Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 30.11.1993
Aktenzeichen: T-76/92
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 45
Beamtenstatut Art. 26
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Anstellungsbehörde muß nach Artikel 45 Absatz 1 des Statuts im Rahmen eines Beförderungsverfahrens und dementsprechend eines Versetzungsverfahrens ihre Wahl aufgrund einer Abwägung der jeweiligen Beurteilungen und Verdienste der beförderungsfähigen Bewerber treffen. Hierzu verfügt sie über die durch das Statut verliehene Befugnis, diese Abwägung nach dem Verfahren oder der Methode vorzunehmen, die sie für die geeignetsten hält. Sie kann sich von den Verwaltungsdienststellen der unterschiedlichen dienstlichen Rangstufen unterstützen lassen und ist in keiner Weise verpflichtet, selbst alle erforderlichen Beurteilungsfaktoren zusammenzustellen.

Bei der Vorbereitung ihrer Entscheidung ist es Sache dieser Behörde und der verschiedenen konsultierten zuständigen Vorgesetzten, in jedem Stadium der Prüfung der Bewerbungen zu beurteilen, ob hierbei zusätzliche Auskünfte oder Anhaltspunkte für die Beurteilung durch ein Gespräch mit allen oder nur mit einigen Bewerbern einzuholen sind, um in voller Kenntnis der Sachlage Stellung nehmen zu können. Ein solches Ermessen ist um so mehr gerechtfertigt, wenn die Bewerber schon bei dem Organ arbeiten und somit bei den in Betracht kommenden Dienststellen bekannt sind. Grundsätzlich haben die Bewerber daher nicht von Rechts wegen Anspruch auf ein Gespräch. Nur wenn die Anstellungsbehörde in einem speziellen Fall beschlossen hat, ihre Wahl insbesondere aufgrund eines Gesprächs aller Bewerber mit einem Verantwortlichen des für die betreffende Stelle zuständigen Dienstes zu treffen, hat sie dafür zu sorgen, daß jeder Bewerber in dem fraglichen Verfahren ein solches Gespräch führen kann.

Das in dieser Weise der Verwaltung eingeräumte Ermessen wird indessen durch die Notwendigkeit begrenzt, die Abwägung der Bewerbungen sorgfältig und unparteiisch, im dienstlichen Interesse und nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung vorzunehmen. Diese Abwägung muß praktisch nach den gleichen Kriterien und aufgrund vergleichbarer Informationsquellen und Auskünfte erfolgen.

2. Die Artikel 26 und 43 des Statuts haben den Zweck, dem Beamten den Anspruch auf Verteidigung zu gewährleisten und zu verhindern, daß Entscheidungen der Anstellungsbehörde, die sein Dienstverhältnis und seine Laufbahn berühren, aufgrund von Tatsachen in bezug auf sein Verhalten getroffen werden, die in seiner Personalakte nicht erwähnt sind. Eine auf solche Tatsachen gestützte Entscheidung verstösst gegen die Garantien des Statuts und ist aufzuheben, weil sie in einem fehlerhaften Verfahren ergangen ist.

Unter Berücksichtigung dieses Zweckes betreffen die vorgenannten Bestimmungen grundsätzlich nicht die Stellungnahmen derjenigen Vorgesetzten, die in einem Beförderungs- oder Versetzungsverfahren konsultiert werden. Solche Stellungnahmen brauchen nämlich den Bewerbern nicht bekanntgegeben zu werden, da sie nur eine vergleichende Bewertung ihrer Qualifikationen und Verdienste enthalten, die sich auf Tatsachen gründet, die in der Personalakte der Betroffenen erwähnt sind oder ihnen mitgeteilt wurden, so daß diese bereits die Möglichkeit hatten, ihre Bemerkungen vorzubringen. Diese Stellungnahmen, die eine sich auf das betreffende Ernennungsverfahren beschränkende Bedeutung haben, fallen nicht unter die Bestimmungen des Artikels 26 des Statuts, die das Verteidigungsrecht des Beamten gewährleisten und somit der Verwaltung ermöglichen sollen, sich in voller Sachkenntnis zu äussern.

Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn diese Stellungnahmen ausser den Bewertungen, die sich aus der Abwägung der Bewerbungen ergeben, auch Tatsachen bezueglich der Befähigung, Leistung oder dienstlichen Führung eines Bewerbers enthalten, die vorher nicht in seine Personalakte aufgenommen worden sind. Doch werden die Entscheidung über die Ablehnung einer Bewerbung und die Entscheidung über die Ernennung eines anderen Bewerbers nur dann bei unterbliebener Mitteilung dieser Tatsachen an den Betroffenen, die ihm die Abgabe von Bemerkungen ermöglichen soll, fehlerhaft, wenn diese Tatsachen einen bestimmenden Einfluß auf die von der Anstellungsbehörde getroffene Wahl gehabt haben.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 30. NOVEMBER 1993. - JEAN-PANAYOTIS TSIRIMOKOS GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - BEAMTE - VERFAHREN ZUR BESETZUNG FREIER PLANSTELLEN - BEFOERDERUNG - ABWAEGUNG DER VERDIENSTE DER BEWERBER - GLEICHBEHANDLUNG DER BEAMTEN UND ANSPRUCH AUF RECHTLICHES GEHOER - RECHTE DER VERTEIDIGUNG. - RECHTSSACHE T-76/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Der Kläger, Jean-Panayotis Tsirimokos, der seit dem 6. Juli 1983 beim Europäischen Parlament (im folgenden: Parlament) tätig ist, ist Überprüfer in der Besoldungsgruppe LA 4. Er wurde ursprünglich dem griechischen Übersetzungsdienst zugewiesen, der seinerzeit zusammen mit der gesamten Übersetzung zu der Generaldirektion Parlamentarische Kanzlei und allgemeine Dienste (GD I) gehörte. Die Übersetzungsdienste wurden 1984/1985 infolge einer Restrukturierung in die Generaldirektion Übersetzung und allgemeine Dienste (GD VII) eingegliedert. Der Kläger wurde 1986 der Abteilung "Protokoll" zugewiesen, die zur Direktion "Plenarsitzungen" gehört, die ihrerseits nach der Restrukturierung in der Generaldirektion I verblieb.

