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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: T-63/02
Rechtsgebiete: Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank


Vorschriften:

Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank Art. 13
Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank Art. 46
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 20. November 2003. - Maria Concundta Cerafogli und Paolo Poloni gegen Europäische Zentralbank. - Beamte - Bedienstete der Europäischen Zentralbank - Vergütung - Berechnungsmethode für die jährliche Anpassung der Vergütung - Anhörung der Personalvertretung - Artikel 13, 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen. - Rechtssache T-63/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-63/02

Maria Concetta Cerafogli und Paolo Poloni, Beamte der Europäischen Zentralbank, wohnhaft in Frankfurt am Main (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwältin T. Raab-Rhein sowie die Rechtsanwälte C. Roth und B. Karthaus, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Europäische Zentralbank, vertreten durch V. Saintot und T. Gilliams als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

zum einen wegen Aufhebung der Gehaltsabrechnungen, die den bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beschäftigten Klägern am 13. Juli 2001 für den Monat Juli 2001 erteilt wurden, soweit sie auf der Basis einer Erhöhung der Bezüge um 2,2 % erstellt wurden, zum anderen wegen Erteilung von Gehaltsabrechnungen an die Kläger für den Monat Juli 2001, die erstellt sind auf der Basis einer Erhöhung der Bezüge um mindestens 2,7 % oder, hilfsweise, einer Erhöhung, wie sie der im Urteil des Gerichts in der vorliegenden Rechtssache dargestellten entspricht, und Zahlung der Differenz zwischen diesen Beträgen,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter M. Jaeger und N. Forwood,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Auf der Grundlage von Artikel 36.1 des Protokolls zum EG-Vertrag über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB) erließ der EZB-Rat die "Conditions of Employment for Staff of the European Central Bank" (Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, ABl. L 125 vom 19. Mai 1999, S. 32, im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen). Diese sahen in ihrer zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt geltenden Fassung u. a. Folgendes vor:

"13. Der EZB-Rat nimmt auf Vorschlag des Direktoriums allgemeine Gehaltsanpassungen vor, die am 1. Juli jedes Jahres in Kraft treten.

42. Sind alle zur Verfügung stehenden internen Verfahren erschöpft, so entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in allen Streitsachen zwischen der EZB und einem Mitarbeiter oder ehemaligen Mitarbeiter, für den diese Beschäftigungsbedingungen gelten.

Diese Zuständigkeit ist auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme oder Entscheidung beschränkt, es sei denn, es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, bei der dem Gerichtshof eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zukommt.

...

45. Eine Personalvertretung, deren Mitglieder in geheimer Wahl gewählt werden, vertritt die allgemeinen Interessen aller Mitarbeiter in Bezug auf Beschäftigungsverträge, Dienstvorschriften und Bezüge, Beschäftigungs-, Arbeits-, Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in der EZB, soziale Absicherung und Versorgungssysteme.

46. Die Personalvertretung ist vor jeder Änderung dieser Beschäftigungsbedingungen, der Dienstvorschriften und aller damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, die in Artikel 45 genannt sind, anzuhören."

Sachverhalt

2 Die Kläger schlossen im Jahr 1998 unbefristete Arbeitsverträge mit der EZB. Nach diesen Verträgen sind die Beschäftigungsbedingungen und deren spätere Änderungen Vertragsbestandteil.

3 Auf der Grundlage von Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen erarbeitete das Direktorium der EZB eine Methode zur Durchführung der allgemeinen Gehaltsanpassungen für die Jahre 1999 bis 2001 (im Folgenden: Berechnungsmethode). Nach Anhörung der Personalvertretung durch das Direktorium der EZB verabschiedete der EZB-Rat auf Vorschlag des Direktoriums am 17. Juni 1999 die Berechnungsmethode.

4 Mit Schreiben vom 14. Juli 1999 unterrichtete der Vizepräsident der EZB, Herr Noyer, das Personal der EZB über die Verabschiedung und den Inhalt der Berechnungsmethode.

