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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.09.2003
Aktenzeichen: T-71/02
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung, Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung Art. 59
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung Art. 78
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in geänderter Fassung Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke Regel 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 17. September 2003. - Classen Holding KG gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Zulässigkeit der Beschwerde bei der Beschwerdekammer - Formerfordernisse - Einreichung einer schriftlichen Beschwerdebegründung - Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Artikel 59 und 78 der Verordnung (EG) Nr. 40/94. - Rechtssache T-71/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-71/02

Classen Holding KG mit Sitz in Essen (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. von Petersdorff-Campen, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch S. Laitinen als Bevollmächtigte,

Beklagter,

Streithelferin im Verfahren vor dem Gericht:

International Paper Co. mit Sitz in New York, New York (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt E. Armijo Chávarri,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 14. Dezember 2001 (Sache R 810/1999-2), mit der nach Ablehnung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung in einem Widerspruchsverfahren zwischen der Classen Holding KG und der International Paper Co. für unzulässig erklärt wurde,

erlässt DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Vierte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin V. Tiili sowie der Richter P. Mengozzi und M. Vilaras,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung lautet:

"Frist und Form

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich beim Amt einzulegen. Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist. Innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung ist die Beschwerde schriftlich zu begründen."

2 Artikel 78 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

(1) Der Anmelder, der Inhaber der Gemeinschaftsmarke oder jeder andere an einem Verfahren vor dem Amt Beteiligte, der trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Amt eine Frist einzuhalten, wird auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt, wenn die Verhinderung nach dieser Verordnung den Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels zur unmittelbaren Folge hat.

(2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen....

(3) Der Antrag ist zu begründen, wobei die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind. Er gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist."

3 In Regel 49 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 303, S. 1) heißt es:

"Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig

(1) Entspricht die Beschwerde nicht den Artikeln 57 bis 59 der Verordnung sowie Regel 48 Absatz 1 Buchstabe c) und Absatz 2, so weist die Beschwerdekammer sie als unzulässig zurück, sofern der Mangel nicht bis zum Ablauf der gemäß Artikel 59 der Verordnung festgelegten Frist beseitigt worden ist."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

4 Am 1. April 1996 meldete die International Paper Co. (im Folgenden: Streithelferin) nach der Verordnung Nr. 40/94 beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (im Folgenden: Amt) eine Gemeinschaftsmarke an.

5 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen BECKETT EXPRESSION.

6 Die Marke wurde für folgende Waren in Klasse 16 des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in revidierter und geänderter Fassung angemeldet: "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Druckereierzeugnisse; Buchbinderartikel; Photographien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke."

7 Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 22/97 vom 6. Oktober 1997 veröffentlicht.

8 Am 23. Dezember 1997 erhob die Klägerin unter ihrer damaligen Bezeichnung "Classen-Papier KG" nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 einen Widerspruch aus ihrer in Deutschland eingetragenen Wortmarke Expression für "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien" in Klasse 16 des Nizzaer Abkommens.

9 Mit Entscheidung vom 8. Oktober 1999, der Klägerin am selben Tag per Fax übersandt, wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass angesichts der Unterschiede zwischen den fraglichen Zeichen die Identität der Waren nicht genüge, um im relevanten Gebiet der Gemeinschaft, d. h. in Deutschland, eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 zu begründen.

10 Am 30. November 1999 erhob die Klägerin nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 eine Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung beantragte. Eine schriftliche Beschwerdebegründung wurde am 10. Februar 2000 eingereicht.

11 Mit E-Mail vom 26. April 2000 wies die Geschäftsstelle der Beschwerdekammern des Amtes die Klägerin darauf hin, dass die schriftliche Beschwerdebegründung nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 innerhalb von vier Monaten nach der Zustellung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung an die Widersprechende, also spätestens am 8. Februar 2000, hätte eingereicht werden müssen. In der E-Mail hieß es weiter, dass die schriftliche Beschwerdebegründung am 10. Februar 2000 eingereicht worden sei und daher "die Beschwerde... vermutlich unzulässig" sei. Der Klägerin wurde Gelegenheit gegeben, bis spätestens 26. Juni 2000 ihre etwaige Stellungnahme und entsprechende Belege einzureichen.

12 Mit Schreiben vom 29. Mai 2000, beim Amt eingegangen am 30. Mai 2000, beantragte die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94. Sie machte geltend, sie habe die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung infolge der Erkrankung ihres Verfahrensbevollmächtigten nicht einhalten können. Eine entsprechende eidesstattliche Versicherung war beigefügt.