2 Mit der Stellenausschreibung Nr. 6776 vom 8. Juli 1991 eröffnete die Anstellungsbehörde das Verfahren zur Besetzung der Planstelle des Leiters der griechischen Übersetzungsabteilung in der GD VII zunächst im Wege der Beförderung oder Versetzung. Sieben Bewerbungen, darunter diejenige des Klägers, wurden für die Beförderung für zulässig erklärt.

3 Die Bewerbungen wurden von dem Direktor der Übersetzung (im folgenden: Direktor), Herrn Wilson, geprüft, der sich in einer Unterredung mit fünf der sieben Bewerber, darunter mit Herrn Tsirimokos, unterhielt. Für die zwei übrigen Bewerber, die damals in Urlaub waren, fand dieses Gespräch fernmündlich statt. Nach dieser Abwägung der Verdienste der Bewerber übermittelte der Direktor dem Generaldirektor für Übersetzung und allgemeine Dienste (im folgenden: Generaldirektor), Frau De Enterria, eine Stellungnahme, in der er, wie aus den Erklärungen des Beklagten hervorgeht, jeweils die Verdienste der sieben Bewerber in bezug auf die in der Stellenausschreibung vorausgesetzten Qualifikationen untersuchte und vorschlug, einen dieser Bewerber, Herrn K., auf den zu besetzenden Posten zu ernennen. Der Generaldirektor unterhielt sich seinerseits mit vier der sieben Bewerber (den Herren D., K., M. und P.). Der Kläger hatte kein derartiges Gespräch mit dem Generaldirektor. Sodann leitete letzterer dem Generaldirektor für Personal, Haushalt und Finanzen eine Stellungnahme mit dem Ergebnis seiner Prüfung der Bewerbungen zu, worin er, wie der Beklagte in seinen Erklärungen ausführt, vorschlug, den bereits vom Direktor vorgeschlagenen Bewerber auf den betreffenden Dienstposten zu ernennen. Eine Akte mit der Stellungnahme des Generaldirektors und der Aufstellung der Beurteilungen aller Bewerber wurde dem Generalsekretär des Parlaments übermittelt, der dem Präsidenten des Parlaments als Anstellungsbehörde einen förmlichen Vorschlag zur Ernennung des genannten Bewerbers unterbreitete. Diesem Vorschlag lag die vorgenannte Akte bei. Der Präsident beschloß durch Entscheidung vom 5. November 1991, Herrn K. zum Leiter der griechischen Übersetzungsabteilung zu befördern. Dem Kläger wurde am 27. November 1991 durch ein Formschreiben die Ablehnung seiner Bewerbung mitgeteilt. Die Entscheidung über die Ernennung von Herrn K. auf den betreffenden Dienstposten wurde dem Personal des Parlaments am 27. Januar 1992 durch Aushang bekanntgegeben.

4 Am 25. Februar 1992 reichte der Kläger eine Beschwerde gegen die beiden vorgenannten Entscheidungen ein, die die Ablehnung seiner Bewerbung und die Ernennung von Herrn K. betrafen. Der Präsident des Parlaments wies diese Beschwerde mit Entscheidung vom 25. Juni 1992 zurück.

5 Mit Klageschrift, die am 24. September 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die Aufhebung der vorgenannten Entscheidungen über die Ablehnung seiner Bewerbung und die Ernennung von Herrn K. zum Leiter der griechischen Übersetzungsabteilung beantragt. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die mündliche Verhandlung hat am 15. Juli 1993 stattgefunden.

Anträge der Parteien

6 Der Kläger beantragt,

° die Ernennung von Herrn K. zum Leiter der griechischen Übersetzungsabteilung aufzuheben;

° die Entscheidung über die Ablehnung seiner Bewerbung aufzuheben;

° den Beklagten zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Begründetheit

7 Der Kläger macht zwei Klagegründe geltend. Der erste beruht auf einem Verstoß gegen Artikel 45 Absatz 1 des Statuts, wonach die Beförderung "ausschließlich aufgrund einer Auslese..." vorgenommen wird, die "nach Abwägung der Verdienste der Beamten, die für die Beförderung in Frage kommen, sowie der Beurteilungen über diese Beamten" erfolgt. Zum zweiten Klagegrund erklärt der Kläger, daß die Note über seine Verdienste, die wie bei allen Bewerbern vom Generaldirektor erstellt worden sei, ihm nicht mitgeteilt worden sei, was im Widerspruch zu den Verteidigungsrechten und zu Artikel 26 des Statuts stehe, der in Absatz 1 vorsehe, daß die Personalakte des Beamten "a) sämtliche sein Dienstverhältnis betreffenden Schriftstücke sowie jede Beurteilung seiner Befähigung, Leistung und Führung" und "b) die Stellungnahme des Beamten zu den Vorgängen nach Buchstabe a)" enthalten müsse.

