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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: T-80/05
Rechtsgebiete: Richtlinie 92/43/EWG, Entscheidungen 2004/798/EG, Entscheidungen 2004/813/EG


Vorschriften:

Richtlinie 92/43/EWG
Entscheidungen 2004/798/EG
Entscheidungen 2004/813/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Erste Kammer)

19. September 2006

"Nichtigkeitsklage - Richtlinie 92/43/EWG - Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen - Entscheidungen 2004/798/EG und 2004/813/EG - Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region und in der atlantischen biogeografischen Region - Unmittelbar und individuell betroffene Personen - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-80/05

Hinrich Bavendam, wohnhaft in Bremen (Deutschland),

Günther Früchtnicht, wohnhaft in Bremen,

Hinrich Geerken, wohnhaft in Bremen,

Hans-Jürgen Weyhausen-Brinkmann, wohnhaft in Bremen,

Curt-Hildebrand von Einsiedel, wohnhaft in Leipzig (Deutschland),

Christina Gräfin von Schall-Riaucour, wohnhaft in Ahlen-Vorhelm (Deutschland),

Franz-Albert Metternich-Sandor, Prinz von Ratibor und Corvey, wohnhaft in Höxter (Deutschland),

Christoph Prinz zu Schleswig-Holstein, wohnhaft in Thumby (Deutschland),

Stadt Schloß Holte-Stukenbrock (Deutschland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Giesen,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und B. Schima als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/798/EU der Kommission vom 7. Dezember 2004 gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region (ABl. L 382, S. 1) sowie der Entscheidung 2004/813/EG der Kommission vom 7. Dezember 2004 gemäß der Richtlinie 92/43/EWG des Rates zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region (ABl. L 387, S. 1)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, des Richters J. D. Cooke und der Richterin V. Trstenjak,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher und tatsächlicher Rahmen

1 Am 21. Mai 1992 erließ der Rat die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitat-Richtlinie).

2 Die Habitat-Richtlinie hat nach ihrem Artikel 2 Absatz 1 zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der EG-Vertrag Geltung hat, beizutragen.

3 Nach ihrem Artikel 2 Absatz 2 zielen die zu ihrer Anwendung getroffenen Maßnahmen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.

4 Nach der sechsten Begründungserwägung der Habitat-Richtlinie sind zur Wiederherstellung oder Wahrung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse besondere Schutzgebiete auszuweisen, um nach einem genau festgelegten Zeitplan ein zusammenhängendes europäisches ökologisches Netz zu schaffen.

5 In Artikel 1 Buchstabe l der Habitat-Richtlinie wird das besondere Schutzgebiet definiert als "ein von den Mitgliedstaaten durch eine Rechts- oder Verwaltungsvorschrift und/oder eine vertragliche Vereinbarung als ein von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenes Gebiet, in dem die Maßnahmen, die zur Wahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und/oder Populationen der Arten, für die das Gebiet bestimmt ist, erforderlich sind, durchgeführt werden".

6 Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Habitat-Richtlinie sieht die Errichtung eines kohärenten europäischen ökologischen Netzes besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung "Natura 2000" vor, das aus Gebieten besteht, die die natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I der Habitat-Richtlinie sowie die Habitate der Arten ihres Anhangs II umfassen, und das den Fortbestand oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleisten muss.

7 Anhang I der Habitat-Richtlinie enthält die natürlichen Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen; ihr Anhang II enthält die Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für deren Erhaltung besondere Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen.

8 Artikel 4 der Habitat-Richtlinie sieht ein dreiphasiges Verfahren für die Ausweisung der besonderen Schutzgebiete vor. Nach Absatz 1 legt jeder Mitgliedstaat eine Liste von Gebieten vor, in der die in diesen Gebieten vorkommenden natürlichen Lebensraumtypen des Anhangs I und einheimischen Arten des Anhangs II aufgeführt sind. Binnen drei Jahren nach Bekanntgabe der Habitat-Richtlinie wird der Kommission diese Liste gleichzeitig mit den Informationen über die einzelnen Gebiete zugeleitet.

9 Nach Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie erstellt die Kommission aus diesen Listen auf der Grundlage der in Anhang III der Richtlinie festgelegten Kriterien jeweils im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten den Entwurf einer Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung. Die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung wird von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 21 der Richtlinie festgelegt.

10 Ist ein Gebiet aufgrund des in Artikel 4 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie genannten Verfahrens als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung bezeichnet worden, so bestimmt Artikel 4 Absatz 4, dass der betreffende Mitgliedstaat dieses Gebiet so schnell wie möglich - spätestens aber binnen sechs Jahren - als besonderes Schutzgebiet ausweist und dabei die Prioritäten nach Maßgabe der Wichtigkeit dieser Gebiete für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes eines natürlichen Lebensraumtyps des Anhangs I oder einer Art des Anhangs II und für die Kohärenz des Netzes Natura 2000 sowie danach festlegt, inwieweit diese Gebiete von Schädigung oder Zerstörung bedroht sind.

