Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.06.1995
Aktenzeichen: T-7/93
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages


Vorschriften:

EWG Art. 85 Abs. 1
EWG Art. 85 Abs. 3
Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages Art. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Verwaltungsschreiben, mit dem einem Unternehmen, das ein Muster von Liefervereinbarungen zwischen ihm und seinen Einzelhändlern angemeldet hat, die Auffassung der Kommission mitgeteilt wird, daß für sie angesichts der ihr bekannten Tatsachen kein Anlaß bestehe, gegen diese Vereinbarungen einzuschreiten, und daß das Verfahren daher eingestellt werden könne, stellt weder ein Negativattest noch eine Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages im Sinne der Artikel 2 und 6 der Verordnung Nr. 17 dar, wenn es nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung abgesandt worden ist. Es hindert die Kommission, die mit einer von ihr zu prüfenden Beschwerde befasst ist, somit nicht daran, in Anwendung einer Befugnis, die sie sich vorbehalten hat, ein Verfahren zu eröffnen, um die Vereinbarkeit dieser Vereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln zu prüfen, wenn sie den Eindruck hat, daß sich die ihrer ersten Beurteilung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände wesentlich geändert haben.

2. Ein Netz von Alleinbezugsverträgen ist nicht immer dann geeignet, den Wettbewerb spürbar zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, wenn die in der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung vorgesehenen Schwellenwerte überschritten sind. Es ist im Einzelfall durchaus möglich, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die diese Schwellenwerte überschreiten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden.

3. Um festzustellen, ob Alleinbezugsverträge vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden, ist zu prüfen, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, daß diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Wenn dies nicht der Fall ist, dann können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne des genannten Artikels beschränken. Ergibt sich hingegen, daß der Markt schwer zugänglich ist, so ist anschließend zu untersuchen, inwieweit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen, wobei nur solche Verträge verboten sind, die zu einer etwaigen Abschottung des Marktes in erheblichem Maß beitragen.

Bei der Beurteilung des Einflusses der Netze von Ausschließlichkeitsverträgen auf den Marktzugang sind das Verhältnis zwischen der Zahl der vertraglich an die Erzeuger gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Händler, die durch die eingegangenen Verpflichtungen erfassten Mengen und das Verhältnis zwischen diesen Mengen und denjenigen, die über nicht gebundene Händler abgesetzt werden, sowie die Tatsache zu berücksichtigen, daß der Bindungsgrad, der sich aus solchen Netzen ergibt, zwar von gewisser Bedeutung ist, aber nur einen von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs bildet, in dem die Beurteilung vorzunehmen ist.

4. Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen kann den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nur beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, daß sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen kann, die die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten behindern kann.

Die kumulative Wirkung, die sich aus der Existenz eines Netzes von Ausschließlichkeitsverträgen ergibt, das sich auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckt und mehr als 30 % des relevanten Marktes erfasst, ist geeignet, das Eindringen von Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern und somit die Abschottung auf nationaler Ebene zu verfestigen; es beeinträchtigt daher die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung.

5. Die Tatsache, daß Einfuhren aus einem Mitgliedstaat, die durch ein im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats bestehendes Netz von Ausschließlichkeitsverträgen behindert werden können, in Lieferungen zwischen verschiedenen Angehörigen desselben Konzerns bestehen, ist nicht geeignet, die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auszuschließen.

6. Die Beurteilung der Auswirkungen eines auf einem Markt von einem Lieferanten geschaffenen Netzes gleichartiger Ausschließlichkeitsverträge auf den Wettbewerb und die daraus in Anwendung von Artikel 85 des Vertrages zu ziehenden Konsequenzen gelten für die Gesamtheit der das Netz bildenden Einzelverträge.

7. Alleinbezugsverträge, die stillschweigend verlängert werden und mehr als fünf Jahre laufen können, sind als für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen anzusehen und können daher nicht in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 für bestimmte Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen.

8. Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 über die Gruppenfreistellung, in deren Genuß bestimmte Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen kommen können, hält sich, wenn er in Buchstabe a vorsieht, daß der Vorteil der Freistellung entzogen werden kann, sofern die Vertragswaren keinem wirksamen Wettbewerb unterliegen, und in Buchstabe b, daß dies geschehen kann, sofern anderen Lieferanten der Zugang zu den einzelnen Vertriebsstufen wesentlich erschwert wird, innerhalb der Grenzen von Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65, der bestimmt, daß die Kommission den Vorteil der Anwendung einer Gruppenfreistellungsverordnung entziehen kann, wenn sie feststellt, daß Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen Wirkungen haben, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind. Die letztgenannte Bestimmung schließt es nämlich aus, die Verbote von Artikel 85 Absatz 1 auf Vereinbarungen für unanwendbar zu erklären, durch die den beteiligten Unternehmen Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten.

9. Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 kann nicht dahin ausgelegt werden, daß die Kommission bei der Ausübung der ihr durch Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 über die Gruppenfreistellung, in deren Genuß bestimmte Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen kommen können, übertragenen Befugnis die in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 aufgestellte Voraussetzung einzuhalten hat, wonach sie den Vorteil einer Gruppenfreistellung nur entziehen kann, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Freistellung wesentlichen Punkt geändert haben.

Diese Voraussetzung betrifft nämlich den Widerruf förmlicher Erklärungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und kann nicht angewandt werden, wenn die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung zu entziehen beschließt.

10. Die Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung, die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages als erste der vier Voraussetzungen aufgestellt wird, die gleichzeitig erfuellt sein müssen, damit eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, bei der die in Artikel 85 Absatz 1 genannten Verbote nicht eingehalten werden, freigestellt werden kann, kann nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Produktions- oder Vertriebstätigkeit der an ihr beteiligten Unternehmen ergibt. Es müssen unter dem Blickwinkel des Gemeinwohls spürbare objektive Vorteile feststellbar sein, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

11. Stellt die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 85 des Vertrages fest, daß ein durch ein Unternehmen geschaffenes Netz von Alleinbezugsverträgen gegen die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Verbote verstösst und daß ihm der in der Verordnung Nr. 1984/83 für diese Art von Verträgen vorgesehene Vorteil der Gruppenfreistellung entzogen werden muß, so braucht sie nicht anzugeben, welche der zum Netz gehörenden Vereinbarungen zur etwaigen kumulativen Wirkung gleichartiger Vereinbarungen auf dem Markt nur in unerheblichem Maß beitragen und deshalb nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen.

12. Die Kommission ist nicht befugt, einem Unternehmen, dem sie die Anordnung erteilt, das von ihm geschaffene Netz von Ausschließlichkeitsvereinbarungen zu beseitigen, zu untersagen, in Zukunft neue derartige Vereinbarungen zu schließen. Eine Rechtsgrundlage für diese Befugnis gibt es nämlich weder in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, der solche Vereinbarungen nicht grundsätzlich verbietet, noch in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17, der die Kommission nur zur Untersagung bestehender Verträge berechtigt, oder in Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83, der den Entzug der Gruppenfreistellung nur bei Alleinbezugsvereinbarungen erlaubt, deren Durchführung zu Wirkungen geführt hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind.

Darüber hinaus würde es gegen den ° zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehörenden ° Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen, wenn bestimmte Unternehmen für die Zukunft vom Vorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen würden, während andere Unternehmen weiterhin Alleinbezugsvereinbarungen der durch die Entscheidung untersagten Art schließen könnten. Eine solche Untersagung wäre geeignet, entgegen den Zielen des Vertrages die wirtschaftliche Freiheit bestimmter Unternehmen zu beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Markt zu verzerren.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE ERWEITERTE KAMMER) VOM 8. JUNI 1995. - LANGNESE-IGLO GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ALLEINBEZUGSVERTRAEGE FUER SPEISEEIS - RELEVANTER MARKT - MOEGLICHKEIT VON BEHINDERUNGEN DES MARKTZUGANGS DRITTER - HANDEL ZWISCHEN MITGLIEDSTAATEN - VERWALTUNGSSCHREIBEN - GRUPPENFREISTELLUNG - RECHTMAESSIGKEIT DES ENTZUGS DES VORTEILS DER FREISTELLUNG - VERBOT DES KUENFTIGEN ABSCHLUSSES VON AUSSCHLIESSLICHKEITSVERTRAEGEN. - RECHTSSACHE T-7/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Mit Schreiben vom 6. Dezember 1984 ersuchte der Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e. V., Fachsparte Eiskrem (nachstehend: Verband), die Kommission um eine "verbindliche Erklärung", daß die von den deutschen Herstellern von Speiseeis mit ihren Abnehmern geschlossenen Ausschließlichkeitsverträge mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vereinbar sind. Mit Schreiben vom 16. Januar 1985 teilte die Kommission dem Verband mit, daß sie sich ausserstande sehe, die erbetene branchenweit verbindliche Erklärung abzugeben.

2 Das deutsche Unternehmen Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG (nachstehend: Schöller) meldete mit Schreiben vom 7. Mai 1985 bei der Kommission das Muster einer "Liefervereinbarung" zur Regelung seiner Beziehungen zu seinen Einzelhändlern an. Am 20. September 1985 richtete die Generaldirektion für Wettbewerb der Kommission ein Verwaltungsschreiben an die Rechtsanwälte von Schöller, in dem es heisst:

"[M]it Datum vom 2. Mai 1985 beantragten Sie in Vertretung der Firma Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 für eine 'Eislieferungs-Vereinbarung' die Erteilung eines Negativattestes.

Vorsorglich meldeten Sie den Vertrag auch nach Artikel 4 der genannten Verordnung an. Einen Mustervertrag, nach dem die zukünftige Vertragsgestaltung der Firma Schöller ausgerichtet werden soll, reichten Sie mit Schreiben vom 25. Juni 1985 nach.

Mit Schreiben vom 23. August 1985 stellten Sie klar, daß die in dem angemeldeten Mustervertrag enthaltene Alleinbezugspflicht zu Lasten des Kunden, die mit einem Wettbewerbsverbot verbunden ist, mit einer Frist von 6 Monaten erstmals spätestens zum Ende des zweiten Vertragsjahres und danach mit gleicher Frist jeweils zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündbar ist.

Nach den der Kommission bekannten Tatsachen, die im wesentlichen auf der in Ihrem Antrag enthaltenen Darstellung beruhen, ergibt sich somit, daß die festen Laufzeiten der zukünftig abgeschlossenen Verträge zwei Jahre nicht überschreiten. Die durchschnittliche Laufzeit des gesamten Bestandes Ihrer Mandantin an 'Eislieferungs-Vereinbarungen' wird daher erheblich unter dem Zeitraum von fünf Jahren liegen, von dem in der Verordnung Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 (ABl. Nr. L 173 vom 30.6.83, S. 5) die gruppenweise Freistellung von Alleinbezugsvereinbarungen abhängig gemacht wird.

Auf der Grundlage dieser Tatsachen steht fest, daß die von der Firma Schöller geschlossenen 'Eislieferungs-Vereinbarungen' auch unter Berücksichtigung der Anzahl bestehender gleichartiger Verträge insbesondere nicht bewirken, daß der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wird. Der Zugang dritter Unternehmen zu der Einzelhandelsstufe bleibt gewährleistet.

Die 'Eislieferungs-Vereinbarungen' der Firma Schöller, die der Anmeldung entsprechen, sind aus diesen Gründen mit den Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrages vereinbar. Es besteht daher für die Kommission kein Anlaß, gegen die angemeldeten Verträge Ihrer Mandantin einzuschreiten.

Sollten sich die juristischen oder tatsächlichen Umstände, die der vorstehenden Beurteilung zugrunde liegen, wesentlich ändern, behält es sich die Kommission jedoch vor, das vorliegende Verfahren wieder aufzunehmen.

Im übrigen möchte ich Ihre Mandantin darauf hinweisen, daß die bereits bestehenden 'Eislieferungs-Vereinbarungen' einer gleichen Beurteilung unterliegen und daher eine Anmeldung dieser Verträge nicht erforderlich ist, wenn die festen Laufzeiten dieser Vereinbarungen nach dem 31. Dezember 1986 höchstens noch zwei Jahre betragen und sie danach mit einer Frist von höchstens sechs Monaten jeweils zum Ende eines jeden Kalenderjahres kündbar sind.

..."

3 Am 18. September 1991 legte die Mars GmbH (nachstehend: Mars) bei der Kommission eine Beschwerde gegen die Klägerin und gegen Schöller wegen Verstosses gegen die Artikel 85 und 86 des Vertrages ein und beantragte den Erlaß einstweiliger Maßnahmen zur Abwendung des schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens, der ihr dadurch entstehe, daß der Vertrieb ihrer Speiseeiserzeugnisse in Deutschland durch wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die die Klägerin und Schöller mit einer Vielzahl von Einzelhändlern geschlossen hätten, wesentlich behindert werde.

4 Mit Entscheidung vom 25. März 1992 in einem Verfahren aufgrund von Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/34.072 ° Mars/Langnese und Schöller ° einstweilige Maßnahmen) (nachstehend: Entscheidung vom 25. März 1992) untersagte die Kommission der Klägerin und Schöller im Wege einer einstweiligen Maßnahme im wesentlichen, mit Bezug auf die Speiseeiserzeugnisse "Mars", "Snickers", "Milky Way" und "Bounty", soweit diese dem Endverbraucher in Einzelportionen angeboten werden, ihre vertraglichen Rechte aus von ihnen selbst oder zu ihren Gunsten geschlossenen Vereinbarungen insoweit geltend zu machen, als sich Einzelhändler verpflichten, ausschließlich Speiseeis dieser Hersteller zu beziehen, anzubieten und/oder zu verkaufen. Ferner entzog die Kommission den von der Klägerin geschlossenen Ausschließlichkeitsvereinbarungen den Vorteil der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 5), soweit dies zur Durchführung des genannten Verbots erforderlich war.

5 Unter diesen Umständen erließ die Kommission im Anschluß an die Entscheidung vom 25. März 1992 als endgültige Entscheidung über die fraglichen "Liefervereinbarungen" am 23. Dezember 1992 die Entscheidung 93/406/EWG in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Langnese-Iglo GmbH (Sache IV/34.072) (ABl. L 183, S. 19; nachstehend: Entscheidung), deren verfügender Teil wie folgt lautet:

"Artikel 1

Die von der Langnese-Iglo GmbH geschlossenen Vereinbarungen, wonach Einzelhändler mit Sitz in Deutschland verpflichtet sind, zum Zweck des Wiederverkaufs Kleineis(1) ausschließlich von dem genannten Unternehmen zu beziehen (Verkaufsstätten-Ausschließlichkeit), verstossen gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag.

Artikel 2

Soweit die in Artikel 1 genannten Vereinbarungen die Voraussetzungen für die Gruppenfreistellung aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 erfuellen, wird ihnen hiermit der Vorteil der Anwendung dieser Verordnung entzogen.

Artikel 3

Die Langnese-Iglo GmbH wird verpflichtet, den Wiederverkäufern, mit denen sie noch laufende Vereinbarungen der in Artikel 1 genannten Art geschlossen hat, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe der vorliegenden Entscheidung den Wortlaut der vorstehenden Artikel 1 und 2 unter Hinweis auf die Nichtigkeit der diesbezueglichen Vereinbarungen mitzuteilen.

Artikel 4

Der Langnese-Iglo GmbH wird bis zum 31. Dezember 1997 untersagt, Vereinbarungen der in Artikel 1 bezeichneten Art abzuschließen.

..."

6 Am selben Tag erging eine Entscheidung gegenüber Schöller (Entscheidung 93/405/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Schöller Lebensmittel GmbH & Co. KG [Sachen IV/31.533 und IV/34.072] [ABl. 1993, L 183, S. 1]).

Verfahren

7 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 6. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung vom 25. März 1992 erhoben und mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, auch einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt (Rechtssachen T-24/92 und T-24/92 R).

