission verpflichtet, in einer Entscheidung aufgrund von Artikel 85 EG-Vertrag eine Marktabgrenzung vorzunehmen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluß der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnrn. 93 bis 95 und 105).
231 Wie im Rahmen des ersten Klagegrundes festgestellt (vgl. oben, Randnrn. 179, 193 und 194), hat die Kommission in der Entscheidung hinreichend nachgewiesen, daß die Klägerin eine Zuwiderhandlung begangen hat, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckte und ihrem Wesen nach geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Da die Kommission zu der Schlußfolgerung berechtigt war, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma den italienischen Markt abgeschottet hatte, folgte daraus naturgemäß, daß die von Italien aus in alle anderen Mitgliedstaaten getätigten Geschäfte beeinträchtigt werden konnten. Daher erforderte die Anwendung des Artikels 85 EG-Vertrag durch die Kommission im vorliegenden Fall nicht die vorherige Definition des räumlichen Marktes.
232 Der erste Teil des zweiten Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.
Zur Würdigung der Behinderungen in ihrer Gesamtheit
233 Soweit die Klägerin vorträgt, daß die Kommission die nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbotenen Verhaltensweisen nicht von denen unterschieden habe, die nicht unter dieses Verbot fielen, deckt sich ihre Argumentation im wesentlichen mit dem Vorbringen zum ersten Klagegrund, das sich auf die fehlerhafte Sachverhaltswürdigung bei der Anwendung dieses Artikels stützt. Da das Gericht bereits festgestellt hat, daß zum einen die Einführung eines Splitmargensystems nicht nachgewiesen und die Kündigung einiger Händlerverträge falsch beurteilt wurde und daß zum anderen alle anderen der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen die Abschottung des italienischen Marktes bezweckten, hat dieser Teil des zweiten Klagegrundes keine eigenständige Bedeutung mehr.
234 Im übrigen spricht nichts dagegen, daß die Indizien, die die Kommission zum Nachweis des Vorliegens eines Verstoßes gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag berücksichtigt hat, nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 68, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 201). Daher ist nicht zu beanstanden, daß die Kommission im vorliegenden Fall die verschiedenen bei den Nachprüfungen erhobenen Beweismittel verbunden hat, um hinsichtlich der Verhaltensweisen der Klägerin zu einem Gesamtergebnis zu gelangen. Diese Untersuchungs- und Auslegungsmethode ist um so eher gerechtfertigt, als alle von der Kommission sichergestellten Dokumente als gemeinsamen Gegenstand die Reexporte von Fahrzeugen aus Italien hatten. Angesichts dieses Umstands ist auch das Argument der Klägerin, zwischen den verschiedenen von der Kommission angeführten Maßnahmen bestehe kein innerer Zusammenhang, nicht überzeugend. Vielmehr waren die verschiedenen Maßnahmen der Klägerin Teil einer Reihe von Handlungen, die ein einziges wirtschaftliches Ziel hatten, die Abschottung des italienischen Marktes. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete Verhalten strikt zu untergliedern (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 263).
235 Daher ist der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Zur Qualifizierung der Behinderungen in ihrer Gesamtheit als Vereinbarungen
236 Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers an seine Vertragshändler keine einseitige Handlung dar, die sich dem Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag entzieht, sondern eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgt, die einer im voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterliegen (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1985 in den Rechtssachen 25/84 und 26/84, Ford/Kommission, Slg. 1985, 2725, Randnr. 21, und Bayerische Motorenwerke, Randnrn. 15 und 16). Dies gilt auch hier. Denn die Prüfung des ersten Klagegrundes (vgl. oben, insbesondere Randnrn. 49, 58, 89 bis 92 und 162 bis 165) hat ergeben, daß die 15%-Regelung, die Kontingentierung der Belieferung, die Kontrollen und die Warnungen allesamt bezweckten, die italienischen Vertragshändler bei der Erfuellung ihres Vertrages mit Autogerma zu beeinflussen.
237 Außerdem kann bei einer Zuwiderhandlung, die aus mehreren miteinander verbundenen Verhaltensweisen besteht, von der Kommission nicht verlangt werden, daß sie die verschiedenen Bestandteile der Zuwiderhandlung entweder als Vereinbarung oder als abgestimmte Verhaltensweise qualifiziert. Denn in jedem Fall werden beide Formen der Zuwiderhandlung von Artikel 85 EG-Vertrag erfaßt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni SpA, Slg. 1999, I-4125, Randnrn. 132 und 133).
238 Zu dem Argument der Klägerin, die von bestimmten Kunden verlangten Verpflichtungserklärungen könnten keine Vereinbarungen darstellen, weil diese Kunden keine Unternehmen seien, ist mit der Kommission lediglich festzustellen, daß nicht die Verpflichtungen als solche entsprechend qualifiziert wurden, sondern die innerhalb des Volkswagen-Konzerns festgelegte Haltung, solche Erklärungen zu verlangen.
239 Daher ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen die Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95
240 Über den vierten Teil des zweiten Klagegrundes braucht nicht mehr entschieden zu werden, soweit er sich auf den Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1475/95 erstreckt. Denn das Gericht hat bereits festgestellt, daß die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung über den 30. September 1996 hinaus nicht nachgewiesen hat (vgl. oben, Randnrn. 190 bis 192). Die Einschätzung der Kommission insbesondere in Randnummer 191 der Entscheidung, für den Zeitraum ab 1. Oktober 1996 seien die von Volkswagen, Audi und Autogerma auferlegten Reexportbehinderungen nicht von der Verordnung Nr. 1475/95 gedeckt, verliert daher angesichts der obigen Feststellung zwangsläufig ihre Bedeutung.
241 Im Hinblick auf den angeblichen Verstoß gegen die Verordnung Nr. 123/85 ist erneut darauf hinzuweisen, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß die Klägerin zusammen mit ihren Tochtergesellschaften Audi und Autogerma die Reexporte aus Italien behindert hat (vgl. oben die Prüfungen und Schlußfolgerungen zum ersten Klagegrund). Nach ständiger Rechtsprechung kann Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag keinesfalls für nicht anwendbar erklärt werden, wenn die Parteien einer selektiven Vertriebsvereinbarung sich so verhalten, daß die Parallelimporte eingeschränkt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 86/82, Hasselblad/Kommission, Slg. 1984, 883, Randnr. 35; Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 88; Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 35). Denn der Geist einer Verordnung zur Gruppenfreistellung von Vertriebsvereinbarungen besteht darin, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnr. 119).
242 Daher kann der Kommission keinesfalls vorgeworfen werden, dadurch gegen die Verordnung Nr. 123/85 verstoßen zu haben, daß sie sich geweigert hat, Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag auf die im vorliegenden Fall ordnungsgemäß festgestellten Verhaltensweisen für nicht anwendbar zu erklären (vgl. für die 15%-Regelung oben, Randnrn. 49 bis 58, 179 und 189, für die Kontingentierung der Belieferung Randnrn. 79 bis 92 und für die Kontrollen und Warnungen Randnrn. 162 bis 165). Auch wenn die Verordnung Nr. 123/85 den Herstellern weitreichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer Vertriebsnetze bietet, ermächtigt sie diese doch nicht zur Abschottung ihrer Märkte (Urteil Bayerische Motorenwerke, Randnr. 37). Durch diese Verordnung werden zwar Vereinbarungen freigestellt, mit denen der Lieferant einen autorisierten Wiederverkäufer mit dem Vertrieb und dem Kundendienst für Kraftfahrzeuge in einem bestimmten Gebiet betraut und sich verpflichtet, ihm die Lieferung der Vertragswaren in diesem Gebiet vorzubehalten. Dadurch wird somit insbesondere die dem autorisierten Wiederverkäufer auferlegte Verpflichtung freigestellt, Vertragswaren nicht an nichtautorisierte Wiederverkäufer zu liefern (Artikel 3 Ziffer 10), sofern es sich nicht um Vermittler handelt, also um Wirtschaftsteilnehmer, die im Namen und für Rechnung von Endverbrauchern tätig werden und hierzu schriftlich bevollmächtigt worden sind (Artikel 3 Ziffer 11) (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-226/94, Grand garage albigeois u. a., Slg. 1996, I-651, Randnrn. 13 und 14). Nichtsdestoweniger kann die Kommission gemäß Artikel 10 der Verordnung Nr. 123/85 den Vorteil der Anwendung dieser Verordnung entziehen, wenn sie feststellt, daß eine nach dieser Verordnung freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind, insbesondere dann, "wenn der Hersteller oder ein Unternehmen des Vertriebsnetzes es Endverbrauchern oder anderen Unternehmen des Vertriebsnetzes in einer über die Freistellung nach dieser Verordnung hinausgehenden Weise dauernd oder systematisch erschwert, innerhalb des Gemeinsamen Marktes Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren sich zu beschaffen".
243 Nach alledem braucht über den vierten Teil des zweiten Klagegrundes nicht mehr entschieden zu werden, soweit er sich auf den Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1475/95 bezieht, und im übrigen ist er zurückzuweisen.
244 Daher greift der zweite Klagegrund nicht durch.
C - Dritter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung
Vorbringen der Parteien
245 Die Klägerin wirft der Kommission vor, gegen elementare Verfahrensgrundsätze verstoßen zu haben. Sie habe das Verfahren nicht objektiv und unparteiisch geführt und die Beweismittel einseitig ausgewählt und gewürdigt. Die Ausführungen in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte seien zum großen Teil nicht berücksichtigt worden. Vor allem die von der Klägerin und Audi vorgelegten Beweismittel seien voreingenommen gewürdigt worden. Durch diese Vorgehensweise habe die Kommission gegen das Fairneßgebot - also ihre Verpflichtung, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen - verstoßen.