11 Nach Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie unterliegt ein Gebiet, sobald es in die von der Kommission erstellte Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen ist, den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4.

12 Artikel 6 der Habitat-Richtlinie betrifft die zum Schutz der besonderen Schutzgebiete nötigen Maßnahmen. Er lautet:

"(1) Für die besonderen Schutzgebiete legen die Mitgliedstaaten die nötigen Erhaltungsmaßnahmen fest, die gegebenenfalls geeignete, eigens für die Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne und geeignete Maßnahmen rechtlicher, administrativer oder vertraglicher Art umfassen, die den ökologischen Erfordernissen der natürlichen Lebensraumtypen nach Anhang I und der Arten nach Anhang II entsprechen, die in diesen Gebieten vorkommen.

(2) Die Mitgliedstaaten treffen die geeigneten Maßnahmen, um in den besonderen Schutzgebieten die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten.

(3) Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, erfordern eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben.

(4) Ist trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art ein Plan oder Projekt durchzuführen und ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, so ergreift der Mitgliedstaat alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Der Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission über die von ihm ergriffenen Ausgleichsmaßnahmen.

Ist das betreffende Gebiet ein Gebiet, das einen prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder eine prioritäre Art einschließt, so können nur Erwägungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit oder im Zusammenhang mit maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt oder, nach Stellungnahme der Kommission, andere zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden."

13 Am 7. Dezember 2004 erließ die Kommission auf der Grundlage von Artikel 4 der Habitat-Richtlinie die Entscheidung 2004/798/EU gemäß der Habitat-Richtlinie zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der kontinentalen biogeografischen Region (ABl. L 382, S. 1) und die Entscheidung 2004/813/EG gemäß der Habitat-Richtlinie zur Verabschiedung der Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region (ABl. L 387, S. 1) (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen). Auf diesen beiden Listen, die in Anhang I der angefochtenen Entscheidungen enthalten sind, befinden sich u. a. folgende Gebiete:

- DE1423304 Strandseen, Noore und Dünen der Schleilandschaft;

- DE2818302 Oberblockland und Waller Feldmark;

- DE4113301 Bröckerholz;

- DE4117301 Sennebäche;

- DE4219301 Egge;

- DE4221301 Stadtwald Brakel;

- DE4222301 Buchenwälder der Weserhänge;

- DE4322304 Wälder um Beverungen;

- DE4941301 Prießnitz;

- DE4941302 Stöckigt und Streitwald.

14 Die Stadt Schloß Holte-Stukenbrock ist eine Gemeinde, auf deren Territorium sich das Gebiet DE4117301 befindet. Sie ist auch Eigentümerin von Grundstücken in Gebieten, die von den angefochtenen Entscheidungen erfasst werden.

15 Die übrigen Kläger sind Privatpersonen, denen Grundstücke in Gebieten gehören, die von den angefochtenen Entscheidungen erfasst werden. Es handelt sich um Hinrich Bavendam, Günther Früchtnicht, Hinrich Geerken und Hans-Jürgen Weyhausen-Brinkmann in Bezug auf das Gebiet DE2818302, Curt-Hildebrand von Einsiedel in Bezug auf die Gebiete DE4941301 und DE4941302, Christina Gräfin von Schall-Riaucour in Bezug auf das Gebiet DE4113301, Franz-Albert Metternich-Sandor in Bezug auf die Gebiete DE4221301, DE4222301 und DE4322304 und Christoph Prinz zu Schleswig-Holstein in Bezug auf die Gebiete DE4219301 und DE1423304.

16 Hinrich Bavendam, Günther Früchtnicht, Hinrich Geerken und Hans-Jürgen Weyhausen-Brinkmann betreiben auf ihren Grundstücken Landwirtschaft und Christoph Prinz zu Schleswig-Holstein Forstwirtschaft. Curt-Hildebrand von Einsiedel ist in den beiden betroffenen Gebieten Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes.

Verfahren

17 Mit Klageschrift, die am 17. Februar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

18 Mit besonderem Schriftsatz, der am 21. Juni 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Kläger haben zu dieser Einrede am 2. August 2005 Stellung genommen.

Anträge der Parteien

19 Die Kläger beantragen,

- die angefochtenen Entscheidungen für nichtig zu erklären, soweit Eigentum oder Gebietshoheit der Kläger betroffen sind;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

21 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Gemäß Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall hält sich das Gericht durch den Akteninhalt für ausreichend unterrichtet, um ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

22 Die Kommission hat, nachdem sie den Klägern ein Rechtsschutzinteresse und den angefochtenen Entscheidungen die Eigenschaft als anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 Absatz 1 EG abgesprochen hat, ihre Einrede der Unzulässigkeit auf die unmittelbare und individuelle Betroffenheit der Kläger im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG konzentriert. Darauf ist als Erstes einzugehen.