Zum Klagegrund der fehlenden ordnungsgemässen Abwägung der Bewerbungen

Vorbringen der Parteien

8 Dieser erste Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Der Kläger bringt erstens vor, die Anstellungsbehörde habe nicht persönlich eine Abwägung der Bewerbungen nach Artikel 45 Absatz 1 des Statuts vorgenommen. Zweitens macht er geltend, er habe im Gegensatz zu anderen Bewerbern kein Gespräch mit dem Generaldirektor führen können, was dem Grundsatz der Gleichbehandlung in Verbindung mit dem Anhörungsrecht der Beamten zuwiderlaufe.

9 Im Rahmen dieses Klagegrundes macht der Kläger zunächst darauf aufmerksam, daß nach der Rechtsprechung "der Beachtung der Garantie, die die Gemeinschaftsrechtsordnung im Verwaltungsverfahren gewährt, grundlegende Bedeutung zukommt", wenn die Anstellungsbehörde, wie auf dem Gebiet der Beförderung, über einen weiten Ermessensspielraum verfüge, und daß "zu diesen Garantien insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalles zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung [gehören]" (Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-269/90, Technische Universität München, Slg. 1991, I-5469, und Urteil des Gerichts vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache T-52/90, Volger/Parlament, Slg. 1992, II-121).

10 Nach Ansicht des Klägers war die Anstellungsbehörde nach diesen Grundsätzen und gemäß dem vorgenannten Artikel 45 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Statuts gehalten, zum einen persönlich eine Abwägung der Bewerbungen vorzunehmen und zum anderen dafür zu sorgen, daß alle Bewerber vom Generaldirektor angehört werden konnten.

11 Insbesondere zum ersten Teil dieses Klagegrundes bezueglich der tatsächlichen Abwägung seiner Bewerbung durch die Anstellungsbehörde betont der Kläger, daß der Präsident des Parlaments eine solche Abwägung nur auf der Grundlage der Note des Generaldirektors und des Vorschlags des Generalsekretärs anhand einer Akte vorgenommen habe, die lediglich "eine Aufstellung der verschiedenen Beurteilungen und die detaillierte Untersuchung in der Note des Generaldirektors" umfasst habe. Der Präsident habe demnach unter Verletzung des Artikels 45 des Statuts nicht die Personalakte der Bewerber eingesehen und persönlich als Anstellungsbehörde eine Abwägung der Verdienste dieser Bewerber sowie ihrer Beurteilungen vorgenommen.

12 Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes trägt der Kläger vor, er habe entgegen dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten in Verbindung mit deren Anhörungsrecht seine Bewerbung nicht unter denselben Bedingungen wie andere Bewerber untermauern können, da der Generaldirektor ihn im Gegensatz zu diesen anderen Bewerbern nicht angehört habe. Durch diese Rechtswidrigkeit seien die Stellungnahme des Generaldirektors an den Generalsekretär, sodann dessen Vorschlag an den Präsidenten und damit das Endergebnis des betreffenden Beförderungsverfahrens fehlerhaft geworden. Zur Stützung seiner Ansicht führt der Kläger aus, daß "die Anstellungsbehörde verpflichtet war, die genannten Stellungnahmen und den genannten Vorschlag zu berücksichtigen, auch wenn sie der Ansicht war, davon abweichen zu müssen". Er stützt sich hierbei auf das Urteil des Gerichts vom 30. Januar 1992 in der Rechtssache T-25/90 (Schönherr/WSA, Slg. 1992, II-63).

13 Das Parlament bestreitet die Stichhaltigkeit beider Teile dieses ersten Klagegrundes. Zum ersten Teil bezueglich des angeblichen Fehlens einer effektiven Abwägung der Verdienste der Bewerber durch die Anstellungsbehörde bemerkt das Parlament, dem Präsidenten hätten alle erforderlichen Anhaltspunkte vorgelegen, um eine derartige Abwägung aufgrund des Ernennungsvorschlags des Generalsekretärs vornehmen zu können. Er habe insbesondere über das Verzeichnis der sieben Bewerber, die Aufstellung ihrer jeweiligen Beurteilungen, die eingehende Stellungnahme des Generaldirektors als höchsten Vorgesetzten für den zu besetzenden Dienstposten und die Stellungnahme des Generaldirektors für Personal, Haushalt und Finanzen verfügt. Unter diesen Umständen hat der Präsident nach Ansicht des Parlaments persönlich eine Abwägung der Verdienste der Bewerber vorgenommen.

