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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: T-65/96
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Verordnung zur Durchführung der Artikel 85 und 86 des Vertrages, EG
Vorschriften:
Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Verordnung zur Durchführung der Artikel 85 und 86 des Vertrages Art. 11 | |
EG Art. 253 |
1 Der Grundsatz des vollständig kontradiktorischen Charakters des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission im Bereich der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln gilt nur gegenüber den Unternehmen, gegen die durch eine Entscheidung der Kommission, mit der ein Verstoß gegen die Artikel 85 oder 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) festgestellt wird, eine Sanktion verhängt werden kann; die Rechte Dritter, wie sie in Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 festgelegt sind, sind dagegen auf das Recht beschränkt, sich am Verwaltungsverfahren zu beteiligen. Insbesondere können Dritte nicht geltend machen, daß sie unter den gleichen Voraussetzungen wie die betroffenen Unternehmen einen Anspruch auf Einsicht in die bei der Kommission geführten Akten hätten. (vgl. Randnr. 34)
2 Beschließt die Kommission, eine bei ihr eingereichte Beschwerde zu untersuchen, so hat sie diese, soweit dem nicht ordnungsgemäß dargelegte Gründe entgegenstehen, mit der erforderlichen Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Umsicht durchzuführen, um die ihr von den Beschwerdeführern zur Beurteilung unterbreiteten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte in voller Sachkenntnis würdigen zu können.
Hat sich die Untersuchung der Kommission über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren erstreckt, in dem sie die Angaben einer aussagekräftigen Anzahl von Unternehmen des Sektors eingeholt, diese geprüft und dem Kläger mehrfach Gelegenheit geboten hat, alle Gesichtspunkte vorzutragen, die Berücksichtigung verdienen konnten, so hat die Kommission alle ihre Tätigkeiten mit der erforderlichen Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Umsicht durchgeführt. (vgl. Randnrn. 45-46)
3 Die Verweisung in einem Akt auf einen anderen Akt ist im Hinblick auf Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) zu prüfen und verstößt nicht gegen die den Gemeinschaftsorganen obliegende Begründungspflicht.
Vor allem bringt eine dem Beschwerdeführer übermittelte Entscheidung der Kommission, die auf ein Schreiben verweist, das die Gründe für die Zurückweisung der Beschwerde enthält und der Entscheidung als Anhang beigefügt ist, die Gründe, aus denen die Beschwerde zurückgewiesen wurde, hinreichend klar zum Ausdruck und genügt somit der Begründungspflicht im Sinne des Artikels 190 EG-Vertrag. (vgl. Randnr. 51)
4 Bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, sind die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefaßt sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind.
Die wegen der spezifischen Bedürfnisse des Benutzers fehlende Austauschbarkeit verschiedener Typen und Größen eines Erzeugnisses gestattet es nicht, bei der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung gegeben ist, je nach diesen Typen und Größen zwischen mehreren Teilmärkten zu differenzieren. Weiter kann sich, da durch die Abgrenzung des relevanten Marktes ermittelt werden soll, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern und sich gegenüber seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten, die Prüfung nicht auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse beschränken, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden. (vgl. Randnr. 62)
5 Ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung stellt eine Verletzung der Begründungspflicht nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) dar, die zur Nichtigkeit der betreffenden Handlung führen kann, wenn nachgewiesen wird, daß der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen konnte und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist. (vgl. Randnr. 85)
Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 30. März 2000. - Kish Glass & Co. Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Fließglas - Verteidigungs- und Verfahrensrechte der Beschwerdeführerin - Produktmarkt und räumlicher Markt - Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG). - Rechtssache T-65/96.
Parteien:
In der Rechtssache T-65/96
Kish Glass & Co. Ltd, Gesellschaft irischen Rechts mit Sitz in Dublin (Irland), Prozeßbevollmächtigter: Solicitor M. Byrne, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt und Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, Juristischer Dienst, und R. Caudwell, zur Kommission abgeordnete nationale Beamtin, in der mündlichen Verhandlung durch B. Doherty, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: C. Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,
Beklagte,
unterstützt durch
Pilkington United Kingdom Ltd, Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in Saint Helens, Merseyside (Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigte: Solicitor J. Kallaugher sowie Rechtsanwälte Andreas Weitbrecht, Berlin, und M. Hansen, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Loesch und Wolter, 11, rue Goethe, Luxemburg,
Streithelferin,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 21. Februar 1996 (IV/34.193 - Kish Glass), mit der eine wegen eines Verstoßes gegen Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) erhobene Beschwerde der Klägerin vom 17. Januar 1992 gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Verordnung zur Durchführung der Artikel 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), zurückgewiesen wurde,
erläßt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
(Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten R. M. Moura Ramos, der Richterin V. Tiili und des Richters P. Mengozzi,
Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 1999,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1 Am 17. Januar 1992 reichte die Kish Glass & Co. Ltd., Gesellschaft irischen Rechts und Glaslieferantin (nachstehend: Klägerin), gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Verordnung zur Durchführung der Artikel 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204; nachstehend: Verordnung Nr. 17) eine Beschwerde bei der Kommission ein, mit der sie den Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch die Pilkington United Kingdom Ltd. (nachstehend: Pilkington) und deren deutsche Tochtergesellschaft Flabeg GmbH auf dem irischen Markt für Schwimmglas der Stärke 4 mm beanstandete, die ihr bei gleichen Leistungen andere Bedingungen als anderen Käufern geboten, die Lieferung von Glas dieser Art über eine bestimmte Menge hinaus verweigert und sie damit in eine nachteilige Wettbewerbssituation gebracht hätten.
2 Am 14. Februar 1992 richtete die Kommission ein Auskunftsersuchen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an die Klägerin, auf das diese am 10. März 1992 antwortete.
3 Auf die Aufforderung der Kommission zur Stellungnahme machte Pilkington geltend, daß sie keine beherrschende Stellung auf dem Schwimmglasmarkt habe und ein Rabattsystem anwende, das die Bedeutung des Kunden, die Zahlungsfristen und die gekaufte Menge berücksichtige.
4 Am 1. Juli 1992 legte die Klägerin der Kommission ihre Stellungnahme zu den Äußerungen von Pilkington vor. Sie blieb dabei, daß die Einstufung der Kunden durch Pilkington diskriminierend sei; diese sei mit einem Marktanteil von mehr als 80 % der wichtigste Lieferant von Schwimmglas der Stärke 4 mm in Irland, das den für die Beurteilung ihrer beherrschenden Stellung räumlich relevanten Markt darstelle.
5 Am 9. Juli 1992 antwortete die Kommission der Klägerin, daß ein Rabattsystem, das die Kunden in Gruppen und nach Mengen einstufe, nicht diskriminierend sei. Hierzu nahm die Klägerin am 10. August 1992 Stellung.
6 Am 18. November 1992 richtete die Kommission gemäß Artikel 6 ihrer Verordnung Nr. 99/63/EWG vom 25. Juli 1963 über die Anhörung gemäß Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, 127, S. 2268; nachstehend: Verordnung Nr. 99/63) ein Schreiben an die Klägerin, in dem sie darlegte, daß keine ausreichende Grundlage gegeben sei, ihrer Beschwerde zu entsprechen, und diese aufforderte, gegebenenfalls im Hinblick auf ihre endgültige Entscheidung weitere Darlegungen einzureichen. Die Klägerin ist dieser Aufforderung nachgekommen.
7 Im Anschluß an eine informelle Sitzung am 27. April 1993 teilte die Kommission der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juni 1993 mit, daß ihre erneute Äußerung rechtlich oder tatsächlich nichts Neues enthalte, was ihre Schlußfolgerungen im Schreiben vom 18. November 1992 in Frage stellen könne. Sie beabsichtige allerdings, ein Auskunftsersuchen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an Pilkington zu richten, und werde sie über den Fortgang des Verfahrens unterrichten.
8 Am 3. Dezember 1993 übermittelte die Kommission der Klägerin eine nicht vertrauliche Fassung der Antwort von Pilkington auf dieses Auskunftsersuchen.
9 Mit Schreiben vom 16. Februar und 1. März 1994 legte Pilkington der Kommission ihren Standpunkt zur Definition des räumlich relevanten Markts und zu ihrer angeblich beherrschenden Stellung auf diesem Markt dar.
10 Mit zwei Schreiben vom 8. März 1994 an die Kommission hielt die Klägerin an ihrem Standpunkt zur Definition des räumlich relevanten Marktes, nämlich des irischen Marktes, und an ihrer Auffassung zum Mißbrauch einer beherrschenden Stellung durch Pilkington auf dem besonderen Markt für Schwimmglas der Stärke 4 mm fest.
11 Am 24. und 27. Mai 1994 übermittelte die Klägerin der Kommission weitere Angaben, die belegen sollten, daß die Transportkosten vom europäischen Kontinent nach Irland wesentlich höher seien als beim Transport vom Vereinigten Königreich nach Irland, so daß ein lokaler räumlich relevanter Markt vorliege.