13 Mit Entscheidung vom 14. Dezember 2001 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) erklärte die Zweite Beschwerdekammer des Amtes die Beschwerde für unzulässig und lehnte den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Randnummer 16 der angefochtenen Entscheidung lautet wie folgt:

"Im vorliegenden Fall wird als "Hindernis" im Sinne von Artikel 78 Absatz 2 [der Verordnung Nr. 40/94] die Erkrankung des Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden geltend gemacht. Dieses Hindernis fiel weg, als der Verfahrensbevollmächtigte der Widersprechenden am 10. Februar 2000 seine Arbeit wieder aufnahm und die Beschwerdebegründung unterzeichnete. Daher war der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Monaten ab diesem Datum, also bis zum 10. April 2000, einzureichen. Da der Antrag erst am 30. Mai 2000 eingereicht wurde, ist er abzulehnen, ohne dass über die Frage, ob das geltend gemachte Hindernis ausreichend ist, entschieden zu werden braucht."

Verfahren und Anträge der Parteien

14 Mit Klageschrift in englischer Sprache, die am 14. März 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

15 Die Streithelferin hat nicht innerhalb der ihr dafür von der Kanzlei des Gerichts gesetzten Frist der Verwendung des Englischen als Verfahrenssprache widersprochen.

16 Das Amt hat seine Klagebeantwortung am 18. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht. Die Klagebeantwortung der Streithelferin ist am 24. Juli 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

17 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

18 Die Klägerin und die Streithelferin haben dem Gericht am 25. und 28. April 2003 mitgeteilt, dass sie an der Sitzung nicht teilnehmen würden.

19 Das Amt hat in der Sitzung vom 30. April 2003 mündlich vorgetragen und Fragen des Gerichts beantwortet.

20 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem Amt die Kosten aufzuerlegen.

21 Das Amt beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

22 Die Streithelferin beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

23 Die Klägerin trägt vor, sie habe die Frist für die Einreichung der schriftlichen Beschwerdebegründung nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 sowohl wegen der Arbeitsbelastung des zuständigen Sachbearbeiters als auch wegen seiner Abwesenheit versäumt. Am 3. Februar 2000 habe Patentanwalt D. einen ersten Entwurf für diesen Schriftsatz diktiert. Dessen Sekretärin, Frau S., habe den Entwurf am nächsten Tag geschrieben und mit allen übrigen Schreiben, die am Montag, dem 7. Februar 2000, hätten versandt werden sollen, in die Mappe für die ausgehende Post gelegt.

24 Die Klägerin erläutert weiter, dass Frau S. für die fragliche Akte, für Markensachen im Allgemeinen und auch für die Fristenüberwachung zuständig sei. Die Fristen würden in besonderen Büchern sowie elektronischen Kalendern und Tabellen vermerkt, die ständig überwacht würden. Der interne Termin für die Fertigstellung des Schriftsatzes und seine Absendung an das Amt sei der 7. Februar 2000 gewesen. Dies sei sowohl in den besonderen Büchern als auch im Terminkalender von Frau S. vermerkt worden.

25 Am 7. Februar 2000 habe Herr D. jedoch wegen Krankheit nicht zur Arbeit erscheinen können. Gleich nachdem Frau S. erfahren habe, dass Herr D. seine Arbeit nicht vor dem 10. Februar 2000 würde wieder aufnehmen können, habe sie die ausgehende Post in seinem Büro kontrolliert, dabei jedoch den unterschriftsfertigen Schriftsatz, der am nächsten Tag abgesandt werden sollte, übersehen. Daher sei der Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung von keinem anderen Mitarbeiter unterzeichnet worden und in der Ablage für die ausgehende Post liegen geblieben.

26 Am 10. Februar 2000, nach der Rückkehr von Herrn D., sei der Schriftsatz mit der Beschwerdebegründung geringfügig geändert, unterzeichnet und an das Amt gefaxt worden. Wegen der Abwesenheit von Herrn D. und einer erheblichen Arbeitsbelastung sei aber die zweitägige Fristüberschreitung weder von Herrn D. noch von Frau S. bemerkt worden.

27 Dass die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung nicht habe eingehalten werden können, habe seinen Grund in der Erkrankung von Herrn D. sowie in der Arbeitsbelastung von Herrn D. und Frau S. Dies sei ein Hindernis im Sinne von Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94. Es sei davon auszugehen, dass dieses Hindernis erst mit der am 26. April 2000 als E-Mail übersandten Mitteilung des Amtes weggefallen sei. Somit habe die Klägerin ihren am 30. Mai 2000 eingegangenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 gestellt.

