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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 09.06.1993
Aktenzeichen: T-78/89 - DEPE
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beamtenstatut


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
Beamtenstatut Art. 91
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluß bildet den Rechtstitel für den Anspruch der Parteien auf Erstattung der Kosten. Eine Partei kann daher für die Zeit vor dem Erlaß dieses Beschlusses keine Zinsen auf die an ihre Anwälte gezahlten Beträge als erstattungsfähige Kosten beanspruchen.

2. Der Gemeinschaftsrichter hat nicht die von den Parteien ihren eigenen Anwälten geschuldeten Vergütungen festzusetzen, sondern den Betrag zu bestimmen, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann. Daraus folgt, daß das Gericht weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen braucht.

Da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, hat das Gericht die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinen Schwierigkeitsgrad, den Arbeitsaufwand des Anwalts im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen, das die Parteien am Ausgang des Rechtsstreits hatten.

3. Grundsätzlich kann nur die Vergütung eines einzigen Anwalts unter den Begriff "notwendige Aufwendungen" im Sinne von Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichts fallen.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 9. JUNI 1993. - PPG INDUSTRIES GLASS SPA, VORMALS VERNANTE PENNITALIA SPA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - KOSTENFESTSETZUNG. - RECHTSSACHE T-78/89 - DEPE.

Entscheidungsgründe:

Verfahren

1 Die Antragstellerin hat mit am 23. März 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangener und unter der Nummer 98/89 in das Register eingetragener Klageschrift beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 89/93/EWG der Kommission vom 7. Dezember 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 und 86 des EWG-Vertrages (IV/31.906, Flachglas ° ABl. 1989, L 33, S. 44) erhoben. Zwei weitere Unternehmen haben gegen dieselbe Entscheidung Klage erhoben. Diese Klagen sind unter den Nummern 75/89 und 97/89 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.

2 Mit Antragsschrift, die am 8. September 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland die Zulassung als Streithelfer in diesen Rechtssachen zur Unterstützung der Anträge der Kommission, soweit sie die Anwendung von Artikel 85 EWG-Vertrag betrafen, und zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen, soweit sie die Anwendung von Artikel 86 EWG-Vertrag betrafen, beantragt.

3 Mit Beschluß vom 4. Oktober 1989 hat der Gerichtshof das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer in den drei Rechtssachen 75/89, 97/89 und 98/89 zugelassen. Der Gerichtshof hat diese Streithilfe nicht beschränkt.

4 Vor Abschluß des schriftlichen Verfahrens hat der Gerichtshof mit Beschlüssen vom 15. November 1989 die drei Rechtssachen gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an das Gericht verwiesen, bei dem sie unter den Nummern T-68/89, T-77/89 sowie T-78/89 für die Antragstellerin in das Register eingetragen worden sind. Das schriftliche Verfahren ist dann vor dem Gericht abgelaufen.

5 Mit Schriftsatz, der am 4. Februar 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Streithelfer in jeder der drei Rechtssachen gleichlautende schriftliche Erklärungen eingereicht.

6 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht mit Beschlüssen vom 7. Mai 1991 eine Beweisaufnahme und prozeßleitende Maßnahmen angeordnet und deren Durchführung dem Berichterstatter übertragen. Der Berichterstatter hat am 29. und 30. Mai 1991 eine informelle Sitzung mit den Parteien geleitet.

7 In dieser Sitzung hat der Berichterstatter den Parteien dargelegt, daß er der Kammer zur Erleichterung der Prüfung der Akten und des Ablaufs der mündlichen Verhandlung im Anschluß an diese Sitzung Sitzungsberichte, deren Inhalt von jeder Partei als vollständige und detaillierte Wiedergabe ihres Standpunkts gebilligt werden könne, sowie eine gemeinsame Akte für alle Rechtssachen vorlegen wolle, in der alle Schriftstücke enthalten seien, die die Parteien als wichtig für die Entscheidung ihrer Rechtssache erachteten. Er hat die Parteien aufgefordert, ihm ihre Stellungnahme zu dem ihnen zugeleiteten Entwurf eines Sitzungsberichts sowie zu der Liste der Schriftstücke, die in die gemeinsame Akte aufgenommen werden sollten, zukommen zu lassen. Zugleich hat er die Kommission ersucht, die schriftlichen Beweisstücke, auf die sie sich beim Erlaß der Entscheidung gestützt habe, in der ihr zur Verfügung stehenden Originalfassung vorzulegen.

