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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 03.10.2006
Aktenzeichen: T-74/00 DEP
Rechtsgebiete: Verfahrensordnung


Vorschriften:

Verfahrensordnung Art. 91 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

3. Oktober 2006

"Kostenfestsetzung"

Parteien:

In der Rechtssache T-74/00 DEP

Artegodan GmbH mit Sitz in Lüchow (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt U. Doepner,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Antragsgegnerin,

wegen Festsetzung der Kosten, die die Antragsgegnerin der Antragstellerin infolge des Urteils des Gerichts vom 26. November 2002 in den Rechtssachen T-74/00, T-76/00, T-83/00 bis T-85/00, T-132/00, T-137/00 und T-141/00 (Artegodan u. a./Kommission, Slg. 2002, II-4945) zu erstatten hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung, des Richters A. W. H. Meij und der Richterin I. Pelikánová,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Verfahren

1 Mit Klageschrift, die am 30. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Artegodan GmbH eine Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission vom 9. März 2000 über die Rücknahme der Zulassung von Humanarzneimitteln, die den Stoff Amfepramon enthalten (K [2000] 453, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

2 In der Zeit vom 30. März bis zum 25. Mai 2000 erhoben fünfzehn weitere Unternehmen Nichtigkeitsklagen gegen die angefochtene Entscheidung (Rechtssachen T-76/00 und T-141/00) sowie gegen die beiden anderen Entscheidungen der Kommission vom 9. März 2000 über die Rücknahme der Zulassung von Humanarzneimitteln, die sonstige amphetaminartige Anorektika, u. a. Norpseudoephedrin, Clobenzorex und Fenproporex (K[2000] 608) (Rechtssachen T-83/00 bis T-85/00) sowie Phentermin (K[2000] 452) (Rechtssachen T-132/00 und T-137/00), enthalten. Mit besonderen Schriftsätzen, die jeweils am selben Tag wie die Klageschriften bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, reichten sie sieben Anträge auf Aussetzung des Vollzugs der drei angefochten Entscheidungen ein.

3 Mit am 30. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem besonderen Schriftsatz beantragte die Antragstellerin die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung. Sie beantragte auch, gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts dringend über diesen Antrag zu entscheiden.

4 Am 11. April 2000 ordnete der Präsident des Gerichts an, dass der Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zum Erlass des Beschlusses, der das Verfahren der einstweiligen Anordnung beendet, ausgesetzt wird.

5 Mit Beschluss vom 28. Juni 2000 in der Rechtssache T-74/00 R (Artegodan/Kommission, Slg. 2000, II-2583) ordnete der Präsident des Gerichts die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Klägerin an. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

6 Mit Beschluss vom 19. Oktober 2000 in der Rechtssache T-141/00 R (Trenker/Kommission, Slg. 2000, II-3313) und sechs weiteren Beschlüssen vom 31. Oktober 2000 in den Rechtssachen T-76/00 R (Bruno Farmaceutici u. a./Kommission, Slg. 2000, II-3557, abgekürzte Veröffentlichung), T-83/00 R II (Schuck/Kommission, Slg. 2000, II-3585, abgekürzte Veröffentlichung), T-84/00 R (Roussel und Roussel Diamant/Kommission, Slg. 2000, II-3591), T-85/00 R (Roussel und Roussel Iberica/Kommission, Slg. 2000, II-3613), T-132/00 R (Gerot Pharmazeutika/Kommission, Slg. 2000, II-3635) und T-137/00 R (Cambridge Healthcare Supplies/Kommission, Slg. 2000, II-3653, abgekürzte Veröffentlichung) ordnete der Präsident des Gerichts auch die Aussetzung des Vollzugs der drei angefochtenen Entscheidungen in Bezug auf die Klägerinnen in diesen Rechtssachen an. Gegen diese sieben Beschlüsse legte die Kommission Rechtsmittel ein. Mit Beschlüssen vom 11. April 2001 in den Rechtssachen C-459/00 P(R) (Kommission/Trenker, Slg. 2001, I-2823), C-471/00 P(R) (Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, Slg. 2001, I-2865), C-474/00 P(R) (Kommission/Bruno Farmaceutici u. a., Slg. 2001, I-2909), C-476/00 P(R) (Kommission/Schuck, Slg. 2001, I-2995), C-477/00 P(R) (Kommission/Roussel und Roussel Diamant, Slg. 2001, I-3037), C-478/00 P(R) (Kommission/Roussel und Roussel Iberica, Slg. 2001, I-3079) und C-479/00 P(R) (Kommission/Gerot Pharmazeutika, Slg. 2001, I-3121) hob der Präsident des Gerichtshofes die betreffenden Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts auf und wies die Anträge auf einstweilige Anordnung zurück.

7 Die Kommission beantragte am 20. April 2001 die Aufhebung des Beschlusses vom 28. Juni 2000 (Artegodan/Kommission) gemäß Artikel 108 der Verfahrensordnung. Mit Beschluss vom 5. September 2001 in der Rechtssache T-74/00 R (Artegodan/Kommission, Slg. 2001, II-2367) wies der Präsident des Gerichts diesen Antrag zurück. Am 13. November 2001 legte die Kommission Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ein. Mit Beschluss vom 14. Februar 2002 in der Rechtssache C-440/01 P(R) (Kommission/Artegodan, Slg. 2002, I-1489) hob der Gerichtshof diesen Beschluss vom 5. September 2001 sowie den Beschluss vom 28. Juni 2000 auf und beendete damit die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf Artegodan. Die Kostenentscheidung blieb vorbehalten.

8 Mit Beschluss vom 23. Juli 2001 verband der Präsident der Zweiten Kammer nach Anhörung aller Parteien die Rechtssachen T-74/00, T-76/00, T-83/00, T-84/00, T-85/00, T-132/00, T-137/00 und T-141/00 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung.

9 Mit Urteil vom 26. November 2002 in den Rechtssachen T-74/00, T-76/00, T-83/00 bis T-85/00, T-132/00, T-137/00 und T-141/00 (Artegodan u. a./Kommission, Slg. 2002, II-4945) erklärte das Gericht die drei angefochtenen Entscheidungen für nichtig, soweit sie die von den Klägerinnen vermarkteten Arzneimittel betrafen, und erlegte der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten auf, die im Rahmen der Verfahren der einstweiligen Anordnung entstanden waren.

10 Mit am 3. Februar 2003 eingelegtem Rechtsmittel beantragte die Kommission gemäß Artikel 225 EG und Artikel 56 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes die Aufhebung des Urteils Artegodan u. a./Kommission.

11 Mit am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem besonderen Schriftsatz beantragte die Kommission beim Gerichtshof, die Aussetzung der Durchführung des Urteils Artegodan u. a./Kommission anzuordnen. Mit Beschluss vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C-39/03 P-R (Kommission/Artegodan u. a., Slg. 2003, I-4485) wies der Präsident des Gerichtshofes diesen Antrag zurück.

12 Mit Urteil vom 24. Juli 2003 in der Rechtssache C-39/03 P (Kommission/Artegodan u. a., Slg. 2003, I-7885) wies der Gerichtshof (Plenum) das Rechtsmittel der Kommission zurück und erlegte dieser die Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung auf.

13 Mit Schreiben vom 25. Oktober 2004 forderte die Artegodan die Kommission auf, ihr einen Gesamtbetrag von 218 248,54 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) zu ersetzen, der den Kosten der Verfahren im ersten und im zweiten Rechtszug entspreche.

14 Mit Schreiben vom 30. November 2004 wies die Kommission diese Forderung mit der Begründung zurück, dass der Umfang der erbrachten Tätigkeiten nicht unerlässlich gewesen sei. Sie machte einen Gegenvorschlag, der sich für alle Kosten und Auslagen im Zusammenhang mit den Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof auf 50 000 Euro belief.

15 Da sich die Parteien nicht über die erstattungsfähigen Kosten einigen konnten, hat die Artegodan mit Antragsschrift, die am 16. Januar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, das Gericht nach Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung mit einem Antrag auf Festsetzung ihrer Kosten im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Gericht einschließlich der Verfahren der einstweiligen Anordnung befasst.

Anträge der Parteien

16 Die Antragstellerin beantragt, die ihr von der Kommission zu erstattenden Kosten wie folgt festzusetzen:

- 147 347,44 Euro für Honorare und Kosten;

- zuzüglich 4 000 Euro für die Kosten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag.

17 Die Kommission beantragt, die zu erstattenden Kosten einschließlich derjenigen, die mit dem vorliegenden Antrag verbunden sind, auf einen Betrag festzusetzen, der allein die Kosten für die notwendige Prozessvertretung abdeckt und damit deutlich unter der von der Antragstellerin verlangten Summe bleibt.

Entscheidungsgründe

Vorbringen der Parteien

18 Nach Ansicht der Antragstellerin war die Rechtssache, die zum Urteil Artegodan u. a./Kommission führte, von großer Bedeutung und wies zudem einen erhöhten Grad an Schwierigkeit und Komplexität sowohl in rechtlicher als auch in wissenschaftlicher Hinsicht auf. Der Rechtsstreit habe eine ganze Reihe neuer komplexer Fragen in Bezug auf die Verteilung der Zuständigkeit für die Behandlung von teilharmonisierten Arzneimittelzulassungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten aufgeworfen.

19 Die Antragstellerin habe die Zuständigkeit der Kommission für die angefochtene Entscheidung angegriffen. Sie habe die formelle Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage gestellt. Dabei habe sie die Frage der Auslegung der Bestimmungen der mehrfach geänderten Richtlinie 75/319/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13, im Folgenden wie geändert: Richtlinie 75/319) über die Verfahren zur Rücknahme solcher Zulassungen prüfen müssen.

20 Außerdem habe sie sich auch gegen die von der Kommission vertretene Auslegung der Bedingungen für die Rücknahme von Arzneimittelzulassungen nach der einschlägigen Regelung gewandt.

21 Das Verfahren habe somit eine umfassende Analyse der wissenschaftlichen Gutachten und verfügbaren Daten zur Bewertung des Wirkstoffs Amfepramon impliziert.

22 Im Übrigen seien die im Mittelpunkt der Rechtssache stehenden medizinisch-pharmakologischen Tatsachen höchst komplizierter Natur gewesen und hätten die Heranziehung eines Sachverständigen erfordert. Die Ergebnisse dieser Sachverständigengutachten seien in vielfacher Hinsicht in ihre Argumentation eingeflossen.

23 Die Antragstellerin weist darauf hin, dass die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof zu einem bedeutenden Arbeitsaufwand für ihre Berater geführt hätten. Sie habe mehrere Berater mit den verschiedenen Aufgaben betraut, und zwar einerseits wegen der Komplexität der aufgeworfenen rechtlichen und tatsächlichen Fragen, andererseits aber auch, um umfangreiche Arbeiten durch Bearbeiter mit niedrigeren Stundensätzen durchführen zu lassen.

24 Die Antragstellerin erklärt, sie habe in dem vorliegenden Verfahren insofern eine Sonderstellung eingenommen, als sie von allen Klägern in den Rechtssachen, die zum Urteil Artegodan u. a./Kommission geführt hätten, als erste eine Nichtigkeitsklage gegen die angefochtene Entscheidung erhoben habe. Sie habe somit argumentativ Schrittmacherdienste geleistet. Außerdem habe sie sogleich ein Eilverfahren einleiten müssen, um die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung zu erreichen. Nachdem der Präsident des Gerichts dem entsprechenden Antrag stattgegeben habe, habe die Kommission kein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss eingelegt. Die Kommission habe jedoch später nach Artikel 108 der Verfahrensordnung die Aufhebung dieser Maßnahme beantragt und dann Rechtsmittel gegen den zurückweisenden Beschluss des Präsidenten des Gerichts eingelegt. Dieses zweite Verfahren der einstweiligen Anordnung habe völlig neue Verfahrensfragen aufgeworfen und stelle einen prozessualen Präzedenzfall dar.

25 Vom 26. Juli 2000 bis zum 12. August 2003 hätten ihr ihre Prozessbevollmächtigten für die Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten und den nationalen Gerichten insgesamt 262 786,38 Euro in Rechnung gestellt. Von diesem Gesamtbetrag verteilten sich 197 489,39 Euro (netto: 170 249,38 Euro) wie folgt auf die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof: 127 444,56 Euro für die Verfahren vor dem Gericht, d. h. für die beiden Verfahren der einstweiligen Anordnung und das Hauptsacheverfahren, und 42 804,82 Euro für das Verfahren der einstweiligen Anordnung und das Hauptsacheverfahren vor dem Gerichtshof.

26 Die Auslagen für die Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen vor dem Gericht in Luxemburg am 29. Juni 2001 sowie am 7. und 8. Mai 2002 beliefen sich auf 2 007,06 Euro.

27 Um auf bestimmte medizinische Fragen einzugehen, habe sie sich eines sachverständigen Gutachters bedienen müssen, dessen Honorare sich auf einen Nettobetrag von 17 895,93 Euro beliefen. Dieser habe auch an der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht am 7. und 8. Mai 2002 teilgenommen.

28 Schließlich macht die Antragstellerin geltend, sie habe ein vitales Interesse am Ausgang des Verfahrens gehabt. Sie vertreibe nur ein einziges Präparat, nämlich Tenuate retard, das den Streitgegenstand bilde. Ein dauerhaftes Verbot des Vertriebs dieses Erzeugnisses hätte ihren Ruin bedeutet.

29 Die Kommission räumt ein, dass das Gericht im Urteil Artegodan u. a./Kommission die angefochtene Entscheidung aus einer Reihe von Gründen für nichtig erklärt habe, die für den Pharmasektor von Bedeutung sein könnten. Sie weist jedoch darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Kommission/Artegodan u. a. das Rechtsmittel gegen das vorstehend genannte Urteil des Gerichts deshalb zurückgewiesen habe, weil Artikel 15a Richtlinie 75/319 nicht als Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung habe dienen können. Der Gerichtshof habe sich nicht mit den weiteren Gründen auseinandergesetzt, auf die das Gericht sein Urteil gestützt habe.

30 Vor diesem Hintergrund überschätze die Antragstellerin die Bedeutung des Urteils des Gerichts beträchtlich. Insbesondere entwickle dieses Urteil Wirkungen nur für den vorliegenden Fall. Das Urteil des Gerichts schließe es keineswegs aus, dass Marktzulassungen, die Gegenstand von Harmonisierungsmaßnahmen gewesen seien, in Zukunft Gegenstand einer Entscheidung gemäß Artikel 15a der Richtlinie 75/319 würden.

31 Im Übrigen räumt die Kommission ein, dass die vor dem Gericht aufgeworfenen Rechtsfragen komplexer Natur gewesen seien. Gleichwohl geht sie davon aus, dass die Auslegung von pharmarechtlichen Richtlinien wie im vorliegenden Fall nicht über den gewöhnlichen Schwierigkeitsgrad hinausgehe, der auch in anderen Verfahren regelmäßig erreicht werde.

32 Zu dem gemäß Artikel 108 der Verfahrensordnung eingeleiteten Verfahren führt die Kommission aus, dass es eine schriftliche Stellungnahme sowie eine mündliche Anhörung vor dem Gericht umfasse, und sie erkennt an, dass es zu einem Mehraufwand für die Parteien geführt habe. Allerdings sei zu beachten, dass dieses Verfahren ausschließlich prozessrechtliche Fragen betroffen und somit einen beschränkten Mehraufwand verursacht habe.

33 Ferner rechtfertige der Umstand, dass sich die Antragstellerin dafür entschieden habe, sich nicht nur durch einen, sondern durch mehrere Anwälte vertreten zu lassen, keine Erhöhung der Honorarposten.

34 Außerdem erscheine der Tarif der berechneten Stundensätze unangemessen hoch. Der von einem der Rechtsanwälte der Antragstellerin berechnete Stundensatz von 400 Euro gehe deutlich über das hinaus, was ein spezialisierter Rechtsanwalt in Brüssel für eine vergleichbare Beratung berechnen würde.

35 Zudem beträfen die von der Antragstellerin vorgelegten Abrechnungen insgesamt einen Zeitraum von fast vier Jahren (vom 1. September 1999 bis zum 31. Juli 2003) und deckten pauschal Zeiträume von bis zu zehn Monaten ab, die in keinem Fall mit der Verfahrensdauer vor dem Gericht übereinstimmten. Deshalb sei eine genaue Zuordnung der entstandenen Kosten für die Vertretung vor dem Gericht nicht möglich.

36 Was die wissenschaftlichen Gutachten angehe, so sei die Bestellung eines Sachverständigen im vorliegenden Fall nicht notwendig gewesen. Im Übrigen habe das Gericht die Antragstellerin nicht aufgefordert, sich für die Zwecke der mündlichen Verhandlung von einem Sachverständigen begleiten zu lassen.

37 Die Antragstellerin versuche mittels pauschal gehaltener Abrechnungen Gutachterkosten in Höhe von 29 891,27 Euro als notwendig darzustellen, wobei aus diesem hohen Betrag nicht deutlich werde, worin genau der Beitrag des Gutachters zur Prozessvertretung der Antragstellerin bestanden habe.

38 Außerdem seien die Reisekosten des Gutachters nicht oder zumindest nicht in voller Höhe notwendig gewesen. So sei der Gutachter, der in Konstanz in Deutschland ansässig sei, zum Gerichtstermin in Luxemburg am 7. und 8. Mai 2002 aus Sardinien eingeflogen worden.

39 Auch die weiteren Reisekosten seien unverhältnismäßig. An der Hauptverhandlung vor dem Gericht hätten auf Seiten der Antragstellerin insgesamt fünf Personen teilgenommen, was nicht erforderlich gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

40 Nach Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung gelten als erstattungsfähige Kosten "Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren notwendig waren, insbesondere Reise- und Aufenthaltskosten sowie die Vergütung der Bevollmächtigten, Beistände oder Anwälte". Wie sich aus dieser Bestimmung ergibt, sind nur die Kosten erstattungsfähig, die für das Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht aufgewendet wurden und die dafür notwendig waren (vgl. Beschlüsse des Gerichts vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache T-38/95 DEP, Groupe Origny/Kommission, Slg. 2002, II-217, Randnr. 28, und vom 18. April 2006 in der Rechtssache T-132/01 DEP, Euroalliages u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 29).

41 Hier kann deshalb der Betrag der erstattungsfähigen Kosten nicht den Betrag der für den ersten Rechtszug notwendigen Kosten der Antragstellerin überschreiten, und zwar einschließlich der Kosten, die mit dem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung zusammenhängen sowie mit dem Verfahren, das auf Antrag der Kommission gemäß Artikel 108 der Verfahrensordnung in Bezug auf den diesem Aussetzungsantrag stattgebenden Beschluss vom 28. Juni 2000 (Artegodan/Kommission) eingeleitet wurde.

42 Nach ständiger Rechtsprechung hat der Gemeinschaftsrichter nicht die von den Parteien ihren eigenen Anwälten geschuldeten Vergütungen festzusetzen, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Das Gericht braucht bei der Entscheidung über einen Antrag auf Kostenfestsetzung weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine etwaige Gebührenvereinbarung zwischen der betroffenen Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen zu berücksichtigen (Beschlüsse des Gerichts vom 8. November 1996 in der Rechtssache T-120/89 DEP, Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Slg. 1996, II-1547, Randnr. 27, und vom 10. Januar 2002 in der Rechtssache T-80/97 DEP, Starway/Rat, Slg. 2002, II-1, Randnr. 26).

43 Das Gericht hat, da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinen Schwierigkeitsgrad, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten am Ausgang des Rechtsstreits zu berücksichtigen (Beschlüsse Starway/Rat, Randnr. 27, und vom 20. Dezember 2004 in der Rechtssache T-123/00 DEP, Thomae/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22).

44 In welcher Höhe die Kosten im vorliegenden Fall erstattungsfähig sind, bemisst sich nach diesen Kriterien.

Zum wirtschaftlichen Interesse der Parteien am Ausgang des Rechtsstreits

45 Hinsichtlich der auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Interessen ist angesichts der von der Kommission nicht bestrittenen Angaben der Antragstellerin davon auszugehen, dass der Ausgang des Rechtsstreits von großer wirtschaftlicher Bedeutung für diese war.

Zu Gegenstand und Art des Rechtsstreits, seiner Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht und seinem Schwierigkeitsgrad

46 Die Klage der Antragstellerin vor dem Gericht bezweckte die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, die auf der Grundlage des Artikels 15a der Richtlinie 75/319 die Rücknahme der Marktzulassung von Humanarzneimitteln, die den Stoff Amfepramon enthalten, verfügt hatte. Diese Entscheidung beruhte im konkreten Fall auf einer Negativbeurteilung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses dieses Stoffes nach einer Neubewertung seiner Wirkung. Die Klage betraf zum einen die systematische und teleologische Auslegung der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 75/319 über die im Hinblick auf die Verwaltung der Arzneimittelzulassungen anwendbaren Verfahren und zum anderen die Auslegung der Voraussetzungen für die Rücknahme von Zulassungen gemäß Artikel 11 der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. 1965, 22, S. 369) in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22) geänderten Fassung.

47 Die Klage warf, da dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 75/319 keine genauen Hinweise zu entnehmen waren, vor allem eine Reihe schwieriger und neuer Fragen in Bezug auf die Abgrenzung der Anwendungsbereiche des in Artikel 15a dieser Richtlinie vorgesehenen gemeinschaftlichen Schiedsverfahrens und der nationalen Verfahren in Bezug auf die Änderung, die Aussetzung oder die Rücknahme von Arzneimittelzulassungen auf. Das Gericht hat insoweit u. a. entschieden, dass Artikel 15a nach der Systematik der Richtlinie 75/319 die ursprünglich im Rahmen nationaler Verfahren erteilten Zulassungen auch dann nicht betrifft, wenn sie wie in dem in Rede stehenden Fall später Gegenstand einer Teilharmonisierung in Form einer substanziellen Änderung der bei der Erteilung dieser Zulassungen in den Zusammenfassungen der Produktmerkmale enthaltenen klinischen Angaben waren (Urteil Artegodan u. a./Kommission, insbesondere Randnrn. 113, 119 bis 121 und 155).

48 Außerdem veranlasste die Klage das Gericht in Bezug auf die materiellen Voraussetzungen der Rücknahme einer Zulassung zur Prüfung der Beweislastregelung im Zusammenhang mit dem Vorsorgegrundsatz, insbesondere bei der Neubewertung eines Arzneimittels (Urteil Artegodan u. a./Kommission, Randnrn. 181 bis 195). Das Gericht musste auch den Umfang der gerichtlichen Prüfung zum einen der formellen Rechtmäßigkeit der die angefochtene Entscheidung stützenden wissenschaftlichen Gutachten und zum anderen der Ermessensausübung durch die Kommission abgrenzen (Randnrn. 196 bis 201 des Urteils). Im konkreten Fall stellte es u. a. fest, dass die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende bloße Fortentwicklung eines wissenschaftlichen Kriteriums zur Bewertung der Wirksamkeit eines Arzneimittels für sich genommen die Rücknahme der Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels gemäß Artikel 11 der Richtlinie 65/65 nicht rechtfertigen kann, sofern sie nicht auf neuen wissenschaftlichen Daten oder Informationen beruht (Randnr. 211 des Urteils).

49 Folglich hatte die Rechtssache eine gewisse Bedeutung und warf schwierige und neue Auslegungsfragen in Bezug sowohl auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten als auch auf die materiellen Voraussetzungen für die Rücknahme von Arzneimittelzulassungen auf. Die Bedeutung, die ein Rechtsstreit aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht wegen der damit aufgeworfenen neuen Rechtsfragen und komplexen Sachfragen hat, kann aber erhöhte Honorare und die Vertretung der Antragstellerin durch mehrere Beistände rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Randnr. 30, und Starway/Rat, Randnrn. 29 bis 31).

Zum Arbeitsaufwand der Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren

50 Erstens erforderte der Rechtsstreit vor dem Gericht insoweit einen erheblichen Arbeitsaufwand der Beistände der Antragstellerin, als sie in Ermangelung ausdrücklicher Hinweise in der anwendbaren Regelung und mangels einschlägiger Rechtsprechung eine vertiefte Analyse der maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 75/319 vornehmen mussten, um die komplexe Frage der Zuständigkeit der Kommission für den Erlass der angefochtenen Entscheidung zu prüfen. Außerdem implizierte dieser Rechtsstreit auch eine vertiefte Analyse der wissenschaftlichen Berichte und verfügbaren Daten zur Wirkung von Amfepramon und zu den mit diesem Stoff verbundenen Risiken.

51 Zweitens ist zu berücksichtigen, dass in dieser Rechtssache ein Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 108 der Verfahrensordnung auf ein Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 104 der Verfahrensordnung folgte. Dieses zweite Verfahren der einstweiligen Anordnung implizierte für die Antragstellerin die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme und die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vor dem Präsidenten des Gerichts sowie die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme beim Gerichtshof infolge des Rechtsmittels der Kommission gegen den Beschluss vom 5. September 2001 (Artegodan/Kommission), mit dem der Antrag nach Artikel 108 der Verfahrensordnung zurückgewiesen worden war. Die Antragstellerin macht insoweit zu Recht geltend, dass der Antrag der Kommission nach Artikel 108 der Verfahrensordnung schwierige und neue Verfahrensfragen aufgeworfen habe, die eine Zusatzarbeit und damit nicht unerhebliche Zusatzkosten bedeutet hätten.

52 Wenn es der Antragstellerin entsprechend ihrem Vorbringen (vgl. oben, Randnr. 23) im vorliegenden Fall auch freistand, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen mehrere Beistände gleichzeitig zu betrauen, um sich der Dienste erfahrenerer Rechtsanwälte zu versichern und zugleich umfangreiche Arbeiten durch Rechtsanwälte mit geringeren Honorarforderungen erledigen zu lassen, ist doch vom Gericht unabhängig von der Zahl der Anwälte, auf die sich die erbrachten Leistungen etwa aufteilen, in erster Linie die Gesamtzahl der Arbeitsstunden zu berücksichtigen, die für das Gerichtsverfahren als objektiv erforderlich angesehen werden können (Beschlüsse des Gerichts vom 6. März 2003 in den Rechtssachen T-226/00 DEP und T-227/00 DEP, Nan Ya Plastics und Far Eastern Textiles/Rat, Slg. 2003, II-685, Randnr. 44, und vom 29. Oktober 2004 in der Rechtssache T-77/02 DEP, Schneider Electric/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 58).

53 Insoweit hängt die Möglichkeit für den Gemeinschaftsrichter, den Wert der geleisteten Arbeit zu beurteilen, von der Genauigkeit der erteilten Informationen ab (Beschlüsse Stahlwerke Peine-Salzgitter/Kommission, Randnr. 31, und Schneider Electric/Kommission, Randnr. 59).

54 Hier ist festzustellen, dass die von der Antragstellerin vorgelegten Belege, die sich auf den Zeitraum vom 1. September 1999 bis zum 31. Juli 2003 einschließlich beziehen, aus Honorarabrechnungen bestehen, die für verschiedene Zeiträume ausgestellt wurden, von denen keiner mit der Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens übereinstimmt. Zudem geht daraus nicht hervor, wie viel Arbeit für die Verfahren vor dem Gericht und dem Gerichtshof und wie viel Arbeit für die Verfahren vor den nationalen Gerichten erforderlich war.

55 Außerdem hat zwar die Antragstellerin die Honorarabrechnungen ihrer Anwälte vorgelegt, doch enthalten diese keine Angaben zu den berechneten Stundensätzen und zu der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden.

56 Im Übrigen rechtfertigten die schwierigen wissenschaftlichen Fragen, die sich in dieser Rechtssache gestellt haben, die Heranziehung eines Sachverständigen, und zwar insbesondere für die schriftlichen Antworten auf die Fragen des Gerichts. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass, obwohl sich die Antragstellerin aus eigenem Antrieb eines Sachverständigen als Beistand im mündlichen Verfahren bedient hat, das Gericht in der mündlichen Verhandlung insbesondere den Sachverständigen gehört hat, der der Antragstellerin in den verbundenen Rechtssachen, die zum Urteil Artegodan u. a./Kommission geführt haben, zur Seite stand. Deshalb sind die Kosten, die durch die Heranziehung eines Sachverständigen und durch seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung entstanden sind, bei der Berechnung der erstattungsfähigen Kosten zu berücksichtigen.

57 Insoweit ist jedoch festzustellen, dass die Antragstellerin zwar eine Honoraraufstellung des Sachverständigen vorgelegt hat, dass daraus aber nicht hinreichend deutlich wird, welche Tätigkeiten berücksichtigt wurden, um zum Nettobetrag von 17 895,93 Euro zu gelangen.

58 Nach alledem hält es das Gericht unter den gegebenen Umständen für angemessen, die erstattungsfähigen Kosten einschließlich der für die Einschaltung eines Sachverständigen erforderlichen Auslagen auf den Betrag von 98 000 Euro festzusetzen.

59 Was die Reise- und Aufenthaltskosten anbelangt, erklärt die Antragstellerin nicht, inwieweit ihre Vertretung vor dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 7. und 8. Mai 2002 durch fünf Personen erforderlich gewesen wäre. Daher ist der Betrag der erstattungsfähigen Kosten für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2001 sowie an der mündlichen Verhandlung vom 7. und 8. Mai 2002 einschließlich der Reisekosten des Sachverständigen auf 2 000 Euro festzusetzen.

60 Nach alledem hält das Gericht sämtliche Kosten, deren Erstattung die Antragstellerin von der Kommission verlangen kann, mit einer Festsetzung auf insgesamt 100 000 Euro für zutreffend beurteilt.

61 Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten alle Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt des vorliegenden Beschlusses berücksichtigt hat, braucht über die für die Zwecke des Kostenfestsetzungsverfahrens verauslagten Kosten nicht gesondert entschieden zu werden.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

Der Betrag der der Artegodan GmbH von der Kommission zu erstattenden Kosten wird auf insgesamt 100 000 Euro festgesetzt.

Luxemburg, den 3. Oktober 2006



Ende der Entscheidung

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