12 Mit Schreiben vom 10. Juni 1994 ließ Pilkington die Kommission wissen, daß sie mit den Angaben der Klägerin zu den Transportkosten nicht übereinstimme.
13 Nach weiteren Informationen von anderen Glasherstellern richtete die Kommission am 19. Juli 1995 ein zweites Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 66/63 an die Klägerin, in dem sie daran festhielt, daß relevanter Markt der Markt für die Lieferung von Schwimmglas aller Stärken an die Händler sei, daß der räumlich relevante Markt die gesamte Gemeinschaft umfasse und daß Pilkington auf diesem Markt keine beherrschende Stellung einnehme.
14 Am 31. August 1995 äußerte sich die Klägerin zu diesem zweiten Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 und trat erneut sowohl der Definition des räumlichen und des Produktmarkts durch die Kommission als auch deren Beurteilung der beherrschenden Stellung von Pilkington entgegen.
15 Vom 31. Oktober bis zum 3. November 1995 holte die Kommission bei acht Glasimporteuren mit Sitz in Irland telefonisch und per Fernschreiben Auskünfte darüber ein, wie sie Schwimmglas der Stärke 4 mm erwarben.
16 Am 14. November 1995 übersandte die Kommission Auskunftsersuchen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 an auf dem irischen Markt tätige Unternehmen einschließlich der Klägerin und Pilkington, um Daten zur Menge des in Irland verkauften Schwimmglases der Stärke 4 mm, zu den Stärken des abgesetzten Glases und zu den Preisen für den Transport in das Gebiet von Dublin in Erfahrung zu bringen.
17 Am 18. Dezember 1995 übermittelte die Kommission der Klägerin fünf Antworten von Glasunternehmen, die diese am 22. Dezember 1995 erhielt. Am 7. Februar 1996 übersandte die Kommission ihr fünf weitere Antworten von Glasunternehmen, die am 12. Februar bei ihr eingingen.
18 Am 21. Februar 1996 wies die Kommission mit ihrer Entscheidung (IV/34.193 - Kish Glass; nachstehend: angefochtene Entscheidung) die Beschwerde der Klägerin endgültig zurück. In ihrer Entscheidung, die der Klägerin am 1. März 1996 zuging, hielt die Kommission an ihrem früheren Standpunkt fest, daß der relevante Produktmarkt der Markt für den Verkauf von Schwimmglas aller Stärken an die Händler sei, der räumlich relevante Markt die gesamte Gemeinschaft oder zumindest den nördlichen Teil der Gemeinschaft umfasse und Pilkington auf diesem Markt keine beherrschende Stellung einnehme.
Verfahren
19 Mit Klageschrift, die am 11. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
20 Pilkington hat mit Schriftsatz, der am 30. September 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Beklagten beantragt. Der Präsident der dritten Kammer hat mit Beschluß vom 30. Juni 1997 diese Streithilfe zugelassen.
21 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat jedoch die Kommission aufgefordert, einige schriftliche Fragen zu beantworten; dem ist die Kommission am 22. März 1999 nachgekommen.
22 Die Beteiligten haben in der Sitzung vom 28. April 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
Anträge der Beteiligten
23 Die Klägerin beantragt,
- die Entscheidung der Kommission vom 21. Februar 1996 in dem Verfahren IV/34.193 - Kish Glass für nichtig zu erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
24 Die Beklagte beantragt mit Unterstützung der Streithelferin,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Gründe
25 Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund, der in zwei Teile zerfällt, wirft sie der Kommission vor, daß sie zum einen ihre Anhörungsrechte und zum anderen den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt und ihr Ermessen mißbraucht habe. Mit dem zweiten Klagegrund wirft sie der Beklagten eine Mißachtung von Verfahrensregeln vor. Mit dem dritten Klagegrund wird eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften und des Grundsatzes der Rechtssicherheit gerügt und mit dem vierten und fünften Klagegrund der Kommission vorgeworfen, bei der Ermittlung des relevanten Produktmarkts und des räumlich relevanten Markts einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen zu haben.
Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Anhörungsrechte der Klägerin und des Grundsatzes der Rechtssicherheit sowie Ermessensmißbrauch
Vorbringen der Beteiligten
26 Die Klägerin macht erstens geltend, die Kommission habe ihr keine ausreichende Frist zur Stellungnahme eingeräumt und damit ihre Anhörungsrechte verletzt. Zweitens habe die Kommission, da sie nach in der Verordnung Nr. 17 nicht vorgesehenen Modalitäten Informationen eingeholt habe, einen Ermessensmißbrauch begangen und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.
- Zur Verletzung der Anhörungsrechte der Klägerin
27 Die Klägerin weist zum einen darauf hin, daß die Kommission mit Schreiben vom 14. November 1995 irische Unternehmen aufgefordert habe, ihr Angaben über Menge, Größen und Stärke des auf dem irischen und auf dem kontinentaleuropäischen Markt verkauften Schwimmglases zu übermitteln. Die Antworten der irischen Unternehmen, auf denen die am 21. Februar 1996 erlassene Entscheidung beruhe, habe die Klägerin am 22. Dezember 1995 und 12. Februar 1996 in Kopie erhalten. Der Inhalt der Antworten habe ihre Auffassung stützen können, die Kommission habe ihr jedoch nur neun Tage Zeit gelassen, um zu sämtlichen Antworten der irischen Unternehmen Stellung zu nehmen, und sie damit daran gehindert, ihre Anhörungsrechte wahrzunehmen.
28 Zum anderen habe der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung ständig betont, daß die Beachtung der Verfahrensrechte in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen könnten, ein elementarer Grundsatz sei, der auch dann sichergestellt werden müsse, wenn es an einer Regelung für das betreffende Verfahren fehle. Bei der näheren Ausgestaltung der Verfahrensrechte habe die Kommission im übrigen Regeln für die Akteneinsicht sowohl durch den Beschuldigten als auch durch den Beschwerdeführer festgelegt. Außerdem habe die Rechtsprechung des Gerichts sowohl in Wettbewerbs- als auch in Dumpingsachen aus dem Recht auf Akteneinsicht ein Recht auf Stellungnahme zu den einzelnen Teilen der Akten abgeleitet.
29 Die Kommission verweist darauf, daß die Klägerin, wie die Anlagen zur Klageschrift belegten, während der Prüfung ihrer Beschwerde mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe; sie habe insbesondere zwischen der Einreichung der Beschwerde und dem ihr am 19. Juli 1995 übersandten Schreiben neunmal Gelegenheit zur Äußerung gehabt. Nichtvertrauliche Abschriften der Antworten von Pilkington und vier irischen Glasimporteuren seien ihr am 18. Dezember 1998, d. h. zwei Monate vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung, übersandt worden; zwei dieser vier Unternehmen gehörten zu den drei wichtigsten und zwei weitere zu den kleinsten Glasimporteuren. Ferner seien der Klägerin am 7. Februar 1996 nichtvertrauliche Abschriften der fünf weiteren Antworten übermittelt worden; diese Antworten hätten die Informationen bestätigt, die sie bei ihren telefonischen Anfragen vom 31. Oktober bis zum 3. November 1995 erhalten habe und die allesamt der Klägerin mitgeteilt worden seien. Diese habe zusätzlich zwei Wochen Zeit gehabt, um zu den letztgenannten Antworten Stellung zu nehmen. Die Klägerin habe volle Kenntnis von ihrem Recht auf Stellungnahme zu den ihr zugänglichen Aktenstücken gehabt, so daß es nicht erforderlich gewesen sei, eine formelle Aufforderung hierzu an sie zu richten.
- Zum Ermessensmißbrauch und zur Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
30 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Kommission im schriftlichen Verfahren erklärt habe, die am 14. November 1995 an die irischen Unternehmen gerichteten Auskunftsverlangen hätten lediglich schriftliche Belege für die Auskünfte liefern sollen, die zuvor bereits durch Fernschreiben oder telefonisch erteilt worden seien. Die Methode der Kommission, die von ihr benötigten Auskünfte zu erhalten, nämlich zunächst telefonisch und dann schriftlich, sei in Artikel 11 Absätze 2 bis 6 der Verordnung Nr. 17 nicht vorgesehen und daher mit diesen Vorschriften unvereinbar. Die Kommission habe daher ihr Ermessen mißbraucht und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen.
31 Die Kommission steht auf dem Standpunkt, daß Artikel 11 der Verordnung es nicht ausschließe, mündliche Informationen einzuholen, wenn förmliche Auskunftsersuchen folgten.
