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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.1991
Aktenzeichen: T-8/89
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
1. In einer an ein Unternehmen gerichteten Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag können gegenüber diesem Unternehmen nur die Schriftstücke als Beweismittel verwendet werden, von denen schon im Stadium der Mitteilung der Beschwerdepunkte und aufgrund ihrer Erwähnung in dieser Mitteilung oder in deren Anlagen erkennbar war, daß die Kommission sich auf sie berufen wollte, und zu deren Beweiskraft sich das Unternehmen somit rechtzeitig äussern konnte.
2. Eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dies ist dann der Fall, wenn es zwischen mehreren Unternehmen eine Willensübereinstimmung zur Erreichung von Preis- und Verkaufsmengenzielen gab.
3. Artikel 85 EWG-Vertrag ist auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen.
4. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, anhand deren sich der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise bestimmen lässt, sind im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht.
Die Teilnahme an Sitzungen, deren Zweck es ist, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen, und in denen die Wettbewerber Informationen über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigen, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen oder über ihre Verkaufszahlen austauschen, stellt eine abgestimmte Verhaltensweise dar, da die teilnehmenden Unternehmen die so weitergegebenen Informationen zwangsläufig bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen.
5. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sieht keine spezifische Subsumtion für eine Zuwiderhandlung vor, die zwar komplex, aber doch einheitlich ist, weil sie aus einem kontinuierlichen Verhalten besteht, das durch eine einzige Zielsetzung gekennzeichnet ist und sowohl Einzelakte aufweist, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Daher kann eine solche Zuwiderhandlung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert werden, ohne daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt.
6. Die Kommission hat gemäß Artikel 190 EWG-Vertrag ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben, sie braucht jedoch bei einer Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden.
7. Bei der Bemessung der wegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages zu verhängenden Geldbusse kann zu Lasten eines Unternehmens erschwerend berücksichtigt werden, daß die Kommission bereits in der Vergangenheit Verstösse dieses Unternehmens gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt und insoweit gegebenenfalls eine Strafe verhängt hat. Demgegenüber stellt das Fehlen einer früheren Zuwiderhandlung keinen besonderen Umstand dar, den die Kommission als mildernd berücksichtigen müsste.
URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 17. DEZEMBER 1991. - DSM NV GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - BEGRIFF DER VEREINBARUNG UND DER ABGESTIMMTEN VERHALTENSWEISE KOLLEKTIVE VERANTWORTLICHKEIT. - RECHTSSACHE T-8/89.
Entscheidungsgründe:
Sachverhalt
1 Die vorliegende Rechtssache betrifft eine Entscheidung der Kommission, mit der fünfzehn Herstellern von Polypropylen wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag eine Geldbusse auferlegt wurde. Das von der angefochtenen Entscheidung (nachstehend: Entscheidung) erfasste Erzeugnis ist eines der wichtigsten thermoplastischen Polymere. Polypropylen wird von den Herstellern an die Verarbeiter zur Weiterverarbeitung zu Fertig- und Halbfertigerzeugnissen verkauft. Die wichtigsten Hersteller von Polypropylen verfügen über eine Palette von mehr als hundert verschiedenen Sorten für einen breiten Fächer von Verwendungszwecken. Die wichtigsten Polypropylengrundsorten sind Raffia, Homopolymer für Spritzguß, Kopolymer für Spritzguß, hochschlagfestes Kopolymer und Folien. Alle Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, sind grosse Hersteller petrochemischer Erzeugnisse.
2 Der westeuropäische Polypropylenmarkt wird fast ausschließlich von europäischen Produktionsstätten beliefert. Vor 1977 wurde dieser Markt von zehn Herstellern beliefert, nämlich von den Unternehmen Montedison (die spätere Montepolimeri SpA und jetzige Montedipe SpA), Hoechst AG, Imperial Chemical Industries PLC und Shell International Chemical Company Ltd (den sogenannten "vier Grossen"), die zusammen 64 % des Marktes innehatten, Enichem Anic SpA in Italien, Rhône-Poulenc SA in Frankreich, Alcudia in Spanien, Chemische Werke Hüls und BASF AG in Deutschland sowie Chemie Linz AG in Österreich. Nach dem Auslaufen der Hauptpatente von Montedison traten 1977 in Westeuropa sieben neue Hersteller auf: Amoco und Hercules Chemicals NV in Belgien, ATO Chimie SA und Solvay & Cie SA in Frankreich, SIR in Italien, DSM NV in den Niederlanden und Taqsa in Spanien. Der norwegische Hersteller Saga Petrokjemi AS & Co. und die Petrofina SA nahmen ihre Tätigkeit Mitte 1978 bzw. im Jahre 1980 auf. Das Auftreten neuer Hersteller mit einer nominalen Kapazität von rund 480 000 t bewirkte ein erhebliches Anwachsen der Produktionskapazität in Westeuropa, die mehrere Jahre lang nicht durch einen entsprechenden Anstieg der Nachfrage ausgeglichen wurde. Dies hatte einen geringen Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten zur Folge; zwischen 1977 und 1983 soll der Auslastungsgrad jedoch schrittweise von 60 % auf 90 % gestiegen sein. Nach der Entscheidung sollen sich Angebot und Nachfrage von 1982 an im grossen und ganzen im Gleichgewicht befunden haben. Während des grössten Teils des Untersuchungszeitraums (1977 bis 1983) sei der Polypropylenmarkt jedoch durch eine niedrige Rentabilität oder durch erhebliche Verluste gekennzeichnet gewesen, und zwar namentlich wegen der Bedeutung der fixen Kosten und des Anstiegs des Preises des Ausgangsstoffes Propylen. Nach Randnummer 8 der Entscheidung beliefen sich 1983 die europäischen Marktanteile der Montepolimeri SpA auf 18 %, der Imperial Chemical Industries, der Shell International Chemical Company Ltd und Hoechst AG auf jeweils 11 %, der Hercules Chemicals NV auf knapp 6 %, der ATO Chimie SA, der BASF AG, der DSM NV, der Chemischen Werke Hüls, der Chemie Linz AG, der Solvay & Cie. SA und der Saga Petrokjemi AS & Co. auf jeweils 3 bis 5 % und der Petrofina SA auf etwa 2 %. Der Polypropylenhandel zwischen Mitgliedstaaten sei groß gewesen, da jeder der damals in der Gemeinschaft niedergelassenen Hersteller in die meisten, wenn nicht in alle Mitgliedstaaten verkauft habe.
3 Die DSM NV (nachstehend: DSM oder Klägerin) gehört zu den sieben neuen Herstellern, die 1977 auf den Markt kamen. Sie war ein mittelgrosser Hersteller auf dem Polypropylenmarkt mit einem Marktanteil zwischen 3,1 und 4,8 %.
4 Am 13. und 14. Oktober 1983 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204; nachstehend: Verordnung Nr. 17) gleichzeitig Nachprüfungen bei den folgenden, den Markt der Gemeinschaft beliefernden Herstellern von Polypropylen durch:
- ATO Chimie SA, jetzt Atochem (nachstehend: ATO);
- BASF AG (nachstehend: BASF);
- DSM NV (nachstehend: DSM);
- Hercules Chemicals NV (nachstehend: Hercules);
- Hoechst AG (nachstehend: Hoechst);
- Chemische Werke Hüls (nachstehend: Hüls);
- Imperial Chemical Industries PLC (nachstehend: ICI);
- Montepolimeri SpA, jetzt Montedipe (nachstehend: Monte);
- Shell International Chemical Company Ltd (nachstehend: Shell);
- Solvay & Cie. SA (nachstehend: Solvay);
- BP Chimie (nachstehend: BP).
Keine Nachprüfungen erfolgten bei Rhône-Poulenc SA (nachstehend: Rhône-Poulenc) und bei der Enichem Anic SpA.
5 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission Auskunftsverlangen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 (nachstehend: Auskunftsverlangen) nicht nur an die genannten, sondern auch an folgende Unternehmen:
- Amoco;
- Chemie Linz AG (nachstehend: Linz);
- Saga Petrokjemi AS & Co., jetzt Teil von Statoil (nachstehend: Statoil);
- Petrofina SA (nachstehend: Petrofina);
- Enichem Anic SpA (nachstehend: Anic).
Linz, ein österreichisches Unternehmen, bestritt die Zuständigkeit der Kommission und weigerte sich, dem Auskunftsverlangen nachzukommen. Gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 führten Kommissionsbeamte anschließend Nachprüfungen bei Anic und bei der Saga Petrochemicals UK Ltd, der englischen Tochter von Saga, sowie bei den Verkaufsgesellschaften von Linz im Vereinigten Königreich und in der Bundesrepublik Deutschland durch. An Rhône-Poulenc erging kein Auskunftsverlangen.
6 Anhand des im Rahmen dieser Nachprüfungen und Auskunftsverlangen entdeckten Beweismaterials gelangte die Kommission zu der vorläufigen Auffassung, die Hersteller hätten von 1977 bis 1983 unter Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag durch eine Reihe von Preisinitiativen regelmässig Zielpreise festgesetzt und ein System jährlicher Mengenkontrolle entwickelt, um den verfügbaren Markt nach vereinbarten Prozentsätzen oder Mengen unter sich aufzuteilen. Am 30. April 1984 beschloß die Kommission deshalb, ein Verfahren gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 einzuleiten. Im Mai 1984 übermittelte sie den genannten Unternehmen mit Ausnahme von Anic und Rhône-Poulenc die schriftliche Mitteilung der Beschwerdepunkte. Alle Adressaten äusserten sich dazu schriftlich.
7 Am 24. Oktober 1984 traf der von der Kommission ernannte Anhörungsbeauftragte mit den Rechtsberatern der Adressaten der Beschwerdepunkte zusammen, um Vereinbarungen über den Ablauf der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgesehenen Anhörung zu treffen, deren Beginn für den 12. November 1984 vorgesehen war. In dieser Sitzung teilte die Kommission den Unternehmen ausserdem zu den in den Antworten auf die Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumenten mit, sie werde ihnen in Kürze ergänzende Unterlagen zu den bereits übermittelten Beweismitteln bezueglich der Durchsetzung der Preisinitiativen zuleiten. Demgemäß übersandte sie den Rechtsberatern der Unternehmen am 31. Oktober 1984 eine Reihe von Unterlagen, die Kopien der einschlägigen Preisinstruktionen der Hersteller für ihre Verkaufsstellen einschließlich der Tabellen enthielten, in denen diese Belege zusammengefasst waren. Um die Wahrung des Geschäftsgeheimnisses zu gewährleisten, verband die Kommission diese Übermittlung mit bestimmten Auflagen; insbesondere durften die übersandten Unterlagen nicht an die kaufmännischen Abteilungen der Unternehmen weitergegeben werden. Die Anwälte einiger Unternehmen lehnten diese Auflagen ab und schickten die Unterlagen vor der mündlichen Anhörung zurück.
8 Aufgrund der Angaben in den schriftlichen Antworten auf die Beschwerdepunkte beschloß die Kommission, das Verfahren auf Anic und Rhône-Poulenc auszudehnen. Demgemäß übersandte sie diesen Unternehmen am 25. Oktober 1984 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die der den anderen fünfzehn Unternehmen übersandten Mitteilung ähnlich war.
9 Eine erste Reihe von Anhörungen fand vom 12. bis zum 20. November 1984 statt. In ihr wurden mit Ausnahme von Shell (die sich geweigert hatte, an einer Anhörung teilzunehmen) sowie Anic, ICI und Rhône-Poulenc (die sich nicht in der Lage sahen, ihre Unterlagen vorzubereiten) alle Unternehmen angehört.
10 Bei diesen Anhörungen weigerten sich mehrere Unternehmen, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die in den ihnen am 31. Oktober 1984 übersandten Unterlagen angeschnitten worden waren, da die Kommission die gesamte Bewertung des Falles geändert habe; sie müssten zumindest Gelegenheit erhalten, sich hierzu schriftlich zu äussern. Andere machten geltend, sie hätten nicht genügend Zeit gehabt, die betreffenden Unterlagen vor der Anhörung zu prüfen. Die Anwälte von BASF, DSM, Hercules, Hoechst, ICI, Linz, Monte, Petrofina und Solvay übersandten der Kommission am 28. November 1984 ein gemeinsames Schreiben in diesem Sinne. In einem Schreiben vom 4. Dezember 1984 schloß sich Hüls dieser Linie an.
11 Daraufhin leitete die Kommission den Unternehmen am 29. März 1985 eine neue Serie von Dokumenten zu, die die Preisanweisungen der Unternehmen an ihre Verkaufsbüros wiedergaben, begleitet von Preistabellen, sowie eine Zusammenfassung der Beweise für alle Preisinitiativen, für die Unterlagen verfügbar waren. Die Unternehmen wurden aufgefordert, sich dazu schriftlich und in einer weiteren mündlichen Anhörung zu äussern. Die ursprünglichen Auflagen bezueglich der Weitergabe an die kaufmännischen Abteilungen hob die Kommission auf.
12 In einem weiteren Schreiben gleichen Datums ging die Kommission auf das Vorbringen der Anwälte ein, sie habe die Rechtsnatur des angeblichen Kartells nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht eindeutig definiert. Sie forderte die Unternehmen auf, sich hierzu schriftlich und mündlich zu äussern.
13 Eine zweite Reihe von Anhörungen fand vom 8. bis zum 11. Juli 1985 und am 25. Juli 1985 statt. Dabei äusserten sich Anic, ICI und Rhône-Poulenc; die anderen Unternehmen (mit Ausnahme von Shell) nahmen zu den von der Kommission in den beiden Schreiben vom 29. März 1985 angesprochenen Fragen Stellung.
14 Der Entwurf der Niederschrift über die Anhörungen sowie alle anderen entscheidungserheblichen Unterlagen wurden den Mitgliedern des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen (nachstehend: Beratender Ausschuß) am 19. November 1985 übergeben und den Unternehmen am 25. November 1985 zugesandt. Der Beratende Ausschuß gab seine Stellungnahme in seiner 170. Sitzung vom 5. und 6. Dezember 1985 ab.
15 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die streitige Entscheidung vom 23. April 1986. Der verfügende Teil dieser Entscheidung lautet wie folgt:
"Artikel 1
Anic SpA, ATO Chemie SA (heute Atochem), BASF AG, DSM NV, Hercules Chemicals NV, Hoechst AG, Chemische Werke Hüls (jetzt Hüls AG), ICI PLC, Chemische Werke Linz, Montepolimeri SpA (jetzt Montedipe), Petrofina SA, Rhône-Poulenc SA, Shell International Chemical Co. Ltd, Solvay & Cie und Saga Petrokjemi AG & Co. (jetzt Teil der Statoil) haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie:
- im Fall von Anic von etwa November 1977 bzw. 1978 bis weit ins Jahr 1982 oder Anfang 1983;
- im Fall von Rhône-Poulenc von etwa November 1977 bis Ende 1980;
- im Fall von Petrofina von 1980 bis mindestens November 1983;
- im Fall von Hoechst, ICI, Montepolimeri und Shell von etwa Mitte 1977 bis mindestens November 1983;
- im Fall von Hercules, Linz, Saga und Solvay von etwa November 1977 bis mindestens November 1983;
- im Fall von ATO von mindestens 1978 bis mindestens November 1983;
- im Fall von BASF, DSM und Hüls von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 bis mindestens November 1983
an einer von Mitte 1977 stammenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt waren, durch die die Gemeinschaft mit Polypropylen beliefernden Hersteller:
a) miteinander Verbindung hatten und sich regelmässig (von Anfang 1981 an zweimal monatlich) in einer Reihe geheimer Sitzungen trafen, um ihre Geschäftspolitik zu erörtern und festzulegen;
b) von Zeit zu Zeit für den Absatz ihrer Erzeugnisse in jedem Mitgliedstaat der EWG Ziel- (oder Mindest-)preise festlegten;
c) verschiedene Maßnahmen trafen, um die Durchsetzung dieser Zielpreise zu erleichtern, (vor allem) u. a. durch vorübergehende Absatzeinschränkungen, den Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, die Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab Ende 1982 ein System der "Kundenführerschaft" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden;
d) gleichzeitige Preiserhöhungen vornahmen, um die besagten Ziele durchzusetzen;
e) den Markt aufteilten, indem jedem Hersteller ein jährliches Absatzziel bzw. eine Quote (1979, 1980 und zumindest für einen Teil des Jahres 1983) zugeteilt wurde oder, falls es zu keiner endgültigen Vereinbarung für das ganze Jahr kam, die Hersteller aufgefordert wurden, ihre monatlichen Verkäufe unter Bezugnahme auf einen vorausgegangenen Zeitraum einzuschränken (1981, 1982).
Artikel 2
Die in Artikel 1 genannten Unternehmen sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie es noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Polypropylengeschäfte von allen Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen. Dazu gehört der Austausch von Informationen, die normalerweise dem Geschäftsgeheimnis unterliegen und durch die die Teilnehmer direkt oder indirekt über Produktion, Absatz, Lagerhaltung, Verkaufspreise, Kosten oder Investitionspläne anderer Hersteller informiert oder aufgrund deren sie in die Lage versetzt werden, die Befolgung ausdrücklicher oder stillschweigender Preis- oder Marktaufteilungsabsprachen innerhalb der Gemeinschaft zu kontrollieren. Ein Verfahren zum Austausch allgemeiner Informationen, dem sich die Hersteller anschließen (wie Fides), muß unter Ausschluß sämtlicher Informationen geführt werden, aus denen sich das Marktverhalten einzelner Hersteller ableiten lässt. Die Unternehmen dürfen insbesondere untereinander keine zusätzlichen wettbewerbsrelevanten Informationen austauschen, die ein solches System nicht erfasst.
Artikel 3
Gegen die in dieser Entscheidung genannten Unternehmen werden wegen des in Artikel 1 festgestellten Verstosses folgende Geldbussen festgesetzt:
i) Anic SpA, eine Geldbusse von 750 000 ECU bzw. 1 103 692 500 LIT;
ii) Atochem, eine Geldbusse von 1 750 000 ECU bzw. 11 973 325 FF;
iii) BASF AG, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 5 362 225 DM;
iv) DSM NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 6 657 640 HFL;
v) Hercules Chemicals NV, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 120 569 620 BFR;
vi) Hoechst AG, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 19 304 010 DM;
vii) Hüls AG, eine Geldbusse von 2 750 000 ECU bzw. 5 898 447,50 DM;
viii) ICI PLC, eine Geldbusse von 10 000 000 ECU bzw. 6 447 970 UKL;
ix) Chemische Werke Linz, eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 1 471 590 000 LIT;
x) Montedipe, eine Geldbusse von 11 000 000 ECU bzw. 16 187 490 000 LIT;
xi) Petrofina SA, eine Geldbusse von 600 000 ECU bzw. 26 306 100 BFR;
xii) Rhône-Poulenc SA, eine Geldbusse von 500 000 ECU bzw. 3 420 950 FF;
xiii) Shell International Chemical Co. Ltd, eine Geldbusse von 9 000 000 ECU bzw. 5 803 173 UKL;
xiv) Solvay & Cie, eine Geldbusse von 2 500 000 ECU bzw. 109 608 750 BFR;
xv) Statoil, Den Norske Stats Oljeselskap AS (nunmehr einschließlich Saga Petrokjemi), eine Geldbusse von 1 000 000 ECU bzw. 644 797 UKL.
Artikel 4 und 5
(nicht wiedergegeben)"
16 Am 8. Juli 1986 wurde den Unternehmen die endgültige Niederschrift über die Anhörungen mit den von ihnen verlangten Berichtigungen, Zusätzen und Streichungen übermittelt.
Verfahren
17 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 31. Juli 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Dreizehn der vierzehn übrigen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Nichtigkeitsklage erhoben (Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89, T-6/89, T-7/89 und T-9/89 bis T-15/89).
18 Das gesamte schriftliche Verfahren ist vor dem Gerichtshof abgelaufen.
19 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof diese und die dreizehn übrigen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Beschluß des Rates vom 24. Oktober 1988) an das Gericht verwiesen.
20 Gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 hat der Präsident des Gerichts einen Generalanwalt bestellt.
21 Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien zur Teilnahme an einer informellen Sitzung aufgefordert, um die Einzelheiten der Durchführung der mündlichen Verhandlung festzulegen. Diese Sitzung hat am 28. Juni 1990 stattgefunden.
22 Mit Schreiben vom 9. Juli 1990 hat der Kanzler des Gerichts die Parteien gebeten, sich zu einer eventuellen Verbindung der Rechtssachen T-1/89 bis T-4/89 und T-6/89 bis T-15/89 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu äussern. Keine der Parteien hat hiergegen Einwände erhoben.
23 Mit Beschluß vom 25. September 1990 hat das Gericht die genannten Rechtssachen wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhangs nach Artikel 43 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die gemäß Artikel 11 Absatz 3 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend galt, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden.
24 Mit Beschluß vom 15. November 1990 hat das Gericht über die von den Klägerinnen in den Rechtssachen T-2/89, T-3/89, T-9/89, T-11/89, T-12/89 und T-13/89 gestellten Anträge auf vertrauliche Behandlung entschieden und ihnen teilweise stattgegeben.
25 Mit Schreiben, die zwischen dem 9. Oktober und dem 29. November 1990 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien die ihnen vom Gericht mit Schreiben des Kanzlers vom 19. Juli 1990 gestellten Fragen beantwortet.
26 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.
27 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 10. bis 15. Dezember 1990 stattgefunden hat, mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.
28 Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge in der Sitzung vom 10. Juli 1991 vorgetragen.
Anträge der Parteien
29 Die Klägerin beantragt,
1) die mit der Klage angefochtene Entscheidung der Beklagten vom 23. Mai 1986 (IV/31.149 - Polypropylen) ganz oder teilweise für nichtig zu erklären;
2) die in der Entscheidung gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse aufzuheben oder herabzusetzen;
3) alle vom Gerichtshof (Gericht) für zweckmässig erachteten Verfügungen und Maßnahmen zu treffen;
4) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Kommission beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
30 Nach Auffassung des Gerichts sind zuerst die Rügen zu prüfen, mit denen die Klägerin eine Verletzung der Verteidigungsrechte geltend macht, weil die Kommission ihr Schriftstücke, auf die sie die Entscheidung gestützt habe, nicht übermittelt (1) und durch die Heranziehung unzulänglicher Beweismittel die Beweislast umgekehrt habe (2); zweitens die Rügen bezueglich der Feststellung der Zuwiderhandlung, die sich zum einen auf die von der Kommission getroffenen Tatsachenfeststellungen (1) und zum anderen auf die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen (2) beziehen, da die Kommission die Zuwiderhandlung nicht richtig qualifiziert (A) und deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung (B) sowie die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht zutreffend gewürdigt habe (C); drittens die Rügen bezueglich der Begründung der Entscheidung und viertens die Rügen bezueglich der Festsetzung der Geldbusse, die weder der Dauer (1) noch der Schwere (2) der behaupteten Zuwiderhandlung angemessen sei.
Zu den Verteidigungsrechten
1. Unterlassene Übermittlung von Schriftstücken anläßlich der Mitteilung der Beschwerdepunkte
31 Die Klägerin macht geltend, daß ihr die Kommission bei der Mitteilung der Beschwerdepunkte Schriftstücke nicht übersandt habe, die sie in vierzehn Punkten ihrer Entscheidung angeführt habe, und daß sie es ihr auf diese Weise unmöglich gemacht habe, sich zu deren Inhalt zu äussern. Es handele sich um einen von einem Hercules-Angestellten angefertigten Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (Entscheidung, Randnr. 15 Buchstabe b; vgl. auch Randnr. 37), ein angeblich bei Solvay gefundenes Schriftstück vom 6. September 1977 (Entscheidung, Randnr. 16, letzter Absatz), die Antwort von Shell auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte (Entscheidung, Randnr. 17), um die Protokolle zweier Shell-interner Sitzungen vom 5. Juli 1979 (Entscheidung, Randnr. 29, Absatz 2) bzw. vom 12. September 1979 (Entscheidung, Randnr. 31), ein internes Solvay-Dokument (Entscheidung, Randnr. 32), eine Erinnerung von Solvay an ihre Verkaufsabteilungen vom 17. Juli 1981 (Entscheidung, Randnr. 35), Artikel in der Fachpresse von Ende 1981 (Entscheidung, Randnr. 36), einen internen Vermerk von ICI über "gutes Klima" (Entscheidung, Randnr. 46), Schriftstücke von Shell über das Vereinigte Königreich und Frankreich sowie ein Shell-Papier mit der Bezeichnung "PP W Europe-Pricing" und "Market quality report" (Entscheidung, Randnr. 49), verschiedene Schriftstücke von ATO, insbesondere einen internen Vermerk vom 28. September 1983 (Entscheidung, Randnr. 51), bei ICI gefundene Tabellen mit den berichtigten Zielen für 1979 (Entscheidung, Randnr. 54), das von einem ICI-Angestellten erstellte Protokoll der Sitzung vom 10. März 1982 (Entscheidung, Randnr. 58), einen nichtdatierten ICI-Vermerk, der als Sprechzettel für eine Sitzung mit Shell im Mai 1983 habe dienen sollen, und schließlich um ein Arbeitsdokument für das erste Quartal 1983, das bei Shell gefunden worden sei (Entscheidung, Randnr. 63).
