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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 15.01.1997
Aktenzeichen: T-77/95
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 86
EG Art. 89 Abs. 1
EG Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verleiht demjenigen, der eine Beschwerde nach diesem Artikel einlegt, keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne des Artikels 189 des Vertrages über das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertrages. Ferner ist die Kommission berechtigt, der Prüfung der bei ihr erhobenen Beschwerden eine unterschiedliche Priorität einzuräumen und eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie feststellt, daß in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse an einer Fortführung der Untersuchung der Sache besteht. Auch wenn die Kommission bereits eine Voruntersuchung des beanstandeten Sachverhalts im Hinblick auf einen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des Vertrages durchgeführt hat, schließt dies nicht aus, daß sie ihre Entscheidung allein auf das Fehlen eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses stützt.

2 Die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses an einer bei der Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erhobenen Beschwerde beruht notwendig auf einer unter der Kontrolle des Gerichts durchgeführten Untersuchung der Umstände des konkreten Falles.

Angesichts des allgemeinen, der Tätigkeit der Gemeinschaft in Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages gesetzten Zieles, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt, und der der Kommission durch die Artikel 89 Absatz 1 und 155 des Vertrages übertragenen Überwachungsaufgabe ist diese zu der Entscheidung befugt, es sei nicht angebracht, einer Beschwerde, mit der später eingestellte Verhaltensweisen beanstandet werden, stattzugeben, sofern sie diese Entscheidung begründet. Dies gilt erst recht, wenn diese Abstellung, wie im vorliegenden Fall, das Ergebnis einer Handlung der Kommission ist. Es ist unwesentlich, auf welche Rechtsgrundlage eine Entscheidung gestützt wird, durch die die beanstandeten Praktiken abgestellt werden, da allein die Wirkung dieser Entscheidung zu berücksichtigen ist.

In einem solchen Fall würde die Untersuchung der Sache und die Feststellung früherer Zuwiderhandlungen nicht mehr dem Interesse dienen, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen, und entspräche damit nicht mehr der der Kommission durch den Vertrag übertragenen Aufgabe. Das Ziel eines solchen Verfahrens bestuende im wesentlichen darin, es den Beschwerdeführern zu erleichtern, im Hinblick auf die Erlangung von Schadensersatz vor den nationalen Gerichten ein Fehlverhalten zu beweisen.

3 Die nach Artikel 190 des Vertrages vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß die Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme erkennen und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben können. Erlässt die Kommission eine Entscheidung, mit der sie eine bei ihr erhobene Beschwerde wegen Fehlens eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses zurückweist, so kann sie sich nicht damit begnügen, sich abstrakt auf das Gemeinschaftsinteresse zu berufen. Sie hat vielmehr die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darzulegen, die sie zu dem Ergebnis geführt haben, daß ein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse an der Einleitung von Untersuchungsmaßnahmen nicht bestehe.

4 Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn sie nach objektiven, maßgeblichen und übereinstimmenden Anhaltspunkten offensichtlich ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen worden ist.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 15. Januar 1997. - Syndicat français de l'express international, DHL international, Service CRIE und May Courier gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Nichtigkeitsklage - Zurückweisung einer Beschwerde - Gemeinschaftsinteresse. - Rechtssache T-77/95.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Am 21. Dezember 1990 erhob das Syndicat français de l'expreß international (SFEI), dessen Mitglieder die drei anderen Klägerinnen sind, eine Beschwerde bei der Kommission, die auf die Feststellung gerichtet war, daß der französische Staat gegen die Artikel 92 ff. EWG-Vertrag (nunmehr EG-Vertrag, im folgenden: Vertrag) verstossen hatte.

2 Am 18. März 1991 fand in Brüssel ein formloses Treffen zwischen Vertretern des SFEI und der Kommission statt. Spätestens bei diesem Treffen wurde die Frage eines eventuellen Verstosses der französischen Post (im folgenden: Post) als Unternehmen gegen Artikel 86 sowie des französischen Staates gegen Artikel 90 und die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 86 des Vertrages angeschnitten.

3 Der Meinungsaustausch lässt sich nach den Ausführungen der Kläger, denen die Kommission nicht widersprochen hat, wie folgt zusammenfassen.

4 Im Hinblick auf Artikel 86 beanstandeten die Kläger die logistische und unternehmerische Unterstützung, die die Post ihrer auf dem Gebiet der internationalen Eilkurierdienste tätigen Tochtergesellschaft Société française de messageries internationales (seit 1992 GDEW France, im folgenden: SFMI) gewähre.

5 Zur logistischen Unterstützung machten die Kläger geltend, die Post stelle ihre Infrastrukturen für das Abholen, Sortieren, Befördern, Verteilen und Zustellen der Postsendungen an den Kunden zur Verfügung, es gebe ein normalerweise der Post vorbehaltenes günstigeres Zollabfertigungsverfahren und der SFMI würden günstigere finanzielle Bedingungen eingeräumt. In bezug auf die unternehmerische Unterstützung beanstandeten die Kläger die Übertragung von Teilen des Geschäftsvermögens, wie des Kundenstamms, und Werbe- und Verkaufsförderungsmaßnahmen, die von der Post zugunsten der SFMI durchgeführt würden.

6 Die mißbräuchliche Ausnutzung habe darin bestanden, daß die Post ihre Infrastruktur zu ungewöhnlich günstigen Bedingungen von ihrer Tochtergesellschaft SFMI habe benutzen lassen, um auf diese Weise ihre beherrschende Stellung vom Markt für Basispostleistungen auf den verbundenen Markt der internationalen Eilkurierdienste auszudehnen. Dieser Mißbrauch habe zu Quersubventionen zugunsten der SFMI geführt.

7 Zu den Artikeln 90 sowie 3 Buchstabe g, 5 und 86 des Vertrages machten die Kläger geltend, die rechtswidrige Unterstützung der Post für ihre Tochtergesellschaft beruhe auf mehreren Weisungen und Richtlinien des französischen Staates.

8 Mit Schreiben an den Vorstand des SFEI vom 10. März 1992 wies die Kommission die auf Artikel 86 des Vertrages gestützte Beschwerde zurück.

9 Am 16. Mai 1992 erhoben das SFEI, die DHL International, die Service Crie und die May Courier gegen diese Entscheidung eine Nichtigkeitsklage, die vom Gericht für unzulässig erklärt wurde (Beschluß vom 30. November 1992 in der Rechtssache T-36/92, SFEI u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2479). Auf Rechtsmittel hob der Gerichtshof diesen Beschluß auf und verwies die Sache zurück an das Gericht (Urteil vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C-39/93 P, SFEI u. a./Kommission, Slg. 1994, I-2681).

10 Mit Schreiben vom 4. August 1994 hob die Kommission die den Gegenstand des Verfahrens in der Rechtssache T-36/92 bildende Entscheidung auf. Das Gericht erklärte daher die Hauptsache für erledigt (Beschluß vom 3. Oktober 1994 in der Rechtssache T-36/92, SFEI u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

11 Am 29. August 1994 forderte das SFEI die Kommission gemäß Artikel 175 des Vertrages auf, tätig zu werden.

12 Am 28. Oktober 1994 richtete die Kommission ein Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, 127, 2268) an das SFEI, in dem sie diesem mitteilte, daß sie die Beschwerde zurückzuweisen beabsichtige.

13 Mit Schreiben vom 28. November 1994 übermittelte das SFEI der Kommission seine Bemerkungen und forderte sie auf, ihm gegenüber eine endgültige Entscheidung zu erlassen.

14 Am 30. Dezember 1994 erließ die Kommission die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildende Entscheidung (streitige Entscheidung). Diese wurde dem SFEI am 4. Januar 1995 mitgeteilt.

15 Die in Form eines Schreibens des Mitglieds der Kommission Van Miert erlassene streitige Entscheidung hat folgenden Inhalt (Numerierung der Absätze nicht wiedergegeben):

"Die Kommission bezieht sich auf Ihre am 21. Dezember 1990 bei meinen Dienststellen eingegangene Beschwerde, der eine Abschrift einer am 20. Dezember 1990 beim französischen Conseil de la concurrence erhobenen Beschwerde beigefügt war. Beide Beschwerden betrafen die internationalen Eilkurierdienste der französischen Postverwaltung.

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1994 teilte Ihnen die Kommission gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 mit, daß es die von ihr im Rahmen der Untersuchung der Sache ermittelten Umstände nicht rechtfertigten, Ihrer Beschwerde stattzugeben, soweit diese auf Artikel 86 des Vertrages gestützt werde, und forderte Sie auf, hierzu Stellung zu nehmen.

In Ihrer Stellungnahme vom 28. November 1994 hielten Sie an Ihrer Auffassung hinsichtlich des Vorliegens eines Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung durch die französische Post und die SFMI fest.

Die Kommission teilt Ihnen daher unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme mit dem vorliegenden Schreiben ihre endgültige Entscheidung über Ihre Beschwerde vom 21. Dezember 1990 betreffend die Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 86 mit.

Die Kommission ist aus den in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 1994 dargestellten Gründen der Auffassung, daß im vorliegenden Fall keine ausreichenden Nachweise für eine Fortdauer der angeblichen Zuwiderhandlungen vorliegen, so daß Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden kann. Insoweit ergibt sich aus Ihrer Stellungnahme vom 28. November 1994 kein neuer Gesichtspunkt, der es der Kommission ermöglichen würde, dieses auf den nachstehenden Gründen beruhende Ergebnis zu ändern.

Zum einen behandeln das Grünbuch über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste und die Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste (KOM [93] 247 endg. vom 2. Juni 1993) u. a. die in der Beschwerde des SFEI im wesentlichen aufgeworfenen Fragen. Obwohl diese Dokumente nur Vorschläge für das künftige Recht enthalten, müssen sie speziell bei der Beurteilung der Frage berücksichtigt werden, ob die Kommission ihre beschränkten Mittel angemessen verwendet und ob ihre Dienststellen insbesondere eine rechtliche Regelung für den künftigen Markt für Postdienste ausarbeiten, statt von Amts wegen ihnen zur Kenntnis gebrachte angebliche Zuwiderhandlungen zu untersuchen.

Zum anderen veröffentlichte die Kommission aufgrund einer Untersuchung, die sie gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 bei dem von TNT, der Post und vier weiteren Postverwaltungen gegründeten Gemeinschaftsunternehmen (GD Net) durchgeführt hatte, ihre Entscheidung vom 2. Dezember 1991 in der Sache Nr. IV/M.102. Sie beschloß mit dieser Entscheidung, keine Einwände gegen den angemeldeten Zusammenschluß zu erheben und diesen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären. Sie wies insbesondere darauf hin, daß für das Gemeinschaftsunternehmen "durch die beabsichtigte Transaktion keine beherrschende Stellung, die den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben erheblich beeinträchtigen könnte, geschaffen oder verstärkt wird".

Einige Hauptpunkte der Entscheidung bezogen sich auf die Auswirkungen, die die Tätigkeit der ehemaligen SFMI für den Wettbewerb haben konnte: Der ausschließliche Zugang der SFMI zu den Anlagen der Post wurde in seinem Anwendungsbereich eingeschränkt und auf zwei Jahre nach der Vollendung des Zusammenschlusses befristet, so daß die SFMI jedenfalls nicht als Subunternehmer der Post tätig wurde. Der SFMI von der Post eingeräumte Zugangsrechte waren anderen Kurierdiensten, mit denen die Post einen Vertrag schloß, in gleicher Weise anzubieten.

Dieses Ergebnis entspricht in jeder Hinsicht den von Ihnen am 21. Dezember 1990 für die Zukunft vorgeschlagenen Lösungen. Sie verlangten, daß die SFMI, falls sie weiter die Leistungen der PTT in Anspruch nehmen wolle, für diese die gleichen Preise wie für die Leistungen eines privaten Unternehmens zahlen sollte; ferner forderten Sie, daß "jede Form von Unterstützung und Diskriminierung abgestellt wird" und daß "die SFMI ihre Preise an den tatsächlichen Wert der von der Post angebotenen Leistungen anpasst".

Die von Ihnen angesprochenen Probleme für den gegenwärtigen und künftigen Wettbewerb auf dem Gebiet der internationalen Eilkurierdienste sind also offensichtlich durch die von der Kommission nunmehr getroffenen Maßnahmen in angemessener Weise geregelt worden.

Sollten Sie der Auffassung sein, daß die Post die ihr in der Sache IV/M.102 auferlegten Bedingungen insbesondere auf dem Gebiet der Beförderung und der Werbung nicht eingehalten hat, so ist es Ihre Sache, soweit möglich, hierfür Beweise beizubringen, und eventuell eine Beschwerde gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu erheben. Die Behauptungen, "die gegenwärtigen Tarife der SFMI (ohne etwaige Rabatte) sind weiterhin wesentlich niedriger als die Tarife der Mitglieder des SFEI" (Seite 3 Ihres Schreibens vom 28. November) oder "Chronopost verwendet die Lastwagen der PTT als Werbeträger" (Feststellungsprotokoll in der Anlage zu Ihrem Schreiben) müssten jedoch durch Tatsachen gestützt werden, die eine Untersuchung durch die Kommission rechtfertigen.

Die Maßnahmen der Kommission nach Artikel 86 des Vertrages sind auf die Erhaltung eines echten Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt gerichtet. Für den Gemeinsamen Markt für internationale Eilkurierdienste hätte die Kommission, in Anbetracht der wesentlichen oben dargestellten Entwicklung, eine Untersuchung der fraglichen Tätigkeiten nur rechtfertigen können, wenn neue Informationen über etwaige Verstösse gegen Artikel 86 geliefert worden wären.

Im übrigen hält sich die Kommission nicht für verpflichtet, möglicherweise früher begangene Verstösse gegen die Wettbewerbsregeln zu untersuchen, wenn eine solche Untersuchung nur bezweckt oder bewirkt, daß den individuellen Interessen der Parteien gedient wird. Nach Auffassung der Kommission besteht nach Artikel 86 des Vertrages kein Interesse an einer solchen Untersuchung.

Ich teile Ihnen mit, daß Ihre Beschwerde aus den angeführten Gründen zurückgewiesen wird."

Verfahren

16 Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 6. März 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

17 Am 2. Oktober 1996 hat das Plenum des Gerichts gemäß den Artikeln 14 und 51 der Verfahrensordnung des Gerichts beschlossen, die Rechtssache, die zunächst der Dritten erweiterten Kammer zugewiesen worden war, an die Dritte Kammer zu verweisen.

18 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Im Rahmen von prozeßleitenden Anordnungen hat es jedoch die Parteien zur Beantwortung einiger schriftlicher Fragen aufgefordert; diese haben jeweils mit Schreiben vom 30. Oktober 1996 geantwortet.

19 In der Sitzung vom 14. November 1996 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

20 Die Kläger beantragen,

- die Entscheidung SG (94) D/19144 der Kommission vom 30. Dezember 1994 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

In ihrer Erwiderung beantragen die Kläger ferner,

- gegebenenfalls die Vorlage aller Unterlagen anzuordnen, die beweisen, (a) daß die in der Sache GD Net eingegangenen Verpflichtungen erfuellt und die Quersubventionen eingestellt wurden, und (b) daß es die Kommission bewusst (insbesondere um eine allgemeine politische Regelung der Frage der Liberalisierung des Postsektors zu begünstigen) abgelehnt hat, die Konsequenzen aus den von den Klägern beanstandeten und von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln zu ziehen.

21 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- den Klägern die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages

Vorbringen der Parteien

22 Nach Auffassung der Kläger ergibt sich aus dem Ablauf des Verfahrens in dieser Sache, u. a. aus dem Treffen vom 18. März 1991, den erwähnten Schreiben der Kommission vom 10. März 1992, vom 4. August 1994, vom 28. Oktober 1994 und vom 30. Dezember 1994, der Prüfung der von der Kommission in der Rechtssache T-36/92 eingereichten Schriftsätze und dem genannten Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1994 eindeutig, daß die Kommission den von den Klägern in ihrer Beschwerde beanstandeten Sachverhalt anhand von Artikel 86 des Vertrages geprüft, und nicht nur, wie von ihr nunmehr behauptet, untersucht hat, ob ein Gemeinschaftsinteresse an der Einleitung einer Untersuchung bestehe. Da die Kommission somit offensichtlich Artikel 86 des Vertrages angewendet habe, habe sie in zweierlei Hinsicht gegen diesen verstossen.

23 Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, indem die Kommission die Zurückweisung der Beschwerde auf Folgerungen gestützt habe, die sie aus einer Entscheidung zur Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (Entscheidung 91/C 322/14 der Kommission vom 2. Dezember 1991 in der Sache Nr. IV/M.102 - TNT/Kanada Post, DBP Postdienst, La Poste, PTT Post and Sweden Post, ABl. 1991, C 322, S. 19, Entscheidung GD Net) gezogen habe, habe sie aus folgenden drei Gründen gegen Artikel 86 verstossen.

24 Erstens habe die Kommission rechtsfehlerhaft gehandelt, da das Verfahren und die Kriterien für die Beurteilung der von ihr zu würdigenden Sachverhalte sich je nachdem unterschieden, ob Artikel 86 oder die Verordnung Nr. 4064/89 angewendet wurde.

25 Zweitens habe sie nicht auf die Entscheidung GD Net Bezug nehmen können, da die Parteien und der Sachverhalt nicht die von der Beschwerde betroffenen seien.

26 Die Kommission habe drittens rechtsfehlerhaft die Grundsätze nicht beachtet, die sie selbst für die Beurteilung der Rechtmässigkeit von Quersubventionen - wie sie in der Beschwerde unter Bezugnahme auf Artikel 86 des Vertrages beanstandet würden - aufgestellt habe, und sich auf unangemessene Rechtserwägungen gestützt habe.

27 Mit dem zweiten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, daß die Kommission, obwohl sie erkannt habe, daß verschiedene mit Artikel 86 des Vertrages unvereinbare Situationen bestuenden, im wesentlichen aus politischen Gründen beschlossen habe, gegen diese nicht vorzugehen, und auf diese Weise für Zuwiderhandlungen, die sie feststellen müsse, eine Befreiung gewährt habe.

28 Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen. Sie habe nicht Artikel 86 des Vertrages angewendet, sondern die Beschwerde allein deshalb zurückgewiesen, weil an ihrer Prüfung kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse bestanden habe.

Würdigung durch das Gericht

29 Nach ständiger Rechtsprechung verleiht Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), demjenigen, der eine Beschwerde nach diesem Artikel einlegt, keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne des Artikels 189 des Vertrages über das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertrages (u. a. Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-114/92, BEMIM/Kommission, Slg. 1995, II-147, Randnr. 62). Ferner ist die Kommission berechtigt, eine Beschwerde zurückzuweisen, wenn sie feststellt, daß in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse besteht, das die Fortführung der Untersuchung der Sache rechtfertigen könnte (Urteil BEMIM/Kommission, Randnr. 80).

30 Im vorliegenden Fall beruht der erste Klagegrund auf einer von der Kommission bestrittenen Auslegung der streitigen Entscheidung. Diese macht nämlich geltend, die Zurückweisung der Beschwerde beruhe ausschließlich darauf, daß in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse bestehe. Es ist daher zu prüfen, worauf die Zurückweisung der Beschwerde beruht.

31 Wie die Kläger ausführen, wird nur im vorletzten Absatz der streitigen Entscheidung, der sich auf früher begangene Zuwiderhandlungen bezieht, auf das Gemeinschaftsinteresse - im übrigen implizit, da nur von Interesse die Rede ist - Bezug genommen.

32 Das Fehlen eines Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Beschwerde bildet jedoch die Grundlage der gesamten Entscheidung. Der vorletzte Absatz ist nämlich mit dem Rest der Entscheidung untrennbar verbunden. So wird in der Entscheidung zunächst darauf hingewiesen, daß der Postsektor Gegenstand einer Gesamtanalyse im Rahmen des Grünbuchs über die Postdienste (KOM [91] 476 endg. vom 11. Juni 1992; Grünbuch) und der Leitlinien für die Entwicklung der gemeinschaftlichen Postdienste (KOM [93] 247 endg. vom 2. Juni 1993, Leitlinien) sei; diese seien bei der Beurteilung der Frage, ob die Kommission ihre beschränkten Mittel in angemessener Weise verwendet habe, zu berücksichtigen. Ferner seien die speziell für den Fall der internationalen Eilkurierdienste gerügten Verstösse gegen Artikel 86 des Vertrages von der Kommission im Rahmen der Entscheidung GD Net untersucht und abgestellt worden; damit habe die Kommission ihre Aufgabe im Rahmen des Schutzes des Wettbewerbs erfuellt. Im übrigen hätten die Kläger das Fortbestehen der Zuwiderhandlungen nicht nachgewiesen; es sei nicht Aufgabe der Kommission, sich ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des individuellen Interesses der Parteien mit früheren Zuwiderhandlungen zu befassen. Es bestehe folglich für die Kommission kein Interesse daran, tätig zu werden. Die streitige Entscheidung betrifft demnach insgesamt die Frage, unter welchen Umständen für die Kommission Grund besteht, auf einem Gebiet tätig zu werden, auf dem sie ihre Befugnisse bereits ausgeuebt hat. Die Kommission sieht die Fragen als für die Gegenwart und die Zukunft in angemessener Weise geregelt an, da die Kläger das Gegenteil nicht nachgewiesen hätten.

33 Zudem hätten die der Entscheidung zugrunde gelegten Gesichtspunkte tatsächlich keinen Sinn, wenn sie als eine rechtliche Würdigung im Sinne von Artikel 86 des Vertrages anzusehen wären, da eine Definition des in geographischer und sachlicher Hinsicht zugrundezulegenden Marktes, eine Würdigung der Stellung der Post auf diesem Markt und eine Beurteilung der Praktiken anhand von Artikel 86 des Vertrages fehlen.

34 Die Zurückweisung der Beschwerde beruhte demnach allein darauf, daß unter den Umständen des vorliegenden Falles in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresses bestanden habe.

35 Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu den erwähnten Schreiben der Kommission und dem Urteil des Gerichtshofes vom 16. Juni 1994, SFEI u. a./Kommission, a. a. O. Auch wenn die Kommission bereits eine Voruntersuchung des beanstandeten Sachverhalts im Hinblick auf einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages durchgeführt hätte, würde dies nämlich nicht ausschließen, daß die streitige Entscheidung allein auf dem Fehlen eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses beruht (Urteil BEMIM/Kommission, a. a. O., Randnr. 81).

36 Da die Kommission zu dem Ergebnis gekommen ist, daß in der Sache kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse bestehe, und sie folglich die beanstandeten Praktiken nicht anhand von Artikel 86 des Vertrages gewürdigt hat, geht der Klagegrund des Verstosses gegen diese Vorschrift insgesamt fehl.

37 Es erscheint daher zweckmässig, die Reihenfolge der Klagegründe zu ändern und zunächst den nur hilfsweise geltend gemachten Klagegrund des Verstosses gegen die Rechtsnormen über die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses zu prüfen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Rechtsnormen über die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses

Vorbringen der Parteien

38 Die Kläger machen erstens geltend, nach der Rechtsprechung bestuenden für die Zurückweisung einer Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses strenge Voraussetzungen (Urteil des Gerichts vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Randnr. 86); diese Voraussetzungen bezögen sich auf die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens sowie den Umfang der Ermittlungsmaßnahmen, die notwendig seien, um die Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Artikel 85 und 86 des Vertrages bestmöglich zu erfuellen. Die Kommission habe diese Gesichtspunkte jedoch nicht berücksichtigt; im übrigen seien sie im vorliegenden Fall sämtlich nicht gegeben.

39 Zweitens hätten Dokumente wie das Grünbuch und die Leitlinien bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses nicht berücksichtigt werden dürfen, zumal sie bislang nicht Grundlage einer Regelung geworden seien. Zudem sei der Grundsatz vom optimalen Einsatz der beschränkten Mittel der Kommission nicht einschlägig, da die Vorbereitung von Rechtsvorschriften und die Untersuchung von wettbewerbsrechtlichen Beschwerden in die Zuständigkeit verschiedener Generaldirektionen fielen.

40 Es sei auch rechtsfehlerhaft, daß für die Würdigung des Gemeinschaftsinteresses auf die Entscheidung GD Net und die mit dieser verbundenen Verpflichtungen Bezug genommen werde, da diese Entscheidung auf die Verordnung Nr. 4064/89 gestützt worden sei und der Begriff der beherrschenden Stellung objektiv sei, so daß bei seiner Anwendung nicht auf die von den Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen abgestellt werden könne. Jedenfalls sei die Entscheidung GD Net für den vorliegenden Fall nicht erheblich. Die Verpflichtungen bezögen sich nämlich nur auf den hypothetischen Fall, daß bei den Postverwaltungen ein Antrag auf Netzzugang gestellt werde; fehle ein solcher Antrag, so könne die Post demnach ihre Tochtergesellschaft weiter begünstigen. Ferner beträfen die Verpflichtungen weder alle beanstandeten Zuwiderhandlungen noch dieselben Parteien wie die Beschwerde. Zudem habe die Kommission zu Unrecht angenommen, daß die Beweise, die die Kläger für das Fortbestehen der Zuwiderhandlungen im Bereich der Werbung und der Beförderung beigebracht hätten, nicht ausreichend seien. Schließlich habe die Kommission nicht erläutert, wie sie mit Sicherheit davon ausgehen könne, daß die Praktiken eingestellt worden seien, obwohl sie die Einhaltung der Verpflichtungen nicht überwacht habe.

41 Die Kommission stütze sich daher für das Fehlen eines Gemeinschaftsinteresses allein darauf, daß sie nicht verpflichtet sei, frühere Zuwiderhandlungen zu prüfen, wenn eine solche Untersuchung nur bezwecke oder bewirke, daß den besonderen Interessen der Beschwerdeführer gedient werde (vorletzter Absatz der streitigen Entscheidung).

42 Diese Erklärung sei jedoch nicht stichhaltig. Das der Kommission gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zustehende Ermessen erlaube es ihr nämlich nicht, Handlungen vorzunehmen, die im Widerspruch zu den Zielen der Artikel 3 Buchstabe g, 89 Absatz 1 und 155 des Vertrages stuenden. Da im übrigen Artikel 86 definitionsgemäß frühere, also durchgeführte - beendete oder fortdauernde - Verhaltensweisen betreffe, würde ihm jede praktische Wirksamkeit abgesprochen, wenn die Feststellung, daß eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift nicht mehr vorliege, als ausreichend für die Zurückweisung einer Beschwerde angesehen würde. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung zu Artikel 169 des Vertrages, nach der ein Interesse an der Feststellung der Vertragsverletzung bestehen bleibe, obwohl der Verstoß keine Wirkungen mehr zeitige. Schließlich könne der Umstand, daß die Kommission bei einer Verletzung der von einem Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen ein Verfahren einleiten könne, die Zurückweisung einer auf Artikel 86 des Vertrages gestützten Beschwerde nicht rechtfertigen.

43 Die Kläger machen drittens geltend, die einzige Möglichkeit, das Gemeinschaftsinteresse wirksam zu schützen, hätte darin bestanden, eine Entscheidung zu erlassen, mit der gegen die in der Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen vorgegangen würde.

44 Zunächst könne die Ausarbeitung von - im übrigen noch immer nicht erlassenen - Rechtsvorschriften nämlich nicht zu dem gleichen Ergebnis wie ein Verfahren nach der Verordnung Nr. 17, also zur Abstellung der Zuwiderhandlungen gegen Artikel 86, führen (Urteil des Gerichts vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache T-37/92, BEUC und NCC/Kommission, Slg. 1994, II-285, Randnrn. 50 bis 61). Ferner müsse das mit dieser Rechtssache befasste nationale Gericht Grundsätze des Gemeinschaftsrechts prüfen, die noch nicht Gegenstand von konkreten Anwendungen gewesen seien. Eine Anwendungsentscheidung hätte daher eine bedeutende, mit dem Gemeinschaftsinteresse durchaus vereinbare Entwicklung des Rechts auf diesem Gebiet dargestellt.

45 Nach Ansicht der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen, da sie ihr Ermessen hinsichtlich des Bestehens eines Gemeinschaftsinteresses ordnungsgemäß ausgeuebt habe.

Würdigung durch das Gericht

46 Zwar hat das Gericht die Gesichtspunkte aufgeführt, die die Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses insbesondere abzuwägen hat, doch ist die Kommission berechtigt, bei dieser Beurteilung andere erhebliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses beruht nämlich notwendig auf einer unter der Kontrolle des Gerichts durchgeführten Untersuchung der Umstände des konkreten Falles (Urteil Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 86).

47 Angesichts der Ausführungen des Gerichts zum ersten Klagegrund ist im vorliegenden Fall bei der Prüfung der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses auf die gesamte streitige Entscheidung abzustellen. Entgegen dem Vorbringen der Kläger beschränkt sich diese Beurteilung nämlich nicht auf den vorletzten Absatz der Entscheidung.

48 Wie ausgeführt, besteht die von der Kommission in der streitigen Entscheidung vorgenommene Beurteilung aus zwei Teilen.

49 Im ersten Teil bezieht sich die Kommission auf das Grünbuch und die Leitlinien. Nach der streitigen Entscheidung sollte diese Bezugnahme den allgemeinen Zusammenhang erläutern, in den die vorliegende Rechtssache gehört, indem auf die Bemühungen der Kommission zur Schaffung von Rechtsvorschriften hingewiesen wurde, mit denen u. a. die im vorliegenden Fall fragliche Tätigkeit geregelt werden sollte. Obwohl dieses Element formell am Anfang der Begründung der Kommission steht, ist es im vorliegenden Fall nur eine Hilfserwägung. Die Kommission behauptet keineswegs, daß die in der Beschwerde beanstandeten Praktiken wegen des Grünbuchs oder der Leitlinien, die nach ihren eigenen Ausführungen nur Vorschläge für Gesetzesänderungen darstellen, aufgehört hätten.

50 Da die Kommission im übrigen der Auffassung war, die beanstandeten Praktiken seien abgestellt, war sie zu der Auffassung berechtigt, die Ausarbeitung von Rechtsvorschriften für die Zukunft stelle einen zweckmässigeren Einsatz ihrer beschränkten Mittel dar als die Prüfung früherer, abgestellter Praktiken, auch wenn diese Tätigkeiten, wie die Kläger ausführen, im wesentlichen in die Zuständigkeit von zwei verschiedenen Generaldirektionen fielen.

51 Die Kläger können also die Bezugnahme der Kommission auf diese beiden Dokumente in Anbetracht des damit verfolgten Zweckes nicht mit Erfolg beanstanden.

52 Im zweiten Teil der Entscheidung führt die Kommission aus, die beanstandeten Praktiken seien aufgrund der Entscheidung GD Net eingestellt worden; die Kläger hätten nicht das Gegenteil bewiesen. Mit der Prüfung der Beschwerde, die sich auf ein früheres Verhalten beziehe, werde daher nur eine Förderung der individuellen Interessen der Kläger bezweckt oder bewirkt.

53 Zunächst ist zu prüfen, ob die Kommission grundsätzlich berechtigt ist, eine Beschwerde wegen Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung unter Berufung auf ein fehlendes Gemeinschaftsinteresse zurückzuweisen, weil die in dieser Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen später eingestellt worden seien, so daß der einzige Zweck oder die einzige Wirkung einer Prüfung in der Förderung der individuellen Interessen der Kläger bestehe.

54 Wieweit die Verpflichtungen der Kommission im Wettbewerbsrecht reichen, ist anhand des Artikels 89 Absatz 1 des Vertrages zu prüfen, der in diesem Gebiet besonderer Ausdruck des allgemeinen Überwachungsauftrags ist, der der Kommission in Artikel 155 des Vertrages anvertraut ist (Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 63).

55 Wie ausgeführt (vgl. Randnr. 29), verleiht Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 demjenigen, der eine Beschwerde nach diesem Artikel einlegt, keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission im Sinne des Artikels 189 des Vertrages über das Vorliegen eines Verstosses gegen Artikel 85 und/oder Artikel 86 des Vertrages. Die Kommission ist also berechtigt, der Prüfung der bei ihr erhobenen Beschwerden eine unterschiedliche Priorität einzuräumen, und es ist legitim, daß sie das in einer Sache bestehende Gemeinschaftsinteresse als Kriterium für die Priorität heranzieht. Sie kann eine Beschwerde mangels eines ausreichenden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückweisen.

56 Schließlich ist, wie der Gerichtshof entschieden hat, Artikel 86 ein Ausfluß des allgemeinen, der Tätigkeit der Gemeinschaft in Artikel 3 Buchstabe g des Vertrages gesetzten Zieles, ein System zu errichten, das den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen schützt (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, 520).

57 Angesichts dieses allgemeinen Zieles und des Auftrags der Kommission ist diese zu der Entscheidung befugt, es sei nicht angebracht, einer Beschwerde, mit der später eingestellte Verhaltensweisen beanstandet werden, stattzugeben, sofern sie diese Entscheidung begründet. Dies gilt erst recht, wenn diese Abstellung, wie im vorliegenden Fall, das Ergebnis einer Handlung der Kommission ist. Es ist unwesentlich, auf welche Rechtsgrundlage eine Entscheidung gestützt wird, durch die die beanstandeten Praktiken abgestellt werden, da allein die Wirkung dieser Entscheidung zu berücksichtigen ist.

58 In einem solchen Fall würde die Untersuchung der Sache und die Feststellung früherer Zuwiderhandlungen nicht mehr dem Interesse dienen, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes vor Verfälschungen zu schützen, und entspräche damit nicht mehr der der Kommission durch den Vertrag übertragenen Aufgabe. Das Ziel eines solchen Verfahrens bestuende im wesentlichen darin, es den Beschwerdeführern zu erleichtern, im Hinblick auf die Erlangung von Schadensersatz vor den nationalen Gerichten ein Fehlverhalten zu beweisen.

59 Nachdem die Kommission die beanstandeten Verhaltensweisen durch den Erlaß einer anderen Entscheidung abgestellt und damit ihre Aufgabe, die ordnungsgemässe Anwendung des Vertrages zu überwachen, erfuellt hatte, durfte sie daher im vorliegenden Fall davon ausgehen, daß eine Fortführung des Verfahrens mit dem alleinigen Zweck, ein früheres Verhalten anhand von Artikel 86 des Vertrages zu beurteilen, keine zweckmässige Verwendung ihrer beschränkten Mittel darstellen würde, zumal da sie zugleich damit beschäftigt war, Rechtsvorschriften für den fraglichen Tätigkeitsbereich auszuarbeiten. Diese Abwägung der Kommission war erst recht legitim, da bei einer endgültigen Entscheidung der Kommission, eine Beschwerde wegen einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages nicht zu prüfen, von den Klägern angerufene nationale Stellen für die Entscheidung über die beanstandete Zuwiderhandlung zuständig sind.

60 Auch wenn sich die vom Gerichtshof zu Artikel 169 des Vertrages entwickelte Rechtsprechung übertragen ließe, wie die Kläger ausführen, würde sich nichts an diesem Ergebnis ändern. Zwar hat der Gerichtshof entschieden, daß ein Rechtsschutzinteresse auch dann, wenn die mit der Klage gerügte Vertragsverletzung nach Ablauf der gemäß Artikel 169 Absatz 2 gesetzten Frist abgestellt wird, noch insoweit gegeben ist, als die Grundlage für eine Haftung geschaffen wird, die einen Mitgliedstaat wegen seiner Pflichtverletzung möglicherweise trifft (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1992 in der Rechtssache C-280/89, Kommission/Irland, Slg. 1992, I-6185), doch ändert dieser Umstand nichts daran, daß die Kommission nicht zur Aufrechterhaltung einer solchen Klage verpflichtet ist.

61 Ferner ist zu prüfen, ob die Kommission davon ausgehen durfte, daß im vorliegenden Fall die in der Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen aufgrund des Erlasses der Entscheidung GD Net eingestellt worden seien.

62 In der Entscheidung GD Net stellte die Kommission zunächst fest, daß die angemeldeten Vereinbarungen eine Bestimmung enthielten, nach der von der gemeinsamen Tochtergesellschaft an eine Postverwaltung weitervergebene Dienstleistungen gegen Vergütung und zu den handelsüblichen Bedingungen erbracht werden sollten. Die Kommission wies jedoch darauf hin, daß, wie unabhängige Konkurrenten geltend gemacht hätten, die Postverwaltungen zur Zeit ihrer Entscheidung noch kein Verfahren für eine genaue Berechnung der Kosten jeder der erbrachten Leistungen eingeführt hätten. Wettbewerbsverzerrungen seien daher nicht auszuschließen. Die Postverwaltungen hätten jedoch keine wirtschaftliche Rechtfertigung für die Gewährung von Quersubventionen an die gemeinsame Tochtergesellschaft, da ihr individueller Anteil an deren Gewinn nicht so hoch sein könne wie die von jeder Postverwaltung gewährten Subventionen. Ferner verpflichteten sich die an dem Geschäft beteiligten Postverwaltungen, die gleichen Leistungen zu den gleichen Bedingungen an Dritte zu erbringen, solange sie das Nichtvorliegen von Quersubventionen nicht beweisen konnten.

63 Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind die Argumente zu prüfen, die die Kläger zum Beweis dafür anführen, daß die in der Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen durch die Entscheidung GD Net nicht abgestellt worden seien.

64 Erstens sind, wie die Kläger geltend machen, die von der Beschwerde und die von der Entscheidung GD Net betroffenen Parteien zwar nicht alle identisch, doch wurde mit der Beschwerde, soweit sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages betraf, der Mißbrauch der beherrschenden Stellung der Post beanstandet. Dies ergibt sich aus der mündlichen Darlegung dieser Beschwerde (vgl. Randnrn. 1 und 2), wie sie von den Klägern in ihren Schriftsätzen in der vorliegenden Rechtssache dargestellt wird. Die Entscheidung GD Net betraf insbesondere die Post; diese wird also nicht nur durch die Bestimmungen der angemeldeten Vereinbarungen, insbesondere die Bestimmungen über die Vergütung der an sie weitervergebenen Leistungen, sondern auch durch die der Entscheidung beigefügten Verpflichtungen rechtlich gebunden. Ferner zog sich die Post aufgrund des Zusammenschlusses aus dem Markt für internationale Eilkurierdienste zurück, so daß sie auf diesem Sektor keine eigenen Tätigkeiten beibehielt, die es ihr ermöglicht hätten, sich den eingegangenen Verpflichtungen zu entziehen.

65 Die Kommission hat also durch die Bezugnahme auf die Entscheidung GD Net keinen Fehler begangen, obwohl die Parteien bei dieser Entscheidung und bei der Beschwerde nicht identisch sind.

66 Zweitens ergibt sich aus der Entscheidung GD Net, daß die gemeinsame Tochtergesellschaft allein über die von ihr an die Postverwaltungen weiterzuvergebenden Leistungen entscheidet und die Muttergesellschaften nur die Leistungen bezeichnet haben, von denen erwartet werden konnte, daß sie hauptsächlich betroffen sein würden. Da in der Entscheidung GD Net der Begriff "erwartet werden konnte" und das Adverb "hauptsächlich" verwendet werden, ist keine Leistung ausgeschlossen, so daß alle, auch nicht ausdrücklich aufgeführte Leistungen, für die die gemeinsame Tochtergesellschaft tatsächlich eine Weitervergabe an die Postverwaltungen beschließt, gegen Vergütung und zu den handelsüblichen Bedingungen erbracht werden und unter die mit der Entscheidung verbundene Verpflichtung fallen.

67 Die Kommission hat also keinen Fehler begangen, als sie angenommen hat, daß die in der Beschwerde beanstandeten Verhaltensweisen, soweit sie Leistungen der Beförderung oder der Werbung betrafen, zu den von der Entscheidung GD Net geregelten Bereichen gehörten.

68 Was drittens die Gewißheit der Kommission hinsichtlich der Abstellung der Verhaltensweisen anbelangt, durfte die Kommission in Anbetracht der Bindung der Post an die angemeldeten Vereinbarungen und die Verpflichtungen annehmen, daß diese Regeln, sobald der Zusammenschluß durchgeführt sein würde - dies war nach den gegenüber dem Gericht gemachten Angaben am 18. März 1992 der Fall - eingehalten werden würden, soweit Anhaltspunkte für ihre Verletzung fehlten.

69 Im vorliegenden Fall führen die Kläger in ihrem erwähnten Schreiben vom 28. November 1994 in Beantwortung des ebenfalls bereits erwähnten Schreibens der Kommission vom 28. Oktober 1994 zwei Beweise für das Fortbestehen der streitigen Verhaltensweisen an: Ein öffentliches Protokoll über Werbung für den Dienst "Chronopost" auf einem Fahrzeug der Post und den im Schreiben der Kläger erwähnten Umstand, daß "die gegenwärtigen Tarife der SFMI (ohne etwaige Rabatte) weiterhin wesentlich niedriger sind als die Tarife der Mitglieder des SFEI"; für diese Behauptung werden im übrigen keine Beweise geliefert. Diese Gesichtspunkte lassen zwar möglicherweise die Feststellung zu, daß tatsächlich Leistungen untervergeben wurden, jedoch kann aus ihnen nicht auf das Vorliegen von Quersubventionen geschlossen werden.

70 Die Kommission hat daher keinen Fehler begangen, als sie angenommen hat, daß diese Gesichtspunkte keine ausreichende Rechtfertigung für eine Untersuchung seien.

71 Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung angeführte Umstand, daß die Kommission im Juli 1996 beschlossen habe, ein Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages über ein Beihilfevorhaben Frankreichs zugunsten von SFMI-Chronopost (ABl. 1996, C 206, S. 3) einzuleiten. Die Einleitung dieses Verfahrens ist nämlich kein Beweis dafür, daß die Kommission beim Erlaß der streitigen Entscheidung über Gesichtspunkte verfügte, die ausgereicht hätten, um eine Untersuchung gemäß Artikel 86 des Vertrages für den Zeitraum nach dem Erlaß der Entscheidung GD Net zu rechtfertigen.

72 Viertens beruht das Vorbringen, die insbesondere von der Post eingegangenen Verpflichtungen beträfen eine hypothetische Situation, da, sofern kein Dritter einen Antrag auf Zugang zum Netz der Postverwaltungen stelle, die Post in keiner Weise daran gehindert sei, ihrer Tochtergesellschaft weiterhin Quersubventionen zu gewähren, auf einer unvollständigen Lektüre der Entscheidung GD Net. Unabhängig von der Anwendung der Verpflichtungen sind die Parteien des angemeldeten Zusammenschlusses nämlich an die Bestimmungen ihres Vertrages gebunden, die u. a. regeln, daß jede untervergebene Leistung gegen Entgelt zu den handelsüblichen Bedingungen zu erbringen ist. Ferner ergibt sich aus der Entscheidung GD Net, daß Quersubventionen der Postverwaltungen für die gemeinsame Tochtergesellschaft wirtschaftlich nicht gerechtfertigt wären. Diese Beurteilung, die in der - vor dem Gericht nicht angefochtenen - Entscheidung GD Net enthalten ist, ist von den Klägern in ihren Schriftsätzen nicht beanstandet worden. Tatsächlich sind die Verpflichtungen den Postverwaltungen zusätzlich auferlegt worden und zwingen sie, anderen internationalen Eilkurierdiensten gleiche Leistungen zu den gleichen Bedingungen zu gewähren, solange sie das Nichtvorliegen von Quersubventionen nicht beweisen können.

73 Die Kläger führen daher zu Unrecht aus, daß die Post, solange kein Dritter Zugang zu ihrem Netz beantrage, in keiner Weise daran gehindert sei, ihrer Tochtergesellschaft Quersubventionen zu gewähren. Wie ausgeführt, haben die Kläger keine Beweismittel für die weitere Gewährung von Quersubventionen benennen können, die die Einleitung einer Untersuchung hätten rechtfertigen können.

74 Fünftens haben die Kläger bei der Beantwortung der schriftlichen Fragen ausgeführt, daß die Post ihre Beteiligung am Kapital der Gesellschaft GD Net nach dem Erlaß der streitigen Entscheidung abgegeben habe (Entscheidung der Kommission vom 24. Juli 1996, PTT Post/TNT - GD Net, Sache Nr. IV/M.787). Dieses Vorbringen ist unerheblich. Diese neue Situation kann sich nämlich auf die Rechtmässigkeit der Entscheidung nicht auswirken, für die die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihres Erlasses maßgeblich ist (vgl. zuletzt Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in den Rechtssachen T-79/95 und T-80/95, SNCF und BR/Kommission, Slg. 1996, II-0000, Randnr. 48).

75 Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

76 Dem Antrag der Kläger, der Kommission aufzuerlegen, alle Unterlagen vorzulegen, die nach ihrer Ansicht beweisen, daß die in der Sache GD Net eingegangenen Verpflichtungen erfuellt wurden und die Gewährung von Quersubventionen abgestellt wurde, ist demnach nicht stattzugeben.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages

Vorbringen der Parteien

77 Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes beanstanden die Kläger zwei Widersprüche in der Begründung.

78 Zunächst ergebe sich aus der streitigen Entscheidung zum einen, daß die Kommission beschlossen habe, keine Untersuchung nach Artikel 86 des Vertrages einzuleiten (vorletzter Absatz der streitigen Entscheidung) und zum anderen, daß die bei der Untersuchung der Sache ermittelten Umstände es nicht ermöglicht hätten, der Beschwerde stattzugeben (zweiter Absatz); dies bedeute unter den Umständen des vorliegenden Falles, daß die Kommission eine Untersuchung durchgeführt und ihre Einstellung unter Zurückweisung der Beschwerde beschlossen habe. Es bestehe also ein Widerspruch in der Begründung, der durch die angeblich unterschiedliche Bedeutung des Begriffes der "Untersuchung" nicht erklärt werden könne.

79 Ferner bestehe ein Widerspruch zwischen der streitigen Entscheidung und der Klagebeantwortung in der Frage, ob die in der Rechtssache GD Net eingegangenen Verpflichtungen die Punkte der Beschwerde erfassten, die sich auf die Werbung und die Beförderung bezögen.

80 Mit dem zweiten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, aus der streitigen Entscheidung ergebe sich weder, ob die Kommission die Rüge betreffend einen Verstoß gegen Artikel 86 des Vertrages geprüft habe, noch weshalb diese Vorschrift ihrer Ansicht nach nicht verletzt sei.

81 Mit dem dritten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, die streitige Entscheidung enthalte überhaupt keine Begründung für die Zurückweisung der Beschwerde, soweit diese einen Verstoß gegen die Artikel 3 Buchstabe g, 5 Absatz 2 und 86 des Vertrages zum einen und gegen Artikel 90 des Vertrages zum anderen betreffe.

82 Mit dem vierten Teil dieses Klagegrundes führen die Kläger aus, da das auf die Entscheidung GD Net gestützte Vorbringen der Kommission nicht stichhaltig sei, komme als Begründung für die Zurückweisung nur noch das fehlende Gemeinschaftsinteresse in Betracht. Eine solche Begründung entspreche jedoch derzeit nicht der ständigen Entscheidungspraxis, so daß eine summarische Begründung ausgeschlossen sein müsse, zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, gewichtige Interessen betroffen seien.

83 Die Kommission führt aus, sie habe die streitige Entscheidung in ausreichend klarer und zusammenhängender Weise begründet. Dieser Klagegrund sei daher zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

84 Im ersten Teil des Klagegrundes stützen sich die Kläger auf zwei Widersprüche in der Begründung.

85 Erstens sei es widersprüchlich, zu behaupten, eine Untersuchung werde nicht eingeleitet, obwohl die Kommission die beanstandeten Verhaltensweisen bereits anhand von Artikel 86 untersucht hätte. Auch wenn die Auffassung der Kläger richtig wäre, würde sich daraus jedoch nur ergeben, daß sich die Kommission bei ihrer Schlußfolgerung, sie könne kein Interesse an der Einleitung einer Untersuchung erkennen, nicht genau ausdrückte, da sie tatsächlich hätte feststellen müssen, daß sie kein Interesse an der Fortführung der Untersuchung erkennen könne. Ein solcher terminologischer Fehler kann keinen Widerspruch in der Begründung darstellen, der ausreicht, um das Verständnis der Überlegungen der Kommission zu beeinträchtigen.

86 Die Kläger machen zweitens einen Widerspruch zwischen der Begründung der streitigen Entscheidung und der von der Kommission in der vorliegenden Rechtssache eingereichten Klagebeantwortung geltend. Nur ein Widerspruch in der Begründung der angefochtenen Handlung als solcher kann jedoch deren Rechtmässigkeit beeinträchtigen.

87 Der erste Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

88 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes wird das Fehlen einer Begründung im Hinblick auf Artikel 86 des Vertrages geltend gemacht. Die Zurückweisung der Beschwerde wird jedoch ausschließlich auf das fehlende Gemeinschaftsinteresse gestützt, ohne daß die Kommission die Verhaltensweisen anhand dieser Vorschrift gewürdigt hätte. Dieser Teil des Klagegrundes ist daher nicht stichhaltig.

89 Im Hinblick auf den dritten Teil des Klagegrundes, der die Rüge des Verstosses des französischen Staates gegen Artikel 90 sowie gegen die Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 86 des Vertrages betrifft, ergibt sich aus dem zweiten, vierten und vorletzten Absatz der streitigen Entscheidung, daß diese nur den Teil der Beschwerde betrifft, der sich auf Artikel 86 des Vertrages bezieht. Der dritte Teil des Klagegrundes ist daher nicht zu prüfen.

90 Der vierte Teil des Klagegrundes bezieht sich auf die Begründung der streitigen Entscheidung durch das Gemeinschaftsinteresse. Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß der Kläger zur Wahrnehmung seiner Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme erkennen und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann (Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93, Kölman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Randnr. 83). Die Kommission kann sich insbesondere angesichts des Begründungszwangs nicht damit begnügen, sich abstrakt auf das Gemeinschaftsinteresse zu berufen. Sie hat vielmehr die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darzulegen, die sie zu dem Ergebnis geführt haben, daß ein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse an der Einleitung von Untersuchungsmaßnahmen nicht bestehe (Urteil Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 85).

91 Aus der Prüfung des ersten und des zweiten Klagegrundes, die oben dargestellt worden sind, ergibt sich, daß die streitige Entscheidung die Überlegungen der Kommission klar und unzweideutig wiedergibt, so daß das Gericht seine Kontrolle ausüben konnte.

92 Der vierte Teil des vorliegenden Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

93 Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts

Vorbringen der Parteien

94 Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, die Kommission habe gegen den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verstossen, da sie eine wesentliche Anlage zur Beschwerde des SFEI, ein Wirtschaftsgutachten eines Betriebsprüfungsbüros, weder geprüft noch berücksichtigt habe (Urteile Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 79, und Parker Pen/Kommission, a. a. O., Randnr. 63).

95 Mit dem zweiten Teil dieses Klagegrundes führen die Kläger aus, die Kommission habe gegen das Diskriminierungsverbot verstossen. Die Normenhierarchie verbiete es der Kommission, sich im Rahmen der Verordnung Nr. 17 auf ihr Ermessen zu berufen.

96 Im vorliegenden Fall habe die Kommission in zweierlei Hinsicht eine andere Haltung als in anderen Fällen eingenommen.

97 Erstens habe die Kommission beschlossen, die Beschwerde zurückzuweisen, weil es sich ihrer Ansicht nach nur um in der Vergangenheit liegende Zuwiderhandlungen gehandelt habe und die Prüfung nur den individuellen Interessen der Parteien gedient hätte. Diese Begründung stehe im Widerspruch zu zahlreichen früheren Entscheidungen der Kommission, insbesondere solchen, in denen die Zuwiderhandlung auf eine Beschwerde eines Konkurrenten festgestellt worden sei.

98 Zweitens habe die Kommission weder den vom Gerichtshof anerkannten Grundsatz angewendet, daß es einen Verstoß gegen Artikel 86 darstelle, wenn ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehabe, ohne objektive Rechtfertigung diese Stellung zugunsten einer Tochtergesellschaft auf einen benachbarten, aber getrennten Markt ausdehne und damit jeglicher Wettbewerb seitens dritter auf diesem Markt tätiger Unternehmen ausgeschaltet zu werden drohe (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5941). Noch habe sie den Grundsatz beachtet, daß die Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 86 in Verbindung mit den Artikeln 3 Buchstabe g und 5 Absatz 2 keine Maßnahmen, und zwar auch nicht in Form von Gesetzen oder Verordnungen, treffen oder beibehalten dürften, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben könnten (Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1988 in der Rechtssache 267/86, Van Eycke, Slg. 1988, 4769).

99 Die Kommission stellt einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung oder das Diskriminierungsverbot in Abrede.

Würdigung durch das Gericht

100 Erstens kann die Nichtberücksichtigung eines Sachverständigengutachtens vom 6. Dezember 1990, das das Vorliegen der beanstandeten Verhaltensweisen bis 1989, also für einen Zeitraum vor dem Erlaß der Entscheidung GD Net beweisen sollte, keine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung darstellen, da die Zurückweisung der Beschwerde wegen fehlenden Gemeinschaftsinteresses in der streitigen Entscheidung im wesentlichen damit begründet wird, daß die Verhaltensweisen aufgrund der Entscheidung GD Net vom 2. Dezember 1991 abgestellt worden seien.

101 Zweitens untersagt es das Diskriminierungsverbot, vergleichbare Sachverhalte ohne objektiven Grund unterschiedlich zu behandeln (Urteil des Gerichts vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T-146/95, Bernardi/Parlament, Slg. 1996, II-0000, Randnr. 37).

102 Zunächst haben die Kläger nicht nachgewiesen, daß die Kommission in einem mit der vorliegenden Rechtssache vergleichbaren Fall, in dem die beanstandeten Verhaltensweisen aufgrund einer früheren Entscheidung der Kommission abgestellt wurden, dennoch hinsichtlich eines abgeschlossenen Sachverhalts eine Untersuchung nach Artikel 86 des Vertrages eingeleitet hat. Die Kläger haben demnach den behaupteten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nicht bewiesen.

103 Ferner können sich die Kläger nicht auf eine diskriminierende Anwendung von Artikel 86 des Vertrages berufen, da die streitige Entscheidung ausschließlich auf das fehlende Gemeinschaftsinteresse gestützt wird, so daß die Kommission den beanstandeten Sachverhalt nicht anhand dieser Vorschrift gewürdigt hat.

104 Schließlich können die Kläger keine Diskriminierung bei der Anwendung von Artikel 3 in Verbindung mit den Artikeln 5 und 86 des Vertrages geltend machen, da, wie bereits ausgeführt, nur der Artikel 86 des Vertrages betreffende Teil der Beschwerde Gegenstand der streitigen Entscheidung war.

105 Der vierte Klagegrund ist daher ebenfalls zurückzuweisen.

Zum fünften Klagegrund: Ermessensmißbrauch

Vorbringen der Parteien

106 Mit dem ersten Teil dieses Klagegrundes machen die Kläger geltend, die Kommission habe, indem sie sich ausschließlich auf die Rechtssetzung vorbereitende Arbeiten und auf ein Verfahren zur Anwendung der Verordnung Nr. 4064/89 gestützt habe, das durch die Verordnung Nr. 17 geregelte Verfahren umgangen und damit einen Ermessensmißbrauch begangen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in den Rechtssachen 140/82, 146/82, 221/82 und 226/82, Walzstahl-Vereinigung und Thyssen/Kommission, Slg. 1984, 951, Randnr. 28).

107 Im zweiten Teil dieses Klagegrundes führen die Kläger die folgenden Gesichtspunkte als Nachweis für einen Ermessensmißbrauch an.

108 Erstens habe das Verfahren der Kommission nur aus hinhaltenden Schreiben und Ausfluechten bestanden.

109 Zweitens habe sich die Post "mit Sicherheit" im Rahmen der Untersuchung der vorliegenden Sache eingeschaltet, so wie sie auch an die Kommission herangetreten sei, um wesentliche Änderungen des Grünbuchs zu erreichen.

110 Drittens hätten die Meinungsänderungen der Kommission bewirkt und wohl auch bezweckt, die Überprüfung der Rechtmässigkeit ihrer Entscheidungen zu verzögern.

111 Viertens verdeutlichten die Erklärungen der jeweiligen für den Wettbewerb zuständigen Kommissionsmitglieder die zwiespältige Haltung der Kommission, die in der Öffentlichkeit für den Wettbewerb auf dem Postsektor eintrete, aber tatsächlich dem Druck einiger Staaten und Postverwaltungen nachgebe, wie die Behandlung einer anderen, 1988 von der International Expreß Carrier Conference eingereichten Beschwerde betreffend "remail" zeige.

112 Fünftens habe sich die Kommission geweigert, ihre Befugnisse nach der Verordnung Nr. 17 auszuüben, obwohl die auf Quersubventionen anzuwendenden Regeln eindeutig feststuenden.

113 Schließlich ergebe sich aus einem Schreiben des Kommissionsmitglieds L. Brittan an den Präsidenten der Kommission vom 1. Juni 1995, daß die Kommission im Hinblick auf die Einführung einer Postpolitik durch den Rat beschlossen habe, die in der Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen nicht zu verfolgen.

114 Nach Auffassung der Kommission ist dieser Klagegrund zurückzuweisen, da ihm jede ernstzunehmende Grundlage fehle.

Würdigung durch das Gericht

115 Mit dem ersten Teil des Klagegrundes wird ein Ermessensmißbrauch geltend gemacht. Die Kommission ist jedoch nicht zur Durchführung einer Untersuchung verpflichtet, wenn bei ihr eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 anhängig gemacht wird. Sie ist aber gehalten, die ihr vom Beschwerdeführer vorgetragenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte sorgfältig zu prüfen (Urteile Automec/Kommission, a. a. O., Randnr. 79, BEUC und NCC/Kommission, a. a. O., Randnr. 45 und vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T-74/92, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1995, II-115, Randnr. 58). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrundes, daß die Kommission die Beschwerde zu Recht mangels Gemeinschaftsinteresses zurückgewiesen hat. Die Kläger haben demnach das Vorliegen eines Ermessensmißbrauchs nicht nachgewiesen.

116 Für den zweiten Teil des Klagegrundes ist von Bedeutung, daß eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn sie nach objektiven, maßgeblichen und übereinstimmenden Anhaltspunkten offensichtlich ausschließlich oder zumindest überwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken erlassen worden ist (vgl. zuletzt Urteil des Gerichtshofes vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-84/94, Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 1996, I-0000, Randnr. 69).

117 Zunächst stellen im vorliegenden Fall das angebliche Intervenieren der Post bei der Kommission, um die Einstellung dieses Verfahrens zu erreichen, die Mutmassungen über den Gegenstand angeblicher Meinungsänderungen der Kommission und die Ausführungen, für die sich die Kläger auf ein angebliches Schreiben von L. Brittan an den Präsidenten der Kommission stützen, das nicht zu den Akten gegeben wurde und für dessen Existenz keine Beweise vorliegen, blosse Behauptungen dar, die durch keine Beweise gestützt werden und damit keine Anhaltspunkte für einen Ermessensmißbrauch sein können.

118 Auch die Behauptung, das Verfahren habe nur aus hinhaltenden Schreiben bestanden, wird durch den Sachverhalt nicht gestützt. Insoweit ist von Bedeutung, daß sich die Beschwerde vom 21. Dezember 1990 nur auf Artikel 92 des Vertrages bezog; erst danach, spätestens am 18. März 1991, wurde der in der Beschwerde wiedergegebene Sachverhalt anhand von Artikel 86 des Vertrages geprüft. Ferner kann der Kommission der Zeitraum von Mai 1992 bis Juni 1994, während dessen die Sache zunächst beim Gericht, dann beim Gerichtshof anhängig war, nicht angelastet werden. Die Kommission hat demnach im vorliegenden Fall die erforderliche Sorgfalt bewiesen, auch wenn sie nicht in dem von den Klägern gewünschten Sinn entschieden hat.

119 Auch für die angeblich zwiespältige Haltung der Kommission auf dem Postsektor werden keine Beweise beigebracht. Insoweit ist die Bezugnahme darauf, wie die Kommission eine von einer anderen Partei in bezug auf eine andere Tätigkeit eingereichte Beschwerde behandelt habe, nicht erheblich dafür, ob im vorliegenden Fall der Erlaß der streitigen Entscheidung als rechtsmißbräuchlich anzusehen ist.

120 Aus den oben dargestellten Gründen kann auch der Umstand, daß die Kommission die ihr nach der Verordnung Nr. 17 zustehenden Befugnisse nicht, insbesondere für Auskunftsverlangen, verwendete, kein objektiver Anhaltspunkt für einen Ermessensmißbrauch sein.

121 Nach alledem ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

122 Unter diesen Umständen ist dem Antrag der Kläger nicht stattzugeben, die Vorlage aller Unterlagen anzuordnen, aus denen sich ergebe, daß sich die Kommission bewusst, insbesondere um eine allgemeine politische Regelung der Frage der Liberalisierung des Postsektors zu begünstigen, geweigert habe, die Folgerungen aus den von ihr angeblich festgestellten Verstössen gegen die Wettbewerbsregeln zu ziehen.

123 Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

124 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind ihnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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