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Auslegung der anläßlich der Nachprüfungen sichergestellten Dokumente
246 Die Kommission habe sich dadurch unfair verhalten, daß sie die bei den Nachprüfungen sichergestellten Dokumente einseitig ausgewählt und ausgelegt habe. Sie habe insbesondere nicht ernsthaft die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß die Klägerin, Audi und Autogerma versucht hätten, lediglich die Verkäufe an nichtautorisierte Wiederverkäufer zu unterbinden. In der Absicht, ihre Annahme unbedingt zu beweisen, habe die Kommission mehrere Dokumente falsch wiedergegeben und Schlußfolgerungen auf der Grundlage willkürlicher Unterstellungen gezogen. Demgegenüber seien weder entlastende Beweismittel - wie die anläßlich von Nachprüfungen bei italienischen Händlern erstellten Protokolle und von Autogerma vorgelegte Informationen über das Bonussystem - noch gewisse einschlägige kaufmännische Gesichtspunkte, die die Klägerin und Audi in Erwiderung auf die Beschwerdepunkte vorgetragen hätten - wie z. B. daß Italien für die Marken Volkswagen und Audi der wichtigste europäische Exportmarkt sei - berücksichtigt worden. Selbst wenn der Inhalt einzelner Dokumente eindeutig über das Maß dessen hinausgegangen sein sollte, was gemeinschaftsrechtlich zulässig sei, hätte die Kommission die Möglichkeit in Erwägung ziehen können, daß es sich dabei um einzelne "Ausreißer" gehandelt habe, die in einer großen Vertriebsorganisation niemals auszuschließen seien.
247 Die Beklagte macht geltend, daß das Vorbringen der Klägerin durch nichts belegt sei. Das Beweismaterial dafür, daß die Klägerin die Gesamtheit der Reexporte unterbunden habe, sei einfach zu umfangreich, als daß deren Verhaltensweisen anders ausgelegt werden könnten.
248 Was die Nachprüfungen bei den Händlern betreffe, so habe sie nicht nur deren schriftliche, sondern auch deren mündliche Aussagen berücksichtigt. Logischerweise sei mündlich anderes geäußert worden als schriftlich, da den Händlern mit der Kündigung ihres Vertrages gedroht worden sei. Im übrigen seien die Protokolle mit den schriftlichen Aussagen der Händler, die die Klägerin als entlastend werte, eigentlich belastende Dokumente, wenn man darin "zwischen den Zeilen" lese.
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 89 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 85 EG)
249 Die Kommission habe sich dadurch unfair verhalten, daß sie vor Erlaß der Entscheidung nicht dazu Stellung bezogen habe, ob die von der Klägerin nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte ergriffenen Maßnahmen geeignet gewesen seien, den behaupteten Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln abzustellen. Die Klägerin trägt hierzu vor, daß sie der Kommission den Text des im Dezember 1996 den Händlern übersandten Rundschreibens übermittelt habe und daß sie bei der Anhörung am 7. April 1997 erneut ausdrücklich auf dieses Dokument hingewiesen habe. Im Anschluß an diese Anhörung habe ihr Vertreter den zuständigen Referatsleiter der Kommission um die Bestätigung gebeten, daß die Übersendung dieses Rundschreibens an die Händler die angeblichen Zuwiderhandlungen beendet habe, und ein Gespräch darüber vorgeschlagen, das am 7. Oktober 1997 stattgefunden habe. Doch sowohl bei der Anhörung am 7. April 1997 als auch bei dem Gespräch am 7. Oktober 1997 habe sich die Kommission trotz der ausdrücklichen Aufforderungen der Klägerin nicht dazu geäußert, ob die Klägerin und Audi die angebliche Zuwiderhandlung tatsächlich abgestellt hätten. In Randnummer 216 der Entscheidung sei sie dann aber zu dem Schluß gekommen, daß die Zuwiderhandlung zum damaligen Zeitpunkt "nicht vollständig beendet [war]."
250 Dieses Verhalten verstoße gegen das Fairneßgebot. Dieses Gebot müsse im Lichte des Artikels 89 Absatz 1 EG-Vertrag ausgelegt werden, wonach die Kommission, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 EG-Vertrag feststelle, "geeignete Mittel" vorschlagen müsse, "um diese abzustellen". Im vorliegenden Fall habe die Kommission dadurch gegen diese Bestimmung verstoßen, daß sie es unterlassen habe, zu den von der Klägerin im Anschluß an die Mitteilung der Beschwerdepunkte ergriffenen Maßnahmen Stellung zu beziehen.
251 Die Beklagte trägt vor, daß die von der Klägerin nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte ergriffenen Maßnahmen die Zuwiderhandlung nicht beendet hätten. Weder die Ausführungen in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte und in der Anhörung noch das im Dezember 1996 an die Händler übersandte Rundschreiben seien hierfür ausreichend gewesen. Denn diese Maßnahmen hätten sich auf die Aufforderung beschränkt, die Behinderungen der Reexporte aus den Verhaltensweisen zu entfernen. Die Klägerin sei jedoch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte auch aufgefordert worden, die Vereinbarung zu kündigen, die diese Behinderungen vorgesehen habe. Hierzu bemerkt die Beklagte, daß das fragliche Rundschreiben das Bonussystem nicht geändert habe. Erst in der Klageschrift habe die Klägerin unter Vorlage des ab 1. Oktober 1996 geltenden Händlervertrags vorgetragen, daß dieses System zu diesem Zeitpunkt abgeschafft worden sei. In ihrer Erwiderung auf die Beschwerdepunkte habe sich die Klägerin auf die Aussage beschränkt, daß die 15%-Regelung mit Wirkung zum 1. Oktober 1996 weggefallen sei.
252 Dieses Rundschreiben habe ebenso wie das im Jahre 1995 im Anschluß an das Mahnschreiben der Kommission vom 24. Februar 1995 an die Händler übersandte Rundschreiben lediglich "Klarstellungen" enthalten, während die Kommission auf der Entfernung der eingeführten Beschränkungen bestanden habe.
253 Schließlich sei dem Vertreter der Klägerin mitgeteilt worden, daß das Ziel des Gesprächs am 7. Oktober 1997 nicht die Wiederholung oder Fortsetzung der mündlichen Anhörung gewesen sei, weil sich der Entscheidungsentwurf bereits in der internen Konsultation befunden habe. Es habe daher auf die Frage, ob die zur Beendigung des Verstoßes ergriffenen Maßnahmen ausreichend gewesen seien, nicht eingegangen werden können.
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 191 EG-Vertrag (jetzt Artikel 254 EG)
254 Die Klägerin hält die Weigerung der Kommission im Schreiben vom 26. Februar 1998 für unfair, ihrem Vertreter Kopien der Beweisdokumente in der Ordnung der Fußnoten der Entscheidung zu überlassen, worum dieser mit Schreiben vom 18. Februar 1998 gebeten habe. Durch diese Weigerung sei ihr eine erhebliche Mehrarbeit entstanden. Dabei sei die Kommission gemäß Artikel 191 Absatz 3 EG-Vertrag verpflichtet, die vollständige Entscheidung bekanntzugeben, also einschließlich der Dokumente, auf die in deren Fußnoten verwiesen werde.
255 Die Beklagte ist der Auffassung, daß die Klägerin den Umfang der erforderlichen Zustellung mit dem Gegenstand der Akteneinsicht vermenge. Hinweise auf Dokumente im Text oder in den Fußnoten des angefochtenen Rechtsakts machten diese nicht zu Teilen desselben. Jedenfalls könne die beanstandete Weigerung die Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht beeinträchtigen, da sie nach deren Erlaß erfolgt sei.
256 Die Verwaltungsakte einschließlich der Beweismittel reichten die Dienststellen der Kommission dem Gericht ein, wenn eine entsprechende prozeßleitende Maßnahme gemäß Artikel 49 der Verfahrensordnung des Gerichts ergehe. Solange eine solche Maßnahme nicht ergehe, gebe es für einen Antrag, die Beweismittel nach Akteneinsicht und Erlaß der endgültigen Entscheidung nochmals in anderer Zusammenstellung zu erhalten, keine Rechtsgrundlage.
Zum Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 214 EG-Vertrag (jetzt Artikel 287 EG)
257 Die Klägerin wirft der Kommission vor, ihre Beurteilungen und Absichten in bezug auf die Geldbuße vor dem Erlaß der Entscheidung an die Öffentlichkeit gebracht zu haben.
258 Der Westdeutsche Rundfunk habe nämlich am 6. Januar 1998 einen Bericht über die der Klägerin vorgeworfenen Zuwiderhandlungen und die geplante Geldbuße "in dreistelliger Millionenhöhe" gesendet. Dieser Bericht sei von der Presse aufgegriffen worden. Er wäre ohne die Mitwirkung eines Beamten der Kommission nicht möglich gewesen.
259 Außerdem habe die Kommission am 26. Januar 1998 der Deutschen Presse-Agentur gegenüber bestätigt, daß eine Geldbuße in dreistelliger Millionenhöhe gegen die Klägerin verhängt werde.
260 Ferner habe die Pressestelle der Kommission spätestens am 28. Januar 1998 vormittags den Redaktionen maßgeblicher Tageszeitungen eine Vorabversion der für die Zeit nach dem Erlaß der Entscheidung vorbereiteten Pressemitteilung zugespielt.
261 Schließlich habe das zuständige Kommissionsmitglied Van Miert in einem der Wochenzeitschrift Die Zeit gegebenen Interview behauptet, daß die Klägerin künftig eine Geldbuße in Höhe von etwa 200 Mio. DM zahlen müsse. Dieses Interview sei am 29. Januar 1998 veröffentlicht worden. Vorabmeldungen daraus seien jedoch bereits am 28. Januar 1998 vormittags verbreitet worden.
262 Diese Tatsachen belegten nicht nur eine Mißachtung der Geheimhaltungspflicht aus Artikel 214 EG-Vertrag, sondern auch, daß die Sitzung des Beratenden Ausschusses am 26. Januar 1998, die Vorbereitungssitzung der Kabinettschefs am 27. Januar 1998 und die Plenarsitzung der Kommission, in der die Entscheidung am 28. Januar 1998 nachmittags erlassen worden sei, nicht unter normalen Umständen und ohne Vorabverurteilung hätten stattfinden können. Eine solche Vorgehensweise der Kommission verletze notwendigerweise das betroffene Unternehmen, ohne daß sich dieses gebührend verteidigen könne, da es die genaue Begründung der endgültigen Entscheidung noch nicht kenne.
263 Diese Situation habe im übrigen in der Woche nach dem Erlaß der Entscheidung fortbestanden. Trotz ihrer Anfrage, den vollständigen Text der Entscheidung vorab zu erhalten, habe die Klägerin am 28. Januar 1998 um 16.42 Uhr nur den verfügenden Teil der Entscheidung erhalten und die Bekanntgabe am 6. Februar 1998 abwarten müssen, um die Gründe in Händen zu halten, während Herr Van Miert am 28. Januar 1998 um 17.00 Uhr eine Pressekonferenz veranstaltet habe, in der er auf diese Gründe detailliert eingegangen sei. Am 2. Februar 1998 habe ein Magazin über die Entscheidung berichtet, wobei mehrere Dokumente genannt worden seien.