5 Die vom EZB-Rat verabschiedete Berechnungsmethode sah vor, dass die jährlichen Anpassungen der Vergütungen der Mitarbeiter der EZB auf der Grundlage der durchschnittlichen Entwicklung der von den nationalen Zentralbanken der fünfzehn Mitgliedstaaten und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) (im Folgenden: Referenzbanken) gezahlten Nominalgehälter erfolgten. Die EZB würde sich in dieser Hinsicht auf die von den Referenzbanken mitgeteilten Daten über die während des jeweiligen Jahres vorgenommenen Gehaltsanpassungen stützen. Die Nominalgehaltsanpassungen der Referenzbanken für das jeweils laufende Jahr sollten entsprechend der jeweiligen Beschäftigtenzahl dieser Banken gewichtet werden. Falls diese Methode zu einer nominellen Verringerung der Gehälter führte, konnte der EZB-Rat von ihr abweichen. In seinem Schreiben vom 14. Juli 1999 an die Mitarbeiter führte Herr Noyer aus, falls die Daten des jeweils laufenden Jahres "nicht verfügbar sind", würden die Daten des vorangegangenen Jahres verwendet.

6 Mit Schreiben vom 11. Juli 2001 unterrichtete Herr Noyer die Mitarbeiter und die Personalvertretung der EZB von der Festsetzung der Gehaltsanpassung für das Jahr 2001 mit Wirkung vom 1. Juli 2001 auf 2,2 % durch den EZB-Rat (im Folgenden: Gehaltsanpassung für 2001).

7 Am 13. Juli 2001 übermittelte die zuständige Direktion der EZB den Klägern die Gehaltsabrechnungen, aus denen hervorging, dass ihr Gehalt um 2,2 % erhöht wurde.

8 Die Kläger stellten Anträge auf verwaltungsinterne Überprüfung (administrative review) dieser Gehaltsabrechnungen, die am 5. Oktober 2001 abgelehnt wurden, und reichten dann Beschwerden ein (grievance procedure), die am 3. Januar 2002 zurückgewiesen wurden.

Verfahren und Anträge

9 Mit Klageschrift, die am 4. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

10 Die Kläger beantragen,

- die ihnen erteilten Gehaltsabrechnungen für den Monat Juli 2001 für nichtig zu erklären, soweit sie auf der Basis einer Erhöhung der Bezüge um 2,2 % erstellt wurden;

- die EZB zu verurteilen, ihnen Gehaltsabrechnungen für den Monat Juli 2001 zu erteilen, die auf der Basis einer jährlichen Gehaltsanpassung von mindestens 2,7 % oder einer Anpassung entsprechend dem Urteil des Gerichts in der vorliegenden Rechtssache erstellt sind;

- die EZB zu verurteilen, die sich aus den zu erteilenden Abrechnungen im Sinne des vorigen Antrags ergebenden Differenzbeträge gegenüber der tatsächlich geleisteten Gehaltszahlung an sie auszuzahlen;

- der EZB die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung

12 Die Kläger bringen zwei Klagegründe vor, mit denen sie rügen, die EZB habe es zum einen unterlassen, die Personalvertretung zur Gehaltsanpassung für 2001 anzuhören, und sie habe zum anderen durch die für dieses Jahr angewandte Berechnungsmethode gegen Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen verstoßen.

13 Das Gericht ist somit mit zwei Einreden der Rechtswidrigkeit gegen die rechtlichen Grundlagen der Gehaltsabrechnungen befasst. Diese Einreden beziehen sich im Rahmen des ersten Klagegrundes auf das Verfahren zur Gehaltsanpassung für 2001 und im Rahmen des zweiten Klagegrundes auf die angewandte Berechnungsmethode. Da zwischen diesen beiden generellen Rechtsakten und den Gehaltsabrechnungen - den vorliegend angefochtenen Rechtsakten, in denen die EZB die Gehaltsanpassung für 2001 in Höhe von 2,2 % auf der Grundlage der Berechnungsmethode erstmals anwendete - ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang besteht, sind diese Einreden zulässig.