14 Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes bezueglich der angeblich fehlenden vorherigen Anhörung bestimmter Bewerber bemerkt das Parlament, daß das eingeschlagene Verfahren vollständig mit den Grundsätzen des genannten Urteils Volger/Parlament übereingestimmt habe. Dieses Urteil beschränke sich nämlich auf die Feststellung, daß die Verwaltung durch das Verfahren gebunden sei, das sie für sich festgelegt habe. Die Verwaltung sei im Rahmen der in Artikel 45 des Statuts vorgesehenen Abwägung der Bewerbungen nur dann zur Anhörung aller Bewerber verpflichtet, wenn sie die Anhörung der Bewerber beschlossen habe. Im vorliegenden Fall sei die völlige Gleichbehandlung gewährleistet gewesen, da alle Bewerber vom Direktor angehört worden seien. Es verstosse nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, wenn später bestimmte Bewerber vom Generaldirektor erneut angehört worden seien.

Würdigung durch das Gericht

15 Einleitend ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 45 Absatz 1 Unterabsatz 1 des Statuts folgendes bestimmt: "Die Beförderung wird durch Verfügung der Anstellungsbehörde ausgesprochen... Sie wird ausschließlich aufgrund einer Auslese unter den Beamten vorgenommen, die in ihrer Besoldungsgruppe eine Mindestdienstzeit abgeleistet haben; die Auslese erfolgt nach Abwägung der Verdienste der Beamten, die für die Beförderung in Frage kommen, sowie der Beurteilungen über diese Beamten."

16 Daraus ergibt sich ausdrücklich, daß die Anstellungsbehörde im Rahmen eines Beförderungsverfahrens und dementsprechend eines Versetzungsverfahrens ihre Wahl aufgrund einer Abwägung der jeweiligen Beurteilungen und Verdienste der beförderungsfähigen Bewerber treffen muß. Hierzu verfügt sie über die durch das Statut verliehene Befugnis, diese Abwägung nach dem Verfahren oder der Methode vorzunehmen, die sie für die geeignetsten hält, wie sich aus gefestigter Rechtsprechung ergibt (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juli 1976 in der Rechtssache 62/75, De Wind/Kommission, Slg. 1976, 1167, Randnr. 17, und Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1992 in der Rechtssache T-53/91, Mergen/Kommission, Slg. 1992, II-2041, Randnr. 30).

17 Im Rahmen ihrer Abwägung muß die Anstellungsbehörde demnach über alle Anhaltspunkte für die Beurteilung der jeweiligen Verdienste der Bewerber verfügen. Zu diesem Zweck lässt sie sich von den Verwaltungsdienststellen der unterschiedlichen dienstlichen Rangstufen nach den Grundsätzen für die Arbeitsweise einer jeden hierarchisch geordneten Verwaltungsstruktur unterstützen, die ihren Niederschlag in Artikel 21 Absatz 1 des Statuts finden, wonach der "Beamte... ungeachtet seines dienstlichen Ranges seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen [hat]; er ist für die Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich".

18 Vorliegend kann also der Anstellungsbehörde nicht vorgeworfen werden, nicht selbst alle erforderlichen Beurteilungsfaktoren durch eine persönliche Abwägung der Beurteilungen und Personalakten der Bewerber zusammengestellt zu haben, wie es nach der im ersten Teil dieses Klagegrundes vertretenen Auffassung des Klägers erforderlich wäre. Die Prüfung des Akteninhalts zeigt nämlich, daß die Anstellungsbehörde über alle erforderlichen Beurteilungsfaktoren verfügte, die sich insbesondere aus einer ernsthaften Prüfung der Bewerbungen in jedem Stadium des Beförderungsverfahrens aufgrund eines gründlichen Vergleichs der jeweiligen Beurteilungen und Verdienste der Bewerber ergaben. Namentlich die Konsultierung des Direktors, der eine Unterredung mit allen Bewerber hatte, und des Generaldirektors zeigt, daß die Anstellungsbehörde dafür gesorgt hat, alle einschlägigen Informationen bei den Verantwortlichen der für den betreffenden Dienstposten zuständigen Dienststellen zu erhalten, um in voller Kenntnis der Sachlage urteilen zu können. Sie konnte daher ihre Wahl rechtmässig aufgrund des Vorschlags des Generalsekretärs treffen, dem die eingehende Stellungnahme des Generaldirektors sowie eine Aufstellung der Bemerkungen in den jeweiligen Beurteilungen aller Bewerber beilagen.

19 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß die Anstellungsbehörde eine Abwägung der Bewerbungen, insbesondere der des Klägers, gemäß Artikel 45 Absatz 1 des Statuts vorgenommen hat. Daraus ergibt sich, daß der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