264 Die Beklagte trägt zunächst vor, daß das Verfahren gegen die Klägerin in der Öffentlichkeit besonderes Interesse gefunden habe.
265 Soweit die Dienststellen der Kommission vor Erlaß der Entscheidung Informationen an die Presse gegeben hätten, hätten diese nur den jeweiligen Stand des Verwaltungsverfahrens betroffen und die Beratungen innerhalb des Organs nicht beeinflußt (Sitzung des Beratenden Ausschusses am 26. Januar 1998, Vorbereitungssitzung der Kabinettschefs am 27. Januar 1998, Plenarsitzung der Kommission am 28. Januar 1998).
266 Außerdem habe Herr Van Miert in dem einem Journalisten der Wochenzeitschrift Die Zeit gegebenen Interview - entgegen der Behauptung der Klägerin - den voraussichtlichen Betrag der Geldbuße offengelassen. Der dazu befragte Journalist habe angegeben, ihm sei am Nachmittag des 27. Januar 1998 der voraussichtliche Betrag von ca. 200 Mio. DM genannt worden. Auf telefonische Rückfrage habe ihm der Pressesprecher von Herrn Van Miert am 28. Januar 1998 diesen Betrag bestätigt. Der dazu ebenfalls befragte Pressesprecher habe angegeben, er habe diesen Journalisten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Sitzung der Kommission im Zeitpunkt ihres Telefongesprächs unterbrochen und die Höhe der Geldbuße also noch nicht festgesetzt worden sei.
267 Zu den Mitteilungen an die Öffentlichkeit vom 28. Januar 1998 führt die Beklagte aus, daß sie - entsprechend ihrer ständigen Praxis - der Klägerin den verfügenden Teil der Entscheidung am Tag ihres Erlasses übermittelt und den vollständigen Text einige Tage später zugestellt habe. Denn die Entscheidung habe zuvor vom Präsidenten sowie vom Generalsekretär durch deren Unterschriften festgestellt werden müssen. Es gebe keine Bestimmung, die die Zustellung oder formlose Übermittlung eines solchen Rechtsakts an die Vertreter des Adressaten vorsehe. Außerdem sei ihren Dienststellen bekannt, daß ein Rechtsakt wie die Entscheidung erst dann an Dritte herausgegeben werden dürfe, wenn er dem betroffenen Unternehmen zugestellt worden sei und dieses erklärt habe, daß er keine Geschäftsgeheimnisse enthalte. Im vorliegenden Fall habe die Kommission diese Erklärung am 24. Februar 1998 erhalten, und vor diesem Zeitpunkt sei die Entscheidung weder insgesamt noch teilweise an Dritte herausgegeben worden. Im übrigen habe die Klägerin den ihr vorgeworfenen Sachverhalt gekannt, so daß sie, wenn sie es gewollt hätte, vor dem 6. Februar 1998 zu den in der Presse erschienenen Berichten hätte Stellung nehmen können.
268 Jedenfalls habe die Klägerin nicht ausgeführt, inwiefern die Mitteilungen der Kommission vor und nach Erlaß der Entscheidung deren Rechtmäßigkeit hätten beeinträchtigen können.
Würdigung durch das Gericht
269 Die Klägerin beanstandet in mehrfacher Hinsicht das Verfahren, das zum Erlaß der Entscheidung geführt hat. Sie wirft der Kommission insbesondere vor, die Beweismittel nicht unparteiisch und sorgfältig ausgewählt und gewürdigt zu haben. Ihrer Auffassung nach stellen die Verfehlungen der Kommission in ihrer Gesamtheit einen Verstoß gegen das Fairneßgebot dar. Im Lichte der Rechtsprechung sind die von der Klägerin geltend gemachten Mängel als Verstöße gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zu prüfen, an den die Verpflichtung der Kommission anknüpft, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469, Randnrn. 14 und 26, und vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 62; Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1, Randnr. 86, und vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Métropole télévision u. a./Kommission, Slg. 1996, II-649, Randnr. 93). Die Klägerin hat in Randnummer 22 der Klageschrift ihr Vorbringen bezüglich des Fairneßgebots an diese Rechtsprechung geknüpft.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung bei der Auslegung der anläßlich der Nachprüfungen sichergestellten Dokumente
270 Das der Begründung dieses Teils des dritten Klagegrundes dienende Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe sich parteiisch verhalten und bestimmte entlastende Umstände nicht berücksichtigt, läßt sich nicht von der Frage trennen, ob die tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung von den durch die Kommission vorgelegten Beweisen ausreichend getragen werden (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-3/89, Atochem/Kommission, Slg. 1991, II-1177, Randnr. 39). Denn das Vorliegen einer nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens tatsächlich erwiesenen Zuwiderhandlung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Kommission nachgewiesen wird, daß sie ihre Überzeugung von der Existenz der Zuwiderhandlung während dieses Verfahrens verfrüht bekundet hat.
271 Wie im Rahmen des ersten Klagegrundes ausgeführt, sind die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigten tatsächlichen Gesichtspunkte im wesentlichen rechtlich hinreichend nachgewiesen. Folglich kann die Klägerin insoweit nicht behaupten, daß die Kommission die sichergestellten Dokumente einseitig gewürdigt oder Schlußfolgerungen auf der Grundlage willkürlicher Unterstellungen gezogen habe. Soweit sie Tatsachen festgestellt hat, die nicht ausreichend bewiesen wurden, hat das Gericht bereits festgestellt, daß die Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären ist (vgl. oben, Randnr. 202).
272 Im übrigen gründet sich das Vorbringen der Klägerin auf bloße Behauptungen und ist nicht zum Beweis dafür geeignet, daß die Kommission tatsächlich der angefochtenen Entscheidung vorgegriffen oder voreingenommen ermittelt hätte.
273 Nach alledem ist der erste Teil des dritten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 89 EG-Vertrag
274 Gemäß Artikel 89 EG-Vertrag hat die Kommission auf die Verwirklichung der in den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze zu achten und die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft gemäß ihrer Ausrichtung durchzuführen (Urteile des Gerichtshofes vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935, Randnr. 44, und vom 4. März 1999 in der Rechtssache C-119/97, Ufex u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Randnr. 88). Wie die Klägerin zu Recht vorbringt, muß die Verpflichtung der Kommission zur sorgfältigen und unparteiischen Untersuchung auch unter Berücksichtigung dieses Artikels ausgelegt werden.
275 Die Klägerin hat jedoch nicht nachgewiesen, daß die Kommission versäumt hat, zu prüfen, ob die Zuwiderhandlung beendet worden ist. Vielmehr zeigen die Randnummer 216 der Entscheidung, wonach die Zuwiderhandlung zum damaligen Zeitpunkt "nicht vollständig beendet [war]", und die Randnummer 219, in der diese Einschätzung begründet wird (vgl. unten, Randnr. 300), - auch wenn sie mit einem Beweismangel behaftet sind (vgl. oben, Randnrn. 190 bis 192) - daß die Kommission diese Frage behandelt hat. Daß sich die Kommission hierzu bei der Anhörung am 7. April 1997 und bei dem Gespräch am 7. Oktober 1997 noch nicht äußern wollte, kann nicht als eine Verletzung der Pflicht zur sorgfältigen Untersuchung angesehen werden, wie sie unter Berücksichtigung der Verpflichtung ausgelegt wird, auf die Einhaltung der in Artikel 85 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze durch die Klägerin zu achten. Hierzu ist lediglich festzustellen, daß die Kommission in Randnummer 203 der Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf hingewiesen hat, daß ihren Prüfungen zufolge die begangene Zuwiderhandlung so beschaffen sei, daß die Klägerin, Audi und Autogerma verpflichtet seien, "sämtliche innergemeinschaftlichen Gebietsbeschränkungen aus ihren Vereinbarungen und Verhaltensweisen [zu] entfernen". Angesichts dieser klaren Auskunft über die Maßnahmen, die zur Wiederherstellung einer dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Situation zu ergreifen waren, kann nicht vertreten werden, daß die Kommission zwischen der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der über ein Jahr später erlassenen Entscheidung zur Einhaltung der in Artikel 85 EG-Vertrag niedergelegten Grundsätze durch die Klägerin erneut förmlich hätte Stellung nehmen müssen.
276 Daher ist dieser Teil des dritten Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 191 EG-Vertrag
277 Die Klägerin richtete die Bitte, ihr die Kopien der Beweisdokumente zu überlassen, am 18. Februar 1998 an die Kommission, also nach dem Erlaß und der Zustellung der Entscheidung. Es handelt sich somit um einen zeitlich nach dem Erlaß der Entscheidung liegenden Umstand. Folglich kann die Rechtmäßigkeit der Entscheidung keinesfalls durch die Weigerung der Kommission, dieser Bitte zu entsprechen, beeinträchtigt werden (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 40, sowie Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-145/89, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1995, II-987, Randnr. 30, und vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 102).
278 Daher ist dieser Teil des dritten Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.
Zum Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung im Zusammenhang mit Artikel 214 EG-Vertrag
279 Artikel 214 EG-Vertrag verpflichtet die Mitglieder sowie die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaftsorgane dazu, "Auskünfte, die ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen, nicht preiszugeben". Wie es dort weiter heißt, gilt dies "insbesondere für Auskünfte über Unternehmen sowie deren Geschäftsbeziehungen oder Kostenelemente". Obwohl sich diese Bestimmung in erster Linie auf Auskünfte bezieht, die bei Unternehmen eingeholt worden sind, zeigt der Zusatz "insbesondere", daß es sich insoweit um einen allgemeinen Grundsatz handelt, der auch für andere vertrauliche Auskünfte gilt (Urteil des Gerichtshofes vom 7. November 1985 in der Rechtssache 145/83, Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539, Randnr. 34; Urteil des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T-353/94, Postbank/Kommission, Slg. 1996, II-921, Randnr. 86).