8 Der Präsident des Gerichts hat mit Beschluß vom 16. Juni 1992 in den Rechtssachen T-24/92 R und T-28/92 R (Langnese-Iglo und Schöller Lebensmittel/Kommission, Slg. 1992, II-1839) im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorläufige Maßnahmen getroffen.

9 Mit Schriftsatz, der am 2. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin dem Gericht gemäß Artikel 99 der Verfahrensordnung mitgeteilt, daß sie ihre Klage zurücknehme. Durch Beschluß des Präsidenten der Ersten Kammer des Gerichts vom 1. April 1993 ist die Rechtssache T-24/92 im Register des Gerichts gestrichen worden.

10 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 19. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag, in den die Bestimmungen des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag übernommen wurden, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

11 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Klägerin ferner gemäß den Artikeln 185 des Vertrages und 104 der Verfahrensordnung des Gerichts einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung gestellt.

12 Mars hat mit Schriftsatz, der am 3. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im Verfahren T-7/93 R als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Schriftsatz, der am 4. Februar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Mars ferner beantragt, in der Rechtssache T-7/93 als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

13 Mit Beschluß vom 19. Februar 1993 in den Rechtssachen T-7/93 R und T-9/93 R (Langnese-Iglo und Schöller/Kommission, Slg. 1993, II-131) hat der Präsident des Gerichts Mars in der Rechtssache T-7/93 R als Streithelferin zugelassen und über den Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Vollzugs entschieden.

14 Mit Beschluß vom 12. Juli 1993 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts Mars als Streithelferin in der Rechtssache T-7/93 zugelassen und einem von der Klägerin gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

15 Schöller hat ebenfalls eine Klage auf Nichtigerklärung der an sie gerichteten Entscheidung erhoben (Rechtssache T-9/93). Mars ist auch in dieser Rechtssache als Streithelferin zugelassen worden.

16 Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat die Parteien jedoch mit Schreiben vom 26. September 1994 aufgefordert, einige Fragen schriftlich zu beantworten. Die Klägerin und die Beklagte haben die gestellten Fragen mit Schreiben vom 21. und vom 19. Oktober 1994 beantwortet. Durch Beschluß vom 9. November 1994 hat der Präsident der Zweiten erweiterten Kammer einem von der Klägerin gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellten Antrag auf vertrauliche Behandlung bestimmter in den Antworten der Parteien auf die gestellten Fragen enthaltener Angaben stattgegeben.

17 Der nach den Beschlüssen vom 12. Juli 1993 und vom 9. November 1994 erforderlichen vertraulichen Behandlung bestimmter Angaben ist in der Sitzung Rechnung getragen worden. Gleiches gilt für das vorliegende Urteil.

18 Die Parteien haben in der Sitzung vom 16. November 1994 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

19 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung der Kommission für nichtig zu erklären,

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen,

° der Streithelferin die der Klägerin durch die Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.

20 Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen,

° der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

21 Die Streithelferin Mars beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen,

° der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

22 Zur Stützung ihrer Klage macht die Klägerin fünf Klagegründe geltend: erstens fehlerhafte Zustellung der Entscheidung, da die Kommission bestimmte Anlagen nicht zugestellt habe, zweitens Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, da die Kommission den im Verwaltungsschreiben eingenommenen Standpunkt nicht beibehalten habe, drittens Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages, viertens Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages und gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, da die Kommission den in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Vorteil der Gruppenfreistellung für die Gesamtheit der streitigen Liefervereinbarungen entzogen habe, und fünftens Verstoß gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

Zum Klagegrund der fehlerhaften Zustellung der Entscheidung

23 Die Klägerin macht geltend, die Zustellung der Entscheidung sei mangelhaft, da ihr die Kommission nicht zusammen mit der Entscheidung bestimmte darin genannte Anlagen zugestellt habe. Sie erklärt in ihrer Klageschrift, sie behalte sich weiteren Sachvortrag vor, falls ihr diese Anlagen zugestellt würden.

24 Nach Angaben der Kommission handelt es sich um die Anlagen 1 und 2 der Eurostat-Tabellen, die in dem entsprechenden Abschnitt der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 15. Juli 1992 angeführt und zusammen mit ihr der Klägerin übermittelt worden seien; diese habe sie im Verwaltungsverfahren nicht in Zweifel gezogen.

25 Die Entscheidung enthalte keine Anlagen und sei auch so zugestellt worden. Sie weise auch keinen Begründungsmangel auf.

26 Die Klägerin hat keine Erwiderung eingereicht, in der sie weitere Ausführungen zur Stützung ihrer Rüge und insbesondere zur Behauptung der Kommission hätte machen können, daß ihr die fraglichen Anlagen während des Verwaltungsverfahrens übermittelt worden seien. Auch in der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin auf diese Frage nicht mehr eingegangen.

27 Unter diesen Umständen greift der Klagegrund aus tatsächlichen Gründen nicht durch und ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Vorbringen der Parteien

28 Die Klägerin macht geltend, durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Grundprinzipien der Gemeinschaft gehöre (Urteile vom 5. Mai 1981 in der Rechtssache 112/80, Dürbeck, Slg. 1981, 1095, und vom 10. Januar 1992 in der Rechtssache C-177/90, Kühn, Slg. 1992, I-35), sei die Kommission an den von ihr in ihrem Verwaltungsschreiben eingenommenen Standpunkt gebunden. Wenn die Kommission ein Verwaltungsschreiben an Unternehmen gerichtet habe, könne sie nämlich nach diesem Grundsatz von der von ihren Dienststellen ausgehenden Wertung nur abweichen, wenn sich die tatsächlichen Umstände änderten oder wenn ihre Beurteilung aufgrund unrichtiger Angaben zustande gekommen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 31/80, L' Oréal, Slg. 1980, 3775, und insbesondere Schlussanträge des Generalanwalts Reischl, S. 3796, 3803). Die Kommission könne die Wiederaufnahme des Verfahrens selbstverständlich nicht damit rechtfertigen, daß sie ihre Rechtsauffassung geändert habe. Andernfalls wäre die Erteilung eines Verwaltungsschreibens sinnlos.

29 Die Klägerin trägt weiter vor, die den relevanten Markt charakterisierenden tatsächlichen Verhältnisse hätten sich seit der Erteilung des Verwaltungsschreibens nicht wesentlich geändert. Zum Markteintritt von Mars und Jacobs Suchard führt die Klägerin aus, der Markteintritt von Mars sei keine objektive Rechtfertigung dafür, das Verfahren wiederaufzunehmen oder von dem im Verwaltungsschreiben eingenommenen Standpunkt abzugehen, denn nach dessen Wortlaut bleibe der "Zugang dritter Unternehmen zu der Einzelhandelsstufe... gewährleistet".

30 Unter diesen Umständen und angesichts der Tatsache, daß die Kommission nicht nachweisen könne, daß das Verwaltungsschreiben aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben erteilt worden sei oder daß sich seit seiner Erteilung die den Markt für Speiseeis charakterisierenden rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten, sei die Kommission an die in diesem Schreiben vorgenommene Wertung gebunden.

31 Das Verwaltungsschreiben sei zwar an Schöller gerichtet, aber die Kommission und die Parteien, die an dem durch das Schreiben des Verbandes vom 6. Dezember 1984 eingeleiteten Verfahren beteiligt gewesen seien (darunter die Klägerin), seien sich darüber einig gewesen, daß die von Schöller im Mai 1985 vorgenommene Anmeldung der von ihr geschlossenen Eislieferungs-Vereinbarungen und der gleichzeitig gestellte Antrag auf Erteilung eines Negativattestes stellvertretend für alle Mitglieder des Verbandes erfolgt seien. Infolgedessen erfasse das Verwaltungsschreiben sämtliche auf dem Markt für Speiseeis bestehenden Ausschließlichkeitsverträge.

32 Die Kommission verweist zunächst darauf, daß das Verwaltungsschreiben an Schöller gerichtet sei. Sie sei schon aus diesem Grund gegenüber der Klägerin nicht an das Schreiben gebunden. Im übrigen ergebe sich aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang des Schreibens, daß es darin um die Anmeldung der "Eislieferungs-Vereinbarungen" von Schöller durch dieses Unternehmen gehe.

33 Zweitens sei der Markteintritt von Mars und Jacobs Suchard, wie sie in Randnummer 151 der Entscheidung dargelegt habe, ein tatsächlicher Umstand, der die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertige. Verwaltungsschreiben könne keine weitergehende Bindungswirkung innewohnen als den förmlichen Entscheidungen, die sie in der Praxis der Anwendung der Wettbewerbsregeln funktional ersetzten. Nach Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 könne sie förmliche Freistellungserklärungen widerrufen oder ändern, "wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Erklärung wesentlichen Punkt geändert haben". Das fragliche Verwaltungsschreiben sei Ergebnis einer vorläufigen Prüfung gewesen und habe entsprechend ständiger Praxis einen ausdrücklichen Vorbehalt der Wiederaufnahme des Verfahrens für den Fall enthalten, daß "sich die juristischen oder tatsächlichen Umstände, die der vorstehenden Beurteilung zugrunde liegen, wesentlich ändern".

34 Es seien gerade die Erfahrungen von Mars gewesen, die die Geschlossenheit des Marktes gezeigt und somit zu einer Überprüfung Anlaß gegeben hätten. Im übrigen sei sie aufgrund der Verfahrensgarantien der Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 und 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) gehalten, alle ihr von Beschwerdeführern vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam zu prüfen (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223).

Würdigung durch das Gericht

35 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Klägerin zu der Annahme berechtigt war, daß die von der Kommission in dem an Schöller gerichteten Verwaltungsschreiben vorgenommene Beurteilung auch für ihre rechtliche Situation gilt, und ohne daß die von der Klägerin vorgeschlagene Vernehmung von Zeugen zu dieser Frage durchgeführt zu werden braucht, genügt die Feststellung, daß das genannte Verwaltungsschreiben die Kommission jedenfalls nicht an der Prüfung der von Mars eingelegten Beschwerde hindern konnte.

36 Nach der Rechtsprechung stellt ein Verwaltungsschreiben, wie es an Schöller gerichtet wurde, nachdem dieses Unternehmen 1985 seine Liefervereinbarungen angemeldet hatte, weder ein Negativattest noch eine Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages im Sinne der Artikel 2 und 6 der Verordnung Nr. 17 dar, da das Verwaltungsschreiben nicht gemäß den Bestimmungen dieser Verordnung erlassen wurde (Urteile des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in den Rechtssachen 253/78 und 1/79 bis 3/79, Giry und Guerlain u. a., Slg. 1980, 2327, in der Rechtssache 99/79, Lancôme und Cosparfrance, Slg. 1980, 2511, und in der Rechtssache 37/79, Marty, Slg. 1980, 2481, sowie Urteil L' Oréal, a. a. O.). In den genannten Rechtssachen hat der Gerichtshof darauf abgestellt, daß die fraglichen Verwaltungsschreiben abgesandt worden waren, ohne daß die Veröffentlichungsvorschriften des Artikels 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 beachtet worden waren, und daß sie auch nicht nach Artikel 21 Absatz 1 dieser Verordnung veröffentlicht worden waren.

37 Es handelt sich um ein Schreiben, mit dem dem betroffenen Unternehmen, d. h. Schöller, die Auffassung der Kommission mitgeteilt wurde, daß für sie kein Anlaß bestehe, gegen die fraglichen Verträge einzuschreiten, da diese Verträge nach den konkreten Umständen mit den Wettbewerbsvorschriften des Vertrages vereinbar seien, und daß das Verfahren daher eingestellt werden könne. Die Tatsache, daß die Kommission die Erteilung dieses Verwaltungsschreibens in ihrem Fünfzehnten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1985 unter Hinzufügung einiger Kommentare erwähnt hat, ändert nichts an seiner Rechtsnatur. Im übrigen hat die Klägerin im schriftlichen Verfahren selbst eingeräumt, daß mit einem Verwaltungsschreiben gemäß Punkt VII des Ergänzenden Vermerks zum Formblatt A/B nur die Auffassung der Dienststellen der Kommission bezueglich des betreffenden Falles auf der Grundlage der ihnen gegenwärtig bekannten Tatsachen dargelegt wird.

38 Schließlich ergibt sich aus dem Vorbringen der Kommission in der mündlichen Verhandlung, daß sie seinerzeit nur eine vorläufige Untersuchung der Marktbedingungen vornahm, die sich im wesentlichen auf die von Schöller gelieferten Informationen stützte; dies gilt auch für die Angaben, die zur damals für maßgeblich erachteten Marktabgrenzung und zur Berechnung des Bindungsgrads führten, d. h. des Prozentsatzes der durch Ausschließlichkeitsverträge gebundenen Verkaufsstätten und des über diese Verkaufsstätten erzielten Absatzvolumens. In diesem Zusammenhang hat sich die Kommission in ihrem Verwaltungsschreiben im übrigen vorbehalten, das Verfahren wiederaufzunehmen, falls sich die ihrer Beurteilung zugrunde liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Umstände wesentlich ändern. Ein solcher Vorbehalt entspricht auch der Verwaltungspraxis der Kommission in diesem Bereich.

39 Hinsichtlich der Frage, ob seit der Erteilung des Verwaltungsschreibens wesentliche tatsächliche Änderungen eingetreten sind, ist den Akten erstens zu entnehmen, daß danach zwei neue Wettbewerber, Mars und Jacobs Suchard, auf dem Markt aufgetreten sind. Ausserdem steht fest, daß es sich bei der Streithelferin Mars um einen besonderen Wettbewerber handelt, der nur eine begrenzte Produktpalette anbietet und eine andere Absatzstrategie verfolgt als seine Hauptkonkurrenten. Zweitens hat die Kommission nach der Einlegung der Beschwerde durch Mars erfahren, daß insbesondere im Lebensmittelhandel zusätzliche Marktzutrittsschranken bestehen, und zwar zum einen durch die den Einzelhändlern von der Klägerin auferlegte Verpflichtung, die ihnen von der Klägerin zur Verfügung gestellten Kühltruhen ausschließlich für deren Produkte zu verwenden, und zum anderen durch die Gewährung von Rabatten als Gegenleistung für den ausschließlichen Verkauf der Produkte der Klägerin.

40 Bei diesen Tatsachen handelte es sich um neue Umstände, die insbesondere im Hinblick auf die konkreten Probleme, auf die die Streithelferin gestossen war, eine eingehendere und genauere Untersuchung der Bedingungen für den Marktzutritt rechtfertigten, als sie bei der Erteilung des Verwaltungsschreibens vorgenommen worden war. Dieses Schreiben hinderte die Kommission folglich nicht daran, das Verfahren wiederaufzunehmen, um im konkreten Fall die Vereinbarkeit der streitigen Liefervereinbarungen mit den Wettbewerbsregeln zu prüfen.

41 Diese Lösung steht darüber hinaus in Einklang mit der der Kommission in Anbetracht der Verfahrensgarantien in den Artikeln 3 der Verordnung Nr. 17 und 6 der Verordnung Nr. 99/63 obliegenden Verpflichtung, die ihr von einem Beschwerdeführer vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam daraufhin zu prüfen, ob sie ein Verhalten erkennen lassen, das geeignet ist, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu verfälschen und den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Urteil Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 79).

42 Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages

43 Der Klagegrund gliedert sich in vier Teile. Die Klägerin wirft der Kommission vor, eine zu enge Abgrenzung des relevanten Marktes vorgenommen und ferner die Auswirkungen der Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb verkannt zu haben. Ausserdem seien die Ausschließlichkeitsvereinbarungen entgegen der Ansicht der Kommission nicht geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Schließlich berechtige Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 die Kommission auch nicht dazu, alle bestehenden Ausschließlichkeitsvereinbarungen einschließlich derjenigen, die nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, zu untersagen.

Erster Teil des Klagegrundes: Abgrenzung des Marktes

44 Nach der von der Kommission in Randnummer 90 ihrer Entscheidung vorgenommenen Abgrenzung umfasst der Produktmarkt das industriell hergestellte Kleineis in allen Vertriebskanälen mit Ausnahme der Heimdienste.