32 Die Klägerin rügt hierbei einen Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, 127, S. 2268, nachstehend: Verordnung Nr. 99/63), wonach die Kommission den Unternehmen die in Betracht gezogenen Beschwerdepunkte schriftlich mitteilen müsse. Diesen Beschwerdepunkten müssten die Schriftstücke beigefügt sein, auf die die Kommission ihre Behauptungen stütze. Wenn den betroffenen Unternehmen auch nicht der gesamte Akteninhalt mitgeteilt zu werden brauche, müssten sie doch zumindest über die Tatsachen informiert werden, auf die die Kommission ihre Beschwerdepunkte stütze (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtsachen 56/64 und 58/64, Consten-Grundig/Kommission, Slg. 1966, 322). Wenn es sich hierbei um besondere Schriftstücke handele, müsse die Kommission diese den Unternehmen übermitteln oder die von ihr herangezogenen Schriftstücke, wenn sie ihnen bekannt sein könnten, genau bezeichnen. Ausserdem müsse die Beurteilung der Bedeutung eines Schriftstücks oder der Art der Reaktion eines Unternehmens auf ein Schriftstück diesem Unternehmen überlassen bleiben.
33 Nach Ansicht der Kommission sind der Klägerin alle Schriftstücke, die sie beträfen und ihre Beteiligung an dem Kartell bewiesen, mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte in problemlos identifizierbarer Weise übermittelt worden, ausgenommen das von einem ICI-Angestellten erstellte Protokoll einer Sitzung vom 10. März 1982 (Entscheidung, Randnr. 58). Dieses Protokoll erläutere indessen nur den Inhalt eines bei ICI und Hercules aufgefundenen Plans (Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte, Anlage 71, nachstehend: gem. Bpkte., Anl.), der der Klägerin übermittelt worden sei, und betreffe ausserdem das Jahr 1982, für das die Klägerin ihre Beteiligung an dem Kartell zugegeben habe.
34 Im übrigen habe die Klägerin während des Akteneinsichtsverfahrens von verschiedenen anderen Schriftstücken Kenntnis nehmen können, von denen sie behaupte, daß sie ihr nicht übermittelt worden seien.
35 Die in den Randnummern 46 und 54 der Entscheidung angeführten Schriftstücke seien der Klägerin als Anlagen 35 und 55 der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte übersandt worden.
36 Die Kommission räumt ein, daß bestimmte in der Entscheidung angeführte Schriftstücke der Klägerin nicht übermittelt worden seien, weil sie überhaupt keinen Bezug zu ihr gehabt und der Entscheidung, soweit sie die Klägerin betreffe, nicht zugrunde gelegen hätten. Deshalb seien sie für die Beurteilung der Position der Klägerin innerhalb des Kartells ohne jeden Belang.
37 Das Gericht stellt fest, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht die Schriftstücke als solche entscheidend sind, sondern die Schlußfolgerungen, die die Kommission daraus gezogen hat. Wenn diese Schriftstücke in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt worden sind, so kann das betroffene Unternehmen zu Recht davon ausgehen, daß sie für das Verfahren bedeutungslos sind. Teilt die Kommission einem Unternehmen nicht mit, daß gewisse Schriftstücke in der Entscheidung verwendet werden sollen, so hindert sie es daran, sich rechtzeitig zur Beweiskraft dieser Schriftstücke zu äussern. Diese Schriftstücke können deshalb nicht als gültige Beweismittel gegen das Unternehmen angesehen werden (Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG-Telefunken/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 27, und zuletzt Urteil vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 21).
38 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß nur die Schriftstücke, die in den Mitteilungen der gemeinsamen oder der individuellen Beschwerdepunkte oder in den Schreiben vom 8. Oktober 1984 und vom 29. März 1985 erwähnt oder die diesen ohne besondere Erwähnung als Anlagen beigefügt waren, der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens als Beweismittel entgegengehalten werden können. Die den Mitteilungen der Beschwerdepunkte als Anlagen beigefügten, dort aber nicht erwähnten Schriftstücke können in der Entscheidung nur dann gegen die Klägerin verwandt werden, wenn diese den Mitteilungen der Beschwerdepunkte bei vernünftiger Betrachtung entnehmen konnte, welche Schlüsse die Kommission daraus ziehen wollte.
39 Demnach können von den von der Klägerin genannten Schriftstücken nur der interne ICI-Vermerk über "gutes Klima" (Entscheidung, Randnr. 46) und die bei ICI gefundenen Tabellen mit den berichtigten Zielen für 1979 (Entscheidung, Randnr. 54) als Beweismittel gegen die Klägerin verwendet werden, da sie in den Punkten 71 und 93 der an die Klägerin gerichteten Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte erwähnt und dieser im übrigen als Anlagen 35 und 55 beigefügt worden sind. Die übrigen von der Klägerin genannten Schriftstücke können der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht als Beweismittel entgegengehalten werden.
40 Die Frage, ob die letztgenannten Schriftstücke eine unerläßliche Stütze für die tatsächlichen Feststellungen bilden, die die Kommission in der Entscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen hat, gehört zur Prüfung der Begründetheit dieser Feststellungen durch das Gericht.
2. Unzulänglichkeit der von der Kommission vorgelegten Beweismittel
41 Die Klägerin bringt vor, die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke seien nicht zuverlässig; insbesondere die Vermerke von ICI seien Absichtserklärungen oder subjektive Interpretationen ihrer Verfasser, die sich von persönlichen unternehmenspolitischen Zielen hätten leiten lassen.
42 Die Kommission dürfe einer Sache keine grössere Bedeutung beizulegen versuchen, als es die festgestellten Tatsachen objektiv rechtfertigten. Ferner müsse sie die Unschuldsvermutung und den Grundsatz "in dubio pro reo" anwenden. Die Kommission habe statt dessen aus Ereignissen und Umständen, die in ihren wirklichen Zusammenhang gestellt ein anderes Bild des Verhaltens oder der Position der Klägerin auf dem Markt hätten vermitteln können, allgemeine Schlüsse gezogen. Die Kommission habe in diesen Ereignissen und Umständen einen Beweis für die Schuld der Klägerin gesehen und sich dabei auf unzureichende, zweifelhafte oder nicht stichhaltige Beweise gestützt. Diese Vorgehensweise hat nach Auffassung der Klägerin zu einer Umkehr der Beweislast geführt, da nunmehr DSM nachweisen müsse, daß ihr Marktverhalten im allgemeinen völlig anders gewesen sei als von der Kommission behauptet, oder eine andere Deutung der Tatsachen vorbringen müsse, obwohl es Sache der Kommission gewesen sei, ihre Sicht des Sachverhalts gegenüber der Auslegung der Unternehmen überzeugend darzulegen.
43 Die Kommission entgegnet, daß die Klägerin keine Gründe anführe, die gegen die Verläßlichkeit der von der Kommission vorgelegten Schriftstücke sprächen.
44 Sie habe den verschiedenen festgestellten Tatsachen keine weitergehende Bedeutung beigemessen, als sie tatsächlich besässen. Der Beweis eines Verstosses gegen Artikel 85 EWG-Vertrag müsse zwangsläufig unter Berücksichtigung des Verhaltens mehrerer Unternehmen erbracht werden. Angesichts des gesamten von der Kommission vorgelegten Beweismaterials sei es entgegen der Annahme der Klägerin deren Sache, den Nachweis zu erbringen, daß der Sachverhalt des Rechtsstreits auch anders ausgelegt werden könne.
45 Schließlich gehe angesichts des Umfangs des in den Akten enthaltenen Beweismaterials die Rüge der Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" fehl.
46 Das Gericht stellt fest, daß die Sitzungsberichte von ICI inhaltlich durch verschiedene Unterlagen bestätigt werden, so z. B. durch eine Reihe von Tabellen mit Zahlen über das Absatzvolumen einzelner Hersteller und durch Preisinstruktionen, die bezueglich der Höhe und des Inkrafttretens mit den in den genannten Sitzungsberichten genannten Preiszielen übereinstimmen. Ebenso bestätigen die Antworten verschiedener Hersteller auf das Auskunftsverlangen, das die Kommission an sie richtete, in ihrer Gesamtheit den Inhalt dieser Sitzungsberichte.
47 Die Kommission konnte deshalb davon ausgehen, daß die bei ICI gefundenen Sitzungsberichte hinreichend objektiv den Inhalt der Sitzungen wiedergaben, die von verschiedenen Angestellten von ICI geleitet wurden, was diese um so mehr dazu zwang, die Angestellten von ICI, die an der einen oder anderen Sitzung nicht teilnahmen, über diese Sitzungen durch die Erstellung von Sitzungsberichten zutreffend zu unterrichten.
48 Unter diesen Umständen obliegt es der Klägerin, durch die Vorlage konkreter Beweismittel, z. B. durch die Aufzeichnungen ihrer Angestellten von den Sitzungen, an denen sie teilnahmen, oder durch deren Aussage als Zeugen, eine andere Erklärung für den Inhalt der Sitzungen zu geben, an denen sie beteiligt war. Die Klägerin hat in diesem Verfahren solche Beweismittel weder vorgelegt noch angeboten.
49 Im übrigen ist die Frage, ob die Kommission aus dem vorhandenen Beweismaterial zu allgemeine Schlüsse gezogen und damit gegen die Unschuldsvermutung und den Grundsatz "in dubio pro reo" verstossen hat, nicht von der Frage zu trennen, ob die tatsächlichen Feststellungen der Kommission in der Entscheidung von den von ihr vorgelegten Beweisen getragen werden. Da es sich dabei um eine Frage der Begründetheit handelt, die mit der Feststellung der Zuwiderhandlung zusammenhängt, ist sie später mit den anderen mit dieser Feststellung zusammenhängenden Fragen zu prüfen.
Zur Feststellung der Zuwiderhandlung
50 Nach Randnummer 80 Absatz 1 der Entscheidung haben sich die Polypropylenhersteller, die die Gemeinschaft beliefern, seit 1977 an einer ganzen Reihe von Plänen, Absprachen und Maßnahmen beteiligt, die im Rahmen eines Systems regelmässiger Sitzungen und ständiger Kontakte beschlossen worden seien. Der allgemeine Plan der Hersteller sei es gewesen, sich über spezifische Angelegenheiten zu einigen (Entscheidung, Randnr. 80 Absatz 2).
51 Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob der Kommission rechtlich der Beweis für ihre tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des Systems der regelmässigen Sitzungen (A), der Preisinitiativen (B), der Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen (C) und der Festsetzung von Absatzzielen und Quoten (D) gelungen ist; dabei sind jeweils zunächst die angefochtene Handlung (a) und das Vorbringen der Parteien (b) darzulegen und sodann zu würdigen (c). Danach ist die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf diese Tatsachen zu überprüfen.
1. Die tatsächlichen Feststellungen
A - Das System der regelmässigen Sitzungen
a) Angefochtene Handlung
52 In der Entscheidung (Randnrn. 78 Absatz 4 und 104 Absatz 3) heisst es, daß das System der regelmässigen Sitzungen von Polypropylenherstellern etwa Ende 1977 begonnen habe und 1978 sechs Sitzungen stattgefunden hätten (Randnr. 18, Absatz 1), daß sich jedoch das genaue Datum, zu dem jeder einzelne Hersteller begonnen habe, an den Sitzungen teilzunehmen, nicht feststellen lasse. Die Klägerin, die zu den Herstellern gehöre, für die nicht bewiesen sei, daß sie die Initiative vom Dezember 1977 "unterstützt" hätten, behaupte, nicht zu wissen, wann die Sitzungen begonnen hätten, und gebe lediglich zu, seit 1980 an ihnen teilgenommen zu haben.
53 In Randnummer 105 Absätze 1 und 2 der Entscheidung wird jedoch darauf hingewiesen, daß sich das genaue Datum, an dem jeder Hersteller an regelmässigen Plenarsitzungen teilzunehmen begonnen habe, nicht mit Sicherheit bestimmen lasse. Das Datum, an dem sich Anic, ATO, BASF, die Klägerin und Hüls an den Vereinbarungen zu beteiligen begonnen hätten, könne nicht später als 1979 liegen, da diese fünf Hersteller nachweislich an Marktteilungs- bzw. Quotensystemen, die in diesem Jahr zum ersten Mal angewandt worden seien, beteiligt gewesen seien.
54 Nach den Randnummern 104 Absatz 3 und 105 Absätze 2 und 4 der Entscheidung hat ICI erklärt, daß die Klägerin ein regulärer Teilnehmer der Sitzungen gewesen sei und daß das System der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller mindestens bis Ende September 1983 fortgeführt worden sei. Der Klägerin wird vorgeworfen, sich an diesem System beteiligt zu haben (Randnr. 18 Absätze 1 und 3).
55 Nach Randnummer 21 der Entscheidung waren Zweck der regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller insbesondere die Festsetzung von Preiszielen und Verkaufsmengenzielen sowie die Kontrolle ihrer Einhaltung durch die Hersteller.
b) Vorbringen der Parteien
56 Die Klägerin weist darauf hin, daß sie nach der Entscheidung an dem Kartell "von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979" an beteiligt gewesen sei. Die Kommission könne jedenfalls den Beginn der Zuwiderhandlung nicht derart unbestimmt lassen. Die Kommission müsse diesen Zeitpunkt des Beginns genau festlegen und, falls dies nicht möglich sei, den Zweifel zugunsten der Klägerin sprechen lassen.
57 Die Klägerin habe zwar eingeräumt, ab 1. Januar 1981 regelmässig an Sitzungen von Polypropylenherstellern teilgenommen zu haben, jedoch stets entschieden bestritten, vor diesem Zeitpunkt mit einer gewissen Regelmässigkeit oder in strukturierter Form daran teilgenommen zu haben.
58 Wenn die Kommission gleichwohl behaupte, daß der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin sich an den Vereinbarungen zu beteiligen begonnen habe, nicht nach 1979 liegen könne, so stütze sie sich dabei auf Schriftstücke von ICI, die nicht beweiskräftig seien oder unzutreffend ausgelegt würden. Es handele sich dabei nur um Tabellen mit Produktionszahlen für die einzelnen Hersteller.
59 In ihrer Erwiderung führt die Klägerin aus, gegen den Beweiswert dieser Schriftstücke für ihre Sitzungsteilnahme spreche die Tatsache, daß dort Amoco genannt sei, die nach dem Eingeständnis der Kommission an den Sitzungen nicht teilgenommen habe. Ein Vermerk vom 27. Februar 1978 (Anlage III zur Klagebeantwortung, nachstehend: Klagebeantwortung, Anl.) sei ebenfalls nicht beweiskräftig.
60 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin einräume, nach dem 1. Januar 1981 mit einer gewissen Regelmässigkeit an den Sitzungen teilgenommen zu haben. Zwar leugne sie, vor 1981 mit einer gewissen Regelmässigkeit oder in strukturierter Form an ihnen teilgenommen zu haben, bestreite aber damit nicht eine unregelmässige oder gelegentliche Teilnahme.
61 Die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen vor 1981 sei durch zahlreiche Schriftstücke belegt: durch die Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen, unter Nr. 23, wo sie in verschleierter Form ihre Teilnahme an Sitzungen vor 1981 zugegeben habe; durch die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), wonach die Klägerin den Sitzungen von 1979 bis 1983 als "regular participant" ("regelmässige Teilnehmerin") beigewohnt habe; durch die Erklärungen auf der Hauptversammlung der "European Association of Textile polyolefines" (nachstehend: EATP) vom 26. Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7), die zeigten, daß die Klägerin "will support the movement to get prices at a reasonable level" ("die Maßnahmen zur Anhebung der Preise auf ein vernünftiges Niveau unterstützen wird"); durch die Anlagen 55 ff. der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte, die genaue Angaben enthielten, die nur von der Klägerin stammen könnten, sowie schließlich durch einen Vermerk der Klägerin vom 27. Februar 1978, aus dem sich ergebe, daß sich das Unternehmen ab diesem Zeitpunkt an die Vereinbarungen gehalten und sich darüber besorgt gezeigt habe, daß einige Mitbewerber sie weniger gewissenhaft beachteten.
c) Würdigung durch das Gericht
62 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Angabe in Artikel 1 der Entscheidung, daß die Klägerin sich zwischen 1977 und 1979 an der Zuwiderhandlung zu beteiligen begonnen habe, unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe so zu verstehen ist, daß der Beginn ihrer Beteiligung zwischen Anfang und Ende 1978 lag. Zum einen werden nämlich weder in der an DSM gerichteten Mitteilung der gemeinsamen und individuellen Beschwerdepunkte noch in der Entscheidung für die Zeit vor 1978 Beschuldigungen gegen die Klägerin erhoben, zumal die Entscheidung (Randnr. 78) DSM sogar ausdrücklich von der Preisinitiative von Dezember 1977 ausnimmt; zum anderen heisst es in Randnummer 105 Absatz 2 der Entscheidung, daß der Beginn dieser Beteiligung nicht später als 1979 liegen könne.
63 In einem internen Vermerk der Klägerin vom 27. Februar 1978 (Klagebeantwortung, Anl. III), der zur Vorbereitung einer Sitzung vom 28. Februar 1978 erstellt wurde, wird als einer der Fehler, die die Klägerin in ihrer Preispolitik begangen habe, namentlich das "clinging to agreements even when heavy violations of our partners become obvious" ("Festhalten an Vereinbarungen, auch wenn unsere Partner sie offensichtlich schwer verletzen") angeführt, wobei aus dem Zusammenhang des Zitats ersichtlich ist, daß "Partner" nicht die Kunden und Lieferanten sein können, die an anderer Stelle des Vermerks als solche bezeichnet werden, und in der EATP-Sitzung vom 26. Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7) erklärte die Klägerin folgendes:
"It is our conviction that stability in supply and in pricing is most important... Therefore we will support the move to get prices at a reasonable level. This morning we have heard some comments indicating the November initiative has not been fully carried through, nevertheleß we are of the opinion that it is absolutely necessary to pursü this goal further."
("Nach unserer Überzeugung ist die Stablität von Angebot und Preisen von grösster Bedeutung... Wir werden daher das Vorhaben zur Anhebung der Preise auf ein vernünftiges Niveau unterstützen. Wir haben heute morgen gehört, daß die November-Initiative nicht voll durchgeführt worden ist, trotzdem sind wir der Meinung, daß dieses Ziel unbedingt weiter verfolgt werden muß.")
Aufgrund dieser Hinweise ist festzustellen, daß die Klägerin seit einem Zeitpunkt irgendwann im Jahr 1978 an den von Polypropylenherstellern veranstalteten "Chef"-Sitzungen teilgenommen hat, in deren Verlauf der Plan entwickelt worden ist, Preisziele festzulegen, wie die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zeigt, in der es heisst: "Generally speaking however, the concept of recommending 'Target Prices' was developed during the early meetings which took place in 1978" ("Allgemein wurde aber der Plan, 'Zielpreise' zu empfehlen, in den ersten Sitzungen entwickelt, die 1978 stattfanden.").
64 Für den anschließenden Zeitraum stellt das Gericht fest, daß die Klägerin, wie aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen hervorgeht, seit Ende 1978 oder Anfang 1979 regelmässig an den regelmässigen "Chef"- und "Experten"-Sitzungen teilgenommen hat. In dieser Antwort wird die Klägerin nämlich im Gegensatz zu zwei anderen Herstellern zu den regelmässigen Sitzungsteilnehmern gerechnet; im übrigen heisst es dort:
"By late 1978/early 1979 it was determined that the 'ad hoc' meetings of Senior Managers should be supplemented by meetings of lower level managers with more marketing knowledge. This two-tier level of representation became identified as (a) 'Bosses'... and (b) 'Experts'."
("Ende 1978/Anfang 1979 wurde beschlossen, die Ad-hoc-Sitzungen der Senior-Manager durch Sitzungen von rangniedrigeren Managern mit mehr Marketingkenntnis zu ergänzen. Diese zweistufige Vertretung wurde dann als (a) 'Chef' und (b) 'Experten' bezeichnet.")
65 Die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen wird erstens durch die Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, in der sie zwar behauptet, mit einer gewissen Regelmässigkeit erst ab Januar 1981 an den Sitzungen teilgenommen zu haben, eine Teilnahme vor diesem Zeitpunkt aber nicht bestreitet; zweitens wird sie dadurch bestätigt, daß in verschiedenen bei ICI und ATO gefundenen Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 55 bis 61) neben dem Namen der Klägerin deren Verkaufszahlen für verschiedene Monate und Jahre aufgeführt sind. Wie die meisten Klägerinnen in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt haben, wäre es jedoch nicht möglich gewesen, die bei ICI, ATO und Hercules entdeckten Tabellen auf der Grundlage der Statistiken des Informationsaustauschsystems Fides zu erstellen. In ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen hat ICI zu einer dieser Tabellen erklärt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves" ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein.") Allerdings stellt der letztgenannte Umstand ebensowenig wie im Fall Amoco einen eigenständigen Beweis für die Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen dar, sondern verstärkt lediglich den Beweiswert der anderen Beweismittel, denen zufolge diese Teilnahme als bewiesen anzusehen ist, die aber im Fall Amoco nicht vorhanden waren.
66 Aus den Tabellen im Anhang der Antwort der Klägerin auf das Auskunftsverlangen geht ferner hervor, daß sie an fast allen Herstellersitzungen teilgenommen hat, die den Angaben nach in den Jahren 1982 und 1983 abgehalten worden sind.
67 Die Kommission hat auf der Grundlage der Angaben von ICI in deren Antwort auf das Auskunftsverlangen, die durch zahlreiche Sitzungsberichte bestätigt werden, zu Recht angenommen, daß Zweck der Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preiszielen zum einen und von Verkaufsmengenzielen zum anderen war. So heisst es in dieser Antwort: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." und "A number of proposals for the volume of invidual producers were discussed at meetings" ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..." und "Eine Reihe von Vorschlägen zum Verkaufsvolumen der einzelnen Hersteller wurde in Sitzungen erörtert.").
68 Darüber hinaus ergibt sich aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen, in der von der Abhaltung von Sitzungen von "Experten" für den Vertrieb zusätzlich zu den "Chef"-Sitzungen von Ende 1978 oder Anfang 1979 an die Rede ist, daß die Gespräche über die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen immer konkreter und genauer wurden, während sich 1978 die "Chefs" auf die Entwicklung des Konzepts der Zielpreise selbst beschränkt hatten.
69 Über die vorstehend wiedergegebenen Abschnitte hinaus heisst es in der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen: "Only 'Bosses' and 'Experts' meetings came to be held on a monthly basis" ("Nur die 'Chef' - und 'Experten' -Sitzungen wurden auf monatlicher Grundlage abgehalten."). Zu Recht hat die Kommission aus dieser Antwort sowie aus der Identität von Art und Zweck der Sitzungen geschlossen, daß diese Teil eines Systems regelmässiger Sitzungen waren.
70 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 an bis September 1983 teilgenommen hat, daß Zweck dieser Sitzungen namentlich die Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen war und daß die Sitzungen Teil eines Systems waren.
B - Die Preisinitiativen
a) Angefochtene Handlung
71 Nach den Randnummern 28 bis 51 der Entscheidung konnten sechs Preisinitiativen festgestellt werden, die Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen gewesen seien; die erste habe von Juli bis Dezember 1979 gedauert, die zweite von Januar bis Mai 1981, die dritte von August bis Dezember 1981, die vierte von Juni bis Juli 1982, die fünfte von September bis November 1982 und die sechste von Juli bis November 1983.
72 Zur ersten dieser Preisinitiativen führt die Kommission (Entscheidung, Randnr. 29) aus, es liege kein eingehendes Beweismaterial über irgendwelche Sitzungen oder Preisinitiativen im ersten Halbjahr 1979 vor. Aus einem Vermerk über eine Sitzung vom 26. und 27. September 1979 gehe allerdings hervor, daß eine Preisinitiative auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 1,90 DM/kg ab 1. Juli und von 2,05 DM/kg ab 1. September geplant worden sei. Die Kommission habe Preisinstruktionen einiger Hersteller, zu denen die Klägerin nicht gehöre, sichergestellt, die die Anweisungen dieser Hersteller an ihre nationalen Verkaufsbüros zur Anwendung dieses Preises bzw. des entsprechenden Betrags in den anderen nationalen Währungen ab 1. September enthielten; diese Instruktionen seien fast alle erteilt worden, bevor die Fachpresse von der geplanten Preiserhöhung gesprochen habe (Entscheidung, Randnr. 30).
73 Wegen der Schwierigkeiten einer Preisanhebung hätten die Hersteller jedoch in ihrer Sitzung vom 26. und 27. September 1979 beschlossen, das Datum für die Erreichung des Preisziels um mehrere Monate auf den 1. Dezember 1979 zu verschieben, wobei die seinerzeit geltenden Preise im Oktober beibehalten werden sollten und die Möglichkeit für eine Zwischenerhöhung auf 1,90 oder 1,95 DM/kg im November bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 31 Absätze 1 und 2).
74 Zu der zweiten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 32), obwohl für 1980 keine Sitzungsberichte sichergestellt worden seien, stehe es fest, daß in diesem Jahr mindestens sieben Herstellersitzungen stattgefunden hätten (hierfür wird auf Tabelle 3 im Anhang der Entscheidung verwiesen). Den Presseberichten vom Anfang des Jahres zufolge seien die Hersteller darauf aus gewesen, im Jahr 1980 einen starken Preisauftrieb zu begünstigen. Trotzdem seien die Preise in diesem Jahr drastisch auf 1,20 DM/kg und weniger gefallen, bevor sie sich etwa im September desselben Jahres wieder stabilisiert hätten. Von der Klägerin sowie von Hoechst, Linz, Monte, Saga und ICI erteilte Preisinstruktionen wiesen darauf hin, daß zum Zweck der Wiederanhebung der Preise die Ziele für Dezember 1980/Januar 1981 für Raffia auf 1,50 DM/kg, für Homopolymer auf 1,70 DM/kg und für Kopolymer auf 1,95 bis 2,00 DM/kg festgelegt worden seien. Ein internes Schriftstück von Solvay enthalte eine Tabelle, in der die "erzielten Preise" für Oktober und November 1980 mit den sogenannten "Listenpreisen" für Januar 1981 in Höhe von 1,50/1,70/2,00 DM/kg verglichen würden. Ursprünglich sei geplant gewesen, diese Preise ab 1. Dezember 1980 anzuwenden (vom 13. bis 15. Oktober habe in Zuerich eine Sitzung stattgefunden), doch sei diese Preisinitiative auf den 1. Januar 1981 verschoben worden.