280 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Akte, daß ein wesentlicher Aspekt des Entscheidungsentwurfs, der dem Beratenden Ausschuß und anschließend dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur endgültigen Zustimmung vorgelegt wurde, vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung Gegenstand mehrerer Verlautbarungen an die Presse war. Bereits Anfang Januar 1998 erhielt die Presse die Information, daß gegen die Klägerin bald eine hohe Geldbuße verhängt werde. Anschließend wurde gemeldet: "Die Volkswagen AG, Wolfsburg, wird wegen Verstößen gegen das EU-Recht ein Bußgeld von "etwa" 200 Mio DM zahlen müssen. Dies kündigte EU-Kommissar Karel Van Miert in einem Interview mit dem Hamburger Wochenmagazin "Die Zeit" an. Bislang war eine Strafe in dieser Größenordnung nur in informierten Kreisen bestätigt worden. Die Entscheidung soll am Mittwoch in Brüssel bekanntgegeben werden." Auch die Wochenzeitschrift Der Spiegel kündigte an: "Am Mittwoch dieser Woche wird es für [VW-Chef] Piëch wieder unangenehm: Da verhängt die EU-Kommission in Brüssel gegen Piëch und Audi-Boss Herbert Demel eine dreistellige Millionenbuße." Wie sich aus der Antwort auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ergibt, bestreitet die Beklagte im übrigen nicht, daß ein Journalist der Zeitschrift Die Zeit vor Erlaß der Entscheidung die Information erhielt, daß die vorgesehene Geldbuße etwa 200 Mio. DM betrage.
281 Diese Verlautbarungen an die Presse brachten nicht nur den persönlichen Standpunkt des Kommissionsmitglieds für Wettbewerbsfragen über die Vereinbarkeit der untersuchten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck, sondern informierten auch die Öffentlichkeit mit einem hohen Maß an Genauigkeit über die geplante Höhe der Geldbuße. In streitigen Verfahren, die zur Verhängung einer Sanktion führen können, fallen die Art und die Höhe der vorgeschlagenen Sanktion ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis, solange die Sanktion noch nicht endgültig gebilligt und verhängt worden ist. Dieser Grundsatz folgt insbesondere aus der Notwendigkeit, den Ruf und das Ansehen des Betroffenen zu wahren, solange die Sanktion nicht gegen ihn verhängt worden ist. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß die Kommission das Ansehen des beschuldigten Unternehmens dadurch beeinträchtigt hat, daß sie eine Situation hervorgerufen hat, in der das Unternehmen den genauen Inhalt der Sanktion, die aller Wahrscheinlichkeit nach verhängt werden sollte, aus der Presse erfuhr. Insofern deckt sich die Pflicht der Kommission, der Presse keine Auskünfte über die konkret geplante Sanktion zu geben, nicht nur mit ihrer Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses, sondern auch mit ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung. Schließlich gilt auch in Verfahren wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln durch Unternehmen, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können, der Grundsatz der Unschuldsvermutung (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-199/92 P, Hüls/Kommission, Slg. 1999, I-4287, Randnr. 150; Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache Öztürk, Serie A, Bd. 73, und vom 25. August 1987 in der Rechtssache Lutz, Serie A, Bd. 123-A). Diese Unschuldsvermutung hat die Kommission offensichtlich nicht beachtet, als sie das dem Beratenden Ausschuß und dem Kollegium der Kommissionsmitglieder zur Beratung vorgelegte Verdikt vor der förmlichen Verhängung der Sanktion gegen das von ihr beschuldigte Unternehmen der Presse mitgeteilt hat.
282 Indem die Kommission die Verbreitung solch sensibler Einzelheiten der Beratung durch die Presse ausgelöst hat, hat sie zudem den Interessen einer ordnungsgemäßen Gemeinschaftsverwaltung zuwidergehandelt, da sie der breiten Öffentlichkeit während der Untersuchung und der Beratung den Zugang zu solchen internen Informationen der Verwaltung ermöglicht hat.
283 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Unregelmäßigkeit dieser Art zur Nichtigerklärung der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, daß ohne diese Unregelmäßigkeit die Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 91; Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 29). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin einen solchen Beweis allerdings nicht erbracht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beratende Ausschuß oder das Kollegium der Kommissionsmitglieder die Höhe der Geldbuße oder den Inhalt der Entscheidung gegenüber dem Vorschlag abgeändert hätten, wenn die streitigen Auskünfte nicht preisgegeben worden wären.
284 Daher kann auch diesem Teil des dritten Klagegrundes nicht gefolgt werden. Der dritte Klagegrund ist damit insgesamt zurückzuweisen.
D - Vierter Klagegrund: Unzureichende Begründung
Vorbringen der Parteien
285 Die Klägerin trägt vor, daß die von ihr und Audi im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen unzureichend geprüft worden seien. So habe die Kommission die Auseinandersetzung mit den Dokumenten in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte nicht zur Kenntnis genommen. Die angefochtene Entscheidung sei - mit Ausnahme einzelner Absätze - die praktisch wörtliche Übernahme der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Da das Begründungserfordernis nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse, das die Beteiligten an Erläuterungen hätten, zu beurteilen sei, hätte sich die Kommission im vorliegenden Fall, den sie selbst als besonders schwerwiegend eingestuft habe und in dem es um die bei weitem höchste bis dahin verhängte Geldbuße gehe, mit den Einwendungen des betroffenen Unternehmens gründlich auseinandersetzen müssen. Die Kommission habe sich im vorliegenden Fall mit der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte erst in der Klagebeantwortung wirklich auseinandergesetzt.
286 Die Klägerin nennt einige Beispiele zum Beweis dafür, daß die von ihr und Audi erhobenen Einwendungen nicht gründlich geprüft worden seien.
287 Erstens habe die Kommission in der Entscheidung unter der Überschrift "Margenpolitik" (Randnrn. 62 ff.) festgestellt, daß Autogerma ab Ende 1994 ein Splitmargensystem eingeführt habe, ohne die detaillierten Einwendungen der Klägerin überhaupt zu erwähnen, wonach ein solches System diskutiert, aber niemals praktiziert worden sei.
288 Zweitens habe die Kommission in Randnummer 56 der Entscheidung ausgeführt, daß Autogerma den Händlern jegliche Verkäufe an "salonisti" verboten habe und daß diese Anweisung auch für Verkäufe an Endabnehmer über Vermittler gegolten habe, ohne ein einziges Beispiel für einen konkreten Fall aufzuführen und ohne auf die Einwendungen der Klägerin einzugehen, wonach die "salonisti" nichtautorisierte Wiederverkäufer (freie Händler mit Ausstellungsräumen, gemeinhin "Salons" genannt) seien und mit dem Verbot nicht die Fälle gemeint gewesen seien, daß die "salonisti" von Endabnehmern bevollmächtigt gewesen seien.
289 Drittens veranschauliche Randnummer 216 der Entscheidung, wonach die Zuwiderhandlung zum damaligen Zeitpunkt "nicht vollständig beendet [war]", ebenfalls deutlich den Verstoß gegen die Begründungspflicht.
290 Viertens weise auch der Teil der Entscheidung, in dem die Kommission die Höhe der Geldbuße festlege, einen erheblichen Begründungsmangel auf. So schreibe die Kommission in Randnummer 213 der Entscheidung ohne jeden Beleg, daß die Reexporte durch Endverbraucher "zeitweise sogar ganz zum Erliegen gebracht" worden seien. In derselben Randnummer behaupte die Kommission, daß die Zuwiderhandlung Auswirkungen auf die Märkte für neue Automobile, insbesondere in Deutschland und Österreich, aber "auch auf die Märkte in allen anderen Mitgliedstaaten" gehabt habe, ohne dies zu belegen. Auch habe die Kommission die Geldbuße mit Hilfe der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3; im folgenden: Leitlinien), bemessen. Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Leitlinien, die zwei Wochen vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden seien, gerade im Hinblick auf das Verfahren gegen sie formuliert worden seien. Unter Verstoß gegen die Begründungspflicht habe die Kommission nicht ausdrücklich auf sie verwiesen.
291 Die Kommission habe in zahlreichen Fußnoten der Entscheidung auf Dokumente verwiesen, deren Inhalt sie nicht oder nur teilweise wiedergebe.
292 Schließlich belegten die in der Entscheidung zitierten Dokumente nicht, daß es einzelne oder allgemeine Maßnahmen gegen zulässige Reexporte aus Italien gegeben habe.
293 Die Beklagte ist der Ansicht, daß die Entscheidung nicht an einem Begründungsmangel leide. Sie habe die Tatsachen und Rechtsausführungen dargelegt, denen nach der Begründung der Entscheidung wesentliche Bedeutung zukomme, und die Gesichtspunkte erkennen lassen, die sie zu der Entscheidung bewogen hätten. Jede einzelne in der Entscheidung enthaltene Feststellung werde durch Verweis in einer Fußnote auf die Dokumente belegt, auf die sie sich stütze. Auch die einzelnen Maßnahmen, die als Zuwiderhandlungen eingestuft würden, seien ausführlich dargestellt und untersucht worden. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen seien ebenfalls angegeben worden, vor allem durch Zitate aus Schreiben von Endverbrauchern. Auch die rechtliche Würdigung sei ausführlich begründet worden. Im übrigen seien alle Haupteinwände, die die Klägerin während des Verwaltungsverfahrens erhoben habe, in der Entscheidung geprüft und widerlegt worden.
294 Zu der Frage, ob die angebliche Zuwiderhandlung beendet worden sei, lasse sich eine angemessene Begründung in Randnummer 219 der Entscheidung, wonach die Klägerin im Anschluß an die Mahnschreiben vom Februar und Mai 1995 insbesondere die Händlerverträge nicht entsprechend abgeändert habe, und in den Randnummern 202 und 203 der Entscheidung finden, wonach der Verstoß so lange andauere, wie das Bonussystem nicht abgeändert werde. Die Beurteilung der Dauer des Verstoßes sei hinreichend begründet worden.
295 Zur Rüge der Klägerin, daß die Entscheidung in zahlreichen Fußnoten auf Dokumente verweise, deren Inhalt nicht oder nur teilweise wiedergegeben sei, trägt die Beklagte vor, daß sie zum ersten Mal in der Erwiderung vorgebracht worden und damit unzulässig sei. Jedenfalls sei diese Rüge auch unbegründet, da aus der Begründungspflicht keinesfalls folge, daß alle Beweisdokumente, auf die sich die Entscheidung stütze, vollständig wiedergegeben werden müßten.
296 Auch daß die Entscheidung weitgehend der Mitteilung der Beschwerdepunkte entspreche, stelle keinen Verstoß gegen die Begründungspflicht dar.
Würdigung durch das Gericht
297 Die Begründung der angefochtenen Entscheidung hat entsprechend den Anforderungen des Artikels 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß zum einen die Klägerin ihr die Gründe für die Entscheidung entnehmen konnte, um ihre Rechte wahrzunehmen, und zum anderen das Gericht die Begründetheit der Entscheidung überprüfen konnte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnr. 17, und Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 65, und Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 96).