20 Zum zweiten Teil dieses Klagegrundes, der sich auf eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in Verbindung mit dem Anhörungsrecht stützt, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß es im Rahmen des der Anstellungsbehörde bei der Bestimmung der Modalitäten für die vorgenannte Abwägung der Bewerbungen eingeräumten Ermessens Sache dieser Behörde und der verschiedenen in dem betreffenden Beförderungs- oder Versetzungsverfahren konsultierten zuständigen Vorgesetzten ist, in jedem Stadium der Prüfung der Bewerbungen zu beurteilen, ob hierbei zusätzliche Auskünfte oder Anhaltspunkte für die Beurteilung durch ein Gespräch mit allen oder nur mit einigen Bewerbern einzuholen sind, um in voller Kenntnis der Sachlage Stellung nehmen zu können. Ein solches Ermessen, das der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. Mai 1984 in der Rechtssache 111/83 (Picciolo/Parlament, Slg. 1984, 2323, Randnrn. 10 bis 13) für ein Einstellungs- oder Übernahmeverfahren zuerkannt hat, ist der Verwaltung um so mehr in einem Beförderungs- oder Versetzungsverfahren einzuräumen, in dem die Bewerber, wie im vorliegenden Fall, schon bei dem betreffenden Organ arbeiten und somit bei den in Betracht kommenden Dienststellen bekannt sind. Grundsätzlich haben die Bewerber daher nicht von Rechts wegen Anspruch auf ein Gespräch. Nur wenn die Anstellungsbehörde in einem speziellen Fall beschlossen hat, ihre Wahl insbesondere aufgrund eines Gesprächs aller Bewerber mit einem Verantwortlichen des für die betreffende Stelle zuständigen Dienstes zu treffen, hat sie dafür zu sorgen, daß jeder Bewerber in dem fraglichen Verfahren ein solches Gespräch führen kann, damit sie tatsächlich in der Lage ist, die Bewerbung auf der Grundlage aller Beurteilungsfaktoren zu prüfen, auf die sie ihre Wahl stützen wollte, wie aus dem vorgenannten Urteil Volger/Parlament, insbesondere Randnrn. 27 und 29, hervorgeht.

21 Das in dieser Weise der Verwaltung eingeräumte Ermessen wird indessen durch die Notwendigkeit begrenzt, die Abwägung der Bewerbungen sorgfältig und unparteiisch, im dienstlichen Interesse und nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten vorzunehmen, der wie folgt in Artikel 5 Absatz 3 des Statuts allgemein niedergelegt ist: "Für Einstellung und dienstliche Laufbahn der Beamten der gleichen Laufbahngruppe oder gleichen Sonderlaufbahn gelten jeweils die gleichen Voraussetzungen." Die Abwägung der Verdienste der einzelnen Bewerber muß also praktisch nach den gleichen Kriterien und aufgrund vergleichbarer Informationsquellen und Auskünfte erfolgen, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. Juli 1964 in der Rechtssache 97/63 (De Pascale/Kommission, Slg. 1964, 1109, 1135) entschieden hat.

22 Im vorliegenden Fall ist demnach festzustellen, ob, wie der Kläger behauptet, das Verfahren zur Prüfung seiner Bewerbung unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze als fehlerhaft anzusehen ist, da er im Gegensatz zu vier der sechs übrigen beförderungsfähigen Bewerber, insbesondere zu dem schließlich beförderten Bewerber, kein Gespräch mit dem Generaldirektor führen konnte. Zu diesem Zweck ist zunächst zu prüfen, ob die Anstellungsbehörde im Rahmen des von ihr bestimmten Verfahrens zur Abwägung der Bewerbungen beabsichtigte, jeden Bewerber ein Gespräch mit dem Generaldirektor führen zu lassen. Wenn dies nicht die Absicht der Anstellungsbehörde war, ist indessen zu untersuchen, ob die Bewerbung des Klägers vom Generaldirektor unter nichtdiskriminierenden Bedingungen geprüft wurde, also auf der Grundlage von Auskünften und Beurteilungsfaktoren, die mit denjenigen vergleichbar sind, auf die er sich bei den vier von ihm angehörten Bewerbern gestützt hat.

23 Das Gericht stellt erstens in der Frage, ob das von der Anstellungsbehörde bestimmte Verfahren zur Prüfung der Bewerbungen gegenüber dem Kläger eingehalten wurde, fest, daß kein Teil der Akten die Vermutung zulässt, daß die Anstellungsbehörde ihre Abwägung der Verdienste der Bewerber insbesondere auf ein Gespräch jedes Bewerbers mit dem Generaldirektor gründen wollte. Unter diesem Gesichtspunkt unterscheidet sich die vorliegende Streitsache von dem Sachverhalt des vom Kläger angeführten Urteils Volger/Parlament. Im vorliegenden Fall geht nämlich klar aus der Entscheidung des Präsidenten des Parlaments vom 25. Juni 1992 über die Zurückweisung der Beschwerde hervor, daß die Anstellungsbehörde die angefochtenen Entscheidungen nach dem Verfahren getroffen hat, das sie einschlagen wollte, d. h. aufgrund eines Vorschlags des Generalsekretärs nach Konsultation der Verantwortlichen der für den betreffenden Dienstposten zuständigen Dienststellen, in diesem Fall also des Direktors für Übersetzung und des Generaldirektors für Übersetzung und allgemeine Dienste. Hierzu betont die Anstellungsbehörde in dieser Entscheidung ausdrücklich, daß der Direktor alle Bewerber in dem betreffenden Verfahren angehört habe. Wie somit umgekehrt der fehlende Hinweis auf eine Unterredung mit dem Generaldirektor in dieser Antwort auf die Beschwerde bestätigt, hatte die Anstellungsbehörde nicht vorgesehen, alle Betroffenen ein solches Gespräch führen zu lassen. Es oblag daher allein dem Generaldirektor, zu beurteilen, ob es zweckmässig war, sich in einem Gespräch bei dem einen oder anderen Bewerber zusätzliche Anhaltspunkte für die Beurteilung zu verschaffen.