75 Nach Randnummer 33 der Entscheidung nahm die Klägerin an zwei Sitzungen vom Januar 1981 teil, in denen beschlossen worden sei, eine im Dezember 1980 für den 1. Februar 1981 festgelegte Preisanhebung auf 1,75 DM/kg für Raffia in zwei Stufen vorzunehmen: Die ab 1. Februar geltenden Zielpreise von 1,75 DM/kg seien aufrechterhalten worden, und die Zielpreise von 2,00 DM/kg hätten "ausnahmslos" ab 1. März eingeführt werden müssen. Für sechs Hauptsorten sei eine Tabelle der Zielpreise in sechs nationalen Währungen aufgestellt worden, die am 1. Februar bzw. 1. März 1981 habe in Kraft treten sollen. Aus Unterlagen der Klägerin werde ersichtlich, daß sie Maßnahmen getroffen habe, um die für Februar festgesetzten Zielpreise einzuführen.
76 In der Entscheidung (Randnr. 34) heisst es, daß die Absicht, die Preise ab 1. März auf 2,00 DM/kg anzuheben, jedoch anscheinend nicht zum Erfolg geführt habe. Die Hersteller hätten ihre Erwartungen ändern müssen und nun gehofft, bis März auf 1,75 DM/kg zu kommen. Am 25. März 1981 habe in Amsterdam eine "Experten"-Sitzung stattgefunden, über die Berichte nicht erhalten seien, doch hätten unmittelbar danach jedenfalls die Klägerin, BASF, ICI, Monte und Shell Anweisungen zur Anhebung der Ziel- bzw. "Listenpreise" auf 2,15 DM/kg für Raffia mit Wirkung vom 1. Mai gegeben. Hoechst habe die gleichen Anweisungen für den 1. Mai, allerdings etwa vier Wochen später als die anderen erteilt. Einige Hersteller hätten ihren Verkaufsabteilungen die flexible Anwendung von "Mindest"- bzw. "Tiefst"-Preisen erlaubt, die etwas unter den vereinbarten Preiszielen gelegen hätten. Anfang 1981 sei es zu einem starken Preisauftrieb gekommen, der jedoch trotz der Tatsache, daß die Hersteller die Preisanhebung ab 1. Mai entschieden unterstützt hätten, nicht angehalten habe. Gegen Mitte des Jahres hätten die Hersteller eine Stabilisierung der Preise oder sogar eine gewisse Abwärtsbewegung der Preise verhindert, als die Nachfrage im Sommer zurückgegangen sei. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0008.1
77 Zur dritten Preisinitiative heisst es in der Entscheidung (Randnr. 35), daß Shell und ICI eine weitere Preisinitiative für September/Oktober 1981 bereits im Juni dieses Jahres vorgesehen hätten, als ein Abklingen des Preisanstiegs des ersten Quartals deutlich geworden sei. Shell, ICI und Monte hätten sich am 15. Juni 1981 getroffen, um in Gesprächen festzulegen, wie höhere Preise auf dem Markt hätten durchgesetzt werden können. Einige Tage nach dieser Sitzung hätten ICI und Shell ihre Verkaufsabteilungen angewiesen, den Markt für eine erhebliche Erhöhung im September auf der Grundlage einer Raffiapreisanhebung auf 2,30 DM/kg vorzubereiten. Solvay habe ebenfalls seine Verkaufsabteilungen in den Benelux-Ländern am 17. Juli 1981 an die Notwendigkeit erinnert, die Abnehmer über eine wesentliche Preiserhöhung mit Wirkung vom 1. September zu unterrichten, deren genauer Betrag in der letzten Juli-Woche habe beschlossen werden sollen, für die, nämlich zum 28. Juli 1981, eine "Experten"-Sitzung angesetzt worden sei. Die geplante Anhebung auf 2,30 DM/kg im September 1981 sei (wahrscheinlich in dieser Sitzung) revidiert und für August auf 2,00 DM/kg für Raffia zurückgenommen worden. Der September-Preis habe 2,20 DM/kg betragen. Ein bei Hercules gefundener handschriftlicher Vermerk vom 29. Juli 1981 (einen Tag nach der Sitzung, an der Hercules wahrscheinlich nicht teilgenommen habe) enthalte diese Preise als "offizielle" Preise für August und September und verweise in verschlüsselter Form auf die Informationsquelle. Weitere Sitzungen hätten am 4. August in Genf und am 21. August 1981 in Wien stattgefunden. Nach diesen Sitzungen hätten die Hersteller neue Anweisungen erteilt, ab 1. Oktober einen Preis von 2,30 DM/kg zu praktizieren. BASF, die Klägerin, Hoechst, ICI, Monte und Shell hätten fast identische Preisinstruktionen erteilt, um diese Preise im September und Oktober durchzugeben.
78 Nach der Entscheidung (Randnr. 36) war es nun beabsichtigt, sich im September und Oktober 1981 auf ein "Grundpreis"-Niveau für Raffia von 2,20 bis 2,30 DM/kg zuzubewegen. In einem Schriftstück von Shell sei der Hinweis enthalten, daß ursprünglich eine weitere Erhöhung auf 2,50 DM/kg ab 1. November zur Debatte gestanden habe. Berichte der verschiedenen Hersteller zeigten, daß die Preise im September 1981 bis in den folgenden Monat hinein gestiegen seien und die Preise für Raffia etwa 2,00 bis 2,10 DM/kg erreicht hätten. In einem Vermerk von Hercules stehe, daß das Preisziel von 2,30 DM/kg im Dezember auf einen etwas realistischeren Preis von 2,15 DM/kg zurückgeführt worden sei, daß aber "allgemeine Entschlossenheit die Preise auf 2,05 DM brachte und man noch nie so nah an die veröffentlichten (sic!) Zielpreise herangekommen ist". Ende 1981 habe die Fachpresse von Preisen auf dem Polypropylenmarkt gesprochen, die für Raffia bei 1,95 bis 2,10 DM/kg und somit etwa 20 Pfennig unter den Herstellerzielen gelegen hätten. Die Kapazitätsauslastung habe angeblich "gesunde" 80 % betragen.
79 Die vierte Preisinitiative (Juni bis Juli 1982) habe im Kontext einer Rückkehr des Marktes zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gestanden. Diese Initiative sei in der Herstellersitzung vom 13. Mai 1982 beschlossen worden, an der die Klägerin teilgenommen habe und in der eine ausführliche Tabelle der Preisziele zum 1. Juni für verschiedene Polypropylensorten in verschiedenen nationalen Währungen (2,00 DM/kg für Raffia) erarbeitet worden sei (Entscheidung, Randnrn. 37 bis 39 Absatz 1).
80 Auf die Sitzung vom 13. Mai 1982 seien Preisinstruktionen von ATO, BASF, Hoechst, Hercules, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell erfolgt, die, von einigen unerheblichen Ausnahmen abgesehen, den in dieser Sitzung festgelegten Zielpreisen entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 39 Absatz 2). In Randnummer 39 Absatz 3 der Entscheidung wird eingeräumt, daß für Juni keine Preisinstruktionen der Klägerin vorlägen, doch enthalte ein Verkaufsbericht der Klägerin den Hinweis, daß Preiserhöhungen, die für Juni geplant gewesen seien und mit denen man gerechnet habe, Erfolg haben würden. In der Sitzung vom 9. Juni 1982 hätten die Hersteller nur von bescheidenen Preisanhebungen berichten können.
81 Nach Randnummer 40 der Entscheidung nahm die Klägerin auch an der fünften Preisinitiative (September bis November 1982) teil, die in der Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 beschlossen worden sei und mit der ein Preis von 2,00 DM/kg zum 1. September und von 2,10 DM/kg zum 1. Oktober habe erreicht werden sollen, denn sie sei in den meisten, wenn nicht allen Sitzungen anwesend gewesen, die zwischen Juli und November 1982 stattgefunden hätten, als diese Initiative geplant und kontrolliert worden sei (Entscheidung, Randnr. 45). In der Sitzung vom 20. August 1982 sei die für den 1. September geplante Preisanhebung auf den 1. Oktober verschoben worden; dieser Beschluß sei in der Sitzung vom 2. September 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 41).
82 Nach den Sitzungen vom 20. August und 2. September 1982 hätten ATO, die Klägerin, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Shell Preisinstruktionen erteilt, die dem in diesen Sitzungen festgelegten Zielpreis entsprochen hätten (Entscheidung, Randnr. 43).
83 In der Sitzung vom 21. September 1982, an der die Klägerin teilgenommen habe, seien die Maßnahmen zur Erreichung des zuvor gesetzten Ziels geprüft worden, und die Unternehmen hätten generell einen Vorschlag zur Anhebung des Preises auf 2,10 DM/kg für November/Dezember 1982 unterstützt. Diese Anhebung sei in der Sitzung vom 6. Oktober 1982 bestätigt worden (Entscheidung, Randnr. 44).
84 Nach der Sitzung vom 6. Oktober 1982 hätten die Klägerin, BASF, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte, Shell und Saga Preisinstruktionen erteilt, um die beschlossene Anhebung durchzusetzen (Entscheidung, Randnr. 44 Absatz 2).
85 Wie ATO, BASF, Hercules, Hüls, ICI, Linz, Monte und Saga habe auch die Klägerin der Kommission Preisinstruktionen vorgelegt, die sie ihren lokalen Verkaufsabteilungen erteilt habe. Diese seien nicht nur in bezug auf Betrag und Zeit identisch, sondern entsprächen auch der Zielpreisliste, die dem Bericht von ICI über die "Experten"-Sitzung vom 2. September 1982 beigefügt sei (Entscheidung, Randnr. 45 Absatz 2).
86 Die Sitzung vom Dezember 1982 habe zu einer Vereinbarung geführt, der zufolge der November/Dezember-Stand von 2,10 DM/kg bis Ende Januar 1983 habe erreicht werden müssen (Entscheidung, Randnr. 46 Absatz 2).
87 Nach Randnummer 47 der Entscheidung hat die Klägerin schließlich auch an der sechsten Preisinitiative (Juli bis November 1983) teilgenommen. In der Sitzung vom 3. Mai 1983 sei vereinbart worden, nach Möglichkeit im Juni 1983 das Preisziel 2,00 DM/kg zu erreichen. In der Sitzung vom 20. Mai 1983 seien die Erreichung des festgelegten Ziels jedoch auf September verschoben und ein Zwischenziel für den 1. Juli (1,85 DM/kg) festgelegt worden. In einer Sitzung vom 1. Juni 1983 hätten die anwesenden Hersteller, darunter die Klägerin, sodann ihr Engagement zur Erhöhung auf 1,85 DM/kg bekräftigt. Bei dieser Gelegenheit sei vereinbart worden, daß Shell in einer Fachzeitschrift, den European Chemical News (nachstehend: ECN), öffentlich vorangehen werde.
88 Unmittelbar nach der Sitzung vom 20. Mai 1983 hätten ICI, die Klägerin, BASF, Hoechst, Linz, Shell, Hercules, ATO, Petrofina und Solvay ihren Verkaufsabteilungen Anweisungen erteilt, ab 1. Juli eine Preistabelle anzuwenden, in der Raffia mit 1,85 DM/kg ausgezeichnet gewesen sei (Entscheidung, Randnr. 49). Bei ATO und Petrofina hätten nur bruchstückhafte Preisanweisungen gefunden werden können, die allerdings bestätigten, daß diese Hersteller die neuen Preise - bei Petrofina und Solvay etwas später - praktizierten. Mit Ausnahme von Hüls, für die für Juli 1983 keine Preisinstruktionen vorlägen, hätten also alle Hersteller, die an den Sitzungen teilgenommen bzw. ihre Unterstützung für das neue Preisziel von 1,85 DM/kg zugesagt hätten, Instruktionen erteilt, damit die neuen Preise praktiziert würden.
89 Weitere Sitzungen fanden nach Randnummer 50 der Entscheidung am 16. Juni, 6. und 21. Juli, 10. und 23. August sowie 5., 15. und 29. September 1983 statt; an ihnen hätten die üblichen Teilnehmer teilgenommen. Ende Juli und Anfang August 1983 hätten BASF, die Klägerin, Hercules, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Solvay, Monte und Saga ihren verschiedenen nationalen Verkaufsabteilungen Preisinstruktionen mit Wirkung vom 1. September (auf der Grundlage eines Raffia-Preises von 2,00 DM/kg) erteilt, während ein interner Vermerk von Shell vom 11. August über die Preise des Unternehmens im Vereinigten Königreich den Hinweis enthalte, daß die britische Tochter die ab 1. September geltenden Grundpreise "unterstützte", die den Preiszielen der anderen Hersteller entsprochen hätten. Ende des Monats habe Shell jedoch die britische Verkaufsabteilung angewiesen, mit der Erhöhung so lange zu warten, bis die anderen Hersteller die gewünschten Grundpreise aufgestellt hätten. Diese Instruktionen seien, abgesehen von einigen unerheblichen Ausnahmen, für jeden Typ und jede Währung identisch.
90 Die von den Herstellern erhaltenen Preisinstruktionen zeigten, daß später beschlossen worden sei, die Preisbewegung vom September aufrechtzuerhalten und für Raffia mit 2,10 DM/kg ab 1. Oktober und 2,25 DM/kg ab 1. November weitere Erhöhungen durchzuführen (Entscheidung, Randnr. 50, letzter Absatz). BASF, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay hätten ihren Verkaufsabteilungen für die Monate Oktober und November identische Preise übermittelt, während Hercules zunächst etwas niedrigere Preise festgesetzt habe. Die Klägerin behaupte, daß für Oktober bzw. November keine Preisinstruktionen erteilt worden seien, doch stimmten ihre Listenpreise vom September für jeden Typ und jede Währung mit den Listenpreisen aller anderen Herstellern überein (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 1).
91 Ein bei ATO sichergestellter interner Vermerk vom 28. September 1983 enthalte eine Tabelle mit der Überschrift "Erinnerung des Cota-Preises (sic)", die für verschiedene Länder Preise für die drei Hauptpolypropylensorten im September und Oktober angebe, die mit den Preisen der Klägerin und denen von BASF, Hoechst, Hüls, ICI, Linz, Monte und Solvay übereinstimmten. Während der Nachprüfungen bei ATO im Oktober 1983 hätten die Vertreter des Unternehmens bestätigt, daß diese Preise den Verkaufsbüros mitgeteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 51 Absatz 3).
92 Die Zuwiderhandlung habe, wann immer die letzte Sitzung stattgefunden haben möge, bis zum November 1983 angedauert, da die Vereinbarung mindestens bis zu diesem Zeitpunkt ihre Wirkungen entfaltet habe; der November sei der letzte Monat, für den nachweislich Zielpreise vereinbart und Preisinstruktionen erteilt worden seien (Entscheidung, Randnr. 105 Absatz 4).
93 Abschließend wird in der Entscheidung (Randnr. 51, letzter Absatz) darauf hingewiesen, daß sich die Polypropylenpreise Ende 1983 laut Berichten der Fachpresse stabilisiert haben sollen, wobei für Raffia ein Preis von 2,08 bis 2,15 DM/kg (gegenüber dem Ziel 2,25 DM/kg) erreicht worden sei.
b) Vorbringen der Parteien
94 Nach Auffassung der Klägerin ist der zentrale Vorwurf der Kommission gegenüber den Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet sei, der Abschluß einer Vereinbarung im Jahre 1977 über die Mindestpreise, die in regelmässigen Abständen hätten überprüft werden sollen. Diese Vereinbarung sei angeblich in sechs einzeln bestimmbaren Zeitabschnitten durch "Preisinitiativen" konkretisiert worden. Die Kommission verwende hierfür die Begriffe "Rahmenvereinbarung" und "Einzelvereinbarungen". Sollte daher das Gericht diesen zentralen Vorwurf zurückweisen, müsste dies zur völligen oder teilweisen Aufhebung der Entscheidung und der Geldbussen führen.
95 Die Klägerin habe zwar seit Januar 1981 mit einer gewissen Regelmässigkeit an den Sitzungen teilgenommen, bestreite jedoch ausdrücklich, daß diese Sitzungen im Rahmen einer strukturierten Regelung oder gar im Rahmen einer Mindestpreisvereinbarung stattgefunden hätten.
96 Sie sei niemals eine Verpflichtung eingegangen und habe sich durch die Diskussionen in den Sitzungen weder rechtlich noch moralisch gebunden gefühlt. Von dem Ergebnis dieser Sitzungen habe sie sich erst recht nicht bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik leiten lassen. Diese sei im Gegenteil durch die Einnahme einer konsequent aggressiven Haltung gekennzeichnet gewesen, wie die Erhöhung ihres Marktanteils beweise. Gegenüber diesen Tatsachen beschränke sich die Kommission, die doch die Beweislast trage, auf allgemeine Ausführungen, die in keiner Weise belegten, daß die Klägerin sich mit anderen Unternehmen abgestimmt habe. Im übrigen verstehe sie die Argumentation der Kommission nicht, mit der diese das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung darzulegen versuche. Die Kommission habe demnach eine Beteiligung der Klägerin an einer Preisvereinbarung nicht bewiesen.
97 Die interne Preispolitik der Klägerin rechtfertige nicht das Ergebnis, zu dem die Kommission in diesem Punkt gelangt sei; DSM verweist dazu auf ihre auf dem Markt praktizierten Verkaufspreise.
98 In ihrem Fall müssten vier verschiedene Arten von Preisen unterschieden werden: die Zielpreise, d. h. die von dem Unternehmen angestrebten Preise; die Listenpreise, d. h. die den Verkaufsstellen im Prinzip jeden Monat für jedes Erzeugnis mitgeteilten Preise; die Mindestpreise, die den Verkaufsstellen zugleich mit den Listenpreisen übermittelt worden seien und den selbständigen Verhandlungsspielraum dieser Stellen bestimmten, und schließlich die tatsächlichen Verkaufspreise.
99 Die Klägerin hat Schaubilder über verschiedene Polypropylensorten und verschiedene Märkte vorgelegt, aus denen sich nach ihrer Ansicht folgendes ergibt: zunächst hätten die Listenpreise nie mit den Zielpreisen übereingestimmt; sodann habe es stets erhebliche Unterschiede (im Durchschnitt mehr als 20 %) zwischen den Listenpreisen und den Mindestpreisen gegeben; ferner hätten bei den Preisverhandlungen die Mindestpreise und nicht die Zielpreise als Grundlage gedient, und schließlich hätten die Verkaufsstellen stets über einen ziemlich grossen Spielraum verfügt, um bei der Festsetzung der Verkaufspreise von den Mindestpreisen abzuweichen. Somit sprächen die Tatsachen gegen den zentralen Vorwurf der Kommission, wonach die Sitzungen das Geschäftsverhalten der Klägerin tatsächlich beeinflusst hätten, denn es habe nicht nachgewiesen werden können, daß zwischen dem Zweck der Sitzungen und den auf dem Markt angewandten Preisen ein Zusammenhang oder zwischen den verschiedenen von den Unternehmen auf dem Markt praktizierten Preisen eine Übereinstimmung bestanden habe. Die Kommission habe in ihrer Entscheidung selbst anerkannt, daß es "auch möglich [ist], daß die Preise weitgehend durch die Angebots- und Nachfragebedingungen bestimmt wurden" (Randnr. 73).
100 Die Klägerin versucht sodann nachzuweisen, daß sie an den verschiedenen Preisinitiativen nicht beteiligt gewesen sei.
101 Bezueglich der Initiative von Juli bis Dezember 1979 sei die Klägerin in der Entscheidung nicht erwähnt, weil sie jede Beteiligung an den Zuwiderhandlungen vor dem 1. Januar 1981 verneint habe.
102 Bezueglich der Initiative von Januar bis Mai 1981 bewiesen die Preisinstruktionen der Klägerin (Anlagen 6 und 7 der Klageschrift, nachstehend: Klageschrift, Anl.), auf die sich die Kommission stütze, nicht, daß sie ihre Preise an die Zielpreise habe anpassen wollen, da in Wirklichkeit die geltenden Marktpreise als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Abnehmern gedient hätten. Diese Instruktionen zeigten, daß die von der Kommission angeführten Preise nur als "Richtpreise" für die entsprechenden Produkte verwendet worden seien, daß es sich aber nicht um Mindestpreise gehandelt habe, die ebenfalls in ihren Preisinstruktionen angegeben und im übrigen wesentlich niedriger gewesen seien. Die Kommission habe daher die Preisinstruktionen der Klägerin nicht zutreffend interpretiert.
103 Bezueglich der Initiative von August bis Dezember 1981 führt DSM aus, die in ihren Preisinstruktionen angegebenen Preise seien deutlich von den festgesetzten Zielpreisen und den Instruktionen der anderen Hersteller abgewichen. Auch für diese Initiative gelte, was sie für die vorangegangene ausgeführt habe.
104 Zu der Initiative von Juni/Juli 1982 trägt die Klägerin vor, daß - entgegen der Behauptung der Kommission in ihrer Entscheidung (Randnr. 39) und in ihren bei Gericht eingereichten Schriftsätzen - der Vermerk, den sie der Kommission als Anlage 43 zu ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt habe, ihre Preisinstruktion für Juni 1982 gewesen sei. Diese von der Kommission nicht beachtete Instruktion, die vor der Sitzung erteilt worden sei, in der angeblich ein Zielpreis festgelegt worden sei, zeige ebenfalls eine Abweichung von den von der Kommission behaupteten Zielpreisen. In ihrer Erwiderung bringt die Klägerin ferner vor, daß das von ihr stammende Schriftstück vom 13. Juli 1982 in Anlage 9 der an sie gerichteten Mitteilung der individuellen Beschwerdepunkte (nachstehend: ind. Bpkte. DSM, Anl.), das die Kommission als die Preisinstruktion der Klägerin für Juni 1982 ansehe, dies aufgrund des Datums natürlich nicht sein könne, da ein Plan zur Anhebung der Preise für Juni nicht im Juli ausgearbeitet worden sein könne.
105 Bezueglich der Initiative von September bis November 1982 bezieht sich die Klägerin auf ihre Darlegungen für den Zeitraum Januar bis Mai 1981. Sie habe zwar ihre Verkaufsstellen angewiesen, die Mindestpreise behutsam anzuwenden, dies aber nur, um der Tendenz ihrer Verkaufsstellen, noch unter die Mindestpreise zu gehen, entgegenzuwirken.
106 Bei der Initiative von Juli bis November 1983 schließlich unterscheidet die Klägerin zwischen Beginn und Ende dieses Zeitraums. Zum Beginn dieses Zeitraums trägt sie vor, die Preisinstruktion vom 25. Mai 1983, auf die sich die Kommission beziehe (Klageschrift, Anl. 11) und die mit anderen Instruktionen übereinzustimmen scheine, müsse im Zusammenhang eines expandierenden Marktes gesehen werden, auf dem sie nicht habe zurückbleiben können. Für das Ende dieses Zeitraums liege keine schriftliche Instruktion zu den Mindestpreisen vor, wie sich aus einem Fernschreiben vom 2. August 1983 an die Verkaufsstellen ergebe (Klageschrift, Anl. 12), wonach für die Mindestpreise zusätzliche Informationen hätten folgen sollen.
107 Die Kommission begnüge sich damit, eine unternehmensinterne Zielvorstellung anzuprangern, obwohl die Wettbewerbsregeln den Schutz der Wettbewerbsstruktur bezweckten, nicht aber eine Ahndung interner Zielvorstellungen, die sich mangels eines konkreten Geschäftsverhaltens nicht auf diese Struktur ausgewirkt hätten. In Wahrheit führe die Kommission eine Neuerung ein, wenn sie sich auf den Standpunkt stelle, daß schon allein die gemeinsame Zielvorstellung eines Parallelverhaltens strafwürdig sei.
108 Die Kommission legt dar, daß verschiedene Beweise wie die Preisinstruktionen der Klägerin, die mit denen anderer Hersteller sowohl bezueglich des Betrags als auch bezueglich des Zeitpunkts des Inkrafttretens übereinstimmten (Anlage zum Schreiben der Kommission vom 29. März 1985, nachstehend: Schreiben vom 29. März 1985, Anl.), unbestreitbar zu dem Schluß führten, daß die Klägerin an der Durchführung eines mit den anderen Herstellern vereinbarten Plans beteiligt gewesen sei. Die Kommission sei überzeugt, daß die Klägerin sich de facto wirklich verpflichtet gefühlt habe, die Kartellvereinbarungen durchzuführen, wie ihre Preisinstruktionen bewiesen. Angesichts dieser konkreten Beteiligung an dem Kartell brauche das aggressive Marktverhalten von DSM ebensowenig wie ihre Vorstellung von ihren Verpflichtungen berücksichtigt zu werden. Es komme ebenfalls nicht darauf an, ob die im Rahmen des Kartells getroffenen "Entscheidungen" einer Kontrolle unterworfen worden seien oder ob die Klägerin ihr Preisverhalten nur in begrenztem Umfang an das der anderen angelehnt habe.
109 Ausserdem gebe es entgegen der Darstellung der Klägerin Anhaltspunkte dafür, daß die am Kartell beteiligten Unternehmen, hierunter die Klägerin, Zielpreise für jeden Mitgliedstaat der Gemeinschaft festgesetzt hätten.