298 In der angefochtenen Entscheidung ist nämlich für die verschiedenen Zuwiderhandlungen klar erläutert, aus welchem Grund die Kommission der Ansicht war, daß die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen hat. Die von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen haben es dem Gericht ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben. Sowohl in der Klageschrift als auch während des weiteren Verfahrens ist die Klägerin auf die in der Entscheidung zur Feststellung eines Verstoßes entwickelte Argumentation der Kommission eingegangen. Dies zeigt, daß die Entscheidung ihr die Angaben geliefert hat, die sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte benötigte.
299 Wie bereits oben in Randnummer 27 ausgeführt, hat sich die Kommission in der Entscheidung und insbesondere in deren Randnummern 194 bis 201 außerdem ausdrücklich mit einigen der von der Klägerin und Audi in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte vorgetragenen Ausführungen auseinandergesetzt. Die Kommission war nicht verpflichtet, auf die detaillierten Einwendungen der Klägerin, etwa zu ihrer Margenpolitik, einzugehen. Es genügte, daß die Kommission klar und eindeutig erläutert - wie sie es in den Randnummern 62 bis 66 der Entscheidung getan hat -, weshalb sie der Auffassung war, daß ein Splitmargensystem praktiziert worden sei (vgl. Urteil Siemens/Kommission, Randnrn. 17 und 18). Ebenso hat die Kommission ihre Beurteilung der sichergestellten Dokumente ordnungsgemäß dadurch begründet, daß sie ausführlich erklärt hat, aus welchen Gründen diese Dokumente ihrer Ansicht nach das Vorliegen der behaupteten Zuwiderhandlung bewiesen, ohne Punkt für Punkt auf die verschiedenen Auslegungen dieser Dokumente durch die Klägerin in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte einzugehen. Schließlich hat die Kommission in Randnummer 56 der Entscheidung deutlich erklärt, daß sie das Verkaufsverbot an "salonisti", das sie aus den in Fußnote 68 der Entscheidung angeführten Dokumenten abgeleitet hat, deshalb als belastenden Umstand gewertet hat, weil dieser Begriff keine Unterscheidung zwischen unabhängigen Wiederverkäufern und Vermittlern treffe, so daß letztere ebenfalls von dem ausgesprochenen Verbot betroffen gewesen seien.
300 Auch der von der Klägerin an die Kommission gerichtete Vorwurf, sie habe nicht näher ausgeführt, aus welchen Gründen sie davon ausgegangen sei, daß die Zuwiderhandlung im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht vollständig beendet gewesen sei, ist nicht begründet. Zwar ist diese Behauptung der Kommission nicht bewiesen und stellt somit einen Sachverhaltsirrtum dar, so daß die angefochtene Entscheidung insoweit für nichtig erklärt werden muß, als sie diese Behauptung enthält (vgl. oben, Randnr. 202). Dennoch hat die Kommission ihre Begründung hierzu dargestellt, als sie in Randnummer 219 der Entscheidung erläutert hat: "Tatsächlich wurde jedoch nicht dafür Sorge getragen, daß die zuvor eingeführten Behinderungen der Verkäufe an Endverbraucher und von diesen beauftragte Vermittler beseitigt wurden. Insbesondere wurden die Händlerverträge nicht entsprechend abgeändert."
301 Zur Festsetzung der Sanktion ist lediglich festzustellen, daß die Kommission in den Randnummern 215 bis 222 der angefochtenen Entscheidung die berücksichtigten Kriterien und die Berechnungsmethode für die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße eingehend erläutert hat. Die Kommission hat in Randnummer 213 der Entscheidung als Umstände, die der Zuwiderhandlung eine besondere Schwere verleihen, angegeben, daß "der Verkauf von Fahrzeugen für den Parallelexport durch Endverbraucher erheblich erschwert und zeitweise sogar ganz zum Erliegen gebracht wurde" und daß die Zuwiderhandlung auch Auswirkungen "auf die Märkte für neue Automobile, insbesondere in Deutschland und Österreich, aber auch auf die Märkte in allen anderen Mitgliedstaaten" hatte. Diese Erwägungen ergeben sich logisch aus den vorher in der Entscheidung getroffenen Feststellungen, die Klägerin und ihre Tochtergesellschaften hätten die Gesamtheit der Reexporte aus Italien - mit Erfolg - behindert (vgl. z. B. Randnr. 146 der Entscheidung). Außerdem hat die Kommission - entgegen dem Vortrag der Klägerin - in Randnummer 217 der Entscheidung ausdrücklich auf die Leitlinien verwiesen, auf die sie sich gestützt hat, und deren Fundstelle im Amtsblatt angegeben.
302 Schließlich war die Kommission - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - nicht verpflichtet, die Dokumente wiederzugeben, auf die sie in den Fußnoten der Entscheidung verweist, da diese der Klägerin oder ihren Tochtergesellschaften vorliegen (Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93, T-231/94 bis T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996, II-247, Randnr. 144).
303 Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.
E - Fünfter Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Vorbringen der Parteien
304 Die Klägerin trägt vor, daß ihr Antrag auf Verlängerung der ihr für die Einreichung der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzten Frist mit Schreiben der Kommission vom 29. November 1996 abgelehnt worden sei. Diese Frist habe zwei Monate betragen, während der für die Äußerung erforderliche Zeitaufwand angesichts des Umfangs der Beschwerdepunkte sowie der Vielzahl der Beteiligten und der zu sichtenden Schriftstücke in verschiedenen Sprachen offensichtlich größer gewesen sei.
305 Auch wenn der Dringlichkeit des Falles Rechnung getragen werden müsse, sei doch offensichtlich, daß der vorliegende Fall für die Kommission nicht dringlich gewesen sei. Denn sie habe sich selbst mehr als ein Jahr für ihre Ermittlungen bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte Zeit gelassen und ebenso lange nach der Erwiderung auf diese Beschwerdepunkte für den Erlaß der angefochtenen Entscheidung gebraucht.
306 Die Beklagte trägt vor, daß die gewährte Frist von zwei Monaten und (unter Einschluß der Weihnachtsferien) zwei Wochen erheblich länger gewesen sei als die in Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen. Ein triftiger Grund für ihre Verlängerung habe nicht vorgelegen. Ein Großteil des Beweismaterials habe aus dem Haus der Klägerin und ihrer Tochtergesellschaften Audi und Autogerma gestammt. Es sei in den Sprachen abgefaßt gewesen, in denen diese üblicherweise miteinander kommuniziert hätten. Mit Ausnahme der italienischen Händler, die an der Zuwiderhandlung nicht aktiv beteiligt gewesen seien, hätten alle Beteiligten derselben Unternehmensgruppe angehört.
307 Im übrigen habe die Klägerin nicht dargelegt, zu welchem Punkt sie ausführlicher hätte Stellung nehmen wollen. Sie habe daher nicht nachgewiesen, inwiefern ihr rechtliches Gehör beeinträchtigt worden sei.
308 Der Fall sei schließlich angesichts der großen Zahl von Verbraucherbeschwerden dringlich gewesen. Daß sich der weitere Fortgang des Verwaltungsverfahrens verzögert habe und die Entscheidung nicht so rasch habe ergehen können, sei zu bedauern, mache die beanstandete Ablehnung der Fristverlängerung aber nicht im nachhinein rechtswidrig.
309 In der Erwiderung stellt die Klägerin fest, daß sich die Beklagte in der Klagebeantwortung auf die Dringlichkeit des Falles berufe, um die Ablehnung der Fristverlängerung zu rechtfertigen, während sie in ihrem ablehnenden Schreiben den ganz anderen Grund angeführt habe, daß der Fall nicht "außerordentlich komplex" sei. Abgesehen von diesem offensichtlichen Widerspruch bewiesen die beim Gericht eingereichten Schriftsätze und insbesondere der Antrag auf Verlängerung der Frist für die Klagebeantwortung, daß diese Akte "außerordentlich komplex" sei.
310 Die Beklagte erwidert, daß der Umfang der Klagebeantwortung inhaltlich logischerweise dem Umfang der Klageschrift entspreche.
Würdigung durch das Gericht
311 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs in Verfahren, die zu Sanktionen führen können, daß das betroffene Unternehmen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt wird, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände Stellung nehmen zu können (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnr. 11; Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 48).
312 Was insbesondere die Bestimmung der Frist für die Einreichung der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte betrifft, so verlangt Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63, daß die Kommission "dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand" und "der Dringlichkeit des Falles" Rechnung trägt.
313 Auch wenn die im vorliegenden Fall gesetzte Frist im Verhältnis zum Umfang der Akte und zur Anzahl der dem Volkswagen-Konzern vorgeworfenen rechtswidrigen Verhaltensweisen kurz war, steht doch fest, daß es der Klägerin gelungen ist, ihren Standpunkt zu vertreten. Denn aus der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, die mit Schreiben vom 12. Januar 1997 vorgelegt wurde, ergibt sich, daß die Klägerin ihren Standpunkt zu jeder wesentlichen Behauptung der Kommission sehr detailliert zum Ausdruck gebracht hat. Die Klägerin hat im übrigen nicht dargelegt, zu welchem Aspekt der Akte sie sich noch eingehender geäußert hätte, wenn die ihr gewährte Frist verlängert worden wäre.
314 Es ist daher nicht erwiesen, daß die hier für die Einreichung der Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzte Frist übermäßig kurz war und daß die Kommission es unterlassen hat, dem für die Äußerung erforderlichen Zeitaufwand gebührend Rechnung zu tragen.
315 Ohnehin kann der Nichtigkeitsgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs nur durchgreifen, wenn die behauptete Verletzung geeignet ist, die Verteidigung der klagenden Partei zu behindern (vgl. Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1995 in der Rechtssache T-37/91, ICI/Kommission, Slg. 1995, II-1901, Randnrn. 59, 66 und 70). Wie in den vorhergehenden Randnummern ausgeführt, ist dies hier nicht der Fall.
316 Zudem ist die von der Kommission für die Ablehnung des Antrags auf Fristverlängerung gegebene Begründung, daß der Fall nicht außerordentlich komplex gewesen sei, nicht fehlerhaft. Denn es handelte sich um eine zwar umfangreiche, für die Klägerin aber nicht sehr komplexe Akte, da erwartet werden konnte, daß sie sowohl über die Verhaltensweisen des Volkswagen-Konzerns als auch über die gemeinschaftsrechtliche Regelung und Rechtsprechung im Bereich der Parallelimporte gut informiert war.