24 Unter diesen Umständen ist zweitens zu untersuchen, ob die Bewerbung des Klägers vom Generaldirektor anhand von Informationen geprüft wurde, die mit denjenigen vergleichbar sind, über die er in bezug auf die Bewerber, wie den schließlich beförderten Herrn K., verfügte, denen er eine Unterredung gewährt hat. Hierzu ergibt sich aus den Akten, daß der Generaldirektor seine Beurteilung auf die Stellungnahme des Direktors nach dessen Unterredung mit allen Bewerbern einschließlich des Klägers sowie auf die Abwägung der ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungen oder Personalakten dieser Bewerber stützen konnte. Aufgrund dieser verschiedenen Anhaltspunkte konnte er nach den oben dargelegten Grundsätzen nach freiem Ermessen beurteilen, ob es nötig war, bestimmte Bewerber anzuhören, um seine Informationen zu ergänzen oder, wie das Parlament in seiner Klagebeantwortung ausführt, "die mit äusserster Sorgfalt... vom Direktor abgegebene Beurteilung zu verfeinern". Daher ist das Gericht der Ansicht, daß der Generaldirektor davon ausgehen konnte, daß er über genügend Informationen über den Kläger verfügte, ohne die Grenzen seines Ermessens zu überschreiten.

25 Der Generaldirektor konnte sich nämlich im Rahmen dieser Beurteilung normalerweise insbesondere auf die Stellungnahme des Direktors in bezug auf die Bewerbung des Klägers stützen, der den Dienststellen dieses Direktors, der sein zweiter Beurteilender war, angehörte. Somit kann dem Generaldirektor keinesfalls vorgeworfen werden, diese Stellungnahme, die für ihn im übrigen nicht bindend war, berücksichtigt und auf dieser Grundlage die Abwägung der Bewerbungen vorgenommen zu haben.

26 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß sich das im Vorbringen des Klägers mitenthaltene Argument, wonach ihm ein Gespräch mit dem Generaldirektor nicht nur eine Untermauerung seiner Bewerbung, sondern auch eine Berichtigung einiger, seines Erachtens falscher, in der Stellungnahme des Direktors enthaltener und vom Generaldirektor in dessen eigene Stellungnahme übernommener entscheidender Gesichtspunkte gestattet hätte, mit dem zweiten Klagegrund überschneidet, der auf einer Verletzung der Verteidigungsrechte und des Artikels 26 des Statuts beruht. Dieses Argument wird daher zusammen mit dem zweiten Klagegrund geprüft.

27 Folglich hat die Anstellungsbehörde, indem sie nicht dafür gesorgt hat, daß der Kläger, wie andere Bewerber, ein Gespräch mit dem Generaldirektor führen konnte, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Beamten in Verbindung mit dem Anhörungsrecht verstossen.

28 Daraus ergibt sich, daß beide Teile des ersten Klagegrundes unbegründet sind.

Zum Klagegrund der Verletzung des Anhörungsrechts und des Artikels 26 des Statuts

Vorbringen der Parteien

29 Im Rahmen dieses zweiten Klagegrundes, der in der Erwiderung geltend gemacht wird, erklärt der Kläger, er habe zum ersten Mal in der Klagebeantwortung von der Note des Generaldirektors Kenntnis erhalten, die Beurteilungen der Qualifikationen jedes Bewerbers in bezug auf die Anforderungen für den zu besetzenden Posten enthalte. Der Kläger bemerkt ferner, in der Stellungnahme des Direktors sei angegeben worden, daß er in seiner Laufbahn keine Führungsaufgaben wahrgenommen habe; dieser Gesichtspunkt sei aber von besonderer Bedeutung gewesen. Unter diesen Umständen macht der Kläger geltend, daß die Verwaltung gegen die Verteidigungsrechte und gegen Artikel 26 des Statuts verstossen habe, indem sie es versäumt habe, ihm diese Stellungnahme mitzuteilen und sie in seine Akte aufzunehmen, ohne ihm auch nur die Möglichkeit zu geben, vom Generaldirektor in einem Gespräch angehört zu werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, er habe im Gegensatz zu der Behauptung des Direktors in dessen Stellungnahme vor seinem Dienstantritt Erfahrungen in Führungsaufgaben erworben, wie eine ganze Reihe von Bescheinigungen in seiner Personalakte bekunde. Dieser Irrtum hätte seines Erachtens ausgeräumt werden können, wenn er vom Generaldirektor angehört worden wäre. Nur in Ermangelung einer derartigen Anhörung hätte ihm also die Stellungnahme des Generaldirektors mitgeteilt werden müssen, da die darin enthaltenen Bewertungen nicht aus seinen Beurteilungen hervorgegangen seien; so hätte er gemäß Artikel 26 des Statuts Stellung nehmen können. Es sei Aufgabe der Verwaltung, zu beweisen, daß ein derartiges Versäumnis keinen bestimmenden Einfluß auf die Wahl der Anstellungsbehörde ausgeuebt habe.

30 Das Parlament legt dar, daß die genannten Stellungnahmen vorbereitende Schriftstücke interner Art für die Beförderung darstellten. Ihre Bedeutung beschränke sich auf das betreffende Verfahren, und die darin enthaltenen Bewertungen fielen demnach nicht unter Artikel 26 des Statuts. Diese Bewertungen bildeten ein untrennbares Ganzes und dürften den Betroffenen nicht mitgeteilt werden, um den nötigen vertraulichen Charakter sowohl im Interesse eines reibungslosen Dienstbetriebs als auch im Interesse der Bewerber zu wahren.