28 Für den Fall, dass ihr Antrag vom 29. Mai 2000 als erst nach Fristablauf gemäß Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 eingegangen anzusehen sei, macht die Klägerin hilfsweise geltend, dass bereits ihre am 10. Februar 2000 eingereichte schriftliche Beschwerdebegründung einen stillschweigenden Wiedereinsetzungantrag enthalten habe.

29 Das Amt, das insoweit von der Streithelferin unterstützt wird, vertritt dagegen die Auffassung, es stehe im vorliegenden Fall außer Frage, dass das betreffende Hindernis mit der Genesung von Herrn D. und nicht erst, wie die Klägerin meine, mit dem als E-Mail übermittelten Hinweis des Amtes auf die Versäumnis der Frist für die Einreichung der schriftlichen Beschwerdebegründung weggefallen sei.

30 Mit der E-Mail vom 26. April 2000 habe das Amt der Klägerin nur den Nachweis ermöglichen wollen, dass sein erster Eindruck, wonach die schriftliche Beschwerdebegründung verspätet eingegangen sei, in Wirklichkeit nicht zutreffe. Anders als die Klägerin meine, habe diese Mitteilung keine neue Frist für die Einreichung eines Wiedereinsetzungsantrags ab Zugang der E-Mail in Lauf gesetzt. Die Mitteilung habe keinerlei Einfluss auf die Frist gehabt, die mit dem Wegfall des fraglichen Hindernisses begonnen habe.

31 Deshalb sei die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das fragliche Hindernis, nämlich die krankheitsbedingte Abwesenheit von Herrn D., unbestreitbar am 10. Februar 2000 weggefallen sei, als er seine Arbeit wieder aufgenommen und die Beschwerdebegründung unterzeichnet habe. Nach Ansicht des Amtes hätte der Verfahrensbevollmächtigte bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt bereits von diesem Zeitpunkt an aus eigener Initiative einen Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Zweimonatsfrist, also bis spätestens 10. April 2000, stellen müssen. Da der Wiedereinsetzungsantrag aber erst am 30. Mai 2000, also dreieinhalb Monate nach "Wegfall des Hindernisses", gestellt worden sei, habe ihn die Beschwerdekammer zu Recht abgelehnt.

32 Das Amt weist außerdem darauf hin, dass die fraglichen Fristen seinem Ermessen entzogen seien.

33 Die Streithelferin trägt ergänzend vor, dass die vorgeschriebenen Fristen mit Rücksicht auf die Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten keiner flexiblen Auslegung zugänglich seien.

34 Die Voraussetzungen des Artikels 78 der Verordnung Nr. 40/94 lägen hier keinesfalls vor. Dass Herr D. die Verspätung der schriftlichen Beschwerdebegründung bei seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz nicht bemerkt habe, sei kein Hindernis im Sinne von Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94, sondern zeige gerade, dass die Klägerin nicht die nach den Umständen nötige Sorgfalt aufgebracht habe.

Würdigung durch das Gericht

35 Nach Artikel 78 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ist der "Antrag [auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand] innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen" und die "versäumte Handlung... innerhalb dieser Frist nachzuholen".

36 Die Klägerin vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass das geltend gemachte Hindernis erst am 26. April 2000 weggefallen sei, als das Amt sie in der genannten E-Mail darauf hingewiesen habe, dass die schriftliche Beschwerdebegründung verspätet eingereicht worden sei. Deshalb sei die Zweimonatsfrist nach Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 erst an diesem Tag in Lauf gesetzt worden.

37 Folglich ist zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt das Hindernis weggefallen ist.

38 Insoweit ist unstreitig, dass Herr D. nach seiner Erkrankung seine Arbeit am 10. Februar 2000 wieder aufnahm, an dem Tag, an dem er die schriftliche Beschwerdebegründung unterzeichnete und dem Amt übermittelte. Auch wenn anzunehmen wäre, dass die für die verspätete Einreichung der Beschwerdebegründung maßgebenden Umstände, d. h. die Krankheit von Herrn D. und seine Arbeitsbelastung sowie die von Frau S., ein Hindernis im Sinne von Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 darstellen, was das Amt nicht bestreitet, so ist doch dieses Hindernis naturgemäß weggefallen, als Herr D. wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte. Denn am 10. Februar 2000, als er die Beschwerdebegründung unterzeichnete, bestand dieses Hindernis nicht mehr. Von diesem Zeitpunkt an wäre ihm auch die Feststellung möglich gewesen, dass die Beschwerdebegründung verspätet war.