110 Die Klägerin versuche die Ansicht zu widerlegen, daß die Diskussionen in den Sitzungen eine Auswirkung auf das Funktionieren des Marktes oder auf die Festlegung der internen Geschäftspolitik des Unternehmens hätten haben können. Die Einwände der Klägerin seien aber unerheblich, da entscheidend sei, daß alle Hersteller einschließlich der Klägerin nach der Vereinbarung von Zielpreisen in den Sitzungen ihre Verkaufsstellen angewiesen hätten, die Preise in der vereinbarten Höhe durchzusetzen, wobei die Zielpreise als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Abnehmern gedient hätten. Tabelle 9 der Entscheidung zeige insoweit den unbestreitbaren Zusammenhang zwischen den auf dem Markt praktizierten Preisen und dem Zweck der Vereinbarungen.
111 Im übrigen liege eine Absprache vor, auch wenn die Zielpreise auf dem Markt nicht immer hätten durchgesetzt werden können. Ferner bestehe unzweifelhaft eine Übereinstimmung zwischen den Preisinstruktionen der einzelnen Hersteller, wie dies die Tabelle 7 der Entscheidung belege.
112 Die Behauptung der Klägerin, daß sich die Preisdiskussionen ausschließlich auf die Marktpreise bezogen hätten und die Mindestpreise als eine Art "Falle" eingesetzt worden seien, könne nicht ernst genommen werden, weil sie bedeuten würde, daß die Zielpreise jahrelang umsonst festgesetzt worden wären, daß die Verkaufsstellen sie nicht hätten zu beachten und die Käufer sich keine Sorgen um sie hätten zu machen brauchen.
113 Bezueglich der Beteiligung der Klägerin an den einzelnen Preisinitiativen legt die Kommission zu der Initiative von Juli bis Dezember 1979 dar, daß der Name der Klägerin zwar in diesem Zusammenhang in der Entscheidung nicht genannt sei, ihre Beteiligung an der Abstimmung während dieser Zeit aber durch andere Schriftstücke belegt werde, die, wie die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), die Tabellen bezueglich der Quoten (gem. Bpkte., Anl. 55 bis 60), der interne Vermerk der Klägerin vom 27. Februar 1978 (Klagebeantwortung, Anl. III) oder ihre Erklärungen in der EATP-Sitzung vom 26. Mai 1978 (gem. Bpkte., Anl. 7) ihre Teilnahme an den Sitzungen bewiesen.
114 Bezueglich der Initiative von Januar bis Mai 1981 zeigten die von der Klägerin selbst vorgelegten Schriftstücke, daß die Zielpreise als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Abnehmern gedient hätten; ferner bestätigten sie die Gleichzeitigkeit und Einheitlichkeit der Zielpreise im Vergleich mit denen anderer Hersteller. Der Hinweis der Klägerin auf die Mindestpreise liege, wie bereits ausgeführt, neben der Sache.
115 Bei der Initiative von August bis Dezember 1981 stimmten die in den Preisinstruktionen von DSM genannten Listenpreise mit den vereinbarten Zielpreisen überein, die in der Entscheidung aufgeführt seien. Die Kommission verweist im übrigen auf ihre Ausführungen zu dem vorangegangenen Zeitraum.
116 Was die Initiative von Juni/Juli 1982 angehe, so stamme das von der Klägerin als Preisinstruktion für Juni 1982 bezeichnete Schriftstück vom 18. März 1982 und nenne keine Preise für Juni (Antwort der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, Anl. 43). Die Kommission habe es daher ausser Betracht lassen und statt dessen zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin an dieser Preisinitiative auf einen Verkaufsbericht zurückgreifen dürfen, den das Unternehmen am 13. Juli 1982 nach der Expertensitzung vom 13. Mai 1982 erstellt habe (ind. Bpkte. DSM, Anl. 9).
117 Bezueglich der Initiative von September bis November 1982 bringt die Kommission ähnliche Argumente vor wie bezueglich der Initiative von Januar bis Mai 1981.
118 Bezueglich der Initiative von Juli bis November 1983 hält die Kommission angesichts des ihr vorliegenden Beweismaterials das Vorbringen der Klägerin, daß es um die optimale Ausnutzung der Möglichkeiten eines expandierenden Marktes gegangen sei, nicht für überzeugend. So sei insbesondere bewiesen, daß die Preise der Klägerin für September 1983 für alle Sorten und in allen Währungen mit denen der anderen Hersteller übereingestimmt hätten (Schreiben vom 29. März 1985, Anl. I).
119 Die gemeinsame Zielvorstellung eines Parallelverhaltens sei unbestreitbar durch die Preisinitiativen durchgeführt worden, die die Kommission ermittelt habe und deren Einfluß auf den Markt in Tabelle 9 der Entscheidung aufgezeigt werde.
c) Würdigung durch das Gericht
120 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß für die Zeit vor 1978 keine Beschuldigungen gegen die Klägerin erhoben worden sind und in der Entscheidung somit nicht behauptet wird, DSM sei an der Mitte 1977 geschlossenen Mindestpreisvereinbarung oder an der Preisinitiative vom Dezember 1977 beteiligt gewesen (Entscheidung, Randnr. 78, Absatz 4, Fußnote 1).
121 Das Gericht stellt fest, daß die Berichte über die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller zeigen, daß die Hersteller, die an diesen Sitzungen teilgenommen haben, dort die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen vereinbart haben. So heisst es in dem Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24):
"Everyone felt that there was a very good opportunity to get a price rise through before the holidays + after some debate settled on DM 2.00 from 1st June (UK 14th June). Individual country figures are shown in the attached table."
("Alle glaubten, daß die Gelegenheit für die Durchsetzung einer Preiserhöhung vor den Ferien günstig war, und einigten sich nach Diskussion auf 2,00 DM mit Wirkung vom 1. Juni (14. Juni für das Vereinigte Königreich). Die Zahlen nach Ländern finden sich in der beigefügten Tabelle.")
122 Da bewiesen ist, daß die Klägerin an diesen Sitzungen teilgenommen hat, kann sie nicht behaupten, den dort beschlossenen, organisierten und kontrollierten Preisinitiativen nicht zugestimmt zu haben, ohne Anhaltspunkte für die Erhärtung dieser Behauptung vorzutragen. Fehlen nämlich solche Anhaltspunkte, so gibt es keinen Grund für die Annahme, daß die Klägerin diesen Initiativen im Unterschied zu den anderen Teilnehmern der Sitzungen nicht zugestimmt hat.
123 In diesem Zusammenhang macht die Klägerin - um darzutun, daß sie den in den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe - geltend, sie habe die Ergebnisse der Sitzungen in keiner Weise für die Festlegung ihres Marktverhaltens im Preisbereich berücksichtigt, wie ihre aggressive Preispolitik am Markt zeige. Im übrigen habe die Kommission ihre Preisinstruktionen falsch ausgelegt und nicht berücksichtigt, daß DSM bei der Festlegung ihrer Preise vier Arten von Preisen angewandt habe.
124 Diesem Vorbringen lässt sich nichts entnehmen, was die Behauptung der Klägerin stützen könnte, daß sie den vereinbarten Preisinitiativen nicht zugestimmt habe. Selbst wenn dieses Vorbringen durch Tatsachen untermauert würde, könnte es nämlich die Beteiligung der Klägerin an der Festlegung der Zielpreise in den Sitzungen nicht in Frage stellen, sondern diente höchstens dem Nachweis, daß die Klägerin das Ergebnis dieser Sitzungen nicht in die Tat umgesetzt hat. In der Entscheidung wird an keiner Stelle behauptet, daß die Klägerin Preise verlangt habe, die stets den in den Sitzungen vereinbarten Zielpreisen entsprochen hätten; dies zeigt, daß die angefochtene Handlung auch nicht auf die Durchführung der Sitzungsergebnisse durch die Klägerin gestützt wird, um deren Beteiligung an der Festlegung der Zielpreise zu beweisen.
125 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission die Untersuchung der unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Coopers & Lybrand, (nachstehend: Untersuchung von Coopers & Lybrand) nicht bestreitet, der zufolge beträchtliche Unterschiede zwischen den tatsächlich angewandten Preisen und den Zielpreisen bestanden. Die Analysen, die die Hersteller selbst in den Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982 zur Kontrolle der Wirkung ihrer Preisinitiativen auf die am Markt angewandten Preise vorgenommen haben, scheinen jedoch darauf hinzudeuten, daß die Hersteller ihre Ergebnisse als insgesamt positiv ansahen (gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33).
126 Jedenfalls stellt das Gericht fest, daß die Klägerin das Ergebnis der Sitzungen in höherem Masse umgesetzt hat, als sie behauptet. Von vier Arten von Preisen der Klägerin kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn sie bei der Festsetzung der von den Abnehmern verlangten Preise alle eine Rolle gespielt haben. Insoweit zeigt zum einen die Durchsicht der Preisinstruktionen der Klägerin an ihre Verkaufsstellen, daß der Zielpreis ("target price") fast stets dem Listenpreis ("list price") entspricht und beide etwas höher liegen als die Mindestpreise ("rock bottoms"), die "have to be used with care by each product manager or area sales manager at certain specific accounts (for instance certain key customers)" ("behutsam von jedem Produkt- oder örtlichen Verkaufsmanager für bestimmte besondere Kunden [z. B. für bestimmte Hauptkunden] angewendet werden [müssen]"). Zum anderen wurden die in den Sitzungen festgelegten Preisziele - in den Preisinstruktionen der Klägerin - als Zielpreise und Listenpreise übernommen, auch wenn die Verkaufsstellen ausnahmsweise von diesen zugunsten der Mindestpreise abweichen konnten. Die Erklärung der Klägerin für ihre Anweisung an die Verkaufsstellen, die Mindestpreise behutsam anzuwenden, ist nicht überzeugend. Aus dem Wortlaut dieser Preisinstruktionen folgt nämlich nicht, daß diese Preise nur behutsam unterschritten werden durften, sondern es zeigt sich, daß sie nur behutsam angewandt werden durften.
127 Somit war die Klägerin trotz der verschiedenen Arten von Preisen bemüht, die in den Sitzungen festgesetzten Preisziele nach ihrer eigenen Preisfestsetzungsmethode soweit wie möglich bei ihren Verkaufsstellen und damit bei ihren Kunden durchzusetzen.
128 Sodann sind die einzelnen Beweismittel zu prüfen, die die Klägerin als Beleg dafür anführt, daß sie an den verschiedenen Preisinitiativen nicht beteiligt gewesen sei.
129 Bezueglich der Beteiligung der Klägerin an der Preisinitiative von Juli bis Dezember 1979 ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach Randnummer 29 der Entscheidung im ersten Halbjahr 1979 Sitzungen von Herstellern stattgefunden haben, auch wenn Ort und Zeitpunkt der Sitzungen nicht hätten festgestellt werden können. Ausserdem hat das Gericht bereits festgestellt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin an diesen Sitzungen teilgenommen hat. Darüber hinaus ergibt sich aus den übereinstimmenden Preisinstruktionen von ATO, BASF, Hoechst, ICI, Linz und Shell, daß die Initiative für eine Anhebung auf 2,05 DM/kg zum 1. September 1979 Ende Juli beschlossen und bekanntgegeben wurde. Diese Initiative und ihre Verschiebung auf den 1. Dezember 1979 werden durch den Bericht über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) belegt, wo es heisst: "2.05 remains the target. Clearly 2.05 not achievable in Oct., not in Nov. Plan now is 2.05 on 1/12" ("2,05 bleibt das Ziel. 2,05 eindeutig im Oktober nicht erreichbar, auch nicht im November. Geplant ist jetzt 2,05 zum 1. Dezember.").
130 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Preisanhebung vom September 1979 das Ergebnis der Festsetzung von Preiszielen durch die Klägerin und andere Hersteller für den Zeitraum von Juli bis Dezember 1979 war.
131 Im übrigen ist die Klägerin aufgrund ihrer Teilnahme an den Sitzungen des Jahres 1980 und vom Januar 1981, in denen die Preisinitiative zum Beginn des Jahres 1981 beschlossen, organisiert und kontrolliert wurde, und durch die Erteilung von Preisinstruktionen, die den in den Sitzungen festgesetzten Preiszielen entsprachen, an dieser Preisinitiative beteiligt gewesen und kann sich nicht darauf berufen, daß in ihren Preisinstruktionen die in den Sitzungen festgesetzten Preisziele als Listen- und nicht als Mindestpreise verwendet worden seien.
132 Die Klägerin ist aufgrund ihrer Teilnahme an den Sitzungen, in denen die Preisinitiative von August bis Dezember 1981 beschlossen, organisiert und kontrolliert wurde, und durch die Erteilung von Preisinstruktionen, die den für den gleichen Zeitraum von anderen Herstellern erteilten Instruktionen entsprachen, auch an dieser Preisinitiative beteiligt gewesen.
133 Bezueglich der Preisinitiative von Juni/Juli 1982 ergibt sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24), daß diese Initiative in dieser Sitzung beschlossen wurde, an der die Klägerin teilgenommen hat. Zu der Frage, ob die Klägerin der Kommission ihre Preisinstruktion für Juni 1982 vorgelegt hat, wie sie behauptet, ist festzustellen, daß sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Schriftstück vom 18. März 1982 (Antwort von DSM auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, Anl. 43) mit dem Titel "Price list Stamylan P./April/May/June" ("Preisliste Stamylan P./April/Mai/Juni") ergibt, daß es trotz seines Titels keine Zielpreise für Juni 1982 enthält, da neben der für den Monat Juni vorgesehenen Spalte steht: "In case of need to be discussed with marketing Stamylan P." ("Notfalls bei der Vermarktung von Stamylan P. erörtern."). Mithin handelt es sich nicht um die Preisinstruktion der Klägerin für Juni 1982, die demzufolge nicht vor der Sitzung vom 13. Mai 1982 erteilt wurde, in der ein Preisziel für Juni vereinbart wurde.
134 Die Beteiligung der Klägerin an den Initiativen von September bis November 1982 und von Juli bis November 1983 ergibt sich aus ihrer Teilnahme an Sitzungen, in denen diese Preisinitiativen beschlossen, organisiert und kontrolliert wurden, sowie aus der Übereinstimmung der Preisinstruktionen der Klägerin mit den in diesen Sitzungen festgesetzten Preiszielen und den Instruktionen anderer Hersteller.
135 Bezueglich der letzten Preisinitiative ist festzustellen, daß die Klägerin die Übereinstimmung ihrer Preisinstruktionen mit denen anderer Hersteller nicht bestreitet. Für diese Übereinstimmung kann sie nicht den expandierenden Markt anführen, denn ein solcher Zusammenhang könnte zwar die Erteilung von Instruktionen zur Preisanhebung, nicht aber die Tatsache erklären, daß die verschiedenen Hersteller Preissteigerungen in derselben Höhe festlegten. Zum Monat September ist im übrigen festzustellen, daß die von der Klägerin am 2. August 1983 erstellte Preisliste (Klageschrift, Anl. 12), die am 1. September 1983 in Kraft treten sollte, Preise angibt, die mit denen der anderen Hersteller für alle Sorten und in allen Währungen übereinstimmen. Zwar liegen für die Monate Oktober und November 1983 keine Preisinstruktionen der Klägerin vor, doch kann ihre Beteiligung am Ende der betreffenden Preisinitiative aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen hergeleitet werden, in denen diese Initiative beschlossen und organisiert wurde.
136 Ebenfalls zu Recht hat die Kommission aus der Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8), in der es heisst: "' Target prices' for the basic grade of each principal category of polypropylene as proposed by producers from time to time since 1 January 1979 are set forth in Schedule..." ("Die 'Zielpreise' , die von den Herstellern seit dem 1. Januar 1979 regelmässig für die Grundsorte der wichtigsten Polypropylen-Kategorien vorgeschlagen worden sind, sind im Anhang aufgeführt..."), abgeleitet, daß diese Initiativen Teil eines Systems zur Festsetzung von Preiszielen waren.
137 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission zur Stützung der vorstehenden tatsächlichen Feststellungen nicht auf Schriftstücke zurückzugreifen brauchte, die sie in ihren Mitteilungen der Beschwerdepunkte nicht erwähnt oder der Klägerin nicht übermittelt hatte.
138 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gerichtet waren, und daß diese Preisinitiativen Teil eines Systems waren.
C - Die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen
a) Angefochtene Handlung
139 In der Entscheidung (Artikel 1 Buchstabe c und Randnr. 27; siehe auch Randnr. 42) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe mit den anderen Herstellern verschiedene Maßnahmen getroffen, um die Durchsetzung der Zielpreise zu erleichtern, wie vorübergehende Absatzeinschränkungen, Austausch von Einzelangaben über ihre Verkäufe, Veranstaltung lokaler Sitzungen und ab September 1982 ein System des "Kundenmanagements" zwecks Durchsetzung der Preiserhöhungen gegenüber Einzelkunden.
140 Im System des "Kundenmanagements", das später (seit Dezember 1982) in weiterentwickelter Form als "Kundenführung" ("account leadership") bezeichnet worden sei, sei die Klägerin wie alle Hersteller für mindestens einen Großkunden zum Koordinator oder Führer ernannt worden mit dem Auftrag, dessen Geschäfte mit seinen Lieferanten heimlich zu koordinieren. In Anwendung dieses Systems seien in Belgien, Italien, Deutschland und im Vereinigten Königreich Kunden bestimmt worden, für die jeweils ein "Koordinator" ernannt worden sei. Im Dezember 1982 sei eine umfassendere Annahme dieses Systems vorgeschlagen worden, wonach für jeden Großkunden ein Kundenführer ernannt worden sei, der "die Preisbewegungen [habe] lenken, erörtern und organisieren" sollen. Andere Hersteller, die in regelmässigen Geschäftsbeziehungen zu dem Kunden gestanden hätten, seien als "Wettbewerber" bezeichnet worden und hätten mit dem Kundenführer bei der Preisfestsetzung für den betreffenden Kunden zusammenarbeiten sollen. Zum "Schutz" des Kundenführers und der Wettbewerber hätten andere Hersteller, an die sich die Kunden gewandt hätten, einen Preis fordern sollen, der über dem gewünschten Niveau gelegen habe. Entgegen den Behauptungen von ICI, das System sei nach nur wenigen Monaten, in denen es nur teilweise und ineffizient funktioniert habe, zusammengebrochen, werde aus dem Bericht über die Sitzung vom 3. Mai 1983 deutlich, daß zu dieser Zeit über Einzelkunden und Preisangebote jedes einzelnen Herstellers an sie sowie Lieferungen und Bestellungen eingehend diskutiert worden sei.
141 In Randnummer 20 der Entscheidung wird der Klägerin ebenfalls vorgeworfen, an lokalen Sitzungen teilgenommen zu haben, bei denen die landesweite Durchführung von Vereinbarungen erörtert worden sei, die in den Vollsitzungen getroffen worden seien.
b) Vorbringen der Parteien
142 Die Klägerin führt aus, daß die Schriftstücke, die die Kommission zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin am System der Kundenführung ("account leadership") herangezogen habe, höchstens den Schluß zuließen, daß das System bei den Diskussionen angesprochen worden sei. Dagegen seien sie kein Beweis dafür, daß ein solches System bestanden habe und durchgeführt worden sei, und noch weniger ein Beleg dafür, daß DSM daran beteiligt gewesen sei.
143 Die Kommission hält die Existenz eines Systems des Kundenmanagements ("account management") oder der Kundenführung sowie die Beteiligung der Klägerin hieran für erwiesen. Ihre Beteiligung ergebe sich daraus, daß dieses System in der Sitzung vom 2. September 1982 (gem. Bpkte., Anl. 29), an der die Klägerin teilgenommen habe, diskutiert worden sei und am Ende allgemeine Zustimmung gefunden habe ("generally agreed"). Die Durchführung dieses Systems sei ebenfalls in einer Sitzung vom 3. Mai 1983 behandelt worden (gem. Bpkte., Anl. 38).
c) Würdigung durch das Gericht
144 Das Gericht ist der Ansicht, daß Randnummer 27 der Entscheidung im Lichte der Randnummer 26 Absatz 2 so auszulegen ist, daß dort nicht jedem einzelnen Hersteller vorgeworfen wird, sich individuell verpflichtet zu haben, alle dort genannten Maßnahmen zu treffen, sondern daß jedem einzelnen dieser Hersteller der Vorwurf gemacht wird, in den Sitzungen zu verschiedenen Zeiten mit den anderen Herstellern einen Komplex von in der Entscheidung aufgeführten Maßnahmen vereinbart zu haben, mit denen insbesondere durch eine künstliche Verknappung des Polypropylenangebots günstige Voraussetzungen für eine Preisanhebung geschaffen werden sollten, wobei die Durchführung der einzelnen Maßnahmen einvernehmlich auf die verschiedenen Hersteller nach Maßgabe ihrer spezifischen Lage verteilt worden sei.
145 Festzustellen ist, daß sich die Klägerin durch die Teilnahme an den Sitzungen, in denen dieser Komplex von Maßnahmen beschlossen worden ist (insbesondere den Sitzungen vom 13. Mai, 2. und 21. September 1982; gem. Bpkte., Anl. 24, 29, 30), an diesen Maßnahmen beteiligt hat, da sie nichts zum Beweis des Gegenteils vorträgt. Die Vereinbarung des Systems der Kundenführerschaft ergibt sich insoweit aus folgender Stelle des Sitzungsberichts vom 2. September 1982:
"About the dangers of everyone quoting exactly DM 2.00 A.' s point was accepted but rather than go below DM 2.00 it was suggested & generally agreed that others than the major producers at individual accounts should quote a few pfs higher. Whilst customers tourism was clearly to by avoided for the next month or two it was accepted that it would be very difficult for companies to refuse to quote at all when, as was likely, customers tried to avoid paying higher prices to the regular suppliers. In such cases producers would quote but at above the minimum levels for October."
("Dem Hinweis von A. auf die Gefahren, die sich ergäben, wenn alle genau 2,00 DM verlangten, wurde zugestimmt, doch wurde vorgeschlagen und allgemein vereinbart, daß, statt unter 2,00 DM zu gehen, andere als die Hauptlieferanten eines bestimmten Kunden einige Pfennige mehr verlangen sollten. Während klargestellt wurde, daß das Abwandern von Kunden im nächsten oder in den nächsten beiden Monaten zu vermeiden sei, wurde akzeptiert, daß es für die Unternehmen sehr schwer sein würde, überhaupt keine Preise zu nennen, wenn die Kunden, womit zu rechnen sei, versuchen würden, den höheren Preisen der regelmässigen Lieferer auszuweichen. In solchen Fällen sollten die Hersteller ein Preisangebot machen, das allerdings über den Mindestpreisen für Oktober liegen sollte.")
Ebenso wurde in der Sitzung vom 21. September 1982, an der die Klägerin teilgenommen hat, folgendes erklärt: "In support of the move BASF, Hercules and Hoechst said they would be taking plant off line temporarily" ("BASF, Hercules und Hoechst sagten, daß sie diesen Schritt durch eine zeitweilige Unterbrechung der Produktion bestimmter Anlagen unterstützen würden."), und in der Sitzung vom 13. Mai 1982 versicherte Fina: "Plant will be shut down for 20 days in August" ("Der Betrieb bleibt im August für 20 Tage geschlossen.").
146 Bezueglich der Kundenführerschaft stellt das Gericht fest, daß die Klägerin an drei Sitzungen (am 2. September 1982, 2. Dezember 1982 und 3. Mai 1983) teilgenommen hat, in denen dieses System von den Herstellern erörtert wurde (gem. Bpkte., Anl. 29, 33 und 38). In den Sitzungen vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) und vom 3. Mai 1983 (gem. Bpkte., Anl. 38) haben die Hersteller die Durchführung dieses Systems überprüft, dessen Einführung am 2. September 1982 beschlossen worden war (gem. Bpkte., Anl. 29), und haben bei dieser Gelegenheit Informationen über ihre Kunden ausgetauscht.
147 Das Gericht stellt ferner fest, daß die Klägerin in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen die zahlreichen lokalen Sitzungen aufgezählt hat, an denen sie 1982 und 1983 teilgenommen hat, und daß der Zweck dieser Sitzungen durch die Berichte über die Sitzungen vom 12. August und vom 2. November 1982 (gem. Bpkte., Anl. 27 und 32) belegt wird, wonach diese Sitzungen dazu dienen sollten, die Durchführung einer besonderen Preisinitiative auf lokaler Ebene sicherzustellen.
148 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis gelungen, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen gekommen ist, die auf die Maßnahmen gerichtet waren, mit denen die Durchführung der in der Entscheidung genannten Preisinitiativen gefördert werden sollte.
D - Absatzziele und Quoten
a) Angefochtene Handlung
149 Nach Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung wurde in der Sitzung vom 26. und 27. September 1979 "ein straffes Quotensystem als wesentlich erachtet"; in dem Bericht über diese Sitzung werde eine Regelung erwähnt, die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart worden sei, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken.
150 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es ausserdem, es seien bereits vor August 1982 verschiedene Marktteilungssysteme angewandt worden. Während jeder Hersteller einen prozentualen Anteil an den voraussichtlichen Geschäftsabschlüssen erhalten habe, habe es in dieser Phase noch keine systematische Beschränkung der Gesamtproduktion im voraus gegeben. Marktschätzungen hätten also regelmässig revidiert und die Verkäufe jedes Herstellers in absoluten Tonnen-Zahlen entsprechend dem prozentualen Anteil angepasst werden müssen.