Würdigung durch das Gericht
- Zur Verletzung der Anhörungsrechte der Klägerin
32 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gewährung rechtlichen Gehörs in allen Verfahren, die zu einer den Betroffenen beschwerenden Maßnahme führen könnten, ein elementarer Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der auch dann sichergestellt werden muß, wenn eine besondere Regelung fehlt. Die Beachtung dieses Grundsatzes erfordert es, dem betroffenen Unternehmen bereits im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zu geben, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Beanstandungen und Umstände gebührend Stellung zu nehmen (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, Randnr. 29, vom 12. Februar 1992 in den Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnr. 37, vom 29. Juni 1994 in der Rechtssache C-135/92, Fiskano/Kommission, Slg. 1994, I-2885, Randnrn. 39 und 40, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-48/96 P, Windpark Groothusen/Kommission, Slg. 1998, I-2873, Randnr. 47).
33 Jedoch betrifft dieser Grundsatz die Anhörungsrechte von Personen, gegen die die Kommission eine Untersuchung richtet. Ein solches Verfahren stellt jedoch, wie der Gerichtshof klargestellt hat, kein kontradiktorisches Verfahren zwischen den beteiligten Unternehmen dar; es ist vielmehr ein Verfahren, das die Kommission von Amts wegen oder auf Antrag in Wahrnehmung ihrer Aufgabe einleitet, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu überwachen. Daraus folgt, daß sich die Unternehmen, gegen die das Verfahren eingeleitet worden ist, und die Unternehmen, die einen Antrag nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 gestellt und ein berechtigtes Interesse an der Abstellung der behaupteten Zuwiderhandlung dargetan haben, nicht in derselben verfahrensmäßigen Lage befinden und daß letztere keinen Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne der angeführten Rechtsprechung haben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84, BAT und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 19, und Urteil des Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93, Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 34).
34 Zur Akteneinsicht, die ebenfalls zu den Verfahrensgarantien gehört, die das Anhörungsrecht schützen sollen, hat das Gericht entsprechend entschieden, daß in Verwaltungsverfahren vor der Kommission im Bereich der Wettbewerbsregeln für die Unternehmen nur den Unternehmen volles rechtliches Gehör zu gewähren ist, gegen die die Kommission durch eine Entscheidung, mit der ein Verstoß gegen die Artikel 85 oder 86 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) festgestellt wird, eine Sanktion verhängen kann; die Rechte Dritter, wie sie in Artikel 19 der Verordnung Nr. 17 festgelegt sind, sind dagegen auf das Recht beschränkt, sich am Verwaltungsverfahren zu beteiligen. Insbesondere können Dritte nicht geltend machen, daß sie unter den gleichen Voraussetzungen wie die betroffenen Unternehmen einen Anspruch auf Einsicht in die bei der Kommission geführten Akten hätten (Urteil Matra Hachette/Kommission, Randnr. 34).
35 Was die Rechte der Klägerin als Beschwerdeführerin anlangt, so hat das Verfahren zur Untersuchung ihrer Beschwerde mehr als vier Jahre gedauert; in diesem Zeitraum hatte die Klägerin mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme. Insbesondere haben die letzten fünf Antworten der irischen Unternehmen, die der Klägerin übermittelt wurden, an den wesentlichen Punkten des Verfahrens nichts geändert; damit aber hat die Kommission, die der Klägerin vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung für ihre Stellungnahme zu diesen Antworten nur neun Tage zugestanden hat, diese dadurch nicht gehindert, ihren Standpunkt gebührend zur Kenntnis zu bringen.
36 Damit wurden die Anhörungsrechte der Klägerin nicht verletzt.
- Zum Ermessensmißbrauch und zur Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit
37 Die Kommission soll ihr Ermessen mißbraucht haben, indem sie von den irischen Glasunternehmen Auskünfte telefonisch oder durch Fernschreiben verlangte, obwohl Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 bestimme, daß solche Auskünfte schriftlich anzufordern seien. Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Ermessensmißbrauch dann vor, wenn ein Gemeinschaftsorgan einen Rechtsakt ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken erläßt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Randnr. 69, und Urteil des Gerichts vom 15. Januar 1997 in der Rechtssache T-77/95, SFEI u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1, Randnr. 116).
38 Im vorliegenden Fall hindert Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 die Kommission zum einen nicht daran, Auskünfte durch mündliche Anfragen einzuholen, denen Ersuchen in gebührender Form nachfolgen. Zum anderen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die mündliche Anforderung dieser Auskünfte anderen Zwecken gedient hätte, als sie der genannte Artikel im Auge hat.
39 Der erste Klagegrund ist daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Verfahrensvorschriften
Vorbringen der Beteiligten
40 Die Klägerin bringt vor, die Kommission habe die verfahrensrechtlichen Garantien des Gemeinschaftsrechts verkannt, indem sie ein Auskunftsersuchen an Pilkington gerichtet habe, das nicht objektiv abgefaßt gewesen sei.
41 Die Kommission habe am selben Tag, dem 14. November 1995, ein Auskunftsersuchen an Pilkington und weitere Auskunftsersuchen an die irischen Unternehmen gerichtet. Im Auskunftsersuchen der Kommission heiße es: "In ihrer Antwort hält Kish daran fest, daß Klarschwimmglas der Stärke 4 mm einen besonderen Markt in Irland bilde [...] Kish behauptet ferner, daß allein Pilkington in der Lage sei, die vom irischen Markt nachgefragten Maße zu liefern. Die Kommission hat diesen Punkt untersucht und hält ihn für wenig überzeugend. Gleichwohl hat es sich als notwendig erwiesen, ein neues Auskunftsersuchen zu formulieren, um alle Gesichtspunkte in den Akten zu haben, die für eine Zurückweisung der Beschwerde erforderlich sind." Die Kommission habe also Pilkington wissen lassen, daß die Beschwerde wenig überzeugend sei, obwohl dieses Problem noch nicht untersucht worden sei, da sie noch keine Antworten auf die Fragen in ihrem Schreiben vom 14. November 1995 erhalten habe. Somit habe die Kommission überhaupt nicht wissen können, was sich aus den Auskunftsersuchen ergeben könne, habe aber trotzdem dem beschuldigten Unternehmen mitgeteilt, daß sie die Beschwerde zurückzuweisen gedenke, und es gebeten, ihr den Nachweis zu liefern, der ihr dies ermögliche.
42 Die Kommission weist darauf hin, daß sie nach Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet gewesen sei, den Zweck anzugeben, dem die Auskünfte dienen sollten. Als diese Schreiben gefertigt worden seien, habe sie bereits gewußt, daß die Beschuldigungen von Kish Glass wahrscheinlich nicht begründet seien, weil sie bereits telefonisch oder durch Fernschreiben die Antworten der Unternehmen erhalten gehabt habe, an die sie sich dann noch schriftlich habe wenden sollen. Sie habe daher das Vorbringen von Kish Glass ernsthaft und mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft, aber feststellen müssen, daß es unzutreffend sei.
43 Für die Streithelferin ist die Pflicht zur Unparteilichkeit verletzt, wenn die Kommission bei ihren Untersuchungen der späteren Entscheidung über die Beschwerde vorgreift; das bedeute nicht, daß sich die Beamten der Kommission nicht eine erste Überzeugung zu den von einer Beschwerde aufgeworfenen Problemen bilden dürften. Die Pflicht zur Unparteilichkeit verlange, daß die Kommission zumindest solange, als nicht der Beschwerdeführer von seinem Recht zur Stellungnahme gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/66 Gebrauch gemacht habe, für jede Diskussion offen bleibe, die möglicherweise ihren Standpunkt ändern könne. Die Beamten der Kommission seien aber, wenn sie sich eine erste Meinung gebildet hätten, rechtlich nicht gehindert, diese dem von der Untersuchung betroffenen Unternehmen mitzuteilen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission in ihrem Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 Kish Glass bereits ihren Standpunkt mitgeteilt, daß der Beschwerde wohl nicht stattzugeben sei. Außerdem habe diese bereits Gelegenheit gehabt, ihre Meinung zu dem Standpunkt der Kommission zu äußern. Die Kommission habe, als sie das besagte Auskunftsersuchen übersandt habe, bereits eine erste Überzeugung gewonnen, deren Mitteilung an Pilkington keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Objektivität und der Unparteilichkeit darstelle.
Würdigung durch das Gericht
44 Gemäß Artikel 11 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 hat die Kommission wenn sie ein Auskunftsersuchen an ein Unternehmen oder eine Unternehmensvereinigung richtet, die Rechtsgrundlagen und den Zweck des Ersuchens sowie die etwaigen Sanktionen bei unzutreffenden Auskünften anzugeben. Folglich war die Kommission verpflichtet, Pilkington in ihrem Schreiben vom 14. November 1995 die Gründe für ihre Forderung nach ergänzenden Auskünften mitzuteilen.
45 Sodann hat die Kommission nach ständiger Rechtsprechung die Prüfung einer Beschwerde, die zu untersuchen sie beschließt, soweit dem nicht ordnungsgemäß dargelegte Gründe entgegenstehen, mit der erforderlichen Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Umsicht durchzuführen, um die ihr von den Beschwerdeführern zur Beurteilung unterbreiteten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte in voller Sachkenntnis würdigen zu können (Urteil des Gerichts vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 36).
46 Im vorliegenden Fall hat sich die Untersuchung der Kommission nach Aktenlage über mehr als vier Jahre erstreckt, in denen sie die Angaben einer aussagekräftigen Anzahl von Unternehmen des Sektors eingeholt, diese geprüft und der Klägerin mehrfach Gelegenheit geboten hat, alle Gesichtspunkte vorzutragen, die Berücksichtigung verdienen konnten. Dabei hat die Kommission alle ihre Tätigkeiten mit der erforderlichen Sorgfalt, Ernsthaftigkeit und Umsicht durchgeführt. Die Klägerin hat mit dem bloßen Hinweis darauf, daß die Kommission in ihrem Schreiben vom 14. November 1995 die Auffassung vertreten habe, daß die Beschwerde "wenig überzeugend" sei, und Pilkington um weitere Auskünfte gebeten habe, um sie "zurückweisen" zu können, nicht das Gegenteil belegt.
47 Demgemäß ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften und des Grundsatzes der Rechtssicherheit
Vorbringen der Beteiligten
48 Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung der Kommission sei in formeller Hinsicht fehlerhaft und verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit.
49 Entscheidungen, mit denen Beschwerden zurückgewiesen würden, ergingen gewöhnlich in Form eines mit Gründen versehenen Schreibens, das von dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Mitglied der Kommission unterzeichnet werde. Im vorliegenden Fall habe dieses Mitglied lediglich ein Bestätigungsschreiben unterzeichnet, in dem nach Zusammenfassung des Verfahrensablaufs die Beschwerde zurückgewiesen und wegen der Begründung auf ein eigenes Papier verwiesen worden sei. Dieses Papier wiederum enthalte nichts in der Art einer Unterschrift oder von Initialen, das belege, daß das zuständige Mitglied der Kommission es mit einem Sichtvermerk versehen hätte. Infolge dieser ungewöhnlichen Vorgehensweise verfüge sie über keinerlei Mittel, um festzustellen, ob das zuständige Mitglied der Kommission die Begründung der Zurückweisung der Beschwerde gesehen oder gebilligt habe. Hier handele es sich mithin um ein Problem der Form und nicht um ein Problem der Begründung.
50 Die Kommission macht geltend, die angefochtene Entscheidung weise zum einen keine ungewöhnliche Form auf und verweise zum anderen ausdrücklich auf den Anhang mit den Gründen für ihren Entschluß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Würdigung durch das Gericht
51 Die Rechtsprechung geht davon aus, daß die Verweisung in einem Akt auf einen anderen Akt im Hinblick auf Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) zu prüfen ist und nicht gegen die den Gemeinschaftsorganen obliegende Begründungspflicht verstößt. In seinem Urteil vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache T-504/93 (Tiercé Ladbroke/Kommission, Slg. 1997, II-923, Randnr. 55) hat das Gericht etwa entschieden, daß eine dem Beschwerdeführer übermittelte Entscheidung der Kommission durch die Verweisung auf das Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 die Gründe, aus denen die Beschwerde zurückgewiesen worden sei, hinreichend klar zum Ausdruck gebracht habe, so daß der Begründungspflicht des Artikels 190 EG-Vertrag genügt worden sei. Unabhängig davon, ob diese Verweisung als Begründungs- oder als Formproblem einzustufen ist, gilt dies erst recht, wenn auf ein Papier im Anhang zu einer Entscheidung verwiesen wird, das somit Teil der Entscheidung selbst ist. Außerdem hat die Klägerin Verdachtsmomente dafür, daß die Begründung der angefochtenen Entscheidung dem zuständigen Mitglied der Kommission nicht bekannt gewesen sein sollte, nicht erhärtet.
52 Die genannte Verweisung genügt ferner den Anforderungen an die Rechtssicherheit, die das Gemeinschaftsrecht stellt.
53 Demgemäß ist auch der dritte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum vierten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Ermittlung des relevanten Produktmarktes
Vorbringen der Beteiligten
54 Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie in Nummer 19 der angefochtenen Entscheidung als den relevanten Produktmarkt nicht den Markt für Schwimmglas der Stärke 4 mm, sondern den für Rohschwimmglas aller Stärken für die Händler definiert hat, weil die Marktbeteiligten sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite für alle Glasstärken identisch seien. Wenn Produkte unterschiedlicher Größe und Art vom Standpunkt des Verwenders nicht austauschbar seien, reiche es nicht aus festzustellen, daß die Marktbeteiligten identisch seien, sondern es müßten, wie dies auch der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81 (Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461) getan habe, auch die Wettbewerbsbedingungen und die Struktur von Angebot und Nachfrage auf dem Markt in Betracht gezogen werden.
55 Angesichts des erheblichen Marktanteils, den tatsächlich ein Hersteller innehabe, seien die Erzeuger, die keine Glasscheiben mit britischen Größen (2 440 mm x 1 220 mm) verkauften, auf dem restlichen Markt wahrscheinlich nicht wettbewerbsfähig und könnten damit beschließen, diesen Markt nicht zu nutzen und den Wettbewerb nicht aufrechtzuerhalten. Dies wirke sich auf die Wettbewerbsbedingungen auf dem restlichen Markt erheblich aus und werde dadurch bestätigt, daß Pilkington den überwiegenden Teil des Marktes für Schwimmglas der Stärke 4 mm (84 %) innehabe. Ihrer Kenntnis nach sei Pilkington der einzige Hersteller von Schwimmglas der Stärke 4 mm, der Tische zum Erkalten des Glases ("lehr-ends") mit Abmessungen verwende, die es erlaubten, Glas ohne Abfall den britischen Abmessungen anzupassen. Die übrigen Hersteller, die kontinentales Glas herstellten, verwendeten, soweit ihr bekannt sei, "lehr-ends", die ihnen nur die Herstellung von Glasscheiben mit kontinentalem Format (3 210 mm x 2 250 mm) erlaubten. Schließlich besäßen auf dem irischen Markt wahrscheinlich nur zwei Händler die Ausstattung, um kontinentale Maße auf britische zurückzuschneiden, und einer der beiden decke seinen Bedarf an britischen Formaten mit bis zu 30 % bei Pilkington.
56 Zur Angebotsstruktur bringt sie vor, daß mehr als 27 % Schwimmglas der Stärke 4 mm in Irland im britischen Format abgesetzt würden, wie die Antworten der irischen Unternehmen bestätigten. Pilkington besitze für dieses Format ein Quasi-Monopol (95 % des Umsatzes) und halte außerdem 84 % des irischen Marktes für Schwimmglas der Stärke 4 mm. Das Angebot auf dem Schwimmglasmarkt werde dadurch beeinflußt: Aufgrund dieser Marktstruktur müßten Kunden, die Glasscheiben mit britischem Format kauften, für sämtliche Formate mit diesem Hersteller verhandeln, der auch in der Lage sei, ihre übrige Nachfrage nach Schwimmglas der Stärke 4 mm zu befriedigen.
57 Außerdem müsse Schwimmglas der Stärke 4 mm als der relevante Produktmarkt betrachtet werden, da dieses Erzeugnis nicht durch Schwimmglas anderer Stärken ersetzt werden könne; die Kreuzelastizität der Nachfrage nach Schwimmglas der Stärke 4 mm und der nach Glas anderer Stärken sei gleich null; Preiserhöhungen für Schwimmglas der Stärke 4 mm hätten wahrscheinlich keine Auswirkung auf die Nachfrage nach anderen Schwimmglaserzeugnissen. Trotz erheblicher Preisschwankungen bei Schwimmglas der Stärke 4 mm in Irland sei die Nachfrage nach anderen Schwimmglasprodukten konstant geblieben. Sowohl der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts als auch der Entscheidungspraxis der Kommission (Entscheidung 88/138/EWG der Kommission vom 22. Dezember 1987 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag [IV/30.787 und 31.488 - Eurofix-Bauco/Hilti] [ABl. 1988, L 65, S. 19]; Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag [IV/31.043 - Tetra Pak II] [ABl. 1992, L 72, S. 1]; Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667; Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, und vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755) sei zu entnehmen, daß es einen relevanten Produktmarkt gebe, sobald die Kreuzelastizität der Nachfrage zwischen als austauschbar anzusehenden Produkten schwach sei; daraus müsse a fortiori geschlossen werden, daß ein Produktmarkt von einem anderen verschieden sei, wenn die Kreuzelastizität gleich null sei.
58 Schließlich dürfe daraus, daß eine der vier Herstellungsanlagen von Pilkington auf die Herstellung von Schwimmglas der Stärke 4 mm spezialisiert sei, nicht geschlossen werden, daß die Herstellung nicht rasch auf andere Stärken umgestellt werden könne.
59 Die Kommission weist darauf hin, daß der Gerichtshof im Urteil Michelin/Kommission festgestellt habe, daß Produkte unterschiedlicher Art und Abmessungen, die aus der Sicht des Verbrauchers nicht austauschbar seien, doch als Teil eines einzigen Marktes betrachtet werden könnten, wenn sie technisch ähnlich seien oder sich ergänzten und über Wiederverkäufer geliefert würden, die die Nachfrage der Kunden für das gesamte Sortiment befriedigen müßten. Das gelte auch für den Rohschwimmglasmarkt, bei dem die auf der Angebots- und Nachfrageseite tätigen Beteiligten auf der ersten Vertriebsstufe für alle Glasstärken die gleichen seien. Die Klägerin habe ihre Behauptung nicht belegt, daß die Wettbewerbsbedingungen beeinträchtigt würden, wenn zum einen ein Erzeuger einen erheblicher Marktanteil besitze und zum andern die Erzeuger, die kein Schwimmglas der Stärke 4 mm im britischen Format verkauften, auf dem restlichen Markt wenig Aussicht hätten, sich im Wettbewerb durchzusetzen, und daher beschließen könnten, auf diesem Teil des Markts nicht als Wettbewerber aufzutreten.
60 Das Vorbringen der Klägerin zur Angebotsstruktur, wonach eine Quasi-Monopol-Stellung auf dem Teilmarkt für Schwimmglas in britischen Abmessungen Pilkington einen uneinholbaren Vorsprung auf dem Gesamtmarkt verschaffe, gehe fehl. Glas einer bestimmten Stärke, das in bestimmten Größen verkauft werde, könne durch Glas der gleichen Stärke in anderen Abmessungen ersetzt werden, da alle Großhändler in der Lage seien, größere Formate in kleinere zu zerschneiden, um das für Handwerker und Endverbraucher richtige Format zu erhalten. Schwimmglas mit britischem Abmessungen werde genau zu den gleichen wirtschaftlichen Zwecken verwendet wie Schwimmglas mit kontinentalen Abmessungen.
61 Schließlich habe die Klägerin keinen Beweis für ihre Behauptung erbracht, daß das Verhalten auf dem Markt für Schwimmglas der Stärke 4 mm in Irland wegen dessen angeblicher Besonderheit unabhängig von dem auf dem Markt für andere Glasstärken sei. In Wirklichkeit sei die Glasproduktion technisch bei allen Stärken dieselbe, und die Produktionsstraße könne ohne übermäßige Kosten rasch von einer auf eine andere Stärke umgestellt werden.
Würdigung durch das Gericht
62 Nach ständiger Rechtsprechung sind bei der Prüfung der Frage, ob ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung einnimmt, die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen eines Marktes zu beurteilen, in dem sämtliche Erzeugnisse zusammengefaßt sind, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen und die mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maße austauschbar sind (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L'Oréal, Slg. 1980, 3775, Randnr. 25, und Michelin/Kommission, Randnr. 37). Außerdem gestattet es nach dieser Rechtsprechung (Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 44) die wegen der spezifischen Bedürfnisse des Benutzers fehlende Austauschbarkeit verschiedener Typen und Größen nicht, bei der Prüfung, ob eine marktbeherrschende Stellung gegeben ist, nach diesen Typen und Größen zwischen mehreren Teilmärkten zu differenzieren. Weiter kann sich, da durch die Abgrenzung des relevanten Markts ermittelt werden soll, ob das betreffende Unternehmen in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs zu verhindern und sich gegenüber seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten, die Prüfung nicht auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse beschränken, sondern es müssen auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden (Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 37).
63 Im vorliegenden Fall hat daher das Gericht zu prüfen, ob die Wettbewerbsbedingungen und die Struktur des Angebots auf dem Markt für Schwimmglas es der Kommission verwehrten, unter Berufung auf das Urteil Michelin/Kommission als relevanten Produktmarkt den Markt für Rohschwimmglas aller Stärken anzusehen, selbst wenn Glas verschiedener Stärken für die Endverbraucher nicht austauschbar ist, weil die Händler die Nachfrage für den gesamten Produktbereich zu befriedigen haben.
64 Nach ständiger Rechtsprechung nimmt der Gemeinschaftsrichter zwar grundsätzlich eine umfassende Prüfung der Frage vor, ob die Tatbestandsmerkmale der Wettbewerbsregeln erfuellt sind; jedoch ist seine Überprüfung der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission auf die Frage beschränkt, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen.
65 Die Klägerin macht geltend, da die kontinentalen Hersteller kein Glas mit britischen Abmessungen herstellten, könnten sie zu Pilkington nicht wirksam in Wettbewerb treten. Die Kommission hat diese Frage in Nummer 15 der angefochtenen Entscheidung geprüft und ist zu einem anderen Ergebnis als die Klägerin gelangt. Sie hat aufgrund der Angaben von neun irischen Importeuren festgestellt, daß die Großhändler das kontinentale Format nicht eindeutig bevorzugten, weil sie in der Lage seien, das Glas mit kontinentalen Abmessungen - ohne allzugroße Verluste - auf das britische Format zuzuschneiden. Im Verfahren vor dem Gericht hat die Klägerin hierzu lediglich vorgetragen, ihrer Kenntnis nach sei Pilkington der einzige Hersteller von Schwimmglas der Stärke 4 mm, der das Glas ohne Abfall den britischen Abmessungen anpassen könne; die übrigen Hersteller verwendeten, soweit ihr bekannt sei, "lehr-ends", die ihnen nur die Herstellung von Glasscheiben anderer Formate erlaubten; und die Großhändler seien vermutlich nicht in der Lage, kontinentale Glasscheiben ohne Verluste zuzuschneiden. Die Klägerin hat aber nicht nur keine Beweise für ihre Auffassung vorgelegt, sondern auch sonst nichts vorgebracht, was die Beurteilung der Kommission, die auf den ihr unmittelbar von den Marktbeteiligten übermittelten Angaben beruhte, widerlegen könnte.
66 Die Klägerin beruft sich ferner darauf, daß Pilkington wegen ihrer Stellung als Quasi-Monopolist im Sektor für Glas der Stärke 4 mm mit britischem Format privilegierte Handelsbeziehungen mit Glasimporteuren unterhalte. Außerdem könne Glas der Stärke 4 mm nicht durch Schwimmglas anderer Stärken ersetzt werden.
67 Die Klägerin hat aber nicht schlüssig dargelegt, daß die etwaige Bevorzugung der Erzeugnisse von Pilkington seitens der Importeure nicht Ausdruck ihres wirtschaftlichen Interesses oder ihrer Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit gewesen sein könnte. Eine solche Bevorzugung darf mithin nicht als Indiz für eine Änderung der Angebotsstruktur auf dem Markt gewertet werden. Ferner ergibt sich aus den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben in den Antworten der irischen Unternehmen, daß sich die Umsätze von Schwimmglas der Stärke 4 mm im britischen Format in Irland auf ungefähr 27 % des Marktes belaufen. Selbst wenn man also Pilkington die Stellung eines Quasi-Monopolisten im Sektor Glas der Stärke 4 mm mit britischem Format zugestehen würde, ist dieser Prozentsatz offensichtlich keine tragfähige Grundlage, um wie die Klägerin zu behaupten, daß der größte Teil der Käufe von Schwimmglas der Stärke 4 mm in Irland von Pilkington abhängig sei. Etwa 73 % der Nachfrage nach diesem Produkt entsprechen nämlich Käufen von Glas mit kontinentalem Format, auf die Pilkington keinen Einfluß nehmen kann.
68 Schließlich hat die Kommission in Nummer 18 der angefochtenen Entscheidung dargelegt, daß die Produktion von Glas der Stärke 4 mm technisch nahezu ganz der Produktion von Glas anderer Stärken entspreche und die Glashersteller ihre Produktion rasch und ohne übermäßige Kosten umstellen könnten. Daß eine der vier Herstellungsanlagen von Pilkington auf die Herstellung eines bestimmten Glastyps spezialisiert ist, kann unter diesen Umständen nicht bedeuten, daß die technischen Verfahren der Herstellung verschieden wären, und belegt nicht, daß ein Wirtschaftsteilnehmer, der nur über eine Produktionsstätte verfügt, nicht in der Lage wäre, seine Herstellung rasch umzustellen. Dem Argument, das die Klägerin auf die fehlende Elastizität des Angebots von Glas der Stärke 4 mm und von Glas anderer Stärken stützt, kann daher ebenfalls nicht gefolgt werden.
69 Die Klägerin hat daher nicht nachgewiesen, daß der in Nummer 19 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Standpunkt der Kommission, relevanter Produktmarkt sei der Markt für Glas aller Stärken, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufweist. Diesem Vorbringen ist daher nicht zu folgen.
70 Der vierte Klagegrund ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Zum fünften Klagegrund: offensichtlicher Fehler bei der Ermittlung des räumlich relevanten Marktes
Vorbringen der Klägerin
71 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Kommission zwar einräume, daß bestimmte Merkmale des irischen Schwimmglasmarktes diesen vom kontinentaleuropäischen Markt unterschieden (Fehlen von Produktionsanlagen und ausschließlicher Transport allen Schwimmglases über die See), aber in Nummer 23 der angefochtenen Entscheidung davon ausgehe, daß die Analyse der Transportkosten und des Preisniveaus in den verschiedenen Gebieten der Gemeinschaft zu dem Schluß führten, daß räumlich relevanter Markt die Gemeinschaft oder deren nördlicher Teil sei. Dies sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler der Kommission, weil sie als räumlich relevanten Markt Irland oder Irland und das Vereinigte Königreich hätte ansehen müssen.
72 Die Klägerin bekämpft die in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Definition des räumlich relevanten Marktes mit drei Rügen.
- Zur ersten Rüge
73 Das von der Kommission herangezogene Kriterium für die Ermittlung des räumlich relevanten Marktes entspreche nicht dem, das der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76 (United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207) festgelegt habe. Statt den Glasmarkt auf der alleinigen Grundlage der Transportkosten nach Irland zu ermitteln, hätte sie das Gebiet feststellen müssen, in dem andere objektive Wettbewerbsbedingungen für das betreffende Erzeugnis für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich seien. Die Anwendung dieses Kriteriums hätte sie dazu führen müssen, als räumlich relevanten Markt Irland (oder Irland und das Vereinigte Königreich) anzusehen. Die Festlegung Irlands als räumlich relevanter Markt finde eine Stütze darin, daß in diesem Land die kontinentalen Exporteure beim Verkauf von Schwimmglas der Stärke 4 mm im Wettbewerb kein Gewicht hätten, weil ihr Gesamtmarktanteil sich gegenüber 84 % bei Pilkington auf nur etwa 16 % belaufe.
- Zur zweiten Rüge
74 Die Kommission habe mit ihrer Feststellung, daß zwei nordeuropäische Hersteller Frachtkosten Richtung Irland hätten, die um 7 % bis 8 % über denen von Pilkington lägen, obwohl ein Hersteller aus diesem Teil Europas für den gleichen Transport weniger Kosten aufwenden müsse als Pilkington, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen. Aus einer Analyse, die sie mit ihrem Schreiben an die Kommission vom 24. Mai 1994 vorgelegt habe, ergebe sich nämlich, daß die Kosten der kontinentalen Hersteller für See- und Landtransport nach Irland in Wirklichkeit wesentlich höher als die von Pilkington seien: Das von einem kontinentalen Hersteller produzierte Glas habe zu Land und zu See größere Entfernungen zurückzulegen und erhalte nicht wie Pilkington erhebliche Rabatte für See- und Landtransporte.
75 Der Denkansatz, der dieser Analyse zugrunde liege, entspreche dem der Kommission in einigen ihrer Entscheidungen (Entscheidung 94/359/EG der Kommission vom 21. Dezember 1993 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt [Sache IV/M358 - Pilkington-Techint/SIV] [ABl. 1994, L 158, S. 24; nachstehend: Entscheidung Pilkington-Techint/SIV], in der davon ausgegangen worden sei, daß Rohschwimmglas ein sperriges und schweres Erzeugnis mit hohen Transportkosten auf langen Strecken sei; Entscheidung 89/93/EWG der Kommission vom 7. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag [IV/31.906 - Flachglas] [ABl. 1989, L 33, S. 44; nachstehend: Entscheidung Flachglas], in der die räumliche Lage der Produktionsstätten beim Transport von Flachglas als entscheidender Faktor angesehen worden sei; Entscheidung 89/22/EWG der Kommission vom 5. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag [IV/31.900 - BPB Industries PLC] [ABl. 1989, L 10, S. 50; nachstehend: Entscheidung BPB], in der es wegen der Transportkosten und der Vorteile, die die Einrichtung von Produktionsstätten in der Nähe der Märkte mit sich bringe, als unmöglich angesehen worden sei, die britischen und irischen Märkte vom Ausland aus in großem Umfang und über längere Zeiträume hinweg rentabel zu versorgen).
76 Die Bedeutung der Transportkosten für die Festlegung des räumlich relevanten Markts werde ferner durch die Antworten der irischen Unternehmen bestätigt, denen zu entnehmen sei, daß die Glasunternehmen in der Region von Dublin (nahe der Fabrik von Pilkington) oder in von Dublin aus auf Straßen leicht erreichbaren Ortschaften (Stadt Galway) sich fast ausschließlich bei Pilkington versorgten (98 %), während weiter entfernte Unternehmen (in den Städten Tipperary, Limerick und Wexford) bei Pilkington nur geringere Mengen einkauften (77 %, 62 % bzw. 66 %).
- Zur dritten Rüge
77 Eine Analyse der fob-Preise (frei Schiff) und cif-Preise (Kosten, Versicherung, Fracht) für die Lieferung von Schwimmglas der Stärke 4 mm aus dem Vereinigten Königreich nach anderen Mitgliedstaaten von 1990 bis 1992 zeige, daß der irische Markt keine Gemeinsamkeiten mit den übrigen europäischen Märkten aufweise und einen selbständigen Markt darstelle. Nach dieser Analyse habe der durchschnittliche cif-Preis für Irland in dem betreffenden Zeitraum 470 ECU/Tonne betragen; für die Länder Nordeuropas (Deutschland, Niederlande, Belgien und Luxemburg) habe er sich zwischen 500 und 540 ECU/Tonne, für die Länder Südeuropas (Frankreich, Italien, Portugal, Spanien und Griechenland) zwischen 330 und 430 ECU/Tonne bewegt. Der durchschnittliche fob-Preis habe in dem betreffenden Zeitraum für Irland 370 ECU/Tonne betragen, für die Länder Nordeuropas habe er zwischen 300 und 330 ECU/Tonne, für die Länder Südeuropas zwischen 300 und 370 ECU/Tonne geschwankt.
Vorbringen der Kommission
- Zur ersten Rüge
78 Die Kommission streitet ab, das vom Gerichtshof in seinem Urteil United Brands/Kommission festgelegte Kriterium nicht angewandt zu haben, und verweist darauf, daß sie in Nummer 24 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt habe, daß das Gebiet, für das das Vorliegen einer beherrschenden Stellung festgestellt werden müsse, das Gebiet sei, in dem "die objektiven Wettbewerbsbedingungen für das betreffende Erzeugnis für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich" seien. Anhand dieses Kriteriums habe sie festgestellt, daß die Transportkosten Irland nicht vom kontinentalen Markt absonderten.
- Zur zweiten Rüge
79 Sie habe aus der Analyse der Transportkosten zutreffende Schlüsse gezogen; aufgrund der Angaben, die ihr die Erzeuger in Beantwortung ihrer Schreiben nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 geliefert hätten, habe sie festgestellt, daß die Kosten eines nordeuropäischen Erzeugers leicht niedriger lägen als die von Pilkington, während zwei andere Hersteller Kosten zu tragen gehabt hätten, die im Verhältnis zum Wert der Ladung allerhöchstens 7 % bis 8 % höher gewesen seien als die von Pilkington. Sie habe sogar festgestellt, daß die südeuropäischen Erzeuger wesentlich über dem Wert der Ladung liegende Kosten hätten aufwenden müssen. Bei Berücksichtigung des Umstandes, daß der Mehraufwand, den der Hersteller für den Transport bis zu den Grenzen seines einheimischen Marktes hinzunehmen bereit sei, bei etwa 10 % des Warenwerts liege, sei sie zu dem Ergebnis gelangt, daß die Transportkosten der nordeuropäischen Hersteller für Lieferungen nach Irland im Rahmen dessen lägen, was sie auf ihren einheimischen Märkten hinnähmen. Da außerdem die Klägerin nichts dafür beigebracht habe, daß die Auskünfte in Beantwortung des Schreibens, das einer Reihe neutraler Unternehmen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 übersandt worden sei, unzutreffend gewesen seien, könne sie nicht davon ausgehen, daß die ihr erteilten Auskünfte unzuverlässig seien.
- Zur dritten Rüge
80 Die Kommission weist darauf hin, daß die Angaben über die Preise, auf deren Grundlage sie die angefochtene Entscheidung erlassen habe, unmittelbar bei den Herstellern erfragt worden seien, während bei den von der Klägerin angegebenen Zahlen Zweifel angebracht seien. Während ihrer Untersuchung habe sie nämlich eine eingehende Aufstellung der Preise von Pilkington erhalten, die keine Beziehung zu den von der Klägerin angegebenen Preisen gehabt hätten. Für den Zeitraum 1990-1992 habe der Durchschnittspreis von Pilkington für Irland ganz in der Nähe des Preises in jedem der nordeuropäischen Länder gelegen. Die von der Klägerin verwendeten fob- und cif-Preise stellten keinen verläßlichen Anhaltspunkt dar. Der fob-Preis beziehe sich auf die Kosten des an Bord des Schiffes verladenen Erzeugnisses und schließe die Kosten des Weitertransports nicht ein, während Schwimmglas "frachtfrei" verkauft werde, so daß Transportkosten vom Erzeuger getragen würden. Cif-Preise gäben keine wirklichen Marktpreise wieder, weil sie Rabatte nicht berücksichtigten.
Würdigung durch das Gericht
- Zur ersten Rüge
81 In seinem Urteil United Brands/Kommission hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die Prüfung der Wettbewerbsmöglichkeiten nach Artikel 86 EG-Vertrag anhand der Eigenschaften des relevanten Erzeugnisses und für den abgegrenzten räumlichen Bereich zu erfolgen hat, in dem es vertrieben wird und in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind, um eine Einschätzung der wirtschaftlichen Macht des betroffenen Unternehmens zu ermöglichen (Randnr. 11). An anderer Stelle hat der Gerichtshof in diesem Urteil bei der Prüfung, ob die Wettbewerbsbedingungen im gegebenen Fall hinreichend homogen seien, in erster Linie auf die Transportkosten abgestellt und die Auffassung vertreten, daß namentlich die Transportkosten, wenn sie kein wirkliches Hindernis für den Vertrieb der Erzeugnisse bildeten, zu den Faktoren gehörten, die den relevanten Markt vereinheitlichten (Urteil United Brands/Kommission, Randnrn. 55 und 56).
82 Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, daß die Ermittlung des räumlich relevanten Marktes anhand insbesondere der Transportkosten für Glas der kontinentalen Erzeuger berechtigt ist. Ferner hat die Kommission bei der Ermittlung der Wettbewerbsbedingungen auf den europäischen Märkten in der angefochtenen Entscheidung nicht nur die genannten Kosten geprüft, sondern auch festgestellt, daß sich das Exportvolumen der kontinentalen Hersteller nach Irland zwischen 1988 und 1994 auf ungefähr ein Drittel des Nachfragevolumens in diesem Land belief, daß die Unterschiede bei den Glaspreisen, die in Irland und in fünf weiteren europäischen Ländern von den fünf größten kontinentalen Herstellern angewandt wurden, nicht auf das Vorliegen getrennter Märkte hindeuteten, und daß das Vorliegen von technischen oder Normhindernissen für den Zugang zum irischen Markt ausgeschlossen werden konnte. Schließlich bestreitet die Klägerin zwar die zutreffende Anwendung der Kriterien des Urteils United Brands/Kommission, gibt selbst aber nicht an, wie sie richtig anzuwenden wären, sondern grenzt statt dessen lediglich den räumlich relevanten Markt anhand der Auswirkung der Transportkosten auf die Wettbewerbsbedingungen selbst ab.
83 Demnach ist die erste Rüge zurückzuweisen.
- Zur zweiten Rüge
84 Die Rüge der Unrichtigkeit der Analyse der Transportkosten durch die Kommission geht fehl. Diese Analyse berücksichtigt die Angaben, die Wirtschaftsteilnehmer des Sektors aus Anlaß der Untersuchung des Zusammenschlusses Pilkington-Techint/SIV und der bei Abschluß dieser Untersuchung getroffenen Entscheidung gemacht hatten. In dieser Entscheidung hat die Kommission darauf hingewiesen, daß 1. ungefähr 80 % bis 90 % der Glasproduktion einer Fabrik im Umkreis von 500 km abgesetzt werden; daß diese Entfernung bisweilen überschritten wird und bis zu 1 000 km betragen kann, dann aber die Transportkosten prohibitiv werden, d. h. nicht mehr wettbewerbsgerecht sind; 2. ein glaserzeugendes Unternehmen sich in seiner natürlichen Lieferzone mit einem Radius von 500 km im Wettbewerb mit den anderen Unternehmen befindet, deren Lieferzonen die seine überlagern; 3. da jedes dieser Unternehmen seinen eigenen größeren Lieferradius hat, sich der Wettbewerb eines Unternehmens gegenüber den Unternehmen in seinem Radius tendenziell auf deren natürliche Lieferzonen ausweitet, und 4. richtigerweise die Gemeinschaft insgesamt als der räumlich relevante Markt anzusehen ist.
85 Zunächst ist zu prüfen, ob die Argumentation der Kommission zur Festlegung des räumlich relevanten Marktes in der angefochtenen Entscheidung widerspruchsfrei ist; in der mündlichen Verhandlung ist nämlich deutlich geworden, daß die Kommission in mehreren Nummern der angefochtenen Entscheidung auf ihre Entscheidung Pilkington-Techint/SIV verweist, deren Nummer 16 nicht mit Nummer 33 der angefochtenen Entscheidung vereinbar zu sein scheint. Ein Widerspruch in der Begründung einer Entscheidung stellt eine Verletzung der Begründungspflicht nach Artikel 190 EG-Vertrag dar, die zur Nichtigkeit der betreffenden Handlung führen kann, wenn nachgewiesen wird, daß der Adressat der Handlung infolge dieses Widerspruchs die wirklichen Gründe der Entscheidung insgesamt oder zum Teil nicht erkennen konnte und infolgedessen der verfügende Teil der Entscheidung ganz oder teilweise ohne rechtliche Stütze ist (vgl. insbesondere Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-5/93, Tremblay u. a./Kommission, Slg. 1995, II-185, Randnr. 42).
86 In Nummer 16 der Entscheidung Pilkington-Techint/SIV führt die Kommission aus, daß Rohschwimmglas ein sperriges und schweres Erzeugnis sei, mit "hohen Transportkosten auf langen Strecken (so belaufen sich z. B. die Kosten des Lastwagentransports auf 7,5 % bis 10 % des Verkaufspreises bei einer Entfernung von 500 km)". In Nummer 33 der angefochtenen Entscheidung stellt sie fest, daß die Kosten des Transports bis an die Grenze der natürlichen Lieferzone ("domestic market") die Kosten für Lieferungen in der Nahzone der Fabrik um ungefähr 10 % des Produktwerts überschreiten.
87 Ein sorgsamer Vergleich der beiden Entscheidungen ergibt, daß erstens die angefochtene Entscheidung auf die Entscheidung Pilkington-Techint/SIV verweist, ohne sich speziell auf die in Nummer 16 dieser Entscheidung in Klammern angeführten Prozentsätze zu beziehen, daß zweitens die in dieser Nummer 16 angeführten Prozentsätze nur als Beispiel dienen sollten und ihre Bedeutung durch das Ergebnis in den Hintergrund gedrängt wird, zu dem die Kommission in der Entscheidung gelangte, daß nämlich die Gemeinschaft insgesamt als der räumlich relevante Markt anzusehen sei, was exakt mit ihrem Ergebnis in der angefochtenen Entscheidung übereinstimmt, und daß sich drittens die wahre Begründung für die Festlegung des räumlich relevanten Marktes in der Entscheidung Pilkington-Techint/SIV in Absatz 2 der Nummer 16 findet, wo es heißt, daß "es angesichts der verstreuten Lage der einzelnen Fabriken und der häufigen Überlagerung der natürlichen Liefergebiete, so daß sich Auswirkungen von einem Bereich auf den anderen übertragen können, angemessen [erscheint], die Gemeinschaft insgesamt als den räumlich relevanten Markt anzusehen".
88 Die Kommission widerspricht sich somit nicht, wenn sie zum einen in ihrer Entscheidung Pilkington-Techint/SIV den räumlich relevanten Markt so abgrenzt, daß sie sich auf den Begriff der natürlichen räumlichen Lieferzone für eine bestimmte Produktionseinrichtung für Schwimmglas in der Form konzentrischer Kreise stützt, deren Radius durch die jeweiligen Transportkosten festgelegt wird, und zum anderen in der angefochtenen Entscheidung zu der gleichen Abgrenzung gelangt, nachdem sie festgestellt hat, daß die für einen Hersteller annehmbaren Transportkosten in der natürlichen Lieferzone seiner Fabrik die Kosten, die er in der Nahzone dieser Fabrik zu tragen hat, um ungefähr 10 % des Produktwerts überstiegen. Die Begriffe der natürlichen Lieferzone und der Nahzone der Fabrik, auf deren Grundlage die Kommission angenommen hat, daß die Transportkosten 10 % nicht überstiegen, hängen nämlich zusammen. Aufgrund dieser beiden Begriffe läßt sich der räumlich relevante Markt für ein Unternehmen anhand der Transportkosten ermitteln, indem diese nicht von seiner Produktionsstätte, sondern von einer Reihe von Punkten aus berechnet werden, die sich an der Grenze eines Kreises oder einer Reihe von Kreisen mit ihm als Mittelpunkt befinden und die ihre natürliche Lieferzone bzw. ihre Nahzone bilden.
89 Folglich weist die angefochtene Entscheidung entgegen dem Eindruck, der in der mündlichen Verhandlung entstanden ist, keinen Widerspruch auf, soweit in ihrer Nummer 33 auf die Entscheidung Pilkington-Techint/SIV verweisen wird.
90 Die Klägerin greift auch nicht die Kriterien an sich an, die die Kommission herangezogen hat, um die natürliche Lieferzone ("domestic market") festzulegen, und auf die die angefochtene Entscheidung gestützt ist. Mit ihrem Vorwurf eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers der Kommission bei der Festlegung des räumlich relevanten Marktes bekämpft sie lediglich die Verläßlichkeit der Antworten der Glashersteller, auf die diese Beurteilung sich stützt.
91 Dritte Unternehmen, die gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 um Auskunft ersucht werden, können bei unzutreffenden Auskünften zur Verantwortung gezogen werden, so daß bis zum Beweis des Gegenteils grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden kann, daß sie keine genauen und verläßlichen Angaben machen. Die Klägerin kann nicht einfach unter Hinweis auf die von ihr im Verwaltungsverfahren im Schreiben vom 24. Mai 1994 vorgelegte Analyse der Transportkosten, der die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht gefolgt ist, jeden Wert der in diesen Antworten mitgeteilten Daten abstreiten.
92 In ihrem Schreiben vom 24. Mai 1994 bezieht sich die Klägerin auf das vom Dublin Port und Docks Board bei der Dublin City University Business School angeforderte Gutachten über die Transportkosten im Hafen von Dublin (nachstehend: Dublin Port Report). Bezüglich der angeblichen Vorteile von Pilkington bei den Transportkosten stützt sich die Klägerin auf Daten, die nicht spezifisch für Pilkington gelten, sondern einfach auf deren angenommene Geschäftstätigkeit bezogen werden. So heißt es z. B. auf S. 4 ihres Schreibens: "[Pilkington] braucht keine besonderen Schiffe zu beanspruchen und verlädt daher auf solche, die die geringsten Kosten verursachen. Die Bücher des Hafens Dublin (S. 172-173) geben an, daß je nach Menge und garantierten Einheiten Rabatte von 15 % bis 18 % eingeräumt werden können. Da Pilkington große Mengen Glas für den irischen Markt importiert (und Büroräume in Dublin besitzt), kann sie die interessantesten Rabatte erhalten. Im übrigen wird der Rabatt von 18 % bei Transporten am Tage gewährt, während der von 15 % den Hoechstsatz für Transporte bei Nacht darstellt. Wegen der Nähe von Liverpool kann Pilkington den höchsten Rabatt, also 18 %, beanspruchen. Nach Auffassung von Kish kann Pilkington je Woche bis zu 40 Einheiten verschiffen und nimmt die Stellung eines Vorzugskunden mit den niedrigsten Tarifen ein, insbesondere, wenn der Raum blockweise reserviert wird." Im übrigen hat die Klägerin in ihrem Schreiben keine genauen Zahlen für die kontinentalen Transportkosten genannt und erklärt auf S. 4 weiterhin: "Die Bücher des Hafens von Dublin lassen den Prozentsatz für die zwanzig vorhandenen offenen Container nicht erkennen, er ist aber sicherlich sehr niedrig, weil nur zwei Reedereien diese besondere Transportart anbieten..."
93 Das Argument, das die Klägerin auf die Bedeutung der Transportkosten stützt, die sich angeblich aus den Antworten der irischen Glasunternehmen ergeben soll, reicht nicht zum Nachweis dessen aus, daß räumlich relevanter Markt nur Irland ist. Daß die Glasunternehmen in der Region von Dublin und in Galway nahezu ihren gesamten Bedarf bei Pilkington decken, besagt lediglich, daß diese wegen der Transportkosten in der Zone um ihre Fabrik herum einen Wettbewerbsvorteil genießt, wie er für den größten Teil der Märkte besteht. Im übrigen kaufen zahlreiche andere irische Unternehmen, wie die Klägerin selbst angibt, bedeutende Mengen Glas bei kontinentalen Erzeugern ein. Insoweit ist aber die Feststellung wichtig, daß das Unternehmen mit Sitz in Limerick, das von Dublin etwa gleich weit wie von Galway entfernt ist, bei Pilkington lediglich 62 % seines Glasbedarfs einkauft. Es liegt daher auf der Hand, daß die Daten bezüglich der Glaseinfuhren, wie sie den Antworten der irischen Unternehmen zu entnehmen sind, nicht den von der Klägerin gezogenen Schluß zulassen, daß sich der irische Markt vom dem Nordeuropas unterscheidet.
94 Schließlich findet aber auch das Vorbringen der Klägerin in den von ihr angeführten Entscheidungen keine Stütze. So ergibt sich zunächst und in erster Linie aus Nummer 77 der Entscheidung Flachglas zwar, daß die Transportkosten bei Glas ein sehr wichtiger Faktor für den Absatz jenseits der Landesgrenzen sind und der für den Export bestimmte Teil der Produktion im Vergleich mit den für den Binnenmarkt bestimmten Mengen begrenzt ist. Das bedeutet aber nicht, daß die Analyse der Kosten in der angefochtenen Entscheidung falsch wäre. Zweitens war die Lage des Gipskartonplattenmarkts in der Sache, die zu der Entscheidung BPB Industries geführt hat, völlig verschieden von der des Schwimmglasmarkts. Dieser Entscheidung ist nämlich zu entnehmen, daß anders als im vorliegenden Fall das Unternehmen BPB Industries, dem der Mißbrauch einer beherrschenden Stellung vorgeworfen wurde, in Irland eine Fabrik besaß, die den einheimischen Markt versorgte, sowie eine Fabrik in Großbritannien, die nicht nach Irland exportierte. Hier hatte die Kommission darauf hingewiesen, daß die Preise der Fabrik im Vereinigten Königreich gegenüber denen der irischen Fabrik nicht wettbewerbsfähig seien (vgl. Nr. 21 der Entscheidung BPB). Die Kommission war zu dem Ergebnis gelangt, daß Großbritannien und Irland den räumlich relevanten Markt darstellten, weil diese Länder "... die einzigen Gebiete der EWG [sind], wo BPB sowohl der einzige Hersteller als auch - soweit es den Vertrieb von Gipskartonplatten betrifft - praktisch das marktbeherrschende Unternehmen [ist]" (Randnr. 24 der Entscheidung BPB). Sie hat daher den räumlich relevanten Markt anhand völlig anderer Faktoren ermittelt, als sie die Klägerin im vorliegenden Fall heranziehen will.
95 Demnach ist die zweite Rüge zurückzuweisen.
- Zur dritten Rüge
96 Die Analyse der Unterschiede bei den fob- und cif-Preisen für Schwimmglas der Stärke 4 mm, das aus dem Vereinigten Königreich stammt und in anderen Ländern der Gemeinschaft abgesetzt wird, ist nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die Ergebnisse zu erschüttern, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung hieraus gezogen hat.
97 Die fob-Preise entsprechen, wie die Kommission hervorgehoben hat, dem Preis des an Bord verladenen Produkts; sie umfassen nicht die Kosten für den weiteren Transport, die bei dieser Art von Geschäften üblicherweise von den Erzeugern getragen werden; folglich können diese Preise keine angemessenen Hinweise für die wirklichen Marktpreise liefern.
98 Demgegenüber kann der cif-Preis, der alle Produktions-, Versicherungs- und Transportkosten umfaßt, bei der Ermittlung der wirklichen Marktpreise herangezogen werden. Allerdings können die von der Klägerin vorgelegten Daten ihre Auffassung, daß der räumlich relevante Markt Irland sei, nicht stützen. Diesen Daten ist nämlich zu entnehmen, daß die Abweichung zwischen den Durchschnittspreisen in Irland und denen in den Niederlanden (470/500 = 30 ECU/Tonne) niedriger ist als die zwischen den Durchschnittspreisen in den Niederlanden und denen in Deutschland, Belgien und Luxemburg (500/540 = 40 ECU/Tonne). Bei schlichter Würdigung dieses Befundes müßte man aber zu dem Ergebnis gelangen, daß Irland dem gleichen räumlichen Markt angehört wie die Niederlande, und nicht, wie die Klägerin meint, daß Irland gegenüber dem restlichen Nordeuropa einen selbständigen Markt darstellt.
99 Demnach ist die dritte Rüge zurückzuweisen.
100 Auch der fünfte Klagegrund muß damit als unbegründet zurückgewiesen werden.
101 Demgemäß ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kostenentscheidung:
Kosten
102 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Beklagte Kostenantrag gestellt hat, sind die Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT
(Vierte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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