Zur unterbliebenen Anhörung der Personalvertretung zur Gehaltsanpassung für 2001

Vorbringen der Parteien

14 Die Kläger sind der Auffassung, die EZB sei nach den Artikeln 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen gehalten gewesen, die Personalvertretung nicht nur vor Annahme der Berechnungsmethode im Jahr 1999 anzuhören, sondern auch vor Festsetzung der Gehaltsanpassung für 2001, nach der die Gehälter der Kläger berechnet worden seien.

15 Die Gehaltsanpassung für 2001 habe eine die Bezüge betreffende Angelegenheit im Sinne der Artikel 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen dargestellt, bei der es einer vorherigen Anhörung der Personalvertretung bedürfe. Außerdem habe die Gehaltsanpassung für 2001 keine schlichte Durchführung der Berechnungsmethode dargestellt. Vor einer Entscheidung über diese Anpassung habe durchaus Bedarf für eine Konsultation der Beschäftigten der EZB durch Anhörung der Personalvertretung bestanden.

16 Die Beklagte bestreitet, dass sie gemäß den Artikeln 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen verpflichtet gewesen sei, die Personalvertretung vor der jeweiligen Anwendung der Berechnungsmethode, d. h. hier vor der Gehaltsanpassung für 2001, anzuhören.

17 Der bloße Gesichtspunkt, dass Gehaltsanpassungen eine Frage der Vergütung im Sinne der Artikel 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen seien, reiche keineswegs aus, um daraus eine Anhörungspflicht herzuleiten. Dagegen ergebe sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen, dass die "damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten" (related matters) im Sinne von Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen sich auf die Beschäftigungsbedingungen und auf die Dienstvorschriften bezögen. Folglich beträfen diese "damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten" nur (allgemeine) Rechtsnormen.

18 Diese Auslegung werde durch Sinn und Zweck dieser Bestimmungen untermauert. Die Anhörungspflicht sei dadurch begründet, dass der Gesetzgeber bei allgemeinen Rechtsnormen über ein weites Ermessen verfüge. Die Anwendung der Berechnungsmethode lasse hingegen, im Gegensatz zum Vorbringen der Kläger, keinerlei Ermessensspielraum bzw. bedürfe keiner Interpretation. Vielmehr sei die EZB nach der Berechnungsmethode an die statistischen Daten gebunden, die ihr von den Referenzbanken übermittelt würden, und nehme eine schlichte mathematische Anwendung der Berechnungsmethode vor.

Würdigung durch das Gericht

19 Es ist zu prüfen, ob die EZB, wie die Kläger vortragen, nach den Artikeln 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen gehalten war, die Personalvertretung nicht nur vor der Verabschiedung der Berechnungsmethode im Jahr 1999, sondern auch vor Festsetzung der Gehaltsanpassung für 2001 nach dieser Methode anzuhören, oder ob sie, wie die Beklagte vorträgt, zu einer solchen Anhörung zur Gehaltsanpassung für 2001 nicht verpflichtet war.

- Auslegung des Artikels 46 der Beschäftigungsbedingungen

20 Gemäß Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen ist die Personalvertretung vor "jeder Änderung dieser Beschäftigungsbedingungen, der die Mitarbeiter betreffenden Vorschriften und aller damit in Zusammenhang stehenden Angelegenheiten, die in Artikel 45 [der Beschäftigungsbedingungen] genannt sind", anzuhören; zu diesen Angelegenheiten gehören die "Bezüge".

21 Aus dem vom Normgeber gewählten Wortlaut geht zunächst hervor, dass Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen die Verpflichtung zur Anhörung der Personalvertretung nicht, wie die Beklagte geltend macht, auf die Änderung von (allgemeinen) "Rechtsnormen" beschränkt, sondern diese Anhörungspflicht für jede Maßnahme auferlegt, die die dienstrechtlichen Vorschriften selbst oder mit diesen in Zusammenhang stehende "Angelegenheiten" betrifft, die, wie etwa die Bezüge, in Artikel 45 der Beschäftigungsbedingungen genannt sind.

22 Weiter ergibt sich aus einer systematischen und teleologischen Auslegung des Artikels 46 der Beschäftigungsbedingungen, dass die Anhörungspflicht bei der Änderung solcher Maßnahmen nur insoweit besteht, als diese allgemeine Geltung haben. Wie sich aus Artikel 45 der Beschäftigungsbedingungen ergibt, wurde die Personalvertretung nämlich geschaffen, um die "allgemeinen Interessen aller Mitarbeiter" zu vertreten.

23 Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Anhörung der Personalvertretung nur ein bloßes Recht auf Gehör umfasst. Folglich handelt es sich um eine der schwächsten Formen der Mitwirkung an einer Entscheidung, da sie keinesfalls die Verpflichtung der Verwaltung einschließt, der im Rahmen der Anhörung abgegebenen Stellungnahme der Personalvertretung Folge zu leisten. Angesichts dieses Umstands muss die Verwaltung, um die Anhörungspflicht ihrer praktischen Wirksamkeit nicht gänzlich zu berauben, dieser Pflicht in allen Fällen nachkommen, in denen die Anhörung der Personalvertretung den Inhalt der zu treffenden Maßnahme beeinflussen könnte (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. März 2001 in der Rechtssache T-192/99, Dunnett u. a./EIB, Slg. ÖD 2001, I-A-65 und II-313, Slg. 2001, II-813, Randnr. 90).

24 Im Übrigen muss die Reichweite der Verpflichtung zur Anhörung der Personalvertretung, wie sie der Normgeber vorgesehen hat, im Licht ihrer Ziele gewürdigt werden. Zum einen ist diese Anhörung darauf gerichtet, allen Mitarbeitern durch Einschaltung der Personalvertretung als Vertreterin ihrer gemeinsamen Interessen die Möglichkeit zu bieten, sich vor Erlass oder Änderung sie betreffender Maßnahmen mit allgemeiner Geltung Gehör zu verschaffen. Zum anderen liegt die Einhaltung dieser Verpflichtung im Interesse sowohl der verschiedenen Mitarbeiter als auch der Verwaltung, weil sich durch sie verhindern lässt, dass jeder einzelne Mitarbeiter eventuell vorhandene Fehler im Wege eines individuellen Verwaltungsbeschwerdeverfahrens rügen muss. Eben dadurch dient eine solche Anhörung, durch die man die Einlegung einer Vielzahl von gegen ein und dasselbe gerichteten Beschwerden vermeiden kann, auch dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

- Anwendung auf den vorliegenden Fall

25 Im vorliegenden Fall stellte die Gehaltsanpassung für 2001 eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung dar, die die Bezüge aller Mitarbeiter der EZB betraf. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Artikels 45 der Beschäftigungsbedingungen sind die Bezüge aber einer der Bereiche, für die die Personalvertretung geschaffen wurde, um die allgemeinen Interessen aller Mitarbeiter zu vertreten. Die Gehaltsanpassung für 2001 bezog sich damit eindeutig auf eine Angelegenheit, die im Sinne des Artikels 46 der Beschäftigungsbedingungen, der die Verpflichtung zur vorherigen Anhörung der Personalvertretung betrifft, mit das Beschäftigungsverhältnis berührenden Vorschriften in der EZB in Zusammenhang steht.

26 Ferner ist festzustellen, dass die Gehaltsanpassung für 2001 eine Änderung der Bezüge aller Mitarbeiter der EZB mit sich brachte, da sie das Gehaltsniveau sämtlicher Mitarbeiter veränderte.

27 In dieser Hinsicht trägt die Beklagte zu Unrecht vor, dass die Regeln für diese Änderung im Rahmen der Gehaltsanpassung für 2001 weitestgehend durch die Berechnungsmethode vorgegeben gewesen seien, so dass eine Anhörung für jede Anwendung der Berechnungsmethode nicht erforderlich gewesen sei.

28 Denn in Anbetracht des Zieles der in Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen vorgesehenen Anhörungspflicht (vgl. Randnrn. 23 und 24) haben die durch die Personalvertretung vertretenen Mitarbeiter weiterhin ein Interesse daran, vor jeder allgemeinen Anwendung der Berechnungsmethode angehört zu werden, um sich davon überzeugen zu können, dass kein Fehler unterläuft, der die Interessen der Mitarbeiter auf dem Gebiet der Bezüge schädigen könnte, sei es ein Fehler bei der Berücksichtigung der für die Berechnung maßgeblichen Ausgangsdaten oder ein Berechnungsfehler.

29 Wie die Beklagte im Übrigen in der mündlichen Verhandlung auf mündliche Fragen des Gerichts eingeräumt hat, handelte es sich bei der jährlichen Anwendung der Berechnungsmethode nicht um eine bloße Rechenoperation. Aus den von den Referenzbanken vorgelegten statistischen Daten ergibt sich nämlich, dass für einige Banken ein Wert für die von ihnen während des laufenden Jahres vorgenommenen Gehaltsanpassungen nicht verfügbar war. In solchen Fällen wurden verschiedene statistische Methoden angewandt, um die Höhe dieser Anpassungen zu errechnen. Folglich erforderte die Anwendung der Berechnungsmethode in einem gewissen Umfang eine vorherige Auswahl der zu verwendenden statistischen Daten, die geeignet war, das Ergebnis dieser Anwendung zu beeinflussen.

30 Im Gegensatz zum Vorbringen der EZB in der mündlichen Verhandlung ist die insoweit bestehende Kontrolle durch die Mitglieder des EZB-Rates, so wichtig sie auch sein mag, in einem anderen funktionellen Kontext angesiedelt. Diese Kontrolle bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Zuständigkeiten und Aufgaben dieses Organs und kann nicht die Kontrolle durch die Personalvertretung ersetzen, die die Interessen aller Mitarbeiter vertritt.

31 Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anhörung der Personalvertretung Einfluss auf den Inhalt der Gehaltsanpassung für 2001 hätte haben können.

32 Aus diesen Gründen ist Artikel 46 der Beschäftigungsbedingungen zugunsten seiner impliziten Zielsetzung auszulegen, nämlich der beratenden Beteiligung der Personalvertreter am Schutz der Interessen der Mitarbeiter, insbesondere im Bereich der Bezüge.

33 Ohne dass es einer Äußerung dazu bedarf, ob die Mitarbeiter bei der Annahme der Berechnungsmethode im Jahr 1999 ausreichend angehört wurden, ist der auf das Unterlassen der Anhörung der Personalvertretung zur Gehaltsanpassung für 2001 gestützte Klagegrund daher als stichhaltig anzusehen.

34 Im Rahmen seiner Kontrollbefugnis hält es das Gericht jedoch für angebracht, im Interesse der ordnungsgemäßen Rechtspflege die Stichhaltigkeit des zweiten, auf einen Verstoß gegen Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen gestützten Klagegrundes zu prüfen.

Zum Verstoß gegen Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen

Vorbringen der Parteien

35 Die Kläger sind der Auffassung, dass die Berechnungsmethode, auf deren Grundlage die Gehaltsanpassung für 2001 beschlossen worden sei, nicht mit Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen vereinbar sei. Aus der Auslegung dieser Bestimmung ergebe sich, dass die Gehaltsanpassung nicht, wie es die Berechnungsmethode vorsehe, an der durchschnittlichen Entwicklung der Gehälter bei den Referenzbanken ausgerichtet werden dürfe, sondern nach Maßgabe der Entwicklung der Lebenshaltungskosten am Sitz der EZB in Frankfurt am Main oder im Land Hessen festzusetzen sei.

36 Da Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen keine Kriterien für die Gehaltsanpassungen nenne, müssten nämlich nach Artikel 9 Buchstabe c der Beschäftigungsbedingungen die entsprechenden Bestimmungen des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut), d. h. die Artikel 64 und 65, ergänzend hinzugezogen werden.

37 Artikel 64 Absatz 1 des Statuts sehe vor, dass "[a]uf die Dienstbezüge des Beamten... ein Berichtigungskoeffizient angewandt [wird], der je nach den Lebensbedingungen am Ort der dienstlichen Verwendung 100 v. H. oder einen höheren oder niedrigeren Hundertsatz beträgt". Daher müsse die Gehaltsanpassung an der EZB, ebenso wie der in dieser Bestimmung für die Bezüge vorgesehene Berichtigungskoeffizient, einen Preisindex für eine bestimmte geografische Region, Aspekte der Wirtschafts- und Sozialpolitik und die Erfordernisse der Personalgewinnung berücksichtigen.

38 Diese Auslegung werde durch den Wortlaut von Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen ("general salary adjustments") bestätigt, aus dem hervorgehe, dass das Gehalt der Beschäftigten der EZB an eine gegebene Größe angepasst werden müsse. Diese Anpassung müsse außerdem auf die gesamte Belegschaft Anwendung finden und könne sich nicht aus einem von den Parteien des Arbeitsverhältnisses frei bestimmbaren Indikator ergeben, sondern müsse mit Bezug auf die in der vorstehenden Randnummer genannten objektiven Kriterien erfolgen.

39 Diese Auslegung von Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen werde auch durch den Zweck dieser Bestimmung gestützt, der darin bestehe, die EZB als Arbeitgeberin für hochqualifiziertes Personal attraktiv zu erhalten. Dieser Zweck würde konterkariert, wenn die Gehaltsanpassungen unterhalb der Teuerungsrate blieben, so dass sie zu einem effektiven Kaufkraftverlust der Mitarbeiter der EZB führten.

40 Daher sei Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen so auszulegen, dass er zumindest gebiete, die Kaufkraft der Beschäftigten der EZB zu erhalten.

41 Die Lebenshaltungskosten und damit die Kaufkraft seien aber lokale Phänomene, da die Beschäftigten der EZB am Sitz der EZB in Frankfurt am Main oder in der Umgebung, mithin im Land Hessen, lebten. Dagegen habe lediglich eine der Referenzbanken, nämlich die Deutsche Bundesbank, ihren Sitz in Frankfurt am Main. Zudem reflektiere deren Gehaltsentwicklung nicht zwingend die Teuerungsrate in Hessen.

42 Die Lebenshaltungskosten seien in Hessen zwischen Juni 2000 und Juni 2001 um ungefähr 2,7 % gestiegen. Daher sei die Gehaltsanpassung für 2001 bei der EZB hinter der Teuerungsrate zurückgeblieben und habe zu einem effektiven Kaufkraftverlust ihrer Beschäftigten geführt.

43 In ihrer Erwiderung machen die Kläger ferner geltend, dass das Außerachtlassen der Lebenshaltungskosten in Frankfurt am Main zu einer Ungleichbehandlung des in Frankfurt und des in Washington eingesetzten Personals der EZB führe. Im Gegensatz zu den Vorgaben der Berechnungsmethode lege die EZB nämlich für ihr Personal in Washington die Entwicklung der Kaufkraft zugrunde.

44 Die Beklagte weist diese Argumentation zurück.

Würdigung durch das Gericht

45 Es ist zu prüfen, ob die Gehaltsanpassung nach Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen, wie durch die Berechnungsmethode vorgesehen, entsprechend der durchschnittlichen Entwicklung der Gehälter bei den Referenzbanken erfolgen durfte oder ob diese Anpassung, wie die Kläger vortragen, entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten am Sitz der EZB in Frankfurt am Main oder im Land Hessen festzusetzen war.

46 Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen sieht vor, dass der EZB-Rat auf Vorschlag des Direktoriums allgemeine Gehaltsanpassungen vornimmt, die am 1. Juli jedes Jahres in Kraft treten.

47 Folglich gibt Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen, wie die Beklagte zu Recht hervorhebt, keine Kriterien für die Anpassung der Gehälter vor und sieht insbesondere nicht vor, dass diese Anpassungen der Entwicklung der Lebenshaltungskosten in Hessen oder in Frankfurt am Main Rechnung tragen müssen.

48 Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen räumt dem EZB-Rat somit in diesem Zusammenhang einen weiten Ermessensspielraum ein, den das Gericht nur bei Vorliegen eines offensichtlichen Fehlers oder eines Ermessensmissbrauchs beanstanden darf (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Dezember 1995 in den Rechtssachen T-544/93 und T-566/93, Abello u. a./Kommission, Slg. ÖD 1995, I-A-271 und II-815, Randnr. 56).

49 Indem der EZB-Rat in der Berechnungsmethode eine Gehaltsanpassung entsprechend der durchschnittlichen Entwicklung der Gehälter bei den Referenzbanken vorsah, führte er nun aber objektiv zu rechtfertigende Kriterien ein, deren Zweckmäßigkeit das Gericht nicht in Frage stellen darf. Es ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 107 Absatz 1 EG die nationalen Zentralbanken mit der EZB das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) bilden und dass es nach Artikel 3 der Satzung der BIZ vom 20. Januar 1930 in der Fassung der Änderung vom 8. Januar 2001 die wesentliche Aufgabe der BIZ ist, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken zu gewährleisten.

50 Im Gegensatz zum Vorbringen der Kläger sind die Artikel 64 und 65 des Statuts nicht ergänzend hinzuzuziehen, auch wenn Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen keine Kriterien für die Gehaltsanpassung festlegt. Nach Artikel 9 Buchstabe c der Beschäftigungsbedingungen sind nämlich unter diesen Umständen die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze, die allgemeinen Grundsätze des Rechts der Europäischen Gemeinschaft und die Vorschriften anzuwenden, die in den an die Mitgliedstaaten gerichteten Verordnungen und Richtlinien der EG über die Sozialpolitik enthalten sind. Die Kläger machen jedoch nicht einmal geltend, dass die Artikel 64 und 65 des Statuts unter eine der in Artikel 9 Buchstabe c der Beschäftigungsbedingungen aufgeführten Kategorien fielen.

51 Selbst wenn man unterstellt, dass für die Auslegung des Artikels 13 der Beschäftigungsbedingungen auf die Artikel 64 und 65 des Statuts zurückgegriffen werden muss, ist daran zu erinnern, dass das Statut im Bereich der Bezüge der Beamten u. a. bezweckt, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung allen Beamten unabhängig vom Ort ihrer Verwendung gleiche Kaufkraft zu garantieren (Urteil Abello u. a./Kommission). Im Gegensatz zu den Organen und Einrichtungen der Gemeinschaft, auf die das Statut anwendbar ist, sind die Mitarbeiter der EZB jedoch bisher praktisch ausschließlich am Sitz dieser Einrichtung in Frankfurt am Main eingesetzt.

52 Darüber hinaus berücksichtigt die Berechnungsmethode, wie die Beklagte zu Recht vorträgt, in gewissem Umfang das Kriterium der Entwicklung der Lebenshaltungskosten, wenn auch in einem weiteren geografischen Rahmen und mittelbar über die Gehaltsanpassungen bei den Referenzbanken.

53 Folglich ist der auf einen Verstoß gegen Artikel 13 der Beschäftigungsbedingungen gestützte Klagegrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen, ohne dass es erforderlich wäre, das Vorbringen der Parteien zur Auswahl der Basisdaten in Bezug auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten in Hessen zu prüfen.

54 Soweit die Kläger im Rahmen dieses Klagegrundes vorgetragen haben, dass die EZB die in Washington - bei einer Außenstelle der EZB mit drei ständigen Mitarbeitern - eingesetzten Mitarbeiter anders behandele, so ist daran zu erinnern, dass nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden können, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Da die Kläger nicht einmal behauptet haben, dass sie sich, als sie sich der Sache nach auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beriefen, auf rechtliche und tatsächliche Gründe gestützt hätten, die erst im Laufe des Verfahrens zutage getreten seien, ist dieses Angriffsmittel als unzulässig zurückzuweisen.

Zu den weiteren Anträgen

55 Mit ihrem zweiten und dritten Antrag (oben, Randnr. 10) ersuchen die Kläger das Gericht, die Beklagte zu verurteilen, ihnen zum einen Gehaltsabrechnungen für den Monat Juli 2001 zu erteilen, die auf der Basis einer jährlichen Gehaltsanpassung von mindestens 2,7 % oder einer Anpassung entsprechend dem Urteil des Gerichts in der vorliegenden Rechtssache erstellt sind, und ihnen zum anderen die Differenzbeträge gegenüber der tatsächlich geleisteten Gehaltszahlung zu zahlen, die sich aus den nach dem Urteil des Gerichts zu erteilenden Abrechnungen ergeben.

56 In dieser Hinsicht ergibt sich aus Artikel 42 Absatz 2 der Beschäftigungsbedingungen, dass die Zuständigkeit des Gerichts im Rahmen der Streitigkeiten zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme oder Entscheidung beschränkt ist, es sei denn, es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, bei der dem Gericht eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zukommt. Dagegen steht es dem Gericht nicht zu, Feststellungen zu treffen oder der EZB Anordnungen zu erteilen (Beschlüsse des Gerichts vom 24. Oktober 2000 in der Rechtssache T-27/00, Personalvertretung der EZB u. a./EZB, Slg. ÖD 2000, I-A-217 und II-987, Randnr. 37, und vom 28. Juni 2001 in der Rechtssache T-20/01, Cerafogli u. a./EZB, Slg. ÖD 2001, I-A-147 und II-675, Randnrn. 80 und 81, sowie Urteil des Gerichts vom 18. Oktober 2001 in der Rechtssache T-333/99, X/EZB, Slg. ÖD 2001, I-A-199 und II-921, Randnr. 48).

57 Im vorliegenden Fall können diese Anträge, selbst wenn sie als Anträge auf Erteilung von Anordnungen an die Beklagte gefasst sind, als Anträge der Kläger an das Gericht verstanden werden, von seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung in der Weise Gebrauch zu machen, dass es die Beklagte dazu verurteilt, den Klägern die Beträge zu zahlen, die sich aus der Beurteilung des Gerichts im Rahmen seiner Prüfung der Nichtigkeitsklage ergeben.

58 Da jedoch der zweite Klagegrund, der sich auf die Rechtmäßigkeit der Methode selbst bezieht, zurückzuweisen ist, sind die vorliegenden Anträge ebenfalls zurückzuweisen.

59 Aus diesen Gründen sind die den Klägern erteilten Gehaltsabrechnungen für den Monat Juli 2001 aufzuheben, soweit sie die Gehaltsanpassung für 2001 umsetzen, weil die EZB es bei der Verabschiedung dieser Gehaltsanpassung unterlassen hat, die Personalvertretung anzuhören.

Kostenentscheidung:

Kosten

60 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte unterlegen ist, sind ihr ihre eigenen Kosten und die der Kläger gemäß deren Antrag aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die den bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beschäftigten Klägern am 13. Juli 2001 erteilten Gehaltsabrechnungen für den Monat Juli 2001 werden insoweit aufgehoben, als die EZB es bei der Verabschiedung der Gehaltsanpassung für 2001 unterlassen hat, die Personalvertretung anzuhören.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Zentralbank trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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