151 Für 1979 seien für jeden Hersteller Absatzziele (in Tonnen) aufgestellt worden, die zumindest teilweise auf den in den drei vorangegangenen Jahren erzielten Absatzergebnissen beruht hätten. Bei ICI sichergestellte Tabellen enthielten Angaben über das "revidierte Ziel" für jeden Hersteller für 1979 im Vergleich zu den tatsächlich in diesem Jahr in Westeuropa erzielten Absatzergebnissen (Entscheidung, Randnr. 54).
152 Ende Februar 1980 hätten die Hersteller für 1980 - wiederum in Tonnen ausgedrückte - Ziele auf der Grundlage eines voraussichtlichen Marktes von 1 390 000 Tonnen vereinbart. Nach Randnummer 55 der Entscheidung wurden bei ATO und ICI mehrere Tabellen sichergestellt, die die für jeden Hersteller für 1980 "vereinbarten Ziele" enthielten. Da sich diese ursprüngliche Marktschätzung als zu optimistisch herausgestellt habe, habe die Quote der Hersteller auf eine jährliche Gesamtnachfrage von nur 1 200 000 Tonnen nach unten revidiert werden müssen. Ausser im Falle von ICI und von DSM hätten die Verkaufsergebnisse weitgehend ihrem Ziel entsprochen. DSM habe "jede Verpflichtung dazu,... [ihr] ursprüngliches Ziel zu senken", bestritten und ihre Zuteilung erheblich überschritten (Absatz von 46 100 Tonnen gegenüber einem Ziel von 38 400 Tonnen).
153 Nach Randnummer 56 der Entscheidung war die Marktteilung für 1981 Gegenstand langer, komplizierter Verhandlungen. In den Sitzungen vom Anfang des Jahres sei vereinbart worden, daß jeder Hersteller als einstweilige Maßnahme zur Durchsetzung der Preisinitiative im Februar und März seine monatlichen Verkäufe auf ein Zwölftel von 85 % des Ziels von 1980 habe beschränken sollen. Um ein längerfristiges System vorzubereiten, habe jeder Hersteller in der Sitzung mitgeteilt, wieviel Tonnen er 1981 habe verkaufen wollen. Diese "Zielvorstellungen" sämtlicher Hersteller hätten die voraussichtliche Gesamtnachfrage weit überschritten. Obwohl Shell und ICI verschiedene Kompromißformeln vorgeschlagen hätten, habe keine endgültige Quotenvereinbarung für 1981 geschlossen werden können. Als Notbehelf hätten die Hersteller auf ihre Vorjahresquote zurückgegriffen und in der Sitzung über ihre tatsächlichen monatlichen Absatzergebnisse berichtet. So seien die tatsächlichen Verkäufe vor dem Hintergrund einer theoretischen Teilung des verfügbaren Marktes auf der Grundlage der Quoten von 1980 überwacht worden (Entscheidung, Randnr. 57).
154 Nach Randnummer 58 der Entscheidung unterbreiteten die Hersteller für 1982 komplizierte Quotenvorschläge, bei denen versucht worden sei, unterschiedliche Faktoren wie frühere Leistungen, Marktziele und vorhandene Kapazität in Einklang zu bringen. Der aufzuteilende Gesamtmarkt sei auf 1 450 000 Tonnen geschätzt worden. Einige Hersteller hätten ausgeklügelte Pläne für eine Marktteilung vorgelegt, während sich andere damit zufriedengegeben hätten, lediglich ihre Zielvorstellungen mitzuteilen. In der Sitzung vom 10. März 1982 hätten Monte und ICI versucht, eine Einigung zu erzielen. Wie 1981 sei es jedoch auch 1982 nicht zu einer endgültigen Vereinbarung gekommen, so daß im ersten Halbjahr die monatlichen Verkäufe der Hersteller in den Sitzungen mitgeteilt und anhand der Vorjahresanteile überwacht worden seien (Entscheidung, Randnr. 58, letzter Absatz). In der Sitzung vom August 1982 seien die Gespräche zur Erreichung einer Vereinbarung über die Quoten für 1983 fortgesetzt worden; ICI habe mit jedem Hersteller bilaterale Gespräche über das neue System geführt. Bis zur Einführung eines solchen Quotensystems hätten die Hersteller jedoch im zweiten Halbjahr 1982 versuchen sollen, ihre monatlichen Verkäufe auf dieselben prozentualen Anteile am Gesamtmarkt zu beschränken, die jeder von ihnen im ersten Halbjahr 1982 erreicht habe. So hätten sich 1982 die Marktanteile der mittelgrossen Hersteller wie ATO in einem relativen Gleichgewicht befunden (das ATO als "Quasi-Konsens" bezeichnet habe) und seien für die meisten Hersteller mit Ausnahme allein der Klägerin, die weiterhin einen Jahreszuwachs von 0,5 % verzeichnet habe, im Vergleich zum Vorjahr stabil geblieben (Entscheidung, Randnr. 59).
155 Nach Randnummer 60 der Entscheidung forderte ICI für 1983 die Hersteller auf, ihre Quotenvorstellungen mitzuteilen und Vorschläge für die prozentualen Zuteilungen an die anderen Hersteller zu unterbreiten. Monte, Anic, ATO, die Klägerin, Linz, Saga und Solvay sowie die deutschen Hersteller (letztere durch BASF) hätten ausführliche Vorschläge gemacht. Die verschiedenen Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der mit den durchschnittlichen Bestrebungen ("aspirations") der einzelnen Hersteller verglichen worden sei. Anhand dieser Vorarbeiten habe ICI Leitlinien für eine neue Rahmenvereinbarung für 1983 angeregt. Diese Vorschläge seien in den Sitzungen vom November und Dezember 1982 diskutiert worden. Ein zunächst auf das erste Quartal des Jahres beschränkter Vorschlag sei in der Sitzung vom 2. Dezember 1982 erörtert worden. Aus dem von ICI erstellten Bericht über diese Sitzung gehe hervor, daß ATO, die Klägerin, Hoechst, Hüls, ICI, Monte und Solvay sowie Hercules die ihnen zugeteilte Quote als "akzeptabel" angesehen hätten (Entscheidung, Randnr. 63). Dies werde durch den Vermerk über ein Telefongespräch zwischen ICI und Hercules vom 3. Dezember 1982 bestätigt. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0008.2
156 Nach Randnummer 63 Absatz 3 der Entscheidung bestätigt ein bei Shell gefundenes Schriftstück, daß eine Vereinbarung zustandegekommen sei, da sich dieses Unternehmen bemüht habe, seine Quote nicht zu überschreiten. Dieses Dokument bestätige auch, daß ein Mengenkontrollsystem im zweiten Quartal 1983 fortgesetzt worden sei, denn die nationalen Verkaufsunternehmen in der Shell-Gruppe seien angewiesen worden, ihre Verkäufe zu reduzieren, um ihre Marktanteile im zweiten Quartal bei 11 % zu halten. Das Bestehen dieser Vereinbarung werde durch den Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 bestätigt, der zwar keinen besonderen Hinweis auf Quoten enthalte, aber erwähne, daß die Experten Einzelheiten über die von ihnen im Vormonat verkauften Mengen ausgetauscht hätten, was darauf hindeuten würde, daß irgendeine Quotenregelung bestanden habe (Entscheidung, Randnr. 64).
b) Vorbringen der Parteien
157 Nach Ansicht der Klägerin lässt die Entscheidung nicht klar erkennen, ob und inwieweit die Kommission von der wirklichen Einführung eines Quotensystems ausgegangen sei. Sie nehme jedoch an, daß die Kommission der Ansicht zuneige, daß ein solches System nicht bestanden habe, und ihr Vorwurf sich darauf beschränke, daß die Hersteller in den Sitzungen über die Mengen berichtet hätten, die jeder im Vormonat verkauft habe, wie sich aus den Randnummern 52 und 53 der Entscheidung ergebe.
158 Auf jeden Fall hätten die betroffenen Unternehmen kein Quotensystem eingeführt. Wenn ein solches System eingeführt worden wäre, wäre noch nachzuweisen, daß die Klägerin daran beteiligt gewesen sei und sich rechtlich oder moralisch daran gebunden gefühlt habe. Die Kommission räume in den Randnummern 55 und 59 der Entscheidung selbst ein, daß dies nicht der Fall gewesen sei.
159 Die Schwankungen bei den Marktanteilen der einzelnen Hersteller sowie die Erhöhung ihres eigenen Marktanteils widerlegten sowohl das Bestehen einer solchen Vereinbarung als auch ihre eigene Beteiligung.
160 Für 1979 enthalte die Entscheidung keinen Hinweis, daß die Klägerin tatsächlich oder möglicherweise an einem Quotensystem beteiligt gewesen sei. Im übrigen könne ihr auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1981 keine Zuwiderhandlung vorgeworfen werden, weil sie vor diesem Zeitpunkt an den Sitzungen nicht regelmässig teilgenommen habe. Die von der Kommission vorgelegte Tabelle mit Produktions- und Absatzzahlen sowie mit "Zielen" (gem. Bpkte., Anl. 55) erlaubten keine Einbeziehung der Klägerin, da die Herkunft dieses Schriftstücks und sein Zweck unbekannt seien und es auch anders ausgelegt werden könne, als die Kommission das tü. Der Beweiswert dieses Schriftstücks werde weiterhin dadurch gemindert, daß dort auch Amoco und andere an diesem Verfahren nicht beteiligte Hersteller genannt seien.
161 Für 1980 lieferten die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke (gem. Bpkte., Anl. 56 bis 61) aus den eben dargestellten Gründen keinen Beweis für eine Beteiligung der Klägerin. Ein Bericht über zwei Sitzungen im Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17) gehe sogar in die entgegengesetzte Richtung, da er nicht nur die ablehnende Haltung der Klägerin gegenüber einem Quotensystem zum Ausdruck bringe, sondern ebenfalls zeige, daß die Quotendiskussionen nie über das Stadium von Vorschlägen hinausgelangt seien.
162 Für 1981 ergebe sich aus der Entscheidung selbst (Randnr. 57 Absatz 2), daß keine endgültige Quotenvereinbarung getroffen worden sei. Entgegen der Behauptung der Kommission, die sich auf der Klägerin unbekannte Schriftstücke stütze, hätten die Hersteller auch keine "provisorischen Maßnahmen" beschlossen, um die tatsächlichen Verkäufe kontrollieren zu können.
163 1982 habe es zwar Diskussionen über Quoten gegeben, doch sei eine Einigung über ein solches System nicht zustande gekommen. Im übrigen habe die Klägerin ihren Marktanteil weiter vergrössert, wie in der Entscheidung festgestellt werde (Randnr. 59 Absatz 3).
164 Für 1983 stützte die Kommission den Vorwurf eines Quotensystems auf Vermutungen und nicht auf Beweise. Wenn es einen Informationsaustausch über die von jedem Hersteller verkauften Mengen gegeben habe, dann habe damit nicht die Einhaltung einer Quotenregelung kontrolliert, sondern die Transparenz des Marktes erhöht werden sollen.
165 Die Kommission macht geltend, entgegen der Behauptung der Klägerin finde sich in den Randnummern 54 ff. der Entscheidung eine allgemeine Darstellung des Quotensystems, das während einer Reihe von Jahren angewandt worden und an dem die Klägerin beteiligt gewesen sei.
166 Die Beteiligung der Klägerin an einer Quotenvereinbarung für 1979 ergebe sich aus der bei ICI sichergestellten, nicht datierten Tabelle mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropas") (gem. Bpkte., Anl. 55), in der für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 sowie in den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979") und "revised target" ("revidierte Ziele") weitere Zahlen genannt würden. Die genauen Angaben in diesem Schriftstück seien nämlich in einer "normalen" Wettbewerbssituation den Wettbewerbern nicht bekannt und setzten daher die Beteiligung der Klägerin an seiner Ausarbeitung voraus.
167 Auch für 1980 ergebe sich die Beteiligung der Klägerin an dem Kartell klar aus den der Kommission vorliegenden Unterlagen. Dabei handele es sich um eine bei ATO gefundene Tabelle vom 26. Februar 1980 mit der Bezeichnung "Polypropylene - Sales target 1980 (kt)" ["Polypropylen - Verkaufsziel 1980 (kt)"], in der für alle westeuropäischen Hersteller ein "1980 target" ("Ziel 1980"), "opening suggestions" ("Ausgangsvorschläge"), "proposed adjustments" ("vorgeschlagene Berichtigungen") und "agreed targets" ("vereinbarte Ziele") (gem. Bpkte., Anl. 60) verglichen würden. Dieses Schriftstück zeige, wie die Quoten ausgearbeitet worden seien. Ferner handele es sich um eine bei ATO und ICI gefundene Tabelle, in der für alle Hersteller deren Verkäufe in Mengen und Marktanteilen unter folgenden Rubriken verglichen würden: "1979 actual", "1980 target" ("Ziel 1980"), "(1980) actual" und "1981 aspirations" ("Bestrebungen 1981") (gem. Bpkte., Anl. 59 und 61). ICI habe in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zu diesem Schriftstück festgestellt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves" ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein.") Die Äusserung in dem Bericht über die beiden Sitzungen vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17), wonach "DSM disputed any undertaking to cut back from their original target" ("DSM sich jedem Versuch der Herabsetzung ihres ursprünglichen Ziels widersetzte"), sei ohne Bedeutung, denn selbst wenn der Ausdruck "target" "interne Zielvorstellung" bedeutete, wäre die öffentliche Verlautbarung interner Zielvorstellungen mit Artikel 85 EWG-Vertrag unvereinbar.
168 Für 1981 räumt die Kommission ein, daß es keine Quotenvereinbarung gegeben habe; es seien aber vorläufige Maßnahmen getroffen worden. So ergebe sich aus dem Bericht über die genannten Sitzungen vom Januar 1981, daß die Hersteller ihre tatsächlichen Lieferungen mit den festgelegten Zielen verglichen hätten (gem. Bpkte., Anl. 17), und eine bei ICI gefundene Tabelle, die aber von einem italienischen Hersteller stamme, zeige, daß die Hersteller ihre Verkäufe für das Jahr 1981 mit denen des Vorjahres verglichen hätten (gem. Bpkte., Anl. 65). Die Kommission schließt daraus, daß für 1981 mangels einer allgemeinen Vereinbarung über die Aufteilung der Mengen vorläufige Maßnahmen getroffen worden seien. Dies werde durch weitere Unterlagen bestätigt (gem. Bpkte., Anl. 66 bis 68).
169 Für 1982 belegten mehrere Schriftstücke, die von Monte und ICI stammten (gem. Bpkte., Anl. 69 bis 71), daß diese Hersteller Quotenvorschläge unterbreitet hätten, sie jedoch nicht zu einem Abschluß hätten führen können.
170 Aus den den Berichten über die Sitzungen vom 9. Juni 1982 und 20. August 1982 beigefügten Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 25 und 28) ergebe sich, daß die Hersteller im ersten Halbjahr 1982 ihre monatlichen Verkäufe mit denen des Jahres 1981 verglichen hätten. Für das zweite Halbjahr folge aus dem zweiten dieser Berichte, daß die Hersteller ihre monatlichen Verkäufe auf dem Niveau ihres im ersten Halbjahr erzielten Absatzes hätten beschränken sollen. Die den Berichten über die Sitzungen vom 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982 beigefügten Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 31 bis 33) zeigten, daß die Hersteller ihre Verkäufe des zweiten Halbjahres mit denen des ersten Halbjahres verglichen hätten.
171 Die Kommission verfüge über die Quotenvorstellungen und Vorschläge, die einzelne Hersteller für sich selbst und die anderen Hersteller auf Anfrage von ICI gemacht und dieser im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für 1983 übermittelt hätten (gem. Bpkte., Anl. 74 bis 76 und 78 bis 84). Die Vorschläge seien in einen Rechner eingegeben worden, um einen Durchschnitt zu ermitteln, der dann mit den Bestrebungen der einzelnen Hersteller verglichen worden sei. Das Ergebnis dieser Verarbeitung sei in einem internen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene framework" ("Polypropylen-Rahmen") kommentiert worden (gem. Bpkte., Anl. 87). Neben diesen Schriftstücken verweist die Kommission auf einen internen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene framework 1983" ("Polypropylen-Rahmen 1983") (gem. Bpkte., Anl. 86), in dem ICI die Leitlinien für eine künftige Quotenvereinbarung darlege. Der Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) zeige, daß die Experten einen auf das erste Quartal 1983 beschränkten Vorschlag geprüft hätten.
172 Schließlich ergebe sich aus einem bei Shell gefundenen internen Vermerk (gem. Bpkte., Anl. 90) der Abschluß einer Quotenvereinbarung für das zweite Quartal 1983. Diesem Vermerk zufolge habe Shell ihre nationalen Verkaufsgesellschaften nämlich angewiesen, ihre Verkäufe zu reduzieren, um die ihr zugeteilte Quote einzuhalten. Ausserdem zeige der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40), daß über die Verkaufsmengen des Monats Mai Informationen ausgetauscht worden seien.
173 Im übrigen wendet sich die Kommission gegen die Behauptung der Klägerin, daß der Informationsaustausch zwischen den Herstellern und die dadurch erhöhte Transparenz des Marktes eine positive Wirkung gehabt hätten. Nach Ansicht der Kommission ist der Informationsaustausch in Wirklichkeit durch die Abstimmung bedingt gewesen, mit der die Festsetzung von Quoten angestrebt worden sei. Zweck dieses Austauschs sei nicht die Erhöhung der Markttransparenz gewesen, sondern die Kontrolle der Einhaltung einer Quotenvereinbarung. Die Klägerin bestreite nicht, an dieser Abstimmung eng beteiligt gewesen zu sein, ICI Quotenvorschläge wie die in Anlage 79 der Mitteilung der gemeinsamen Beschwerdepunkte gemacht und die Quotenvorschläge für November und Dezember 1982 als annehmbar angesehen zu haben.
c) Würdigung durch das Gericht
174 Es ist daran zu erinnern, daß die Klägerin regelmässig an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller teilgenommen hat, in denen die Verkaufsmengen der verschiedenen Hersteller diskutiert und Informationen hierüber ausgetauscht worden sind.
175 Neben der Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen wird ihr Name in verschiedenen Tabellen (gem. Bpkte., Anl. 55 ff.) genannt, deren Inhalt eindeutig darauf hinweist, daß sie zur Festlegung von Verkaufsmengenzielen bestimmt waren. Die meisten Klägerinnen haben in ihren Antworten auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt, daß es nicht möglich gewesen sei, die bei ICI, ATO und Hercules aufgefundenen Tabellen auf der Grundlage der Statistiken des Fides-Systems zu erstellen. ICI hat im übrigen in ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen (gem. Bpkte., Anl. 8) zu einer dieser Tabellen erklärt: "The source of information for actual historic figures in this table would have been the producers themselves." ("Die Quelle für die in dieser Tabelle genannten tatsächlich erzielten Zahlen müssen die Hersteller selbst gewesen sein."). Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß die in diesen Tabellen enthaltenen Angaben, soweit sie DSM betreffen, von der Klägerin im Rahmen der Sitzungen gemacht worden waren, an denen sie teilgenommen hatte.
176 Die in den Tabellen für die Jahre 1979 und 1980 benutzte Terminologie (wie "revised target" ["revidiertes Ziel"], "opening suggestions" ["Ausgangsvorschläge"], "proposed adjustments" ["vorgeschlagene Berichtigungen"] und "agreed targets" ["vereinbarte Ziele"]) lässt den Schluß zu, daß es zwischen den Herstellern zu Willensübereinstimmungen gekommen ist.
177 Für das Jahr 1979 ist auf der Grundlage des gesamten Berichts über die Sitzung vom 26. und 27. September 1979 (gem. Bpkte., Anl. 12) und der bei ICI sichergestellten, nicht datierten Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 55) mit der Bezeichnung "Producers' Sales to West Europe" ("Verkäufe der Hersteller innerhalb Westeuropa"), in der für alle westeuropäischen Polypropylenhersteller die Verkaufszahlen in Kilotonnen für 1976, 1977 und 1978 sowie unter den Rubriken "1979 actual" ("tatsächliche Zahlen 1979"), "revised target" und "79" weitere Zahlen genannt werden, festzustellen, daß in dieser Sitzung die Notwendigkeit anerkannt wurde, das für 1979 vereinbarte Quotensystem für die letzten drei Monate dieses Jahres zu verschärfen. Der Ausdruck "tight" ("strikt") in Verbindung mit der Begrenzung auf 80 % von einem Zwölftel der vorgesehenen jährlichen Verkäufe weist darauf hin, daß die für 1979 ursprünglich geplante Regelung für diese letzten drei Monate verschärft werden sollte. Diese Auslegung des Sitzungsberichts wird durch die genannte Tabelle bestätigt, denn diese enthält unter der Überschrift "79" in der letzten Spalte rechts von der Spalte mit der Überschrift "revised target" Zahlen, die den ursprünglich festgelegten Quoten entsprechen müssen. Diese müssen im Sinne einer Verschärfung revidiert worden sein, da sie auf der Grundlage einer zu optimistischen Marktschätzung festgelegt worden waren, wie dies auch 1980 der Fall war. Diese Feststellungen werden nicht dadurch entkräftet, daß in Randnummer 31 Absatz 3 der Entscheidung eine Regelung erwähnt wird, "die in Zuerich vorgeschlagen bzw. vereinbart wurde, um die monatlichen Verkäufe auf 80 % der in den ersten acht Monaten des Jahres getätigten durchschnittlichen Verkäufe zu beschränken". Dieser Hinweis ist in Verbindung mit Randnummer 54 der Entscheidung so zu verstehen, daß ursprünglich schon für die monatlichen Verkäufe der ersten acht Monate des Jahres 1979 Verkaufsmengenziele festgelegt worden waren.
178 Für das Jahr 1980 stellt das Gericht fest, daß die Festlegung von Verkaufsmengenzielen für das gesamte Jahr aus der bei ATO aufgefundenen Tabelle vom 26. Februar 1980 (gem. Bpkte., Anl. 60) hervorgeht, die eine Spalte "agreed targets 1980" ("vereinbarte Ziele 1980") enthält, und aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981 (gem. Bpkte., Anl. 17), in denen Hersteller, unter ihnen die Klägerin, die tatsächlich verkauften Mengen ("Actual kt") mit den festgelegten Zielen ("Target kt") verglichen haben. Diese Schriftstücke werden ferner bestätigt durch eine Tabelle vom 8. Oktober 1980 (gem. Bpkte., Anl. 57), in der in zwei Spalten die "1980 Nameplate Capacity" ("nominale Kapazität 1980") und die "1980 Quota" für die einzelnen Hersteller miteinander verglichen werden. Insoweit kann der Umstand, daß die Klägerin in zwei Sitzungen im Januar 1981 "disputed any undertaking to cut back from their original target" ("sich jedem Versuch einer Herabsetzung ihres ursprünglichen Ziels widersetzte"), die Festsetzung eines Ziels für 1980 und die Beteiligung der Klägerin hieran nicht widerlegen, da es ein "original target" gab, dem die Klägerin voll zugestimmt hatte.
179 Im übrigen ist entgegen der Behauptung der Klägerin die Herkunft der Schriftstücke, die die Kommission zum Nachweis der Beteiligung der Klägerin an der Festsetzung von Verkaufsmengenzielen für die Jahre 1979 und 1980 herangezogen hat, bekannt, da sie bei ICI oder bei ATO aufgefunden wurden (gem. Bpkte., Anl. 12, 55 bis 61). Die Kommission muß nicht bei jedem Schriftstück ermitteln, wer es verfasst hat und wie es erstellt worden ist, um es gegen ein bestimmtes Unternehmen verwenden zu können, zumindest dann nicht, wenn es zu einer grossen Gruppe von Schriftstücken gehört, die sich auf Sitzungen beziehen, die nachgewiesenermassen vor allem der Festsetzung von Preis- und Verkaufsmengenzielen dienten.
180 Diese Feststellungen werden nicht durch den Umstand entkräftet, daß die Kommission nicht die gleichen Feststellungen zu Lasten von Amoco getroffen hat, deren Name ebenfalls in den genannten Tabellen auftaucht. Der Fall Amoco unterscheidet sich von dem der Klägerin insofern, als dieses Unternehmen nicht an den Sitzungen der Hersteller teilgenommen hat, die insbesondere die Festlegung von Verkaufsmengenzielen bezweckten. Die Kommission konnte daher davon ausgehen, daß die Zahlen für Amoco in den verschiedenen Tabellen lediglich grobe Schätzungen ihrer Position waren, die die anderen Hersteller angestellt hatten, da ihnen von diesem Unternehmen keine individuellen Daten mitgeteilt worden waren. Die Antwort von ICI auf das Auskunftsverlangen bestätigt im übrigen diese Schlußfolgerung; dort heisst es nämlich: "However figures for Amoco/Hercules... would have been estimated from industry figures generally available from Fides" ("Zahlen für Amoco/Hercules... dürften allerdings anhand von Wirtschaftsdaten geschätzt worden sein, die allgemein über Fides erhältlich sind.").
181 Für 1981 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen teilgenommen hätten, um zu einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr zu kommen, sowie daß sie in diesem Rahmen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt hätten und in Erwartung einer solchen Vereinbarung übereingekommen seien, ihre monatlichen Verkäufe während der Monate Februar und März 1981 vorübergehend auf ein Zwölftel von 85 % des für 1980 vereinbarten "Ziels" zu reduzieren, daß sie sich für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen hätten, daß sie jeden Monat in den Sitzungen ihre Verkäufe bekanntgegeben hätten und daß sie schließlich überprüft hätten, ob ihre Verkäufe die zugeteilte theoretische Quote einhielten.