31 Ausserdem hat das Parlament in der Sitzung ausgeführt, daß die vorgenannten Noten im Unterschied zur Rechtssache Rittweger/Kommission (Urteil vom 3. Februar 1971 in der Rechtssache 21/70, Slg. 1971, 7) keinen entscheidenden und unmittelbaren Einfluß auf die angefochtenen Entscheidungen ausgeuebt hätten, die sich im wesentlichen auf eine Abwägung der Beurteilungen gründeten.

Würdigung durch das Gericht

32 Nach Artikel 26 des Statuts enthält die Personalakte des Beamten "a) (insbesondere) jede Beurteilung seiner Befähigung, Leistung und Führung" und "b) die Stellungnahmen des Beamten zu den Vorgängen nach Buchstabe a)". Dieser Artikel bestimmt weiter, daß "das Organ Schriftstücke nach Buchstabe a) dem Beamten nur dann entgegenhalten oder gegen ihn verwerten [darf], wenn sie ihm vor Aufnahme in die Personalakte mitgeteilt worden sind". Nach Artikel 43 des Statuts wird die regelmässig erstellte Beurteilung über Befähigung, Leistung und dienstliche Führung jedes Beamten dem Betroffenen mitgeteilt, der "berechtigt [ist], der Beurteilung alle Bemerkungen hinzuzufügen, die er für zweckdienlich hält".

33 Nach ständiger Rechtsprechung haben diese Bestimmungen den Zweck, den Anspruch des Beamten auf Verteidigung zu gewährleisten und zu verhindern, daß Entscheidungen der Anstellungsbehörde, die sein Dienstverhältnis und seine Laufbahn berühren, aufgrund von Tatsachen in bezug auf sein Verhalten getroffen werden, die in seiner Personalakte nicht erwähnt sind. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, daß eine auf solche Tatsachen gestützte Entscheidung gegen die Garantien des Statuts verstösst und aufzuheben ist, weil sie in einem fehlerhaften Verfahren ergangen ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes in der vorgenannten Rechtssache Rittweger/Kommission, Randnrn. 29 bis 41, vom 28. Juni 1972 in der Rechtssache 88/71, Brasseur/Parlament, Slg. 1972, 499, Randnrn. 9 bis 11, und vom 12. Februar 1987 in der Rechtssache 233/85, Bonino/Kommission, Slg. 1987, 739, Randnr. 11, sowie Urteil des Gerichts vom 5. Dezember 1990 in der Rechtssache T-82/89, Marcato/Kommission, Slg. 1990, II-735, Randnr. 78).

34 Unter diesen Umständen betreffen die vorgenannten Bestimmungen grundsätzlich nicht die Stellungnahmen derjenigen Vorgesetzten, die in einem Beförderungs- oder Versetzungsverfahren konsultiert werden. Solche Stellungnahmen brauchen nämlich den betroffenen Bewerbern nicht bekanntgegeben zu werden, da sie nur eine vergleichende Bewertung ihrer Qualifikationen und Verdienste enthalten, die sich auf Tatsachen gründet, die in der Personalakte der Betroffenen erwähnt sind oder ihnen mitgeteilt wurden, so daß diese bereits die Möglichkeit hatten, ihre Bemerkungen vorzubringen. Diese Stellungnahmen haben also eine Bedeutung, die sich auf das betreffende Ernennungsverfahren beschränkt. Sie sind Ausdruck des Ermessens, über das die Verwaltung auf diesem Gebiet verfügt, und fallen nicht unter die Bestimmungen des Artikels 26 des Statuts, die das Verteidigungsrecht des Beamten gewährleisten und somit der Verwaltung ermöglichen sollen, sich in voller Sachkenntnis zu äussern.

35 Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn diese Stellungnahmen ausser den Bewertungen, die sich aus der Abwägung der Bewerbungen ergeben, auch Tatsachen bezueglich der Befähigung, Leistung oder dienstlichen Führung eines Bewerbers enthalten, die vorher nicht in seine Personalakte aufgenommen worden sind. In einem solchen Fall ist die Verwaltung nach Artikel 26 verpflichtet, diese Tatsachen zur Personalakte des Betroffenen zu nehmen, wie der Gerichtshof in seinem vorgenannten Urteil Bonino/Kommission, Randnr. 12, entschieden hat. Doch ist festzustellen, daß nach gefestigter Rechtsprechung die Entscheidung über die Ablehnung einer Bewerbung und die Entscheidung über die Ernennung eines anderen Bewerbers nur dann bei unterbliebener Mitteilung der vorgenannten Tatsachen an den Betroffenen, die ihm die Abgabe von Bemerkungen ermöglichen soll, fehlerhaft werden, wenn diese Tatsachen "einen bestimmenden Einfluß auf die von der Anstellungsbehörde getroffene Wahl gehabt haben" (vgl. vorgenannte Urteile Rittweger/Kommission, Randnr. 35, und Brasseur/Parlament, Randnr. 18).