8 Was die Streithilfe des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland angeht, so hat dessen Vertreter erklärt, daß er sich in der mündlichen Verhandlung darauf beschränken werde, seinen Standpunkt zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen im Hinblick auf die Anwendung von Artikel 86 EWG-Vertrag vorzutragen. Die Kommission hat erklärt, sie habe unter diesen Umständen keine weiteren Einwände gegen die Zulässigkeit der Streithilfe.

9 Bezueglich der Einschätzung des Marktes sind die Parteien übereingekommen, alle zur Bewertung der Funktionsweise des italienischen und des europäischen Flachglasmarkts notwendigen Statistiken zu der gemeinsamen Akte zu reichen. Sie haben übereinstimmend erklärt, daß infolgedessen ein Sachverständigengutachten zu diesem Punkt nicht erforderlich sei.

10 Zum Antrag der Antragstellerin vom 19. November 1990, eine interne Mitteilung an ihre Abteilungen vom 25. Februar 1985 sowie die dieser beigefügte Liste vorlegen zu dürfen, haben sich die Kommission und die Antragstellerin dahin gehend geeinigt, daß diese Schriftstücke mit dem Vermerk zu den Akten gereicht werden könnten, daß sie verspätet eingereicht worden seien und das Gericht im Urteil, soweit erforderlich, über ihre mögliche Verwertung entscheiden könne. Diese Schriftstücke sind anschließend der Kommission zugeleitet worden, die sich schriftlich dazu geäussert hat.

11 Die Parteien haben sich mit einer etwaigen Verbindung der drei Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung einverstanden erklärt.

12 Im Anschluß an diese Sitzung haben die Parteien ergänzende Schriftstücke vorgelegt und sich zu den Entwürfen eines Sitzungsberichts geäussert. Auf Ersuchen des Berichterstatters hat die Kommission eine am 14. Juni 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangene Liste übermittelt, in der die Schriftstücke aufgeführt sind, die ihrer Meinung nach eine ausdrückliche oder stillschweigende Bezugnahme auf die Antragstellerin enthalten. Der Berichterstatter hat für jede Rechtssache einen endgültigen Sitzungsbericht sowie eine gemeinsame Akte erstellt, die alle Schriftstücke ° und gegebenenfalls die von den Parteien vereinbarten Übertragungen und Übersetzungen ° enthält, auf deren Grundlage die Parteien einvernehmlich die mündliche Verhandlung durchgeführt wissen wollten.

13 Mit Beschluß vom 4. Juni 1991 hat das Gericht die Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

14 Die Antragstellerin und die anderen Parteien haben in der Sitzung, die vom 12. bis 15. November 1991 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

15 Während der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Parteien ersucht, sich zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 zu gemeinsamer Entscheidung zu äussern. Die Parteien haben keine Einwände gegen eine solche Verbindung erhoben.

16 Da die Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89 ihrem Gegenstand nach miteinander in Zusammenhang standen, sind sie gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

17 In diesen Rechtssachen ist am 10. März 1992 das Urteil des Gerichts ergangen (SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403), mit dem das Gericht die angefochtene Entscheidung, soweit sie die Antragstellerin betraf, für nichtig erklärt und der Kommission die Kosten der Antragstellerin auferlegt hat.

18 Im März 1992 hat die Antragstellerin der Kommission eine Aufstellung ihrer Verfahrenskosten zukommen lassen, die einen Gesamtbetrag von 979 745 379 LIT auswies.

19 Mit Schreiben vom 18. Mai 1992 an ihren Anwalt hat der Bevollmächtigte der Kommission der Antragstellerin mitgeteilt, daß die Kommission den geforderten Betrag für überhöht halte. Sie sei nämlich der Ansicht, daß die Kosten für das Verwaltungsverfahren und die Beibringung einer Bankbürgschaft keine erstattungsfähigen Kosten darstellten und daß der Betrag der Kostenforderung die für das Verfahren notwendigen Aufwendungen übersteige. Die Kommission hat sich demzufolge bereit erklärt, an die Antragstellerin als erstattungsfähige Kosten einen Betrag von 58 500 000 LIT sowie einen Betrag zur Deckung der Reise- und Aufenthaltskosten und der Mehrkosten eines Anwalts zu zahlen, wobei dieser Betrag auf der Grundlage einer detaillierten Aufstellung dieser Kosten festgelegt werden sollte.