182 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden haben und daß die Hersteller in diesen Verhandlungen ihre "Bestrebungen" mitgeteilt haben, wird durch verschiedene Beweismittel belegt, wie Tabellen, die für jeden Hersteller dessen Zahlen für die Jahre 1979 und 1980 als "actual" und "targets" sowie seine "aspirations" für 1981 ausweisen (gem. Bpkte., Anl. 59 und 61), eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 62), die für jeden Hersteller dessen Quote für 1980, die Vorschläge anderer Hersteller bezueglich der ihm für 1981 zuzuteilenden Quoten und seine eigenen "Bestrebungen" für 1981 ausweist, sowie einen internen Vermerk von ICI (gem. Bpkte., Anl.63) über den Verlauf dieser Verhandlungen, in dem es heisst:
"Taking the various alternatives discussed at yesterday' s meeting we would prefer to limit the volume to be shared to no more than the market is expected to reach in 1981, say 1.35 million tons. Although there has been no further discussion with Shell, the four majors could set the lead by accepting a reduction in their 1980 target market share of about 0.35 % provided the more ambitious smaller producers such as Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR also tempered their demands. Provided the majors are in agreement the anomalies could probably be best handled by individual discussions at Senior level, if possible before the meeting in Zurich."
("Unter den verschiedenen in der gestrigen Sitzung erörterten Möglichkeiten bevorzugen wir diejenige, die aufzuteilende Menge auf das Volumen zu begrenzen, das der Markt 1981 voraussichtlich erreichen wird, also etwa 1,35 Millionen Tonnen. Obwohl keine weitere Diskussion mit Shell stattgefunden hat, könnten die vier Grossen die Richtung weisen, indem sie ihren Zielmarktanteil für 1980 um etwa 0,35 % reduzieren, sofern die ehrgeizigeren kleineren Hersteller wie Solvay, Saga, DSM, Chemie Linz, Anic/SIR ihre Forderungen ebenfalls zuegeln. Vorausgesetzt, die Grossen sind sich einig, könnten die Anomalien möglicherweise durch individuelle Diskussionen auf Chefebene möglichst vor der Sitzung in Zuerich bewältigt werden.")
Diesem Dokument ist ein bezifferter Kompromißvorschlag beigefügt, in dem das von jedem Hersteller erzielte Ergebnis mit 1980 verglichen wird ("% of 1980 target").
183 Die Annahme vorläufiger Maßnahmen in Form einer Reduzierung der monatlichen Verkäufe in den Monaten Februar und März 1981 auf ein Zwölftel von 85 % des für das Vorjahr vereinbarten Ziels ergibt sich aus dem Bericht über die Sitzungen vom Januar 1981, in dem es heisst:
"In the meantime (february-march) monthly volume would be restricted to 1/12 of 85 % of the 1980 target with a freeze on customers."
("In der Zwischenzeit [Februar/März] soll die monatliche Menge auf 1/12 von 85 % des Ziels 1980 mit einem Einfrieren der Kunden reduziert werden.")
184 Die Tatsache, daß sich die Hersteller für den Rest des Jahres dieselbe theoretische Quote wie für das Vorjahr zugewiesen und durch den monatlichen Austausch ihrer Verkaufszahlen überprüft haben, ob die Verkäufe diese Quote einhielten, wird durch drei im Zusammenhang zu sehende Schriftstücke bewiesen. Es handelt sich erstens um eine Tabelle vom 21. Dezember 1981 (gem. Bpkte., Anl. 67), in der für jeden Hersteller die nach Monaten aufgeschlüsselten Verkäufe angegeben werden und deren letzten drei Spalten bezueglich der Monate November und Dezember sowie für das gesamte Jahr handschriftlich hinzugefügt worden sind. Zweitens handelt es sich um eine bei ICI gefundene, in italienischer Sprache abgefasste Tabelle ohne Datum mit der Bezeichnung "Scarti per società" ("Abweichungen, aufgeschlüsselt nach Gesellschaften") (gem. Bpkte., Anl. 65), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis Dezember 1981 die Verkaufszahlen "actual" mit den Zahlen "theoretic" ("theoretisch") verglichen werden. Es handelt sich drittens um eine bei ICI gefundene, nicht datierte Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 68), in der für jeden Hersteller für die Zeit von Januar bis November 1981 die Verkaufszahlen und die Marktanteile mit denjenigen von 1979 und von 1980 verglichen werden, wobei eine Vorausberechnung für das Jahresende vorgenommen wird.
185 Die erste Tabelle zeigt, daß die Hersteller ihre monatlichen Verkaufszahlen ausgetauscht haben. Verbindet man sie mit den - in den beiden anderen, auf denselben Zeitraum bezogenen Tabellen angestellten - Vergleichen zwischen diesen Zahlen und denjenigen von 1980, so erhärtet ein solcher Austausch von Informationen, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer streng als Betriebsgeheimnisse hütet, die Schlußfolgerungen, zu denen die Kommission in der Entscheidung gekommen ist.
186 Die Teilnahme der Klägerin an diesen verschiedenen Aktivitäten ergibt sich zum einen aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen, in denen diese Aktionen stattgefunden haben, namentlich an den Sitzungen vom Januar 1981, und zum anderen daraus, daß ihr Name in den erwähnten Schriftstücken genannt wird. Diese Schriftstücke enthalten im übrigen Zahlen, die nach der Antwort von ICI auf eine schriftliche Frage des Gerichts - auf die andere Klägerinnen in ihrer eigenen Antwort Bezug nehmen - nicht auf der Grundlage der Statistiken des Fides-Systems hätten erstellt werden können.
187 Für 1982 weist das Gericht darauf hin, daß den Herstellern vorgeworfen wird, daß sie an den Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluß einer Quotenvereinbarung für dieses Jahr teilgenommen hätten, daß sie in diesem Rahmen ihre Bestrebungen im Hinblick auf die Verkaufsmengen mitgeteilt hätten, daß sie in Ermangelung einer endgültigen Vereinbarung in den Sitzungen ihre monatlichen Verkaufszahlen für das erste Halbjahr mitgeteilt und mit dem im Vorjahr erzielten prozentualen Anteil verglichen hätten und daß sie sich während des zweiten Halbjahrs bemüht hätten, ihre monatlichen Verkäufe auf den prozentualen Anteil des Gesamtmarkts zu beschränken, den sie in der ersten Hälfte dieses Jahres erzielt hätten.
188 Daß zwischen den Herstellern Verhandlungen im Hinblick auf die Einführung einer Quotenregelung stattgefunden haben und daß die Hersteller in diesem Rahmen ihre Bestrebungen mitgeteilt haben, wird belegt erstens durch ein Schriftstück mit der Bezeichnung "Scheme for discussions 'quota system 1982' " ("Diskussionsschema für ein Quotensystem 1982") (gem. Bpkte., Anl. 69), in dem für alle Adressaten der Entscheidung mit Ausnahme von Hercules die Menge, auf die jeder Anspruch zu haben glaubte, und ausserdem für einige (alle ausser Anic, Linz, Petrofina, Shell und Solvay) die Menge angegeben wird, die ihrer Ansicht nach den anderen Herstellern zugeteilt werden sollte; zweitens durch einen Vermerk von ICI mit der Bezeichnung "Polypropylene 1982, Guidelines" ("Polypropylen 1982, Leitlinien") (gem. Bpkte., Anl. 70, a), in dem ICI die laufenden Verhandlungen analysiert; drittens durch eine Tabelle vom 17. Februar 1982 (gem. Bpkte., Anl. 70, b), in der verschiedene Vorschläge zur Aufteilung der Verkäufe verglichen werden, von denen einer mit der Bezeichnung "ICI Original Scheme" ("ursprüngliches Schema ICI") in einer anderen, handgeschriebenen Tabelle von Monte in einer Spalte mit der Überschrift "Milliavacca 27/1/82" (es handelt sich um den Namen eines Angestellten von Monte) geringfügig angepasst worden ist (gem. Bpkte., Anl. 70, c); schließlich durch eine in italienischer Sprache abgefasste Tabelle (gem. Bpkte., Anl. 71), die einen komplexen Vorschlag darstellt (beschrieben in der Entscheidung, Randnr. 58 Absatz 2 am Ende).
189 Die für das erste Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden durch den Bericht über die Sitzung vom 13. Mai 1982 (gem. Bpkte., Anl. 24) bewiesen, in dem es u. a. heisst:
"To support the move a number of other actions are needed a) limit sales volume to some agreed prop. of normal sales."
("Zur Unterstützung dieses Schritts ist eine Reihe weiterer Maßnahmen erforderlich a) Begrenzung des Verkaufsvolumens auf einen bestimmten, vereinbarten Teil der üblichen Verkäufe.")
Die Durchführung dieser Maßnahmen wird bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 9. Juni 1982 (gem. Bpkte., Anl. 25), dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für jeden Hersteller die Verkaufszahlen "actual" für die Monate Januar bis April 1982, verglichen mit einer als "theoretical based on 1981 av[erage] market share" ("theoretisch, gestützt auf den durchschnittlichen Marktanteil 1981") bezeichneten Zahl genannt wird, sowie durch den Bericht über die Sitzung vom 20. und 21. Juli 1982 (gem. Bpkte., Anl. 26) für den Zeitraum Januar bis Mai 1982 und durch den Bericht über die Sitzung vom 20. August 1982 (gem. Bpkte., Anl. 28) für den Zeitraum Januar bis Juli 1982.
190 Die für das zweite Halbjahr getroffenen Maßnahmen werden bewiesen durch den Bericht über die Sitzung vom 6. Oktober 1982 (gem. Bpkte., Anl. 31), in dem es zum einen heisst: "In October this would also mean restraining sales to the Jan/June achieved market share of a market estimated at 100 kt" ("Im Oktober würde dies auch eine Begrenzung der Verkäufe auf den Anteil bedeuten, der im Zeitraum Januar/Juni bei einem auf 100 kt geschätzten Markt erzielt wurde.") und zum anderen: "Performance against target in September was reviewed" ("Das Verhältnis zwischen erreichtem Ergebnis und Ziel im September wurde geprüft."). Diesem Bericht ist eine Tabelle mit der Bezeichnung "September provisional sales versus target (based on Jan-June market share applied to demand est[imated] at 120 kt)" ("voraussichtliche Verkäufe im September im Verhältnis zum Ziel [auf der Grundlage des Marktanteils Januar/Juni bei einer geschätzten Nachfrage von 120 kt"]) beigefügt. Die Aufrechterhaltung dieser Maßnahmen wird durch den Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 (gem. Bpkte., Anl. 33) bestätigt, dem eine Tabelle beigefügt ist, in der für den November 1982 die Verkäufe "Actual" ("tatsächlich") mit den Zahlen "Theoretical" ("theoretisch"), berechnet auf der Basis "J-June % of 125 kt" ("J-Juni Prozentsatz von 125 kt"), verglichen werden.
191 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission für das Jahr 1981 und für die beiden Halbjahre des Jahres 1982 aus der Tatsache, daß in den regelmässigen Sitzungen eine gegenseitige Überwachung der Durchführung eines Systems zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum stattgefunden hat, zu Recht gefolgert hat, daß dieses System von den Teilnehmern an den Sitzungen angenommen worden war.
192 Für das Jahr 1983 stellt das Gericht fest, daß sich aus den von der Kommission vorgelegten Schriftstücken (gem. Bpkte., Anl. 33 und 74 bis 87) ergibt, daß die Polypropylenhersteller Ende 1982 und Anfang 1983 eine Quotenregelung für das Jahr 1983 erörtert haben, daß die Klägerin an den Sitzungen, in denen diese Diskussionen stattgefunden haben, teilgenommen und bei dieser Gelegenheit Angaben über ihre Verkäufe gemacht hat, daß in der dem Bericht über die Sitzung vom 2. Dezember 1982 beigefügten Tabelle 2 das Wort "acceptable" neben der beim Namen der Klägerin aufgeführten Quote steht und daß schließlich aus einem Vermerk von ICI mit der Überschrift "DSM - Proposal, 1983" ("DSM - Vorschlag, 1983") (gem. Bpkte., Anl. 79) hervorgeht, daß die Klägerin einen Vorschlag für eine Marktteilung zwischen den einzelnen Herstellern nach Tonnen unterbreitet hat, der in Marktanteile umgerechnet von ICI in die von ihr erstellte Übersichtstabelle (gem. Bpkte., Anl. 85, S. 2) übernommen worden ist.
193 Folglich hat die Klägerin an den Verhandlungen zur Erreichung einer Quotenregelung für 1983 teilgenommen.
194 Zu der Frage, ob diese Verhandlungen für die ersten beiden Quartale des Jahres 1983 erfolgreich waren, wie in der Entscheidung behauptet wird (Randnrn. 63 Absatz 3 und 64), weist das Gericht darauf hin, daß sich aus dem Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 (gem. Bpkte., Anl. 40) ergibt, daß die Klägerin wie auch neun andere Unternehmen in dieser Sitzung ihre Verkaufszahlen für den Monat Mai genannt hat. Ferner heisst es in dem Bericht über eine interne Sitzung der Shell-Gruppe vom 17. März 1983 (gem. Bpkte., Anl. 90):
"... and would lead to a market share of approaching 12 % and well above the agreed Shell target of 11 %. Accordingly the following reduced sales targets were set and agreed by the integrated companies."
("... und würde zu einem Marktanteil führen, der nahe bei 12 % und damit deutlich über dem vereinbarten Shell-Ziel von 11 % läge. Demgemäß wurden die folgenden reduzierten Verkaufsziele von den Unternehmen der Gruppe festgelegt und vereinbart.")
Nach Angabe der neuen Mengen heisst es weiter:
"This would be 11.2 Pct of a market of 395 kt. The situation will be monitored carefully and any change from this agreed plan would need to be discussed beforehand with the other PIMS members."
("Das wären 11,2 % eines Marktes von 395 kt. Die Lage wird aufmerksam beobachtet, und jede Abweichung von diesem vereinbarten Plan muß im voraus mit den anderen PIMS-Mitgliedern erörtert werden.")
195 Hierzu stellt das Gericht fest, daß die Kommission aus diesen beiden, im Zusammenhang miteinander gesehenen Schriftstücken zu Recht gefolgert hat, daß die Verhandlungen zwischen den Herstellern zur Einführung einer Quotenregelung geführt haben. So zeigt der interne Vermerk der Shell-Gruppe, daß dieses Unternehmen seine nationalen Verkaufsgesellschaften aufgefordert hat, ihre Verkäufe zu reduzieren, und zwar nicht, um das Gesamtverkaufsvolumen der Shell-Gruppe zu verringern, sondern um den Gesamtmarktanteil dieser Gruppe auf 11 % zu begrenzen. Eine solche Begrenzung auf einen bestimmten Marktanteil lässt sich nur im Rahmen einer alle Hersteller einbeziehenden Quotenregelung erklären. Darüber hinaus stellt der Bericht über die Sitzung vom 1. Juni 1983 einen zusätzlichen Anhaltspunkt für das Bestehen einer solchen Regelung dar, denn ein Austausch von Informationen über die monatlichen Verkäufe der einzelnen Hersteller dient in erster Linie der Kontrolle der Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen.
196 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl von 11 % als Marktanteil für Shell nicht nur in dem internen Vermerk von Shell, sondern auch in zwei anderen Schriftstücken genannt wird, nämlich zum einen in einem internen Vermerk von ICI, in dem diese darauf hinweist, daß Shell diese Zahl für sich selbst, für Hoechst und für ICI vorschlägt (gem. Bpkte., Anl. 87), und zum anderen in dem von ICI verfassten Bericht über ein Treffen vom 29. November 1982 zwischen ICI und Shell, bei dem an diesen Vorschlag erinnert worden ist (gem. Bpkte., Anl. 99).
197 Die Ausführungen der Klägerin zur Erhöhung ihres Marktanteils, zu den Schwankungen bei den Marktanteilen der anderen Hersteller und zu der Überschreitung der angeblichen Quoten können ihre in der Entscheidung festgestellte Beteiligung an der Festsetzung von Verkaufsmengenzielen nicht widerlegen. In der Entscheidung wird den Herstellern nämlich nicht die Einhaltung der ihnen zugeteilten Quoten, sondern nur deren Vereinbarung vorgeworfen. Im übrigen wird in der Entscheidung (Randnr. 59, letzter Absatz) der Zuwachs an Marktanteilen im Falle der Klägerin festgestellt und ist somit berücksichtigt worden.
198 Zudem ist die Kommission in Anbetracht des Umstands, daß mit den verschiedenen Maßnahmen zur Begrenzung der Verkaufsmengen dasselbe Ziel - Verringerung des von dem Überangebot ausgehenden Drucks auf die Preise - verfolgt wurde, zu Recht zu dem Schluß gelangt, daß diese Maßnahmen Teil eines Quotensystems waren.
199 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission zur Stützung der vorstehenden tatsächlichen Feststellungen nicht auf Schriftstücke zurückzugreifen brauchte, die sie in ihren Mitteilungen der Beschwerdepunkte nicht erwähnt oder der Klägerin nicht übermittelt hatte.
200 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Klägerin zu den Polypropylenherstellern gehörte, zwischen denen es zu Willensübereinstimmungen über die in der Entscheidung genannten Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979, 1980 sowie für die erste Hälfte des Jahres 1983 und über die dort genannte Begrenzung ihrer monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gekommen ist, die Teil eines Quotensystems waren.
2. Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag
A - Rechtliche Qualifizierung
a) Angefochtene Handlung
201 Nach Randnummer 81 Absatz 1 der Entscheidung stellt die Gesamtheit der Regelungen und Absprachen, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen wurden, eine einzige fortdauernde "Vereinbarung" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar.
202 Im vorliegenden Fall hätten die Hersteller dadurch, daß sie sich zu dem gemeinsamen Plan verbunden hätten, die Preise und den Absatz auf dem Polypropylenmarkt zu regeln, an einer umfassenden Rahmenvereinbarung teilgenommen, die in mehreren von Zeit zu Zeit abgesprochenen Einzelvereinbarungen ihren Niederschlag gefunden habe (Entscheidung, Randnr. 81 Absatz 3).
203 Bei der eingehenden Ausarbeitung des Gesamtplans sei es in vielen Bereichen zu einer ausdrücklichen Vereinbarung wie den einzelnen Preisinitiativen und jährlichen Quotensystemen gekommen (Entscheidung, Randnr. 82 Absatz 1). In einigen Fällen hätten die Hersteller möglicherweise keinen Konsens über ein endgültiges Schema - wie über die Quoten für 1981 und 1982 - erzielt. Doch die Verabschiedung von flankierenden Maßnahmen, einschließlich des Informationsaustauschs und der Überwachung der tatsächlichen monatlichen Verkäufe im Verhältnis zum Verkaufsergebnis in einigen vorausgegangenen Referenzperioden, sei nicht nur ein Zeichen für eine ausdrückliche Vereinbarung darüber, derartige Maßnahmen zu konzipieren und durchzuführen, sondern auch ein Zeichen für eine stillschweigende Vereinbarung darüber, die jeweilige Stellung der Hersteller nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten.
204 An der Schlußfolgerung, daß eine fortdauernde Vereinbarung vorliege, ändere auch die Tatsache nichts, daß einige Hersteller nicht notwendigerweise an jeder Sitzung teilgenommen hätten. Jede Initiative und die Erarbeitung und Durchführung eines jeden Plans erstreckten sich über mehrere Monate, so daß das gelegentliche Fernbleiben des einen oder anderen Herstellers wenig ausmache (Entscheidung, Randnr. 83 Absatz 1).
205 Das Funktionieren des Kartells auf der Grundlage eines gemeinsamen und ausführlichen Plans stelle eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 dar (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 1).
206 Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise seien unterschiedliche Begriffe, doch gebe es Fälle, in denen Absprachen Elemente beider Formen verbotener Zusammenarbeit enthielten (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 2).
207 Eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise beziehe sich auf eine Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die zwar nicht den Grad einer Vereinbarung im eigentlichen Sinne erreicht habe, aber dennoch bewusst die Risiken des Wettbewerbs ausschalte und durch eine praktische Zusammenarbeit ersetze (Entscheidung, Randnr. 86 Absatz 3).
208 In Randnummer 87 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, das durch den Vertrag geschaffene getrennte Konzept der aufeinander abgestimmten Verhaltensweise solle verhindern, daß Unternehmen sich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 entzögen, indem sie in einer wettbewerbswidrigen Weise ohne eine endgültige Vereinbarung absprächen, sich z. B. gegenseitig im voraus über ihr künftiges Verhalten in Kenntnis zu setzen, so daß jeder seine Geschäftspolitik in der Gewißheit regele, daß sich die Wettbewerber entsprechend verhielten (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619).
209 Der Gerichtshof habe im Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663) festgestellt, daß die in seiner Rechtsprechung niedergelegten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die keineswegs die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans voraussetzten, im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen seien, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen habe, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenke. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitige nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es stehe jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 2). Ein Verhalten könne also als aufeinander abgestimmte Verhaltensweise unter Artikel 85 Absatz 1 fallen, auch wenn sich die Partner vorher nicht über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hätten, sondern lediglich Absprachen träfen oder sich an Absprachen beteiligten, die die Koordinierung kommerziellen Verhaltens erleichterten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 3 Satz 1).
210 Ausserdem wird in der Entscheidung (Randnr. 87 Absatz 3 Satz 3) darauf hingewiesen, daß es in einem komplexen Kartell möglich sei, daß einige Hersteller zeitweise einem von den anderen Herstellern vereinbarten besonderen Verhalten nicht uneingeschränkt zustimmten, aber dennoch die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. In mancher Hinsicht trügen die fortgesetzte Zusammenarbeit und Absprache der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung Zuege einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise (Entscheidung Randnr. 87 Absatz 4 Satz 2).
211 Die Bedeutung des Konzepts einer aufeinander abgestimmten Verhaltensweise ergebe sich also nicht so sehr aus der Unterscheidung zwischen dieser Verhaltensweise und einer Vereinbarung als vielmehr aus der Unterscheidung zwischen den Formen der Absprache, die unter Artikel 85 Absatz 1 fielen, und einem rein parallelen Verhalten ohne jedwedes Element der Absprache. Nichts hänge daher im vorliegenden Fall von der genauen Form ab, die die abgesprochenen Vereinbarungen angenommen hätten (Entscheidung, Randnr. 87 Absatz 5).
212 In der Entscheidung (Randnr. 88 Absätze 1 und 2) wird festgestellt, daß die meisten Hersteller, die während des Verwaltungsverfahrens behauptet hätten, daß ihr Verhalten in bezug auf die angeblichen Preisinitiativen nicht das Ergebnis irgendeiner Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 gewesen sei (siehe Randnr. 82 der Entscheidung), ausserdem behaupteten, daß dieses Verhalten nicht die Grundlage sein könne, um eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise festzustellen, weil dieses Konzept irgendeinen offenen Akt am Markt voraussetze, der im vorliegenden Fall völlig fehle; Preislisten oder Zielpreise seien den Kunden nie mitgeteilt worden. In der Entscheidung wird dieses Vorbringen mit der Begründung zurückgewiesen, daß, wäre es im vorliegenden Fall notwendig, eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise zu beweisen, dieses Erfordernis für einige Schritte der Teilnehmer zur Verwirklichung ihrer gemeinsamen Zielsetzung tatsächlich gegeben sei. Die verschiedenen Preisinitiativen seien Gegenstand von Aufzeichnungen. Ausserdem sei unbestreitbar, daß die einzelnen Hersteller gleichzeitige Aktionen unternommen hätten, um die Preisinitiativen durchzuführen. Die von den Herstellern sowohl einzeln als auch gemeinsam getroffenen Maßnahmen ergäben sich aus Dokumenten: Sitzungsberichten, internen Vermerken, Anweisungen und Rundschreiben an Verkaufsabteilungen und Schreiben an Kunden. Dabei sei irrelevant, ob sie Preislisten veröffentlicht hätten. Die Preisinstruktionen als solche seien nicht nur das beste verfügbare Beweismittel für die von jedem Hersteller durchgeführte Aktion zur Verwirklichung des gemeinsamen Ziels, sondern erhärteten aufgrund ihres Inhalts und ihrer zeitlichen Abfolge den Beweis der Absprache.
b) Vorbringen der Parteien
213 Nach Ansicht der Klägerin ist die Kommission nicht berechtigt, zum ersten Mal in ihrer Klagebeantwortung den Begriff der "Absprache" einzuführen, der dem EWG-Vertrag fremd und dem amerikanischen Recht entlehnt sei. Im übrigen gelte für den Begriff der "conspiracy" (Absprache) sowohl auf der begrifflichen Ebene als auch auf der Ebene der Beweisführung dieselbe Unterteilung wie im Gemeinschaftsrecht. Deshalb könne die Kommission die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweise" nicht verschmelzen, um der genauen Bestimmung der anzuwendenden Qualifizierung aus dem Weg zu gehen.
214 Die Unterscheidung zwischen "Vereinbarung" und "abgestimmter Verhaltensweise" beruhe nicht nur auf einer unterschiedlichen Qualifizierung, sondern habe auch auf der Ebene der Beweisführung praktische Auswirkungen. Im Falle einer Vereinbarung bräuchten ihre konkreten Folgen grundsätzlich nicht in Betracht gezogen zu werden. Im Falle einer abgestimmten Verhaltensweise hingegen müssten sowohl ein bestimmtes Verhalten als auch ein Zusammenhang zwischen diesem Verhalten und einem vorher festgelegten Plan nachgewiesen werden, damit die gemeinsame Absicht konkret zutage trete. In diesem Zusammenhang sei das Fehlen konkreter Auswirkungen der von der Kommission behaupteten Verhaltensweisen und Abstimmungen auf den Markt von besonderer Bedeutung. Die Kommission habe nicht vorgetragen, ob sie von einer Vereinbarung oder von einer abgestimmten Verhaltensweise ausgehe, so daß die Unternehmen nicht hätten wissen können, was ihnen konkret vorgeworfen werde, und sich deshalb nicht hätten verteidigen können.