23 In Artikel 230 Absatz 4 EG heißt es: "Jede natürliche oder juristische Person kann ... gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen."

24 Da die angefochtenen Entscheidungen unstreitig nicht an die Kläger gerichtet sind, sondern nur an die Mitgliedstaaten, ist zu prüfen, ob diese Entscheidungen sie unmittelbar und individuell betreffen.

25 Im Hinblick darauf, dass sich die Rechtslage der klagenden Privatpersonen erheblich von der der klagenden Gemeinde unterscheidet, ist es angebracht, den Sachverhalt für diese beiden Gruppen von Klägern gesondert zu prüfen.

Zur Betroffenheit der klagenden Privatpersonen

Vorbringen der Parteien

26 Die Kommission ist der Ansicht, dass die angefochtenen Entscheidungen allgemeine Regelungen mit normativem Charakter zum Inhalt hätten und daher selbst Handlungen von allgemeiner Geltung seien, so dass die klagenden Privatpersonen nicht unmittelbar betroffen im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG seien. Da die Rechtsstellung und nicht die faktische Lage zu berücksichtigen sei (Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2000 in den Rechtssachen T-172/98 und T-175/98 bis T-177/98, Salamander u. a./Parlament und Rat, Slg. 2000, II-2487, Randnr. 62), reiche eine etwaige durch die angefochtenen Entscheidungen ausgelöste Wertminderung ihrer Grundstücke nicht aus, um ihre unmittelbare Betroffenheit zu begründen.

27 Die streitigen Bestimmungen stellten im Wesentlichen richtlinienähnliche Bestimmungen dar, durch die dem Einzelnen keine Verpflichtungen auferlegt werden könnten. So begründe Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie nur Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten und nicht für den Einzelnen.

28 Um festzustellen, ob ein Kläger unmittelbar betroffen sei, müsse geprüft werden, ob der Inhalt des Handelns der Mitgliedstaaten aus den angefochtenen Bestimmungen abgeleitet werden könne, ohne dass sie über ein Ermessen verfügten. Im vorliegenden Fall lasse sich nicht feststellen, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich durch die angefochtenen Entscheidungen die Rechte der klagenden Privatpersonen änderten. Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie belasse den Mitgliedstaaten zumindest in zwei Punkten einen Ermessensspielraum: in der Frage, wann sich eine Störung erheblich auswirken könne, und bei der Prüfung, welche Maßnahmen geeignet seien, um Verschlechterungen und Störungen zu vermeiden. In gleicher Weise belasse Artikel 6 Absätze 3 und 4 der Habitat-Richtlinie den Mitgliedstaaten insofern einen Ermessensspielraum, als sich das Erfordernis einer Prüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen zwangsläufig erst im Zusammenhang mit einem konkreten Plan oder Projekt rechtlich auswirken könne.

29 Wie sich im Wege der Analogie aus dem Beschluss des Gerichts vom 10. September 2002 in der Rechtssache T-223/01 (Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, Slg. 2002, II-3259) ergebe, unterwerfe Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie die klagenden Privatpersonen keinen Beschränkungen. Bevor es zu solchen Beschränkungen für Privatpersonen aufgrund der Habitat-Richtlinie kommen könne, müsse der Mitgliedstaat immer zuerst die Notwendigkeit des Einschreitens prüfen und bejahen und anschließend über die geeignete Art des Einschreitens entscheiden. Gehe es etwa um eine bestimmte Nutzung eines Grundstücks, so könne er diese gänzlich untersagen, sie mit oder ohne Auflagen oder Bedingungen genehmigen oder selbst oder durch Dritte Maßnahmen zum Ausgleich der Nachteile der fraglichen Nutzung treffen.

30 Auch die Berufung der klagenden Privatpersonen auf § 33 Absatz 5 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG), mit dem die Habitat-Richtlinie umgesetzt worden sei, unterstreiche, dass hier ein Ermessensspielraum des Mitgliedstaats vorliege. Erstens sei nicht erwiesen, dass ein Mitgliedstaat den Anforderungen des Artikels 6 Absatz 2 der Richtlinie nur dadurch nachkommen könne, dass er ein gesetzliches Verbot wie § 33 Absatz 5 BNatSchG vorsehe. Zweitens sei nach wie vor im Einzelfall zu prüfen, welche Veränderungen zu erheblichen Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung ausgewiesenen Gebietes führen könnten.

31 Aus all diesen Erwägungen folge, dass die klagenden Privatpersonen von den angefochtenen Entscheidungen nicht unmittelbar betroffen seien.

32 Die klagenden Privatpersonen führen unter Bezugnahme auf die Urteile des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 307/81 (Alusuisse/Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463) und vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P (Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309) aus, sie seien unmittelbar betroffen, da die Einstufung ihrer Grundstücke als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung habe und die Mitgliedstaaten keinerlei Ermessensspielraum hätten, ausgewiesene Gebiete als nicht ausgewiesen zu behandeln. Zum gleichen Ergebnis führten die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Habitat-Richtlinie: Die nationale Unterschutzstellung eines Gebietes erfolge automatisch und sei bindend. Im Übrigen liefen bei mehreren klagenden Privatpersonen bereits die Verwaltungsverfahren.

33 Überdies entfalte das gesetzliche Verbot aller Veränderungen der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in § 33 Absatz 5 BNatSchG unmittelbare Wirkung und bedürfe keines erneuten Normbefehls. Nach § 34 Absatz 2 BNatSchG sei daher ein Projekt unzulässig, wenn die Prüfung seiner Auswirkungen ergebe, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen könne, so dass keinerlei Ermessensspielraum der nationalen Behörden bestehe, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Ausnahme vorlägen.

34 Das absolute Verschlechterungsverbot und die Pflicht zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung von Projekten nach Artikel 6 Absätze 2 und 3 der Habitat-Richtlinie hätten unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechtsstellung. Die Einstufung ihrer Grundstücke als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung führe zwingend zu deren Unterschutzstellung und verpflichte die Mitgliedstaaten zur Festlegung der nötigen Erhaltungsmaßnahmen; dies habe Folgen für die Möglichkeiten der klagenden Privatpersonen, ihre Grundstücke zu nutzen.

35 Es sei zwar richtig, dass die Mitgliedstaaten über ein Ermessen bei der Methode der Unterschutzstellung verfügten, doch dürften sie bei ihrer Ermessensausübung nicht gegen ihre in der Habitat-Richtlinie vorgesehene Pflicht verstoßen, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen festzulegen. Zutreffend sei auch die Angabe der Kommission, dass die Mitgliedstaaten ein Ermessen bei der Ermittlung der erheblichen Auswirkungen einer Störung und bei der Prüfung hätten, welche Maßnahmen zur Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen geeignet seien. Dies berechtige die Mitgliedstaaten jedoch nicht, über die Unterschutzstellung der ausgewiesenen Gebiete zu entscheiden, und es berechtige sie auch nicht, andere schützenswerte Interessen wie das Eigentum mit einzubeziehen. Die vorliegende Rechtssache unterscheide sich von der Rechtssache Japan Tobacco und IT International/Parlament und Rat, auf die die Kommission in ihrer Einrede der Unzulässigkeit Bezug genommen habe. In der Tabakrichtlinie, die Gegenstand dieser Rechtssache gewesen sei, sei offen geblieben, ob die Bezeichnung "mild" ausdrücklich verboten werde oder ob der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie eine offenere Formulierung wählen könne, so dass die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügt hätten.

36 Schließlich machen die klagenden Privatpersonen - wie auch die klagende Gemeinde - geltend, bei einer Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig wäre für sie kein hinreichender gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Bislang hätten die nationalen Gerichte trotz entsprechender Aufforderungen der Kläger kein Ersuchen um Vorabentscheidung gestellt. Fraglich sei auch, welche Auswirkungen eine etwaige Vorabentscheidung des Gerichtshofes, mit der die angefochtenen Entscheidungen für rechtswidrig erklärt würden, ihnen gegenüber haben könnte, da diese Entscheidungen auf einer Abwägung und einem Vergleich der verschiedenen betroffenen Gebiete beruhten. Außerdem könne der Gerichtshof im Verfahren nach Artikel 234 EG den Sachverhalt nicht aufklären. Im Rahmen von Artikel 234 EG sei der Gerichtshof auch nicht in der Lage, die von den Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie in der zweiten Phase des Verfahrens zur Bestimmung besonderer Schutzgebiete getroffene Vorauswahl von Gebieten zu überprüfen. Im Übrigen könnten die Kläger die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen nicht vor einem nationalen Gericht geltend machen, da nicht alle gegenwärtig nach der Habitat-Richtlinie verbotenen Handlungen einer Genehmigungspflicht unterlägen und da die nationalen Gerichte nicht befugt seien, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Kommission zu überprüfen. Die Kläger würden daher unter Missachtung der nach deutschem Recht garantierten Grundrechte eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes beraubt.

37 Die Kommission hält dem entgegen, im Fall der Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig behielten die Kläger die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidungen vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die verpflichtet seien, den Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG zu ihrer Rechtmäßigkeit zu befragen. Bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung müsse jedes nationale Gericht - und nicht nur ein letztinstanzliches Gericht - den Gerichtshof anrufen, und dieser könne die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen umfassend prüfen.

Würdigung durch das Gericht

38 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Einzelner nur dann unmittelbar betroffen, wenn sich die beanstandete Maßnahme der Gemeinschaft auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, diese Durchführung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere Vorschriften angewandt werden (vgl. Urteil Dreyfus/Kommission, Randnr. 43 und die dort genannte Rechtsprechung, und Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 52)

39 Das Gleiche gilt, wenn für die Adressaten nur eine rein theoretische Möglichkeit besteht, dem Gemeinschaftsakt nicht nachzukommen, weil ihr Wille, ihm nachzukommen, keinem Zweifel unterliegt (Urteil Dreyfus/Kommission, Randnr. 44).

40 Die klagenden Privatpersonen machen u. a. geltend, die in Artikel 6 Absätze 2 bis 4 der Habitat-Richtlinie vorgesehene Schutzregelung, der ihre Grundstücke durch die angefochtenen Entscheidungen unterstellt würden, habe für sie unmittelbare negative Folgen wie das Verschlechterungsverbot und die Pflicht zur Vornahme einer Verträglichkeitsprüfung der dort durchgeführten Projekte.

41 Es ist zwar richtig, dass nach Artikel 4 Absatz 5 der Habitat-Richtlinie ein Gebiet, sobald es in die Liste des Absatzes 2 Unterabsatz 3 aufgenommen ist, den Bestimmungen des Artikels 6 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie unterliegt, doch ist zu prüfen, ob die letztgenannten Bestimmungen den einzelstaatlichen Behörden einen Ermessensspielraum lassen.

42 Nach Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten in den besonderen Schutzgebieten "die geeigneten Maßnahmen [treffen], um ... die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen von Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, zu vermeiden, sofern solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten". Das in dieser Bestimmung verwendete Adjektiv "geeignet" macht deutlich, dass die Mitgliedstaaten im Einzelfall beurteilen müssen, ob und, wenn ja, welche Art von Maßnahmen zu treffen sind, um die Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten sowie Störungen der Arten, für die die Gebiete im Sinne von Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie ausgewiesen worden sind, zu vermeiden. Außerdem dürfen die geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung von Störungen der Lebensräume und Arten, für die die Gebiete ausgewiesen worden sind, nur getroffen werden, sofern "solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele dieser Richtlinie erheblich auswirken könnten". Ob sich eine Störung im Hinblick auf die Ziele der Habitat-Richtlinie erheblich auswirken kann, ist somit von den einzelstaatlichen Behörden zu beurteilen.

43 Aus diesen Erwägungen folgt, dass Artikel 6 Absatz 2 der Habitat-Richtlinie den Mitgliedstaaten entgegen dem Vorbringen der klagenden Privatpersonen einen Ermessensspielraum lässt (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Urteil des Gerichtshofes vom 7. September 2004, Slg. I-7405, I-7409, Nr. 133).

44 Nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Habitat-Richtlinie erfordern Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, das Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, eine Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass nur Pläne oder Projekte, die ein Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, einer Prüfung bedürfen. Denn nach Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie hängt das Erfordernis einer Prüfung von Plänen oder Projekten auf Verträglichkeit davon ab, dass die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass sie das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 2005 in der Rechtssache C-6/04, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2005, I-9017, Randnr. 54).

45 Eine solche Gefahr besteht schon dann, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Plan oder das Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigt (Urteile Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Randnrn. 44 und 45, und Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 54). Die Frage, ob und aufgrund welcher Kriterien ein Plan oder Projekt diese Voraussetzung erfüllt, bedarf gleichwohl zwingend einer Beurteilung durch die einzelstaatlichen Behörden (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache C-98/03, Kommission/Deutschland, Urteil des Gerichtshofes vom 10. Januar 2006, Slg. 2006, I-53, I-57, Randnr. 38). Folglich brauchen die Mitgliedstaaten nicht alle Pläne oder Projekte der klagenden Privatpersonen einer Prüfung auf ihre Verträglichkeit für das betreffende Gebiet zu unterziehen.

46 Sind die einzelstaatlichen Behörden der Ansicht, dass ein Projekt die betreffenden Gebiete erheblich beeinträchtigen könnte, so müssen sie nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit der zehnten Begründungserwägung der Habitat-Richtlinie eine geeignete Prüfung der Verträglichkeit des Projekts für die betreffenden Gebiete vornehmen. Das Adjektiv "geeignet" zeigt, dass es ein Ermessen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Art der vorzunehmenden Prüfung gibt. Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 der Habitat-Richtlinie lautet: "Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 stimmen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zu, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird, und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben." Es ist Sache der zuständigen einzelstaatlichen Behörden, im Hinblick auf die Ergebnisse der Prüfung der Verträglichkeit des Planes oder Projekts für das betreffende Gebiet einen solchen Plan oder ein solches Projekt nur zu genehmigen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird. Insoweit verfügen die einzelstaatlichen Behörden über ein Ermessen, das sie nach den in Artikel 6 Absatz 3 der Habitat-Richtlinie festgelegten Modalitäten ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Randnrn. 67 und 70).

47 Außerdem sieht Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie, unter dessen Vorbehalt Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 der Richtlinie steht, unter bestimmten Bedingungen vor, dass ein Plan oder Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses trotz negativer Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung im Sinne von Artikel 6 Absatz 3 genehmigt werden kann. Die einzelstaatlichen Behörden verfügen offenkundig über ein Ermessen in Bezug auf die Frage, ob ein Plan oder Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses durchzuführen ist.

48 Folglich sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, von den klagenden Privatpersonen gefasste Pläne oder in Angriff genommene Projekte zu verbieten. Ein etwaiges Verbot eines dieser Projekte würde sich nicht aus der Habitat-Richtlinie ergeben, sondern aus der Entscheidung des jeweiligen Mitgliedstaats, die angefochtenen Entscheidungen und die Habitat-Richtlinie im Einzelfall in bestimmter Weise umzusetzen (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts vom 22. Juni 2006 in den Rechtssachen T-136/04, Freiherr von Cramer-Klett und Rechtlerverband Pfronten/Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 47 und 52, T-137/04, Mayer u. a./Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 60 und 65, und T-150/05, Sahlstedt u. a./Kommission, Slg. 2006, II-00000, Randnrn. 54 und 59; vgl. in diesem Sinne auch analog Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 68, und Beschluss Japan Tobacco und JT International/Parlament und Rat, Randnrn. 51 ff.).

49 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Aufnahme eines Gebietes in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keinen genauen Hinweis auf die Maßnahmen gibt, die von den einzelstaatlichen Behörden im Einklang mit den Bestimmungen der Habitat-Richtlinie getroffen werden.

50 Im Übrigen räumen die §§ 32 Absatz 2 und 33 Absatz 5 BNatSchG, mit denen Artikel 6 der Habitat-Richtlinie umgesetzt wird, den deutschen Behörden ein Ermessen hinsichtlich der Frage ein, ob ein Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung führen kann.

51 Die klagenden Privatpersonen berufen sich schließlich auf ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

52 Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Vertrag mit seinen Artikeln 230 EG und 241 EG einerseits und mit seinem Artikel 234 EG andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen hat, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe gewährleisten soll, mit der der Gemeinschaftsrichter betraut wird (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23). Nach diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikels 230 Absatz 4 EG Gemeinschaftshandlungen von allgemeiner Geltung nicht unmittelbar anfechten können, die Möglichkeit, je nach den Umständen des Falles die Ungültigkeit solcher Handlungen entweder inzident nach Artikel 241 EG vor dem Gemeinschaftsrichter oder aber vor den nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten Handlungen feststellen können (Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 20), zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 40).

53 Es ist somit Sache der Mitgliedstaaten, ein System von Rechtsbehelfen und Verfahren vorzusehen, mit dem die Einhaltung des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleistet werden kann (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 41).

54 In diesem Rahmen haben die nationalen Gerichte gemäß dem in Artikel 10 EG aufgestellten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften über die Einlegung von Rechtsbehelfen möglichst so auszulegen und anzuwenden, dass natürliche und juristische Personen die Rechtmäßigkeit jeder nationalen Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der eine Gemeinschaftshandlung von allgemeiner Geltung auf sie angewandt wird, gerichtlich anfechten und sich dabei auf die Ungültigkeit dieser Handlung berufen können (Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 42).

55 Auch wenn die Kläger nicht die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung verlangen können, so können sie daher doch gegen die sie berührenden nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Habitat-Richtlinie und der angefochtenen Entscheidungen vorgehen, und in diesem Zusammenhang bleibt ihnen die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, die unter Beachtung des Artikels 234 EG entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1998 in der Rechtssache C-70/97 P, Kruidvat/Kommission, Slg. 1998, I-7183, Randnr. 49; Beschluss des Gerichts vom 12. Juli 2000 in der Rechtssache T-45/00, Conseil national des professions de l'automobile u. a./Kommission, Slg. 2000, II-2927, Randnr. 26).

56 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die klagenden Privatpersonen von den angefochtenen Entscheidungen nicht unmittelbar betroffen sind, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob sie von ihnen individuell betroffen sind.

Zur Betroffenheit der klagenden Gemeinde

Vorbringen der Parteien

57 Zur individuellen Betroffenheit der klagenden Gemeinde trägt die Kommission nach Hervorhebung der Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und den Rechtssachen C-309/89 (Codorníu/Rat, Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1994, Slg. 1994, I-1853) und T-13/99 (Pfizer Animal Health/Rat, Urteil des Gerichts vom 11. September 2002, Slg. 2002, II-3305) vor, dass die klagende Gemeinde nicht dargetan habe, wodurch sie sich von anderen Grund- und Forsteigentümern unterscheide, deren Grundstücke in Gebieten lägen, die in den angefochtenen Entscheidungen genannt seien. Die klagende Gemeinde gehöre nicht zu einem geschlossenen Kreis bei Erlass der Handlung feststehender Personen, deren Rechte die Kommission hätte regeln wollen. Selbst wenn man unterstelle, dass die angefochtenen Entscheidungen der klagenden Gemeinde bestimmte Pflichten auferlegen könnten, wäre dies nur die Folge eines objektiv umschriebenen Tatbestands, nämlich der im Anhang der angefochtenen Entscheidungen angegebenen geografischen Lage der Gebiete. Die klagende Gemeinde werde auch nicht dadurch individualisiert, dass spezifische Bestimmungen die Kommission verpflichten würden, den Auswirkungen der fraglichen Maßnahme auf die Lage der klagenden Gemeinde Rechnung zu tragen, denn eine solche Verpflichtung bestehe nicht. Im Übrigen sehe keine Rechtsvorschrift einen Anspruch der klagenden Gemeinde auf rechtliches Gehör vor. Aus diesen Gründen sei sie von den angefochtenen Entscheidungen nicht individuell betroffen.

58 Zu dem auf die Gebietshoheit der klagenden Gemeinde gestützten Argument führt die Kommission aus, jeder allgemeine Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts, mit dem den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt würden, könne je nach deren institutioneller Struktur dazu führen, dass die Beachtung dieser Verpflichtungen verschiedenen innerstaatlichen Gebietskörperschaften obliege. Im vorliegenden Fall unterscheide sich die Lage der klagenden Gemeinde nicht von der Lage anderer innerstaatlicher Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit territorialer Zuständigkeit für Gebiete, die in den angefochtenen Entscheidungen als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft würden.

59 Die klagende Gemeinde macht geltend, sie sei als Eigentümerin von Gebieten, die in der Liste im Anhang der angefochtenen Entscheidungen aufgeführt seien, im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62 (Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213) individuell betroffen. Die von den Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Absatz 1 der Habitat-Richtlinie zu treffenden Erhaltungsmaßnahmen umfassten gegebenenfalls geeignete, eigens für die genannten Gebiete aufgestellte oder in andere Entwicklungspläne integrierte Bewirtschaftungspläne. Diese Maßnahmen stellten eine Beschränkung des Eigentumsrechts der klagenden Gemeinde dar, indem sie die Nutzungsmöglichkeit der Gebiete beeinträchtigten und deren Verkehrswert minderten.

60 Die angefochtenen Entscheidungen beträfen nur die Eigentümer der in die Liste in ihrem Anhang aufgenommenen Grundstücke und höben sie damit aus dem Kreis aller Grundeigentümer heraus. Die klagende Gemeinde werde dadurch hinreichend individualisiert.

61 Außerdem sei die Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidungen verpflichtet gewesen, die Interessen der Kläger zu berücksichtigen, da die Mitgliedstaaten bei ihren Vorschlägen an die Kommission dies nicht hätten tun müssen.

62 Die klagende Gemeinde führt weiter aus, die ihr nach Artikel 28 Absatz 2 des Grundgesetzes zustehende Gebietshoheit umfasse die Planungshoheit der Kommunen, d. h. die Befugnis, Entwicklungen längerfristig zu steuern und insbesondere für ihr eigenes Gebiet die Bodennutzung festzulegen. Diese Befugnis werde durch die Einstufung bestimmter Teile ihres Territoriums als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung eingeschränkt.

63 Die angefochtenen Entscheidungen beträfen nur Gemeinden, deren Gebiete in die Liste in ihrem Anhang aufgenommen worden seien, oder Gemeinden, die sie umzusetzen hätten, so dass die klagende Gemeinde aus dem Kreis aller Gemeinden herausgehoben werde. Sie werde dadurch hinreichend individualisiert.

64 Schließlich macht die klagende Gemeinde auf der Grundlage der in Randnummer 36 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Erwägungen geltend, bei einer Abweisung der vorliegenden Klage als unzulässig wäre für sie kein hinreichender gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet. Die Kommission ist auf der Grundlage der in Randnummer 37 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Erwägungen gegenteiliger Meinung.

Würdigung durch das Gericht

65 Es ist zu prüfen, ob die klagende Gemeinde von den angefochtenen Entscheidungen wegen bestimmter besonderer Eigenschaften oder aufgrund von Umständen betroffen ist, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie deshalb in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten der angefochtenen Entscheidungen (Urteil Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 238, und Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-142/00 P, Kommission/Nederlandse Antillen, Slg. 2003, I-3483, Randnr. 65).

66 Die klagende Gemeinde leitet ihre individuelle Betroffenheit zum einen aus ihrer Eigentümerstellung und zum anderen aus ihrer Gebietshoheit über ein in den angefochtenen Entscheidungen ausgewiesenes Gebiet ab.

67 Zu dem auf die Eigentümerstellung der klagenden Gemeinde gestützten Argument ist festzustellen, dass die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in den angefochtenen Entscheidungen in allgemeiner und abstrakter Weise festgelegt werden, da nicht an konkrete Personen angeknüpft wird, sondern an Gebietsteile. Auch wenn Letztere stark eingegrenzt sind, werden sie gleichwohl nur anhand der Bezeichnung, der Fläche und der geografischen Koordinaten eines Gebietes bestimmt, also anhand allgemeiner und abstrakter Kriterien.

68 Die Lage, in der sich die klagende Gemeinde befindet, ist mit der aller Gemeinden oder Privatpersonen vergleichbar, die Eigentümer von Grundstücken sind oder werden, die in den angefochtenen Entscheidungen als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft werden. Die klagende Gemeinde gehört nicht zu einem geschlossenen Kreis, da jederzeit neue Eigentümer hinzukommen könnten.

69 Die klagende Gemeinde hat auch nicht dargetan, dass die angefochtenen Entscheidungen sie in einer Weise beeinträchtigen, die sie an der Ausübung eines spezifischen Rechts im Sinne des Urteils Codorníu/Rat hindert.

70 Die Eigentümerstellung der klagenden Gemeinde genügt folglich nicht, um sie im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG zu individualisieren.

71 Was das auf die Gebietshoheit der klagenden Gemeinde gestützte Argument anbelangt, so kann, selbst wenn man unterstellt, dass sie für die Umsetzung der Habitat-Richtlinie zuständig ist, diese Zuständigkeit sie nicht im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individualisieren. Insoweit unterscheidet sich ihre rechtliche Situation nämlich nicht von der Situation jeder anderen innerstaatlichen Behörde, die mit der Umsetzung der Habitat-Richtlinie und insbesondere ihres Artikels 6 Absätze 2 bis 4 betraut ist.

72 Es trifft zu, dass die auf einzelstaatlicher Ebene für die Umsetzung der Habitat-Richtlinie zuständigen Behörden nach Artikel 6 der Richtlinie verpflichtet sind, die nötigen Erhaltungsmaßnahmen zu treffen, insbesondere Maßnahmen zur Vermeidung der Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und der Habitate der Arten (Absatz 2) und Maßnahmen zur Prüfung der Verträglichkeit von Plänen oder Projekten, die ein ausgewiesenes Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten (Absatz 3). Angesichts des allgemeinen und abstrakten Charakters der Festlegung der in den angefochtenen Entscheidungen ausgewiesenen Gebiete wirkt sich der etwaige Einfluss der aus der Habitat-Richtlinie resultierenden Verpflichtungen auf die Ausübung der Gebietshoheit der klagenden Gemeinde in gleicher Weise bei jeder anderen Gemeinde aus, in deren Territorium ein in den angefochtenen Entscheidungen ausgewiesenes Gebiet liegt. Im Übrigen kann, wie die Kommission in ihrer Einrede der Unzulässigkeit zutreffend ausführt, jeder allgemeine Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts, mit dem den Mitgliedstaaten Verpflichtungen auferlegt werden, je nach deren institutioneller Struktur dazu führen, dass die Beachtung dieser Verpflichtungen verschiedenen innerstaatlichen Gebietskörperschaften obliegt. Vorliegend unterscheidet sich die Lage der klagenden Gemeinde daher nicht von der Lage anderer innerstaatlicher Einrichtungen des öffentlichen Rechts mit territorialer Zuständigkeit für Gebiete, die in den angefochtenen Entscheidungen als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung eingestuft werden.

73 Insoweit ist daran zu erinnern, dass das allgemeine Interesse, das eine regionale oder lokale Verwaltungsbehörde als zuständige Behörde für die in ihrem Gebiet auftretenden Wirtschafts- und Sozialfragen an einem für den Wohlstand dieses Gebietes günstigen Ergebnis haben kann, für sich genommen nicht ausreicht, um sie als von Handlungen mit allgemeiner Geltung betroffen im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-452/98, Nederlandse Antillen/Rat, Slg. 2001, I-8973, Randnr. 64, und Urteil Kommission/Nederlandse Antillen, Randnr. 69).

74 Außerdem war die Kommission beim Erlass der angefochtenen Entscheidungen nicht aufgrund einer Rechtsnorm verpflichtet, die Position der klagenden Gemeinde zu berücksichtigen. Diese kann sich daher nicht auf die Rechtsprechung berufen, wonach eine Verpflichtung der Kommission aufgrund spezifischer Bestimmungen, die Folgen einer beabsichtigten Handlung auf die Lage bestimmter Personen zu berücksichtigen, geeignet ist, Letztere zu individualisieren (Urteil des Gerichts vom 14. September 1995 in den Rechtssachen T-480/93 und T-483/93, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2305, Randnr. 67; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207, Randnrn. 28 bis 31, und vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache C-390/95 P, Antillean Rice Mills u. a./Kommission, Slg. 1999, I-769, Randnrn. 25 bis 30).

75 Die klagende Gemeinde beruft sich schließlich auf ihr Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz.

76 Aus den bereits in den Randnummern 52 bis 55 des vorliegenden Beschlusses genannten Gründen greift dieses Argument nicht durch.

77 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die klagende Gemeinde von den angefochtenen Entscheidungen nicht individuell betroffen ist, so dass nicht geprüft zu werden braucht, ob sie von ihnen unmittelbar betroffen ist.

78 Nach alledem ist die vorliegende Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

79 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kläger unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kläger tragen neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission.

Ende der Entscheidung

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