36 Angesichts dieser Grundsätze ist vorab festzustellen, daß im Gegensatz zu den Behauptungen des Klägers das Ergebnis der Bewertung seiner Befähigung in bezug auf die speziellen Erfordernisse des von ihm angestrebten Postens ihm auf keinen Fall mitgeteilt und in seine Personalakte aufgenommen werden musste. Ebensowenig hatte der Kläger Anspruch auf Anhörung durch den Generaldirektor, um seine Bewerbung im Stadium der Abwägung der Bewerbungen zu untermauern, da diese in das Ermessen der Verwaltung fällt und somit keinen kontradiktorischen Charakter haben kann. Dies wird nicht durch den vom Kläger geltend gemachten Umstand beeinflusst, daß sich die betreffenden vergleichenden Bewertungen nicht aus seinen Beurteilungen ergaben. Nach Artikel 45 Absatz 1 des Statuts erstreckt sich nämlich die Abwägung nicht nur auf die Beurteilungen, sondern auch auf die jeweiligen Verdienste der Beförderungsanwärter. Wie aber das Gericht in seinem Urteil vom 25. Februar 1992 in der Rechtssache T-11/91 (Schloh/Rat, Slg. 1992, II-203, Randnr. 52) entschieden hat, beruht die Bewertung solcher Verdienste auf einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten, die nicht notwendigerweise in den Personalakten enthalten sind.

37 Zu dem Vorbringen des Klägers, es hätte ihm aufgrund der Verteidigungsrechte und nach Artikel 26 des Statuts entweder die Stellungnahme des Generaldirektors, wonach er keine Erfahrung in Führungsaufgaben habe, mitgeteilt werden müssen oder er hätte vorher vom Generaldirektor angehört werden müssen, um diese Behauptung zu widerlegen, bemerkt das Gericht, daß es dem Kläger freistand, seiner Bewerbung alle ihm nützlich erscheinenden Informationen, insbesondere über seine Erfahrung aus der Zeit vor seinem Dienstantritt bei dem Beklagten, beizufügen, selbst wenn Bescheinigungen über diese Erfahrung zu seiner Personalakte genommen worden waren, wie er in der Sitzung erklärt hat. Es ist jedoch festzustellen, daß eine derartige Erfahrung für die Entwicklung der Laufbahn des Beamten nicht denselben entscheidenden Wert haben konnte wie die bei den Gemeinschaften erworbene Erfahrung und insbesondere die von seinen Vorgesetzten vorgenommenen Bewertungen seiner Leistungen bei der Ausübung seiner Tätigkeit.

38 Es genügt daher die Feststellung, daß der Hinweis in der betreffenden Stellungnahme auf eine fehlende Erfahrung des Klägers in Führungstätigkeiten in der Weise zu verstehen ist, daß er sich eher auf Aufgaben bezieht, die der Betroffene während seiner Beamtenlaufbahn übernommen hat. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt sich, daß diese Stellungnahme nicht im Widerspruch zu den Beurteilungen des Klägers stand und daher nicht nach Artikel 26 des Statuts zu seiner Personalakte zu nehmen war.

39 Darüber hinaus stellt das Gericht fest, daß der Hinweis auf eine fehlende Erfahrung bei Führungsaufgaben keinen bestimmenden Einfluß auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen gehabt hat. Die Prüfung des Akteninhalts und insbesondere der Beurteilungen zeigt nämlich, daß eine Gegenüberstellung der Werturteile in der Beurteilung des Klägers und der des beförderten Bewerbers ausreichend Gründe für den Vorzug liefert, den die Verwaltung diesem Bewerber in jeder der aufeinanderfolgenden Phasen des betreffenden Verfahrens gegeben hat. Aus der Entscheidung vom 25. Juni 1992 über die Zurückweisung der Beschwerde geht ausdrücklich hervor, daß die Wahl der Anstellungsbehörde im wesentlichen auf einer Abwägung der Beurteilungen beruhte. Die Anstellungsbehörde hat in dieser Entscheidung bekräftigt, daß der Direktor und danach der Generaldirektor eine detaillierte, gründliche und vergleichende Untersuchung dieser Beurteilungen vorgenommen hätte, und sodann erklärt, es habe sich "schon in diesem Stadium gezeigt, daß unabhängig von der Güte [der] Verdienste und persönlichen Kenntnisse [des Klägers seine] Beurteilung unter derjenigen mehrerer anderer Bewerber liegt, die besser als [er] den in der Stellenausschreibung Nr. 6776 vorausgesetzten Bedingungen und Qualifikationen gerecht werden". Nach den in der Klagebeantwortung enthaltenen Angaben war die Bewertung des beförderten Bewerbers für den Bezugszeitraum 1989/1991 brutto um fünf Punkte und in bereinigten Werten um neun Punkte besser als diejenige des Klägers. Angesichts dieses grossen Abstands dürften die vom Kläger bestrittenen Gesichtspunkte, auf die sich die Stellungnahmen des Direktors und des Generaldirektors bezueglich seiner Erfahrung bei Führungsaufgaben beziehen, keinen bestimmenden Einfluß auf die Wahl der Anstellungsbehörde gehabt haben.

40 Unter diesen Umständen kann die Tatsache, daß diese Gesichtspunkte dem Kläger nicht mitgeteilt und nicht in seine Akte aufgenommen wurden, keinesfalls eine Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidungen herbeiführen.

41 Aus all diesen Erwägungen ergibt sich, daß der zweite Klagegrund, der auf der Verletzung des Verteidigungsrechts und des Artikels 26 des Statuts beruht, zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Jedoch tragen gemäß Artikel 88 der Verfahrensordnung in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten die Organe ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück