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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 22.11.1991
Aktenzeichen: T-77/91 R
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 176
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Da das beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Gerichts gemäß Artikel 53 der EWG-Satzung des Gerichtshofes keine aufschiebende Wirkung hat, muß die Partei, die die Aussetzung der Durchführung des Urteils des Gerichts erreichen will, gegen das sie ein Rechtsmittel eingelegt hat, dies gemäß Artikel 185 EWG-Vertrag beim Gerichtshof beantragen.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 22. NOVEMBER 1991. - INGFRIED HOCHBAUM GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - VORLAEUFIGE MASSNAHMEN - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS EINES URTEILS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ - ZURUECKWEISUNG DES ANTRAGS. - RECHTSSACHE T-77/91 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Antragsteller hat mit Klageschrift, die am 30. Oktober 1991 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eingegangen ist, die Aufhebung der Entscheidung der Kommission, das Verfahren zur Besetzung der unter dem Bezugszeichen KOM/108/91 ausgeschriebenen Planstelle zu eröffnen, und der Entscheidung der Kommission, die Frist für die Eintragung der Bewerbungen für diese Planstelle zu verlängern, beantragt.

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller gemäß den Artikeln 185 EWG-Vertrag und 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts beantragt, das Verfahren zur Besetzung der unter dem Bezugszeichen KOM/108/91 ausgeschriebenen Planstelle bis zum Tag der Verkündung des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-107/90 P und gegebenenfalls des darauf ergehenden Urteils des Gerichts auszusetzen.

3 Die Kommission hat zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung am 12. November 1991 schriftlich Stellung genommen.

4 Vor Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung ist der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt kurz wiederzugeben.

5 Mit Urteil vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache T-38/89 wies das Gericht (Dritte Kammer) die vom Kläger erhobene Klage ab, die auf Aufhebung der Entscheidungen der Kommission gerichtet war, mit denen die Stellenausschreibung KOM/902/84 aufgehoben und die Stellenausschreibung KOM/83/87 angeordnet worden war; beide Stellenausschreibungen bezogen sich auf ein Verfahren zur Besetzung der Stelle des Leiters der Abteilung "Öffentliche Unternehmen und Staatsmonopole" in der Generaldirektion Wettbewerb (GD IV) der Kommission, das mit der Ernennung des Beamten Paul Waterschoot geendet hatte.

6 Mit Rechtsmittelschrift, die am 17. April 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes einging, legte der Antragsteller gegen dieses Urteil Rechtsmittel ein mit der Begründung, das Urteil sei unter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht erlassen worden. Die mündliche Verhandlung vor dem Gerichtshof fand am 24. September 1991 statt. Generalanwalt Tesauro trug seine Schlussanträge am 15. Oktober 1991 vor.

7 Nachdem Herr Waterschoot mit Wirkung vom 1. Mai 1991 zum Direktor in der GD XXIII, Direktion A, der Kommission befördert und ernannt worden war, veröffentlichte die Kommission am 1. August 1991 die Stellenausschreibung KOM/108/91 zur Besetzung der Stelle des Leiters der Abteilung IV.A.5 "Öffentliche Unternehmen, Staatsmonopole, Durchführung von Artikel 101/102", die zuvor von Herrn Waterschoot besetzt war.

8 Das Ende der Frist für die Eintragung der Bewerbungen wurde zunächst auf den 11. September 1991, 17 Uhr, festgesetzt und dann bis zum 26. September 1991, 12 Uhr, verlängert.

9 Mit Schreiben vom 17. September 1991 machte der Beistand des Antragstellers gegenüber der Kommission geltend, daß sie durch eine Entscheidung, mit der die streitige Stelle besetzt würde, gehindert wäre, die sich aus einem etwaigen Urteil zugunsten des Klägers ergebenden Maßnahmen zu erlassen, wie es Artikel 176 EWG-Vertrag vorschreibe. Dieser Antrag sei nicht beschieden worden.

10 Unter diesen Umständen legte der Antragsteller am 28. Oktober 1991 eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ein, die sowohl gegen die Entscheidung der Kommission, das Verfahren zur Besetzung der unter dem Bezugszeichen KOM/108/91 ausgeschriebenen Planstelle zu eröffnen, als auch gegen ihre Entscheidung, die Frist für die Eintragung der Bewerbungen für diese Planstelle zu verlängern, gerichtet war.

Entscheidungsgründe

11 Gemäß Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts hat der Antragsteller die Umstände anzuführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, und die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

12 Der Antragsteller hält solche Umstände im vorliegenden Fall für gegeben. Indem nämlich die Kommission in diesem Stadium das Verfahren zur Besetzung der durch die Beförderung von Herrn Waterschoot freigewordenen Stelle des Leiters der Abteilung IV.A.5 eröffne, bringe sie sich wissentlich in eine Lage, die es nicht mehr zulasse, das Verfahren der unter dem Bezugszeichen KOM/902/84 veröffentlichten Stellenausschreibung wieder zu eröffnen, und sie könnte folglich nicht, wie in Artikel 176 EWG-Vertrag vorgeschrieben, die Maßnahmen ergreifen, die sich aus einem Urteil, durch das das Urteil des Gerichts vom 14. Februar 1990 aufgehoben würde, sowie gegebenenfalls aus dem darauf ergehenden Urteil des Gerichts ergäben. Damit werde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, in die 1984 als frei ausgeschriebene Stelle eingewiesen zu werden, deren Besetzung nach wie vor Gegenstand eines Rechtsstreits vor dem Gerichtshof sei, wodurch ihm ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen könne.

13 Mit seiner Klage rügt der Antragsteller auch, daß dadurch gegen die Artikel 7 und 29 und gegen Anhang I des Statuts verstossen worden sei, daß sich die Kommission das Recht angemasst habe, die Stelle eines Abteilungsleiters, die ausschließlich Beamten der Besoldungsgruppe A 3 vorbehalten sei, durch Ernennung eines Beamten der Besoldungsgruppe A 5 zu besetzen. Weiter wirft der Antragsteller der Kommission vor, sie habe gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstossen, indem sie ihm, obwohl er sich beworben habe, nicht die Gründe für ihren Beschluß mitgeteilt habe, die Frist für die Eintragung von Bewerbungen für die freie Stelle zu verlängern, und sie habe ihr Ermessen sowie das Verfahren mißbraucht, da die Verlängerung der Frist für die Abgabe der Bewerbungen den Zweck gehabt habe, einem in das Kabinett eines Mitglieds der Kommission abgeordneten Beamten die Möglichkeit zu geben, sich zu bewerben und so "legal" in diese Stelle eingewiesen zu werden.

14 Die Kommission führt erstens aus, daß der Antragsteller nicht nachgewiesen habe, daß ihm durch die Fortsetzung des Stellenausschreibungsverfahrens KOM/108/91 ein schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen könne.

15 Sie macht insoweit zunächst geltend, daß gemäß Artikel 53 der EWG-Satzung des Gerichtshofes Rechtsmittel gegen Urteile des Gerichts unbeschadet des Rechts, beim Gerichtshof die Aussetzung der Wirkungen des Urteils oder den Erlaß von Sicherungsmaßnahmen zu beantragen, keine aufschiebende Wirkung hätten. Daraus ergebe sich, daß die Kommission das Ausschreibungsverfahren KOM/108/91 im Einklang mit dem Urteil des Gerichts vom 14. Februar 1990 wirksam habe eröffnen können.

16 Ausserdem sei die Anstellungsbehörde nach ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 9. Februar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 316/82 und 40/83, Kohler/Rechnungshof, Slg. 1984, 641, Randnr. 22) selbst dann nicht verpflichtet, das alte Verfahren zur Besetzung der ausgeschriebenen Stelle wiederaufzunehmen, wenn der Gerichtshof das Urteil des Gerichts vom 14. Februar 1990 und das Gericht gegebenenfalls die Entscheidung der Kommission aufheben sollte, mit der die Stellenausschreibung KOM/902/84 aufgehoben werde. Falls das Gericht in der vorliegenden Rechtssache der Klage des Antragstellers stattgebe, würden allein schon durch ein solches Urteil die Interessen des Antragstellers hinreichend geschützt.