39 Im Übrigen hätte Frau S. diese Verspätung bemerken müssen, als der Schriftsatz an das Amt übermittelt wurde. Denn wie der oben in Randnummer 24 und im Wiedereinsetzungsantrag enthaltenen Beschreibung des Systems der Fristenüberwachung zu entnehmen ist, hatte die Klägerin ihre Mitarbeiter allgemein mit der Überwachung der Fristen beauftragt. Nach den eigenen Angaben der Klägerin war Frau S. für den fraglichen Vorgang und für Markensachen im Allgemeinen zuständig und außerdem mit der Fristenüberwachung betraut. Wie die Klägerin darlegt, werden diese Fristen in besonderen Büchern sowie elektronischen Kalendern und Tabellen festgehalten, die ständig überwacht würden. Der interne Termin für die Fertigstellung des fraglichen Schriftsatzes und seine Übersendung an das Amt sei der 7. Februar 2000 gewesen. Dies sei in den entsprechenden Büchern und im Terminkalender von Frau S. vermerkt worden.

40 Somit ist, auch wenn die Erkrankung von Herrn D. in Verbindung mit dem geltend gemachten Irrtum von Frau S. als ein Hindernis im Sinne von Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 anzusehen wäre, nicht anzunehmen, dass die Tatsache, dass die Nichteinhaltung der Frist für die schriftliche Beschwerdebegründung übersehen wurde, wie die Klägerin vorträgt, allein auf die Nachlässigkeit von Frau S. zurückzuführen war, die den fraglichen Schriftsatz in der Ausgangspost im Büro von Herrn D. nicht entdeckt hatte. Denn das in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin bestehende Fristenüberwachungssystem hätte normalerweise eine prompte Entdeckung dieses Irrtums ermöglichen müssen, da, wie gesagt, die besonderen Bücher und elektronischen Kalender und Tabellen, wie die Klägerin selbst erklärt hat, ständig überwacht wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 20. Juni 2001 in der Rechtssache T-146/00, Ruf und Stier/HABM [Bildmarke "DAKOTA"], Slg. 2001, II-1797, Randnrn. 56 bis 61).

41 Diese Erwägungen können nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt werden, dass die Frist nach Artikel 78 der Verordnung Nr. 40/94 erst dann zu laufen beginne, wenn das Amt auf den verspäteten Eingang einer schriftlichen Beschwerdebegründung hinweise. Dazu ist zum einen festzustellen, dass die fragliche Mitteilung zu einer Praxis des Amtes gehört, zu der es nach der Verordnung Nr. 40/94 keineswegs verpflichtet ist, und dass diese Mitteilung jedenfalls auf den Beginn der Antragsfrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keinen Einfluss haben kann. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Auslegung offenkundig dem Wortlaut des Artikels 78 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 widersprechen würde. Dieses Argument kann daher nicht durchgreifen.

42 Demgemäß hätte der Wiedereinsetzungsantrag spätestens am 10. April 2000 gestellt werden müssen. Die Beschwerdekammer hat deshalb zu Recht die Ansicht vertreten, dass der Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Zweimonatsfrist des Artikels 78 der Verordnung Nr. 40/94 gestellt wurde.

43 Auch das Hilfsvorbringen der Klägerin, wonach bereits ihre schriftliche Beschwerdebegründung, die am 10. Februar 2000 eingereicht wurde, einen stillschweigenden Wiedereinsetzungsantrag enthalten habe, greift nicht durch.

44 Dazu ist festzustellen, dass die schriftliche Beschwerdebegründung nichts enthält, was auf einen Wiedereinsetzungsantrag schließen ließe. Jedenfalls geht aber aus Artikel 78 Absätze 1 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 klar hervor, dass der Wiedereinsetzungsantrag mit einer Antragsschrift gestellt werden muss, die zu begründen ist und mit der die zur Begründung dienenden Tatsachen glaubhaft zu machen sind. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher mit einem gesonderten Schriftsatz zu stellen, der sich von der Klageschrift unterscheidet.

45 Außerdem gilt der Wiedereinsetzungsantrag nach Artikel 78 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 erst dann als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist. Wie aber im vorliegenden Fall dem Wiedereinsetzungsantrag zu entnehmen ist, hat die Klägerin diese Gebühr erst mit der Einreichung dieses Antrags am 29. Mai 2000 entrichtet. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass bereits in der schriftlichen Beschwerdebegründung ein stillschweigender Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand enthalten war.

46 Der erste Klagegrund ist demnach nicht stichhaltig.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

47 Die Klägerin macht geltend, dass die Einreichung einer schriftlichen Beschwerdebegründung nicht zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde gehöre. Die Beschwerde bleibe auch dann zulässig, wenn die schriftliche Beschwerdebegründung erst nach Fristablauf vorgelegt werde. Die Beschwerdekammer habe für ihre Entscheidung über die Beschwerde über hinreichende Informationen verfügt, nachdem innerhalb der Zweimonatsfrist des Artikels 59 der Verordnung Nr. 40/94 die Beschwerde eingereicht und die Beschwerdegebühr entrichtet worden sei.

48 Die Klägerin ist deshalb der Auffassung, dass das Amt dadurch, dass es ihre Beschwerde mit der Begründung zurückgewiesen habe, dass die Beschwerdebegründung nicht fristgerecht eingereicht worden sei, ihren Anspruch auf ein faires Verfahren und damit ihre Grundrechte verletzt habe.

49 Das Amt, das auch insoweit von der Streithelferin unterstützt wird, hebt hervor, dass die in Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 vorgeschriebene Einreichung einer schriftlichen Beschwerdebegründung nach Regel 49 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 eine zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde sei. Die Einlegung der Beschwerde und die Entrichtung der Beschwerdegebühr innerhalb der vorgesehenen Fristen könne jedenfalls die Unzulässigkeit der Beschwerde mangels einer fristgemäß eingereichten schriftlichen Beschwerdebegründung nicht heilen. Regel 49 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 normiere drei verschiedene Voraussetzungen, die innerhalb der jeweils vorgeschriebenen Frist kumulativ erfuellt werden müssten.

Würdigung durch das Gericht

50 Nach Regel 49 der Verordnung Nr. 2868/95 ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie den in den Artikeln 57 bis 59 der Verordnung Nr. 40/94 festgelegten kumulativen Voraussetzungen entspricht.

51 Nach Artikel 59 Satz 3 der Verordnung Nr. 40/94 ist "[i]nnerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung... die Beschwerde schriftlich zu begründen".

52 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Klägerin am 30. November 1999 eine Beschwerde einreichte, ohne diese zu begründen, und auch die Beschwerdegebühr entrichtete. Ferner ist unstreitig, dass sie die schriftliche Beschwerdebegründung erst am 10. Februar 2000 vorlegte, obwohl ihr die Entscheidung der Widerspruchsabteilung am 8. Oktober 1999 zugestellt worden war. Den Akten des Amtes lässt sich weiterhin entnehmen, dass das Amt die Klägerin bei der Eingangsbestätigung für ihre Beschwerde, also am 19. Dezember 1999, darauf hinwies, dass innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung eine Beschwerdebegründung einzureichen sei.

53 Die Beschwerde vom 30. November 1999 enthielt indessen keine Beschwerdebegründung. Die Beschwerdegründe wurden in der Beschwerdeschrift nicht, nicht einmal kurz, angegeben, sondern ihre Darlegung wurde einem späteren Schreiben vorbehalten. Die Beschwerde selbst ist nur ein Formblatt des Amtes, das lediglich die Hauptinformationen über die Klägerin und die angefochtene Entscheidung enthält. Es ist auch zu berücksichtigen, dass in diesem Formular ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Beschwerdebegründung beizufügen oder nachzureichen ist. Da die schriftliche Beschwerdebegründung erst nach Ablauf der Frist des Artikels 59 der Verordnung Nr. 40/94 eingereicht wurde, ist die Beschwerde der Klägerin als ohne Begründung eingereicht anzusehen, die eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde darstellt.

54 Angesichts des Wortlauts von Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 kann daher das Argument der Klägerin, die schriftliche Beschwerdebegründung sei keine Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwerde, nicht durchgreifen.

55 Demnach ist auch der zweite Klagegrund zurückzuweisen und somit die Klage insgesamt abzuweisen.

Zu der vorgeschlagenen Zeugenvernehmung

56 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen besteht kein Anlass, Frau S. als Zeugin zu hören, da das Gericht auf der Grundlage der im schriftlichen Verfahren vorgetragenen Anträge, Angriffs- und Verteidigungsmittel und Argumente sowie der eingereichten Schriftstücke sachgerecht entscheiden konnte.

Kostenentscheidung:

Kosten

57 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend den Anträgen des Amtes und der Streithelferin deren Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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