215 Nach Auffassung der Klägerin setzt die Vereinbarung eine auf einer Willensübereinstimmung beruhende Bindung der Unternehmen zur Regelung ihres Marktverhaltens voraus. Zu ihrem Nachweis müsse dargetan werden: der Wille der Parteien, eine Willensübereinstimmung, das Einverständnis, sich insoweit zu binden, und die Offenbarung dieser Einigung in einem Maktverhalten. Die abgestimmte Verhaltensweise setze nicht nur eine Abstimmung voraus, sondern auch eine auf dem Markt zutage getretene Verhaltensweise.
216 Im vorliegenden Fall sei die Frage der Qualifizierung und der Definition der Zuwiderhandlung deshalb von Belang, weil die Kommission weder eine Beteiligung der Klägerin an einer Vereinbarung noch an einer abgestimmten Verhaltensweise bewiesen habe, wenn man davon ausgehe, daß letztere die tatsächliche Durchführung eines koordinierten Marktverhaltens voraussetze. Die Definition des Begriffs der "abgestimmten Verhaltensweise" sei daher für die Klägerin von ganz besonderer Bedeutung, die noch dadurch gesteigert werde, daß sich diese Frage in dieser Weise zum ersten Mal vor dem Gemeinschaftsrichter stelle. In den bisher vom Gerichtshof entschiedenen Fällen sei nämlich das Marktverhalten tatbestandlich nicht streitig gewesen, und es sei nur darum gegangen, ob es für die Annahme einer Abstimmung ausreichend gewesen sei.
217 Nach Ansicht der Kommission ist dagegen die Frage, ob es sich bei einer Absprache oder einem Kartell rechtlich um eine Vereinbarung oder um eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag handele oder ob die Absprache Elemente einer Vereinbarung sowie einer abgestimmten Verhaltensweise enthalte, von untergeordneter Bedeutung. Die Begriffe "Vereinbarung" und "abgestimmte Verhaltensweise" umfassten nämlich alle Arten von Absprachen, durch die Konkurrenten aufgrund von direkten oder indirekten Kontakten untereinander sich gegenseitig die Aktionsfreiheit am Markt beschnitten, statt völlig unabhängig voneinander ihr künftiges Wettbewerbsverhalten zu bestimmen.
218 Die Verwendung der verschiedenen in Artikel 85 EWG-Vertrag enthaltenen Begriffe verfolge das Ziel, die gesamte Bandbreite wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zu erfassen, ohne für die verschiedenen Tatbestandsmerkmale unterschiedliche Rechtsfolgen vorzusehen. Es sei deshalb belanglos, wo genau die Grenze zwischen diesen Begriffen verlaufe, deren Sinn allein darin liege, in ihrer Gesamtheit die ganze Skala verbotener Wettbewerbsbeschränkungen zu erfassen. Der mit der Aufnahme des Begriffs "abgestimmte Verhaltensweise" in Artikel 85 verfolgte Gesetzeszweck sei nämlich, neben den Vereinbarungen Arten der Absprachen zu erfassen, die lediglich als tatsächliche Koordinierung oder als praktische Zusammenarbeit in Erscheinung träten, aber dennoch geeignet seien, den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnrn. 64 bis 66).
219 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174) gehe es darum, jede unmittelbare oder mittelbare Fühlungnahme zwischen Unternehmen zu verhindern, die bezwecke oder bewirke, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen sei oder in Erwägung ziehe. Eine abgestimmte Verhaltensweise liege also immer schon dann vor, wenn zwischen den Mitbewerbern eine Fühlungnahme stattfinde, die ihrem Verhalten auf dem Markt vorangehe.
220 Eine abgestimmte Verhaltensweise sei gegeben, wenn die Unabhängigkeit der Unternehmen voneinander durch eine Abstimmung eingeschränkt werden solle, selbst wenn sich auf dem Markt kein tatsächliches Verhalten feststellen lasse. Der Streit drehe sich in Wirklichkeit um den Begriff "Verhalten". Die Kommission widerspricht der Ansicht der Klägerin, daß dieser Begriff in dem engen Sinne von "Verhalten am Markt" zu verstehen sei. Der Begriff könne die blosse Beteiligung an Kontakten erfassen, sofern mit diesen eine Beschränkung der Selbständigkeit der Unternehmen bezweckt werde.
221 Verlangte man wie die Klägerin für eine abgestimmte Verhaltensweise beides, Abstimmung und Marktverhalten, so fiele ein ganzes Spektrum von Verhaltensweisen aus dem Anwendungsbereich des Artikels 85 heraus, die eine Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten, aber nicht unbedingt bewirkten. Insoweit würde Artikel 85 unanwendbar. Ausserdem stehe die Auffassung der Klägerin nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Begriff der abgestimmten Verhaltensweise (Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, a. a. O., Randnr. 66; Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnr. 26; Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, Zuechner, Slg. 1981, 2021, Randnr. 14). Wenn in dieser Rechtsprechung immer von Verhaltensweisen am Markt die Rede sei, so handele es sich dabei nicht um ein Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung, wie die Klägerin meine, sondern um einen tatsächlichen Umstand, der den Schluß auf eine Abstimmung zulasse. Nach dieser Rechtsprechung sei ein tatsächliches Verhalten am Markt nicht erforderlich. Erforderlich sei nur die Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern als wesentliches Merkmal für ihren Verzicht auf die notwendige Selbständigkeit. Die amerikanische Rechtsprechung zum Sherman Act gehe in die gleiche Richtung.
222 Somit sei es für einen Verstoß gegen Artikel 85 nicht erforderlich, daß die Unternehmen in der Praxis auch durchgeführt hätten, worüber sie sich abgestimmt hätten. Der Tatbestand des Artikels 85 Absatz 1 sei in vollem Umfang erfuellt, wenn die Absicht, den mit Risiken verbundenen Wettbewerb durch eine Zusammenarbeit zu ersetzen, in einer Abstimmung zutage trete, auch wenn sich anschließend nicht unbedingt Verhaltensweisen am Markt feststellen ließen. So sei es entgegen der Meinung der Klägerin daher durchaus möglich, daß eine abgestimmte Verhaltensweise eine Wettbewerbswidrigkeit zwar bezwecke, aber nicht bewirke.
223 Folglich könnten die Vereinbarung und die abgestimmte Verhaltensweise sowohl durch direkte Beweise als auch durch Indizienbeweise bewiesen werden. Im vorliegenden Fall brauche die Kommission nicht auf Indizienbeweise wie das Parallelverhalten auf dem Markt zurückzugreifen, da sie insbesondere mit den Sitzungsberichten über unmittelbare Beweise für die Absprache verfüge.
224 Die Kommission stellt abschließend fest, daß sie berechtigt gewesen sei, den Verstoß in erster Linie als Vereinbarung und hilfsweise, soweit notwendig, als abgestimmte Verhaltensweise zu bezeichnen.
c) Würdigung durch das Gericht FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 689A0008.3
225 Es ist festzustellen, daß die Kommission, entgegen den Behauptungen der Klägerin, jeden der Klägerin zur Last gelegten tatsächlichen Einzelakt entweder unter den Begriff der Vereinbarung oder den der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag subsumiert hat. Wie sich nämlich aus Randnummer 80 Absatz 2 in Verbindung mit den Randnummern 81 Absatz 3 und 82 Absatz 1 der Entscheidung ergibt, hat die Kommission jeden dieser verschiedenen Einzelakte in erster Linie als "Vereinbarung" gewertet.
226 Ebenso ergibt sich aus Randnummer 86 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Randnummer 87 Absätze 3 und 4 und Randnummer 88 der Entscheidung, daß die Kommission die Einzelakte der Zuwiderhandlung hilfsweise unter den Begriff der "abgestimmten Verhaltensweise" subsumiert hat, wenn sie entweder nicht den Schluß zuließen, daß sich die Partner vorher über einen gemeinsamen Plan für ihr Marktverhalten geeinigt hatten, sondern nur, daß sie Absprachen getroffen oder sich an Absprachen beteiligt hatten, die die Koordinierung ihrer Geschäftspolitik erleichterten, oder wenn sie wegen des komplexen Charakters des Kartells nicht die Feststellung erlaubten, daß einige Hersteller einem von den anderen Herstellern vereinbarten Verhalten uneingeschränkt zugestimmt hatten, sondern nur, daß diese die betreffende Regelung generell unterstützten und sich entsprechend verhielten. Daraus wird in der Entscheidung der Schluß gezogen, daß die fortgesetzte Zusammenarbeit und Kollusion der Hersteller bei der Durchführung der Gesamtvereinbarung in mancher Hinsicht Zuege einer aufeinander abgestimmten Vehaltensweise trügen.
227 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt eine Vereinbarung im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (siehe Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Heintz van Landewyck/Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86). Das Gericht stellt deshalb fest, daß die Kommission die Willensübereinstimmungen zwischen der Klägerin und anderen Polypropylenherstellern, für die sie den Beweis erbracht hat und die auf Preisinitiativen, auf Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen, auf Verkaufsmengenziele für die Jahre 1979 und 1980 sowie für das erste Halbjahr 1983 und auf Maßnahmen zur Begrenzung der monatlichen Verkäufe für die Jahre 1981 und 1982 im Verhältnis zu einem vorausgegangenen Bezugszeitraum gerichtet waren, zu Recht als Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen hat.
228 Da der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Wirkungen der Preisinitiativen bis November 1983 angehalten haben, ist sie auch zu Recht davon ausgegangen, daß die Zuwiderhandlung mindestens bis November 1983 angedauert hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist Artikel 85 nämlich auch auf ausser Kraft getretene Kartelle anwendbar, deren Wirkungen über das formelle Ausserkrafttreten hinaus fortbestehen (Urteil vom 3. Juli 1985 in der Rechtssache 243/83, Binon, Slg. 1985, 2015, Randnr. 17).
229 Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise ist anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu bestimmen. Hiernach sind die von ihr zuvor aufgestellten Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Dieses Selbständigkeitspostulat beseitigt zwar nicht das Recht der Unternehmen, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potentiellen Konkurrenten zu beeinflussen oder einen solchen Konkurrenten über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, das man selbst an den Tag zu legen entschlossen ist oder in Erwägung zieht (Urteil vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., Randnrn. 173 und 174).
230 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin an Sitzungen teilgenommen, deren Zweck es war, Preis- und Verkaufsmengenziele festzulegen; in diesen Sitzungen tauschten die Wettbewerber Informationen über die Preise aus, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, über die Preise, die sie zu praktizieren beabsichtigten, über ihre Rentabilitätsschwelle, über die von ihnen für notwendig gehaltenen Beschränkungen der Verkaufsmengen, über ihre Verkaufszahlen oder über die Identität ihrer Kunden. Durch ihre Teilnahme an diesen Sitzungen hat sich die Klägerin mit ihren Wettbewerbern an einer Abstimmung beteiligt, deren Zweck es war, deren Marktverhalten zu beeinflussen und offenzulegen, welches Marktverhalten die einzelnen Hersteller selbst in Erwägung zogen.
231 Damit hat die Klägerin nicht nur das Ziel verfolgt, im voraus die Ungewißheit über das künftige Verhalten ihrer Wettbewerber zu beseitigen, sondern sie musste bei der Festlegung der Politik, die sie auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen. Auch ihre Wettbewerber mussten bei der Festlegung der Politik, die sie verfolgen wollten, zwangsläufig unmittelbar oder mittelbar die Informationen berücksichtigen, die ihnen die Klägerin über das Marktverhalten gegeben hatte, das sie selbst für sich beschlossen hatte oder in Erwägung zog.
232 Folglich hat die Kommission die regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller, an denen die Klägerin von einem Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 an bis September 1983 teilgenommen hat, wegen ihres Zwecks zu Recht hilfsweise als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag angesehen.
233 Zu der Frage, ob die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß eine einzige, in Artikel 1 der Entscheidung als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" bezeichnete Zuwiderhandlung vorliegt, weist das Gericht darauf hin, daß die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen und Vereinbarungen, die von den Beteiligten eingehalten und abgeschlossen wurden, wegen ihres übereinstimmenden Zwecks Teil von Systemen regelmässiger Sitzungen zur Festsetzung von Preis- und Quotenzielen waren.
234 Diese Systeme waren wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der betroffenen Unternehmen, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die normale Entwicklung der Preise auf dem Polypropylenmarkt zu verfälschen. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und aus ihm mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu konstruieren. Tatsächlich hat sich die Klägerin - jahrelang - an einem Komplex integrierter Systeme beteiligt, die eine einheitliche Zuwiderhandlung darstellen. Diese einheitliche Zuwiderhandlung hat sich nach und nach sowohl durch rechtswidrige Vereinbarungen als auch durch rechtswidrige abgestimmte Verhaltensweisen entwickelt.
235 Die Kommission hat diese einheitliche Zuwiderhandlung auch zu Recht als "eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweise" qualifiziert, da diese Zuwiderhandlung sowohl Einzelakte aufwies, die als "Vereinbarungen" anzusehen sind, als auch Einzelakte, die "abgestimmte Verhaltensweisen" dargestellt haben. Angesichts einer komplexen Zuwiderhandlung ist die von der Kommission in Artikel 1 der Entscheidung vorgenommene doppelte Subsumtion nicht so zu verstehen, daß für jeden Einzelakt gleichzeitig und kumulativ der Nachweis erforderlich ist, daß er sowohl die Tatbestandsmerkmale einer Vereinbarung als auch die einer abgestimmten Verhaltensweise erfuellt. Sie bezieht sich vielmehr auf einen Komplex von Einzelakten, von denen einige als Vereinbarungen und andere als abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag anzusehen sind, der ja für diesen Typ einer komplexen Zuwiderhandlung keine spezifische Subsumtion vorschreibt.
236 Die von der Klägerin erhobene Rüge ist daher zurückzuweisen.
B - Wettbewerbsbeschränkende Wirkung
a) Angefochtene Handlung
237 In Randnummer 90 Absätze 1 und 2 der Entscheidung heisst es, daß es für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 nicht unbedingt notwendig sei, die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Vereinbarung nachzuweisen, da die Vereinbarung eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt habe. Im vorliegenden Fall zeige aber das Beweismaterial, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe.
b) Vorbringen der Parteien
238 Nach Auffassung der Klägerin muß, damit ein Verstoß gegen den EWG-Vertrag vorliege, das Verhalten der Unternehmen den Wettbewerb beeinträchtigen und damit Auswirkungen auf den Markt haben. Die Kommission müsse daher den Markt und die Wettbewerbsstruktur untersuchen, was sie im vorliegenden Fall nicht getan habe. Um sich dieser Verpflichtung entziehen zu können, behaupte die Kommission, daß sogar die blosse Absicht oder der Versuch, sich in der beanstandeten Weise zu verhalten, unter die Vorschriften des EWG-Vertrags fielen. Damit führe sie aber eine Art "Gesinnungsstrafrecht" ein, das dem Gemeinschaftsrecht unbekannt sei und mit den in Artikel 1 der Entscheidung angeführten Zuwiderhandlungen überhaupt nichts zu tun habe.
239 Für die Kommission ist dagegen der wettbewerbswidrige Zweck der Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, die die Zuwiderhandlung darstellten, auf jeden Fall bewiesen; damit erübrige sich der Nachweis, daß diese auch noch eine wettbewerbswidrige Wirkung gehabt hätten. Im übrigen verweist sie auf den Wortlaut der Entscheidung.
c) Würdigung durch das Gericht
240 Das Gericht stellt fest, daß die Argumentation der Klägerin dahin geht, daß ihre Beteiligung an den regelmässigen Sitzungen der Polypropylenhersteller nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle, da ihr wettbewerbsorientiertes Verhalten auf dem Markt zeige, daß diese Teilnahme eine Wettbewerbswidrigkeit weder bezweckt noch bewirkt habe.
241 Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verbietet als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise und sonstiger Geschäftsbedingungen und die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen.
242 Das Gericht weist darauf hin, daß die Würdigung der von der Kommission vorgenommenen tatsächlichen Feststellungen ergeben hat, daß die regelmässigen Sitzungen, an denen die Klägerin mit Wettbewerbern teilgenommen hat, die Beschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes namentlich durch die Festlegung von Preis- und Verkaufsmengenzielen bezweckten und daß ihre Teilnahme an diesen Sitzungen folglich eines wettbewerbswidrigen Zwecks im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht entbehrte.
243 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.
C - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten
a) Angefochtene Handlung
244 In Randnummer 93 Absatz 1 der Entscheidung heisst es, daß die Vereinbarung zwischen den Herstellern geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.
245 Im vorliegenden Fall habe die Vereinbarung, die sich tatsächlich auf den gesamten Handel der Gemeinschaft (und anderer westeuropäischer Länder) mit einem wichtigen Industrieprodukt erstreckt habe, angesichts ihrer allumfassenden Natur zwangsläufig dazu führen müssen, daß sich die Handelsströme anders entwickelt hätten als ohne die Vereinbarung (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 3). Die vereinbarte Festsetzung von Preisen auf einem künstlichen Niveau statt Preisbildung am Markt habe die Wettbewerbsstruktur in der gesamten Gemeinschaft beeinträchtigt. Die Unternehmen hätten sich so der unmittelbaren Notwendigkeit entzogen, auf die Marktkräfte zu reagieren und sich mit dem Problem der Überkapazität, auf das sie sich beriefen, auseinanderzusetzen (Entscheidung, Randnr. 93 Absatz 4).
246 In Randnummer 94 der Entscheidung heisst es, daß durch die Festsetzung von Zielpreisen für jeden Mitgliedstaat mit Sicherheit sowohl die Handelsbedingungen als auch die Wirkungen der zwischen den Herstellern bestehenden Leistungsunterschiede auf die Preise verzerrt worden seien, auch wenn dabei den herrschenden lokalen Bedingungen, die im einzelnen in nationalen Sitzungen erörtert worden seien, habe Rechnung getragen werden müssen. Das System der Kundenführerschaft, bei der die Kunden bestimmten Herstellern zugewiesen worden seien, habe die negative Wirkung der Preisvereinbarungen noch erhöht. Obwohl die Hersteller Quoten und Mengenziele nicht nach Mitgliedstaaten oder Regionen festgelegt hätten, seien Quoten bzw. Mengenziele als solche darauf angelegt, die Handlungsspielräume eines Herstellers einzuschränken.
b) Vorbringen der Parteien
247 Nach Auffassung der Klägerin muß, damit ein Verstoß gegen den EWG-Vertrag vorliege, das Verhalten der Unternehmen die Handelsströme zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell beeinflussen. Die Kommission habe es versäumt, anhand einer wirtschaftlichen Analyse des Marktes und der Wettbewerbsstruktur zu beweisen, daß diese Voraussetzung erfuellt sei.
248 Für die Kommission sind der zwischenstaatliche Handel und die Wettbewerbsstruktur beeinträchtigt worden, weil das Kartell zwangsläufig die Handelsströme aus der Richtung abgelenkt habe, die sie andernfalls genommen hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 172).
c) Würdigung durch das Gericht
249 Es ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission entgegen den Ausführungen der Klägerin nicht verpflichtet war, anhand einer wirtschaftlichen Analyse des Marktes und der Wettbewerbsstruktur darzutun, daß sich das tatsächliche Verhalten der Polypropylenhersteller spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgewirkt hat. Nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag müssen nämlich die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen lediglich geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Insoweit ist festzustellen, daß die beobachteten Wettbewerbsbeschränkungen geeignet waren, die Handelsströme aus der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 172).
250 Folglich ist der Kommission in den Randnummern 93 und 94 der Entscheidung rechtlich der Beweis gelungen, daß die Zuwiderhandlung, an der die Klägerin beteiligt war, geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
251 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.
3. Ergebnis
252 Aus alldem ergibt sich, daß sämtliche Rügen der Klägerin gegen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und gegen die dort vorgenommene Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuweisen sind.
Zur Begründung
253 Die Klägerin macht geltend, sie habe der Kommission zahlreiche Schriftstücke und Argumente an die Hand gegeben, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem neuen Licht hätten erscheinen lassen und die Tatsachen anders hätten erklären können, als dies in der Entscheidung geschehen sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den verbundenen Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 16). Die Kommission habe sich einer Stellungnahme zu dem gesamten Vorbringen der Klägerin nicht entziehen können, ohne die Entscheidung mit einer unzureichenden Begründung zu versehen oder die Beweislast umzukehren. Bezueglich des letzten Punkts fehle es ohnehin an einem unmittelbaren Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an den von der Kommission beanstandeten Handlungen.
254 Die Entscheidung bestehe im wesentlichen aus allgemeinen Erwägungen und Behauptungen. Sie enthalte weder eine genaue Untersuchung oder Widerlegung des Vorbringens der Unternehmen noch eine wirklich zusammenhängende Argumentation. Dies gelte namentlich für die individuellen Argumente der Klägerin in bezug auf die Preisinitiativen, die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen und die Übereinstimmung der Preisinstruktionen. Diese allgemeine Darstellungsweise der Kommission solle die Unzulänglichkeiten und inneren Widersprüche ihrer tatsächlichen Feststellungen, Vermutungen und ihrer Begründung verdecken.
255 Die Kommission sieht sich weder durch Artikel 190 EWG-Vertrag noch durch einen verfahrensrechtlichen Grundsatz verpflichtet, in eine Gesamtentscheidung ergänzende, einen einzelnen Kläger betreffende Tatsachen und Argumente deshalb aufzunehmen, weil dieser die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zutage getretene Sicht seines Marktverhaltens durch die eigene Sicht ersetzt habe. Die Kommission müsse in der Entscheidung klar angeben, auf welchen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen die Feststellung der Zuwiderhandlung beruhe. Ebenso müsse sie die Argumentation darlegen, anhand deren sie zu der Entscheidung gelangt sei. Diese Verpflichtungen habe sie im vorliegenden Fall erfuellt. Dagegen sei sie nicht verpflichtet, in der Entscheidung zu allen Argumenten und Schriftstücken der Klägerin Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831).
256 Die Kommission verwahrt sich dagegen, die Beweislast umgekehrt zu haben; sie habe ihre Entscheidung vielmehr auf zahlreiche, überzeugende Beweismittel gestützt.
257 Das Gericht verweist auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe u. a. Urteile vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, a. a. O., Randnr. 66, und vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 88), wonach die Kommission gemäß Artikel 190 EWG-Vertrag zwar ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen hat, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben, jedoch nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen braucht, die von den Beteiligten während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden. Folglich ist die Kommission nicht verpflichtet, auf die Fragen einzugehen, die sie für völlig unerheblich hält.
258 Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung der Klägerin ergibt, daß die Schriftstücke und Argumente, auf die diese sich stützt, nicht geeignet sind, die Tatsachenfeststellungen der Kommission in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Dies gilt insbesondere für die Schriftstücke und Argumente, die sich auf die Preisinitiativen, die Maßnahmen zur Förderung der Durchführung der Preisinitiativen und die Übereinstimmung der Preisinstruktionen beziehen.
259 Hieraus folgt, daß die Entscheidung für die Feststellung der Zuwiderhandlung der Klägerin ausreichend begründet ist und daß die Kommission die Tatsachen, auf deren Grundlage sie diese Zuwiderhandlung festgestellt hat, rechtlich hinreichend bewiesen und damit die Beweislast nicht zu Lasten der Klägerin umgekehrt hat. Im übrigen hat das Gericht bei diesen Tatsachenfeststellungen innere Widersprüche nicht erkennen können.
260 Diese Rüge muß daher zurückgewiesen werden.
Zur Geldbusse
261 Die Klägerin rügt, daß die Entscheidung Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verletze, weil die Dauer und die Schwere der ihr zur Last gelegten Zuwiderhandlung nicht zutreffend gewürdigt worden seien.
1. Die Dauer der Zuwiderhandlung
262 Die Klägerin wiederholt, daß der Beginn ihrer Beteiligung an der angeblichen Zuwiderhandlung nicht vor dem 1. Januar 1981 liegen könne und die Kommission ihn deshalb zu Unrecht auf einen Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 festlege. Im übrigen müsse jede der in Artikel 1 der Entscheidung beanstandeten Verhaltensweisen als eine selbständige Zuwiderhandlung betrachtet werden; die Kommission hätte daher die Dauer jeder einzelnen von ihr behaupteten Zuwiderhandlung feststellen müssen.
263 Die Kommission ist der Ansicht, sie habe den Beginn der Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung zu Recht auf einen Zeitpunkt zwischen 1977 und 1979 festgelegt. Sie habe jedoch berücksichtigt, daß die gravierendsten Aspekte der Zuwiderhandlung erst gegen Ende 1978 und Anfang 1979 zum Tragen gekommen seien.
264 Die Kommission habe ferner die den Unternehmen vorgeworfenen Verhaltensweisen deshalb nicht als selbständige Zuwiderhandlungen angesehen, weil die Gesamtheit der Regelungen und Absprachen, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen worden seien, eine einzige fortdauernde Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln darstelle.
265 Das Gericht hat bereits festgestellt, daß die Kommission den Zeitraum, in dem die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, zutreffend beurteilt hat und zu Recht davon ausgegangen ist, daß es sich um eine einzige Zuwiderhandlung gehandelt hat.
266 Die Rüge ist demnach zurückzuweisen.
2. Die Schwere der Zuwiderhandlung
A - Die Einheitlichkeit der Zuwiderhandlung und die begrenzte Rolle der Klägerin
267 Die Klägerin tritt der Definition der Zuwiderhandlung durch die Kommission entgegen, wonach es sich bei der Zuwiderhandlung um eine Gesamtheit von Regelungen und Absprachen gehandelt habe, die im Rahmen eines regelmässigen, institutionalisierten Sitzungssystems beschlossen worden seien. Die globale Betrachtungsweise der Kommission, die sich weigere, die den Unternehmen zur Last gelegten Zuwiderhandlungen einzeln festzustellen, sei mit der Systematik des EWG-Vertrags, der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ/Kommission, Slg. 1983, 3369, und vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, a. a. O.), der Praxis der Kommission bei ihren früheren Entscheidungen sowie mit dem verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung unvereinbar.
268 Was die Systematik des EWG-Vertrags angehe, so sei in Artikel 85 Absatz 1 Buchstaben a bis e eine Reihe von Beispielen von Verstössen gegen diesen Artikel aufgeführt, um klarzustellen, daß ein Verstoß nicht gleich dem anderen sei.
269 In der Praxis der Kommission komme es vor, daß in derselben Sache für einige Zuwiderhandlungen eine Geldbusse verhängt werde, für andere dagegen nicht.
270 In dem verfügenden Teil der Entscheidung seien unter den Buchstaben a bis e mehrere unterschiedliche Zuwiderhandlungen aufgeführt, die sich nicht deckten. Auch die Kommission gehe insoweit von verschiedenen Zuwiderhandlungen aus. Akzeptierte man bei der Bußgeldbemessung den Standpunkt der Kommission, daß für einen Gesamtkomplex von Tatsachen und Handlungen nur eine einzige Geldbusse zu verhängen sei, so wäre jede Diskussion über Geldbussen von vorneherein sinnlos. Auch wenn sich herausstellte, daß einzelne Handlungen nicht bewiesen oder nicht strafbar seien, bliebe der Komplex nämlich bestehen, so daß eine Herabsetzung der Geldbussen nicht möglich wäre.
271 Im übrigen sei ihre eigene Rolle begrenzt gewesen, weil sie erst sehr spät begonnen habe, regelmässig an den Sitzungen teilzunehmen. Ihre Haltung in den Sitzungen sei im allgemeinen eher passiv, ihr Marktverhalten stets durch völlige Unabhängigkeit gekennzeichnet gewesen. Diese entlastenden Umstände seien jedoch in der Entscheidung offensichtlich nicht berücksichtigt worden.
272 Die Kommission erwidert, sie habe in Artikel 1 der Entscheidung die Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung, die der Klägerin vorgeworfen werde, genau angegeben. Sie sei jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Schwere jedes dieser miteinander zusammenhängenden Merkmale getrennt zu prüfen, um die Höhe der Geldbusse zu rechtfertigen, auch wenn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes und früheren Entscheidungen der Kommission die Art der Zuwiderhandlung ein maßgeblicher Faktor für die Bemessung der Geldbussen sei.
273 Die Klägerin stelle den vorliegenden Fall so dar, als ginge es um eine Reihe einzelner, selbständiger Verhaltensweisen, die untereinander keine oder nur geringe Verbindung hätten oder nur zufällig zusammengetroffen seien. Das Beweismaterial lasse erkennen, daß die Verhaltensweisen der einzelnen Unternehmen nur Facetten eines grösseren Ganzen und miteinander durch eine Kette regelmässiger Sitzungen verknüpft gewesen seien. Entscheidend sei die Frage, ob die Klägerin an dem Kartell beteiligt gewesen sei, nicht aber, ob sie bisweilen in einer Sitzung gefehlt oder ab und zu von dem, was in einer Sitzung vereinbart worden sei, abgewichen sei.
274 Im übrigen müsse die besondere Schwere der zu Lasten der Klägerin festgestellten Zuwiderhandlung hervorgehoben werden.
275 Das Gericht weist darauf hin, daß die Einheitlichkeit der Zuwiderhandlung, die von der Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen worden ist, dem Kriterium, welche Rolle die Klägerin bei der Zuwiderhandlung gespielt hat, nicht seine Bedeutung für die Bemessung der Geldbussen nimmt. Wäre nämlich festgestellt worden, daß die Klägerin an dem einen oder anderen Aspekt der einheitlichen Zuwiderhandlung nicht beteiligt gewesen ist, so wäre diese weniger schwer gewesen und die Geldbusse hätte insoweit herabgesetzt werden müssen.
276 Die Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung durch das Gericht hat ergeben, daß die Kommission die Rolle, die die Klägerin bei der Zuwiderhandlung während der Dauer ihrer Beteiligung gespielt hat, zutreffend festgestellt hat. Die Kommission ist also bei der Bemessung der gegen die Klägerin zu verhängenden Geldbusse zu Recht von dieser Rolle ausgegangen.
277 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.
B - Keine Individualisierung der Kriterien für die Festsetzung der Geldbussen
278 Die Klägerin macht geltend, die gegen sie verhängte Geldbusse sei sowohl an sich als auch im Vergleich zu den gegen die anderen Unternehmen verhängten Geldbussen in nicht überprüfbarer Weise festgesetzt worden. Trotz wiederholter Bitten, den Verteilungsschlüssel für die Geldbussen mitzuteilen, habe die Kommission ihre Entscheidungen nicht begründet. Deshalb sei es nicht möglich, das Gewicht der verschiedenen für die Bemessung der Geldbusse berücksichtigten Faktoren zu bestimmen oder in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang die Kommission besonderen Umständen Rechnung getragen habe.
279 Bei der Bemessung der gegen sie verhängten Geldbusse habe die Kommission insbesondere die Argumente der Klägerin bezueglich ihrer individuellen Beteiligung ausser acht gelassen.
280 Die Kommission entgegnet, die Geldbussen seien in der Entscheidung ausgiebig und hinreichend begründet worden. Sie weist darauf hin, daß sie im vorliegenden Fall bei der Festsetzung der Geldbussen in Übereinstimmung mit ihrer ständigen Praxis und mit den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen für die Bußgeldfestsetzung gehandelt habe. Seit 1979 sei es ihre Praxis, die Beachtung des Wettbewerbsrechts durch die Festsetzung höherer Geldbussen zu erreichen - insbesondere bei solchen Zuwiderhandlungen, die offenkundig gegen das Wettbewerbsrecht verstießen, und bei besonders schwerwiegenden Verstössen wie im vorliegenden Fall -, um namentlich die abschreckende Wirkung der Geldbussen zu erhöhen. Der Gerichtshof habe dieser Praxis zugestimmt (Urteile vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Pioneer/Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 106 und 109) und auch wiederholt anerkannt, daß die Festsetzung von Geldbussen die Würdigung eines komplexen Sachverhalts voraussetze (Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80 bis 103/80, a. a. O., Randnr. 120, und vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, a. a. O., Randnr. 52).
281 Die Kommission sei besonders qualifiziert, eine solche Würdigung vorzunehmen, von der nur abgewichen werden könne, wenn in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ein Irrtum von wesentlicher Bedeutung vorliege. Der Gerichtshof habe ebenfalls bestätigt, daß die Kommission die von ihr für notwendig gehaltenen Sanktionen von Fall zu Fall unterschiedlich bemessen könne, selbst wenn die betreffenden Fälle ähnliche Gegebenheiten aufwiesen (Urteile vom 12. Juli 1979 in den verbundenen Rechtssachen 32/78, 36/78 bis 82/78, BMW Belgium/Kommission, Slg. 1979, 2435, Randnr. 53, und vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Nederlandsche Banden-Industrie-Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 111 ff.).
282 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission bei der Bemessung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbussen zum einen die Kriterien für die Bestimmung des allgemeinen Niveaus der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 108) und zum anderen die Kriterien für die gerechte Abstufung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen (Entscheidung, Randnr. 109) festgelegt hat.
283 Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigen die in Randnummer 108 der Entscheidung aufgeführten Kriterien bei weitem das allgemeine Niveau der gegen die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, verhängten Geldbussen. Insoweit ist besonders die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und insbesondere seine Buchstaben a, b und c hervorzuheben, die den vorsätzlich und unter grösster Geheimhaltung handelnden Polypropylenherstellern nicht unbekannt war.
284 Das Gericht hält auch die in Randnummer 109 der Entscheidung genannten vier Kriterien für sachgerecht und genügend, um zu einer gerechten Zumessung der gegen die einzelnen Unternehmen verhängten Geldbussen zu gelangen.
285 Zu den ersten beiden in Randnummer 109 der Entscheidung genannten Kriterien, der Rolle jedes Unternehmens bei den geheimen Absprachen sowie der Dauer seiner Beteiligung an der Zuwiderhandlung, ist festzustellen, daß die Gründe für die Bemessung der Geldbusse im Lichte der Entscheidungsbegründung insgesamt zu sehen sind und daß die Kommission somit die Berücksichtigung dieser Kriterien in bezug auf die Klägerin hinreichend individualisiert hat.
286 Zu den letzten beiden Kriterien, dem jeweiligen Polypropylenabsatz der einzelnen Hersteller in der Gemeinschaft sowie ihrem jeweiligen Gesamtumsatz, ist auf der Grundlage der Zahlen, die das Gericht von der Kommission angefordert hat und deren Richtigkeit von der Klägerin nicht bestritten worden ist, festzustellen, daß diese Kriterien bei der Bestimmung der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse im Verhältnis zu den gegen andere Hersteller verhängten Geldbussen nicht unbillig angewandt worden sind.
287 Das Gericht stellt weiter fest, daß sich aus seiner Würdigung der tatsächlichen Feststellungen der Kommission zum Nachweis der Zuwiderhandlung ergibt, daß die einzelnen Argumente, auf die die Kommission, wie die Klägerin rügt, nicht eingegangen sei, sich nicht auf die Tatsachen stützen können.
288 Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.
C - Die Berücksichtigung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung
289 Die Klägerin bringt vor, die angeblichen Verhaltensweisen hätten keine Auswirkungen auf den Markt gehabt. In dem streitigen Zeitraum seien die Marktpreise "weitgehend durch die Angebots- und Nachfragebedingungen bestimmt" worden, wie im übrigen auch die Kommission einräume (Entscheidung, Randnr. 73). Die von mehreren Unternehmen durchgeführten Untersuchungen zeigten, daß die Marktentwicklung genauso verlaufen wäre, wenn die angeblichen Vereinbarungen ausgeblieben wären. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, a. a. O., und vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80, a. a. O.) müsse dieser Punkt bei der Beurteilung der Wettbewerbsbeschränkungen berücksichtigt werden. Die Auffassung der Kommission, daß sie bei der Bemessung der Geldbussen nicht verpflichtet sei, den Auswirkungen der rechtswidrigen Absprachen Rechnung zu tragen, finde weder in der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteile vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, a. a. O.; vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, a. a. O., und vom 10. Dezember 1985 in den verbundenen Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82, 262/82, 268/82 und 269/82, a. a. O.) noch in der Praxis der Kommission bezueglich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag eine Stütze.
290 Nach Ansicht der Kommission erübrige sich angesichts der unmittelbaren, erdrückenden Beweise für das Verhalten der Hersteller eine eingehendere Marktanalyse.
291 Bei der Bemessung der Geldbussen habe sie ausserdem berücksichtigt, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten (Entscheidung, Randnr. 108), obwohl sie hierzu nicht verpflichtet gewesen sei, da nicht nur Kartelle mit wettbewerbswidrigen Wirkungen, sondern auch solche mit wettbewerbswidrigem Zweck nach Artikel 85 geahndet werden müssten.
292 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission zwei Arten von Wirkungen der Zuwiderhandlung unterschieden hat. Die erste habe darin bestanden, daß sämtliche Hersteller, nachdem sie in den Sitzungen Zielpreise vereinbart hätten, ihre Verkaufsabteilung angewiesen hätten, dieses Preisniveau durchzusetzen; die Ziele hätten so als Unterlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden gedient. Daraus hat die Kommission den Schluß gezogen, daß im vorliegenden Fall das Beweismaterial zeige, daß sich die Vereinbarung auf die Wettbewerbsbedingungen tatsächlich spürbar ausgewirkt habe (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 2 und Randnr. 90). Die zweite Art von Wirkungen der Zuwiderhandlung habe darin bestanden, daß die Entwicklung der Preise gegenüber Einzelkunden im Vergleich zu den im Laufe besonderer Preisinitiativen aufgestellten Zielpreisen mit der Darstellung übereinstimme, die hiervon in den bei ICI und anderen Herstellern über die Durchsetzung der Preisinitiativen gefundenen Schriftstücken gegeben werde (Entscheidung, Randnr. 74 Absatz 6).
293 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Kommission rechtlich der Beweis für den Eintritt der Wirkungen der ersten Art aufgrund der zahlreichen von den einzelnen Herstellern erteilten Preisinstruktionen gelungen ist, die miteinander und mit den in den Sitzungen festgelegten Preiszielen übereinstimmen, die ihrerseits offenkundig dazu bestimmt waren, als Grundlage für die Preisverhandlungen mit den Kunden zu dienen.
294 Zu den Wirkungen der zweiten Art ist zum einen darauf hinzuweisen, daß die Kommission keinen Anlaß hatte, an der Richtigkeit der von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen (siehe insbesondere die Berichte über die Sitzungen vom 21. September, 6. Oktober, 2. November und 2. Dezember 1982, gem. Bpkte., Anl. 30 bis 33) zu zweifeln, aus denen hervorgeht, daß die in den Sitzungen festgelegten Preisziele auf dem Markt weitgehend umgesetzt wurden. Wenn zum anderen die Untersuchung von Coopers & Lybrand sowie die von einigen Herstellern in Auftrag gegebenen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen ergeben sollten, daß die von den Herstellern selbst in ihren Sitzungen vorgenommenen Analysen unrichtig waren, so wäre diese Feststellung nicht geeignet, zu einer Herabsetzung der Geldbusse zu führen, da die Kommission in Randnummer 108 letzter Gedankenstrich der Entscheidung darauf hingewiesen hat, daß sie bei der Festsetzung der Geldbussen mildernd berücksichtigt habe, daß die Preisinitiativen im allgemeinen nicht ihr ganzes Ziel erreicht hätten und daß keine Maßnahmen vorgesehen gewesen seien, um die Befolgung der Quoten bzw. anderer Maßnahmen zu erzwingen.
295 Da die Begründung der Entscheidung bezueglich der Festsetzung der Geldbussen im Lichte der übrigen Begründung der Entscheidung zu sehen ist, ist davon auszugehen, daß die Kommission zu Recht die Wirkungen der ersten Art in vollem Umfang berücksichtigt und der begrenzten Natur der Wirkungen der zweiten Art Rechnung getragen hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht dargetan hat, inwieweit im Hinblick auf eine Milderung der Geldbussen nicht ausreichend berücksichtigt worden sein soll, daß diese Wirkungen der zweiten Art begrenzt waren.
296 Die Rüge ist folglich zurückzuweisen.
D - Ungenügende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Krisensituation
297 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die offenkundige Krisensituation der Polypropylenindustrie und die infolge dieser Krise eingetretenen erheblichen Verluste nicht berücksichtigt. Es habe sich, was die Kommission einräume, nicht um eine strukturelle Krise gehandelt, da Angebot und Nachfrage auf dem Polypropylenmarkt 1983 allmählich wieder bei einem Preis ins Gleichgewicht gekommen seien, der eine vernünftige mittlere Kapazitätsauslastung möglich gemacht habe. Eine Lösung für diese Krise habe daher nicht in einem strukturellen Abbau der vorhandenen Produktionskapazitäten gesucht werden müssen. Dies sei jedoch die einzige Lösung gewesen, die die Kommission bei Gesprächen mit der Polypropylenindustrie zur Lösung der Krise vorgeschlagen habe. Indem die Kommission keine gründliche Marktanalyse durchgeführt und deshalb keinen Hinweis gegeben habe, welche Alternativen bei einem späteren Gespräch ins Auge gefasst werden könnten, habe sie den Unternehmen nicht genügend Möglichkeiten zur Lösung der marktbedingten Probleme gelassen.
298 Unter bestimmten Umständen dürften und müssten manchmal sogar die Unternehmen zeitlich begrenzte wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen ergreifen, die dazu bestimmt seien, den Prozeß der Anpassung der betroffenen Industrie an die sich verändernden Marktbedingungen zu begleiten. Da die Gemeinschaftsbehörden im vorliegenden Fall keine "Diagnose" für einen in einer Krise befindlichen Industriesektor gestellt und kein "Heilmittel" verschrieben hätten, hätten sie den betroffenen "Patienten" kaum eine andere Wahl gelassen, als bestimmte Formen der "Selbsthilfe" oder einer "Notlösung" ins Auge zu fassen.
299 Bestimmte Formen des Kontakts und des Informationsaustauschs zur Lösung von Krisensituationen könnten nicht von vorneherein als unzulässig angesehen werden, wenn sie darauf ausgerichtet seien, Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden, insbesondere wenn der betroffene Sektor sich in einer offenkundigen Krise befinde. Niemand könne ein Interesse am fortschreitenden Zerfall eines Wirtschaftssektors aufgrund eines ruinösen Wettbewerbs haben. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang auf die Artikel 57 und 58 EGKS-Vertrag und auf die Bekanntmachung der Kommission vom 29. Juli 1968 über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen (ABl. C 75), die vorliegend anwendbar sei, weil der Informationsaustausch weder zu irgendeiner Beschränkung der Handlungsfreiheit der Unternehmen noch zu einer ausdrücklichen oder zu einer in abgestimmten Verhaltensweisen zutage tretenden Koordinierung ihres Marktverhaltens geführt habe.
300 Diese Krisensituation hätte von der Kommission zumindest als mildernder Umstand berücksichtigt werden müssen.
301 Die Kommission erwidert, sie habe die den Unternehmen im Polypropylenbereich während eines sehr langen Zeitraums entstandenen erheblichen Verluste als mildernden Umstand bei der Bußgeldbemessung anerkannt, obwohl sie dazu ihrer Meinung nach nicht verpflichtet gewesen sei.
302 Die Unternehmen könnten, um einer Verurteilung zu entgehen, sich weder auf vorübergehende Wettbewerbsbeschränkungen, die die Kommission für andere Sektoren genehmigt habe, noch darauf berufen, daß sie wegen der Weigerung der Kommission, ein "Krisenkartell" zu genehmigen, zur "Selbsthilfe" gezwungen gewesen seien. Die betroffenen Unternehmen hätten gegebenenfalls etwaige "Krisenmaßnahmen" mitteilen können, sie hätten dies aber nicht getan, so daß sie heute wegen ihrer fortdauernden, heimlichen Absprache zu verurteilen seien.
303 Die geltenden Regeln für den Austausch von Informationen dürften nicht auf andere Fälle angewandt werden als die, auf die sie sich bezögen. Dies gelte insbesondere für die Bekanntmachung von 1968, auf die sich die Klägerin berufe. Diese Bekanntmachung betreffe nur die kleinen und mittleren Unternehmen und gelte ausserdem nicht für eine Absprache, die wie im vorliegenden Fall die Grenzen eines erlaubten Informationsaustausches weit überschreite.
304 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission in Randnummer 108 letzter Gedankenstrich der Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß sie dem Umstand Rechnung getragen habe, daß die Unternehmen für einen grossen Zeitraum erhebliche Verluste im Polypropylensektor hätten hinnehmen müssen; dies zeigt, daß die Kommission nicht nur den Verlusten, sondern damit auch den ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen des Sektors Rechnung getragen hat (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, a. a. O., Randnrn. 111 ff.), um bei gleichzeitiger Berücksichtigung der anderen in Randnummer 108 aufgeführten Kriterien das allgemeine Niveau der Geldbussen festzusetzen.
305 Auch wenn die Kommission in früheren Fällen die Auffassung vertreten hat, daß angesichts der tatsächlichen Umstände die Krisensituation zu berücksichtigen sei, in der sich der betreffende Wirtschaftssektor befand, ist sie dadurch nicht gezwungen, eine solche Situation im vorliegenden Fall in gleicher Weise zu berücksichtigen, da ihr rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet ist, einen besonders schweren Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag begangen haben.
306 Ausserdem ist der Hinweis der Klägerin auf frühere Entscheidungen der Kommission unerheblich, weil diese sich auf die Freistellung eines sogenannten "Krisenkartells" nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag beziehen. Im vorliegenden Fall ist bezueglich der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch keine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag beantragt worden.
307 Ferner ist festzustellen, daß sich die Unternehmen, wenn die Kommission nicht tätig wird, nicht auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts berufen können, deren Anwendung ein Tätigwerden der Kommission voraussetzt und die wie Artikel 57 und 58 EGKS-Vertrag darüber hinaus einen bestimmten Wirtschaftssektor betreffen.
308 In der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen, wird unter II klargestellt: "Vereinbarungen, die nur dazu dienen, gemeinsam Informationen zu beschaffen, die die einzelnen Unternehmen benötigen, um ihr künftiges Verhalten im Markt selbständig und unabhängig voneinander zu bestimmen, oder dazu, ein gemeinsames Beratungsorgan individuell in Anspruch zu nehmen, bezwecken oder bewirken keine Wettbewerbseinschränkung. Wenn aber die Handlungsfreiheit der Unternehmen eingeschränkt oder das Marktverhalten ausdrücklich oder im Wege aufeinander abgestimmter Verhaltensweisen koordiniert wird, kann eine Wettbewerbseinschränkung vorliegen". Das Gericht stellt fest, daß sich aus seiner Würdigung der Feststellung der Zuwiderhandlung ergibt, daß Bestandteil dieser Zuwiderhandlung Preis- und Quotenvereinbarungen waren, die gemäß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verboten sind, so daß diese Bekanntmachung nicht auf sie angewandt werden kann.
309 Folglich ist die Rüge zurückzuweisen.
E - Die Verletzung der Grundsätze der Billigkeit, der Verhältnismässigkeit und der Gleichheit
310 Nach Auffassung der Klägerin verletzt die Entscheidung in ihrem Fall die Grundsätze der Billigkeit, der Verhältnismässigkeit und der Gleichheit, weil gegen Unternehmen in vergleichbarer oder ähnlicher Lage Geldbussen in erheblich abweichender Höhe verhängt worden seien. Aufgrund einer Analyse der Kriterien, die die Kommission in Randnummer 109 der Entscheidung bei der Bemessung der Geldbussen und der Festlegung der jeweiligen Gewichtung berücksichtigt habe, gelangt die Klägerin zu dem Ergebnis, daß gegen zwei Unternehmen (Linz und Saga) wesentlich niedrigere Geldbussen als gegen die anderen festgesetzt worden seien, die sich im Hinblick auf diese Kriterien in gleicher Lage befunden hätten. Dieser Unterschied werde in der Entscheidung nicht erläutert.
311 Die Kommission weist darauf hin, daß Linz und Saga ihren Sitz ausserhalb der Gemeinschaft hätten, ihre meisten Lieferungen ausserhalb der Gemeinschaft erfolgt seien und die Kommission, obwohl das Kartell sich über Westeuropa erstreckt habe, bei der Bemessung der Geldbussen auf die Polypropylenlieferungen der einzelnen Hersteller innerhalb der Gemeinschaft abgestellt habe, d. h. auf die Auswirkungen des Kartells auf das Gebiet des Gemeinsamen Marktes (Entscheidung, Tabelle 2).
312 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin mit ihrer Rüge das Verhältnis zwischen dem Betrag der gegen sie verhängten Geldbusse und dem der gegen Linz und Saga festgesetzten Geldbusse beanstandet.
313 Insoweit genügt die Feststellung, daß die Klägerin die Entgegnung der Kommission nicht hat widerlegen können, daß der Unterschied zwischen den genannten Beträgen sich aus der Anwendung der in Randnummer 109 Absatz 1 der Entscheidung genannten Kriterien, insbesondere des dritten Kriteriums ergebe, das auf die jeweiligen Polypropylenlieferungen der Unternehmen, an die die Entscheidung gerichtet sei, innerhalb der Gemeinschaft abstelle. Die Klägerin hat die Richtigkeit der von der Kommission in dem Verfahren vor dem Gericht vorgetragenen Zahlen bezueglich dieser Lieferungen nicht bestritten. Angesichts dieser Zahlen hat DSM nicht konkret dargetan, daß ihr gegenüber im Vergleich zu Linz und Saga die Grundsätze der Billigkeit, der Verhältnismässigkeit und der Gleichheit verletzt worden wären.
314 Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
F - Fehlen früherer Verstösse
315 Die Klägerin macht geltend, daß sie in der Vergangenheit im Gegensatz zu anderen in dieses Verfahren verstrickten Unternehmen noch nie in ein von der Kommission eingeleitetes Wettbewerbsverfahren verwickelt gewesen sei. Das habe als mildernder Umstand berücksichtigt werden müssen.
316 Die Kommission erwidert, das Vorbringen der Klägerin bezueglich des Fehlens eines früheren Verstosses gewähre ihr keinen Anspruch auf Herabsetzung der Geldbusse.
317 Das Gericht stellt fest, daß zu Lasten eines Unternehmens erschwerend berücksichtigt werden kann, daß die Kommission in der Vergangenheit bereits Verstösse dieses Unternehmens gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt und insoweit gegebenenfalls eine Strafe verhängt hat. Demgegenüber stellt das Fehlen einer früheren Zuwiderhandlung keinen besonderen Umstand dar, den die Kommission als mildernd berücksichtigen müsste, zumal es sich im vorliegenden Fall um einen besonders offenkundigen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag handelt.
318 Die Rüge muß daher zurückgewiesen werden.
319 Aus alldem ergibt sich, daß die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse der Dauer und der Schwere des zu Lasten der Klägerin festgestellten Verstosses gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln angemessen ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
320 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, hat diese die Kosten zu tragen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Erste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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