20 Mit Schreiben vom 16. November 1992 haben die Anwälte der Antragstellerin der Kommission mitgeteilt, daß ihr Vorschlag unannehmbar sei und sie sich demzufolge entschieden hätten, beim Gericht die Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten auf 664 440 381 LIT zuzueglich 10 % Zinsen p. a. seit dem 10. März 1992, dem Tag der Urteilsverkündung, zu beantragen.

21 Unter diesen Umständen hat die Antragstellerin mit am 19. November 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichtem Antrag das Gericht um Kostenfestsetzung ersucht und beantragt, diese Kosten auf 664 440 381 LIT zuzueglich 10 % Zinsen p. a. seit dem 10. März 1992 festzusetzen.

22 Das Gericht hat die Antragstellerin aufgefordert, Kopien der Honorarrechnungen ihrer Anwälte unter Angabe der Kriterien für die Berechnung und den Betrag der Kosten vorzulegen.

23 Mit Schriftsatz vom 30. März 1993 hat die Antragstellerin Kopien dieser Rechnungen vorgelegt, zu denen sich die Kommission am 6. April 1993 geäussert hat.

Zur Begründetheit

24 Die Antragstellerin begehrt die Erstattung zweier Arten von Kosten, die ihr im Rahmen des Verfahrens entstanden sind, das zu dem Urteil SIV u. a./Kommission geführt hat. Einmal sind das die Zinsen auf die ihren Anwälten während des Verfahrens gezahlten Beträge und auf die seit Urteilsverkündung erstattungsfähigen Kosten und zum anderen die ihren Anwälten gezahlten Beträge.

Die Erstattung der Zinsen

25 Die Antragstellerin macht zunächst geltend, bei den Zinsen auf die ihren Anwälten im Laufe des Verfahrens gezahlten Beträge handele es sich um erstattungsfähige Kosten, da sie ihr durch das Verfahren entstanden seien. In dieser Hinsicht fordert sie 71 855 302 LIT.

26 Sie führt weiter aus, daß ihr Verzugszinsen in Höhe von 10 % auf den gesamten von ihr geforderten Betrag seit Urteilsverkündung in der Rechtssache SIV u.a./Kommission zustuenden.

27 Die Kommission hält dem entgegen, daß weder die Zinsen auf die den Anwälten vor Urteilsverkündung gezahlten Beträge noch die Verzugszinsen von 10 % p. a. seit Urteilsverkündung auf alle diese Beträge einschließlich der Zinsen darauf erstattungsfähig seien.

28 Zur Begründung ihres Vorbringens verweist die Kommission auf den Beschluß des Gerichtshofes vom 18. April 1975 in der Rechtssache 6/72 (Europemballage Corporation und Continental Can/Kommission, Slg. 1975, 495), in dem klargestellt worden sei, daß der Kostenfestsetzungsbeschluß den Rechtstitel für den Anspruch der Antragstellerinnen auf Erstattung der Kosten bilde und daher ein Antrag auf Zuerkennung von Verzugszinsen seit Urteilsverkündung zurückzuweisen sei.

29 Aus der von der Kommission angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofes geht hervor, daß die Antragstellerin eine Erstattung der Zinsen auf die ihren Anwälten gezahlten Beträge weder seit dem Tag der Zahlung dieser Beträge noch seit dem Tag der Verkündung des Urteils des Gerichts als erstattungsfähige Kosten fordern kann.

Die den Anwälten gezahlten Beträge

30 Ihrem Antrag legt die Antragstellerin eine Aufstellung bei, aus der die an die beiden Anwaltskanzleien, die sie im Verfahren vertreten haben, gezahlten Beträge sowie die Daten dieser Zahlungen, die zwischen dem 19. April 1989 und dem 15. Januar 1992 erfolgten, hervorgehen. Sie weist auf den Umfang und die Kompliziertheit des Falles in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht hin, insbesondere auf

° den im Wettbewerbsrecht neuen Begriff des Mißbrauchs der kollektiven beherrschenden Stellung;

° die mangelnde Klarheit des Standpunkts der Kommission in mehreren Punkten wie dem Glashandel;

° die Irrtümer, Auslassungen und Unklarheiten seitens der Kommission hinsichtlich der in der Entscheidung angeführten Tatsachen (vgl. Randnrn. 200, 202, 223, 260, 262 und 271 des Urteils);

° die unzureichende Methode der Kommission zur Feststellung des Sachverhalts und insbesondere den Umstand, daß sie bewusst einige Stellen in den Unterlagen ausgelassen oder getilgt habe (vgl. Randnrn. 90 und 91 des Urteils).

31 Sie führt an, diese verschiedenen Umstände hätten den Berichterstatter bewogen, eine Beweisaufnahme sowie prozeßleitende Maßnahmen durchzuführen, die für ihre Anwälte ebenfalls einen zusätzlichen Arbeitsaufwand verursacht hätten.

32 Schließlich weist die Antragstellerin darauf hin, daß die finanziellen Auswirkungen des Rechtsstreits beträchtlich gewesen seien, da die ihr auferlegte Geldbusse 1 700 000 ECU betragen habe.

33 Die Antragstellerin rechtfertigt ausserdem die Einschaltung zweier verschiedener Anwaltskanzleien in Rom und in Brüssel damit, daß sie selbst ihren Sitz in Italien habe, die Rechtssache aber das Tätigwerden einer auf Gemeinschaftsrecht spezialisierten Kanzlei erfordert habe.

34 Die Kommission führt folgende Tatsachen an, um zu belegen, daß nicht alle Aufwendungen der Antragstellerin für das Verfahren notwendig gewesen seien:

° die Tatsache, daß die Antragstellerin nicht nur vier Anwälte eingeschaltet habe, sondern auch zwei unterschiedliche Kanzleien, die eine in Brüssel und die andere in Rom, wodurch Doppelarbeit und beträchtliche Kommunikationskosten entstanden seien;

° die Streithilfe der Regierung des Vereinigten Königreichs zur Unterstützung der Antragstellerin in der schwierigsten Rechtsfrage, die der Antragstellerin viele Nachforschungen erspart habe;

° die vom Berichterstatter durchgeführten Sitzungen, die die spätere Arbeit sehr erleichtert hätten;

° die Tatsache, daß der Anwalt, der für die Kommission in den drei Rechtssachen "Flachglas" tätig geworden sei, dies für ein Honorar getan habe, das für diese drei Rechtssachen nur einen Bruchteil des vom Anwalt der Antragstellerin geforderten Betrags ausmache.

35 Die Kommission folgert daraus, daß die Antragstellerin kein Argument vorgebracht habe, das einen so hohen Betrag rechtfertige.

36 Vorab ist daran zu erinnern, daß "der Gemeinschaftsrichter 'nicht die von den Parteien ihren eigenen Anwälten geschuldeten Vergütungen festzusetzen, sondern den Betrag zu bestimmen hat, bis zu dem die Erstattung dieser Vergütungen von der zur Tragung der Kosten verurteilten Partei verlangt werden kann'. Daraus folgt, daß das Gericht 'weder eine nationale Gebührenordnung für Anwälte noch eine eventuell zwischen der betroffenen Partei und ihren Bevollmächtigten oder Beiständen getroffene Gebührenvereinbarung zu berücksichtigen' braucht. Da das Gemeinschaftsrecht keine Gebührenordnung kennt, hat das Gericht 'die Gegebenheiten des Einzelfalls frei zu würdigen und dabei den Gegenstand und die Art des Rechtsstreits, seine Bedeutung aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht sowie seinen Schwierigkeitsgrad, den Arbeitsaufwand der tätig gewordenen Bevollmächtigten oder Beistände im Zusammenhang mit dem Verfahren und das wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen, das die Parteien am Ausgang des Rechtsstreits hatten' (Beschluß des Gerichtshofes vom 26. November 1985 in der Rechtssache 318/82, Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 3727)" (Beschluß des Gerichts vom 25. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-18/89 und T-24/89, Tagaras/Gerichtshof, Slg. 1992, II-153, Randnr. 13).

37 Das Gericht stellt fest, daß die Antragstellerin beantragt, ihr als erstattungsfähige Kosten ohne Zinsen folgendes zuzusprechen: 147 901 821 LIT für die Abfassung der Klageschrift und 112 476 433 LIT für die der Erwiderung, 28 341 860 LIT für die Prüfung der Gegenerwiderung und für den Antrag, einige Schriftstücke vorlegen zu dürfen, 147 897 484 LIT für die Vorbereitung und Teilnahme an den vom Berichterstatter am 29. und 30. Mai 1991 sowie am 27. Juni und 15. Juli 1991 durchgeführten Sitzungen, die der Vorbereitung der Unterlagen für die mündliche Verhandlung dienen sollten, und schließlich 155 967 491 LIT für die mündliche Verhandlung und die Schließung der Akten.

38 Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Zahlen geht hervor, daß bei jedem dieser Verfahrensschritte zwei verschiedene Anwaltskanzleien tätig geworden sind und ungefähr gleich hohe Beträge verlangt haben.

39 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes geht jedoch hervor, daß grundsätzlich die Vergütung nur eines Anwalts als unter den Begriff "notwendige Aufwendungen" im Sinne von Artikel 73 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichtshofes fallend angesehen werden kann, der denselben Gegenstand hat wie Artikel 91 Buchstabe b der Verfahrensordnung des Gerichts (Beschlüsse vom 30. September 1964 in den verbundenen Rechtssachen 20/63 und 21/63, Maudet/Kommission, Slg. 1964, 1325, vom 16. Mai 1966 in den verbundenen Rechtssachen 106/63 und 107/63, Töpfer und Getreide-Import/Kommission, und vom 5. Juli 1976 in der Rechtssache 73/74, Belgien u. a./Kommission, nicht in der Sammlung veröffentlicht).

40 Selbst wenn vorliegend die Art des Rechtsstreits die Einschaltung von mehr als einem Anwalt rechtfertigte, so ist doch nicht der Nachweis erbracht worden, daß es notwendig war, vier Anwälte und ihre Mitarbeiter aus zwei Kanzleien, niedergelassen in Brüssel, Edinburgh und Rom, zu bemühen, was zwangsläufig zu einer Erhöhung der Honorare und Kosten geführt hat.

41 Aus diesem Grund sind nach Auffassung des Gerichts die Verfahrenskosten, deren Erstattung die Antragstellerin begehrt, grundsätzlich herabzusetzen, vorbehaltlich einer Überprüfung der Berechtigung dieses Betrags anhand der in Randnummer 36 angeführten Kriterien.

42 Hinsichtlich der Bedeutung der Rechtssache unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts ist festzustellen, daß die Frage des Mißbrauchs einer kollektiven beherrschenden Stellung neu war und daher umfangreiche Nachforschungen erforderte.

43 Hinsichtlich des Schwierigkeitsgrads der Sache und des Arbeitsaufwands, den das Gerichtsverfahren den Anwälten der Antragstellerin hat verursachen können, ist hervorzuheben, daß der komplexe Sachverhalt und die mangelnde Ordnung und Klarheit der Akte der Kommission für die Anwälte der Antragstellerin, die an einer vom Berichterstatter durchgeführten Sitzung teilnehmen mussten, um die Situation zu klären, eine schwierige und beträchtliche Arbeit zur Folge gehabt haben.

44 Was schließlich die wirtschaftlichen Interessen betrifft, die der Rechtsstreit für die Parteien dargestellt hat, so ist festzustellen, daß die der Antragstellerin auferlegte Geldbusse (1 700 000 ECU) erheblich war.

45 Aus diesem dreifachen Grund sind in der vorliegenden Rechtssache hohe Honorare gerechtfertigt, die das Gericht zu schätzen hat.

46 In Anbetracht all dieser Erwägungen ist der Gesamtbetrag der der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten auf 300 000 000 LIT festzusetzen.

47 Da das Gericht bei der Festsetzung der erstattungsfähigen Kosten sämtliche Umstände der Rechtssache bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung berücksichtigt hat, ist über die Kosten der Parteien in diesem Nachverfahren nicht gesondert zu entscheiden.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

Der Gesamtbetrag der der Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten wird auf 300 000 000 LIT festgesetzt.

Luxemburg, den 9. Juni 1993.

Ende der Entscheidung

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