Vorbringen der Parteien

45 Die Klägerin macht geltend, diese Abgrenzung des Marktes sei zu eng. Sie weist darauf hin, daß die Kommission die Abgrenzung des relevanten Produktmarkts wiederholt nicht unerheblich geändert habe. Nach Ansicht der Klägerin hat die Abgrenzung des relevanten Marktes ausschließlich danach zu erfolgen, ob und inwieweit bestimmte Produkte "vom Verbraucher aufgrund ihrer Eigenschaften, ihrer Preislage und ihres Verwendungszwecks als gleichartig angesehen werden". Sie verweist insoweit auf die Artikel 3 und 14 der Verordnung Nr. 1984/83, auf die Artikel 3 und 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 1) und auf das Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72 (Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215).

46 Der relevante Markt umfasse im vorliegenden Fall folglich das gesamte industriell und handwerklich hergestellte Speiseeis, das in Verpackungen mit mehreren Einzelportionen, den sogenannten "Multipacks", verkaufte Speiseeis und einen Teil des zum Ausportionieren aus Großverbraucherpackungen bestimmten Eises. Die in Einzelportionen über die Strasse vertriebenen Arten von Eis seien aus der Sicht des Verbrauchers ohne weiteres miteinander austauschbar. Sie befriedigten ein und dasselbe impulsartig auftretende Bedürfnis des Verbrauchers.

47 Die Verschiedenheit der Vertriebswege, der Ort des Verzehrs, die Art und Weise des Ausportionierens und die anderen beim Vertrieb von Speiseeis auftretenden Besonderheiten, auf die die Kommission abgestellt habe, seien daher für die Abgrenzung des relevanten Marktes nicht entscheidend.

48 Dem Verbraucher würden die verschiedenen Arten von Speiseeis oft an ein und demselben Ort angeboten, ohne daß er sicher erkennen könnte, um welche Art es sich handele. Einzelportionen aus Multipacks würden teilweise an Ort und Stelle, d. h. auf der Strasse, verzehrt. Deshalb sei die Annahme der Kommission, Multipacks stuenden "nur für den Bedarf zu Hause zur Verfügung" und bildeten deshalb zusammen mit Haushaltseis einen eigenen Markt, unrichtig.

49 Zu dem zum Ausportionieren aus Großverbraucherpackungen bestimmten industriell hergestellten Eis, dem sogenannten "Scooping-Eis", trägt die Klägerin vor, die Behauptung der Kommission, Scooping-Eis erwerbe erst durch die Dienstleistung des Ausportionierens seine Besonderheiten, sei nicht haltbar. Die Art und Weise des Vertriebs dieses Eises weise zwar gewisse Besonderheiten auf. Dies lasse aber nicht die Schlußfolgerung zu, daß Scooping-Eis und Kleineis verschiedenen Märkten zuzurechnen seien. Ausserdem sei das blosse Ausportionieren durch einen Händler im traditionellen Handel nicht mit einer gastronomischen Dienstleistung im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935) vergleichbar. Das über die Strasse verkaufte Scooping-Eis und das Kleineis seien austauschbar. Etwa 50 % des an Großverbraucher gelieferten industriell hergestellten Speiseeises werde in Einzelportionen ausportioniert und über die Strasse vertrieben.

50 Zum handwerklich hergestellten Speiseeis trägt die Klägerin vor, dem Verbraucher würden oft handwerklich hergestelltes und industriell hergestelltes Speiseeis an ein und demselben Ort angeboten. Daraus, daß handwerklich hergestelltes Speiseeis, wie die Kommission behaupte, auf dem Markt kein Handelsobjekt sei, ergebe sich nicht, daß es einem besonderen Markt zuzurechnen sei. Aus der Tatsache, daß dieses Eis nicht über den traditionellen Fachhandel vertrieben werde, lasse sich nicht ableiten, daß es mit industriell hergestelltem Kleineis nicht in Wettbewerb stehe. Handwerklich hergestelltes Eis gehöre somit sehr wohl zum relevanten Produktmarkt.

51 Die Klägerin weist schließlich darauf hin, daß ihre Abgrenzung des relevanten Marktes durch eine repräsentative Befragung bestätigt werde, die im Juni und im Juli 1992 durchgeführt worden sei. Diese Befragung zeige, daß die verschiedenen Arten von impulsiv gekauftem Eis aus der Sicht des Verbrauchers nicht zu voneinander verschiedenen Märkten gehörten.

52 Die Kommission geht bei der Abgrenzung des Marktes von der Sicht des Verbrauchers aus. Dabei sei zunächst das Speiseeis auszuschließen, das als Teil gastronomischer Dienstleistungen angeboten werde, da der betreffende Markt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Delimitis, a. a. O.) einen eigenen Markt bilde. Hierzu gehöre ein Teil des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher und des handwerklich hergestellten Speiseeises.

53 Ferner sei wegen des produktspezifischen Zusammenhangs zwischen Kühlmöglichkeit und Verzehr der Ort des Verzehrs bei Speiseeis von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der wettbewerbsrechtlichen Austauschbarkeit der Produkte; dies gelte um so mehr, als es sich um einen oft impulsartig geweckten kurzfristigen Bedarf handele.

54 Unter diesen Umständen seien auch Multipacks, Haushaltseis und das von Heimdiensten als Haushaltsvorrat für die privaten Kühltruhen gelieferte Kleineis auszuschließen, da diese Produkte für den Bedarf ausser Haus nicht zur Verfügung stuenden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könnten selbst identische Produkte zu verschiedenen Produktmärkten gehören, wenn sie eine spezifische Nachfrage befriedigten (Urteile vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461).

55 Die Verbrauchersicht sei allerdings nicht allein ausschlaggebend. Es sei auch den verschiedenen Vertriebswegen, auf denen das Speiseeis zum Verbraucher gelange, und den unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnissen auf den verschiedenen Vertriebsstufen Rechnung zu tragen, da die streitigen Liefervereinbarungen den Zugang von Herstellern und/oder Großhändlern zum Einzelhandel beträfen. Da nämlich nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages jede Einschränkung des Wettbewerbs auf allen Handelsstufen zwischen Erzeuger und Endverbraucher untersagt sei (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125), könne die Sicht des Verbrauchers im vorliegenden Fall für die Beurteilung der wettbewerblichen Auswirkungen der Liefervereinbarungen nicht allein entscheidend sein.

56 Zum Produktmarkt gehöre demnach weder das handwerklich hergestellte Eis, da es auf dem Markt, dessen Angebotsseite aus industriellen Speiseeisherstellern und Großhändlern und dessen Abnahmeseite aus Einzelhändlern bestehe, kein Handelsobjekt sei, noch das sogenannte "Scooping-Eis", da der Einzelhandel bei dieser Art von Eis andere Vertriebsfunktionen erfuelle als bei Kleineis und sich die Vertriebswege dieser beiden Artikelgruppen nur am Rande berührten. Die Nachfragestruktur dürfe bei der Abgrenzung des Marktes berücksichtigt werden (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O.).

57 Das Eis in Großverbraucherpackungen weise ausserdem verschiedene Besonderheiten auf, die seinen Ausschluß vom relevanten Markt rechtfertigten.

58 Die Streithelferin Mars ist der Ansicht, der von der Kommission abgegrenzte Markt sei in zwei Sub-Märkte zu unterteilen, und zwar in den traditionellen Handel und den Lebensmitteleinzelhandel. Dabei gehe es im vorliegenden Verfahren im wesentlichen nur um den Sub-Markt für Kleineis, das im traditionellen Handel vertrieben werde, da der Zugang zu diesem Bereich für Newcomer wegen des Bestehens von Ausschließlichkeitsverträgen versperrt sei.

59 Es sei auch von Bedeutung, daß mehr als 60 % des gesamten Kleineises über den traditionellen Handel vertrieben würden. Ausserdem habe die Kommission eine Reihe erheblicher struktureller Unterschiede zwischen den beiden Sub-Märkten aufgezeigt, die nach deutschem Recht eine Unterteilung rechtfertigen könnten. Dieselben Produkte könnten dann unterschiedlichen Märkten zuzurechnen sein, wenn sie in unterschiedlichen Vertriebskanälen vertrieben würden.

Würdigung durch das Gericht

60 Im Hinblick auf die Frage, ob die Kommission in Randnummer 90 ihrer Entscheidung den Markt zutreffend umschrieben hat, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Abgrenzung des relevanten Marktes für die Untersuchung der Auswirkungen der Ausschließlichkeitsverträge auf den Wettbewerb und insbesondere für die Untersuchung der Möglichkeiten neuer inländischer und ausländischer Wettbewerber, auf dem Speiseeismarkt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, von entscheidender Bedeutung ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 15 und 16).

61 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist dabei die Sicht des Verbrauchers zu berücksichtigen. So hat der Gerichtshof in einer die Anwendung von Artikel 86 des Vertrages betreffenden Rechtssache entschieden, daß sich die Wettbewerbsmöglichkeiten nur nach Maßgabe derjenigen Merkmale der fraglichen Erzeugnisse beurteilen lassen, die sie zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders geeignet und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maß austauschbar erscheinen lassen (Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, a. a. O.). Zum Begriff des Produktmarkts im besonderen hat der Gerichtshof entschieden, daß dieser Begriff die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs zwischen den zu ihm gehörenden Erzeugnissen voraussetzt, so daß ein hinreichender Grad von Austauschbarkeit zwischen allen zum gleichen Markt gehörenden Erzeugnissen im Hinblick auf die gleiche Verwendung erforderlich ist (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O.). Darüber hinaus ergibt sich in bezug auf die Möglichkeit der Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte aus der Rechtsprechung, daß sich die Prüfung nicht allein auf die objektiven Merkmale der in Rede stehenden Erzeugnisse beschränken kann, sondern daß auch die Wettbewerbsbedingungen sowie die Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt in Betracht gezogen werden müssen (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O., Randnr. 37).

62 Das Gericht hat somit die Richtigkeit der von der Kommission vorgenommenen Abgrenzung des Produktmarkts im Lichte dieser Erwägungen zu prüfen. Dabei ist daran zu erinnen, daß die Kommission in Randnummer 83 ihrer Entscheidung ausgeführt hat, daß das Scooping-Eis und das handwerklich hergestellte Speiseeis, die zum Verzehr "aus der Hand" über die Strasse, d. h. nicht im Rahmen einer gastronomischen Dienstleistung, verkauft würden, sowie das am selben Ort verkaufte Kleineis aus Verbrauchersicht gleichartig seien.

63 Die Kommission hat folglich zum einen zu Recht das als Bestandteil einer gastronomischen Dienstleistung angebotene Speiseeis, d. h. einen Teil des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher und des handwerklich hergestellten Speiseeises, ausgeschlossen, da der betreffende Markt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnr. 16) einen eigenen Markt bildet, weil der Verzehr von Eis in Restaurants im allgemeinen durch eine Dienstleistung gekennzeichnet ist und nicht so oft von wirtschaftlichen Erwägungen abhängt wie z. B. sein Kauf in einem Lebensmittelgeschäft.

64 Zum anderen ist ° wie von der Kommission vertreten ° auch der in privaten Kühltruhen aufbewahrte Haushaltsvorrat der Verbraucher an Speiseeis auszuschließen, da dieses Eis für die Bedarfsdeckung ausser Haus und insbesondere für einen impulsartig entstehenden Bedarf nicht zur Verfügung steht und mit den über die Strasse verkauften Erzeugnissen nur in gewissem Umfang austauschbar ist (Urteil Michelin/Kommission, a. a. O., Randnrn. 48 und 49). Es handelt sich um Eis in Familienpackungen, das im allgemeinen als Haushaltsvorrat gekauft wird, und um Kleineis, das nach Hause geliefert wird. Insoweit hat die Kommission den Ort des Verzehrs im vorliegenden Fall zu Recht als entscheidenden Faktor für die Abgrenzung des Marktes angesehen, da es sich um Erzeugnisse handelt, die ausserhalb einer Kühlmöglichkeit nur ganz kurz haltbar sind und deren Verzehr daher zwangsläufig in unmittelbarer Nähe der letzten Möglichkeit einer kühlen Aufbewahrung erfolgen muß.

65 Das in Multipacks verkaufte Eis wird im allgemeinen vom Lebensmittelhandel als Haushaltsvorrat und von den Heimdiensten angeboten. Es steht daher nach Ansicht der Kommission in der Regel nicht für die Deckung eines ausser Haus impulsartig entstehenden Bedarfs zur Verfügung. Da die Klägerin nur geltend gemacht hat, daß Einzelportionen aus Multipacks teilweise an Ort und Stelle und damit unter Umständen auf der Strasse verzehrt würden, ohne jedoch hierzu Zahlenangaben zu machen, hat sie keine zur Entkräftung der Behauptung der Kommission ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Folglich hat die Kommission das in Multipacks verkaufte Eis zu Recht vom relevanten Markt ausgeschlossen.

66 In den Randnummern 84 ff. der Entscheidung wird ausgeführt, daß wegen der unterschiedlichen Wettbewerbsverhältnisse, die nach Ansicht der Kommission auf den verschiedenen Vertriebsstufen und bezueglich der nebeneinander bestehenden Vertriebswege, auf denen die fraglichen Erzeugnisse zum Verbraucher gelangen, vorherrschen, auch das gesamte handwerklich hergestellte Speiseeis, d. h. das ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung über die Strasse verkaufte handwerklich hergestellte Eis, auszuschließen sei, da dieses Eis auf einem Markt, auf dem nur an Einzelhändler verkauft werde, kein Handelsobjekt sei; gleiches gelte für das industriell hergestellte Eis für Großverbraucher, da es gegenüber industriell hergestelltem Kleineis mehrere Besonderheiten aufweise.

67 Hinsichtlich des handwerklich hergestellten Speiseeises ergibt sich aus den Akten, daß dieses Eis im allgemeinen am Ort der Herstellung oder in dessen Nähe angeboten wird. Es wird also nicht von den streitigen Liefervereinbarungen erfasst, da handwerklich hergestelltes Speiseeis ° wie die Klägerin nicht bestreitet ° den verschiedenen Formen des Einzelhandels weder angeboten noch von ihnen nachgefragt wird. Unter diesen Umständen könnte die Einbeziehung dieses Eises in den Produktmarkt an der Beurteilung der möglichen Auswirkungen der streitigen Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb, insbesondere bezueglich des Zugangs zu den Einzelhändlern, nichts ändern. Die Kommission hat es daher zu Recht vom Produktmarkt ausgeschlossen.

68 Der Ausschluß des industriell hergestellten Eises für Großverbraucher zum Ausportionieren, des sogenannten "Scooping-Eises", vom Produktmarkt wird in den Randnummern 87 bis 89 der Entscheidung mit drei Erwägungen gerechtfertigt. Erstens heisst es in der Entscheidung, daß der Einzelhandel unterschiedliche Vertriebsfunktionen erfuelle, die durch die unterschiedlichen Produkteigenschaften bedingt seien und dazu führten, daß sich die Vertriebswege dieser beiden Artikelgruppen nur am Rande berührten. Zweitens bewirke der beim Scooping-Eis erforderliche weitere Verarbeitungsvorgang des Ausportionierens, daß Kleineis und Scooping-Eis lediglich in der Gastronomie in nennenswertem Umfang zusammen angeboten würden. Ausserdem seien der Lebensmittelhandel und der traditionelle Fachhandel, die den weitaus grössten Teil des industriell hergestellten Kleineises vertrieben, im allgemeinen auf den Verkauf von Eis in Großverbraucherpackungen nicht eingestellt. Drittens bestuenden auch produktionstechnische Unterschiede zwischen beiden Erzeugnissen.

69 Die Kommission hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, die zum Nachweis dafür geeignet wären, daß für die beiden Erzeugnisse verschiedene Nachfragestrukturen im Sinne des Urteils Michelin/Kommission bestehen, die für sich genommen eine Marktabgrenzung rechtfertigen könnten, durch die das über die Strasse verkaufte Scooping-Eis ausgeschlossen wird. Zwar bestehen unterschiedliche Vertriebswege, aber dieser Umstand reicht für sich genommen im vorliegenden Fall nicht aus, um das zu Einzelportionen zum Verzehr ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung ausportionierte Eis für Großverbraucher auszuschließen. Die Klägerin hat insoweit zu Recht geltend gemacht, daß das blosse Ausportionieren in Einzelportionen durch einen Händler im traditionellen Handel keine "gastronomische Dienstleistung" im Sinne des Urteils Delimitis darstelle. Die Kommission hat auch nicht nachgewiesen, daß der Vorgang des Ausportionierens die Wahl des Verbrauchers zwischen einem Scooping-Eis und einem Kleineis in den Verkaufsstätten beeinflusst, in denen diese Eissorten ° im Strassenverkauf ° gemeinsam angeboten werden. Die Kommission hat sogar ausgeführt, daß diese beiden Eissorten aus Verbrauchersicht gleichartig seien (siehe oben, Randnr. 62). Auch daß zwischen beiden Erzeugnissen ein produktionstechnischer Unterschied bestehen mag, reicht für sich genommen nicht aus, um zwei separate Märkte anzunehmen, wenn dieser Unterschied vom Verbraucher nicht als ausschlaggebend angesehen wird.

70 Aus den Akten und insbesondere den von der Klägerin im Anschluß an die Fragen des Gerichts vorgetragenen Informationen zu den im traditionellen Handel erzielten Umsätzen ergibt sich ferner, daß bei dieser Eissorte mengenmässig etwa 22 % auf den Strassenverkauf ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung, d. h. auf den traditionellen Fachhandel, entfallen. Es handelt sich etwa um die Hälfte der insgesamt vom traditionellen Handel verkauften Eismenge. Aus den Antworten der Klägerin ergibt sich ausserdem, daß die zum Verkauf von Scooping-Eis erforderliche Ausstattung nicht nur in Kiosken zu finden ist, sondern auch in Bäckereien, Konditoreien, Süßwarenläden, Eisdielen, Kinos, Schwimmbädern, Tankstellen und kleinen Lebensmittelgeschäften, wobei diese Verkaufsstätten auch Kleineis anbieten können. Die Kommission hat ihrerseits im schriftlichen Verfahren zumindest stillschweigend eingeräumt, daß ein Teil des Eises in Großverbraucherpackungen in Form von Scooping-Eis zum sofortigen Verzehr ausserhalb des Rahmens einer gastronomischen Dienstleistung angeboten wird.

71 Somit stellt sich die Frage, ob die Kommission den Teil des Eises für Großverbraucher, der in Einzelportionen ausportioniert und in mehreren Arten von Verkaufsstätten in Wettbewerb mit Kleineis über die Strasse verkauft wird, hätte mit einbeziehen müssen, weil diese beiden Erzeugnisse aus Verbrauchersicht untereinander austauschbar sind. Aus Randnummer 141 der Entscheidung, gegen die die Klägerin keine Einwände erhoben hat, ergibt sich jedoch, daß das Eis für Großverbraucher im traditionellen Handel mit Hilfe von Ausschließlichkeitsverträgen vertrieben wird. Unter diesen Umständen hat sich durch die Entscheidung, das Scooping-Eis nicht in den relevanten Markt einzubeziehen, an der Beurteilung der Auswirkungen der streitigen Liefervereinbarungen auf den Wettbewerb und insbesondere der Frage, ob der Marktzugang durch diese Vereinbarungen versperrt oder erheblich erschwert wurde, nichts Wesentliches geändert. Die Entscheidung ist somit nicht deshalb für nichtig zu erklären, weil das Scooping-Eis nicht in den Produktmarkt einbezogen wurde.

72 Folglich ist der erste, auf eine falsche Abgrenzung des Marktes gestützte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, ohne daß die von der Klägerin vorgeschlagene Zeugenvernehmung durchgeführt zu werden braucht.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Auswirkung der Alleinbezugsverträge auf den Wettbewerb

Vorbringen der Parteien

73 Die Klägerin macht unter Bezugnahme auf das Verwaltungsschreiben geltend, daß die Liefervereinbarungen "auch unter Berücksichtigung der Anzahl bestehender gleichartiger Verträge insbesondere nicht bewirken, daß der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ausgeschaltet wird", und daß sie somit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vereinbar seien.

74 Zur Stützung dieses Vorbringens trägt die Klägerin vor, bei der Prüfung, ob die sowohl von ihr selbst als auch von ihren Wettbewerbern geschlossenen Ausschließlichkeitsverträge eine Behinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages bewirkten, komme es nach der Rechtsprechung in erster Linie auf das Verhältnis zwischen der Anzahl der durch derartige Verträge gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Verkaufsstätten, die Menge des über die gebundenen Verkaufsstätten vertriebenen Speiseeises und die Dauer der eingegangenen Verpflichtungen an (Urteil Delimitis, a. a. O.).

75 Zum Bindungsgrad führt die Klägerin aus, er liege unabhängig davon, ob man der von der Kommission vorgenommenen oder der von ihr vorgeschlagenen Marktabgrenzung folge, und ausgehend von den der Entscheidung zugrunde liegenden Annahmen unter dem von der Kommission in ihrem Verwaltungsschreiben und in Nummer 19 ihres Fünfzehnten Berichts über die Wettbewerbspolitik von 1985 als zulässig angesehenen Grad von 30 %.

76 Somit sei die Feststellung der Kommission in Randnummer 130 der Entscheidung, daß der Bindungsgrad bei (...) % liege, falsch und nur dadurch zu erklären, daß die Kommission vom bisherigen Verständnis dieses Begriffs abgewichen sei. Die Kommission beziehe den Bindungsgrad allein auf die Eismengen, die die Klägerin im traditionellen Handel abgesetzt habe.

77 Die durchschnittliche Laufzeit der Liefervereinbarungen betrage nur etwa zweieinhalb Jahre und sei damit halb so lang wie die in der Verordnung Nr. 1984/83 als unbedenklich angesehene Dauer von fünf Jahren. Die Inhaber von Verkaufsstätten kündigten nämlich ihre Verträge in der Regel zum frühestmöglichen Zeitpunkt, um über eine Verbesserung der Konditionen verhandeln zu können.

78 Im übrigen könne das Bestehen eines Bündels gleichartiger Verträge nach dem vom Gerichtshof in seinem Urteil Delimitis vertretenen Standpunkt selbst dann, wenn es die Möglichkeiten des Marktzugangs wesentlich beeinflusse, für sich allein noch nicht die Feststellung einer Abschottung des relevanten Marktes rechtfertigen. Entscheidend sei vielmehr die Gesamtheit der rechtlichen und tatsächlichen Umstände. Dies gelte auch dann, wenn die Ausschließlichkeitsverträge von einem marktstarken Unternehmen abgeschlossen worden seien. Im übrigen sei ihr Marktanteil eindeutig kleiner als in Randnummer 95 der Entscheidung angegeben.

79 Zur Gesamtheit der rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die hätten berücksichtigt werden müssen, trägt die Klägerin vor, daß in der Entscheidung verschiedene wesentliche Gesichtspunkte, die die Verfügbarkeit von Verkaufsstätten beträfen, ausser acht gelassen worden seien.

80 Erstens gebe es zahlreiche Verkaufsstätten, die nicht durch Ausschließlichkeitsverträge gebunden seien. Viele dieser Verkaufsstätten stuenden jedem Wettbewerber unmittelbar offen. Hinzu komme die Möglichkeit der Hersteller, neue Verkaufsstätten zu erschließen, wenn sie zu den erforderlichen Investitionen bereit seien.

81 Zweitens habe die Kommission auch nicht ausreichend berücksichtigt, daß der Markt für Speiseeis in den letzten Jahren rasch gewachsen sei, was insbesondere für das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gelte. Für die Erschließung neuer Verkaufsstätten müsse der Hersteller allerdings in der Lage sein, ein grosses Eissortiment anzubieten, die notwendigen Vertriebsleistungen zu erbringen und den Verkaufsstätten des traditionellen Fachhandels die für die Lagerung der Erzeugnisse erforderlichen Kühltruhen zur Verfügung zu stellen.

82 Die Schwierigkeiten, die Mars beim Eindringen in den Markt gehabt habe, hingen deshalb nicht mit den von der Klägerin und ihren Wettbewerbern geschlossenen Ausschließlichkeitsverträgen zusammen, sondern mit der Marktstrategie von Mars, die u. a. darauf gerichtet sei, die Vornahme der erforderlichen Investitionen zu vermeiden und nur in den bereits erschlossenen Verkaufsstätten tätig zu werden.

83 Drittens sei zu den von der Kommission in Randnummer 135 der Entscheidung angeführten anderen angeblichen Marktzutrittsschranken, nämlich der für die Produktion von Kleineis erforderlichen Technologie und den durch die Werbeaufwendungen in den vorangegangenen Jahren gebildeten Verbraucherpräferenzen, zu sagen, daß Mars zum einen mit Sicherheit über sämtliche für die Produktion von Speiseeis erforderlichen technologischen und sonstigen Ressourcen verfüge und zum anderen von ihrem sehr hohen Bekanntheitsgrad profitieren könne, der den der Klägerin übersteige.

84 Angesichts dieser Umstände sei der Zugang zum traditionellen Fachhandel durch das bestehende Netz von Ausschließlichkeitsverträgen weder erschwert noch versperrt.

85 Die Kommission stellt in den Randnummern 71 bis 74 ihrer Entscheidung zunächst fest, daß die den Wiederverkäufern von der Klägerin auferlegte Alleinbezugsverpflichtung eine Beschränkung sowohl des Intra-brand-Wettbewerbs als auch des Inter-brand-Wettbewerbs darstelle. Warenangebote, die von anderen Lieferanten ausgingen, könnten vom Wiederverkäufer infolgedessen wegen dessen Bindung an das vertragliche Verbot nicht berücksichtigt werden. Die Alleinbezugsverpflichtungen erschwerten oder verhinderten die Bildung von unabhängigen Vertriebsstrukturen, die für den Zutritt von neuen Wettbewerbern zu dem betreffenden Markt oder den Ausbau einer bereits erreichten Marktstellung erforderlich seien. Das vertragliche Gebot, ausschließlich die Vertragswaren zu beziehen, beinhalte gleichzeitig das Verbot, mit den Vertragswaren in Wettbewerb stehende Waren zu vertreiben. Die Kombination beider Absprachen verstärke im vorliegenden Fall die Wettbewerbsbeschränkung. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 693A0007.1

86 In Randnummer 104 der Entscheidung stellt die Kommission sodann fest, daß der Umsatz der Klägerin und der Marktanteil, der sich aus den streitigen Liefervereinbarungen ergebe, die Schwellenwerte weit überschritten, die in ihrer Bekanntmachung vom 3. September 1986 über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die nicht unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fallen (ABl. 1986, C 231, S. 2; nachstehend: Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung), vorgesehen seien. Bereits diese Umstände ließen die Schlußfolgerung zu, daß durch die Liefervereinbarungen die Möglichkeiten der inländischen Wettbewerber und der Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten, auf dem relevanten Markt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, spürbar beschränkt würden und daß die Liefervereinbarungen somit unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen. Eine Prüfung der Wirkungen der Netze gleichartiger Verträge, die andere Unternehmen im relevanten Markt abgeschlossen hätten, sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich.

87 In ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission hinzugefügt, nur wenn das Netz gleichartiger Vereinbarungen des Unternehmens, dessen Verträge der wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterlägen, nicht bereits selbst die Voraussetzung der Spürbarkeit erfuelle, sei gemäß der Rechtsprechung auf die kumulativen Wirkungen nebeneinander bestehender Netze zurückzugreifen (Urteile vom 12. Dezember 1967 in der Rechtssache 23/67, Brasserie de Hächt, Slg. 1967, 544, und Delimitis, a. a. O.).

88 Die Streithelferin Mars räumt ein, daß der Bindungsgrad unabhängig davon, ob man die Marktabgrenzung der Kommission oder die der Klägerin zugrunde lege, zwischen 25 % und 30 % betrage. Diese Zahl spiegele jedoch nicht die wahren Marktverhältnisse im traditionellen Handel wider, da die Berechnungen auf einer Durchschnittszahl beruhten.

89 Nach Ansicht von Mars ist speziell auf die Lage im traditionellen Handel abzustellen, da über 60 % des gesamten Kleineises über diesen Markt vertrieben würden und da die Klägerin nur für diesen Teil des relevanten Marktes Liefervereinbarungen geschlossen habe.

90 Im traditionellen Handel habe der Bindungsgrad 1990 nach ihren Untersuchungen über 70 % betragen. Daneben seien die Marktanteile der Klägerin und der Konzentrationsgrad zu berücksichtigen. Die Klägerin habe 1992 mit Kleineis im traditionellen Handel einen Marktanteil von 60 % erzielt. Der Anteil von Schöller habe sich auf 33,4 % belaufen. Diese beiden grossen Hersteller hätten somit zusammen einen Marktanteil von über 90 %. Es stehe ausser Zweifel, daß die Klägerin und Schöller auf diesem Markt eine beherrschende Stellung einnähmen. Daher könne es keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß die Ausschließlichkeitsverträge der Klägerin unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen.

91 Zudem stuenden Newcomer auf dem Markt dem Problem gegenüber, daß es sich für den durch einen Ausschließlichkeitsvertrag gebundenen Einzelhändler um eine "Alles-oder-Nichts-Entscheidung" handele. Nur wenige Händler seien bereit, auf das Sortiment des dominierenden Wettbewerbers zu verzichten und zu den weniger bekannten Produkten eines neuen Wettbewerbers zu wechseln.

92 Die schlichte Tatsache, daß ihr Marktanteil im Lebensmitteleinzelhandel bei Multipacks, bei denen es keine Ausschließlichkeitsbindungen gebe, etwa 17 % betrage und damit zehnmal so groß sei wie ihr Marktanteil bei Eisriegeln im traditionellen Handel (etwa 1,7 %), sei ein hinreichender Beweis dafür, daß der Marktzugang zum traditionellen Handel versperrt sei.

93 Auf die Behauptung der Klägerin, daß der relevante Markt expandiere, entgegnet Mars, daß es für die Zugangsmöglichkeiten eines neu auf dem Markt auftretenden Unternehmens zum traditionellen Fachhandel im allgemeinen nicht auf theoretische Erschließungsmöglichkeiten ankommen könne. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, daß gerade die wirtschaftlich interessantesten Verkaufsstätten durch Ausschließlichkeitsverträge gebunden seien.

Würdigung durch das Gericht

94 Vorab ist festzustellen, daß die Kommission in den Randnummern 71 bis 73 der Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß die in den Liefervereinbarungen enthaltene Klausel, nach der sich der Einzelhändler verpflichte, in seiner Verkaufsstätte nur unmittelbar von der Klägerin erworbene Erzeugnisse zu verkaufen, eine Alleinbezugsverpflichtung und ein Wettbewerbsverbot enthalte, die sowohl bei Erzeugnissen derselben Marke als auch bei Erzeugnissen verschiedener Marken zu einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages führen könnten.

95 Unter diesen Umständen hat das Gericht zu prüfen, ob der Kommission tatsächlich und rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die streitigen Liefervereinbarungen die von ihr behauptete spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb auf dem Markt haben.