317 Schließlich verlangt Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 auch, daß der Dringlichkeit des Falles Rechnung getragen wird. Da die Kommission davon ausging, daß ein besonders schwerer Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorlag, hatte sie Anlaß, das Verwaltungsverfahren rasch voranzutreiben, um den beanstandeten Verhaltensweisen so schnell wie möglich ein Ende zu bereiten. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin steht dieser Erwägung nicht entgegen, daß zwischen den Nachprüfungen und der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte ein Jahr verging und nochmals der gleiche Zeitraum zwischen dem Zugang der Stellungnahme zu den Beschwerdepunkten und dem Erlaß der Entscheidung lag. Denn die Kommission mußte eine Vielzahl von Dokumenten prüfen, während die Klägerin und Audi sich im wesentlichen nur zu ihrem eigenen Verhalten zu äußern brauchten, wie es sich aus den Dokumenten ergab (vgl. Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnrn. 97 und 98).
318 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.
F - Hilfsweise geltend gemachter Klagegrund: Die verhängte Geldbuße sei zu hoch
Vorbringen der Parteien
319 Die Klägerin hält die verhängte Geldbuße für völlig unangemessen, selbst wenn man die Richtigkeit der sachlichen und rechtlichen Feststellungen der Kommission unterstelle. Zunächst seien die konkreten Auswirkungen der angeblichen Zuwiderhandlung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten geringfügig gewesen. Ferner habe die Klägerin niemals den Vorsatz zur Begehung von Zuwiderhandlungen gehabt. Die in der Entscheidung zum Beweis des Gegenteils zitierten Dokumente (Randnr. 214 der Entscheidung) habe die Kommission völlig falsch gedeutet. Auch habe die Klägerin kein "wirtschaftliches Machtgefälle" zwischen den Händlern und den Herstellern ausgenutzt. Vielmehr seien nur die Händler, die ihren Vertrag nicht eingehalten hätten, abgemahnt und mit Sanktionen belegt worden.
320 Außerdem sei gegen die Leitlinien verstoßen worden, da die Kommission nicht den räumlich relevanten Markt abgegrenzt habe, während die Leitlinien vorsähen, den "Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen".
321 Die Klägerin bekräftigt ferner, daß einige Faktoren, die bei der Festsetzung der Geldbuße berücksichtigt worden seien, in der Entscheidung überhaupt nicht belegt würden und daß die Kommission die Dauer des Verstoßes falsch angesetzt habe. Autogerma habe die Convenzione B mit Schreiben vom 20. Januar 1988 der Kommission übersandt, während diese aus dem Dokument das Vorliegen einer Zuwiderhandlung ab Ende 1987 herleite. Wenn also diese Vereinbarung wirklich gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstoßen hätte, hätte die Kommission ihre Pflicht aus Artikel 89 EG-Vertrag verletzt, die angebliche Zuwiderhandlung sogleich durch entsprechende Maßnahmen abzustellen. Daß die Kommission erst 1998 die Entscheidung erlassen habe, rechtfertige eine Herabsetzung der Geldbuße. Nach Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 dürfe zudem für angemeldete Vereinbarungen keine Geldbuße verhängt werden. Diese Regelung hätte somit auf die Convenzione B und auch auf deren spätere Versionen, die sich durchweg im Rahmen der angemeldeten Fassung gehalten hätten, angewandt werden müssen.
322 Daß von bestimmten Kunden eine Verpflichtungserklärung verlangt worden sei, sei der Kommission seit Jahren bekannt gewesen. Sie habe diese Maßnahme geduldet und eine Klarstellung hierzu in der Verordnung Nr. 1475/95 für erforderlich gehalten.
323 Die Beklagte räume in Erwiderung auf den Klagegrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs ein, daß es eine bedauerliche Verzögerung im Ablauf des Verwaltungsverfahrens gegeben habe. Diese Verzögerung habe aber offensichtlich den von der Kommission für die Festsetzung der Geldbuße berücksichtigten Zeitraum verlängert und somit auch zu einer Erhöhung dieser Sanktion geführt.
324 Die Kommission habe ferner zu Unrecht bußgelderschwerend berücksichtigt, daß sie mit Schreiben vom 24. Februar 1995 darauf hingewiesen habe, daß ihr das Vorliegen von Behinderungen der Reexporte aus Italien bekannt geworden sei, die einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln bedeuteten, und daß die Klägerin und Audi nicht die Konsequenzen aus dieser Warnung gezogen hätten. Am 16. März 1995 sei aber ein Rundschreiben an die Händler gesandt worden. Während der von der Kommission durchgeführten Untersuchung habe die Klägerin verschiedene Maßnahmen ergriffen, um alle angeblichen Zuwiderhandlungen abzustellen.
325 Schließlich wirft die Klägerin der Kommission vor, die erheblichen Abwertungen der italienischen Lira ab September 1992 nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt zu haben, obwohl die Kommission selbst in einer Mitteilung vom 31. Oktober 1995 über die Auswirkungen der Wechselkursschwankungen auf den Binnenmarkt anerkannt habe, daß der Wirtschaft der Union durch die Währungsschwankungen gewisse Schwierigkeiten entstuenden. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin vor, daß es noch keinen einheitlichen europäischen Markt gebe, auf dem ein Kraftfahrzeughersteller überall mit einer einzigen Strategie die gleichen Produkte verkaufen könne. Denn die Mitgliedstaaten hätten unterschiedliche Steuersysteme und Währungen, durch die der Handel zwischen ihnen tatsächlich viel stärker beeinträchtigt werde, als er durch Wettbewerbsbeschränkungen der Hersteller selbst beeinträchtigt werden könnte. Wegen dieser Unterschiede könnten die Hersteller nicht in allen Mitgliedstaaten zu gleichen Preisen verkaufen. Die Klägerin zitiert hierzu ein Schreiben von Herrn Van Miert an den früheren Präsidenten des Zentralverbandes des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes vom 25. Februar 1998, in dem eingeräumt werde, daß "der Europäische Binnenmarkt für den Automobilvertrieb insbesondere wegen der fehlenden Harmonisierung und der zeitweise auftretenden Währungsschwankungen zwischen den Mitgliedstaaten noch nicht vollendet ist".
326 Nach Auffassung der Beklagten ist die Klägerin wider besseres Wissen ohne Unterscheidung sowohl gegen unzulässige als auch gegen zulässige Reexporte vorgegangen. Folglich entspreche die Geldbuße der Schwere der Zuwiderhandlung. Deren vorsätzlicher Charakter werde im übrigen durch bestimmte Notizen der Klägerin und von Autogerma bewiesen, in denen diese erklärten, daß sie gegen geltendes Recht verstießen.
327 Die Kommission habe der Klägerin mit Schreiben vom 8. Mai 1987 mitgeteilt, daß die "Anmeldung" der verschiedenen Händlerverträge sowie deren Neufassungen und Anlagen als gegenstandslos betrachtet würden, solange nicht präzisiert und begründet werde, daß und warum für die nicht nach der Verordnung Nr. 123/85 freigestellten Vertragsbestimmungen eine Freistellung begehrt werde. Außerdem habe die Kommission ihr mit Schreiben vom 25. November 1988 ebenfalls mitgeteilt, daß die Übersendung einiger Anlagen, darunter die Convenzione B, nicht als "Anmeldung" gewertet werden könne, da das Begleitschreiben lediglich sechs Zeilen umfasse. Die Klägerin habe nie auf diese Schreiben reagiert. In diesem Zusammenhang macht die Beklagte geltend, daß die Behauptung, sie habe die von bestimmten Erwerbern verlangte Verpflichtungserklärung als zulässig angesehen, falsch und irreführend sei. Sie führt eine Korrespondenz mit der Klägerin an, in der sie das Erfordernis einer solchen Verpflichtungserklärung ausdrücklich als mit den Prinzipien des Binnenmarkts unvereinbar bezeichnet habe. Schließlich sei Artikel 89 Absatz 1 Satz 3 EG-Vertrag nur eine Übergangsvorschrift, die durch die Verordnung Nr. 17 abgelöst und insoweit gegenstandslos geworden sei.
328 Die Vereinbarungen, die gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln verstoßen hätten, seien zahlreich gewesen. Die Zuwiderhandlung habe über Jahre angedauert, wobei ein Element, das Bonussystem, bereits Ende 1987 eingesetzt habe. An den Vereinbarungen seien drei Unternehmen des Konzerns der Klägerin, verschiedene Abteilungen und zahlreiche Mitarbeiter auf unterschiedlichen Ebenen in der Hierarchie beteiligt gewesen. Die Zuwiderhandlung sei durch ein ganzes Bündel unterschiedlicher Maßnahmen bewirkt worden, die im Rahmen einer Gesamtstrategie ergriffen worden seien. Schließlich habe die Zuwiderhandlung spürbare Auswirkungen auf die Märkte in allen Mitgliedstaaten gehabt. Denn das Bonussystem habe sich gegen Reexporte aus Italien schlechthin gerichtet, und auch die anderen Maßnahmen seien nicht auf den Handel zwischen diesem Staat einerseits und Deutschland und Österreich andererseits beschränkt gewesen.
329 Bei der Bemessung der Erhöhungsbeträge für die Dauer des Verstoßes (Randnr. 217 der Entscheidung) habe die Kommission zwischen der Zeit von 1988 bis 1992 sowie 1997 einerseits und der Zeit von 1993 bis 1996 andererseits differenziert. Für den letztgenannten Zeitraum sei der Grundbetrag der Geldbuße um jeweils 10 %, für die Jahre 1988 bis 1992 und 1997 dagegen nur um jeweils 5 % erhöht worden. Der Gesamtbetrag der Geldbuße mache etwa 0,25 % des Umsatzes aus, den der Volkswagen-Konzern im Geschäftsjahr 1997 in der Europäischen Union erzielt habe, und etwa 0,5 % des Umsatzes dieses Konzerns im gleichen Geschäftsjahr in den Ländern, in denen sich die Zuwiderhandlung direkt und insbesondere ausgewirkt habe, nämlich in Italien, Deutschland und Österreich.
330 Die Abwertung der italienischen Lira könne nicht als entlastender Umstand berücksichtigt werden, weil von allen Kraftfahrzeugherstellern, die in anderen Mitgliedstaaten als Italien niedergelassen seien, nur die Klägerin und Audi mit einer Gesamtstrategie von Reexportbehinderungen reagiert hätten.
331 Schließlich bemerkt die Beklagte, daß sie sich ausdrücklich auf die Leitlinien berufen habe (Randnr. 217 der Entscheidung), um im einzelnen zu erläutern, wie der zunächst anhand der Schwere des Verstoßes angesetzte Grundbetrag unter Berücksichtigung der Dauer des Verstoßes erhöht worden sei. Eines der Kriterien für die Schwere eines Verstoßes sei die geographische Ausdehnung des Marktes, auf dem sich der Verstoß ausgewirkt habe. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin gehe es in den Leitlinien nicht um die Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes.
Würdigung durch das Gericht
332 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen haben, durch Entscheidung Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Rechnungseinheiten oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Die Höhe der Geldbuße wird unter Berücksichtigung sowohl der Schwere des Verstoßes als auch der Dauer der Zuwiderhandlung festgesetzt.
333 Diese Bestimmung behandelt nach ihrem klaren und eindeutigen Wortlaut zwei verschiedene Fragen. Sie nennt zum einen die Voraussetzungen, die erfuellt sein müssen, damit die Kommission Geldbußen festsetzen kann (Anwendungsvoraussetzungen). Zu diesen Voraussetzungen zählt der vorsätzliche oder fahrlässige Charakter der Zuwiderhandlung (Unterabsatz 1). Zum anderen regelt sie die Festsetzung der Höhe der Geldbuße, die von der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung abhängt (Unterabsatz 2) (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 53).
334 Hinsichtlich der ersten Frage steht fest, daß die Kommission im vorliegenden Fall festgestellt hat, daß die Zuwiderhandlung vorsätzlich und nicht nur fahrlässig begangen worden ist (Randnr. 214 der Entscheidung). Diese Beurteilung erweist sich als völlig gerechtfertigt. Denn wie im Rahmen des ersten Klagegrundes festgestellt, hat die Klägerin Maßnahmen ergriffen, die die Abschottung des italienischen Marktes und damit eine Behinderung des Wettbewerbs bezweckten (vgl. oben, insbesondere Randnrn. 88, 89 und 193). Außerdem ist es für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht erforderlich, daß sich das Unternehmen des Verstoßes gegen diese Regeln bewußt gewesen ist, sondern es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte (vgl. Urteile des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 157, und vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 41). Da es eine gefestigte Rechtsprechung gibt, wonach Verhaltensweisen zur Abschottung der Märkte mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln unvereinbar sind (vgl. oben, Randnr. 179), konnte sich die Klägerin nicht in Unkenntnis darüber befinden, daß ihr Verhalten den Wettbewerb behinderte.
335 Bezüglich der zweiten Frage ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Wahl der Höhe der Geldbuße ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission ist, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteile Martinelli/Kommission, Randnr. 59, und Van Megen Sports/Kommission, Randnr. 53). Das Gericht hat jedoch nachzuprüfen, ob der Betrag der festgesetzten Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung steht (Urteil Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 127). Das Gericht muß insbesondere die Schwere der Zuwiderhandlung und die von der Klägerin geltend gemachten Umstände gegeneinander abwägen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnr. 48).
336 Wie die Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben hat, verfügte die Kommission über eine Fülle von Beweismitteln dafür, daß die Zuwiderhandlung zur Abschottung des italienischen Marktes stattgefunden hat. Eine solche Zuwiderhandlung ist ihrem Wesen nach besonders schwerwiegend. Sie läuft den grundlegenden Zielsetzungen der Gemeinschaft und insbesondere der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes zuwider (Urteil des Gerichts vom 22. April 1993 in der Rechtssache T-9/92, Peugeot/Kommission, Slg. 1993, II-493, Randnr. 42). Die Klägerin hat nämlich zusammen mit ihren Tochtergesellschaften die Verbraucher daran gehindert, die im EG-Vertrag niedergelegten Freiheiten des Gemeinsamen Marktes ungehindert wahrzunehmen, und damit eine der wichtigsten Errungenschaften des Aufbaus Europas beeinträchtigt. Die Zuwiderhandlung wiegt hier noch schwerer wegen der Größe des Volkswagen-Konzerns (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion Française/Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 120) und deswegen, weil sie trotz der Warnung begangen wurde, die die ständige Gemeinschaftsrechtsprechung zu Paralleleinfuhren im Kraftfahrzeugsektor darstellte (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-304/94, Europa Carton/Kommission, Slg. 1998, II-869, Randnr. 91). Angesichts dieser verschiedenen Umstände kann die fehlende Harmonisierung im Währungs- und Steuerbereich (vgl. oben, Randnr. 325), auch wenn sie der Klägerin geschäftliche Schwierigkeiten verursacht haben mag, keine Rechtfertigung für die fragliche Zuwiderhandlung und nicht einmal einen mildernden Umstand darstellen. Denn die fehlende Harmonisierung entband die Klägerin nicht von ihrer Pflicht, die wichtigsten Regeln des Gemeinsamen Marktes zu beachten, zu denen das Verbot der Marktabschottung gehört.
337 Die Kommission war - entgegen dem Vortrag der Klägerin - auch nicht verpflichtet, deshalb eine niedrigere Geldbuße festzusetzen, weil sie erst spät gegen die Verhaltensweisen des Volkswagen-Konzerns vorgegangen ist. Zwar muß, wenn die Schwere des Verstoßes eine erhebliche Geldbuße rechtfertigt, berücksichtigt werden, daß er von kürzerer Dauer hätte sein können, wenn die Kommission schneller eingeschritten wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in der Rechtssache 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 51). Die Kommission hat jedoch im Februar 1995 ein erstes Mahnschreiben an die Klägerin gerichtet, also kurz nach Eingang einer ersten Reihe von Verbraucherbeschwerden. Unter diesen Umständen kann der Kommission keine schleppende Behandlung der Sache vorgeworfen werden, die zu einer Verlängerung der für die Bemessung der Geldbuße berücksichtigten Zuwiderhandlung hätte beitragen können. Soweit die Klägerin behauptet, die Kommission habe den für die Festsetzung der Geldbuße berücksichtigten Zeitraum auch dadurch verlängert, daß sie den Ablauf des Verwaltungsverfahrens verzögert habe, ist lediglich erneut festzustellen, daß die Dauer dieses Verfahrens nicht unangemessen lang war (vgl. oben, Randnr. 317).
338 Das Argument der Klägerin, der Kommission sei seit Jahren bekannt gewesen, daß von bestimmten Erwerbern eine Verpflichtungserklärung verlangt worden sei, und sie habe diese Maßnahme geduldet, kann ebenfalls nicht zugunsten einer Herabsetzung der Geldbuße berücksichtigt werden. Das Schreiben, das die Klägerin zur Begründung dieser Auffassung anführt (Randnr. 220 der Klageschrift; Anlage 220 zur Klageschrift), datiert vom 31. März 1995 und liegt damit zeitlich nach dem Mahnschreiben der Kommission an die Klägerin vom 24. Februar 1995 (vgl. oben, Randnr. 10). Ferner ergibt sich aus der Akte, daß die Kommission, als ihr diese Maßnahme bekannt wurde, so wie sie von den Händlern der Marken Volkswagen und Audi Ende des Jahres 1994 in mehreren Mitgliedstaaten praktiziert wurde, eine ablehnende Haltung dazu eingenommen hat. Denn in einem Schreiben vom 23. November 1994 teilte sie der Klägerin mit:
"Aus Dänemark und Belgien liegen uns Formulare vor, die Käufer von fabrikneuen VW/Audi-Fahrzeugen verpflichten, das Fahrzeug nur zum eigenen Gebrauch zu erwerben und nicht vor Ablauf von 3 bzw. 6 Monaten nach Zulassung oder einer Fahrleistung von mindestens 3000 km bzw. 6000 km weiterzuverkaufen. Wird das Fahrzeug vorzeitig verkauft, verpflichtet sich der Käufer zur Zahlung eines Schadenersatz-Betrages in Höhe von 10 % des Kaufpreises an den dänischen Importeur respektive für Belgien, an den jeweiligen Konzessionär.
Derartige Verpflichtungserklärungen sind mit den Prinzipien des Binnenmarktes unvereinbar, da sie eindeutig gegen Parallelimporte gerichtet sind. Sie sind auch nicht durch die Wettbewerbsregeln gedeckt. Bitte teilen Sie uns mit, ob in den anderen Mitgliedsländern entsprechende Verpflichtungserklärungen bestehen.
Sollten diese Verpflichtungserklärungen nicht zurückgezogen werden, so müssen Sie mit der Einleitung eines Verfahrens rechnen. Ich erwarte Ihre Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen nach Erhalt dieses Schreibens."
339 Aus dem Antwortschreiben der Klägerin auf dieses Schreiben geht zwar hervor, daß sie der Kommission im Jahre 1979 das Formular mit der von den Erwerbern damals verlangten Verpflichtungserklärung übersandt hat (Anlage 5 zur Klagebeantwortung). Doch kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, daß sie 1979 nicht eingeschritten sei, nachdem sie nur von dieser einen Maßnahme Kenntnis erlangt hatte, oder daß sie zu streng gewesen sei, als sie 1998 dennoch - ohne mildernde Umstände anzunehmen - wegen eines Systems von Maßnahmen zur Abschottung des italienischen Marktes, zu denen auch die Praxis der Verpflichtungserklärungen gehörte, eine Sanktion gegen die Klägerin verhängte. Diese Verpflichtungserklärung wich im übrigen von der 1979 übermittelten Erklärung insofern ab, als sie es dem Volkswagen-Konzern ermöglichte, ihre Einhaltung leichter nachzuprüfen und gegebenenfalls die für den Fall der Nichterfuellung vorgesehenen Sanktionen anzuwenden, da sie den Erwerber verpflichtete, bei einer Kontrolle durch den Konzern die Nutzung des Fahrzeugs und deren Dauer nachzuweisen (Fußnote 128 der Entscheidung; Anlage 218.1 zur Klageschrift: "Der Erwerber verpflichtet sich darüber hinaus, auf Verlangen des Unterzeichnenden einen geeigneten Nachweis über die Nutzung des Fahrzeugs als Endabnehmer sowie die entsprechende Besitzdauer vorzulegen").
340 Ferner hat die Kommission die Übersendung eines Rundschreibens an die italienischen Vertragshändler im März 1995 zu Recht nicht als mildernden Umstand berücksichtigt. Denn wie bereits oben in den Randnummern 57, 58, 88 und 107 bis 113 festgestellt, hat die Zuwiderhandlung nach Übersendung dieses Rundschreibens angedauert.
341 Zu dem Argument der Klägerin, die Kommission habe gegen die Leitlinien verstoßen, ist lediglich zu bemerken, daß diese nicht verlangen, daß die Kommission den räumlich relevanten Markt formell abgrenzt. Die Kommission durfte sich daher auf die Feststellung in Randnummer 213 der Entscheidung beschränken: "Die Zuwiderhandlung hat sich direkt auf den italienischen Markt für den Verkauf von neuen Kraftfahrzeugen ausgewirkt... Spiegelbildlich dazu hatte die Zuwiderhandlung auch Auswirkungen auf die Märkte für neue Automobile, insbesondere in Deutschland und Österreich, aber auch auf die Märkte in allen anderen Mitgliedstaaten." Wie bereits dargelegt (Randnr. 231), ist diese Feststellung auch begründet.
342 Zu dem Argument, die Convenzione B sei 1988 angemeldet worden, so daß die Kommission eine Anwendung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen 15%-Regelung durch die Klägerin nicht ahnden könne, ist zunächst festzustellen, daß das Verbot des Artikels 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17, Geldbußen für Handlungen festzusetzen, "die nach der bei der Kommission vorgenommenen Anmeldung und vor der Entscheidung der Kommission nach Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages begangen werden, soweit sie in den Grenzen der in der Anmeldung dargelegten Tätigkeit liegen," nur für tatsächlich gemäß den erforderlichen Förmlichkeiten angemeldete Vereinbarungen gilt (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1985 in den Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 77; Urteil SPO u. a./Kommission, Randnr. 342; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnrn. 23 und 24). Ferner ist festzustellen, daß die Kommission Autogerma mit Schreiben vom 25. November 1988 (Anlage 3 zur Klagebeantwortung) mitgeteilt hat, daß die Übermittlung der Convenzione B keine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 darstelle:
"Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 20. Januar 1988, mit dem Sie uns den Musterhändlervertrag übersandt haben, den die Firma Autogerma ihren Vertragshändlern in Italien unterbreitet, übermitteln wir Ihnen Kopie eines Schreibens, das diese Direktion am 8. Mai 1987 an die Firma Volkswagen in Wolfsburg, Deutschland, gerichtet hat.
In diesem Schreiben wurde die Bestätigung der Firma Volkswagen zur Kenntnis genommen, alle Vertriebsverträge im Gemeinsamen Markt der Verordnung Nr. 123/85 angepaßt zu haben; bei gleicher Gelegenheit wurde der Gesellschaft die Liste der Vertriebsverträge des Volkswagen-Konzerns übermittelt, die entsprechend abgelegt wurden.
In dieser Liste war auch der Musterhändlervertrag für Italien aufgeführt (Ihre Anmeldung vom 31. Januar 1963).
Angesichts dieses Verfahrens kann eine einfache Übermittlung, auch wenn sie - wie Sie schreiben - zum Zweck der Anmeldung erfolgt, eine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17... und des Artikels 8 der Verordnung Nr. 123/85... nicht ersetzen.
Die Kommission ist daher nicht in der Lage, sich zur Vereinbarkeit Ihres Musterhändlervertrags mit der Verordnung Nr. 123/85 zu äußern. Damit soll eine solche Vereinbarkeit nicht ausgeschlossen, sondern darauf hingewiesen werden, daß es den betreffenden Parteien obliegt, die notwendigen Konsequenzen aus der Freistellungsverordnung zu ziehen und ihrer Verantwortung gemäß Verträge zu vereinbaren, die den Voraussetzungen entsprechen. Diese Verträge brauchen nicht freigestellt zu werden, da sie bereits von der Freistellung durch die Verordnung erfaßt werden.
Entsprechend den obigen Ausführungen wird dieser Vorgang daher unbeschadet künftiger Entwicklungen abgelegt."
343 Unabhängig davon, ob die Übersendung der Convenzione B eine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 darstellte, hätte die Tatsache, daß diese Vereinbarung der Kommission bereits 1988 übermittelt wurde, diese veranlassen müssen, die Vereinbarung für sich allein nicht als Umstand anzusehen, der die Erhöhung des für die Schwere des Verstoßes ermittelten Betrages rechtfertigt (Randnr. 217 der Entscheidung). Die Zeit von 1988 bis 1992, in der die in der Convenzione B vorgesehene 15%-Regelung die einzige beanstandete Maßnahme darstellt (vgl. Randnr. 202 der Entscheidung), darf daher für die Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden, auch wenn diese Regelung zu Recht als mit dem EG-Vertrag unvereinbar beurteilt worden ist (vgl. zu letzterem oben, Randnrn. 49 und 189).
344 Demgegenüber durfte die 15%-Regelung bei der Festsetzung der Geldbuße für die Zeit von 1993 bis 1996 berücksichtigt werden. Wie bereits festgestellt (insbesondere oben, Randnrn. 79 bis 90 und 162 bis 165), wurde in diesem Zeitraum die durch die 15%-Regelung vorgesehene Obergrenze mit anderen Maßnahmen verbunden und damit verstärkt, um die Reexporte zu behindern. Außerdem belegen interne Dokumente des Volkswagen-Konzerns, daß die 15%-Regelung in dieser Zeit extensiv ausgelegt und angewandt wurde, nämlich als Regelung, die alle Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets über 15 % der insgesamt getätigten Verkäufe hinaus untersagte (vgl. oben, Randnr. 58). Auch wenn also nachgewiesen wäre, daß die Convenzione B angemeldet wurde, wäre dennoch festzustellen, daß die Anwendung der 15%-Regelung ab 1993 nicht mehr in den Grenzen der Tätigkeit lag, wie sie im Text der der Kommission übersandten Vereinbarung beschrieben war, so daß aufgrund des klaren Wortlauts von Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 die Bußgeldfreiheit nicht mehr greifen würde. Es wäre somit angemessen gewesen, als Ausgangspunkt des für die Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigenden Zeitraums auf den 1. September 1993 abzustellen (vgl. hierzu oben, Randnrn. 81 bis 83, sowie Randnr. 202 der Entscheidung).
345 Wie vom Gericht bereits festgestellt, hat die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße auch ihre nicht bewiesene Schlußfolgerung berücksichtigt, daß die Zuwiderhandlung nach dem 30. September 1996 fortgesetzt worden sei (vgl. oben, Randnr. 200), und hat bei der Bestimmung der Schwere des Verstoßes ihre unzutreffenden Feststellungen erwähnt, daß ein Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge als Sanktion Maßnahmen darstellten, die zur Behinderung der Reexporte ergriffen worden seien (vgl. oben, Randnr. 197).
346 Daraus ergibt sich, daß die Dauer der Zuwiderhandlung, die bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen ist, nur ungefähr drei Jahre beträgt und daß die Beschreibung der Zuwiderhandlung, wie sie die Kommission vorgenommen hat, um die Schwere des Verstoßes zu beurteilen, nicht in vollem Umfang zutrifft. Unter diesen Umständen ist es angezeigt, daß das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung die angefochtene Entscheidung abändert und den Betrag der Geldbuße herabsetzt (vgl. entsprechend Urteil Dunlop Slazenger, Randnr. 154).
347 Die Herabsetzung der Geldbuße braucht jedoch weder im Verhältnis zur Kürzung der von der Kommission berücksichtigten Dauer zu stehen noch der Summe der von der Kommission für die Zeit von 1988 bis August 1993, für das letzte Quartal des Jahres 1996 und für das Jahr 1997 berechneten Erhöhungssätze zu entsprechen (vgl. entsprechend Urteil Dunlop Slazenger, Randnr. 178). Es ist Sache des Gerichts, im Rahmen seiner Befugnis in diesem Bereich selbst die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 111; Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-148/94, Preussag Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-613, Randnr. 728). Im vorliegenden Fall erfordern zum einen die der begangenen Zuwiderhandlung eigene besondere Schwere - wie sie oben in Randnummer 336 herausgestellt wurde - und zum anderen die Intensität, mit der die unzulässigen Maßnahmen praktiziert wurden, - wie die oben im Rahmen des ersten Klagegrundes erörterte umfangreiche Korrespondenz belegt - eine wirklich abschreckende Geldbuße (vgl. Urteile des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 309, und vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, Randnr. 33). Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die verhängte Geldbuße von 102 000 000 ECU, die - wie die Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt hat - ungefähr 0,5 % des 1997 vom Volkswagen-Konzern in Italien, Deutschland und Österreich erzielten Umsatzes oder 0,25 % seines im selben Jahr in der Europäischen Union erzielten Umsatzes ausmacht, nicht außergewöhnlich hoch. Daß die Schlußfolgerungen der Kommission zum Splitmargensystem und zur Kündigung einiger Händlerverträge als nicht hinreichend durch Beweise gestützt beurteilt wurden, mindert schließlich nicht die besondere Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung, die durch den Beweis anderer rechtswidriger Verhaltensweisen ausreichend nachgewiesen wurde (vgl. oben, Randnrn. 193 und 194).
348 Nach alledem hält es das Gericht, das in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne des Artikels 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und des Artikels 17 der Verordnung Nr. 17 entscheidet (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-320/92 P, Finsider/Kommission, Slg. 1994, I-5697, Randnr. 46, und vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 129), für gerechtfertigt, den Betrag der Geldbuße, der gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) in Euro ausgedrückt wird, auf 90 000 000 EUR herabzusetzen.
Kostenentscheidung:
Kosten
349 Nach Artikel 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben wurde, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie 90 % der Kosten der Kommission und dieser 10 % ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung 98/273/EG der Kommission vom 28. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.733 - VW) wird insoweit für nichtig erklärt, als mit ihr festgestellt wird,
a) daß ein Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge als Sanktion Maßnahmen darstellten, die ergriffen wurden, um Reexporte von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi aus Italien durch Endverbraucher und Vertragshändler dieser Marken aus anderen Mitgliedstaaten zu behindern,
b) daß die Zuwiderhandlung in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlaß der Entscheidung nicht vollständig beendet war.
2. Der Betrag der in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße wird auf 90 000 000 EUR herabgesetzt.
3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und 90 % der Kosten der Kommission.
5. Die Kommission trägt 10 % ihrer eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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