17 Zweitens bestuenden schwerwiegende Zweifel hinsichtlich der Begründetheit der Klage. Man könne der Antragsgegnerin keinerlei Verstoß gegen Artikel 176 EWG-Vertrag vorwerfen, da bis heute weder der Gerichtshof noch das Gericht eine Entscheidung erlassen hätten, deren Durchführung die Eröffnung des Einstellungsverfahrens KOM/108/91 in Frage stellen könne.

18 Ausserdem enthalte die Klageschrift keinerlei Argument, mit dem sich begründen ließe, daß durch die Veröffentlichung einer Ausschreibung für eine Stelle der Besoldungsgruppe A 3/A 4/A 5 gegen die Artikel 7 und 29 des Statuts verstossen worden sei, oder inwiefern die Verlängerung der Bewerbungsfrist für die als frei erklärte Stelle eine den Antragsteller beschwerende Maßnahme darstelle. Zum Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht und des Ermessens- und Verfahrensmißbrauchs schließlich führt die Antragsgegnerin aus, daß der Beratende Ausschuß für Ernennungen sie in seiner Stellungnahme vom 29. Oktober 1991 aufgefordert habe, die Bewerbungen von zwei Beamten der GD IV zu berücksichtigen, was genüge, um die Behauptung des Antragstellers zu widerlegen, die Verlängerung der Frist für die Einreichung von Bewerbungen sei zu dem rechtswidrigen Zweck erfolgt, einem in ein Kabinett abgeordneten Beamten zu ermöglichen, sich in die streitige Stelle einweisen zu lassen.

19 Vorab ist festzustellen, daß gemäß Artikel 53 der EWG-Satzung des Gerichtshofes ein beim Gerichtshof gegen eine Entscheidung des Gerichts eingelegtes Rechtsmittel - unbeschadet der Artikel 185 und 186 EWG-Vertrag, die dem Gerichtshof die Möglichkeit geben, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung auszusetzen oder andere einstweilige Anordnungen zu treffen - keine aufschiebende Wirkung hat.

20 Vorliegend hat der Antragsteller im Rahmen des von ihm beim Gerichtshof eingelegten Rechtsmittels nicht die Aussetzung der Durchführung des Urteils des Gerichts beantragt.

21 Indem der Antragsteller beim Präsidenten des Gerichts die Aussetzung des Verfahrens zur Besetzung der streitigen Stelle mit der Begründung beantragt, die Kommission könne nicht mehr die Durchführungsmaßnahmen treffen, die sich aus einem Urteil des Gerichtshofes, mit dem das Urteil des Gerichts aufgehoben würde, und gegebenenfalls aus dem darauf folgenden Urteil des Gerichts ergäben, begehrt er vom Präsidenten des Gerichts in Wirklichkeit einen Beschluß, der die Wirkungen des Urteils des Gerichts vom 14. Februar 1990 aussetzt, bis in dieser Rechtssache das Rechtsmittelverfahren gegen dieses Urteil durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen worden ist.

22 Zur Erlangung einer solchen aufschiebenden Wirkung hätte der Antragsteller gemäß Artikel 53 der EWG-Satzung des Gerichtshofes beim Gerichtshof die Aussetzung der Durchführung des Urteils des Gerichts beantragen müssen.

23 Ausserdem ist festzustellen, daß dem Gericht, wie sich aus den Artikeln 110 und 123 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ergibt, die Möglichkeit, die Vollstreckung einer von ihm erlassenen Entscheidung auszusetzen, nur im Fall eines Antrags auf Aussetzung der Zwangsvollstreckung, der gemäß den Artikeln 44 und 92 EGKS-Vertrag, 187 und 192 EWG-Vertrag sowie 159 und 164 EAG-Vertrag gestellt wurde, oder eines Drittwiderspruchs gegeben ist.

24 Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist der vom Antragsteller beim Gericht gestellte Antrag auf einstweilige Anordnung als unzulässig zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

der Präsident des Gerichts

im Verfahren der einstweiligen Anordnung beschlossen:

1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 22. November 1991.

Ende der Entscheidung

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