96 Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Klägerin auf dem relevanten Markt eine starke Stellung einnimmt. Nach den Akten erzielte die Klägerin, die eine Tochtergesellschaft der zum internationalen Unilever-Konzern, einem der weltweit grössten Hersteller von Konsumgütern, gehörenden Deutschen Unilever GmbH ist, 1990 und 1991 bei Speiseeis einen Umsatz von über einer Milliarde DM. Gemäß den Randnummern 27, 33 und 95 der Entscheidung belief sich der Anteil der Klägerin am relevanten Markt 1991 sowohl im Lebensmittelhandel als auch im traditionellen Handel auf etwa (...) % (mehr als 45 %). Die Klägerin hat zwar in Abrede gestellt, einen solchen Marktanteil zu besitzen, da sie der Ansicht ist, daß die Abgrenzung des Marktes weiter sein und das gesamte industriell oder handwerklich hergestellte Speiseeis umfassen müsse; sie hat jedoch den Anteil am Markt für industriell hergestelltes Kleineis, den ihr die Kommission im Rahmen der von ihr vorgenommen Marktabgrenzung zugeschrieben hat, nicht ausdrücklich bestritten. In bezug auf die quantitative Bedeutung der streitigen Vereinbarungen auf dem relevanten Markt ist den Akten zu entnehmen, daß auf dem gesamten relevanten Markt, so wie er von der Kommission definiert wurde, etwa (...) % (mehr als 15 %) der Verkaufsstätten an die Klägerin gebunden sind und daß das von der Klägerin über diese Verkaufsstätten erzielte Absatzvolumen ebenfalls (...) % (mehr als 15 %) des gesamten Absatzvolumens auf dem Markt ausmacht.

97 Nach Ansicht der Kommission lassen die letztgenannten Angaben die Schlußfolgerung zu, daß durch die Vereinbarungen die Möglichkeiten der inländischen Wettbewerber und der Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten, auf dem relevanten Markt Fuß zu fassen oder ihren Anteil an diesem Markt zu vergrössern, spürbar beschränkt würden, ohne daß die kumulative Wirkung daneben bestehender Netze anderer Speiseeislieferanten geprüft werden müsse, da der Marktanteil, der von den streitigen Vereinbarungen erfasst werde und der bereits etwa (...) % (mehr als 15 %) des relevanten Marktes betrage, und der Umsatz der beteiligten Unternehmen die in der Bekanntmachung über Vereinbarungen von geringer Bedeutung vorgesehenen Schwellenwerte bei weitem überschritten.

98 Die genannte Bekanntmachung dient jedoch nur zur Umschreibung der Vereinbarungen, die nach Ansicht der Kommission keine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben. Aus ihr lässt sich dagegen nicht mit Sicherheit ableiten, daß ein Netz von Alleinbezugsverträgen immer dann geeignet ist, den Wettbewerb spürbar zu verhindern, einzuschränken oder zu verfälschen, wenn die darin vorgesehenen Schwellenwerte überschritten sind. Im übrigen ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Nummer 3 der Bekanntmachung, daß es im Einzelfall durchaus möglich ist, daß auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die die aufgeführten Schwellenwerte überschreiten, den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb nur geringfügig beeinträchtigen und deshalb nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden.

99 Zur Klärung der Frage, ob Alleinbezugsverträge vom Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werden, ist nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, daß diese die kumulative Wirkung haben, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Wenn die Prüfung ergibt, daß dies nicht der Fall ist, dann können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beschränken. Ergibt die Prüfung hingegen, daß der Markt schwer zugänglich ist, so ist anschließend zu untersuchen, inwieweit die streitigen Vereinbarungen zu der kumulativen Wirkung beitragen, wobei nur solche Verträge verboten sind, die zu einer etwaigen Abschottung des Marktes in erheblichem Maß beitragen (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24).

100 Darüber hinaus ist, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Brasserie de Hächt entschieden hat, die Beurteilung der Auswirkungen eines Ausschließlichkeitsvertrags unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs vorzunehmen, in dem dieser steht und in dem er zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen kann.

101 Ferner ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum einen, daß der Einfluß der Netze von Ausschließlichkeitsverträgen auf den Marktzugang namentlich abhängt vom Verhältnis zwischen der Zahl der vertraglich an die Erzeuger gebundenen Verkaufsstätten und der Zahl der nicht gebundenen Händler, von den durch die eingegangenen Verpflichtungen erfassten Mengen und vom Verhältnis zwischen diesen Mengen und denjenigen, die über nicht gebundene Händler abgesetzt werden. Zum anderen ist der Bindungsgrad, der sich aus einem Netz von Alleinbezugsvereinbarungen ergibt, zwar für die Beurteilung der Marktabschottung von gewisser Bedeutung, ist aber nur einer von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem ein Vertrag oder, wie im vorliegenden Fall, ein Netz von Verträgen zu beurteilen ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 19 und 20).

102 Da die Abgrenzung des Marktes zur Festlegung des Rahmens dient, in dem die Auswirkungen der streitigen Vereinbarungen auf den Wettbewerb zu beurteilen sind, ist bei der Bestimmung des Bindungsgrads im vorliegenden Fall auf die Möglichkeiten des Zugangs zu den Einzelhändlern abzustellen, die auf dem gesamten relevanten Markt in der zuvor von der Kommission vorgenommenen Abgrenzung, d. h. sowohl im traditionellen Handel als auch im Lebensmittelhandel, bestehen.

103 Hierzu ist erstens festzustellen, daß sich, wie oben (Randnr. 96) ausgeführt wurde, unter Berücksichtigung des Umfangs der Kleineisverkäufe auf dem relevanten Markt ein auf die von der Klägerin geschlossenen Alleinbezugsverträge zurückzuführender Bindungsgrad von etwa (...) % (mehr als 15 %) ergibt und daß der Bindungsgrad unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen der Zahl der an die Klägerin gebundenen Verkaufsstätten und der Gesamtzahl der Verkaufsstätten etwa (...) % (mehr als 15 %) beträgt.

104 Zweitens ist zur kumulativen Wirkung, die sich aus weiteren gleichartigen Vereinbarungen auf dem Markt ergibt, festzustellen, daß die von Schöller, dem anderen führenden Eishersteller in Deutschland, geschlossenen gleichartigen Alleinbezugsverträge unabhängig davon, ob man auf den Prozentsatz der gebundenen Verkaufsstätten oder das Absatzvolumen dieser Verkaufsstätten abstellt, etwa (...) % (mehr als 10 %) des relevanten Marktes erfassen.

105 Somit wirken sich die von den beiden grössten Herstellern geschaffenen Netze von Alleinbezugsverträgen auf etwa (...) % des Marktes aus; dies überschreitet den Bindungsgrad von 30 %, den die Kommission bei Übersendung des Verwaltungsschreibens an Schöller, das dann in Nummer 19 des Fünfzehnten Berichts über die Wettbewerbspolitik von 1985 kommentiert wurde, als zulässig angesehen hat.

106 Wie oben (Randnr. 101) ausgeführt wurde, ist der Bindungsgrad aber nur einer von mehreren Faktoren des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem ein Netz von Verträgen zu beurteilen ist. Daneben sind die herrschenden Marktbedingungen und insbesondere die tatsächlichen konkreten Möglichkeiten neuer Wettbewerber zu untersuchen, trotz des Bestehens eines Netzes von Alleinbezugsverträgen auf dem Markt Fuß zu fassen.

107 Hinsichtlich der genannten Faktoren hat die Kommission darauf hingewiesen, daß sowohl im Lebensmittelhandel als auch im traditionellen Handel zusätzliche erhebliche Marktzutrittsschranken bestuenden. Den Randnummern 135 bis 138 der Entscheidung ist insoweit zu entnehmen, daß neuen Wettbewerbern der Marktzutritt dadurch erschwert wird, daß die Klägerin den Einzelhändlern sowohl im Lebensmittelhandel als auch im traditionellen Handel in grosser Zahl Kühltruhen leihweise zur Verfügung stellt (gemäß Randnr. 58 der Entscheidung insgesamt etwa [...], davon [...] im traditionellen Handel und [...] im Lebensmittelhandel) und dies mit der Verpflichtung für die Einzelhändler verbindet, die Kühltruhen ausschließlich für die Erzeugnisse der Klägerin zu verwenden.

108 Die Kommission ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich dabei um einen Faktor handelt, der zur Erschwerung des Marktzutritts beiträgt. Er hat nämlich zwangsläufig zur Folge, daß jeder neu auf dem Markt auftretende Wettbewerber den Einzelhändler entweder zum Austausch der von der Klägerin aufgestellten Kühltruhe gegen eine andere und damit zum Verzicht auf den Umsatz mit den Erzeugnissen des bisherigen Lieferanten oder zur Aufstellung einer zusätzlichen Kühltruhe bewegen muß, was insbesondere in kleinen Verkaufsstätten aus Platzmangel unmöglich sein kann. Wenn der neue Wettbewerber, wie es bei der Streithelferin der Fall ist, nur eine begrenzte Produktpalette anbieten kann, kann es sich für ihn ausserdem als schwierig erwiesen, den Einzelhändler zur Kündigung seines Vertrages mit dem bisherigen Lieferanten zu bewegen.

109 Hinzu kommt, daß die Klägerin nach den Akten zumindest bis zur Saison 1992 im Lebensmittelhandel (...) % des Absatzes von Kleineis durch die Gewährung von Rabatten bei Einhaltung der Ausschließlichkeit gesichert hat.

110 Ferner ist den Akten zu entnehmen, daß es im traditionellen Handel eine Vielzahl von Einzelhändlern mit einem relativ geringen Durchschnittsumsatz gibt. Zur Errichtung eines rentablen Vertriebssystems muß ein neuer Wettbewerber daher innerhalb eines bestimmten Gebiets eine erhebliche Zahl von Einzelhändlern gewinnen, die über Regional- oder Zentrallager beliefert werden können. Da es keine unabhängigen Zwischenhändler gibt, stellt diese Zersplitterung der Nachfrage eine weitere Marktzutrittsschranke dar. Schließlich hat die Kommission zu Recht berücksichtigt, daß die Erzeugnisse der Klägerin Markenartikel mit hohem Bekanntheitsgrad sind.

111 In Anbetracht all dieser Umstände wie auch der tatsächlichen Laufzeit der streitigen Vereinbarungen von etwa zweieinhalb Jahren ergibt sich aus der Prüfung der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge und aus den übrigen, in den Randnummern 107 bis 110 untersuchten wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen dieser Verträge, daß die von der Klägerin geschlossenen Alleinbezugsvereinbarungen geeignet sind, den Wettbewerb im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages spürbar zu beeinträchtigen.

112 Wegen der starken Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt und insbesondere ihres Marktanteils tragen diese Vereinbarungen in erheblichem Maß zur Abschottung des Marktes bei.

113 Nach alledem hat die Kommission somit zu Recht die Ansicht vertreten, daß die streitigen Vereinbarungen zu einer spürbaren Beschränkung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt führten. Die von der Klägerin und der Streithelferin vorgeschlagene Vernehmung von Zeugen dazu braucht daher nicht durchgeführt zu werden.

114 Der zweite Teil des Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

Dritter Teil des Klagegrundes: Keine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

Vorbringen der Parteien

115 Die Klägerin trägt vor, die Liefervereinbarungen seien nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Eine solche Wirkung könnte die Alleinbezugsverpflichtung nämlich nur im Fall eines Reimports durch ausländische Zwischenhändler haben, die es jedoch nicht gebe und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht geben werde.

116 Zu dem in den fraglichen Vereinbarungen enthaltenen Wettbewerbsverbot macht die Klägerin ferner geltend, zum einen habe die Kommission keinerlei Nachweis dafür erbracht, daß es in anderen Mitgliedstaaten Unternehmen gebe, die ihre Erzeugnisse auf dem deutschen Markt absetzen wollten, und zum anderen handele es sich bei den wenigen grenzueberschreitenden Lieferungen von Speiseeis überwiegend um konzerninterne Lieferungen, die keinen zwischenstaatlichen Handel im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellten. Unter Bezugnahme auf Randnummer 75 der Entscheidung fügt die Klägerin hinzu, ein deutsches Unternehmen, das die für den deutschen Markt bestimmten Erzeugnisse in einer französischen Produktionsstätte herstelle, werde dadurch nicht zum französischen Anbieter.

117 Die Kommission stellt in der Entscheidung fest, daß die Alleinbezugsverpflichtung und das Wettbewerbsverbot, die in den streitigen Vereinbarungen enthalten seien, zu einer Wettbewerbsbeschränkung führten, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen könne, da diese Vereinbarungen geeignet seien, den deutschen Markt gegenüber Eis aus anderen Mitgliedstaaten, im vorliegenden Fall dem von Mars in Frankreich hergestellten Eis, abzuschotten.

118 Nach der Rechtsprechung brauche sie nicht den Nachweis zu erbringen, daß die Vereinbarungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt hätten. Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verlange nicht diesen "Nachweis, der in den meisten Fällen ohnehin nur schwer in rechtlich hinreichender Form geführt werden könnte", sondern "vielmehr den Nachweis, daß diese Vereinbarungen geeignet sind, eine derartige Wirkung zu entfalten" (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131).

Würdigung durch das Gericht

119 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts kann eine Vereinbarung zwischen Unternehmen den Handel zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nur beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, daß sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell den Handel zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen kann, die die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten behindern kann (zuletzt Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 39, und Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 22).

120 Die kumulative Wirkung, die sich aus der Existenz eines Netzes von Ausschließlichkeitsverträgen ergibt, das sich auf das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats erstreckt und etwa (...) % des relevanten Marktes erfasst (siehe oben, Randnr. 105), ist geeignet, das Eindringen von Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten zu verhindern und somit die Abschottung auf nationaler Ebene zu verfestigen; es beeinträchtigt daher die vom Vertrag gewollte gegenseitige wirtschaftliche Durchdringung (in diesem Sinn auch Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72, Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977).

121 In Randnummer 75 der Entscheidung wurde deshalb zu Recht festgestellt, daß die streitigen Vereinbarungen geeignet seien, den deutschen Markt gegenüber Waren aus anderen Mitgliedstaaten, wie z. B. den in Frankreich hergestellten Speiseeiserzeugnissen von Mars, abzuschotten.

122 Zum Vorbringen der Klägerin, daß es bei der Streithelferin Mars um grenzueberschreitende konzerninterne Lieferungen gehe, die keinen Handel zwischen Mitgliedstaaten darstellten, ist zu sagen, daß derartige Lieferungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. So hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Dezember 1985 in den Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82 (Stichting Sigarettenindustrie u. a./Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 49) entschieden, daß Preisvereinbarungen zwischen in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen, die nur für den Markt dieses Staates gelten, auch dann, wenn durch sie keine Handelsschranken errichtet werden, den zwischenstaatlichen Handelsverkehr im Sinne von Artikel 85 des Vertrages berühren, sofern sie sich auch nur teilweise auf ein Erzeugnis beziehen, das aus einem anderen Mitgliedstaat stammt, und zwar selbst dann, wenn die Beteiligten das Erzeugnis von einem Unternehmen erhalten haben, das demselben Konzern angehört wie sie.

123 Diese Rechtsprechung trifft auch auf grenzueberschreitende Lieferungen von Wirtschaftsteilnehmern zu, die nicht an Ausschließlichkeitsvereinbarungen beteiligt sind.

124 Folglich ist der dritte Teil des Klagegrundes unbegründet.

Vierter Teil des Klagegrundes: die angebliche Verpflichtung der Kommission, die einzelnen Verträge so aufzuteilen, daß ein Teil der Verträge nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fällt

Vorbringen der Parteien

125 Die Klägerin führt aus, Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 berechtige die Kommission nicht, Ausschließlichkeitsverträge zu untersagen, die nicht von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag erfasst würden. Aus dem Urteil Delimitis ergebe sich, daß eine gewisse Anzahl oder Art von Ausschließlichkeitsverträgen ° wie immer man diese Anzahl oder Art auch bestimmen möge ° nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst werde. Die Kommission habe daher in Randnummer 107 der Entscheidung zu Unrecht die Gesamtheit der bestehenden Vereinbarungen untersagt, ohne zu prüfen oder festzustellen, welcher Teil der Vereinbarungen in den Anwendungsbereich von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages falle.

126 Man könne auch nicht sagen, daß Artikel 85 Absatz 2 des Vertrages einer Aufteilung der zu einem Netz von Vereinbarungen gehörenden Verträge aus Gründen der Rechtssicherheit entgegenstehe; dies gehe aus dem Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992 in der Rechtssache, die der Erhebung der vorliegenden Klage vorangegangen sei (siehe oben, Randnr. 8), klar hervor.

127 Die Kommission macht in Einklang mit den Ausführungen in Randnummer 107 der Entscheidung geltend, daß die im vorliegenden Fall festgestellte spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb die Gesamtheit der Liefervereinbarungen der Klägerin erfasse. Bei einem Netz gleichartiger Vereinbarungen eines einzigen Herstellers sei die Spürbarkeit entweder gegeben oder nicht gegeben, ohne daß es möglich wäre, gewisse Teile davon auszunehmen. Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages lasse es nicht zu, Einzelverträge oder Netze von Vereinbarungen so aufzuteilen, daß ein "nicht spürbarer" Teil dem darin enthaltenen Verbot entzogen werde; im übrigen wäre eine solche Aufteilung willkürlich.

128 Artikel 85 Absatz 2 des Vertrages stehe insbesondere bei Netzen von Vereinbarungen aus Gründen der Rechtssicherheit ebenfalls einer Aufteilung entgegen.

Würdigung durch das Gericht

129 Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, kann ein Netz von Alleinbezugsverträgen eines einzigen Herstellers dann dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 entzogen sein, wenn es nicht zusammen mit der Gesamtheit der auf dem Markt vorhandenen gleichartigen Verträge einschließlich der Verträge der anderen Lieferanten in erheblichem Maß dazu beiträgt, neuen inländischen und ausländischen Wettbewerbern den Zugang zum Markt zu verschließen (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24). Dies bedeutet, daß bei einem Netz gleichartiger Vereinbarungen eines einzigen Herstellers die Beurteilung der Auswirkungen dieses Netzes auf den Wettbewerb für die Gesamtheit der das Netz bildenden Einzelverträge gilt. Hinzu kommt, daß die Kommission bei der Beurteilung der Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen hat und sich nicht auf hypothetische Sachverhalte stützen kann. Wie die Kommission insoweit zu Recht ausgeführt hat, könnte die Aufteilung der streitigen Verträge in verschiedene hypothetische Kategorien im vorliegenden Fall zu willkürlichen Ergebnissen führen.

130 Der Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992, auf den sich die Klägerin zum Nachweis dafür berufen hat, daß einer Aufteilung ihrer Verträge keine Gründe der Rechtssicherheit entgegenstuenden, und durch den die Anwendung der Entscheidung der Kommission vom 25. März 1992 ausser für die ausschließlichen Verkaufsstätten der Klägerin und von Schöller in Tankstellen ausgesetzt wurde, ist im Rahmen eines Antrags auf einstweilige Anordnung ergangen. Die angeordnete Maßnahme, die nach einer Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Parteien des Rechtsstreits getroffen wurde, sollte die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens sowohl für Mars als auch für die Klägerin abwenden. Der Beschluß hatte somit einen besonderen Zweck und kann daher nicht zur Stützung der Ansicht angeführt werden, daß die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob die Einzelverträge unter Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, zu deren Aufteilung verpflichtet gewesen sei.

131 Ein Bündel gleichartiger Verträge ist somit als Ganzes zu beurteilen, so daß die Kommission zu Recht keine Aufgliederung der Verträge vorgenommen hat. Folglich ist dieser Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

132 Nach alledem greift der Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht durch.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages

133 Die Klägerin trägt vor, falls die streitigen Vereinbarungen gleichwohl unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 des Vertrages fielen, könnte für sie entweder eine Gruppenfreistellung nach der Verordnung Nr. 1984/83 oder eine Einzelfreistellung in Betracht kommen. Der Klagegrund gliedert sich in vier Teile. Die Klägerin ist erstens der Ansicht, daß die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß alle streitigen Vereinbarungen für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen seien und daß folglich gemäß Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 die in dieser Verordnung vorgesehene Freistellung auf sie nicht anwendbar sei. Zweitens könne die Kommission den Vorteil der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Freistellung nicht gemäß Artikel 14 Buchstaben a und b dieser Verordnung entziehen, da diese Bestimmungen hier unanwendbar seien; die Klägerin hat insoweit eine Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben. Drittens sei die Kommission selbst unter der Annahme, daß die genannten Bestimmungen anwendbar seien, nicht zum Entzug des Vorteils der Gruppenfreistellung berechtigt gewesen, da die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen erfuellt seien. Insoweit komme auch eine Einzelfreistellung der Vereinbarungen in Betracht. Viertens und letztens habe die Kommission durch den Entzug des Vorteils der Gruppenfreistellung für die Gesamtheit der streitigen Vereinbarungen gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen.

Erster Teil des Klagegrundes: Laufzeit der streitigen Verträge

Vorbringen der Parteien

134 Zur Laufzeit der Ausschließlichkeitsverträge führt die Klägerin zunächst aus, die in einigen der streitigen Verträge vorgesehene feste Laufzeit von zwei Jahren entspreche in der Praxis trotz der Klausel, daß sich die Verträge automatisch um ein Jahr verlängerten, deren tatsächlicher Laufzeit, weil die Inhaber der Verkaufsstätten ihren Vertrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt kündigten, um eine Verbesserung der ihnen gewährten Konditionen zu erreichen. Die Kommission sei demnach zu Unrecht davon ausgegangen, daß alle Liefervereinbarungen für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen seien und daß folglich gemäß Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 die in dieser Verordnung vorgesehene Freistellung auf sie nicht anwendbar sei. Kündige der Inhaber einer Verkaufsstätte seinen Vertrag und werde das Vertragsverhältnis später fortgesetzt, so handele es sich um einen neuen Vertrag mit einer neuen festen Laufzeit.

135 Die von der Kommission insoweit in Randnummer 112 der Entscheidung geltend gemachten Vorbehalte seien ohnehin bald gegenstandslos. Probleme bereiteten nämlich nur die Verträge mit einer festen Laufzeit von zwei Jahren und einer automatischen Verlängerung um jeweils ein weiteres Jahr. Wie die Klägerin im schriftlichen Verfahren ausgeführt hat, ist sie im Begriff, ihre Vertragspraxis zu ändern und eine Klausel einzuführen, nach der die Laufzeit des Vertrages höchstens fünf Jahre betragen kann.

136 Die Kommission trägt unter Bezugnahme auf Randnummer 112 ihrer Entscheidung vor, daß Vereinbarungen des Typs "Verträge mit fester Laufzeit von maximal zwei Jahren und anschließender automatischer Verlängerung" im Sinne von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 "für einen unbestimmten Zeitraum" geschlossen seien, weil ihre Beendigung von einem ungewissen zukünftigen Ereignis abhänge. Die Möglichkeit, diese Verträge jedes Jahr unter Einhaltung einer bestimmten Frist während des Zeitraums der automatischen Verlängerung zu kündigen, ändere nichts an der rechtlichen Beurteilung. Diese Liefervereinbarungen könnten daher nicht in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen.

Würdigung durch das Gericht

137 Nach dem Wortlaut von Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 ist die in dieser Verordnung vorgesehene Gruppenfreistellung nicht anwendbar, wenn die fragliche Vereinbarung für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen wird. Dabei besteht in der Praxis kein Unterschied zwischen einem ausdrücklich für einen unbestimmten Zeitraum geschlossenen Vertrag, bei dem die Parteien die Möglichkeit haben, ihre vertraglichen Beziehungen zu beenden ° der Form, die durch Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 von der in dieser Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist °, und einem Vertrag, der sich wie im vorliegenden Fall nach zwei Jahren stillschweigend verlängert, solange ihn nicht einer der Vertragspartner kündigt. In beiden Fällen sind die Vertragspartner nicht verpflichtet, sondern haben lediglich die Möglichkeit, wenn sie dies wollen, ihre Vertragsbeziehung zu überdenken und die anderen auf dem Markt bestehenden Möglichkeiten zu prüfen. Diese Prüfung, deren Vornahme durch Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung Nr. 1984/83 durchgesetzt werden soll, kann aber neuen Wettbewerbern den Zugang zu durch keine Verpflichtung gebundenen Einzelhändlern eröffnen. Hinzu kommt, wie die Kommission in Randnummer 113 der Entscheidung ausgeführt hat, als entscheidender Gesichtspunkt bei einer wettbewerbsrechtlichen Beurteilung dieser Verträge, daß die Laufzeit nicht feststeht, da sie von der Initiative einer der Vertragsparteien abhängt.

138 Folglich sind die Verträge, die stillschweigend verlängert werden und mehr als fünf Jahre laufen können, als für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen anzusehen und können daher nicht in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen. Der erste Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Unanwendbarkeit von Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83

Vorbringen der Parteien

139 Die Klägerin macht geltend, die Kommission könne bei Verträgen, deren Laufzeit den Anforderungen von Artikel 3 der Verordnung Nr. 1984/83 entspreche und die folglich in den Genuß der in der Verordnung vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen könnten, den Vorteil dieser Freistellung nicht mit der Begründung entziehen, daß der Zugang zum traditionellen Fachhandel aufgrund der von ihren Wettbewerbern und ihr selbst abgeschlossenen Ausschließlichkeitsverträge wesentlich erschwert sei oder daß die über den traditionellen Fachhandel vertriebenen Speiseeisprodukte nicht mit anderen Speiseeisprodukten "in wirksamem Wettbewerb" stuenden. Die entsprechenden Bestimmungen ° Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83 ° seien nämlich unanwendbar, da es für sie keine Rechtsgrundlage gebe.

140 Zur Stützung dieser Ansicht trägt die Klägerin vor, Rechtsgrundlage für Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 sei Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65/EWG des Rates vom 2. März 1965 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. 1965, Nr. 36, S. 533), wonach die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung nur entziehen könne, falls freigestellte Vereinbarungen "Wirkungen haben, die mit den in Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind".

141 Nach Artikel 14 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1984/83 müssten die betreffenden Waren jedoch ausserdem in "wirksamem Wettbewerb" mit anderen Waren stehen. Gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages hänge aber die Möglichkeit der Freistellung einer Vereinbarung nur davon ab, daß den beteiligten Unternehmen nicht "Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten". Darüber hinaus werde in Artikel 14 Buchstabe b der genannten Verordnung die Voraussetzung aufgestellt, daß durch die freigestellte Vereinbarung "anderen Lieferanten der Zugang zu den einzelnen Vertriebsstufen" nicht wesentlich erschwert werde; dieses Erfordernis fehle in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages. Man könne zwar Artikel 14 Buchstabe a sicherlich in einem mit Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vereinbaren Sinn auslegen; bei Artikel 14 Buchstabe b sei dies jedoch nicht möglich. Die Kommission habe sich bei der Begründung ihrer Entscheidung somit zu Unrecht auf Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 gestützt, denn eine Verordnung der Kommission, die von der ihr zugrunde liegenden Ermächtigung nicht gedeckt werde, sei rechtswidrig und damit ganz oder teilweise unanwendbar, sofern sie nicht im Sinne der Ermächtigung ausgelegt werden könne (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1971 in der Rechtssache 38/70, Tradax, Slg. 1971, 145).

142 Nach Ansicht der Kommission ist der Regelungsgehalt von Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 mit dem von Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 identisch, so daß sich die Frage der Unanwendbarkeit der erstgenannten Bestimmung nicht stelle. Zum einen hätten die Bestimmungen in Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83 nur Hinweischarakter, da sie einige der Situationen umschrieben, in denen die Kommission von ihrer Befugnis zum Entzug des Vorteils der in der Verordnung vorgesehenen Freistellung Gebrauch machen könne (siehe Bekanntmachung zu den Verordnungen [EWG] Nr. 1983/83 und Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen beziehungsweise Alleinbezugsvereinbarungen, ABl. 1984, C 101, S. 2). Zum anderen ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes für den Fall, daß die Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren ein Hindernis für die Freistellung darstelle, daß dies auch für die einzelnen Vertriebsstufen im Sinne von Artikel 14 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1984/83 gelte (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in der Rechtssache 32/65, Italien/Rat und Kommission, Slg. 1966, 458, und Europemballage und Continental Can/Kommission, a. a. O.).

143 Darüber hinaus ergebe sich aus dem Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission, daß das Bestreben der Verfasser des Vertrages, auch in den Fällen, in denen Wettbewerbsbeschränkungen zugelassen seien, auf dem Markt einen tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu erhalten, die einzelnen Vertriebsstufen nicht ausnehme.

Würdigung durch das Gericht

144 Die Frage, ob die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung zu Unrecht gemäß den Bestimmungen in Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83 entzogen hat, weil diese Bestimmungen im vorliegenden Fall unanwendbar sind, betrifft nur die Verträge, die für eine Laufzeit von höchstens fünf Jahren geschlossen sind und somit nach Ansicht der Kommission die in Artikel 3 Buchstabe d der Verordnung genannten Voraussetzungen erfuellen (siehe Randnr. 114 der Entscheidung), da die Verträge des Typs "Verträge mit fester Laufzeit von maximal zwei Jahren und anschließender automatischer Verlängerung" und die Verträge mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren nicht unter die Freistellung gemäß Artikel 1 der Verordnung fallen.

145 Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83 ist zum einen zu entnehmen, daß die Kommission zum Entzug des Vorteils der in dieser Verordnung vorgesehenen Freistellung ° die begrifflich nicht davon abhängt, ob die nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erforderlichen Freistellungsvoraussetzungen tatsächlich erfuellt sind ° berechtigt ist, wenn sie nach der individuellen Prüfung eines Einzelfalls feststellt, daß die aufgrund der Verordnung freigestellten Vereinbarungen nicht alle gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erforderlichen Voraussetzungen erfuellen.

146 Eine solche Regelung ist mit Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65, der Rechtsgrundlage von Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83, vereinbar; dieser sieht vor, daß die Kommission den Vorteil der Anwendung einer Gruppenfreistellungsverordnung entziehen kann, wenn sie feststellt, daß Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen Wirkungen haben, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind.

147 Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 ist zum anderen zu entnehmen, daß die in den Buchstaben a und b enthaltenen, durch das Adverb "insbesondere" eingeleiteten Bestimmungen eine beispielhafte Aufzählung der Fälle enthalten, in denen die Unternehmen damit rechnen müssen, daß ihnen der Vorteil der Gruppenfreistellung durch eine Entscheidung der Kommission entzogen wird.

148 Darüber hinaus hat, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Europemballage und Continental Can/Kommission zur vierten Voraussetzung für eine Freistellung von dem in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages enthaltenen Verbot entschieden hat, das "Bestreben der Verfasser des Vertrages, auch in den Fällen, in denen Wettbewerbsbeschränkungen zugelassen sind, auf dem Markt einen tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerb zu erhalten,... in Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages seinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden". Die Voraussetzung der Erhaltung eines wirksamen Wettbewerbs im Sinne von Artikel 14 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1984/83 ist daher durch die Ermächtigung in Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 gedeckt.

149 Somit kann dem auf eine angebliche Unanwendbarkeit von Artikel 14 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1984/83 gestützten Argument der Klägerin nicht gefolgt werden.

150 Wie sich aus der Rechtsprechung ferner ergibt, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit für alle Wirtschaftsstufen und Erscheinungsformen des Wettbewerbs (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322); auch wird im Wortlaut von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht zwischen miteinander in Wettbewerb stehenden Wirtschaftsteilnehmern gleicher Stufe und nicht miteinander in Wettbewerb stehenden Wirtschaftsteilnehmern verschiedener Stufen unterschieden, und es geht auch nicht an, da Unterscheidungen zu treffen, wo der Vertrag es nicht tut (Urteil Italien/Rat und Kommission, a. a. O.).

151 Folglich kann Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages auf allen Wirtschaftsstufen und damit auch auf die Wettbewerbsbeziehungen zwischen Lieferanten angewandt werden, bei denen es wie im vorliegenden Fall um den Zugang zu den einzelnen Verkaufsstätten geht.

152 Da nach Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages die Bestimmungen des Absatzes 1 auf Vereinbarungen, durch die den beteiligten Unternehmen "Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten", nicht für unanwendbar erklärt werden können, ist in Anbetracht der vorstehenden Erwägungen davon auszugehen, daß die Kommission gemäß Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages gegebenenfalls auch dann den Vorteil einer Gruppenfreistellung entziehen kann, wenn anderen Lieferanten der Zugang zu den einzelnen Verkaufsstätten im Sinne von Artikel 14 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1984/83 wesentlich erschwert wird.

153 Das Argument der Klägerin, Artikel 14 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1984/83 sei von der Ermächtigung in Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 nicht gedeckt, ist daher unbegründet.

154 Unter diesen Umständen ist der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

Dritter Teil des Klagegrundes: Erfuellen die Liefervereinbarungen die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages?

Vorbringen der Parteien

155 Die Klägerin trägt vor, Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65, der auf die Artikel 6 und 8 der Verordnung Nr. 17 verweise, sei dahin auszulegen, daß die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung nur dann entziehen könne, wenn sie den Nachweis erbringe, daß die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages von Anfang an nicht vorgelegen hätten oder später weggefallen seien; dies habe sie hier nicht getan.

156 Die Klägerin schließt daraus, daß die Kommission, solange sie nicht den Nachweis erbracht habe, daß eine der Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 erfuellt sei, den Vorteil der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung nicht entziehen könne.

157 Die streitigen Ausschließlichkeitsverträge seien nach wie vor von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages gedeckt und kämen daher auch für eine Einzelfreistellung in Betracht. Die von ihr geschlossenen Liefervereinbarungen müssten nicht bei der Kommission angemeldet werden. Trotz ihrer Zugehörigkeit zu einem internationalen Konzern zählten diese Vereinbarungen nämlich zu der in Artikel 4 Absatz 2 Nr. 1 der Verordnung Nr. 17 genannten Gruppe.

158 Unter Bezugnahme auf die fünfte und die sechste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1984/83 macht die Klägerin geltend, daß die Liefervereinbarungen zu einer Verbesserung der Warenverteilung führten. Diese Vereinbarungen hätten nämlich eine regelmässige und flächendeckende Versorgung und ein umfangreiches und hochwertiges Angebot an Speiseeisprodukten ermöglicht. Ohne den Aufbau der bestehenden Vertriebssysteme, deren wesentlicher Bestandteil die ausschließliche Bindung der Verkaufsstätten an einen bestimmten Hersteller sei, hätte eine grössere Zahl kleiner und mittlerer Verkaufsstätten niemals für den Vertrieb von Speiseeis gewonnen werden können. Wenn jede Verkaufsstätte nach ihrem Belieben ab und zu die Produkte anderer Hersteller verkaufen könnte, wäre die Effizienz des Vertriebssystems nicht mehr gewährleistet, da seine Rentabilität nicht aufrechterhalten werden könnte. Als Folge davon wäre die fortlaufende Belieferung der Verkaufsstätten mit einem vollen Sortiment gefährdet. Die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten für Speiseeis durch Ausschließlichkeitsverträge stelle entgegen der Meinung der Kommission ebenfalls einen objektiven Vorteil für die Allgemeinheit dar.

159 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875) ergebe sich ferner, daß eine regelmässige Versorgung für die Verbraucher einen Vorteil darstelle, der ausreiche, um als angemessene Beteiligung an dem Gewinn angesehen werden zu können, der aus den Verbesserungen entstehe, die durch eine von der Kommission zugelassene Wettbewerbsbeschränkung bewirkt würden. Würden die Ausschließlichkeitsverträge entfallen, so würden die Vertriebskosten und damit die Endverbraucherpreise erheblich steigen.

160 Schließlich hänge die Beurteilung der Frage, ob auf dem relevanten Markt ein wirksamer Wettbewerb bestehe, nicht davon ab, ob und inwieweit der Zugang zum traditionellen Fachhandel aufgrund der bestehenden Ausschließlichkeitsverträge wesentlich erschwert sei. Selbst in einem solchen Fall, der aber nicht vorliege, könnte es gleichwohl einen wirksamen Wettbewerb auf dem Speiseeismarkt geben. Auf diesem Markt bestehe in der Tat ein wirksamer Preis-, Qualitäts-, Sortiments- und Servicewettbewerb, wie die Verschiebung ihres Marktanteils und des Marktanteils von Schöller klar erkennen lasse.

161 In Anbetracht dessen könne der Vorteil der Gruppenfreistellung selbst dann nicht entzogen werden, wenn die Bestimmungen in Artikel 14 Buchstaben a und b der Verordnung Nr. 1984/83 entgegen ihrer Ansicht anwendbar sein sollten.

162 Die Kommission ist dagegen der Auffassung, daß der Vorteil der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung nach Artikel 14 dieser Verordnung zu entziehen gewesen sei, da die Liefervereinbarungen nicht die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erfuellten.

163 Sie weist in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, daß die Gruppenfreistellung im Gegensatz zur Einzelfreistellung schon vom Begriff her nicht davon abhängig sei, ob die im Vertrag aufgestellten Voraussetzungen für die Freistellung in jedem einzelnen Fall tatsächlich erfuellt seien. Es treffe daher nicht zu, daß die Voraussetzungen für den Widerruf einer Einzelfreistellung in Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 auch für den Entzug der Gruppenfreistellung gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 maßgeblich seien. Nach der letztgenannten Bestimmung sei im vorliegenden Fall zu prüfen gewesen, ob die Liefervereinbarungen Wirkungen hätten, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar seien; genau dies habe sie getan.

164 Die Liefervereinbarungen trügen nicht zur Verbesserung der Warenverteilung im Sinne von Artikel 85 Absatz 3 bei, denn sie brächten für die Allgemeinheit keine spürbaren objektiven Vorteile im Sinne des Urteils Consten und Grundig/Kommission mit sich, die geeignet wären, die mit ihnen verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

165 Angesichts der Marktstärke der Klägerin kämen die Vorteile, die mit Alleinbezugsvereinbarungen verbunden sein könnten, nämlich eine Stärkung des Inter-brand-Wettbewerbs, im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Der Wettbewerb auf dem Markt werde vielmehr durch die Existenz eines Netzes von Alleinbezugsvereinbarungen, das eine wichtige Marktzutrittsschranke darstelle, eingeschränkt; dadurch werde die Stellung der Klägerin gegenüber ihren Wettbewerbern erheblich gestärkt. Ausserdem wäre die regelmässige flächendeckende Versorgung der Verbraucher bei einem Wegfall der Ausschließlichkeitsvereinbarungen nicht gefährdet.

166 Aus dem Umstand, daß die Ausschließlichkeitsverträge zu einem gleichartigen und transparenten Vertriebssystem führen, lässt sich nach Ansicht der Kommission nicht folgern, daß die Verbraucher an dem durch die Vereinbarungen entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden. Die Unternehmen seien nämlich nicht gezwungen, den aus den Vereinbarungen resultierenden Gewinn weiterzugeben, da der Druck eines wirksamen Wettbewerbs fehle. Darüber hinaus beschränkten die Vereinbarungen die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher, die in den gebundenen Verkaufsstätten nur das Speiseeissortiment eines bestimmten Herstellers vorfänden.

167 Schließlich sei die negative Voraussetzung von Artikel 85 Absatz 3 Buchstabe b des Vertrages erfuellt, da auf dem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb bestehe. Im Lebensmittelhandel stelle die starke Stellung der Klägerin und von Schöller, die zusammen weit über zwei Drittel des in diesem Vertriebskanal erzielten Absatzvolumens realisierten, und die Konzentration der Nachfrage eine erhebliche Marktzutrittsschranke dar. Im traditionellen Handel werde der Marktzutritt weitgehend durch die kumulative Wirkung aller bestehenden Ausschließlichkeitsvereinbarungen verhindert. Setze man den Absatz, den die Klägerin über durch Ausschließlichkeitsverträge gebundene Wiederverkäufer (unter Einbeziehung von Großhändlern) erzielt habe, in Verhältnis zu ihrem Gesamtabsatz im Jahr 1991, so ergebe sich bei den Verkaufsstätten ein Bindungsgrad von (...) % (mehr als 50 %).

168 Die von den Ausschließlichkeitsverträgen ausgehende Abschottungswirkung könnte durch kurze Vertragslaufzeiten gemindert sein; dies sei hier aber nicht der Fall, da es sich um Verträge mit einer festen Laufzeit von maximal zwei Jahren und der Möglichkeit der Verlängerung auf unbestimmte Zeit handele. Ausserdem führe auch das System der flächendeckenden leihweisen Bereitstellung der Kühltruhen durch die Klägerin und Schöller zu Wettbewerbsbeschränkungen.

169 Die Streithelferin Mars bezweifelt, daß der Abschluß von Ausschließlichkeitsverträgen und die Errichtung eines herstellereigenen Vertriebssystems für einen wirksamen und rationellen Vertrieb von industriell hergestelltem Speiseeis auf dem relevanten Markt unabdingbar seien. Herstellereigene Transportsysteme wie das der Klägerin und das von Schöller stellten die absolute Ausnahme dar. Die sogenannten "Impulsprodukte" würden im allgemeinen vom Hersteller an die Zentrallager des Großhandels geliefert, der dann die Nachfrage der einzelnen Verkaufsstätten bündele und die Ware ausliefere.

170 Der Unilever-Konzern, zu dem die Klägerin gehöre, habe seine Tochtergesellschaft in Irland mit Schreiben vom 30. Oktober 1974 aufgefordert, die Ausschließlichkeitsverträge mit den Verkaufsstätten zu beenden und nur noch auf der Ausschließlichkeit hinsichtlich der Kühltruhen zu bestehen. Dies zeige, daß die Ausschließlichkeitsverträge nicht erforderlich seien.

171 Die Behauptung der Klägerin, daß der Großhandel zur Belieferung des traditionellen Handels nicht bereit oder in der Lage sei, sei falsch. Daß die Großhändler nicht in der Lage seien, die für einen rationellen Vertrieb notwendige Anzahl von Verkaufsstätten zu beliefern, liege daran, daß sehr viele Verkaufsstätten durch die streitigen Ausschließlichkeitsverträge gebunden seien.

172 Das von der Klägerin angewandte System schotte den hochprofitablen Markt für sogenanntes "Impulseis" gegen Newcomer nahezu vollständig ab. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dürfe ein Unternehmen seine Marktposition aber nicht deshalb durch Ausschließlichkeitsverträge absichern, weil es einen Markt aufgebaut habe (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O.).

Würdigung durch das Gericht

173 Zunächst ist das Argument der Klägerin zu prüfen, Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 sei dahin auszulegen, daß die Kommission bei der Ausübung der ihr durch Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 übertragenen Befugnis die in Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 aufgestellten Voraussetzungen einzuhalten habe, so daß sie den Vorteil einer Gruppenfreistellung nur entziehen könne, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Freistellung wesentlichen Punkt geändert hätten.

174 Gemäß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission eine Freistellungserklärung widerrufen oder ändern, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die Erklärung wesentlichen Punkt geändert haben. Da es sich um eine Voraussetzung für den Widerruf förmlicher Erklärungen gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages handelt, kann die Bestimmung nicht angewandt werden, wenn die Kommission den Vorteil einer Gruppenfreistellung zu entziehen beschließt, da es in diesem Fall keine zu widerrufende förmliche Erklärung gibt. Ausserdem hängt eine Gruppenfreistellung, wie die Kommission ausgeführt hat, schon vom Begriff her nicht davon ab, ob die im Vertrag aufgestellten Voraussetzungen für die Freistellung in jedem einzelnen Fall tatsächlich erfuellt sind (siehe hierzu Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-51/89, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1990, II-309).

175 Unter diesen Umständen kann Artikel 7 der Verordnung Nr. 19/65 nicht dahin ausgelegt werden, daß eine Entscheidung über den Entzug des Vorteils einer Gruppenfreistellung nur unter Beachtung der in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Voraussetzung erfolgen kann. Dem entsprechenden Argument der Klägerin ist somit nicht zu folgen.

176 Um beurteilen zu können, ob die Kommission berechtigt war, den Vorteil der Gruppenfreistellung zu entziehen, ist die von der Kommission vorgenommene Untersuchung der Frage zu überprüfen, ob die streitigen Vereinbarungen die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen erfuellen, auf die in den Artikeln 7 der Verordnung Nr. 19/65 und 14 der Verordnung Nr. 1984/83 verwiesen wird. Falls diese Prüfung ergibt, daß die streitigen Vereinbarungen die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen nicht erfuellen, würde dies zugleich bedeuten, daß für sie entgegen der Auffassung der Klägerin keine Einzelfreistellung in Betracht kommt.

177 Die Gewährung einer Einzelfreistellung durch die Kommission hängt u. a. davon ab, daß die betreffende Vereinbarung die vier in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen kumulativ erfuellt, so daß die Freistellung schon dann zu versagen ist, wenn eine der vier Voraussetzungen nicht vorliegt (siehe z. B. Urteil des Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-17/93, Matra Hachette/Kommission, Slg. 1994, II-595, Randnr. 104).

178 Die Kommission verfügt in diesem Bereich über ein weites Ermessen. Die ihr durch Artikel 9 der Verordnung Nr. 17 übertragene ausschließliche Zuständigkeit, eine Freistellung gemäß Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages zu gewähren, ist notwendigerweise mit komplexen Wertungen wirtschaftlicher Art verbunden. Die gerichtliche Nachprüfung dieser Wertungen muß dem Rechnung tragen und sich deshalb auf die Richtigkeit der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen und deren Subsumtion unter die Begriffe des geltenden Rechts beschränken. Sie erstreckt sich somit in erster Linie auf die Begründung der Entscheidungen, aus der hervorgehen muß, auf welche Tatsachen und Erwägungen sich die genannten Beurteilungen stützen (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.). Anhand dieser Grundsätze aus der Rechtsprechung ist zu prüfen, ob die Entscheidung auf unzutreffende Tatsachenfeststellungen gestützt oder mit Rechtsfehlern oder offensichtlichen Beurteilungsfehlern behaftet ist (Urteil Matra Hachette/Kommission, a. a. O., Randnr. 104).

179 Ferner ergibt sich aus einer gefestigten Rechtsprechung, daß es im Fall eines Freistellungsbegehrens gemäß Artikel 85 Absatz 3 in erster Linie Sache der betroffenen Unternehmen ist, der Kommission Beweismaterial dafür vorzulegen, daß die Vereinbarung die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen erfuellt (siehe z. B. Urteil Remia u. a./Kommission des Gerichtshofes, a. a. O., und Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19).

180 Die erste der vier in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen lautet, daß diejenigen Vereinbarungen freigestellt werden können, die "zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen". Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann die Verbesserung nicht schon in jedem Vorteil gesehen werden, der sich aus der Vereinbarung für die Produktions- oder Vertriebstätigkeit der an ihr beteiligten Unternehmen ergibt. Die Verbesserung muß insbesondere spürbare objektive Vorteile mit sich bringen, die geeignet sind, die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen (Urteil Consten und Grundig/Kommission, a. a. O.).

181 Im vorliegenden Fall ist die Prüfung dieser ersten Voraussetzung Gegenstand der Randnummern 116 bis 122 der Entscheidung. Die Kommission führt aus, der fünften Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1984/83 sei zwar zu entnehmen, daß Alleinbezugsvereinbarungen im allgemeinen eine Verbesserung der Warenverteilung zur Folge hätten, indem sie es dem Lieferanten erlaubten, den Absatz seiner Waren genauer und für längere Zeit im voraus zu planen, und dadurch den Wiederverkäufern während der Vertragsdauer die regelmässige Befriedigung ihres Bedarfs sicherten. Aber auch wenn man annehme, daß die Klägerin die Belieferung bestimmter kleiner Verkaufsstätten aus Kostengründen einstellen müsste, falls sie gezwungen wäre, die Ausschließlichkeit der Belieferung dieser Verkaufsstätten aufzugeben, brächten die streitigen Verträge für die Allgemeinheit keine spürbaren und objektiven Vorteile mit sich, die geeignet wären, die mit ihnen verbundenen Nachteile für den Wettbewerb auszugleichen.

182 Zur Stützung dieser Behauptung hat die Kommission zum einen geltend gemacht, in Anbetracht der starken Stellung der Klägerin auf dem relevanten Markt hätten die streitigen Vereinbarungen entgegen der in der sechsten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1984/83 ausgesprochenen Erwartung den Wettbewerb zwischen Erzeugnissen verschiedener Marken nicht verstärkt. Die Kommission ist in der Tat zu Recht davon ausgegangen, daß das fragliche Netz von Vereinbarungen eine wichtige Marktzutrittsschranke darstellt, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt. Die Klägerin hat zwar insoweit geltend gemacht, daß die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten für Speiseeis objektive Vorteile für die Allgemeinheit im Sinne der Rechtsprechung mit sich bringe; sie hat jedoch keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorgetragen, die die von der Kommission vorgenommene Analyse der mit den Liefervereinbarungen verbundenen Marktzutrittsschranken und der daraus resultierenden Schwächung des Wettbewerbs ernsthaft in Frage stellen könnten.

183 Zum anderen ergibt sich aus Randnummer 121 der Entscheidung, daß die Belieferung der kleinen Verkaufsstätten, die die Klägerin möglicherweise aus Kostengründen einstellen müsste, nach Ansicht der Kommission entweder von anderen Lieferanten, z. B. von kleineren lokalen Speiseeisherstellern, oder von unabhängigen Zwischenhändlern, die verschiedene Sortimente vertreiben, übernommen würde.

184 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Vertrieb der sogenannten "Impulsprodukte" durch herstellereigene Transportsysteme nach Angaben der Streithelferin Mars die absolute Ausnahme darstellt. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß die Unternehmen des Unilever-Konzerns nur in Deutschland, Dänemark und Italien Ausschließlichkeitsverträge mit den Verkaufsstätten geschlossen haben.

185 Zu dem von Mars angeführten Schreiben vom 30. Oktober 1974, mit dem der Unilever-Konzern seine Tochtergesellschaft in Irland aufgefordert hat, die Ausschließlichkeitsverträge mit den Verkaufsstätten zu beenden und sich nur noch auf die Ausschließlichkeit hinsichtlich der Kühltruhen zu beschränken, hat die Klägerin im schriftlichen Verfahren ausgeführt, daß die Frage, wie der Vertrieb von Speiseeis auf den einzelnen nationalen Märkten der Mitgliedstaaten am erfolgreichsten durchgeführt werden könne, von den Gesellschaften des Unilever-Konzerns in der Vergangenheit verschieden beantwortet worden sei. Sie habe ihre eigene Position angesichts der tatsächlichen Gegebenheiten des deutschen Marktes eingenommen.

186 Die Klägerin hat jedoch nicht in überzeugender Weise dargelegt, worin die besonderen Gegebenheiten in Deutschland bestanden, die zu der Notwendigkeit geführt haben sollen, ein herstellereigenes Vertriebssystem zu schaffen. Sie hat auch keine Gesichtspunkte vorgetragen, die geeignet wären, die Angaben der Kommission zur Bereitschaft und zur Fähigkeit der Großhändler, für einen flächendeckenden Vertrieb von Speiseeis zu sorgen, in Frage zu stellen. Die Klägerin hat daher nicht dargetan, daß die Auffassung der Kommission, wonach die streitigen Vereinbarungen die erste in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannte Voraussetzung nicht erfuellten, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht. Das Gericht hält die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und ist der Ansicht, daß Zeugen weder, wie von der Klägerin vorgeschlagen, zur Notwendigkeit eines herstellereigenen Vertriebssystems oder zur Absatzstrategie der Streithelferin noch, wie von der Streithelferin vorgeschlagen, zur Bereitschaft und zur Fähigkeit der Großhändler, die Einzelhändler im traditionellen Handel zu beliefern, oder zu den mit den Ausschließlichkeitsverträgen verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen vernommen zu werden brauchen.

187 Da die streitigen Vereinbarungen die erste der in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen nicht erfuellen, ist der dritte Teil des Klagegrundes zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Kommission bei der Beurteilung der anderen in dieser Bestimmung vorgesehenen Voraussetzungen einen offenkundigen Fehler begangen hat, denn die Freistellung ist schon dann zu versagen, wenn eine der vier Voraussetzungen nicht vorliegt.

Vierter Teil des Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit durch das völlige Verbot der Liefervereinbarungen

Vorbringen der Parteien

188 Die Klägerin macht geltend, die Kommission könne gleichzeitig mit dem Entzug der Gruppenfreistellung die bislang freigestellten Ausschließlichkeitsverträge nur insoweit nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 untersagen, als diese Verträge mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages unvereinbar und nicht freistellungsfähig seien. Daß die Kommission den Vorteil der Gruppenfreistellung in vollem Umfang entzogen und keinerlei teilweise Freistellung gewährt habe, sei nicht nur mit den vom Gerichtshof in seinem Urteil Delimitis aufgestellten Grundsätzen, sondern auch mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit unvereinbar. Die Kommission sei verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob nicht für einige Liefervereinbarungen eine Einzelfreistellung in Betracht komme, weil die vom Gerichtshof in der Rechtssache Delimitis genannten kumulativen Auswirkungen nicht vorlägen.

189 Die Klägerin verweist insoweit auf den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992, in dem eine der zahlreichen Möglichkeiten aufgezeigt werde, ein Netz von Ausschließlichkeitsverträgen auf ein wettbewerbsrechtlich zulässiges Maß zurückzuführen.

190 Die Kommission hat in Randnummer 148 der Entscheidung die Ansicht vertreten, wegen der starken Stellung der Klägerin auf dem Markt und der vielfachen Absicherung dieser Stellung erfuelle die Gesamtheit der Verträge nicht die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages.

191 Im schriftlichen Verfahren hat die Kommission ausgeführt, daß der Entzug des Vorteils der Gruppenfreistellung nicht unverhältnismässig sei. Sie sei auch rechtlich nicht verpflichtet, im Rahmen der Prüfung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf mögliche Alternativlösungen hinzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

192 Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, daß die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Ziels angemessen und erforderlich ist (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Mai 1984 in der Rechtssache 15/83, Denkavit Nederland, Slg. 1984, 2171).

193 In bezug auf die Frage, ob die Kommission von Amts wegen zu prüfen hat, ob nach dem Entzug des Vorteils einer Gruppenfreistellung für einige Liefervereinbarungen eine Einzelfreistellung in Betracht kommt, weil die vom Gerichtshof in seinem Urteil Delimitis (a. a. O.) angesprochene kumulative Wirkung nicht vorliegt, ist darauf hinzuweisen, daß es in erster Linie Sache der betroffenen Unternehmen ist, der Kommission Beweismaterial dafür vorzulegen, daß eine Vereinbarung die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages aufgestellten Voraussetzungen erfuellt (siehe oben, Randnr. 179). Die Kommission kann den Unternehmen zwar Hinweise auf mögliche Alternativlösungen geben, sie ist dazu jedoch von Rechts wegen nicht verpflichtet, und noch weniger ist sie verpflichtet, Vorschläge anzunehmen, die sie für unvereinbar mit den Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 hält (Urteil VBVB und VBBB/Kommission, a. a. O.). Diese Rechtsprechung trifft auch auf den vorliegenden Fall zu, so daß die Kommission in einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 des Vertrages nicht anzugeben braucht, welche Vereinbarungen zur etwaigen kumulativen Wirkung gleichartiger Vereinbarungen auf dem Markt nur in unerheblichem Maß beitragen. Eine solche Aufteilung gleichartiger Verträge könnte ausserdem, wie im übrigen schon in Randnummer 129 ausgeführt worden ist, zu willkürlichen Ergebnissen führen, da die Kommission verpflichtet ist, den tatsächlichen Einfluß des Netzes von Verträgen auf den Wettbewerb konkret zu prüfen.

194 Aus den bereits in Randnummer 130 genannten Gründen kann der Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 16. Juni 1992 nicht zur Stützung des Arguments der Klägerin herangezogen werden.

195 Die Kommission hat im vorliegenden Fall die Ansicht vertreten, daß die Gesamtheit der Verträge nicht die Voraussetzungen von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages erfuelle. Die Klägerin hat keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß einige Vereinbarungen die in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages genannten Voraussetzungen erfuellten. Die Klägerin hat somit nicht dargetan, daß die Entscheidung der Kommission mit einem offenkundigen Beurteilungsfehler behaftet ist oder gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstösst. Der vierte Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

196 Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 17

Vorbringen der Parteien

197 Nach Ansicht der Klägerin entbehrt Artikel 4 der Entscheidung jeder Rechtsgrundlage. Es gebe keine Rechtsgrundlage, die die Kommission ermächtige, ihr den Abschluß jeglicher Ausschließlichkeitsverträge für die Zukunft zu untersagen.

198 Nach dem Urteil Delimitis sei es auch nicht denkbar, daß jeder von ihr in Zukunft mit einer Verkaufsstätte im traditionellen Fachhandel geschlossene Ausschließlichkeitsvertrag ° völlig unabhängig von der Wirkung der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge und den übrigen die wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände des konkreten Falles kennzeichnenden Gegebenheiten ° mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages unvereinbar sei.

199 Das Verbot von Vereinbarungen, die mit Artikel 85 oder Artikel 86 des Vertrages nicht vereinbar seien, könne allein auf Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 gestützt werden. Diese Vorschrift ermächtige die Kommission jedoch nur dazu, bestehende Vereinbarungen zu untersagen, nicht aber künftige. Weder Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages noch Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 stellten eine Rechtsgrundlage für die Untersagung zukünftiger Vereinbarungen dar.

200 Darüber hinaus enthalte die Entscheidung insoweit eine Ungleichbehandlung, als ihre Wettbewerber weiterhin Ausschließlichkeitsverträge abschließen könnten, die entweder nicht von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erfasst würden oder in den Genuß der in der Verordnung Nr. 1984/83 vorgesehenen Gruppenfreistellung kommen könnten.

201 Die Kommission hat in Randnummer 154 der Entscheidung ausgeführt, das der Klägerin auferlegte Verbot, bis zum 31. Dezember 1997 neue Liefervereinbarungen der bestehenden, mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für unvereinbar erklärten Art zu schließen, sei dadurch gerechtfertigt, daß die "Abstellungsverfügung [in Artikel 1 der Entscheidung]... jedoch ins Leere gehen [würde], wenn es L°I [der Klägerin] gestattet wäre, die derzeitigen 'Liefervereinbarungen' unmittelbar durch neue zu ersetzen".

202 Die Kommission widerspricht der Auffassung, daß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 keine tragfähige Rechtsgrundlage sei. Die ihr durch diesen Artikel eingeräumte Befugnis sei auf die wirksamste und den Umständen des Einzelfalls am ehesten angemessene Weise auszuüben (Beschluß des Gerichtshofes vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 792/79 R, Camera Care/Kommission, Slg. 1980, 119).

203 Diese Befugnis umfasse das Recht, den Unternehmen aufzugeben, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, um die Zuwiderhandlung abzustellen. Die dabei auferlegten jeweiligen Verpflichtungen bestimmten sich nach den Erfordernissen der Wiederherstellung der Legalität (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den sogenannten "Zellstoffsachen" C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307).

204 Das Verbot sei im vorliegenden Fall notwendig, um eine Umgehung des in Artikel 1 der Entscheidung ausgesprochenen Verbots zu verhindern. Die Klägerin könnte sich nämlich mit Hilfe der Verordnung Nr. 1984/83 jederzeit den Vorteil einer Gruppenfreistellung für neue Ausschließlichkeitsverträge verschaffen, wenn Artikel 4 der Entscheidung nicht ergangen wäre. Das Verbot müsse für einen Zeitraum gelten, der die Möglichkeit zu einer wesentlichen Änderung der Marktverhältnisse eröffne.

Würdigung durch das Gericht

205 In Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 heisst es: "Stellt die Kommission... eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 des Vertrages fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen." Diese Bestimmung gibt der Kommission nur das Recht, bestehende Ausschließlichkeitsverträge zu untersagen, die mit den Wettbewerbsregeln unvereinbar sind.

206 In bezug auf die Wiederherstellung eines Netzes von Alleinbezugsverträgen ergibt sich aus der Rechtsprechung zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1, daß die Alleinbezugsverträge eines Lieferanten, deren Beitrag zu einer kumulativen Wirkung unerheblich ist, selbst dann nicht unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen, wenn die Prüfung der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Verträge und der übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumstände ergibt, daß der relevante Markt schwer zugänglich ist (Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 23 und 24).

207 Folglich steht Artikel 85 Absatz 1 dem Abschluß von Alleinbezugsverträgen im allgemeinen nicht entgegen, sofern er nicht in erheblichem Maß zu einer Abschottung des Marktes beiträgt. In diesem Zusammenhang ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, daß das Verbot jeden Abschlusses zukünftiger Verträge notwendig sei, um eine Umgehung des in Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung ausgesprochenen Verbots der bestehenden Verträge mit Hilfe der Verordnung Nr. 1984/83 zu verhindern.

208 Die Verordnung Nr. 1984/83, ein allgemein anwendbarer normativer Akt, ermöglicht es den Unternehmen nämlich, für bestimmte Ausschließlichkeitsverträge, die grundsätzlich den in Artikel 85 Absatz 3 genannten Voraussetzungen entsprechen, in den Genuß einer Gruppenfreistellung zu gelangen. Entsprechend der Normenhierarchie ist die Kommission nicht berechtigt, durch eine Einzelfallentscheidung die Rechtswirkungen eines solchen normativen Aktes einzuschränken oder zu begrenzen, es sei denn, dieser enthielte dafür eine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Artikel 14 der Verordnung Nr. 1984/83 verleiht der Kommission zwar die Befugnis, den Vorteil der Anwendung dieser Verordnung zu entziehen, wenn sie in einem Einzelfall feststellt, daß eine freigestellte Vereinbarung gleichwohl Wirkungen hat, die mit den in Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen unvereinbar sind; er enthält jedoch keine Rechtsgrundlage, die den Entzug des Vorteils einer Gruppenfreistellung für zukünftige Vereinbarungen ermöglicht.

209 Darüber hinaus würde es gegen den ° zu den Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts gehörenden ° Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen, wenn bestimmte Unternehmen für die Zukunft vom Vorteil einer Gruppenfreistellung ausgeschlossen würden, während andere Unternehmen ° wie im vorliegenden Fall die Streithelferin ° weiterhin Alleinbezugsvereinbarungen der durch die Entscheidung untersagten Art schließen könnten. Eine solche Untersagung wäre daher geeignet, entgegen den Zielen des Vertrages die wirtschaftliche Freiheit bestimmter Unternehmen zu beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Markt zu verzerren.

210 Aus den genannten Gründen ist der geltend gemachte Klagegrund begründet. Artikel 4 der Entscheidung ist deshalb für nichtig zu erklären.

211 Nach alledem ist die Klage mit Ausnahme des auf die Nichtigerklärung von Artikel 4 der Entscheidung gerichteten Teils als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

212 Gemäß Artikel 87 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt und teils unterliegt. Da die Klägerin im vorliegenden Fall mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr neben ihren eigenen Kosten sämtliche Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und der Kosten der Streithelferin mit Ausnahme eines Viertels aller der Beklagten entstandenen Kosten aufzuerlegen. Die Beklagte hat somit ein Viertel ihrer eigenen Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Artikel 4 der Entscheidung 93/406/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1992 in einem Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag gegen Langnese-Iglo GmbH (Sache IV/34.072) wird für nichtig erklärt.

2) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Die Klägerin trägt sämtliche Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung und der Kosten der Streithelferin mit Ausnahme eines Viertels aller der Beklagten entstandenen Kosten.

4) Die Beklagte trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück