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Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.10.1994
Aktenzeichen: T-83/91
Rechtsgebiete: EWG, Verordnung Nr. 17


Vorschriften:

EWG Art. 86
Verordnung Nr. 17 Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Erstellung einer erschöpfenden Niederschrift über die Anhörung des Unternehmens, dem ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorgeworfen wird, stellt eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie sich als notwendig erweist, um dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen die Abgabe seiner Stellungnahme und der Kommission den Erlaß ihrer Entscheidung in voller Kenntnis der Sache, d. h. ohne in einem wesentlichen Punkt durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in die Irre geführt zu werden, zu ermöglichen. Eine solche Irreführung kann nicht vorliegen, wenn in der Niederschrift lediglich bestimmte Erklärungen eines Vertreters des betroffenen Unternehmens nicht festgehalten sind, die keine wichtigen Punkte enthalten, die im Vergleich zu anderen, in der Niederschrift festgehaltenen Ausführungen der Vertreter dieses Unternehmens während der Anhörung neu wären. In einem solchen Fall beeinträchtigt die Auslassung nämlich nicht die Verteidigungsrechte des Unternehmens und kann keinen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens der Anhörung des Beratenden Ausschusses und auf den Inhalt der endgültigen Entscheidung haben. Sie ist daher nicht geeignet, das Verwaltungsverfahren insgesamt als nicht ordnungsgemäß erscheinen zu lassen und damit die Rechtmässigkeit der endgültigen Entscheidung in Frage zu stellen.

2. Die Prüfung der ° eventuell beherrschenden ° Stellung eines Unternehmens auf einem bestimmten Markt kann erst vorgenommen werden, wenn feststeht, daß der Markt für die betroffenen Produkte ein Markt ist, der sich von anderen Sektoren des allgemeinen Marktes unterscheidet. Zu diesem Zweck ist der Produktmarkt unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs so zu ermitteln, daß die tatsächliche Wirtschaftsmacht des betreffenden Unternehmens beurteilt werden kann. Soll nämlich ermittelt werden, ob ein Unternehmen in seinem Verhalten in nennenswertem Umfang von seinen Konkurrenten, seinen Abnehmern und den Verbrauchern unabhängig ist, ist vorab zu klären, welche Produkte, ohne mit anderen Erzeugnissen austauschbar zu sein, nicht nur aufgrund ihrer objektiven Merkmale, aufgrund deren sie sich zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen, sondern auch aufgrund der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt hinreichend mit den von dem Unternehmen angebotenen Produkten austauschbar sind.

3. Nach der Systematik des Artikels 86 des Vertrages ist der räumliche Markt zu dem Zweck abzugrenzen, festzustellen, ob das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung in der Gemeinschaft oder in einem wesentlichen Teil derselben hat. Die Umschreibung des räumlichen Marktes erfordert daher eine wirtschaftliche Beurteilung. Der räumliche Markt kann so als das Gebiet definiert werden, in dem für alle Wirtschaftsteilnehmer in bezug auf die betreffenden Produkte einander gleichende oder hinreichend homogene Wettbewerbsbedingungen gelten. Es ist nicht erforderlich, daß die Wettbewerbsbedingungen vollkommen homogen sind.

4. Ein Marktanteil von ungefähr 90 % liefert für sich genommen, wenn nicht aussergewöhnliche Umstände gegeben sind, den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung. Ein solcher Marktanteil verschafft dem betreffenden Unternehmen nämlich eindeutig eine Stellung auf dem Markt, die es zu einem unumgänglichen Partner für die anderen Wirtschaftsteilnehmer werden lässt und ihm die für eine beherrschende Stellung charakteristische Unabhängigkeit des Verhaltens ermöglicht.

5. Die besondere Verantwortung, die ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, nach Artikel 86 des Vertrages dafür trägt, daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt, bedeutet, daß ihm jedes Verhalten verboten ist, durch das die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des noch bestehenden Wettbewerbs auf einem Markt behindert wird, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist.

Daher kann das Verhalten eines solchen Unternehmens selbst dann unter Artikel 86 fallen und nach dieser Vorschrift geahndet werden, wenn es auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt stattfindet, sofern die engen Verbindungen zwischen diesem Markt und dem beherrschten Markt und die führende Stellung dieses Unternehmens auf ersterem ihm dort eine Unabhängigkeit des Verhaltens gegenüber den dort präsenten anderen Wirtschaftsteilnehmern gestatten, aufgrund deren es auch dort, ohne daß es eine beherrschende Stellung innehaben müsste, eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs hat.

6. Ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf einem Markt innehat, nutzt diese im Sinne des Artikels 86 des Vertrages mißbräuchlich aus, wenn es die Käufer der von ihm vertriebenen Maschinen durch die Verpflichtung an sich bindet, die zur Verwendung in diesen Maschinen bestimmten Grundstoffe ausschließlich von ihm oder einem von ihm benannten Lieferanten zu beziehen. Denn ein Unternehmen in beherrschender Stellung, das seine Abnehmer direkt oder indirekt durch eine Alleinbezugspflicht an sich bindet, handelt mißbräuchlich, weil es seinem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich macht und anderen Herstellern den Zugang zum Markt verwehrt. Dabei ist unerheblich, ob ein solcher Koppelungsverkauf dem Handelsbrauch entspricht, denn ein Handelsbrauch, der bei normaler Situation auf einem von Wettbewerb geprägtem Markt annehmbar wäre, kann im Fall eines Marktes, auf dem der Wettbewerb bereits eingeschränkt ist, nicht gebilligt werden.

7. Nach Artikel 86 des Vertrages ist es einem Unternehmen in beherrschender Stellung, das sowohl Maschinen als auch die zur Verwendung in diesen bestimmten Verbrauchsgüter herstellt und vertreibt, verboten, unter Hinweis auf Erfordernisse technischer Art, auf Probleme im Bereich der Produkthaftung oder auf Erwägungen des Gesundheitsschutzes und des Schutzes seines Rufes aus eigener Initiative zu bestimmen, daß die Maschinen und die Verbrauchsgüter ein untrennbares integriertes System bilden und daher nur Gegenstand eines Koppelungsverkaufs sein können, wodurch eventuellen Konkurrenten im Bereich der Verbrauchsgüter der Zugang zum Markt verwehrt wird.

8. Es kann zwar zulässig sein, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung unter bestimmten Voraussetzungen Verlustverkäufe tätigt; dies kann aber nicht der Fall sein, wenn diese Verkäufe Verdrängungspraktiken darstellen. Denn wenn das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft auch in vernünftigem Maß das Recht eines Unternehmens in beherrschender Stellung anerkennt, seine geschäftlichen Interessen zu wahren, so lässt es doch ein Verhalten nicht zu, das gerade auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt. Insbesondere verbietet es Artikel 86 des Vertrages einem Unternehmen in beherrschender Stellung, einen Konkurrenten durch einen Preiswettbewerb zu verdrängen, der keinen Leistungswettbewerb darstellt.

Das Vorliegen negativer Bruttospannen oder negativer ° durch den Abzug der unmittelbaren variablen Kosten oder der durchschnittlichen variablen Kosten, d. h. der auf die einzelne Produktionseinheit entfallenden Kosten, vom Verkaufspreis errechneter ° Halbbruttospannen lässt die Annahme zu, daß es sich bei einer bestimmten Preispolitik um Verdrängungswettbewerb handelt. Ein Unternehmen in beherrschender Stellung hat nämlich nur dann ein Interesse, Preise anzuwenden, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen variieren) liegen, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung seine Preise wieder anzuheben; denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich.

Bei negativer Nettospanne und positiver Bruttospanne, d. h., wenn die Preise unter den durchschnittlichen Gesamtkosten (d. h. Fixkosten plus variable Kosten), jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, sind diese Preise als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgelegt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten bezweckt. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, wie lange diese Preispraktiken im Rahmen eines Plans zur Schädigung eines Konkurrenten andauern.

9. Die Anwendung diskriminierender Preise gegenüber in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Abnehmern durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung ist gemäß Artikel 86 Buchstabe c des Vertrages verboten. Zwar hindert diese Vorschrift ein solches Unternehmen nicht daran, unterschiedliche Preise in den einzelnen Mitgliedstaaten festzusetzen, insbesondere wenn die Preisunterschiede durch Unterschiede in den Absatzbedingungen und die Intensität des Wettbewerbs gerechtfertigt sind. Damit wird indessen lediglich das Recht eines beherrschenden Unternehmens anerkannt, seine geschäftlichen Interessen in vernünftigem Maß zu wahren. Das Unternehmen darf insbesondere keine künstlichen Preisunterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten herbeiführen, die eine Benachteiligung seiner Kunden und eine Verfälschung des Wettbewerbs aufgrund einer künstlichen Abschottung der nationalen Märkte zur Folge hätten.

10. Hat ein Unternehmen seine beherrschende Stellung dadurch mißbraucht, daß es sowohl diskriminierende oder auf Verdrängung ausgerichtete Preise angewandt als auch Treuerabatte gewährt hat, so überschreitet die Kommission nicht ihre Befugnis aus Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17, Anordnungen zur Abstellung der Zuwiderhandlungen zu erlassen, wenn sie dem betroffenen Unternehmen auf allen Märkten, auf denen es Artikel 86 des Vertrages unterworfen ist, verbietet, einzelnen Kunden ohne objektive Gegenleistung irgendwelche Nachlässe oder günstigere Bedingungen einzuräumen.

11. Die Kommission verstösst nicht dadurch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, daß sie in der endgültigen Entscheidung zusätzlich zu den Maßnahmen, die sie bereits im Laufe des Verwaltungsverfahrens empfohlen hat, weitere ergänzende Maßnahmen trifft, mit denen die Zuwiderhandlung abgestellt werden soll. Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 sieht nämlich lediglich vor, daß die Kommission zur Abstellung von Mißbräuchen Empfehlungen an die Unternehmen richten kann, bevor sie nach diesem Artikel eine Entscheidung zur Feststellung einer Zuwiderhandlung trifft. Die Einhaltung solcher Empfehlungen durch das betroffene Unternehmen kann in keinem Fall bewirken, daß die der Kommission gemäß Absatz 1 dieses Artikels übertragene Befugnis eingeschränkt wird, alle Anordnungen zu treffen, die sie für notwendig erachtet, um die bei Erlaß der Entscheidung festgestellten Mißbräuche abzustellen.

12. In Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 ist ausdrücklich vorgesehen, daß die beteiligten Unternehmen, wenn die Kommission eine Geldbusse verhängen will, Gelegenheit haben müssen, sich zu den von der Kommission in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten zu äussern. Der Anhörungsanspruch der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission wird somit, was die Bemessung der Geldbusse angeht, durch ihre Stellungnahme zu Dauer, Schwere und Erkennbarkeit der Wettbewerbswidrigkeit der Zuwiderhandlung gewahrt.

13. Die Kommission ist nicht verpflichtet, den Betrag der Geldbusse nach den verschiedenen Teilen des Mißbrauchs aufzuschlüsseln, damit das betroffene Unternehmen die Rechtmässigkeit der Höhe der Geldbusse beurteilen und sich verteidigen und das Gericht seine Kontrollbefugnis ausüben kann. Eine solche Aufschlüsselung ist insbesondere dann unmöglich, wenn sämtliche festgestellten Zuwiderhandlungen Teile einer zusammenhängenden Gesamtstrategie sind und aus diesem Grund sowohl im Hinblick auf die Anwendung des Artikels 86 des Vertrages als auch hinsichtlich der Festsetzung der Geldbusse in umfassender Weise beurteilt werden müssen. Es reicht aus, wenn die Kommission ihre Kriterien für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der verhängten Geldbusse angibt. Sie ist nicht verpflichtet, im einzelnen darzulegen, wie sie jeden der Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die unter diesen Kriterien aufgeführt und bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbusse herangezogen worden sind.

14. Eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages kann schon dann als vorsätzlich angesehen werden, wenn sich das betreffende Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im unklaren sein konnte, gleichviel ob ihm dabei bewusst war, daß es gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages verstösst.

15. Bei der Beurteilung der Schwere der einem Unternehmen zur Last fallenden Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln zum Zweck der Feststellung, wie hoch die Geldbusse sein muß, um in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlungen zu stehen, kann die Kommission folgende Gesichtspunkte berücksichtigen: die besonders lange Dauer bestimmter Zuwiderhandlungen, die Anzahl und die Vielfalt der Zuwiderhandlungen, die alle oder nahezu alle Produkte des fraglichen Unternehmens betrafen und von denen einige alle Mitgliedstaaten berührten, die besondere Schwere der Zuwiderhandlungen, die ausserdem Teil einer planmässigen und zusammenhängenden Strategie waren, die darauf abzielte, durch verschiedene Verdrängungspraktiken gegenüber den Konkurrenten und durch eine Politik der Anbindung der Kunden die beherrschende Stellung des Unternehmens auf Märkten, auf denen der Wettbewerb bereits eingeschränkt war, künstlich aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, und schließlich die besonders schädlichen Auswirkungen der Mißbräuche im Bereich des Wettbewerbs und den Vorteil, den das Unternehmen aus seinen Zuwiderhandlungen gezogen hat.

Daher ist eine Geldbusse nicht unverhältnismässig, die ungefähr 2,2 % des Gesamtumsatzes in einem bestimmten Jahr entspricht. Sie hält sich nämlich in den Grenzen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach sich die Geldbusse auf bis zu 10 % des von dem betroffenen Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes belaufen darf.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 6. OKTOBER 1994. - TETRA PAK INTERNATIONAL SA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - BEHERRSCHENDE STELLUNG - UMSCHREIBUNG DER PRODUKTMAERKTE - RAEUMLICHER MARKT - ANWENDUNG DES ARTIKELS 86 AUF VERHALTENSWEISEN EINES BEHERRSCHENDEN UNTERNEHMENS AUF EINEM ANDEREN ALS DEM BEHERRSCHTEN MARKT - MISSBRAUCH - KOPPELUNGSVERKAEUFE - ALLEINVERTRIEB - UNANGEMESSENE BEDINGUNGEN - AUF VERDRAENGUNG AUSGERICHTETE PREISE - DISKRIMINIERENDE PREISE - VERWALTUNGSVERFAHREN - GRUNDSATZ DER ORDNUNGSGEMAESSEN VERWALTUNG - UEBERMITTLUNG DER NIEDERSCHRIFT UEBER DIE ANHOERUNG - ANORDNUNGEN - GELDBUSSE. - RECHTSSACHE T-83/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Mit der Entscheidung 92/163/EWG vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (Sache IV/31.043 ° Tetra Pak II) (ABl. 1992, L 72, S. 1; nachstehend: Entscheidung) stellte die Kommission fest, daß die Tetra Pak International SA (nachstehend: Tetra Pak) eine marktbeherrschende Stellung auf den Märkten für aseptische Maschinen und Kartons zur Verpackung fluessiger Nahrungsmittel in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (nachstehend: Gemeinschaft) innehat und daß sie diese Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag zumindest seit 1976 bis 1991 sowohl auf diesen "aseptischen Märkten" als auch auf den Märkten für nichtaseptische Abfuellmaschinen und Kartons mißbraucht hat. Die Kommission verhängte eine Geldbusse von 75 Millionen ECU gegen das Unternehmen und gab ihm auf, die festgestellten Zuwiderhandlungen abzustellen.

2 Tetra Pak, deren Sitz in der Schweiz liegt, koordiniert die Politik einer ursprünglich schwedischen Gruppe von Unternehmen, die weltweite Ausdehnung erlangt hat. Die Tetra-Pak-Gruppe ist auf Anlagen spezialisiert, die für die Verpackung fluessiger und halbfluessiger Nahrungsmittel, in erster Linie Milch, in Kartonverpackungen verwendet werden. Sie ist sowohl im Sektor der aseptischen wie in dem der nichtaseptischen Verpackung tätig. Ihre Tätigkeiten bestehen im wesentlichen in der Herstellung von Kartonverpackungen und, nach einer eigenen Technologie der Unternehmensgruppe, von Abfuellmaschinen.

3 Laut der Entscheidung betrug der konsolidierte Umsatz der Tetra-Pak-Gruppe 1987 2,4 Milliarden ECU und 1990 3,6 Milliarden ECU. Etwa 90 % davon entfielen auf den Kartonsektor, die verbleibenden 10 % auf Abfuellmaschinen und damit verbundene Tätigkeiten. Etwas über 50 % dieses Umsatzes wurden in der Gemeinschaft erwirtschaftet. In der Gemeinschaft ist Italien eines der Länder, wenn nicht das Land, in dem die Marktstellung von Tetra Pak am stärksten ist. Der konsolidierte Umsatz der sieben italienischen Firmen der Gruppe betrug 1987 204 Millionen ECU.

4 Die Entscheidung gehört zu einer Reihe von drei Entscheidungen, die Tetra Pak betreffen. Die erste ist die Entscheidung 88/501/EWG vom 26. Juli 1988 betreffend ein Verfahren nach den Artikeln 85 und 86 EWG-Vertrag (Sache Nr. IV/31.043 ° Tetra Pak I [BTG-Linzenz]) (ABl. L 272, S. 27; nachstehend: Entscheidung Tetra Pak I), mit der die Kommission feststellte, daß Tetra Pak dadurch, daß sie durch den Kauf des Liquipak-Konzerns die Ausschließlichkeit der Patentlizenz für ein neues Verfahren für die aseptische Verpackung von Milch, das sogenannte Ultrahochtemperatur(nachstehend: UHT)-Verfahren, erworben hat, vom Zeitpunkt des Erwerbs bis zum Verzicht auf diese Ausschließlichkeit gegen Artikel 86 verstossen hat. Diese Entscheidung wurde mit einer Klage angefochten, die vom Gericht mit Urteil vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-51/89 (Tetra Pak Rausing/Kommission, Slg. 1990, II-309) abgewiesen wurde. Die zweite Entscheidung ist die Entscheidung 91/535/EWG vom 19. Juli 1991 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Sache IV/M068 ° Tetra Pak/Alfa-Laval) (ABl. L 290, S. 35), mit der die Kommission gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung ABl. 1990, L 257, S. 13) den Erwerb der Alfa-Laval AB durch Tetra Pak für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärte.

5 Was die im vorliegenden Fall betroffenen Produkte angeht, ergibt sich aus den Zahlenangaben in der Entscheidung (Randnr. 6), daß die Kartonverpackungen 1983 90 % der Kartonverpackungen für Milch und andere fluessige Milchprodukte verwendet wurden. Nach der gleichen Quelle belief sich dieser Anteil 1987 auf etwa 79 %, hiervon 72 % für die Verpackung von Milch. In ungefähr 16 % der Kartons wurden damals Fruchtsäfte abgefuellt. Für sonstige Produkte (Weine, Mineralwässer, Produkte aus Tomaten, Suppen, Sossen und Kindernahrung) wurden lediglich 5 % der Kartons verwendet.

6 Zur Verpackung der Milch ist darauf hinzuweisen, daß diese im wesentlichen in pasteurisierter Form (Frischmilch) oder nach einer UHT-Behandlung unter aseptischen Bedingungen (UHT-Milch) verkauft wird, die eine mehrere Monate lange Aufbewahrung möglich macht. Auf "sterilisierte" Milch entfällt nach der Entscheidung lediglich ein verhältnismässig unbedeutender Teil des Marktes in der Gemeinschaft.

7 Im aseptischen Bereich stellt Tetra Pak das sogenannte "Tetra-Brik-System" her, das insbesondere der Verpackung von UHT-Milch dient. Nach den Angaben der Klägerin wurde diese Ausrüstung 1968 in Deutschland und ab 1970 in den anderen europäischen Ländern auf den Markt gebracht. Bei diesem Verfahren werden die Kartons dem Verwender in Form von Rollen geliefert, werden in der Abfuellmaschine durch Eintauchen in ein Wasserstoffperoxydbad keimfrei gemacht und schließen dann die Flüssigkeit ein, während diese eine aseptische Umgebung durchläuft. Im gleichen Bereich stellt der einzige Wettbewerber von Tetra Pak, die von der Schweizer Industriegesellschaft (Société industrielle générale ° SIG) beherrschte Firma PKL, ebenfalls ein System für die aseptische Verpackung in ziegelsteinförmigen Kartons her, die sogenannten "Kombiblocks". Im Gegensatz zu dem Verfahren der fortlaufenden Verpackung von Tetra Pak werden diese im Augenblick der Abfuellung vorgeformt. Der Besitz einer Technik der aseptischen Abfuellung stellt aus technischen Gründen und weil die Hersteller aseptischer Maschinen in der Praxis auch die mit ihren eigenen Maschinen zu verwendenden Kartons liefern, den Schlüssel für den Zugang sowohl zum Markt für Maschinen als auch zum Markt für aseptische Kartons dar.

8 Die nichtaseptische Verpackung insbesondere pasteurisierter Frischmilch stellt demgegenüber nicht so hohe Anforderungen an die Keimfreiheit und verlangt folglich eine weniger hoch entwickelte Ausrüstung. Auf dem Markt für nichtaseptische Kartons verwendete Tetra Pak ursprünglich wie auch heute noch Kartons in Ziegelsteinform ("Tetra Brik"), doch ist ihr wichtigstes Erzeugnis auf diesem Markt heute ein Karton in Giebeldachform namens "Tetra Rex". Dieser Karton steht in direktem Wettbewerb zu dem "Pure-Pak-Karton", der von der norwegischen Elopak-Gruppe (nachstehend: Elopak) hergestellt wird.

9 Tetra Pak stellt ihre eigenen Maschinen für nichtaseptische Verpackung her. Wie Elopak und PKL vertreibt sie gelegentlich Maschinen, die von etwa zehn kleinen Herstellern, unter ihnen Nimco, Cherry Burrel und Shikoku, hergestellt werden.

10 Aus den Akten ergibt sich, daß Tetra Pak die Grundtechnologie, die sie für Maschinen, Kartons und Verfahren entwickelt hat, sowie die später an diesen Produkten vorgenommenen Änderungen und bestimmte technische Besonderheiten, wie etwa die Form der Faltung des Kartons, hat patentieren lassen. Die letzten Patente zum Schutz der in den sechziger Jahren entwickelten aseptischen "Tetra-Brik"-Kartons laufen nach Randnummer 22 der Entscheidung zu Beginn des nächsten Jahrhunderts aus. Nach übereinstimmenden Angaben der Parteien hat Tetra Pak in der Gemeinschaft keine Fabrikationslizenz für ihre Kartons vergeben.

11 Nach der Entscheidung (Randnr. 21) wird in der Gemeinschaft der gesamte Vertrieb der Tetra-Pak-Maschinen und -Kartons mit Ausnahme des Teils, der auf Händler entfällt, die für die von Tetra Pak übernommene Firma Liquipak arbeiten, durch das Netz von Tochtergesellschaften von Tetra Pak sichergestellt.

12 Im Bezugszeitraum galten zwischen Tetra Pak und ihren Kunden in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft mehrere Standardverträge über den Verkauf und die Vermietung von Maschinen sowie über die Belieferung mit Kartons. Der Inhalt der Klauseln dieser Verträge, die sich auf den Wettbewerb auswirken, wird in der Entscheidung (Randnrn. 24 bis 45)(1) wie folgt zusammengefasst:

"2.1. Verkaufsbedingungen für Tetra Pak-Anlagen (Anhang 2.1)

(24) Standardverträge gibt es in fünf Ländern: Griechenland, Irland, Italien, Spanien, Vereinigtes Königreich. Neben den Vertragsklauseln wird jeweils in Klammern angegeben, für welche Länder sie gelten.

2.1.1. Gestaltung der Anlagen

(25) In Italien behält sich Tetra Pak ein uneingeschränktes Recht zur Überprüfung der Gestaltung der Anlagen vor; so darf der Abnehmer nicht

i) Zusatzgeräte anschließen (Italien);

ii) die Maschine umbauen, Teile einfügen oder ausbauen (Italien);

iii) die Maschine umsetzen (Italien).

2.1.2. Betrieb und Instandhaltung der Anlagen

(26) Fünf Vertragsklauseln, die den Betrieb und die Instandhaltung der Maschine regeln, sichern Tetra Pak ein ausschließliches Kontrollrecht:

iv) ein Ausschließlichkeitsrecht für Instandhaltung und Reparaturen (alle Länder ausser Spanien);

v) ein Ausschließlichkeitsrecht für die Lieferung von Ersatzteilen (alle Länder ausser Spanien);

vi) ein Recht auf Durchführung kostenloser Hilfsleistungen, Ausbildung, Instandhaltung und Modernisierung, auch wenn vom Kunden nicht verlangt (Italien);

vii) degressiver Tarif (bis 40 % unter der monatlichen Grundabgabe) für Hilfeleistungen, Instandhaltung und technische Modernisierung, der sich nach der Zahl der auf allen Tetra Pak-Maschinen des gleichen Typs verarbeiteten Kartons berechnet (Italien);

viii) der Abnehmer hat Tetra Pak alle Verbesserungen oder Änderungen der Anlagen anzuzeigen und Tetra Pak das geistige Eigentum daran zu übertragen (Italien).

2.1.3. Kartons

(27) Für Kartons gibt es vier Vertragsklauseln, die Tetra Pak ebenfalls ein ausschließliches Lieferrecht und ein Kontrollrecht sichern:

ix) Der Abnehmer darf mit den Maschinen nur Tetra-Pak-Kartons fuellen (alle Länder);

x) der Abnehmer darf seine Kartons nur von Tetra Pak oder einer von dieser bezeichneten Firma beziehen (alle Länder);

xi) der Abnehmer hat Tetra Pak alle Verbesserungen oder technischen Änderungen der Kartons anzuzeigen und Tetra Pak das geistige Eigentum daran zu übertragen (Italien);

(xii) Tetra Pak behält sich das Recht zur Überprüfung der Beschriftung der Kartons vor (Italien).

2.1.4. Kontrollen

(28) Zwei Klauseln regeln insbesondere die Kontrolle der Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch den Abnehmer:

xiii) Der Abnehmer hat monatlich einen Bericht vorzulegen (Italien);

xiv) Tetra Pak kann jederzeit unangemeldet den Betrieb inspizieren (Italien).

2.1.5. Übertragung des Eigentums an der Anlage oder Überlassung des Gebrauchs der Anlage

(29) Zwei Vertragsklauseln schränken das Recht des Abnehmers ein, die Anlage weiterzuverkaufen oder Dritten zu überlassen:

xv) Der Abnehmer muß die Zustimmung von Tetra Pak einholen, wenn er die Anlage verkaufen oder Dritten zur Benutzung überlassen will (Italien), er kann sie nur unter bestimmten Voraussetzungen verkaufen (Spanien); Tetra Pak behält sich das Recht vor, die Anlage zu einem bestimmten, vorher festgelegten Pauschalpreis zurückzukaufen (alle Länder). Bei Nichteinhaltung dieser Klausel sind Konventionalstrafen fällig (Griechenland, Irland, Vereinigtes Königreich).

xvi) Der Abnehmer hat dafür zu sorgen, daß jeder Dritte, an den er die Anlage weiterverkauft, alle Verpflichtungen des Abnehmers übernimmt (Italien, Spanien).

2.1.6. Garantie

(30) xvii) Die Garantie für die Anlage gilt nur dann, wenn der Abnehmer alle seine Vertragspflichten einhält (Italien) oder zumindest nur Tetra-Pak-Kartons verwendet (die anderen Länder).

2.2. Bedingungen für die Vermietung von Tetra-Pak-Anlagen (Anhang 2.2)

(31) Standard-Mietverträge gibt es in allen Ländern der Gemeinschaft ausser Griechenland und Spanien.

Die meisten Klauseln der Kaufverträge finden sich entsprechend auch in diesen Mietverträgen wieder. Andere Bedingungen gelten nur für die Vermietung, aber sie zielen alle in die gleiche Richtung, nämlich den Kunden möglichst stark an Tetra Pak zu binden.

2.2.1. Gestaltung der Anlagen

(32) Hier finden sich die Klauseln i), ii) und iii) wieder (Italien Klausel i), alle Länder Klausel ii), Frankreich, Irland, Italien, Portugal, Vereinigtes Königreich Klausel iii)).

xviii) Eine Zusatzklausel verpflichtet den Mieter ausserdem, nur Kisten, Aussenverpackungen und/oder Container für Tetra-Pak-Kartons zu verwenden (Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande) oder, wenn die Bedingungen gleich sind, sich vorzugsweise von Tetra Pak beliefern zu lassen (Dänemark, Frankreich).

2.2.2. Betrieb und Instandhaltung der Anlagen

(33) Auch hier finden sich die Ausschließlichkeitsklauseln iv) und v) wieder (alle Länder).

Desgleichen findet sich die Klausel viii) wieder, die Tetra Pak die Übertragung des geistigen Eigentums an allen vom Abnehmer vorgenommenen Änderungen sichert (Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande) oder zumindest den Mieter verpflichtet, Tetra Pak eine Nutzungslizenz einzuräumen (Dänemark, Frankreich, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich).

2.2.3. Kartons

(34) Auch hier enthalten die Verträge die Klauseln ix) (alle Länder) und x) (Italien), die die ausschließliche Verwendung von Tetra-Pak-Kartons betreffen, die Klausel xi), die Tetra Pak die Übertragung aller Rechte an Verbesserungen sichert (Dänemark, Italien) oder zumindest den Mieter verpflichtet, Tetra Pak eine Nutzungslizenz einzuräumen (Frankreich, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich) und die Klausel xii), die Tetra Pak das Recht zur Überwachung der Beschriftung oder der Warenzeichen gibt, die der Kunde auf den Kartons anbringen will (Deutschland, Griechenland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Vereinigtes Königreich).

2.2.4. Kontrollen

(35) Nicht nur der Käufer, sondern auch der Mieter muß monatlich berichten (Klausel xiii) ° alle Länder), wenn er nicht Gefahr einer pauschalen Rechnungsstellung laufen will (Belgien, Luxemburg, Niederlande); er muß eine Inspektion des Betriebs zulassen, in dem die Anlage steht (Klausel xiv) ° alle Länder), und die Inspektion kann unangemeldet erfolgen (alle Länder ausser Dänemark, Deutschland, Irland, Portugal und Vereinigtes Königreich).

xix) Eine andere Klausel ermöglicht es dem Hersteller, jederzeit (Dänemark, Frankreich) Einblick in die Bücher des Mieters (alle Länder) und (je nach Land) in seine Rechnungen, Korrespondenz und alle sonstigen Belege zu nehmen, die für die Nachprüfung der Zahl der verbrauchten Kartons erforderlich sind.

2.2.5. Übertragung des Mietverhältnisses, Untervermietung, Überlassung des Gebrauchs an Dritte und Benutzung für Dritte

(36) Im Fall des Verkaufs ist jede Eigentumsübertragung nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig.

xx) Die Mietverträge schließen auch eine Übertragung des Mietverhältnisses, desgleichen die Untervermietung (alle Länder) und selbst eine einfache Werklohnarbeit für Dritte (Italien) aus.

2.2.6. Garantie

(37) Die Mietverträge sind hier nicht ganz so deutlich wie die Kaufverträge: Gewährleistungsansprüche hat der Kunde nur, wenn er die 'Instruktionen' von Tetra Pak zur 'Instandhaltung' und 'sachgemässen Bedienung' der Maschine befolgt. Die Begriffe 'Instruktionen' , 'Instandhaltung' und 'sachgemässe Bedienung' sind jedoch so weit gefasst, daß hierunter zumindest die ausschließliche Verwendung oder Inanspruchnahme von Original-Ersatzteilen, von Reparatur- und Instandhaltungsleistungen des Herstellers und von Original-Verpackungsmaterial fällt. Diese Auslegung wurde durch die schriftliche und mündliche Antwort von Tetra Pak auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

2.2.7. Festsetzung der Miete und Zahlungsbedingungen

(38) Die Miete setzt sich zusammen aus (alle Länder):

a) xxi) einer 'Anzahlung' die bei der Übergabe der Maschine fällig wird. Sie ist nicht unbedingt niedriger als der Verkaufspreis für die gleichen Maschinen und deckt fast die gesamte gegenwärtige und künftige Miete ab (in einzelnen Fällen zu über 98 %);

b) einem Jahresbetrag, zahlbar vierteljährlich im voraus;

c) xxii) einer monatlich zu zahlenden Produktionsabgabe, die sich nach der Zahl der mit allen Tetra-Pak-Maschinen des gleichen Typs abgefuellten Verpackungen richtet und degressiv gestaffelt ist. Diese Abgabe tritt an die Stelle der degressiven Instandhaltungstarife ° von vergleichbarem Wert ° wie sie für einen Teil der Instandhaltungskosten bei einem Verkauf vorgesehen sind (siehe Klausel vii)). In einigen Ländern (Deutschland, Frankreich, Portugal) ist eine Konventionalstrafe für den Fall vorgesehen, daß der Kunde die Abgabe nicht pünktlich zahlt.

2.2.8. Dauer des Mietverhältnisses

(39) Dauer und Beendigung des Mietverhältnisses sind von Land zu Land verschieden geregelt.

xxiii) Die Mindestdauer des Mietverhältnisses beträgt drei Jahre (Dänemark, Irland, Portugal, Vereinigtes Königreich) bis neun Jahre (Italien).

2.2.9. Konventionalstrafen

(40) xxiv) Tetra Pak behält sich unabhängig von den üblichen Schadenersatzforderungen das Recht vor, jedem Mieter, der seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommt, eine Vertragsstrafe aufzuerlegen, die sie nach freiem Ermessen je nach der Schwere des Falls im Rahmen einer Hoechstgrenze festsetzt (Italien).

2.3. Lieferbedingungen für Kartons (Anhang 2.3)

(41) Standard-Lieferverträge gibt es in Griechenland, Irland, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich: sie sind obligatorisch, sobald der Kunde die Maschine nicht mietet, sondern kauft.

2.3.1. Bezugsbindung

(42) xxv) Der Käufer verpflichtet sich, das gesamte Verpackungsmaterial für die gelieferten Tetra-Pak-Maschinen (alle Länder) und für alle weiteren Maschinen, die er künftig von Tetra Pak kauft (Italien), ausschließlich von Tetra Pak zu beziehen.

2.3.2. Dauer des Vertragsverhältnisses

(43) xxvi) Der Vertrag wird zunächst auf neun Jahre geschlossen und kann dann um fünf Jahre (Italien) oder um die Zeit, die der Käufer im Besitz der Maschine bleibt (Griechenland, Irland, Spanien, Vereinigtes Königreich), verlängert werden.

2.3.3. Preisfestsetzung (24)

(44) xxvii) Die Kartons werden zu den bei der Bestellung geltenden Preisen geliefert (alle Länder). Ein Ausgleichssystem ist nicht vorgesehen, ebensowenig wie eine Indexbindung (alle Länder).

2.3.4. Beschriftung

(45) Auch hier behält Tetra Pak sich das Recht zur Überprüfung der Beschriftung oder der Warenzeichen vor, die der Kunde auf den Kartons anbringen will (Klausel xii))."

13 Was im einzelnen die Angebotsstruktur im Bereich der Systeme für die aseptische Verpackung von fluessigen Nahrungsmitteln in Kartons in der Gemeinschaft angeht, so ist diese nach der Entscheidung (Randnr. 12) nahezu monopolistisch, da Tetra Pak zum Zeitpunkt der Entscheidung in diesem Bereich einen Marktanteil von 90 bis 95 % hatte. 1985 hielt Tetra Pak etwa 89 % des Kartonmarktes und 92 % des Marktes für aseptische Maschinen im gleichen Gebiet (Anhänge 1.1 und 1.2 der Entscheidung). PKL als ihr einziger wirklicher Konkurrent auf diesem Markt hielt fast die gesamten verbleibenden Marktanteile von 5 bis 10 %.

14 Die Struktur des nichtaseptischen Bereichs ist offener, aber immer noch oligopolistisch. Bei Erlaß der Entscheidung hatte Tetra Pak hier einen Marktanteil von 50 bis 55 % in der Gemeinschaft (Randnr. 13 der Entscheidung). 1985 hatte sie bei Kartons einen Marktanteil von 48 % und bei nichtaseptischen Maschinen einen Marktanteil von 52 % im Gebiet der zwölf gegenwärtigen Mitgliedstaaten (Anhänge 1.1 und 1.2 der Entscheidung). Elopak hatte seinerseits 1985 einen Marktanteil von ungefähr 27 % bei nichtaseptischen Maschinen und Kartons, gefolgt von PKL, deren Anteil an diesem Markt etwa 11 % betrug. Elopak war auf dem Markt für aseptische Maschinen lediglich als Vertriebsunternehmen tätig, bevor sie 1987 den Unternehmensbereich "Verpackungsmaschinen" von Ex-Cell-O kaufte. Die verbleibenden 12 % des Marktes für nichtaseptische Kartons waren damals auf drei Unternehmen verteilt, die nur in einem oder mehreren Ländern tätig sind, nämlich die Firmen Schouw Packing (Dänemark, ca. 7 %, 50%ige Tochtergesellschaft von Elopak), Mono-Emballage/Scalpak (Frankreich/Niederlande, ca. 2,5 %) und Van Mierlo (Belgien, ca. 0,5 %). Diese Unternehmen stellten ihre eigenen Kartons im allgemeinen in Lizenz her (Ex-Cell-O, 1987 von Elopak übernommen, Nimco, Sealright usw.). Auf dem Maschinenmarkt waren sie lediglich als Vertriebsunternehmen tätig. Die etwa 13 % des Marktes für nichtaseptische Maschinen, die in der Gemeinschaft nicht von Tetra Pak, Elopak und PKL gehalten wurden, waren auf etwa zehn kleine Produzenten verteilt, von denen die wichtigsten Nimco (USA, ca. 4 %), Cherry Burrel (USA, ca. 2,5 %) und Shikoku (Japan, ca. 1 %) waren.

15 Im Sektor der Verpackung frischer fluessiger Nahrungsmittel in Kartons ist somit Elopak der wichtigste Konkurrent von Tetra Pak. Ihre Tätigkeiten erstrecken sich bisher nicht auf den aseptischen Sektor. Die Umsätze von Tetra Pak und Elopak standen nach der Entscheidung (Randnr. 3) 1987 annähernd im Verhältnis 7,5 zu 1. Elopak arbeitet in Italien mit einer Tochtergesellschaft, der Elopak Italia (Mailand). Nach der Entscheidung produziert diese Tochtergesellschaft dort nicht, sondern importiert die Kartons von andern Konzerntöchtern.

16 Am 27. September 1983 legte Elopak Italia bei der Kommission eine Beschwerde gegen Tetra Pak Italiana und deren verbundene Unternehmen in Italien ein. Der Konzern vertrat die Auffassung, daß Tetra Pak in den vergangenen Jahren versucht habe, die Wettbewerbsfähigkeit von Elopak in Italien durch im Sinne des Artikels 86 mißbräuchliche Handelspraktiken zu verringern. Diese Praktiken bestanden Elopak zufolge im wesentlichen im Verkauf von Tetra-Rex-Kartons zu auf Verdrängung ausgerichteten Preisen, der Auferlegung unangemessener Bedingungen bei der Lieferung von Abfuellmaschinen für diese Kartons und in bestimmten Fällen im Verkauf dieser Maschinen zu ebenfalls auf Verdrängung ausgerichteten Preisen. Elopak erhob ferner den Vorwurf, es sei versucht worden, sie von bestimmten Werbeträgern auszuschließen.

17 Am 16. Dezember 1988 beschloß die Kommission, das Verfahren in dieser Sache einzuleiten. Mit Schreiben vom 20. Dezember 1988 wurde Tetra Pak eine Mitteilung der Beschwerdepunkte übersandt. Am 21. und 22. September 1989 fand eine Anhörung statt.

18 Im Anschluß an Gespräche mit der Kommission über die nach der Anhörung strittig gebliebenen Punkte verpflichtete sich Tetra Pak in einem Schreiben an die Kommission vom 1. Februar 1991 (Anhang 7 der Entscheidung), dem neue Standardverträge beigefügt waren (Anlage 3 zur Klageschrift), auf ihr System ausschließlicher Koppelungsverkäufe zu verzichten und ihre Standardverträge demgemäß abzuändern. Die Kommission nahm diese Verpflichtungen an und vertrat in Randnummer 180 der Entscheidung die Auffassung, daß sie darauf gerichtet seien, im wesentlichen den Anordnungen in Artikel 3 Nrn. 1, 4 und 5 (siehe unten, Randnr. 21) zu entsprechen.

19 Die Kommission stellte in Artikel 1 der Entscheidung fest: "Tetra Pak hat unter Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung auf den sogenannten 'aseptischen' Märkten für Maschinen und Kartons zur Verpackung fluessiger Nahrungsmittel zumindest seit 1976 durch eine Reihe verschiedener Praktiken zur Ausschaltung des Wettbewerbs und/oder zu einer kundenschädlichen Gewinnmaximierung aufgrund ihrer Marktstellung gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossen, und dies sowohl auf diesen 'aseptischen' Märkten wie auf den benachbarten, verbundenen Märkten für 'nichtaseptische' Abfuellanlagen und Kartons."

20 Die wesentlichen Punkte dieser Zuwiderhandlungen werden in der Entscheidung wie folgt zusammengefasst:

"1) Verfolgung einer Vertriebspolitik mit dem Ziel einer spürbaren Einengung des Angebots und einer Abschottung der nationalen Märkte innerhalb der Gemeinschaft;

2) Bindung der Abnehmer von Tetra-Pak-Erzeugnissen in allen Mitgliedstaaten mit zahlreichen Vertragsklauseln ° hier unter den Klauseln (i) bis (xxvii) aufgeführt ° im wesentlichen mit dem Ziel, die Abnehmer ungebührlich stark an Tetra Pak zu binden und künstlich jede Möglichkeit eines Wettbewerbs auszuschalten;

3) eine Preisgestaltung im Kartongeschäft, bei der Abnehmer aus verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden und bei der Tetra Pak zumindest in Italien einen Verdrängungswettbewerb betreibt;

4) eine Preisgestaltung im Geschäft mit Maschinen, bei der nachweislich

° Abnehmer aus verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich behandelt werden,

° zumindest in Italien auch Abnehmer in ein und demselben Land unterschiedlich behandelt werden,

° zumindest in Italien und im Vereinigten Königreich ein Verdrängungswettbewerb betrieben wird;

5) punktülles Vorgehen verschiedener Art zur Ausschaltung von Konkurrenten und/oder deren Technologie auf einzelnen Märkten zumindest in Italien."

21 In Artikel 3 der Entscheidung verpflichtete die Kommission die Klägerin, die festgestellten Zuwiderhandlungen, soweit sie das noch nicht getan hat, unverzueglich abzustellen und zu diesem Zweck insbesondere folgende Maßnahmen zu treffen:

"1) Tetra Pak ändert oder, wo dies angebracht ist, streicht die unter i) bis xxvii) aufgeführten Vertragsklauseln in den Kauf- und Mietverträgen für Maschinen und in den Lieferverträgen für Kartons in der Weise, daß die von der Kommission aufgezeigten Mißbräuche abgestellt werden. Die neuen Verträge sind der Kommission vorzulegen.

2) Tetra Pak beseitigt die Unterschiede in den Preisen für seine Erzeugnisse in den verschiedenen Mitgliedstaaten, die nicht Ausdruck der besonderen Marktverhältnisse sind. Jeder Kunde muß sich in der Gemeinschaft bei der Tetra-Pak-Tochter seiner Wahl zu deren Preisen eindecken können.

3) Tetra Pak wendet keine auf Verdrängung ausgerichteten oder diskriminierenden Preise an und räumt keinem Kunden irgendwelche Nachlässe auf ihre Erzeugnisse oder irgendwelche günstigeren Zahlungsbedingungen ein, die nicht durch eine objektive Gegenleistung gerechtfertigt sind. Im Kartongeschäft sind nur Mengenrabatte für die einzelne Bestellung zulässig, ohne daß dabei die Bestellmengen für verschiedene Kartontypen zusammengerechnet werden dürfen.

4) Tetra Pak darf nicht die Belieferung von Unternehmen, die ein Kaufangebot zu den geltenden Preisbedingungen machen, mit der Begründung verweigern, sie seien nicht Endabnehmer von Tetra-Pak-Erzeugnissen.

5) Tetra Pak teilt dem Kunden, der eine Maschine gekauft oder gemietet hat, die Spezifikation des mit ihren Maschinen kompatiblen Verpackungsmaterials mit."

22 Unter diesen Umständen hat Tetra Pak mit Klageschrift, die am 18. November 1991 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die Nichtigerklärung der Entscheidung beantragt. Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung sind die Parteien ersucht worden, bestimmte Schriftstücke vorzulegen und bis zur Sitzung schriftlich eine Reihe von Fragen zu beantworten. Die mündliche Verhandlung hat am 22. März 1994 stattgefunden.

Anträge der Parteien

23 Die Klägerin beantragt,

° die Entscheidung der Kommission vom 24. Juli 1991 für nichtig zu erklären;

° hilfsweise, Artikel 1 und/oder Artikel 2 und/oder Artikel 3 und/oder Artikel 4 der Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären;

° weiter hilfsweise, die in Artikel 2 festgesetzte Geldbusse für nichtig zu erklären oder herabzusetzen;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen;

° die Erstattung sämtlicher Ausgaben von Tetra Pak anzuordnen, die diese für die Stellung einer Sicherheit für die Zahlung der Geldbusse getätigt hat.

Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der Entscheidung

24 Die Klägerin stützt ihre Anträge auf Nichtigerklärung auf vier Klagegründe, mit denen im einzelnen die Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung, die fehlende Übermittlung der Niederschrift über die Anhörung, des Fehlens eines Verstosses ihrerseits gegen Artikel 86 EWG-Vertrag und schließlich der Mißbrauch der Anordnungsbefugnis der Kommission gerügt werden.

Zum ersten Klagegrund ° Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung

Vorbringen der Parteien

25 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe während des Verwaltungsverfahrens unangemessen und inkonsequent gehandelt. Zwar solle das Verwaltungsverfahren die Entscheidung über eine Zuwiderhandlung vorbereiten, gleichzeitig jedoch "auch den betroffenen Unternehmen Gelegenheit geben..., die beanstandeten Praktiken mit den Vertragsbestimmungen in Einklang zu bringen" (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82 und 108/82 bis 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnr. 15).

26 Sie habe während des gesamten Verwaltungsverfahrens ihren Willen, sich in Zukunft an die Wettbewerbsregeln des Vertrages zu halten, unter Beweis gestellt. Die Kommission habe sie pflichtwidrig in diesem Bemühen nicht unterstützt. Sie habe ihre Auffassung darüber, auf welcher Grundlage nach einer Lösung gesucht werden müsse, ständig verändert, indem sie ununterbrochen neue Fragen aufgeworfen und bereits gelöste Probleme wiederaufgegriffen und damit das Zustandekommen einer Einigung endlos verzögert habe. Angesichts des Verhaltens der Kommission habe sie berechtigterweise die Erwartung hegen können, daß eine Einigung vor Erlaß der Entscheidung möglich sein werde. wenn sie sich den Forderungen der Kommission beuge.

27 Die Kommission habe unter diesen Umständen ihre berechtigten Erwartungen enttäuscht und die Rechte der Verteidigung missachtet, indem sie sich geweigert habe, anzuerkennen, daß sie aus freien Stücken ihre Zuwiderhandlungen abgestellt habe, und indem sie Anordnungen gegen sie getroffen habe, die weit über das hinaus gegangen seien, was im Laufe der Verhandlungen vereinbart worden sei. Damit habe die Kommission den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verletzt, und ihre Entscheidung müsse für nichtig erklärt werden; hilfsweise müssten die in der Entscheidung festgelegten Maßnahmen zur Beendigung der Zuwiderhandlung für nichtig erklärt oder eingeschränkt werden.

28 Die Kommission bestreitet, gegen den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verstossen zu haben. Wenn es wirklich die Absicht der Klägerin gewesen sei, die beanstandeten Praktiken freiwillig zu ändern, hätte sie damit nicht bis zum Ablauf von sechs Jahren Voruntersuchung und zweieinhalb Jahren Verwaltungsverfahren gewartet.

29 Zu den berechtigten Erwartungen der Klägerin führt die Kommission aus, niemand dürfe berechtigterweise erwarten, den Konsequenzen von Handlungen in der Vergangenheit dadurch zu entgehen, daß er einfach das Verhalten für die Zukunft ändere. Sie habe der Klägerin jedenfalls niemals einen Anhalt für eine solche Annahme gegeben, was diese im übrigen auch nicht bestreite.

Würdigung durch das Gericht

30 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Dauer der Untersuchung der Angelegenheit durch die Kommission von der Einreichung der Beschwerde im Jahr 1983 bis zur Einleitung des Verfahrens und der Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Jahr 1988 im vorliegenden Fall keine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemässen Verwaltung darstellen kann, da sie auf den Umfang und die Schwierigkeit einer Untersuchung zurückzuführen ist, die sich auf die gesamte Geschäftspolitik von Tetra Pak während eines besonders langen Zeitraums bezog.

31 Es ist ferner festzustellen, daß sich Tetra Pak, obwohl schon 1983 eine Beschwerde eingereicht, am 9. Dezember 1988 das Verfahren eingeleitet und ihr mit Schreiben vom 20. Dezember 1988 die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt worden war, erst Anfang 1991, nämlich in einem Schreiben vom 1. Februar 1991 an die Kommission (Anhang 7 der Entscheidung), dem die neuen Standardverträge beigefügt waren (Anlage 3 zur Klageschrift), verpflichtete, auf ihr System der ausschließlichen Koppelungsverkäufe zu verzichten. Die Klägerin kann daher der Kommission nicht vorwerfen, den Grundsatz der ordnungsgemässen Verwaltung verletzt zu haben.

32 Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund ° fehlende Übermittlung der Niederschrift über die Anhörung

Vorbringen der Parteien

33 Die Klägerin legt dar, der Entwurf der Niederschrift über die Anhörung, der dem Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen (nachstehend: Beratender Ausschuß) vorgelegt worden sei, sei so unvollständig und mangelhaft gewesen, daß der Ausschuß seine Stellungnahme nicht in voller Sachkenntnis habe abgeben können. Sie habe zwar eine Liste mit Korrekturen vorgelegt, diese hätten aber nur nebensächliche Punkte betroffen, und sie habe nicht die Möglichkeit gehabt, die grossen Lücken dieses Entwurfs auszufuellen.

34 Insbesondere sei die Erklärung von Herrn Severi, des Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Tetra Pak Italiana, zu der Frage, wie sich der Vorschlag, alle Unternehmen der Tetra-Pak-Gruppe zur Veröffentlichung einer für sie verbindlichen Preisliste zu verpflichten, auf seine Gesellschaft auswirken würde, nicht in die Niederschrift aufgenommen worden. Dies sei eine schwerwiegende Auslassung, da die Erklärung die wichtigsten Probleme betreffe, die durch die in der Entscheidung enthaltenen Anordnungen zur Abstellung der Zuwiderhandlung aufgeworfen würden.

35 Die Kommission ist degegen der Auffassung, daß die Übermittlung des Entwurfs eines Wortlautprotokolls der Anhörung den Beratenden Ausschuß in die Lage versetzt habe, sich in voller Kenntnis der Sache zu äussern. Sie bestreitet, daß Herr Severi zu der Verpflichtung zur Veröffentlichung von Preislisten Stellung genommen habe. Ausserdem sei das Herrn Severi zugeschriebene Argument im Verlauf des Verwaltungsverfahrens mehrfach vorgebracht worden; auch sei es in dem Entwurf der Niederschrift über die Anhörung enthalten.

Würdigung durch das Gericht

36 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. Nr. 127, S. 2268) eine Anhörung des betroffenen Unternehmens vornimmt, bevor sie den Beratenden Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen anhört. Zu dem mündlichen Abschnitt der Anhörung bestimmt Artikel 9 Absatz 4 dieser Verordnung, daß die wesentlichen Erklärungen jeder Partei in einer Niederschrift festzuhalten sind, die verlesen und von der angehörten Person genehmigt wird.

37 Die Erstellung einer erschöpfenden Niederschrift über die Anhörung stellt eine wesentliche Förmlichkeit dar, wenn sie sich in einem gegebenen Fall als notwendig erweist, um dem Beratenden Ausschuß die Abgabe seiner Stellungnahme und der Kommission den Erlaß ihrer Entscheidung in voller Kenntnis der Sache, d. h. ohne in einem wesentlichen Punkt durch Ungenauigkeiten oder Auslassungen in die Irre geführt zu werden, zu ermöglichen. Dies kann nicht der Fall sein, wenn in der Niederschrift über die Anhörung lediglich bestimmte Erklärungen eines Vertreters des betroffenen Unternehmens nicht festgehalten sind, die keine wichtigen Punkte enthalten, die im Vergleich zu anderen, in der Niederschrift festgehaltenen Ausführungen der Vertreter dieses Unternehmens während der Anhörung neu wären. In einem solchen Fall beeinträchtigt die Auslassung nämlich nicht die Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens und kann keinen Einfluß auf den Ausgang des Verfahrens der Anhörung des Beratenden Ausschusses und auf den Inhalt der endgültigen Entscheidung haben. Sie ist daher nicht geeignet, das Verwaltungsverfahren insgesamt als nicht ordnungsgemäß erscheinen zu lassen und damit die Rechtmässigkeit der endgültigen Entscheidung in Frage zu stellen.

38 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß sich die einzigen Lücken in der Niederschrift über die Anhörung, die von der Klägerin angeführt und von der Kommission bestritten worden sind, auf die Erklärung eines ihrer Vertreter beziehen, die im wesentlichen einen Vorschlag der Kommission betreffen, demzufolge jede der nationalen Tochtergesellschaften von Tetra Pak verpflichtet werden sollte, sowohl für die Maschinen als auch für die Kartons eine Preisliste zu veröffentlichen. Der Niederschrift über die Anhörung lässt sich entnehmen, daß die Argumentation der Klägerin zu diesen Preislisten auf jeden Fall von einem der Berater der Klägerin eingehend dargelegt und in der Niederschrift festgehalten worden ist.

39 Die von der Klägerin behauptete Auslassung hat daher auf keinen Fall ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt und kann mithin auch nicht die Ordnungsgemäßheit des Verwaltungsverfahrens beeinträchtigt haben.

40 Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund ° kein Verstoß der Klägerin gegen Artikel 86 EWG-Vertrag

41 Dieser Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Die Klägerin macht zunächst geltend, daß sie keine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben einnehme. Sie legt sodann dar, daß das in der Entscheidung beanstandete Verhalten nicht mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag sei.

1 ° Zum Vorliegen einer beherrschenden Stellung

42 Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie keine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag innehabe. Sie wendet sich erstens gegen die in der Entscheidung zugrunde gelegte Umschreibung des Produktmarktes (A). Sie beanstandet zweitens die Umschreibung des räumlichen Marktes (B). Drittens behauptet sie, daß sie keine beherrschende Stellung auf den aseptischen Märkten innehabe und tritt auf jeden Fall der Anwendung des Artikels 86 auf die nichtaseptischen, die angeblich von ihr beherrschten Märkten benachbarten Märkte (C) entgegen.

A ° Zum Produktmarkt

43 In der Entscheidung werden vier Märkte für die in Frage stehenden Produkte umschrieben: der Markt für Maschinen zur aseptischen Verpackung fluessiger Nahrungsmittel in Kartons und der entsprechende Markt für Kartons (nachstehend: aseptische Märkte) sowie der Markt für Maschinen zur nichtaseptischen Verpackung fluessiger Nahrungsmittel in Kartons und der entsprechende Markt für Kartons (nachstehend: nichtaseptische Märkte; Randnrn. 9, 11 und 92 bis 97, in die durch Verweisung die Randnummern 29 bis 39 der Entscheidung Tetra Pak I einbezogen sind). Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, daß der betreffende Markt ein "komplexer" Markt sei, der sämtliche Systeme für die Verpackung fluessiger Nahrungsmittel umfasse.

44 Es ist daher zu prüfen, ob die aseptischen Märkte einerseits und die nichtaseptischen Märkte andererseits sowohl im Verhältnis zueinander als auch im Verhältnis zu mit anderen Materialien arbeitenden Verpackungssystemen getrennte Märkte sind (1). Ferner ist zu untersuchen, ob für die Maschinen und die Kartons getrennte Märkte bestehen, was von der Klägerin bestritten wird (2).

1. Die aseptischen und die nichtaseptischen Märkte für die Verpackung in Kartons seien keine getrennten Märkte

Vorbringen der Parteien

45 Die Klägerin weist vorab darauf hin, daß die aseptischen Verpackungssysteme für nicht UHT-behandelte Produkte von der Entscheidung nicht erfasst seien. Die Kommission habe irrigerweise die Wettbewerbssituation zum einen im Sektor der aseptischen Systeme für die Verpackung nicht UHT-behandelter Produkte wie Fruchtsäfte, für die es zahlreiche den aseptischen Kartons substituierbare Verpackungssysteme gebe, und zum anderen im Sektor der aseptischen Systeme für die Verpackung lang haltbarer Milch, die eine UHT-Behandlung erfordere, miteinander gleichgesetzt. Dieser Irrtum gehe auf Randnummer 14 der Entscheidung Tetra Pak I zurück, in der es heisse: "In der EWG sind die meisten langlebigen Fruchtsäfte ebenfalls UHT-behandelt und aseptisch verpackt." Die aseptischen Märkte seien daher in Randnummer 11 der Entscheidung als die Märkte für Maschinen und Kartons zur Verpackung "UHT-behandelter fluessiger Nahrungsmittel" umschrieben worden.

46 Zur Widerlegung der in der Entscheidung zugrunde gelegten Umschreibung der betroffenen Produktmärkte trägt die Klägerin vor, die Kommission hätte spezifisch prüfen müssen, ob die verschiedenen auf dem Markt befindlichen Verpackungssysteme für jede Kategorie fluessiger Nahrungsmittel, die durch besondere Verpackungserfordernisse gekennzeichnet sei, hinreichend austauschbar seien.

47 Sowohl im aseptischen als auch im nichtaseptischen Bereich sei die in der Entscheidung zugrunde gelegte Umschreibung der betroffenen Märkte zu weit, da sie Maschinen und Kartons zur Verpackung anderer fluessiger Nahrungsmittel als Milch einschließe, ohne den Markt für Verpackungssysteme in diesem Produktbereich ausreichend zu analysieren. Die Kommission habe sich nämlich damit begnügt, auf diesen Bereich die Schlußfolgerungen zu übertragen, zu denen sie bezueglich der Verpackung von Milch gekommen sei.

48 Die Umschreibung der oben genannten vier betroffenen Märkte sei ferner auch zu restriktiv, weil sie die Märkte für aseptische Verpackungssysteme getrennt von den Märkten für nichtaseptische Systeme und die Märkte für Kartons getrennt von den Märkten für mit anderen Materialien arbeitende Verpackungssysteme behandele. Innerhalb des Marktes für Verpackungssysteme für fluessige Nahrungsmittel gebe es Märkte, die je nach der Kategorie der zu verpackenden Produkte differenziert seien. Diese Märkte seien umfassender als die in der Entscheidung umschriebenen Märkte.

49 In dieser Hinsicht rügt die Klägerin, die Kommission habe statt des Kriteriums der ausreichenden langfristigen Austauschbarkeit im Stadium der Verpackung das Kriterium der vollkommenen kurzfristigen Austauschbarkeit im Stadium des Endverbrauchs herangezogen.

50 Insbesondere habe die Kommission die relevanten Märkte ausschließlich durch Bezugnahme auf die Nachfrage der Verbraucher bestimmt. Die Nachfrage gehe aber nicht von den Verbrauchern, sondern von den Einzelhändlern und den Verpackern aus, und zwar sowohl hinsichtlich des Inhalts, d. h. des entweder frischen oder lang haltbaren Produktes, als auch bezueglich des Behältnisses. Unter diesen Umständen könnten geringe Preisunterschiede bei den von Tetra Pak angebotenen Produkten entscheidend sein, weil die Wahl der Verpackung für den Verpacker das wichtigste Element seiner kontrollierbaren Kosten darstelle. Insoweit habe sich die Kommission im vorliegenden Fall im Gegensatz zu ihrer Vorgehensweise in der Sache Tetra Pak/Alfa-Laval (a. a. O.) einer Untersuchung bei den Kunden von Tetra Pak über den Grad der Austauschbarkeit der verschiedenen Verpackungsformen enthalten.

51 Bei korrekter Anwendung des Kriteriums der ausreichenden Substituierbarkeit sei erstens feststellbar, daß die verschiedenen aseptischen oder nichtaseptischen Systeme, bei denen Karton oder andere Materialien verwendet würden, bei der Verpackung anderer fluessiger Nahrungsmittel als Milch hinreichend austauschbar seien. Unter diesen Umständen sei keines der drei Hauptargumente, die die Kommission bezueglich des Milchsektors angeführt habe, nämlich erstens, daß lediglich die Verpackung in aseptischen Kartons für UHT-Milch geeignet sei, zweitens, daß UHT-Milch besondere Eigenschaften im Hinblick auf Geschmack und Konservierung aufweise und mit einem bestimmten Verpackungstyp verbunden sei, und drittens, daß die Verbraucher die verschiedenen Arten von Milch und die damit verbundenen Verpackungen nicht als völlig austauschbar betrachteten, auf den Bereich der Fruchtsäfte und anderer Nichtmilchprodukte übertragbar.

52 Zweitens bestehe auch eine hinreichende Austauschbarkeit verschiedener Verpackungssysteme für die Verpackung anderer fluessiger Milchprodukte als Milch. Bei manchen dieser Produkte, wie etwa Sahne, unterscheide der Verbraucher nicht zwischen dem frischen Produkt, dem lang haltbaren Produkt und dem sterilisierten Produkt. Drittens seien im Bereich der pasteurisierten Milch nichtaseptische Kartons hinreichend austauschbar mit Glas- oder Plastikflaschen und Plastikbeuteln.

53 Viertens seien im allgemeinen Milchsektor aseptische Kartons hinreichend austauschbar mit anderen, sowohl aseptischen als auch nichtaseptischen Verpackungsformen. Diese Austauschbarkeit werde durch die Bewusstseinsbildung bei den Verbrauchern bezueglich der Auswirkung der Verpackung auf die Umwelt und durch Regelungen verstärkt, mit denen Pfandverpackungen besser gestellt werden sollten. Ausserdem sei der Verpackungsmarkt ein Käufermarkt geworden. In diesem Zusammenhang bedeute entgegen den Behauptungen der Kommission das Fehlen einer vollkommenen Substituierbarkeit von pasteurisierter Milch und UHT-Milch auf der Verbraucherebene nicht, daß der angebliche Monopolist, der ein aseptisches Verpackungssystem anbiete, den seinen Kunden berechneten Preis vorteilhaft erhöhen könne, ohne Gefahr zu laufen, daß diese sich für die Verpackung von Milch einem nichtaseptischen System mit gesicherter Marktposition zuwendeten. Ausserdem stellten neue Systeme der aseptischen Verpackung in Plastik- oder Glasflaschen echte Substitutionsgefahren dar. In Frankreich hätten die grössten Kunden von Tetra Pak, Candia und Lactel, Fließbänder für die Verpackung von UHT-Milch in Plastikflaschen eingerichtet und damit seit 1987 mehr als 5 % des Marktes erobert. Seither habe der aseptische Tetra Brik 30 % des französischen Marktes für halbfette Milch (entsprechend 10 % der UHT-Milch insgesamt) verloren. In Deutschland sei das von Bosch und SEN angebotene System der aseptischen Verpackung in Pfandflaschen aus Glas unlängst in grosser Zahl verkauft worden. Aseptische Plastikbeutel seien in Spanien erfolgreich vermarktet worden, und im Vereinigten Königreich werde UHT-Milch verkauft, die in Metalldosen verpackt sei.

54 Im Anschluß an die Prüfung der Frage der Austauschbarkeit im Bereich der Nachfrage geht Tetra Pak auch kurz auf das ergänzende Kriterium der Austauschbarkeit im Bereich des Angebots ein. Ein Unternehmen, das auf benachbarten Märkten arbeite und gegenwärtig keine Systeme für die aseptische Verpackung in Kartons herstelle, könne leicht Zugang zu den aseptischen Märkten finden.

55 Die Kommission tritt dem gesamten Vorbringen der Klägerin zur Umschreibung des Produktmarktes entgegen. Sie weist vorab darauf hin, daß die Umschreibung der aseptischen Märkte in Randnummer 11 der Entscheidung auch die Systeme für die Verpackung von Fruchtsäften erfasse, da sie auf die Technologie, die die zur Verpackung UHT-behandelter Produkte geeigneten Systeme kennzeichne, abstelle und nicht deren Verwendung berücksichtige. Diese Umschreibung werde durch den Hinweis auf "UHT-behandelte" Fruchtsäfte in Randnummer 14 der Entscheidung Tetra Pak I nicht in Frage gestellt, dessen Unrichtigkeit sie einräume.

56 Die Kommission tritt der Rüge entgegen, daß die Umschreibung der aseptischen Märkte zu weit sei, weil sie die zur Verpackung von Nichtmilchprodukten vorgesehenen Systeme einschließe. Sie macht im wesentlichen geltend, daß es wirtschaftlich gesehen nicht sinnvoll gewesen sei, eine eigene Analyse dieses Sektors vorzunehmen, da Milch der vorherrschende Sektor sei.

57 Die vier in der Entscheidung umschriebenen Märkte stellten tatsächlich getrennte Märkte dar. Zunächst hänge die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage der Verpacker, die eine Abgrenzung der Märkte für Verpackungssysteme gestatte, von der Kreuzpreiselastizität auf den Märkten für die Endprodukte ab.

58 Die Kommission macht demgemäß im wesentlichen geltend, daß aseptische Kartons für die Verpacker nicht hinreichend austauschbar mit nichtaseptischen Verpackungen seien, weil eine vollkommene Austauschbarkeit zwischen UHT-Milch und pasteurisierter Milch beim Endverbraucher nicht vorhanden sei. Ausserdem gebe es keine mit anderen Materialien arbeitenden Systeme für die aseptische Verpackung, die während des Bezugszeitraums hinreichend austauschbar mit den Systemen für die aseptische Verpackung in Kartons gewesen wären, wenn man die Charakteristika dieser Produkte für die Verwender und den Umstand berücksichtige, daß die aseptischen Kartons von 1976 bis 1987 in der Praxis der einzige Verpackungstyp gewesen seien, der für UHT-Milch verwendet worden sei.

59 Ferner offenbarten sowohl im Bereich der pasteurisierten Milch als auch im Bereich der UHT-Milch die unlängst festgestellten Verschiebungen bei der Nachfrage der Endverbraucher von einer Verpackungsform zu einer anderen "strukturelle Tendenzen", die mit äusseren Faktoren wie der Entwicklung der Vorliebe der Verbraucher aufgrund von Umweltfaktoren zusammenhingen. Die Nachfrage reagiere daher nicht auf geringe, wenn auch spürbare Änderungen der Preise der unterschiedlichen Verpackungsformen.

Würdigung durch das Gericht

60 Vor Prüfung der Frage, ob die vier aseptischen und nichtaseptischen Märkte in der Entscheidung zutreffend umschrieben worden sind, ist der genaue Inhalt dieser Umschreibung für den aseptischen Bereich herauszuarbeiten.

61 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin schließt die Entscheidung in die beiden aseptischen Märkte sämtliche aseptischen Maschinen und Kartons ein, gleichgültig, ob sie für die Verpackung von UHT-Milch oder für die aseptische Verpackung von fluessigen Nahrungsmitteln verwendet werden, die wie Fruchtsäfte keine UHT-Behandlung erfordern. Die aseptischen Märkte werden nämlich in Randnummer 11 der Entscheidung ausdrücklich definiert als "a) der Markt für Abfuellmaschinen, in denen die Kartons vor der Füllung sterilisiert und dann mit UHT-behandelten fluessigen Nahrungsmitteln aseptisch gefuellt werden; und b) der zugehörige Markt für Verpackungsmaterial". Daraus ergibt sich eindeutig, daß diese Märkte ausschließlich anhand der technologischen Merkmale der Maschinen und Kartons zur Verpackung von UHT-behandelten Produkten bestimmt werden, wobei es sich versteht, daß Maschinen und Kartons mit diesen Merkmalen auch für die aseptische Verpackung von Produkten verwendet werden können, die nicht nach dem UHT-Verfahren behandelt worden sind. Diese Auslegung wird durch Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, die sich auf die Feststellung des Bestehens einer beherrschenden Stellung "auf den sogenannten 'aseptischen' Märkten für Maschinen und Kartons zur Verpackung fluessiger Nahrungsmittel" beschränkt, ohne in irgendeiner Weise auf die Verwendung dieser Anlagen einzugehen.

62 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die vier in der Entscheidung so abgegrenzten Märkte tatsächlich Märkte waren, die sich von anderen Sektoren des allgemeinen Marktes für Verpackungssysteme zur Verpackung fluessiger Nahrungsmittel unterscheiden. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 691A0083.1

63 Insoweit ist vorab daran zu erinnern, daß der Markt für die betroffenen Produkte nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs so zu ermitteln ist, daß die tatsächliche Wirtschaftsmacht des betreffenden Unternehmens beurteilt werden kann. Soll nämlich ermittelt werden, ob ein Unternehmen in seinem Verhalten in nennenswertem Umfang von seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern unabhängig ist, ist vorab zu klären, welche Produkte, ohne mit anderen Erzeugnissen austauschbar zu sein, nicht nur aufgrund ihrer objektiven Merkmale, aufgrund deren sie sich zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs besonders eignen, sondern auch aufgrund der Wettbewerbsbedingungen sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt hinreichend mit den von dem Unternehmen angebotenen Produkten austauschbar sind (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37).

64 Im vorliegenden Fall ist die Austauschbarkeit der aseptischen Verpackungssysteme mit den nichtaseptischen Systemen und der Systeme, bei denen Karton verwendet werden, mit denen, bei denen andere Materialien verwendet werden, unter Berücksichtigung der gesamten Wettbewerbsbedingungen auf dem allgemeinen Markt der Verpackungssysteme für fluessige Nahrungsmittel zu prüfen. Hieraus ergibt sich, daß die Auffassung der Klägerin, wonach sich dieser allgemeine Markt je nach der Verwendung der Verpackungssysteme für die Verpackung von Milch, von anderen Milchprodukten als Milch oder von Nichtmilchprodukten wegen der besonderen Merkmale der Verpackung dieser einzelnen Produktkategorien, die sich gegebenenfalls in der Existenz verschiedener Substitutionsausrüstungen niederschlagen, in verschiedene Teilmärkte aufteilt, im besonderen Zusammenhang des vorliegenden Falles zu einer Parzellierung des Marktes führen würde, die die wirtschaftliche Realität nicht widerspiegelt. Sowohl die aseptischen als auch die nichtaseptischen Maschinen und Kartons sind unabhängig von ihrer Verwendung durch eine vergleichbare Angebots- und Nachfragestruktur gekennzeichnet, da alle zum gleichen Tätigkeitsbereich, nämlich dem der Verpackung fluessiger Nahrungsmittel, gehören. Aseptische und nichtaseptische Maschinen und Kartons weisen nämlich, ob sie nun zur Verpackung von Milch oder zur Verpackung anderer Produkte dienen, nicht nur jeweils dieselben Produktionsmerkmale auf, sondern decken auch einen gleichen wirtschaftlichen Bedarf. Darüber hinaus ist ein nicht unbeträchtlicher Teil der Kunden von Tetra Pak, wie die Klägerin eingeräumt hat, sowohl im Milchsektor als auch im Fruchtsäftesektor tätig. Unter diesen verschiedenen Aspekten unterscheidet sich mithin der vorliegende Rechtsstreit von der Fallgestaltung, die dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76 (Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461) zugrunde lag, in der der Gerichtshof zunächst die Möglichkeit erwog, die Existenz zweier getrennter Märkte für das gleiche Produkt festzustellen, das im Gegensatz zum vorliegenden Fall Gegenstand zweier Verwendungsmöglichkeiten in vollkommen unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen war, nämlich einer "bionutritiven" und einer "technologischen" (Randnrn. 28 und 29). Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die von Tetra Pak hergestellten Maschinen und Kartons des gleichen Typs nach den übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien einer einheitlichen Preisregelung unterworfen waren, und zwar unabhängig davon, ob sie für die Verpackung von Milch oder für die Verpackung anderer Produkte bestimmt waren, was ihre jeweilige Zugehörigkeit zu einem einheitlichen Produktmarkt bestätigt. Mithin lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht feststellen, daß für Verpackungssysteme des gleichen Typs je nach ihrer Verwendung für die Verpackung der einen oder der anderen Produktkategorie unterschiedliche Teilmärkte bestanden.

65 Wenn man unter diesen Umständen prüfen will, ob die in der Entscheidung abgegrenzten vier Märkte während des Bezugszeitraums unterschiedliche Märkte darstellten, bedarf es, wie die Kommission vorbringt, der Feststellung im einzelnen, welches die Produkte waren, die mit den aseptischen und nichtaseptischen Maschinen und Kartons in dem vorherrschenden Milchsektor hinreichend austauschbar waren. Da nämlich die Systeme zur Verpackung in Kartons in erster Linie für die Verpackung von Milch verwendet wurden, war der etwaige Besitz einer beherrschenden Stellung in diesem Bereich ausreichend, um gegebenenfalls das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf dem gesamten Markt festzustellen. Eine solche etwaige beherrschende Stellung konnte nicht durch die von der Klägerin angeführte Existenz von Substitutionsausrüstungen im Sektor der Verpackung von anderen Produkten als Milch in Frage gestellt worden, da diese lediglich einen sehr beschränkten Teil aller Produkte darstellten, die während des von der Entscheidung erfassten Zeitraums in Kartons verpackt wurden. Insoweit ergibt sich die überragende Bedeutung des Sektors der Verpackung von Milch ganz eindeutig aus den Angaben in der Entscheidung (Randnr. 6), die von der Klägerin nicht bestritten worden sind. Danach wurden 1987 72 % der mit Kartons arbeitenden Systeme für die Verpackung von Milch, hingegen nur 7 % für die Verpackung anderer Milchprodukte verwendet. Nach den gleichen Angaben wurden 1983 90 % dieser Systeme für die Verpackung von Milch und anderer Milchprodukte verwendet. Diese überragende Bedeutung war in bezug auf die von Tetra Pak vertriebenen Systeme noch ausgeprägter. Aus den von der Klägerin auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgelegten Tabellen ergibt sich, daß für die Verpackung von Milch in der Gemeinschaft 1976 96 %, 1981 81 %, 1987 70 % und 1991 67 % ihrer Produktion aseptischer Systeme bestimmt waren. Diese Zahlen belegen, daß während des Bezugszeitraums der grösste Teil der aseptischen Kartons von Tetra Pak trotz eines Rückgangs zur Verpackung von Milch diente. Nichtaseptische Kartons wurden nach den gleichen Angaben bis 1980 zu 100 % und danach zu 99 % für die Verpackung von Milch verwendet. Aus allen diesen Gründen konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, daß eine getrennte Analyse des Sektors der Verpackung anderer Produkte als Milch nicht sinnvoll war.

66 Zum Bereich der Verpackung von Milch ist darauf hinzuweisen, daß sich die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht auf das vom Gerichtshof gebilligte Kriterium der hinreichenden Austauschbarkeit der verschiedenen Systeme für die Verpackung fluessiger Nahrungsmittel gestützt hat (siehe insbesondere die Urteile vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72, Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, Randnr. 32, und Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., Randnr. 28). Ebenfalls in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den verbundenen Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, Randnrn. 19 bis 22) hat die Kommission das Kriterium der hinreichenden Substituierbarkeit der Produkte auf das Stadium der Verpackungssysteme selbst, die den Markt der Zwischenprodukte bilden, auf dem die Stellung von Tetra Pak zu würdigen ist, und nicht auf das Stadium der Endprodukte, vorliegend der verpackten fluessigen Nahrungsmittel, angewandt.

67 Bei der Prüfung der Austauschbarkeit der Verpackungssysteme auf der Stufe der Verpacker musste die Kommission notwendigerweise die Auswirkungen der Nachfrage der Endverbraucher auf die dazwischen geschaltete Nachfrage der Verpacker berücksichtigen. Sie stellte fest, daß die Verpacker die Verbrauchergewohnheiten bei der Wahl der Art der Verpackung des Produktes lediglich durch Verkaufsförderungs- und Werbemaßnahmen im Rahmen eines langen und kostspieligen, sich über mehrere Jahre erstreckenden Verfahrens beeinflussen konnten, wie Tetra Pak in seiner Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich anerkannt hatte. Unter diesen Umständen konnten die verschiedenen Verpackungsarten nicht als "hinreichend" austauschbar auf der Stufe der Verpacker betrachtet werden, ohne daß es auf deren ° von der Klägerin angeführte ° Verhandlungsmacht ankommt.

68 Wenn sich daher die Kommission auf das Fehlen einer vollständigen Substituierbarkeit bezogen hat, die lediglich die verpackten Produkte und nicht die Verpackungssysteme betraf, so ausschließlich deshalb, um die Auswirkung der Endnachfrage auf die Zwischennachfrage der Verpacker zu prüfen. Die Kommission ist insbesondere zu Recht davon ausgegangen, daß wegen des geringen Anteils der Verpackungskosten am Verkaufspreis der Milch "[g]eringe, jedoch deutliche Änderungen des verhältnismässigen Preises der verschiedenen Verpackungen... nicht ausreichen [würden], um Verlagerungen zwischen den verschiedenen Milchsorten, mit denen sie verbunden sind, zu bewirken, da sich diese Milchsorten absolut nicht einwandfrei austauschen lassen" (Entscheidung Tetra Pak I, Randnr. 32, a. E.). Die Rügen der Klägerin, daß die Kommission von einem vollkommenen Wettbewerb ausgegangen sei und die relevanten Märkte ausschließlich durch Bezugnahme auf die Nachfrage der Verbraucher festgelegt habe, sind daher zurückzuweisen.

69 Das Gericht ist daher erstens der Ansicht, daß die Kommission zu Recht festgestellt hat, daß während des Bezugszeitraums keine hinreichende Austauschbarkeit zwischen den Maschinen für die aseptische Verpackung in Kartons und den Maschinen für die nichtaseptische Verpackung ohne Rücksicht auf das verwendete Material bestand. Im Bereich der Nachfrage waren die aseptischen Systeme durch die ihnen eigenen Merkmale gekennzeichnet, die Bedürfnissen und spezifischen Vorlieben der Verbraucher bezueglich Dauer und Qualität der Konservierung sowie hinsichtlich des Geschmacks entsprachen. Darüber hinaus setzt der Übergang von der Verpackung von UHT-Milch auf die von Frischmilch die Schaffung eines Vertriebssystems voraus, das die dauernde Kühlung sicherstellt. Ferner setzt im Bereich des Angebots die Produktion von Maschinen, die die Verpackung von UHT-Milch in Kartons unter aseptischen Bedingungen ermöglichen, den Besitz einer komplexen Technologie voraus, die in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum lediglich Tetra Pak und ihr Konkurrent PKL hatten entwickeln und einsetzbar machen können. Folglich waren die Produzenten nichtaseptischer Maschinen zur Kartonverpackung, die auf dem Markt tätig waren, der dem betreffenden Markt für aseptische Maschinen am nächsten war, nicht in der Lage, mit Hilfe bestimmter Anpassungen ihrer Maschinen an den Markt für aseptische Maschinen Zugang zu diesem zu erlangen.

70 Auch die aseptischen Kartons stellten einen vom Markt für nichtaseptische Verpackungen verschiedenen Markt dar. Im Bereich der Zwischennachfrage der Verpacker waren aseptische Kartons aus den gleichen Gründen, wie sie bereits in der vorstehenden Randnummer in bezug auf die Maschinen dargelegt wurden, nicht hinreichend austauschbar mit nichtaseptischen Verpackungen einschließlich der Kartons. Für den Bereich des Angebots ergibt sich aus den Akten, daß die Produzenten nichtaseptischer Kartons trotz des Fehlens unüberwindbarer technischer Hindernisse unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht in der Lage waren, sich auf die Herstellung aseptischer Kartons umzustellen. Insoweit beweist die Marktpräsenz des einzigen Wettbewerbers von Tetra Pak, PKL, der während des Bezugszeitraums einen Marktanteil von nur 10 % bei aseptischen Kartons besaß, daß die Wettbewerbsbedingungen so geartet waren, daß es für die Hersteller nichtaseptischer Kartons, insbesondere wegen des Fehlens aseptischer Verpackungsmaschinen, in der Praxis keine Möglichkeit gab, Zugang zum Markt für aseptische Kartons zu erlangen.

71 Das Gericht stellt zweitens fest, daß die aseptischen Maschinen und Kartons während des Bezugszeitraums mit den aseptischen Verpackungssystemen, bei denen andere Materialien verwendet wurden, nicht hinreichend austauschbar waren. Nach den Angaben in den Akten, die die Klägerin nicht bestritten hat, gab es solche Substitutionsausrüstungen nicht, wenn man davon absieht, daß gegen Ende des fraglichen Zeitraums in Frankreich, Deutschland und Spanien Systeme für die aseptische Verpackung in Plastikflaschen, in Pfandglasflaschen und in Beuteln auf den Markt kamen. Jedes dieser neuen Produkte wurde aber in einem einzigen Land eingeführt und eroberte dort im übrigen nur einen marginalen Anteil am Markt für die Verpackung von UHT-Milch. Nach den Angaben der Klägerin soll dieser Marktanteil seit 1987 in Frankreich nur 5 % betragen haben. In der ganzen Gemeinschaft wurde die gesamte UHT-Milch 1976 in Kartons verpackt. Aus der Stellungnahme der Klägerin zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte ergibt sich, daß 1987 ungefähr 97,7 % der UHT-Milch in Kartons verpackt wurden. Am Ende des Bezugszeitraums, d. h. 1991, entfielen auf Kartons noch 97 % des Marktes für die Verpackung von UHT-Milch, während die restlichen 3 % von Plastikverpackungen beansprucht wurden, wie die Klägerin auf eine schriftliche Frage des Gerichts mitgeteilt hat. Dieser unbedeutende Marktanteil der aseptischen Verpackungen aus anderen Materialien lässt die Feststellung zu, daß diese Verpackungen selbst während der letzten Jahre des von der Entscheidung erfassten Zeitraums als Produkte betrachtet werden konnten, die mit den aseptischen Systemen, bei denen Kartons verwendet werden, nicht hinreichend austauschbar waren (Urteil Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, a. a. O., Randnr. 15).

72 Das Gericht ist drittens der Auffassung, daß die nichtaseptischen Maschinen und Kartons Märkte darstellten, die von denen für nichtaseptische Verpackungssysteme, bei denen andere Materialien als Karton verwendet werden, zu unterscheiden sind. Insoweit ist bereits festgestellt worden (siehe Randnrn. 67 und 68 dieses Urteils), daß angesichts des unbedeutenden Anteils der Verpackungskosten am Milchpreis lediglich eine fast völlige Substituierbarkeit der Nachfrage der Endverbraucher die Verpacker zu der Annahme bewogen hätte, daß Verpackungsanlagen ° vorliegend Kartons, Glas- oder Plastikflaschen und nichtaseptische Beutel ° leicht austauschbar seien. Angesichts ihrer sehr unterschiedlichen physikalischen Merkmale und des im Vereinigten Königreich bestehenden Systems der Lieferung pasteurisierter Milch in Glasflaschen frei Haus war diese Form der Verpackung für die Verbraucher nicht austauschbar mit einer Verpackung in Kartons. Darüber hinaus konnten die Umweltfaktoren, die einen Teil der Verbraucher dazu bringen, bestimmten Verpackungsarten wie Pfandglasflaschen den Vorzug zu geben, die Substituierbarkeit dieser Verpackungen mit Kartons nicht begünstigen. Die durch diese Faktoren beeinflußbaren Verbraucher gingen nicht davon aus, daß diese Verpackungen mit Kartons austauschbar seien. Gleiches gilt für die Verbraucher, die im Gegensatz hierzu Wert auf eine bestimmte Annehmlichkeit der Verwendung von in Kartons verpackten Produkten legen. Bezueglich der Plastikflaschen und Plastikbeutel ist darauf hinzuweisen, daß sie nur in den Ländern auf dem Markt waren, in denen die Verbraucher diese Art der Verpackung akzeptierten, nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben in der Entscheidung insbesondere in Deutschland und in Frankreich. Nach der gleichen Quelle wurden diese Verpackungen ferner in Frankreich nur für ungefähr ein Drittel und in Deutschland für ca. 20 % der pasteurisierten Milch verwendet. Mithin waren diese Produkte in der gesamten Gemeinschaft während des von der Entscheidung erfassten Zeitraums in der Praxis nicht hinreichend austauschbar mit aseptischen Verpackungen aus Karton.

73 Die Analyse der Märkte im Bereich der Milchverpackung lässt somit erkennen, daß die in der Entscheidung abgegrenzten vier Märkte tatsächlich unterschiedliche Märkte darstellten.

74 Das Gericht stellt darüber hinaus fest, daß die Prüfung der Substituierbarkeit der verschiedenen Verpackungssysteme im Bereich der Fruchtsäfte, die neben Milch den bedeutendsten Teil der fluessigen Nahrungsmittel ausmachen, zeigt, daß auch in diesem Bereich weder zwischen den aseptischen und den nichtaseptischen Systemen noch zwischen den Systemen, bei denen Kartons verwendet wurden, und den mit anderen Materialien arbeitenden Systemen eine hinreichende Austauschbarkeit bestand.

75 In dieser Hinsicht ist zunächst darauf hinzuweisen, daß der Markt für die Verpackung von Fruchtsäften in Kartons im Bezugszeitraum hauptsächlich von aseptischen Systemen beansprucht war. 1987 waren 91 % der für die Verpackung von Fruchtsäften verwendeten Kartons aseptisch. Diese Aufteilung blieb bis 1991 stabil, als der Anteil aseptischer Kartons 93 % aller Kartons ausmachte, wie sich aus der Antwort von Tetra Pak auf eine schriftliche Frage des Gerichts ergibt. Der unbedeutende Anteil nichtaseptischer Kartons für die Verpackung von Fruchtsäften, der demnach für mehrere Jahre festzustellen ist, zeigt, daß diese in der Praxis mit aseptischen Kartons kaum austauschbar waren.

76 Im übrigen waren die aseptischen Maschinen und Kartons auch nicht hinreichend austauschbar mit Anlagen für die Verpackung von Fruchtsäften, bei denen andere Materialien verwendet wurden. Insoweit ist festzustellen, daß den von Tetra Pak auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgelegten Tabellen zu entnehmen ist, daß im Bezugszeitraum im Bereich der Fruchtsäfte Glasflaschen und Kartons die beiden grossen im Wettbewerb miteinander stehenden Verpackungsarten waren. Aus diesen Tabellen ergibt sich insbesondere, daß 1976 in der Gemeinschaft mehr als 76 % der Fruchtsäfte (mengenmässig) in Glasflaschen, 9 % in Kartons und 6 % in Plastikflaschen verpackt wurden. Der Marktanteil der Kartons belief sich 1987 auf ungefähr 50 % und 1991 auf 46 %. Der Anteil der Glasflaschen stieg zwischen diesen beiden Zeitpunkten von 30 auf 39 %; der Anteil der Plastikflaschen ging von 13 auf 11 % zurück und blieb damit unbedeutend.

77 Angesichts ihrer sehr unterschiedlichen Merkmale sowohl in bezug auf Aussehen, Gewicht und Lagerungsweise als auch hinsichtlich des Preises konnten Kartons und Glasflaschen nicht als hinreichend austauschbar betrachtet werden. Vergleicht man insbesondere die Preise, so ergibt sich aus den übereinstimmenden Antworten beider Parteien auf eine schriftliche Frage des Gerichts, daß die Gesamtkosten der Verpackung von Fruchtsäften in Einwegglasflaschen für den Verpacker ganz eindeutig etwa 75 % über den Kosten für die Verpackung in aseptischen Kartons liegen.

78 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich insgesamt, daß der Kommission rechtlich der Beweis gelungen ist, daß die Märkte für aseptische Maschinen und Kartons sowie die für nichtaseptische Maschinen und Kartons vom allgemeinen Markt für die Systeme der Verpackung fluessiger Nahrungsmittel getrennte Märkte darstellten.

2. Die Märkte für Maschinen und die Märkte für Kartons seien untrennbar miteinander verbunden

Vorbringen der Parteien

79 Die Klägerin legt dar, der relevante Markt müsse als integrierter Markt der Verpackungssysteme umschrieben werden, der die zur Verpackung fluessiger Nahrungsmittel bestimmten Maschinen und die Verpackungen selbst umfasse. Zwischen den Maschinen und den Kartons bestehe sachlich und dem Handelsbrauch nach eine Beziehung der in Artikel 86 Buchstabe d EWG-Vertrag angesprochenen Art. Insbesondere könne die Trennung der Abfuellmaschinen und der aseptischen Kartons zu ernsthaften Gesundheitsgefährdungen und zu schwerwiegenden Folgen für die Kunden von Tetra Pak führen.

80 Die Kommission habe insoweit die Erklärungen der Wettbewerber von Tetra Pak, durch die ihr Vorbringen bestätigt werde, nicht berücksichtigt und keinen Beweis dafür erbracht, daß die getrennte Lieferung von Maschinen und Kartons entweder den Wünschen der Verpacker, über unabhängige Kartonlieferanten zu verfügen, oder den Wünschen der Kartonlieferanten selbst entspreche.

81 Die Kommission stellt die von der Klägerin behauptete Beziehung zwischen den Maschinen und den Kartons in Abrede. Es verstosse gegen Artikel 86 EWG-Vertrag, wenn der Hersteller eines komplexen Produktes es Dritten erschwere, zur Verwendung in seinen Geräten bestimmte Verbrauchsgüter herzustellen.

Würdigung durch das Gericht

82 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Prüfung des Handelsbrauchs entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht den Schluß zulässt, daß eine untrennbare Verbindung zwischen den für die Verpackung eines Produktes bestimmten Maschinen und den Kartons besteht. Schon seit langem gibt es nämlich unabhängige Hersteller, die selbst keine Maschinen herstellen und auf die Herstellung nichtaseptischer Kartons spezialisiert sind, die zur Verwendung in von anderen Unternehmen hergestellten Maschinen bestimmt sind. Insbesondere ergibt sich aus der Entscheidung (Randnr. 16), der die Klägerin insoweit nicht widersprochen hat, daß die 1957 gegründete Firma Elopak bis 1987 ausschließlich Kartons und Zubehör u. a. für die Wartung herstellte. Nach der gleichen, von der Klägerin nicht bestrittenen Quelle (Randnr. 13) verteilten sich 1985 etwa 12 % des Sektors für nichtaseptische Kartonverpackungen auf drei Unternehmen, die ihre eigenen Kartons im allgemeinen aufgrund einer Lizenz herstellten und ° in bezug auf Maschinen ° lediglich als Vertriebsunternehmen tätig waren. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Koppelungsverkauf von Maschinen und Kartons dem Handelsbrauch entsprach, zumal er im nichtaseptischen Sektor nicht die Regel war und es im aseptischen Sektor lediglich zwei Hersteller, nämlich Tetra Pak und PKL, gab.

83 Im übrigen kann dem Vorbringen der Klägerin zu den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes und ihrer sowie ihrer Kunden Interessen nicht gefolgt werden. Es ist nämlich nicht Sache der Hersteller vollständiger Anlagen zu entscheiden, daß Verbrauchsgüter wie Kartons, um Anforderungen des Allgemeininteresses zu genügen, zusammen mit den Maschinen, mit denen zusammen sie verwendet werden sollen, ein untrennbares integriertes System bilden. Nach ständiger Rechtsprechung steht es jedem unabhängigen Hersteller in Ermangelung zwingender Rechtsnormen und allgemeiner Regeln nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vollkommen frei, Verbrauchsgüter herzustellen, die zur Verwendung in von anderen hergestellten Geräten bestimmt sind, es sei denn, daß er damit ein dem Schutz des geistigen Eigentums dienendes Recht eines Wettbewerbers verletzt (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 68, und Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1994 in der Rechtssache C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-667, Randnrn. 11 bis 16).

84 Unter diesen Umständen kann der Gesundheitsschutz ungeachtet der Komplexität der Verfahren zur aseptischen Abfuellung im vorliegenden Fall mit anderen Mitteln gewährleistet werden, insbesondere dadurch, daß den Benutzern der Maschinen die technischen Merkmale, die die Kartons aufweisen müssen, um mit diesen Maschinen kompatibel zu sein, mitgeteilt werden, ohne daß dies gegen die gewerblichen Schutzrechte der Hersteller verstossen würde. Selbst wenn Maschinen und Kartons verschiedenen Ursprungs, wie die Klägerin behauptet, nicht zusammen verwendet werden können, ohne daß damit die Eigenschaften des Systems beeinträchtigt würden, müsste Abhilfe im Erlaß geeigneter Rechts- oder Verwaltungsvorschriften gesucht werden und nicht in einseitigen Maßnahmen der Hersteller, die darauf hinauslaufen, den unabhängigen Herstellern den wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit zu untersagen.

85 Demnach kann der Auffassung der Klägerin, daß die Märkte für Maschinen zur Verpackung eines Produktes und die Märkte für Verpackungskartons untrennbar miteinander verbunden seien, nicht gefolgt werden.

B ° Zum relevanten räumlichen Markt

Vorbringen der Parteien

86 Die Klägerin bestreitet, daß das gesamte Gebiet der Gemeinschaft als relevanter räumlicher Markt zu betrachten sei. Die einzelnen Mitgliedstaaten stellten für die betreffenden Produkte getrennte Märkte dar, weil die objektiven Wettbewerbsbedingungen nicht in der gesamten Gemeinschaft für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich seien.

87 In jedem Mitgliedstaat gebe es lokale Märkte, auf denen selbständige Tochtergesellschaften sowohl von Tetra Pak als auch der übrigen Hersteller tätig seien. Ferner weise die Nachfrage der Verbraucher verpackter fluessiger Nahrungsmittel in den verschiedenen Mitgliedstaaten Unterschiede auf. Insbesondere hätten die Märkte in Nordwesteuropa, zu denen Dänemark, Irland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich gehörten, getrennt untersucht werden müssen, weil dort der Verbrauch von UHT-Milch eine Randerscheinung sei. Im übrigen zeigten die Unterschiede bei den Preisen für Maschinen und Kartons in den Mitgliedstaaten, daß die Gemeinschaft nicht den relevanten räumlichen Markt darstelle.

88 Ausserdem müssten die Gebiete Griechenlands, Spaniens und Portugals für die Zeit vor ihrem Beitritt zu den Europäischen Gemeinschaften aus dem relevanten räumlichen Markt ausgegliedert werden. Spanien müsse vom relevanten Markt für die Zeit nach seinem Beitritt ausgeschlossen werden, weil während einer Übergangszeit Zollschranken weitergegolten hätten.

89 Die Kommission vertritt demgegenüber die Auffassung, daß der relevante räumliche Markt die gesamte Gemeinschaft umfasse. Sie legt im wesentlichen dar, daß alle Arten der betreffenden Kartons und Maschinen in beachtlichem Umfang in jedem Mitgliedstaat anzutreffen und daß die Transportkosten sowohl für die Maschinen als auch für die Kartons zu vernachlässigen seien. Die von der Klägerin behaupteten Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten fänden ihre Erklärung in einer monopolartigen Situation oder einer Abschottung der Märkte.

90 Das Gebiet der Mitgliedstaaten, die während des Bezugszeitraums den Europäischen Gemeinschaften beigetreten seien, sei aus dem räumlichen Markt ausgegliedert und von jeglicher Feststellung einer Zuwiderhandlung vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts ausgenommen worden. Die in Spanien nach seinem Beitritt fortbestehenden Zollschranken für die Einfuhr führten nicht zu einer "Diskriminierung" zwischen den Herstellern von Maschinen und von Kartons, weil keiner von ihnen in Spanien ansässig sei.

Würdigung durch das Gericht

91 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß der räumliche Markt nach der Systematik des Artikels 86 EWG-Vertrag zu dem Zweck abzugrenzen ist, festzustellen, ob das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung in der Gemeinschaft oder in einem wesentlichen Teil derselben hat. Die Umschreibung des räumlichen Marktes erfordert daher wie die des Produktmarktes eine wirtschaftliche Beurteilung. Der räumliche Markt kann so als das Gebiet definiert werden, in dem für alle Wirtschaftsteilnehmer in bezug auf die betreffenden Produkte Wettbewerbsbedingungen gelten, die einander gleichen. Zu Recht weist die Kommission in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es keineswegs erforderlich ist, daß die objektiven Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsteilnehmer vollkommen homogen sind. Es genügt, wenn sie einander "gleichen" oder "hinreichend homogen" sind (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnr. 44; siehe auch Randnrn. 11 und 53).

92 Es ist daher zu prüfen, ob die verschiedenen von der Klägerin geltend gemachten Faktoren in der Gemeinschaft zu heterogenen objektiven Wettbewerbsbedingungen führen. Das Gericht ist insoweit der Ansicht, daß die Ansiedlung der grossen Hersteller von Verpackungssystemen in jedem Mitgliedstaat mit Hilfe von nationalen Tochtergesellschaften sowie die Praxis der Molkereien, ihren Bedarf im Umland zu decken, entgegen der Meinung der Klägerin nicht ausreichen, um zu belegen, daß im Hoheitsgebiet jedes dieser Staaten jeweils eigene Wettbewerbsbedingungen bestehen. Was die von Tetra Pak festgelegte Politik im besonderen betrifft, lässt der Zusammenhang des vorliegenden Falles im Gegenteil die Vermutung zu, daß die söben beschriebenen Umstände eher durch die von diesem Unternehmen angewandte Strategie der Marktabschottung als durch das Vorhandensein lokaler Märkte zu erklären sind, die durch objektiv unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen gekennzeichnet wären. Wenn auch die verschiedenen Verträge zwischen Tetra Pak und ihren Kunden sich durch die Aufnahme einer beträchtlichen Anzahl von je nach Staat unterschiedlichen Zusatzklauseln voneinander unterscheiden, ist nämlich die Geschäftspolitik der verschiedenen Tochtergesellschaften des Konzerns doch Teil einer von der Muttergesellschaft koordinierten Handelsstrategie, was insbesondere dadurch belegt wird, daß die mit den Molkereien geschlossenen Verträge, von der Klägerin nicht bestritten, in allen Mitgliedstaaten die Klausel (ix) über den Koppelungsverkauf sowie eine Klausel über die ausschließliche Bedarfsdeckung bei der örtlichen Tochtergesellschaft von Tetra Pak enthalten. Ferner bestätigen bestimmte, in der Entscheidung (Randnrn. 71 bis 83) angeführte Beweisstücke wie Schreiben und Fernschreiben zwischen Tetra Pak und Tetra Pak Italiana, die zu den Akten gereicht worden sind, daß die Geschäftspolitik von Tetra Pak auf Konzernebene festgelegt wurde.

93 Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall mithin von dem Sachverhalt in der von der Klägerin angeführten Rechtssache Michelin/Kommission, in der der Gerichtshof feststellte, daß die autonome und an den spezifischen Bedingungen des jeweiligen nationalen Marktes ausgerichtete Geschäftspolitik der niederländischen Tochtergesellschaften der Weltkonzerne, die Reifen herstellen, die Annahme eines nationalen Marktes gestatte, auf dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend gleich seien (Randnr. 26 des Urteils).

94 Im vorliegenden Fall hat die Kommission zu Recht einen die gesamte Gemeinschaft umfassenden einheitlichen räumlichen Markt abgegrenzt, und dies aus den folgenden drei Hauptgründen. Erstens bestand, wie die Kommission ohne Widerspruch seitens der Klägerin vorgetragen hat, während des von der Entscheidung erfassten Zeitraums im gesamten Gebiet der Gemeinschaft eine nicht unbeträchtliche, stabile ° wenn auch in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich intensive ° Nachfrage nach allen fraglichen Produkten. Zweitens hatten die Kunden nach der gleichen Quelle technisch gesehen die Möglichkeit, Maschinen und Kartons aus anderen Mitgliedstaaten zu beziehen, da die Anwesenheit örtlicher Vertriebseinheiten lediglich notwendig war, um Installierung, Wartung und Reparatur der Maschinen sicherzustellen. Drittens gestatteten, was die Klägerin nicht bestreitet, die sehr niedrigen Kosten des Transports der Kartons und der Maschinen leichte und rasche Warenbewegungen zwischen den Staaten. Insbesondere wird die Feststellung, daß dank der vernachlässigbaren Transportkosten keine wirtschaftlichen Hindernisse für die Einfuhr der Maschinen bestanden, auch dadurch bestätigt, daß in der Gemeinschaft, wie sich aus der Entscheidung ergibt, Maschinen vertrieben wurden, die in den Vereinigten Staaten von Nimco oder Cherry Burrel und in Japan von Shikoku hergestellt worden waren.

95 In diesem Zusammenhang können bestimmte Verbrauchergewohnheiten für sich genommen nicht das Vorhandensein eines gesonderten räumlichen Marktes belegen, der nach Darstellung der Klägerin aus den Staaten Nordwesteuropas bestanden haben soll. Die behaupteten Unterschiede, die mit der Vorliebe der Verbraucher für eine bestimmte Art von Milch oder eine Form der Verpackung zusammengehangen haben sollen, spiegelten sich nämlich lediglich im Gesamtumfang der Märkte für die fraglichen Produkte in jedem Mitgliedstaat wider und hatten keine Auswirkung auf die innerhalb dieser Märkte bestehenden Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Herstellern dieser spezifischen Produkte, die untereinander in der gesamten Gemeinschaft ähnlichen Wettbewerbsbedingungen unterworfen waren.

96 Auch die ebenfalls von der Klägerin angeführten Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten können nicht als Indiz für nicht homogene objektive Wettbewerbsbedingungen herangezogen werden, da sie angesichts der in den vorstehenden Randnummern beschriebenen Umstände eher ein Indiz für eine künstliche Abschottung der Märkte darstellen.

97 Im übrigen konnten die Staaten, die den Europäischen Gemeinschaften während des Bezugszeitraums beitraten, in der Tat erst vom Zeitpunkt ihres Beitritts an zum relevanten räumlichen Markt gehören, was sich aus der Entscheidung selbst logisch ableiten lässt und von der Kommission vor dem Gericht bestätigt worden ist. Darüber hinaus ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, daß die Aufrechterhaltung von Zollschranken bei der Einfuhr während der Übergangszeit in Spanien für die einzelnen Hersteller von Verpackungssystemen in der Gemeinschaft keine nicht homogenen Wettbewerbsbedingungen geschaffen hat, weil nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Kommission keiner von ihnen in Spanien ansässig und damit auch nicht auf dem Gebiet dieses Mitgliedstaats wegen dieser Zölle im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern in den anderen Mitgliedstaaten aussergewöhnlich günstig gestellt war.

98 Somit erstreckt sich der relevante räumliche Markt im vorliegenden Fall auf die gesamte Gemeinschaft. Er umfasste daher bis zum 31. Dezember 1980 die neun, bis zum 31. Dezember 1985 die zehn und vom 1. Januar 1986 an die zwölf Mitgliedstaaten.

99 Nach alledem beruht die von der Kommission zugrunde gelegte Umschreibung der relevanten Märkte, weder was die Produktmärkte noch was den räumlichen Markt angeht, auf einem offenbaren Beurteilungsfehler.

C ° Zur Stellung von Tetra Pak auf den relevanten Märkten und zur Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

100 Die Klägerin legt dar, daß sie sich nicht in einer beherrschenden Stellung befinde. Selbst wenn sie im übrigen eine solche Stellung auf den aseptischen Märkten einnähme, wäre Artikel 86 auf Verhaltensweisen auf den nichtaseptischen Märkten, die den angeblich von ihr beherrschten aseptischen Märkten benachbart, aber von ihnen zu unterscheiden seien, nicht anwendbar.

101 Die Klägerin wirft zunächst der Kommission vor, bei der Würdigung ihrer Stellung auf den aseptischen Märkten den Marktanteilen übertriebenes Gewicht beigemessen zu haben, ohne die "Ausgleichsmacht" ihrer wichtigsten Kunden und den Wettbewerb durch Innovation zu berücksichtigen. Sie beruft sich insoweit auf das Urteil United Brands/Kommission (Randnrn. 109 und 110), in dem der Gerichtshof entschieden habe, daß ein Marktanteil von 40 % nicht ohne weiteres den Schluß auf eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Produktmarkt zulasse.

102 Die Klägerin trägt ferner vor, auf den nichtaseptischen Märkten nehme sie zwar eine wichtige, aber keine beherrschende Stellung ein, was die Kommission übrigens in ihrer Entscheidung anerkannt habe. Die Anwendung des Artikels 86 auf den nichtaseptischen Bereich sei daher abzulehnen. Die Auffassung der Kommission, daß unter bestimmten Voraussetzungen ein Mißbrauch im Sinne dieses Artikels auf Märkten möglich sei, die von denen, für die eine beherrschende Stellung festgestellt worden sei, verschieden, ihnen aber benachbart sei, stehe im Widerspruch zu der eigentlichen Grundlage der besonderen Verantwortung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die ihren Grund in der geschwächten Wettbewerbsstruktur auf dem beherrschten Markt habe. Im übrigen habe der Gerichtshof in dem Urteil Michelin/Kommission bestätigt, daß ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt keine beherrschende Stellung innehabe, sich auf diesem Markt nicht mißbräuchlich verhalten könne.

103 Im vorliegenden Fall hätten die beanstandeten Verhaltensweisen auf den nichtaseptischen Märkten wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den angeblich beherrschten aseptischen Märkten weder bezweckt noch hervorgebracht ° dies im Gegensatz zu dem Sachverhalt, den der Gerichtshof in den in der Entscheidung angeführten Urteilen Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission (a. a. O.) vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM, Slg. 1985, 3261) und vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86 (AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359) geprüft habe. Anders als im vorliegenden Fall hätten die in den genannten Rechtssachen festgestellten mißbräuchlichen Verhaltensweisen stets auf dem beherrschten Markt stattgefunden, auch wenn sie ihre wettbewerbswidrigen Wirkungen wie in den Rechtssachen Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission und CBEM auf benachbarten Märkten hervorgebracht hätten.

104 Darüber hinaus habe die Kommission im vorliegenden Fall nicht das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen den angeblichen mißbräuchlichen Verhaltensweisen im nichtaseptischen Sektor und der beherrschenden Stellung von Tetra Pak im aseptischen Sektor nachgewiesen. Die Klägerin tritt insbesondere der Behauptung der Kommission entgegen, daß die im aseptischen Sektor erzielten Gewinne es ihr erlaubt hätten, bei nichtaseptischen Maschinen und Kartons auf Verdrängung ausgerichtete oder diskriminierende Preise anzuwenden. Sie bestreitet auch jeden Zusammenhang zwischen ihrer beherrschenden Stellung im aseptischen Sektor und den angeblich unangemessenen Vertragsbedingungen, die sie im nichtaseptischen Sektor erzwungen haben solle. Diese Bedingungen seien durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, das ordnungsgemässe Funktionieren der Verpackungssysteme sicherzustellen, und seien lange vor der Einrichtung aseptischer Anlagen in den Verträgen über die Lieferung nichtaseptischer Maschinen enthalten gewesen.

105 Die Kommission vertritt demgegenüber die Auffassung, daß ein Marktanteil der Klägerin von mindestens 90 % auf den Märkten für aseptische Maschinen und Kartons unwiderlegbar beweise, daß eine beherrschende Stellung auf den aseptischen Märkten bestanden habe.

106 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wird in der Entscheidung keine beherrschende Stellung auf den nichtaseptischen Märkten festgestellt. In Randnummer 104 Absatz 2 der Entscheidung wird gleichwohl betont, daß die Marktanteile von Tetra Pak im nichtaseptischen Bereich für den Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung auf diesen nichtaseptischen Märkten ausgereicht hätten, wenn man diese Märkte isoliert betrachte. Angesichts der beherrschenden Stellung von Tetra Pak auf den aseptischen Märkten und den Verbindungen zwischen diesen und den nichtaseptischen Märkten vertritt die Kommission die Auffassung, daß auch die Verhaltensweisen im nichtaseptischen Sektor unter Artikel 86 fielen und daß "also nicht gesondert nachgewiesen zu werden [braucht], daß Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten, für sich betrachtet, eine marktbeherrschende Stellung besitzt" (Randnr. 104 Absatz 4 der Entscheidung).

107 Die Kommission macht geltend, weder der Wortlaut noch der Zweck des Artikels 86 EWG-Vertrag ließen die Annahme zu, daß er lediglich mißbräuchliche Verhaltensweisen auf demjenigen relevanten Markt verbiete, der zur Feststellung der beherrschenden Stellung gedient habe, und daß er damit dem betreffenden Unternehmen gestatte, sich auf anderen Märkte mißbräuchlich zu verhalten; dies gelte insbesondere dann, wenn diese Märkte eng mit dem relevanten Markt verbunden seien.

108 In der vorliegenden Sache behauptet die Kommission in der Entscheidung, daß die Klägerin "im vorliegenden Fall die Verbindung zwischen den vier Märkten zu Mißbräuchen auf den Märkten für nichtaseptische Produkte genutzt [hat]; Mißbräuche, die nicht begangen worden wären ohne eine marktbeherrschende Stellung auf den aseptischen Märkten" (Randnr. 104 Absatz 5 der Entscheidung). Es sei undenkbar, daß sich die Klägerin auf eine Kampagne mit auf Verdrängung ausgerichteten Preisen gegen Elopak in Italien und allgemein in der Gemeinschaft eingelassen hätte, wenn sie nicht gewusst hätte, daß ungefähr 90 % ihrer Gewinne aus dem aseptischen Bereich stammten. Auch habe die Klägerin nur deshalb unangemessene Vertragsbedingungen auf den nichtaseptischen Märkten erzwingen können, weil 56 % ihrer Kunden in diesem Bereich auch Tätigkeiten im aseptischen Bereich ausgeuebt hätten.

Würdigung durch das Gericht

109 In bezug auf den aseptischen Sektor ergibt sich zunächst aus den übereinstimmenden Angaben der Parteien, daß der Anteil von Tetra Pak an den aseptischen Märkten für Maschinen und für Kartons in der gesamten Gemeinschaft während des Bezugszeitraums ungefähr 90 % betrug. Eindeutig verschafften solche Marktanteile der Klägerin eine Stellung auf dem Markt, die sie zu einem unumgänglichen Partner für die Verpacker werden ließ und ihr die für eine beherrschende Stellung charakteristische Unabhängigkeit des Verhaltens ermöglichten. Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß solche Marktanteile für sich genommen mangels aussergewöhnlicher Umstände den Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung liefern (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., Randnrn. 41, 60 und 66, und AKZO/Kommission, a. a. O., Randnr. 60, sowie Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, a. a. O., Randnrn. 91 und 92).

110 Ferner trugen, worauf die Kommission hingewiesen hat, die Tatsache, daß auf den Märkten für aseptische Maschinen und Kartons nur ein einziger Wettbewerber von Tetra Pak, die Firma PKL, präsent war, der die restlichen Marktanteile in Höhe von ungefähr 10 % dieser Märkte innehatte, sowie die Existenz technologischer Schranken und zahlreicher Patentrechte, die dem Zugang neuer Wettbewerber zum Markt für aseptische Maschinen entgegenstanden, dazu bei, die beherrschende Stellung von Tetra Pak sowohl auf dem Markt für aseptische Maschinen als auch auf dem für aseptische Kartons aufrechtzuerhalten und zu verstärken. Denn wenn auch, wie beide Parteien einräumen, der Zugang von Wettbewerbern zum Markt für aseptische Kartons technisch möglich war, stellte doch das Fehlen verfügbarer aseptischer Maschinen, das insbesondere auf die von Tetra Pak betriebene Politik des Kopplungsverkaufs zurückzuführen war, in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis für den Zugang neuer Wettbewerber zum Markt dar.

111 Angesichts alles dessen kann den Argumenten, die die Klägerin aus der Verhandlungsmacht ihrer Kunden und dem Wettbewerb durch Innovation herleitet, nicht gefolgt werden. Ihre beherrschende Stellung auf den beiden aseptischen Märkten ist folglich als ausreichend nachgewiesen anzusehen.

112 Unter diesen Umständen ist ferner zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 86, wie die Kommission behauptet, wegen der Verbindungen zwischen den beiden nichtaseptischen Märkten und den beiden aseptischen Märkten auch auf ersteren gegeben sind.

113 Insoweit weist das Gericht vorab darauf hin, daß Artikel 86 EWG-Vertrag die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen verbietet. Damit legt er die Voraussetzungen für seine Anwendung lediglich in bezug auf die Ausdehnung des relevanten räumlichen Marktes fest. Er enthält hingegen keinen ausdrücklichen Hinweis hinsichtlich der Erfordernisse im Zusammenhang mit der Lokalisierung des Mißbrauchs auf dem Produktmarkt.

114 Zur Bestimmung dieser Voraussetzung ist folglich Artikel 86 EWG-Vertrag nach Maßgabe seines Gegenstands und seines Zwecks auszulegen, wie sie vom Gerichtshof näher dargelegt worden sind, der in seinem Urteil Michelin/Kommission (a. a. O., Randnr. 57) entschieden hat, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung unabhängig von den Ursachen dieser Stellung nach dieser Vorschrift eine besondere Verantwortung dafür trägt, daß es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb im Sinne des allgemeinen Ziels, das in Artikel 3 Buchstabe f EWG-Vertrag in seiner damaligen Fassung festgelegt war, nicht beeinträchtigt. Unter Artikel 86 fallen somit alle Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Aufrechterhaltung oder Entwicklung des noch bestehenden Wettbewerbs auf einem Markt behindern, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., Randnr. 91).

115 Der sachliche Anwendungsbereich der besonderen Verantwortung, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung trägt, ist daher, wie eine Analyse der Rechtsprechung bestätigt, anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln, die eine Situation geschwächten Wettbewerbs erkennen lassen. Der Gerichtshof hat insoweit in seinen Urteilen Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission (a. a. O., Randnrn. 21 und 22) und CBEM (a. a. O., Randnrn. 25 bis 27) insbesondere entschieden, daß Artikel 86 EWG-Vertrag auch in dem Fall gilt, daß sich ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf einem bestimmten Markt innehat, ohne objektive Notwendigkeit eine Hilfstätigkeit oder eine abgeleitete Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt, auf dem es keine beherrschende Stellung innehat, selbst auf die Gefahr hin vorbehält, jeglichen Wettbewerb auf diesem Markt auszuschalten. In seinem Urteil AKZO/Kommission (a. a. O., Randnrn. 39 bis 45) hat der Gerichtshof ausdrücklich entschieden, daß Preisnachlässe, die auf einem vom relevanten Produktmarkt verschiedenen Markt gewährt werden, der ein Teilmarkt des relevanten Marktes ist, unter Artikel 86 fallen. Ferner hat das Gericht in seinem Urteil vom 1. April 1993 in der Rechtssache T-65/89 (BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1993, II-389, Randnrn. 92 und 93) die Anwendung des Artikels 86 auf einen Vorteil gebilligt, den das betreffende Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Gipsplatten innehatte, auf einem getrennten Markt, dem Markt für Gips, nur den Kunden gewährte, die sich auf dem Markt für Gipsplatten ausschließlich bei ihm eindeckten. In diesem Fall hat sich das Gericht auf die besonderen Umstände des Falles gestützt, in dem die Kunden des Unternehmens auf beiden Märkten tätig waren und auf dem Markt für Gips von ihrem Lieferanten abhängig waren.

116 Das Vorbringen der Klägerin, daß der Gemeinschaftsrichter jede Möglichkeit der Anwendung des Artikels 86 auf eine Handlung eines Unternehmens ausgeschlossen habe, das auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt eine beherrschende Stellung innehabe, ist daher zurückzuweisen. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß das Urteil Michelin/Kommission (a. a. O.) entgegen der von der Klägerin vorgetragenen Auslegung nicht einschlägig ist, da es sich nicht mit der Frage befasst, ob Artikel 86 EWG-Vertrag auf Handlungen auf einem von dem beherrschten Markt verschiedenen Markt anwendbar ist. In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof lediglich über die Richtigkeit der Entscheidung der Kommission zu befinden, in der festgestellt worden war, daß ein Zusatzrabatt in Zusammenhang mit Verkaufszielen auf dem Markt für Pkw-Reifen in Wahrheit einem Rabatt auf Verkäufe von Lastwagenreifen entsprach und damit eine gebundene Leistung im Sinne des Artikels 86 Buchstabe d EWG-Vertrag darstellte. Die Kommission war davon ausgegangen, daß das betreffende Unternehmen mit diesem Rabatt die Erlangung eines Vorteils auf dem Markt für Lastkraftwagenreifen, auf dem es eine beherrschende Stellung innehatte, von der Erreichung eines Verkaufsziels auf dem getrennten Markt für Pkw-Reifen abhängig machte. Der Gerichtshof hat die Entscheidung in diesem Punkt mit der Begründung für nichtig erklärt, daß der streitige Rabatt nach Maßgabe eines Verkaufsziels nur auf dem Markt für Pkw-Reifen gewährt wurde und durch ihn somit kein Zusammenhang zwischen dem Kauf von Lastkraftwagenreifen und dem von Pkw-Reifen hergestellt wurde.

117 Das Gericht hat daher unabhängig von jeder Würdigung dieser Verhaltensweisen im gegenwärtigen Stadium der Prüfung zu untersuchen, ob Artikel 86 unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles auf Verhaltensweisen von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten angewandt werden kann.

118 Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in der Entscheidung die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag auf den nichtaseptischen Bereich sowohl mit der führenden Stellung von Tetra Pak in diesem Bereich als auch mit den Verbindungen der nichtaseptischen mit den aseptischen Märkten begründet hat, auf denen das Unternehmen eine beherrschende Stellung innehatte. Sie hat die Auffassung vertreten, daß angesichts solcher Verbindungen "nicht gesondert nachgewiesen zu werden [braucht], daß Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten, für sich betrachtet, eine marktbeherrschende Stellung besitzt". Im Anschluß an die Feststellung, daß Tetra Pak im nichtaseptischen Bereich weniger den Marktkräften ausgesetzt gewesen sei als jeder ihrer Konkurrenten, wird in der Entscheidung ausgeführt, daß es wegen der Verbindung zwischen dem aseptischen und dem nichtaseptischen Bereich "in diesem Verfahren gar nicht nötig [ist], den Nachweis dafür zu erbringen, [daß] die Marktmacht, die Tetra Pak aus seiner führenden Rolle auf dem nichtaseptischen Markt herleitet, mit einer direkt marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 gleichzusetzen ist" (Randnr. 101). Die mißbräuchlichen Verhaltensweisen auf den nichtaseptischen Märkten seien "selbst für den Fall, daß die beherrschende Stellung von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten nicht unabhängig von seiner Stellung auf den aseptischen Märkten angenommen wird", nachgewiesen (Randnr. 104 der Entscheidung, Absatz 6). Ferner wird in der Entscheidung hervorgehoben, daß Tetra Pak 78 % des gesamten Marktes für aseptische und nichtaseptischen Verpackungen in Kartons halte (das Siebenfache des Marktanteils ihres engsten Wettbewerbers) und auch auf diesem grösseren Markt "immer noch unbestreitbar ein marktbeherrschendes Unternehmen [wäre]" (Randnr. 103 Absatz 4).

119 Was zunächst die Marktanteile von Tetra Pak im nichtaseptischen Bereich angeht, stellt das Gericht fest, daß dieses Unternehmen nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien 1985 etwa 48 % des Marktes für aseptische Kartons und 52 % des Marktes für aseptische Maschinen besaß. Dieser Marktanteil überstieg bereits 1956 40 % und wuchs unaufhörlich auf etwa 55 % im Jahr 1987 an. Darüber hinaus war der Marktanteil von Tetra Pak allein, worauf die Kommission hingewiesen hat, um 10 bis 15 % höher als die zusammengerechneten Marktanteile ihrer beiden wichtigsten Wettbewerber, von denen der erste ungefähr zweimal und der zweite fünfmal kleiner war als die Klägerin. Die Kommission konnte daher in der Entscheidung (Randnr. 99) zu Recht davon ausgehen, daß solche Marktanteile für sich allein die Annahme einer beherrschenden Stellung rechtfertigen. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 691A0083.2

120 Was sodann die behaupteten Verbindungen zwischen den betreffenden Märkten angeht, so ergeben sie sich aus der Identität der Schlüsselprodukte, zu deren Verpackung sowohl die aseptischen als auch die nichtaseptischen Kartons dienen, sowie aus dem Verhalten der Hersteller und der Benutzer. Sowohl die aseptischen als auch die nichtaseptischen Maschinen und Kartons, um die es im vorliegenden Fall geht, werden nämlich für die Verpackung derselben fluessigen, zur menschlichen Ernährung bestimmten Produkte, in erster Linie Milchprodukte und Fruchtsäfte, verwendet. Darüber hinaus ist ein grosser Teil der Kunden von Tetra Pak sowohl im aseptischen als auch im nichtaseptischen Bereich tätig. Die Klägerin hat demgemäß in ihrer schriftlichen Stellungnahme auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie in ihren dem Gericht eingereichten schriftlichen Erklärungen bestätigt hat, ausgeführt, daß 1987 ungefähr 35 % ihrer Kunden sowohl aseptische als auch nichtaseptische Systeme erworben hätten. Im übrigen hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, daß das Verhalten der wichtigsten Hersteller von Systemen der Verpackung in Kartons die bestehende Verbindung zwischen den aseptischen und den nichtaseptischen Märkten bestätige, weil zwei von ihnen, Tetra Pak und PKL, bereits auf den vier Märkten präsent seien und der dritte, Elopak, der im nichtaseptischen Bereich gut eingeführt sei, seit langem versuche, Zugang zu den aseptischen Märkte zu erlangen.

121 Mithin hat die Kommission zu Recht festgestellt, daß die vorgenannten Verbindungen zwischen den beiden aseptischen Märkten und den beiden nichtaseptischen Märkten die Wirtschaftsmacht von Tetra Pak auf den letzteren verstärkten. Der nahezu 90 % betragende Anteil von Tetra Pak an den aseptischen Märkten machte sie nämlich für die Unternehmen, die sowohl frische als auch lang haltbare fluessige Nahrungsmittel herstellen, nicht nur zu einem unumgänglichen Lieferanten aseptischer Systeme, sondern auch zu einem bevorzugten Lieferanten nichtaseptischer Systeme. Darüber hinaus war Tetra Pak aufgrund ihres technologischen Vorsprungs und ihres Quasimonopols im aseptischen Bereich in der Lage, ihre Wettbewerbsbemühungen auf die benachbarten nichtaseptischen Märkte zu konzentrieren, auf denen sie bereits gut eingeführt war, ohne Gegenmaßnahmen im aseptischen Bereich befürchten zu müssen; dies befähigte sie zu einem unabhängigen Verhalten gegenüber den anderen Wirtschaftsteilnehmern auch auf den nichtaseptischen Märkten.

122 Aus alledem ergibt sich, daß die Verhaltensweisen von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten im Kontext des vorliegenden Falles unter Artikel 86 EWG-Vertrag subsumiert werden können, ohne daß das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf diesen Märkten für sich genommen festgestellt werden müsste, weil die führende Stellung des Unternehmens auf den nichtaseptischen Märkten zusammen mit den engen Verbindungen zwischen diesen Märkten und den aseptischen Märkten Tetra Pak eine Unabhängigkeit des Verhaltens gegenüber den auf den nichtaseptischen Märkten präsenten anderen Wirtschaftsteilnehmern gestatteten, die ihre besondere Verantwortung nach Artikel 86 für die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf diesen Märkten rechtfertigt.

123 Demgemäß ist der erste Teil des dritten Klagegrundes der Klägerin zurückzuweisen.

2 ° Zu den mißbräuchlichen Verhaltensweisen

124 Die Klägerin macht geltend, die Verträge mit ihren Kunden enthielten keine mißbräuchlichen Klauseln (A). Sie tritt auch der Behauptung entgegen, sie habe bei den Tetra-Rex-Kartons in Italien auf Verdrängung ausgerichtete Preise angewandt (B). Auch habe sie ihre Maschinen und Kartons nicht zu Preisen verkauft, durch die die Benutzer in den verschiedenen Mitgliedstaaten in diskriminierender Weise unterschiedlich behandelt worden wären (C). Ferner habe sie ihre Maschinen im Vereinigten Königreich nicht zu auf Verdrängung ausgerichteten Preisen verkauft (D). Schließlich seien die Preise für ihre Maschinen und die beanstandeten punktüllen Verhaltensweisen in Italien nicht mißbräuchlich gewesen (E).

A ° Die Ausschließlichkeitsklauseln und die übrigen streitigen Vertragsklauseln

Vorbringen der Parteien

125 Die Klägerin trägt vor, weder die Pflicht, mit ihren Maschinen nur Tetra-Pak-Kartons zu fuellen (Klausel [ix]), noch die Pflicht, Kartons ausschließlich von Tetra Pak zu beziehen (Klauseln [x] und [xxv]) könnten als mißbräuchliche Koppelungsverkäufe betrachtet werden. Sowohl sachlich als auch nach Handelsbrauch im Sinne des Artikels 86 Buchstabe d EWG-Vertrag seien die von ihr vertriebenen Verpackungsanlagen vollständige und untrennbare Systeme, die die Maschine, das Verpackungsmaterial, die Anleitung und den Kundendienst umfassten.

126 Die Klägerin macht geltend, der Vertrieb vollständiger Verpackungssysteme sei objektiv durch das Anliegen des Gesundheitsschutzes und damit auch der Verteidigung ihres Rufs durch die ausschließliche Kontrolle über das gesamte Verpackungsverfahren gerechtfertigt gewesen. Die Kartons seien nämlich viel ausgeklügeltere Verpackungen als die herkömmlichen Verpackungen wie Flaschen, was ein erhebliches Risiko technischer Fehler mit sich bringe, die schwere Beeinträchtigungen in den anfälligen Kreisen der Bevölkerung hervorrufen könnten. Aus diesem Grunde seien die streitigen Klauseln auch bei den nichtaseptischen Maschinen gerechtfertigt gewesen, die sie von Nimco und Cherry Burrel erworben habe und an ihre Normen habe anpassen müssen.

127 Sämtliche Hersteller von Kartonverpackungssystemen in der Gemeinschaft lieferten vollständige Verpackungssysteme. Elopak, auf die die an die Kommission gerichtete Beschwerde im vorliegenden Fall zurückgehe, habe im übrigen der Kommission gegenüber bestätigt, daß man von einem einheitlichen Markt für Maschinen und Kartons ausgehen müsse, weil dies die wirksamste Wettbewerbsform sei. Diese Auffassung sei von der Kommission selbst in Randnummer 24 der Entscheidung Tetra Pak I gebilligt worden. Darüber hinaus habe die Beklagte mit ihrer Annahme in Randnummer 180 der Entscheidung, daß ein Koppelungsverkauf unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sei, eingeräumt, daß ein solcher Verkauf nicht an sich rechtswidrig sei.

128 Unter diesen Umständen wirft die Klägerin der Kommission vor, die Ausschließlichkeitsklauseln als solche beanstandet zu haben, ohne zu prüfen, ob sie sich tatsächlich auf den Wettbewerb ausgewirkt hätten. Nichts beweise insbesondere, daß ein Kunde den Wunsch gehabt habe, aseptische Kartons von einem ihrer Wettbewerber zu beziehen. Dies werde durch die Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika bestätigt, in denen die Verträge von Tetra Pak keine Koppelungsverkaufsklausel enthielten und die Reglementierung den Schutz der Gesundheit sicherstelle. In diesem Land aber hätten die Verpacker auf Abfuellmaschinen von Tetra Pak niemals von Dritten gelieferte Verpackungen verwendet.

129 Die Klägerin trägt ganz allgemein vor, keine der 27 in der Entscheidung aufgeführten Klauseln sei mißbräuchlich. Entgegen den Behauptungen der Kommission seien diese Klauseln nicht Teil einer systematischen und geplanten wettbewerbswidrigen Handelsstrategie in der gesamten Gemeinschaft. Ihr autonomes Produktions- und Vertriebssystem stelle eine legitime Form der Organisation dar und lasse nicht die Annahme einer Marktabschottungsstrategie zu. Auch die Rügen der Kommission in bezug auf ihre Patentpolitik seien unbegründet.

130 Von den von der Kommission beanstandeten Klauseln seien lediglich zwei, nämlich die Klausel (iv) über die Ausschließlichkeit bei Instandhaltung und Reparaturen und die oben angeführte Klausel (ix) in den Standardverträgen in jedem der zwölf Mitgliedstaaten enthalten gewesen. Sämtliche 27 Klauseln seien nur in einem einzigen Land, Italien, Teil der Verträge gewesen. Im übrigen ergebe sich eindeutig aus den Randnummern 25 bis 45 der Entscheidung, in denen die betreffenden Klauseln aufgeführt seien, daß diese von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat eine Reihe von Unterschieden in ihrer Formulierung aufwiesen. Im übrigen seien nur die zehn nachstehend untersuchten Klauseln in mindestens zehn Mitgliedstaaten einschließlich der vier Staaten mit dem grössten räumlichen Markt verwendet worden.

131 Die Klägerin macht insoweit geltend, daß die Klauseln, mit denen sie sich wie mit den Klauseln (ii), (iv), (v) und (viii) die Ausschließlichkeit beim Umbau, bei der Instandhaltung und beim Austausch von Ersatzteilen sichere und sich die Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums an allen technischen Verbesserungen oder Änderungen der Anlagen vorbehalten habe, aus Gründen der Sicherheit und der Wirksamkeit gerechtfertigt gewesen seien. Die Klauseln (viii), (xiv) und (xix), die ihr erlaubten, die Geschäftstätigkeit der Mieter oder Käufer ihrer Maschinen zu kontrollieren, seien Ausdruck des für einen Kaufmann üblichen und vernünftigen Bestrebens, für das ordnungsgemässe Funktionieren seines Unternehmens zu sorgen. Die lediglich in den Mietverträgen enthaltene Klausel (xx), die die Übertragung des Mietverhältnisses sowie die Untervermietung untersage, sei eine in Verträgen dieser Art übliche Klausel. Die Klauseln (xxi) und (xxii), in denen die Fakturierung einer "Grundmiete" und monatlich zu entrichtender Mietzahlungen vorgesehen sei, deren Höhe sich nach der Zahl der verwendeten Kartons richte, hätten den Erwerb von Kartons bei anderen Lieferanten, die auf anderen als ihren Maschinen hätten verwendet werden sollen, nicht erschwert. Was die Mietdauer angehe, bezögen sich die Rügen der Kommission ausschließlich auf den italienischen Markt. Selbst in Italien hätten die Mieter, obwohl die normale Mietdauer neun Jahre betragen habe, den Vertrag jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr beenden können.

132 Die Kommission macht geltend, der Koppelungsverkauf von Maschinen und Kartons sei ein Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 Buchstabe d EWG-Vertrag. Es gebe nämlich schlagende Beweise dafür, daß nichtaseptische Kartons auf Maschinen einer anderen Marke verwendet werden könnten. Im aseptischen Bereich seien die technischen Hindernisse für den Zugang zum Markt für Kartons, die sich aus bestimmten technischen Unterschieden zwischen den aseptischen und den nichtaseptischen Verpackungsverfahren ergäben, nicht unüberwindbar gewesen, weil es bestimmte Ähnlichkeiten zwischen diesen Verfahren gebe. Unter diesen Umständen gestatteten die von der Klägerin vorgebrachten Rechtfertigungen es nicht, die beanstandete Koppelungsklausel als rechtmässig anzuerkennen. Was die anderen Vertragsklauseln angehe, so hätten sie bezweckt, die Kunden nach dem Zustandekommen des Verkaufsgeschäfts für die gesamte Lebensdauer der Maschine völlig von Tetra Pak abhängig zu machen, was jede Möglichkeit eines Wettbewerbs bei Kartons und verwandten Produkten ausgeschlossen habe.

133 Unter diesen Umständen sei Wettbewerb lediglich zum Zeitpunkt des Verkaufs der Maschinen tatsächlich möglich gewesen. Die Klägerin habe somit den Wettbewerb künstlich auf das Gebiet beschränkt, auf dem ihr technologischer Vorsprung am grössten und die Schranken für den Marktzugang infolgedessen am höchsten gewesen seien. Ihre Vertragspolitik habe es ihr ferner ermöglicht, ihre Gewinne nahezu gänzlich in Form von Erträgen aus dem Verkauf der Kartons zu erzielen.

Würdigung durch das Gericht

134 Zu den Standardklauseln, nach denen auf den von Tetra Pak verkauften Maschinen ausschließlich deren Kartons verwendet (Klausel [ix]) und Kartons ausschließlich von Tetra Pak oder einem von ihr benannten Lieferanten bezogen (Klauseln [x] und [xxv]) werden dürfen, weist das Gericht zunächst darauf hin, daß die Klägerin die gerügten Tatsachen als solche nicht bestreitet. Sie erkennt insbesondere an, daß die Klausel (ix) während des Bezugszeitraums in sämtlichen mit den Benutzern ihrer Verpackungssysteme geschlossenen Kauf- oder Mietverträgen über Maschinen enthalten war. Die Klausel (x) war, wie der Antwort der Klägerin auf eine schriftliche Frage des Gerichts zu entnehmen ist, in allen ihren Kaufverträgen über Maschinen enthalten. Nach den Akten war in den sechs Mitgliedstaaten, in denen Tetra Pak Maschinen verkaufte, eine solche Ausschließlichkeitsklausel auch in den Verträgen über die Lieferung von Kartons enthalten. Im übrigen hat die Kommission in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts ohne Widerspruch seitens der Klägerin ausgeführt, daß die Mietverträge über Maschinen eine Ausschließlichkeitsklausel für die Lieferung von Kartons durch die örtliche Tochtergesellschaft von Tetra Pak enthalten hätten.

135 Im übrigen hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts in der Entscheidung zu Recht festgestellt, daß die 24 übrigen streitigen Vertragsklauseln (Klauseln [i] bis [viii], [ix] bis [xxiv], [xxvi] und [xxvii]) Teil einer globalen Strategie waren, mit der der Kunde nach dem Zustandekommen des Geschäfts über den Kauf oder die Anmietung von Maschinen für die gesamte Lebensdauer dieser Maschine völlig von Tetra Pak abhängig gemacht und so insbesondere jede Möglichkeit des Wettbewerbs sowohl bei Kartons als auch bei verwandten Produkten ausgeschlossen werden sollte. Ihre Auswirkung auf den Wettbewerb ist daher in Verbindung mit den oben angeführten Klauseln (ix), (x) und (xxv) zu prüfen, mit denen der Markt für Kartons völlig vom Markt für Maschinen abhängig gemacht werden sollte, auf dem sie den Verdrängungseffekt verstärkten und ergänzten. Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß diese übrigen Klauseln auch für sich betrachtet als mißbräuchlich angesehen werden könnten, weil sie ° je nach Klausel ° insbesondere bezweckten, den Verkauf von Maschinen und von Kartons von der Annahme zusätzlicher Leistungen anderer Art, wie Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten und Lieferung von Ersatzteilen, abhängig zu machen, Rabatte insbesondere auf die Kosten für Unterstützung sowie Instandhaltung und Modernisierung der Maschinen oder auf einen Teil der Miete je nach Zahl der verwendeten Kartons zu gewähren, um die Kunden zum Einkauf von Kartons bei Tetra Pak zu bewegen, und schließlich eine Kontrolle von Tetra Pak über die Tätigkeit ihrer Kunden einzurichten und ihr das ausschließliche geistige Eigentum an allen von den Benutzern der Kartons vorgenommenen technischen Verbesserungen oder Änderungen vorzubehalten.

136 Da somit feststeht, daß die beanstandeten Klauseln allesamt der Verwirklichung des gleichen Zieles dienten, ist nunmehr zu prüfen, ob das sich hieraus ergebende System der Koppelungsverkäufe, wie die Klägerin behauptet, im Hinblick auf den Handelsbrauch und die Art der betreffenden Erzeugnisse (d. h. "sachlich") im Sinne des Artikels 86 Buchstabe d EWG-Vertrag objektiv gerechtfertigt war.

137 Dem Vorbringen der Klägerin dazu ist nicht zu folgen. Aus den vom Gericht bereits dargelegten Gründen (siehe Randnr. 82 dieses Urteils) kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Koppelungsverkauf von Abfuellmaschinen und Kartons dem Handelsbrauch entspricht. Selbst wenn aber ein solcher Brauch festgestellt werden könnte, würde dies nicht genügen, um den Rückgriff eines Unternehmens in beherrschender Stellung auf ein System von Koppelungsverkäufen zu rechtfertigen. Ein Handelsbrauch, der bei normaler Situation auf einem von Wettbewerb geprägten Markt annehmbar wäre, kann im Fall eines Marktes, auf dem der Wettbewerb bereits eingeschränkt ist, nicht gebilligt werden. Insoweit hat der Gerichtshof insbesondere entschieden, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung, das seine Kunden direkt oder indirekt durch eine Alleinbezugspflicht an sich bindet, mißbräuchlich handelt, weil es seinem Abnehmer die Wahl zwischen mehreren Bezugsquellen unmöglich macht und anderen Herstellern den Zugang zum Markt verwehrt (Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., Randnrn. 89 und 90, AKZO/Kommission, a. a. O., Randnr. 149, und BPB Industries und British Gypsum/Kommission, a. a. O., Randnr. 68).

138 Was die von Tetra Pak angeführte grundlegende Rechtfertigung angeht, die sie daraus herleitet, daß ihre Verpackungssysteme in wirtschaftlicher Hinsicht ein untrennbares Ganzes darstellten, hat das Gericht im Rahmen seiner Ausführungen zur Umschreibung der relevanten Märkte (siehe Randnrn. 83 und 84 dieses Urteils) ebenfalls bereits festgestellt, daß sie der Prüfung nicht standhält. Die von Tetra Pak vorgetragenen Erwägungen bezueglich der Technik, der Produkthaftung, des Gesundheitsschutzes und des Schutzes ihres Rufs sind nämlich im Lichte der Grundsätze des Urteils Hilti/Kommission (a. a. O., Randnr. 118) zu würdigen, in dem das Gericht entschieden hat, daß "es einem Unternehmen in beherrschender Stellung eindeutig nicht zu[kommt], aus eigener Initiative Maßnahmen zu ergreifen, um Produkte zu eliminieren, die es zu Recht oder Unrecht im Vergleich zu eigenen Erzeugnissen für qualitativ minderwertig hält".

139 Im vorliegenden Fall hätten die Zuverlässigkeit der Verpackungsanlagen für Molkereien und sonstige Benutzer und die Einhaltung der Hygienevorschriften gegenüber dem Endverbraucher dadurch sichergestellt werden können, daß die Benutzer der Tetra-Pak-Maschinen über sämtliche technischen Spezifikationen der auf diesen Anlagen zu verwendenden Kartons unterrichtet worden wären, ohne daß damit die gewerblichen Schutzrechte der Klägerin beeinträchtigt worden wären. Insoweit ist im übrigen darauf hinzuweisen, daß die Kommission Tetra Pak im Rahmen der in der Entscheidung getroffenen Anordnungen zur Abstellung der Zuwiderhandlungen verpflichtet, den Käufern oder Mietern ihrer Maschinen die Spezifikationen des mit ihren Maschinen kompatiblen Verpackungsmaterials mitzuteilen. Selbst wenn im übrigen anzunehmen wäre, daß die Verwendung von Kartons einer anderen Marke auf Tetra-Pak-Maschinen eine Gefahr dargestellt hätte, hätte die Klägerin die Möglichkeiten nutzen müssen, die ihr die einschlägigen Rechtsvorschriften in den einzelnen Mitgliedstaaten geboten hätten.

140 Unter diesen Umständen steht fest, daß die Koppelungsklausel und die übrigen in der Entscheidung angeführten Klauseln über das angegebene Ziel hinausgingen und bezweckten, die beherrschende Stellung von Tetra Pak durch eine Vertiefung der wirtschaftlichen Abhängigkeit ihrer Kunden von ihr zu verstärken. Diese Klauseln waren daher im Bereich des Gesundheitsschutzes durch keinen vernünftigen Grund zu rechtfertigen und gingen auch über das Recht eines Unternehmens in beherrschender Stellung, seine Geschäftsinteressen zu schützen, hinaus (siehe zu diesem zweiten Aspekt das Urteil United Brands/Kommission, a. a. O., Randnr. 189). Sie waren somit, gleichgültig, ob einzeln oder insgesamt betrachtet, unangemessen.

141 Demgemäß hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß die genannten Klauseln insgesamt mißbräuchlich waren.

B ° Die angeblich auf Verdrängung ausgerichteten Preise für Tetra-Rex-Kartons in Italien

Vorbringen der Parteien

142 Die Klägerin trägt vor, daß die Preise, die sie von 1976 bis 1982 in Italien für ihre nichtaseptischen Tetra-Rex-Kartons angewandt habe, nicht auf die Verdrängung ihrer Wettbewerber ausgerichtet gewesen seien. Diese Preise seien durch die auf dem italienischen Markt herrschenden Wettbewerbsbedingungen und insbesondere durch die heftige geschäftliche Auseinandersetzung zwischen ihr und Elopak bei der Markteinführung von Tetra-Rex-Kartons gerechtfertigt gewesen, die mit den von Elopak hergestellten und bereits gut auf dem Markt eingeführten Pure-Pak-Kartons in Wettbewerb hätten treten sollen.

143 Die Klägerin bestreitet insoweit, daß die Festsetzung von Preisen nicht nur weit unter den Herstellungskosten, sondern auch weit unter den unmittelbaren durchschnittlichen variablen Kosten jeder vernünftigen wirtschaftlichen Überlegung widerspreche und nur durch eine Verdrängungsstrategie zu erklären sei. Sie macht geltend, das Urteil AKZO/Kommission (a. a. O., Randnr. 71) könne nicht so verstanden werden, daß es danach einem Unternehmen in beherrschender Stellung verboten sei, Preise anzuwenden, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten lägen. Die Kommission habe erstens das Vorliegen einer Verdrängungsabsicht nachzuweisen. Zweitens könnten Verlustverkäufe, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf das Urteil des Supreme Court der Vereinigten Staaten vom 21. Juni 1993 in der Sache Brooke Group/Brown & Williamson Tabacco (Nr. 92-466) ausgeführt hat, nur dann Verdrängungscharakter haben, wenn das betreffende Unternehmen vernünftigerweise annehmen könne, daß es die so erlittenen Verluste später wieder ausgleichen werde.

144 Im vorliegenden Fall sei keine der beiden genannten Voraussetzungen erfuellt. Entgegen den Behauptungen der Beklagten ließen die Berichte des Verwaltungsrats von Tetra Pak Italiana für 1979 und 1980 keinerlei Verdrängungsabsicht erkennen. Ferner hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, da der Markt für nichtaseptische Kartons ein vom Wettbewerb geprägter Markt sei, habe sie nicht damit rechnen können, daß sie die beim Verkauf ihrer Tetra-Rex-Kartons erlittenen Verluste langfristig wieder ausgleichen würde.

145 Darüber hinaus habe ihr Verhalten im Bereich der Preise für Tetra-Rex-Kartons in Italien keinen Verdrängungseffekt gehabt. Dieses Verhalten habe keine nennenswerte Erhöhung ihres gesamten Marktanteils zur Folge gehabt. Demgegenüber habe Elopak im fraglichen Zeitraum ihren Marktanteil mehr als verdoppelt.

146 Die Kommission trägt vor, Tetra Pak habe die Preise für Tetra-Rex-Kartons in Italien so niedrig festgesetzt, daß dadurch ihre Wettbewerber hätten verdrängt werden sollen; sie habe dabei dank ihrer beherrschenden Stellung auf dem aseptischen Markt auf eine Kreuzfinanzierung ihrer Produkte zurückgegriffen. Nach der Begründung des Gerichtshofes in dem Urteil AKZO/Kommission begründe das Vorhandensein weitgehend negativer Bruttospannen von 1976 bis 1982 zumindest die Vermutung einer Verdrängungsabsicht. Diese Verdrängungsstrategie, mit der der italienische Markt für nichtaseptische Verpackung habe erobert werden sollen, werde durch eine ganze Reihe von Gesichtspunkten bestätigt, wie etwa die Preisunterschiede zum einen zwischen den in Italien und in den anderen Ländern der Gemeinschaft verkauften Tetra-Rex-Kartons und zum anderen zwischen Tetra-Rex-Kartons und Elopak-Kartons, die von einigen Prozent im Jahr 1976 auf 30 % und mehr im Zeitraum 1980/81 gestiegen seien, während die Verluste bei den Tetra-Rex-Kartons zugenommen hätten. Diese Strategie ergebe sich ausserdem aus den Berichten des Verwaltungsrats von Tetra Pak Italiana für 1979 und 1980. Sie habe in einer ersten Stufe zu einer Verlangsamung des Wachstums und dann zu einem Rückgang der Verkäufe von Elopak geführt.

Würdigung durch das Gericht

147 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß es zwar zulässig sein kann, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung unter bestimmten Voraussetzungen Verlustverkäufe tätigt, daß dies aber offensichtlich dann nicht der Fall sein kann, wenn diese Verkäufe Verdrängungspraktiken darstellen. Denn wenn das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft auch in vernünftigem Maß das Recht eines Unternehmens in beherrschender Stellung anerkennt, seine geschäftlichen Interessen zu wahren, so lässt es doch ein Verhalten nicht zu, das gerade auf eine Verstärkung dieser beherrschenden Stellung und ihren Mißbrauch abzielt (Urteil United Brands/Kommission, a. a. O., Randnr. 189). Insbesondere verbietet es Artikel 86 EWG-Vertrag einem Unternehmen in beherrschender Stellung, einen Wettbewerber durch einen Preiswettbewerb zu verdrängen, der keinen Leistungswettbewerb darstellt (Urteil AKZO/a. a. O., Randnr. 70).

148 Angesichts dieser Grundsätze lässt die Feststellung negativer Bruttospannen oder negativer ° durch Abzug der unmittelbaren variablen Kosten oder der durchschnittlichen variablen Kosten, d. h. der auf die einzelne Produktionseinheit entfallenden Kosten, vom Verkaufspreis errechneter ° Halbbruttospannen die Annahme zu, daß es sich bei einer bestimmten Preispolitik um Verdrängungswettbewerb handelt. Wie der Gerichtshof nämlich in dem Urteil AKZO/Kommission (a. a. O., Randnr. 71) entschieden hat, hat ein beherrschendes Unternehmen nur dann ein Interesse, Preise, die unter den durchschnittlichen variablen Kosten (d. h. den Kosten, die je nach den produzierten Mengen variieren) liegen, anzuwenden, wenn es seine Konkurrenten ausschalten will, um danach unter Ausnutzung seiner Monopolstellung seine Preise wieder anzuheben; denn jeder Verkauf bringt für das Unternehmen einen Verlust in Höhe seiner gesamten Fixkosten (d. h. der Kosten, die ungeachtet der produzierten Mengen konstant bleiben) und zumindest eines Teils der variablen Kosten je produzierte Einheit mit sich.

149 Wie der Gerichtshof ferner in dem Urteil AKZO/Kommission entschieden hat, sind bei negativer Nettospanne und positiver Bruttospanne, d. h., wenn die Preise unter den durchschnittlichen Gesamtkosten (d. h. Fixkosten plus variable Kosten), jedoch über den durchschnittlichen variablen Kosten liegen, diese Preise als mißbräuchlich anzusehen, wenn sie im Rahmen eines Plans festgelegt wurden, der die Ausschaltung eines Konkurrenten bezweckt. In diesem Fall ist zu berücksichtigen, wie lange diese Preispraktiken im Rahmen eines Plans zur Schädigung eines Wettbewerbers andauern (Randnrn. 72, 140 und 146).

150 Im vorliegenden Fall lässt die Prüfung der Betriebsbuchführung von Tetra Pak bezueglich der Tetra-Rex-Kartons in Italien eine ausgesprochen negative Spanne (von -11,4 % bis -34,4 %) für die Jahre 1976 bis 1982 und eine ausgesprochen negative Bruttospanne (von -9,8 % bis -33,8 %) für die Jahre 1976 bis 1981 erkennen. Der Verkauf von Tetra-Rex-Kartons zu Preisen, die ständig nicht nur unter den Herstellungskosten, sondern auch unter den unmittelbaren variablen Kosten dieser Kartons lagen, belegt in rechtlich hinreichender Weise, daß die Klägerin von 1976 bis 1981 eine Verdrängungspolitik verfolgt hat. Solche Verluste, für die kein anderer rationaler wirtschaftlicher Grund als das Ziel, Elopak zu verdrängen, vorgelegen haben kann, dienten nämlich gerade wegen ihres Umfangs und ihrer Art unbestreitbar dem Zweck, die Stellung von Tetra Pak auf den Märkten für nichtaseptische Kartons, auf denen sie, wie bereits entschieden worden ist (siehe Randnrn. 118 bis 121 dieses Urteils), schon eine führende Stellung innehatte, zu verstärken und damit den Wettbewerb auf diesen Märkten zu schwächen. Diese Verhaltensweisen waren mithin entgegen dem Vorbringen der Klägerin nach ständiger Rechtsprechung (siehe Randnr. 114 dieses Urteils) mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag, ohne daß gesondert festgestellt werden müsste, daß das betreffende Unternehmen vernünftigerweise damit rechnen konnte, daß es die erzielten Verluste wieder ausgleichen würde.

151 Gleiches gilt bezueglich des Jahres 1982, in dessen Verlauf die Nettospanne -11,4 % betrug. Eine ganze Reihe von gewichtigen übereinstimmenden Indizien erlaubt nämlich die Feststellung einer Verdrängungsabsicht. Diese Verdrängungsabsicht ergibt sich insbesondere aus der Dauer, der Ständigkeit und dem Umfang der im Verlauf des gesamten Zeitraums von 1976 bis 1982 getätigten Verlustverkäufe. Darüber hinaus wird das Vorliegen eines Plans zur Verdrängung von Elopak in Italien durch die Buchführungsdaten belegt, die erkennen lassen, daß die Klägerin, die von 1976 bis 1980 in Italien keine Tetra-Rex-Kartons herstellte, diese importierte, um sie in diesem Land zu Preisen weiterzuverkaufen, die um 10 bis 34 % unter ihren Einkaufspreisen lagen. In diesem Zusammenhang hat die Kommission, ohne daß ihr die Klägerin insoweit widersprochen hat, insbesondere festgestellt, die Klägerin habe, wie bestimmte Schriftstücke über Bestellungen belegten, in Italien aus Schweden eingeführte Rex-Kartons zu Preisen weiterverkauft, die um 17 bis 29 % unter ihren Einkaufspreisen gelegen hätten. Allgemein ist auch zu berücksichtigen, daß die Preise der in Italien verkauften Tetra-Rex-Kartons mindestens um 20 % und häufig um 50 % unter den in den anderen Mitgliedstaaten angewandten Preisen lagen, was die Klägerin nicht bestreitet. Die Annahme, daß eine Verdrängungsabsicht vorlag, ist überdies mit den Berichten des Verwaltungsrats von Tetra Pak Italiana für die Jahre 1979 bis 1980 vereinbar, in denen davon die Rede ist, daß grosse finanzielle Opfer bei den Preisen und den Lieferbedingungen gebracht werden müssten, um die Konkurrenz, insbesondere Pure-Pak, zu bekämpfen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß eine Prüfung der Preisunterschiede zwischen Tetra-Rex- und Pure-Pak-Kartons, die auf dem italienischen Markt im Wettbewerb miteinander standen, zeigt, daß Tetra Pak entgegen ihrer Behauptung niemals den von Elopak angewandten Preisen gefolgt ist, sondern im Gegenteil angesichts der von Elopak vorgenommenen Erhöhungen den Preisunterschied noch erhöht hat. Wie die Kommission betont hat, ist dieser Unterschied von einigen Prozent in den Jahren 1976 bis 1978 auf 30 % und mehr in den Jahren 1980 und 1981 angestiegen, obwohl die Verluste bei Tetra-Rex-Kartons zunahmen. Die Verfolgung einer Verdrängungsstrategie wird schließlich auch bestätigt durch die Zunahme der Verkäufe von Tetra-Rex-Kartons in Italien und die entsprechende Verlangsamung der Zunahme der Verkäufe von Elopak-Kartons während eines Zeitraums der Marktexpansion und ihren Rückgang ab 1981.

152 Die Kommission hat somit in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß die Preise der in Italien von 1976 bis 1982 verkauften Tetra-Rex-Kartons auf Verdrängung eines Wettbewerbers ausgerichtet waren.

C ° Die angeblichen Diskriminierungen bei den Preisen für Maschinen und Kartons in den verschiedenen Mitgliedstaaten

Vorbringen der Parteien

153 Die Klägerin trägt vor, die grossen Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten bei den Preisen für Maschinen von 1984 bis 1986 und für Kartons von 1978 bis 1984 seien nicht Ausdruck einer Diskriminierung. Der Ansatz der Kommission, die eine getrennte Untersuchung der Preise für Maschinen und der Preise für Kartons vorgenommen habe, sei insoweit schon vom Grundsatz her unzutreffend. Es bestehe eine mit dem Wettbewerb auf dem örtlichen Markt zusammenhängende Verbindung zwischen dem Preis der Maschine und dem der Kartons, so daß entscheidendes Kriterium die Kosten des gesamten Systems seien. Das Gleichgewicht zwischen den Maschinen- und den Kartonpreisen schwanke von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat.

154 Selbst wenn man die getrennte Prüfung der Preise für Maschinen und der Preise für Kartons für richtig halte, habe die Kommission auf jeden Fall nicht nachgewiesen, daß durch die Preise rechtswidrige Unterschiede zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten gemacht worden seien. Der einzige gültige Schluß, der sich aus den von der Kommission vorgelegten Daten sowohl für Maschinen als auch für Kartons ableiten lasse, sei, daß die Preise in einem Mitgliedstaat ° Italien °, der ausserhalb der allgemeinen Tendenz der Preispolitik von Tetra Pak gelegen habe, immer niedriger gewesen seien. In den anderen Mitgliedstaaten gebe es keine erkennbare Regel.

155 Beim Preis für aseptische wie auch nichtaseptische Maschinen sei es schwierig, die Listenpreise und die Durchschnittspreise für den Verkauf und die Vermietung miteinander zu vergleichen, wie dies die Kommission tü. Dieser Vergleich sei überdies von geringem oder keinem Interesse, weil es in der Industrie ständige Praxis sei, bei Maschinen Rabatte einzuräumen. Ferner ließen die von der Kommission durchgeführten Vergleiche zwischen den Preisen in Italien, wo der Verbrauch von UHT-Milch am höchsten sei, und den Preisen in den Ländern, in denen wie in Griechenland und Irland praktisch keine UHT-Milch verkauft werde, keine gültigen Schlußfolgerungen zu. Darüber hinaus seien auf jeden Fall die Unterschiede zwischen den Preisen für Maschinen in den einzelnen Mitgliedstaaten durch historische Unterschiede der lokalen Märkte zu erklären.

156 Beim Preis für aseptische Kartons ergäben sich aus den Preislisten, auf die sich die Kommission stütze, wegen der Mischung verschiedener Typen aseptischer Brik-Kartons und der Verwendung des Durchschnittspreises dieser verschiedenen Produkte in jedem Land nur sehr ungefähre Hinweise auf die wirklichen Preise. Das Gesamtbild sei allerdings recht genau, wenn es eine Konvergenz der Preise im Jahr 1984 zeige, wobei die Preise in Italien weiterhin etwas niedriger gelegen hätten.

157 Darüber hinaus ergäben sich die einzelnen Preisunterschiede bei aseptischen Tetra-Brik-Kartons aus dem komplexen Zusammenspiel historischer Faktoren, aus örtlichen, von einem Staat zum anderen erheblich voneinander abweichenden Marktbedingungen, aus den Strukturen der milchverarbeitenden Industrie, aus örtlichen Kostenüberlegungen sowie aus der Politik von Tetra Pak, ihren örtlichen Tochtergesellschaften die grösstmögliche Selbständigkeit zuzugestehen.

158 Die Kommission legt dar, daß diskriminierende Unterschiede bei den Preisen für Maschinen (von 1984 bis mindestens 1986) und bei den Preisen für Kartons (von 1978 bis mindestens 1984) zwischen den Mitgliedstaaten in der gesamten Gemeinschaft beobachtet worden seien, wenngleich sie im Verhältnis zwischen Italien und den übrigen Mitgliedstaaten besonders auffällig gewesen seien.

159 Was die Bewertung der Preise für Maschinen betrifft, weist die Kommission die Kritik zurück, beim Vergleich der Listenpreise mit den Durchschnittspreisen seien Rabatte auf den Maschinenpreis nicht berücksichtigt worden. Beim Preis für aseptische Tetra-Brik-Kartons seien die festgestellten Preisunterschiede zu groß, als daß sie durch die objektiven materiellen Unterschiede zwischen den Produkten, auf die sich die Klägerin berufen habe, erklärt werden könnten. Schließlich seien die verschiedenen objektiven Faktoren, die nach Auffassung der Klägerin die Preisunterschiede zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten sowohl bei Maschinen als auch bei Kartons erklären sollten, nur ganz allgemein dargelegt worden, ohne daß sie im einzelnen bezeichnet und ihre Auswirkungen angegeben worden wären.

Würdigung durch das Gericht

160 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß die Anwendung diskriminierender Preise gegenüber in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Abnehmern durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung gemäß Artikel 86 Buchstabe c EWG-Vertrag verboten ist, der den Mißbrauch durch die "Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden", behandelt. In seinem Urteil United Brands/Kommission hat der Gerichtshof ausgeführt, daß Artikel 86 ein Unternehmen in beherrschender Stellung nicht daran hindere, unterschiedliche Preise in den einzelnen Mitgliedstaaten festzusetzen, insbesondere wenn die Preisunterschiede durch Unterschiede in den Absatzbedingungen und die Intensität des Wettbewerbs gerechtfertigt seien. Damit werde indessen lediglich das Recht eines beherrschenden Unternehmens anerkannt, seine Geschäftsinteressen in vernünftigem Maß zu wahren. Das Unternehmen dürfe insbesondere keine künstlichen Preisunterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten herbeiführen, die eine Benachteiligung ihrer Kunden und eine Verfälschung des Wettbewerbs aufgrund einer künstlichen Abschottung der nationalen Märkte zur Folge hätten (Randnrn. 189, 228, 229 und 233).

161 Auf der Grundlage dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob die Kommission im vorliegenden Fall in rechtlich hinreichender Weise die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen nachgewiesen hat, auf die sie ihre Feststellung der Anwendung diskriminierender Preise im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten stützt.

162 Insoweit stellt das Gericht vorab fest, daß die Kommission die Preise für Maschinen und für Kartons, die, wie bereits festgestellt worden ist (siehe Randnrn. 137 bis 140 dieses Urteils), zu unterschiedlichen Märkten gehören und getrennt vertrieben werden müssen, zu Recht getrennt verglichen hat. Ausserdem macht die Klägerin jedenfalls nicht geltend und trägt auch keinen Anhaltspunkt dafür vor, daß der Vergleich der Preise für die vollständigen Systeme zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, als es die getrennte Prüfung der Preise für Maschinen und der Preise für Kartons erbracht hat.

163 Zu den drei wichtigsten von Tetra Pak hergestellten Kartontypen heisst es in der Entscheidung, der Vergleich der Durchschnittspreise zeige, daß "die Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten beträchtlich [sind]" und daß "sie vor allem zwischen Italien und den anderen Mitgliedstaaten bedeutend [sind], da sie leicht 50 % und mindestens (mit wenigen Ausnahmen) etwa 20 bis 25 % erreichen". Es ist daher auf der Grundlage der Zahlenangaben in den Akten zu den Durchschnittspreisen der verschiedenen Kartontypen in den sechs Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Deutschland, Italien, Niederlande und Vereinigtes Königreich von 1981 bis 1984 zu prüfen, ob die Preisunterschiede ein Ausmaß erreichten, daß sie unter den Umständen des vorliegenden Falles die Feststellung ihres diskriminierenden Charakters rechtfertigten.

164 Das Gericht stellt hierzu fest, daß die häufigsten durchschnittlichen Preisunterschiede bei aseptischen Tetra-Brik-Kartons ausser in Dänemark, wo die Preise die in Italien angewandten im Zeitraum von 1981 bis 1984 um durchschnittlich 14 % überstiegen, zwischen 40 und 60, ja sogar 70 % lagen. Bei Tetra-Rex-Kartons überstiegen die Abweichungen zumeist 20 bis 25 % und erreichten in bestimmten Fällen 50 % des Durchschnittspreises. Nichtaseptische Tetra-Brik-Kartons wurden in vier der anderen oben genannten Mitgliedstaaten zu Durchschnittspreisen verkauft, die um 20 bis 30 % über den in Italien angewandten und 1984 in den Niederlanden um 20 % darunter lagen. Unter den Umständen des vorliegenden Falles ist abschließend dazu festzustellen, daß Abweichungen der Durchschnittspreise, die 1984 für die verschiedenen Kartontypen zwischen 20 und 37 % lagen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht Ausdruck einer Konvergenz sein können. Die Kommission ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß so grosse Unterschiede bei den Durchschnittspreisen im Zeitraum von 1984 bis 1986 weder auf materiellen Unterschieden bei den verschiedenen Grössen der Kartons des gleichen Typs noch auf fehlender Einheitlichkeit der durchschnittlichen Bestellmengen beruhen konnten.

165 Darüber hinaus wird das Vorliegen grosser Preisunterschiede in den verschiedenen Mitgliedstaaten von 1978 bis 1984 durch die Zahlen bestätigt, die den Preislisten für nichtaseptische Tetra-Rex- und Tetra-Brik-Kartons entnommen werden können, die im Anhang zur Entscheidung wiedergegeben sind und von der Klägerin nicht bestritten worden sind. Unter diesen Umständen ist das Gericht angesichts der unbedeutenden Transportkosten und der Stabilität der Weltmarktpreise für die Rohstoffe, im vorliegenden Fall für Karton, der mehr als 70 % des Herstellungspreises der Kartons ausmacht, der Auffassung, daß die festgestellten Preisunterschiede nicht durch objektive wirtschaftliche Faktoren zu rechtfertigen waren und daß sie daher diskriminierend waren.

166 Bei den Maschinen sind die in den verschiedenen Mitgliedstaaten angewandten Verkaufspreise und "Mietpreise" miteinander zu vergleichen. Hierzu ist vorab zu bemerken, daß sich aufgrund der Aktenlage die Höhe der "Mietpreise" auf der Grundlage allein der Grundmieten beurteilen lässt, da die Summe der gegenwärtigen und zukünftigen Mietzahlungen, was die Klägerin nicht bestreitet, nur einen marginalen Teil dieser Grundmieten ausmacht. Ausserdem bestätigen auch die der Entscheidung beigefügten Tabellen über die Verkaufspreise für Maschinen in den vier Mitgliedstaaten Griechenland, Spanien, Irland und Italien und über die Mietpreise in sieben anderen Mitgliedstaaten sowie in Irland, für den einzigen Staat, für den sowohl die Verkaufspreise als auch die "Mietpreise" angeführt worden sind, daß diese sehr nahe beieinander liegen.

167 Aufgrund der Tatsachenfeststellungen in der vorstehenden Randnummer ist zunächst zu prüfen, ob bei den Haupttypen der von Tetra Pak vertriebenen Maschinen die Verkaufspreise und Grundmieten im Zeitraum von 1984 bis 1986 starke Abweichungen von einem Mitgliedstaat zum anderen zeigten und ob zweitens die etwaigen Abweichungen durch die objektiven Marktbedingungen gerechtfertigt waren.

168 Der Preisvergleich auf Grundlage der Durchschnittspreise und der Listenpreise, die im Anhang der Entscheidung aufgeführt sind und die von der Klägerin nicht bestritten worden sind, lässt erhebliche Abweichungen für aseptische Tetra-Brik-Maschinen erkennen, die bei sechs von sieben aseptischen Modellen von Tetra-Brik-Maschinen zwischen 40 und 100 % oder noch mehr betrugen. Bei den nichtaseptischen Tetra-Rex- und Tetra-Brik-Maschinen waren die Preisunterschiede noch ausgeprägter, da bei ihnen die Preise im Zeitraum von 1984 bis 1986 für das gleiche Modell bis zum doppelten oder je nach Land noch mehr abwichen, wobei die Preisabweichungen 1986 bei bestimmten Tetra-Rex-Maschinen sogar über 400 % betrugen.

169 Folglich hat die Kommission ausreichenden Beweis dafür erbracht, daß von 1984 bis 1986 während eines Zeitraums von je nach Maschinentyp einem oder mehreren Jahren sowohl bei aseptischen als auch bei nichtaseptischen Maschinen beträchtliche Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestanden.

170 Das Gericht stellt weiter fest, daß die so festgestellten Preisunterschiede nicht durch die objektiven Marktbedingungen zu erklären waren. Im vorliegenden Fall entstanden die festgestellten erheblichen Unterschiede bei den Preisen für Maschinen und für Kartons im Rahmen einer Abschottung der nationalen Märkte durch vertragliche Klauseln über Koppelungsverkäufe, die durch das autonome Produktions- und Vertriebssystem von Tetra Pak sowie durch das Quasimonopol des Konzerns auf den aseptischen Märkten in der Gemeinschaft verstärkt wurde. Unter diesen Umständen ist es offensichtlich, daß diese Preisunterschiede nicht auf dem normalen Wettbewerb beruhen konnten und zum Nachteil der Verpacker angewandt wurden. Die hierzu von der Klägerin vorgebrachten Erklärungen entbehren jeder Wahrscheinlichkeit. Insbesondere wird, wie die Kommission betont, das Vorbringen, daß auf den lokalen Märkten jeweils spezifische Bedingungen geherrscht hätten, durch den Umstand widerlegt, daß u. a. infolge der Geringfügigkeit der Transportkosten ein einheitlicher räumlicher Markt bestand, der die gesamte Gemeinschaft umfasste.

171 Die von der Klägerin behauptete selbständige Vertriebspolitik der Tochtergesellschaften, ist, selbst wenn man sie als gegeben unterstellt, gleichwohl Teil einer Gesamtstrategie der Marktabschottung. Diese Strategie kann aus den Politiken abgeleitet werden, die Tetra Pak insbesondere bei der Vertragsgestaltung in der gesamten Gemeinschaft verfolgt hat. Das Vorliegen eines Gesamtplans ergibt sich auch aus verschiedenen, von der Kommission auf Ersuchen des Gerichts vorgelegten Schriftstücken, die zwischen dem Tetra-Pak-Konzern und seiner Tochtergesellschaft Tetra Pak Italiana ausgetauscht worden sind. Diese Schriftstücke sind in den Randnummern 77 bis 83 der Entscheidung aufgeführt.

172 Schließlich kann Tetra Pak, die die in den genannten Anhängen aufgeführten Zahlen nicht bestreitet, auch in dem Vorbringen, daß die Prüfung der Preise der gesamten, Maschinen und Kartons umfassenden Verpackungssysteme zu abweichenden Ergebnissen geführt hätte, nicht gefolgt werden, weil es nicht durch Beweise untermauert ist, mit denen die Schlußfolgerungen der Kommission hätten wirksam in Frage gestellt werden können. Ebenso ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht davon auszugehen, daß die fehlende Berücksichtigung der Rabatte auf die Preise der Maschinen den von der Kommission vorgenommenen Preisvergleich verfälschen konnte, denn die Klägerin bestreitet nicht, daß solche Rabatte in sämtlichen Mitgliedstaaten einschließlich derjenigen gewährt wurden, in denen wie in Italien die Preise bereits besonders niedrig waren.

173 Nach alledem hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß in der Zeit von 1984 bis 1986 sowohl bei aseptischen als auch bei nichtaseptischen Maschinen und bei aseptischen Kartons und in der Zeit von 1978 bis mindestens 1984 bei nichtaseptischen Kartons im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten diskriminierende Preise im Sinne des Artikels 86 Buchstabe c EWG-Vertrag angewandt worden sind.

D ° Die angeblich auf Verdrängung ausgerichteten Preise für Maschinen im Vereinigten Königreich

Vorbringen der Parteien

174 Die Klägerin bestreitet die Mißbräuchlichkeit ihrer Politik bezueglich der Verkaufspreise und Mietzinsen für Maschinen im Vereinigten Königreich von 1981 bis 1984. Sie weist vorab darauf hin, daß wegen des unbedeutenden Verbrauchs von UHT-Milch von Kreuzfinanzierungen zwischen diesem Sektor und dem für pasteurisierte Milch, der mehr als 90 % des sehr umfangreichen Milchmarktes im Vereinigten Königreich ausmache, nicht gesprochen werden könne. Ferner hätte eine Quersubventionierung für sich betrachtet jedenfalls keinen Verstoß gegen Artikel 86 EWG-Vertrag dargestellt. Im vorliegenden Fall wäre sie durch die Intensität des Preiswettbewerbs auf den nichtaseptischen Märkten gerechtfertigt gewesen, auf denen die Milch herkömmlicherweise in Glasflaschen frei Haus geliefert werde.

175 Um darzulegen, daß sie keine auf Verdrängung ausgerichtete Preise verlangt hat, trägt die Klägerin vor, daß sich mit dem Verhältnis zwischen ihren Kosten und ihren Preisen eine Verdrängungsabsicht nicht belegen lasse und daß eine Verdrängungswirkung nicht festgestellt worden sei.

176 Die Klägerin macht erstens geltend, daß sich mit den von der Kommission anhand ihrer Geschäftsbücher getroffenen Feststellungen zur Rentabilität ihrer Maschinen die Anwendung von auf Verdrängung ausgerichteten Preisen nicht nachweisen lasse. Sie bekräftigt sodann ihr Vorbringen, daß das Preisniveau bei den Maschinen nicht getrennt von dem bei den Kartons bewertet werden dürfe. Ferner seien die Zahlenangaben zu den Maschinenpreisen, auf die sich die Kommission stütze, nicht aussagekräftig. Sie umfassten nämlich in erster Linie die Daten bezueglich der zur Abfuellung von Fruchtsäften bestimmten aseptischen Maschinen, die im Vereinigten Königreich den bedeutendsten Teil aseptischer Maschinen darstellten, aber ihrer Meinung nach nicht unter die Umschreibung der betreffenden Produktmärkte fielen.

177 Ausserdem obliege es, wenn ein Mißbrauch festgestellt werden solle und die Preise unter den durchschnittlichen Gesamtkosten, aber über den durchschnittlichen variablen Kosten lägen, der Kommission, die systematische und langandauernde Anwendung von unter den Kosten liegenden Preisen nachzuweisen.

178 Die Höhe der Halbbruttospannen, auf die sich die Entscheidung stütze (Randnrn. 56 und 157 sowie Anhang 3.4), ließen für sich allein nicht die Annahme eines Mißbrauchs zu. 1981 und 1982 hätten die von ihr angewandten Preise durchschnittlich sowohl über den unmittelbaren variablen Kosten als auch über den mittelbaren variablen Kosten gelegen. 1983 und 1984 habe die Höhe der Verluste im Vereinigten Königreich, als Halbbruttospanne ausgedrückt, nicht ausgereicht, um die britische Situation von der in den Niederlanden 1984 und der in Frankreich 1982 zu unterscheiden, wo negative Bruttospannen verzeichnet worden seien und wo die Kommission festgestellt habe, daß man für diese beiden Länder keine definitiven Schlüsse ziehen könne. Auch zwischen den Nettospannen im Vereinigten Königreich, in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland bestehe kein spürbarer Unterschied.

179 Weiterhin habe die Kommission nicht wie in der Rechtssache AKZO/Kommission eine systematische Untersuchung aller Angebote vorgenommen. Sie habe sich auf die Feststellung "nahezu systematischer" Verlustverkäufe beschränkt und sich hierbei auf eine Untersuchung der Globalspannen gestützt. Angesichts all dieser Umstände habe die Kommission nicht den Beweis für eine Verdrängungsstrategie erbracht. Auf eine solche könne ihrer Auffassung nach aus den genannten Statistiken, die auf die Jahresspanne abstellten, und aus der Planmässigkeit ihrer Preispolitik in einem von Wettbewerb geprägten Umfeld nicht geschlossen werden.

180 Die Kommission habe ferner nicht nachgewiesen, daß ihr Preisgebaren eine Verdrängungswirkung gehabt hätte. Nicht nur habe keine Verdrängung der anderen Hersteller von Verpackungssystemen stattgefunden, sondern PKL habe seinen Marktanteil im UHT-Sektor sogar noch vergrössert. Auf dem Markt für pasteurisierte Milch habe das Tempo ihres Wachstums unter dem für Kartons allgemein gelegen. Die verhältnismässig stärkere Steigerung der Verkäufe von Maschinen im Vereinigten Königreich von 1981 bis 1984 sei in erster Linie auf die Erhöhung des Verbrauchs von Fruchtsaft und auf ihr Wachstum im pasteurisierten Bereich zurückzuführen. Dieses Wachstum sei auf Kosten der Erzeuger von Glasflaschen und nicht auf Kosten der anderen Hersteller von Verpackungssystemen für pasteurisierte Milch in Kartons gegangen, die ihre Verkäufe in diesem Bereich in noch grösserem Maß gesteigert hätten. Diese Marktanteile seien bis 1987 ungefähr gleichgeblieben.

181 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin sowohl zum Zusammenhang zwischen ihrer Marktstellung im Sektor UHT-Milch im Vereinigten Königreich und ihrem Verhalten bei den Maschinenpreisen als auch zur Führung des Nachweises des Verdrängungscharakters dieses Verhaltens entgegen.

182 Zum Nachweis der Mißbräuchlichkeit des beanstandeten Preisgebarens stützt sich die Kommission auf das vom Gerichtshof in dem Urteil AKZO/Kommission herausgearbeitete Kriterium der Kosten und der Strategie des Unternehmens in beherrschender Stellung. Sie weist das Vorbringen der Klägerin zurück, daß die Praktizierung eines Systems der Preisherabsetzung nur unter Bezugnahme auf spezifische Preise festgestellt werden könne, die konkreten Kunden zugestanden worden seien.

183 Die von Tetra Pak bei ihren Maschinenverkäufen im Vereinigten Königreich erzielten Spannen seien entgegen den Behauptungen des Unternehmens merklich niedriger gewesen als in den anderen Mitgliedstaaten, in denen kein Mißbrauch festgestellt worden sei. Insbesondere seien die ° durch Abzug der durchschnittlichen variablen Kosten, d. h. der auf die einzelne Produktionseinheit entfallenden Kosten, vom Verkaufspreis errechneten ° Halbbruttospannen von Tetra Pak bei den Verkäufen im Vereinigten Königreich 1982 [...], 1983 [...] und 1984 [...] negativ gewesen, was nach den in dem Urteil AKZO/Kommission aufgestellten Grundsätzen den Schluß auf das Vorliegen eines Mißbrauchs in diesem Zeitraum zulasse. FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM : 691A0083.3

184 Was die 1981 angewandten Preise angeht, die über den durchschnittlichen variablen Kosten und unter den durchschnittlichen Gesamtkosten lagen, bestätigt die Kommission zunächst, daß sie sie in Randnummer 157 der Entscheidung auf der Grundlage ergänzender Beweise als mißbräuchlich eingestuft habe. Insoweit dürfe der Hinweis auf Verdrängungswettbewerb im Vereinigten Königreich "mindestens 1982 bis 1984" in Randnummer 170 der Entscheidung nicht als Anerkenntnis ausgelegt werden, daß 1981 kein Mißbrauch vorgelegen habe. In diesem Zusammenhang stellten die Anerkennung der Planmässigkeit ihrer Politik, die sich aus dem intensiven Preiswettbewerb ergebe, durch Tetra Pak sowie die Verdrängungswirkung dieser Politik den unwiderlegbaren Beweis für das Vorliegen einer systematischen Anwendung von auf Verdrängung ausgerichteten Preisen dar.

Würdigung durch das Gericht

185 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß das Vorbringen, mit dem die Klägerin die spezifische Struktur des britischen Milchmarktes geltend macht, nicht erheblich ist. Sobald es nämlich im Vereinigten Königreich einen Markt für Maschinen zur aseptischen Verpackung in Kartons sowie einen Markt für nichtaseptische Verpackungsmaschinen gibt, befindet sich Tetra Pak im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern auf diesen Märkten in einer ähnlichen Wettbewerbssituation wie innerhalb der gesamten Gemeinschaft, wie bereits im Rahmen der Prüfung der Umschreibung des relevanten räumlichen Marktes festgestellt worden ist (siehe Randnr. 95 dieses Urteils). Der geringere Umfang dieser Märkte im Vereinigten Königreich wirkt sich auf die Beurteilung des Verdrängungscharakters der auf den britischen Märkten angewandten Maschinenpreise nicht aus.

186 Ferner ist angesichts der weltweiten Ausdehnung des Tetra-Pak-Konzerns auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß sie wegen des geringen Verbrauchs von UHT-Milch nicht zu Kreuzfinanzierungen zwischen dem aseptischen und dem nichtaseptischen Bereich im Vereinigten Königreich in der Lage gewesen sei. Darüber hinaus ist dieses Vorbringen auf jeden Fall unerheblich, weil das Gericht bereits festgestellt hat (siehe Randnrn. 112 bis 122 dieses Urteils), daß sich aus der führenden Stellung der Klägerin im nichtaseptischen Bereich zusammen mit der Verbindung dieses Bereichs mit dem aseptischen Bereich eine hinreichende Rechtfertigung für die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag ergibt. Daher hängt die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag auf die nichtaseptischen Märkte nicht vom Nachweis von Kreuzfinanzierungen zwischen diesen beiden Bereichen ab.

187 Demgemäß ist zu prüfen, ob die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan hat, daß die Maschinenpreise im Vereinigten Königreich nach dem vom Gerichtshof in der Entscheidung AKZO/Kommission festgelegten Maßstab der Kosten und der Strategie des Unternehmens in beherrschender Stellung (siehe Randnrn. 147 bis 149 dieses Urteils) auf Verdrängung ausgerichtet waren.

188 Hierzu ist zunächst hervorzuheben, daß die Kommission in Randnummer 157 der Entscheidung ausdrücklich einräumt, daß die Verlustverkäufe oder -vermietungen, wie Tetra Pak behauptet, im wesentlichen den Markt für nichtaseptische Verpackungsmaschinen betrafen. Angesichts dieser übereinstimmenden Erklärungen der beiden Parteien ist das Vorliegen negativer Spannen für den gesamten Geschäftsbereich "Maschinen", auf das die Entscheidung gestützt ist, durch den Umfang der Verluste im Bereich der nichtaseptischen Maschinen zu erklären.

189 Insbesondere zeigt das Arbeiten mit negativen Nettospannen 1982 von [...], 1983 von [...] und 1984 von [...] sowie mit negativen Bruttospannen 1982 von [...], 1983 von [...] und 1984 von [...] im gesamten Geschäftsbereich "Maschinen" im Vereinigten Königreich, daß Tetra Pak ihre nichtaseptischen Maschinen ständig nicht nur unter ihren Herstellungskosten, sondern auch unter ihren unmittelbaren variablen Kosten verkauft hat. Damit ist nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof in dem Urteil AKZO/Kommission entwickelt hat (siehe Randnrn. 147 bis 149 des vorliegenden Urteils), in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß die Klägerin in diesen Geschäftsjahren eine Verdrängungspolitik verfolgt hat. Aufgrund ihres Umfangs und ihrer Natur bezweckten nämlich diese Verluste, für die kein andererer wirtschaftlicher Grund als die Verdrängung der Wettbewerber bestimmend gewesen sein kann, unbestreitbar, die Stellung von Tetra Pak auf den Märkten für nichtaseptische Maschinen, auf denen sie bereits, wie schon festgestellt (siehe Randnrn. 118 bis 121 dieses Urteils), eine führende Stellung innehatte, zu verstärken und so den Wettbewerb auf dem Markt abzuschwächen. Diese Verhaltensweisen stellten mithin nach ständiger Rechtsprechung (siehe Randnr. 114 dieses Urteils) einen Mißbrauch dar.

190 Die 1981 angewandten Preise für nichtaseptische Maschinen, die nur unter den Herstellungskosten lagen, wie durch eine negative Nettospanne von [...] und eine positive Halbbruttospanne für den gesamten Geschäftsbereich "Maschinen" im Vereinigten Königreich belegt wird, müssen ebenfalls als mißbräuchlich angesehen werden, weil sich aus einer ganzen Reihe gewichtiger übereinstimmender Indizien das Vorliegen einer Verdrängungsabsicht ableiten lässt. Diese Verdrängungsabsicht ergibt sich insbesondere aus der Dauer, der Beständigkeit und dem Umfang sowie der Planmässigkeit der Verluste, die im Rahmen einer Politik des intensiven Preiswettbewerbs 1981 bis 1984 eintraten, obwohl sich der Markt in einer Expansionsphase befand.

191 Diese Analyse wird ferner durch die Verdrängungswirkung der Preispolitik von Tetra Pak bestätigt. Insoweit ergibt sich aus den Akten, daß die Maschinenverkaufs- und -vermietungstätigkeit im Vereinigten Königreich, die [...] des Gesamtumsatzes von Tetra Pak für 1981 in diesem Land ausmachte, 1984 [...] erreichte. Nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Kommission erzielte sie damit eine Wachstumsrate von [...], die damit siebenmal höher war als in allen anderen untersuchten Ländern. Ferner erhöhte sich der Anteil von Tetra Pak an den nichtaseptischen Märkten zwischen 1980 zwischen 1986 beträchtlich; er stieg bei Kartons von 34, 2 % auf 43,9 % und bei Maschinen von 25,8 % auf 37,1 % an.

192 Folglich hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß die Preise für die 1981 bis 1984 im Vereinigten Königreich verkauften nichtaseptischen Maschinen auf Verdrängung ausgerichtet waren.

193 Darüber hinaus ist die Kommission auf jeden Fall zu Recht davon ausgegangen, daß selbst bei getrennter Untersuchung der britischen Märkte festzustellen ist, daß die Klägerin nicht nur aufgrund ihrer Marktanteile, sondern auch aufgrund ihrer Wirtschaftsmacht, die sich aus der Grösse des Konzerns, ihrem technologischen Vorsprung und dem Umfang ihrer Produktpalette (siehe zu diesem Aspekt das Urteil Michelin/Kommission, a. a. O., Randnr. 55) ergab, eine beherrschende Stellung auf den beiden aseptischen Märkten und eine führende Stellung auf den beiden nichtaseptischen Märkten innehatte. In diesem Zusammenhang hat die Kommission in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß Tetra Pak durch ihre beherrschende Stellung auf den aseptischen Märkten in die Lage versetzt wurde, von 1981 bis 1984 eine planmässige Politik der Verlustverkäufe im Maschinensektor zu verfolgen, wie dies die weitgehend positiven Gesamtergebnisse der britischen Tochtergesellschaft von Tetra Pak in diesem Zeitraum belegen, und dies trotz der Verluste bei fast allen Produkten mit Ausnahme von aseptischen Brik-Kartons, deren Beitrag zur Nettospanne von 1981 bis 1984 nach den zu den Akten gereichten Buchungsunterlagen zwischen [...] und [...] lag.

E ° Der Preis für Maschinen und die übrigen angeblich mißbräuchlichen Praktiken in Italien

194 Die Klägerin bestreitet, in Italien für ihre Maschinen auf die Verdrängung ihrer Mitbewerber ausgerichtete Preise (1) und einzelne ihrer Kunden diskriminierende Preise (2) angewandt zu haben. Sie bestreitet ferner die Behauptungen der Kommission bezueglich verschiedener punktüller angeblich mißbräuchlicher Praktiken, die von 1981 bis mindestens 1983 angewandt worden sein sollen (3).

1. Die angeblich auf Verdrängung ausgerichteten Preise für Maschinen

Vorbringen der Parteien

195 Die Klägerin bestreitet, von 1976 bis mindestens 1986 auf Verdrängung ausgerichtete Preise für ihre Kartons angewandt zu haben. Sie erinnert daran, daß sie die Preise für Maschinen und Kartons aufgrund der Erwägung festgesetzt habe, daß diese Produkte ein untrennbares System darstellten. Wenn die Kommission das System insgesamt untersucht hätte, hätte sie festgestellt, daß die von ihr angeführten Rabatte bei Verteilung der allgemeinen Kosten auf die Vertragslaufzeit weniger hoch gewesen seien, als es auf den ersten Blick geschienen habe.

196 Die Kommission räume auf jeden Fall in Randnummer 158 der Entscheidung ein, daß der Geschäftsbereich "Maschinen" in dem betreffenden Zeitraum rentabel gewesen sei und daß die Verlustverkäufe von Maschinen in Italien keine allgemeine Praxis gewesen seien. Die Einzelverkäufe könnten daher nicht als Mißbrauch einer beherrschenden Stellung betrachtet werden. Diese Verkäufe seien das Ergebnis eines lebhaften Wettbewerbs und nicht auf eine Verdrängungsabsicht zurückzuführen. Unter diesen Umständen laufe ihre Beanstandung in der Entscheidung darauf hinaus, jeden Verlustverkauf als von Haus aus rechtswidrig einzustufen.

197 Die Kommission tritt zunächst dem Vorbringen der Klägerin zum untrennbaren Zusammenhang von Maschinen und Kartons entgegen. Sie ist ferner der Auffassung, daß jeder Verlustverkauf in Verdrängungsabsicht einen Mißbrauch darstelle, auch wenn es sich nicht um eine allgemeine Praxis handele.

198 Die Analyse einer Reihe von Verkaufs- und Vermietungsgeschäften in Italien lasse erkennen, daß Rabatte in der Grössenordnung von 50 %, in einem Fall sogar von 75 %, nicht selten gewesen seien. Der Umstand, daß die Rabatte bei bestimmten Geschäften über der Nettospanne und über der Bruttospanne gelegen hätten, sowie der Kontext, in dem diese Geschäfte abgewickelt worden seien, zeigten, daß es sich um planmässige Verkaufsgeschäfte zu Preisen gehandelt habe, die auf Verdrängung ausgerichtet gewesen seien.

Würdigung durch das Gericht

199 Vorab ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem sie einen Zusammenhang zwischen dem Maschinenpreis und dem Kartonpreis geltend macht, aus den bereits vom Gericht dargelegten Gründen (siehe Randnrn. 137 bis 140 dieses Urteils) zurückzuweisen. Ausserdem hat die Klägerin jedenfalls zur Begründung ihrer Ansicht nichts Konkretes vorgetragen, was die Feststellung der Kommission widerlegen könnte, daß Tetra Pak in Italien die Maschinenpreise unabhängig von den Kartonpreisen festgesetzt habe.

200 Das Gericht weist ferner darauf hin, daß selbst punktülle Verlustverkäufe, die ein Unternehmen in beherrschender Stellung tätigt, entgegen der Ansicht der Klägerin mißbräuchlich im Sinne des Artikels 86 EWG-Vertrag sein können, wenn hinreichend dargetan ist, daß sie auf Verdrängung ausgerichtet sind.

201 Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die Kommission ihre Behauptung, daß Rabatte, die spürbar über den Netto- oder den Bruttospannen lägen, grundsätzlich zu Verlustverkäufen/-vermietungen führten, auf die Nettospannen (Anhang 4.3 der Entscheidung) und die Bruttospannen (Anhang 4.4 der Entscheidung) stützt, mit denen Tetra Pak von 1981 bis 1984 in Italien im Geschäftsbereich "Maschinen" arbeitete. Anhand dieses Kriteriums hat sie eine eingehende Untersuchung einer Reihe von punktüllen Verkaufs- oder Vermietungsgeschäften, insbesondere für Maschinen, durchgeführt (Randnr. 158 und Anhang 6.4 der Entscheidung).

202 Das Gericht ist insoweit der Auffassung, daß unter den Umständen des vorliegenden Falles ein punktülles auf Verdrängung ausgerichtetes Preisgebaren auf der Grundlage der genannten Untersuchung in Verbindung mit dem Zusammenhang, in dem die Verlustverkäufe/-vermietungen stattfanden, als nachgewiesen angesehen werden kann. Insbesondere der Umstand, daß Tetra Pak sich bemühte, durch seine Verkaufs- oder Vermietungsgeschäfte Mitbewerbern potentielle Märkte wegzunehmen oder bereits von Mitbewerbern eroberte Märkte zurückzugewinnen, bestätigt, daß es sich um planmässige Verkaufsgeschäfte zu Preisen handelte, die auf Verdrängung ausgerichtet waren. Aus der Analyse einer Reihe von Geschäften, die die Kommission auf der Grundlage von eingehenden Nachforschungen bei italienischen Molkereien durchgeführt hat und die in dem zu den Akten gereichten Anhang 10 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegeben ist, geht nämlich hervor, daß Tetra Pak in dem Zeitraum zwischen 1979 und 1986 in verschiedenen Formen über ihrer Bruttospanne liegende Rabatte gewährt und in bestimmten Fällen alte Maschinen von Mitbewerbern, die nahezu keinen Restwert mehr besassen, zu überzogenen Preisen, ja sogar zum Preis dieser Maschinen in neuwertigem Zustand, aufgekauft hat. Damit wird deutlich, daß zumindest mit den in Randnummer 65 der Entscheidung genannten "punktüllen Geschäften", bei denen es um vier Verkäufe aseptischer Maschinen zu Preisen ging, die um 25 bis 50 % unter den zur damaligen Zeit angewandten Preisen lagen, sowie mit den Geschäften, die die Kommission in Anhang 10 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die in der Entscheidung Bezug genommen wird (Randnr. 68), untersucht hat, das Ziel einer Verdrängung verfolgt wurde.

203 Die Kommission hat somit in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß von 1979 bis 1986 in Italien eine Reihe von Maschinenverkäufen zu Preisen getätigt wurden, die auf eine Verdrängung ausgerichtet waren.

2. Die angeblich diskriminierenden Preise für Maschinen

Vorbringen der Parteien

204 Die Klägerin trägt erneut vor, daß die Preise für Maschinen und für Kartons nicht getrennt bewertet werden dürften. Als Beispiel führt sie an, daß ein Rabatt von 50 % auf eine Tetra-Rex-Maschine (TR/4) einem Rabatt von 4 % auf den Betrag des gesamten Geschäfts entspreche. Die Festsetzung des Maschinenpreises in Verbindung mit dem Preis für Kartons im Rahmen eines Systems sei gewöhnlich für den Kunden interessant, weil sie es ihm gestatte, die Zahlungsweise auf die von einem Kunden zum anderen verschiedenen Wünsche und Prioritäten abzustimmen.

205 Die Klägerin macht ferner geltend, Preisunterschiede zwischen den Kunden könnten durch das normale Funktionieren der Marktkräfte gerechtfertigt sein. Aus verschiedenen Gründen seien unterschiedliche Preise für ähnliche oder vergleichbare Produkte auf durch extremen Wettbewerb geprägten Märkten allenthalben anzutreffen. Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang die von Kunde zu Kunde unterschiedliche Verhandlungsmacht, unterschiedliche Konzeptionen, unvollständige Marktinformation, die Ungewißheit über die Reaktionen der Mitbewerber und eine dezentralisierte Entscheidungsfindung an.

206 Die Kommission legt dar, daß die Unterschiede bei den Preisen und die Konditionen der Geschäfte, wie Tetra Pak sie angewandt habe, eine Diskriminierung der Kunden im Sinne des Artikels 86 Buchstabe c EWG-Vertrag darstellten. Die entscheidende Erwägung sei, daß der Kunde frei bleiben müsse, einen höheren Preis beim Kauf der Maschinen und in der Folge einen niedrigeren Preis für die Kartons zu zahlen.

Würdigung durch das Gericht

207 Das Gericht stellt fest, daß die eingehende Analyse der Mehrzahl der Verkaufs- und Vermietungsverträge für Maschinen von 1976 bis 1986 in Italien sowohl bei aseptischen als auch bei nichtaseptischen Maschinen zu aktualisierten Preisen kurzfristige Preisabweichungen von 20 bis 40 %, in bestimmten Fällen sogar von 50 bis mehr als 60 %, erkennen lässt. Mangels jeder Argumentation der Klägerin, aus der sich eine objektive Rechtfertigung ihrer Preispolitik ergeben könnte, sind solche Abweichungen unbestreitbar diskriminierend (siehe Randnrn. 170, 62 bis 68, 158 und 161 sowie Anhang 6.4 der Entscheidung).

208 Da zwischen Maschinen und Kartons, wie das Gericht bereits aufgezeigt hat (siehe Randnrn. 137 bis 148 dieses Urteils), kein untrennbarer Zusammenhang besteht, stellte die Praxis beträchtlicher Unterschiede bei den Maschinenpreisen auf jeden Fall eine Diskriminierung einzelner Kunden von Tetra Pak in Italien dar, ohne daß, wie die Klägerin geltend macht, der Preis des Verpackungssystems insgesamt einschließlich des Kartonpreises berücksichtigt werden müsste. Die Kommission hat sich insoweit zu Recht ausschließlich auf den Vergleich der Preise für Tetra-Pak-Maschinen gestützt, weil es den Benutzern nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft vollkommen freistehen muß, auf diesen Maschinen bei Konkurrenten von Tetra Pak gekaufe Kartons zu verarbeiten (siehe Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, a. a. O., Randnrn. 64 bis 68, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1994, a. a. O., Randnrn. 13 bis 16). Darüber hinaus lassen sich die in der Entscheidung festgestellten Unterschiede der Maschinenpreise keinesfalls durch die getrennte Untersuchung der Preise für Maschinen und der Preise für Kartons durch die Kommission erklären. Die Akten enthalten nämlich keinen Anhaltspunkt, und die Klägerin bringt keine konkreten Tatsachen oder Beweise vor, die ihre Auffassung stützen könnten, daß die Preise für ihre Verpackungssysteme, wenn man sie insgesamt betrachte, in Italien während des fraglichen Zeitraums übereingestimmt hätten.

209 Die Kommission hat somit in rechtlich hinreichender Weise dargetan, daß Tetra Pak von 1976 bis 1986 in Italien vor allem im aseptischen Bereich diskriminierende Preise bei Maschinen angewandt hat.

3. Die übrigen angeblich mißbräuchlichen Praktiken

Vorbringen der Parteien

210 Die Klägerin tritt den in Randnummer 165 der Entscheidung erhobenen Rügen entgegen. Sie macht erstens geltend, der Aufkauf von Maschinen von Mitbewerbern sei für sich betrachtet nicht mißbräuchlich. Sie trägt zweitens vor, es sei nur ein einziger isolierter Fall angeführt worden, in dem einem Unternehmen die Benutzung der Maschine eines Mitbewerbers verboten worden sei (Randnrn. 73 und 79 der Entscheidung); hieraus ließen sich keine allgemeinen Schlüsse ziehen. Drittens sei die angeblich 1983 mündlich geschlossene Vereinbarung mit der Zeitschrift Il mondo del latte nicht bewiesen und könne, da sie nur eine einzige Zeitschrift in nur einem Mitgliedstaat betreffe, nicht als ausschließliche Sicherung eines Werbeträgers für sich selbst betrachtet werden. Viertens schließlich sei das angeblich von ihr "verdrängte" Resolvosystem (siehe Randnrn. 76 und 79 bis 83 der Entscheidung) tatsächlich 1981 von dem Unternehmen International Paper erworben worden, das zweimal so groß wie sie sei. Sie hätte einen so mächtigen Mitbewerber nicht verdrängen können, wenn das Resolvosystem wettbewerbsfähig gewesen wäre. Im übrigen gebe es immer noch Resolvomaschinen auf dem italienischen Markt.

211 Die Kommission tritt sämtlichen Einwendungen der Klägerin entgegen. Zu dem Aufkauf der Maschinen von Konkurrenten zu dem Zweck, diese vom Markt zu verdrängen oder ihnen Handelsreferenzen zu entziehen (Randnrn. 73, 79 und 83 der Entscheidung) macht sie geltend, jedes Geschäft müsse einzeln betrachtet werden, um sein wirkliches Ziel zu ermitteln. Zweitens räumt die Kommission ein, daß in der Entscheidung nur ein einziger Fall angeführt sei, in dem Tetra Pak von ihren Kunden die Zusage habe erlangen können, bestimmte Maschinen von Konkurrenten nicht mehr zu benutzen (Randnr. 73 der Entscheidung). Drittens habe sich die Klägerin einen wichtigen Werbeträger, die Zeitschrift Il mondo del latte, durch Abschluß einer Ausschließlichkeitsvereinbarung gesichert (Randnr. 75 der Entscheidung). Viertens macht die Kommission geltend, die Klägerin habe versucht, mit verschiedenen Mitteln die Verbreitung des von dem Unternehmen Poligrafico Buitoni entwickelten Resolvosystems für aseptische Verpackungen zu verhindern. Die in den Randnummern 77 und 83 der Entscheidung angeführten Beweise könnten insoweit als Beleg für die Verdrängungsabsicht der Klägerin dienen.

Würdigung durch das Gericht

212 Das Gericht ist angesichts der von der Kommission zusammengetragenen Beweise, insbesondere der verschiedenen bei den Untersuchungen bestimmter Molkereien aufgefundenen Schriftstücke, die in den Randnummern 73 bis 83 der Entscheidung aufgeführt und von der Beklagten auf Ersuchen des Gerichts vorgelegt worden sind, der Auffassung, daß die verschiedenen punktüllen Praktiken, die in der Entscheidung festgestellt worden sind, als bewiesen anzusehen sind. Im einzelnen handelt es sich um den Aufkauf von Maschinen von Mitbewerbern zu dem Zweck, sie aus dem Markt zu nehmen; die Erlangung der Zusage einer der genannten Molkereien, zwei Maschinen, die sie bei Konkurrenten von Tetra Pak erworben hatte, nicht mehr zu benutzen; die Verdrängung fast sämtlicher aseptischer Resolvo-Verpackungsmaschinen in Italien, die Anfang der siebziger Jahre von der Firma Poligrafico Buitoni entwickelt worden waren, die ein möglicher Konkurrent von Tetra Pak auf den aseptischen Märkten war; schließlich die ausschließliche Sicherung von Werbeträgern für sich selbst durch Erlangung einer mündlichen Ausschließlichkeitszusage zumindest für 1982 von der Zeitschrift Il mondo del latte, der wichtigsten Fachzeitschrift für die milchverarbeitende Industrie in Italien. Die Kommission ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, daß die zu den Akten gereichte seinerzeitige Korrespondenz zwischen Elopak und dieser Zeitschrift ein ausreichender Beweis für das Vorliegen dieser Vereinbarung sei. So erwähnt die Zeitschrift in einem Schreiben vom 27. Mai 1982 "eine Vereinbarung mit einem anderen Unternehmen dieses Sektors, dem sie eine langfristige Exklusivität (gewährt hatte)". Die Existenz dieser Vereinbarung wird auch dadurch bestätigt, daß es Elopak im Gegensatz zu Tetra Pak nicht gestattet worden ist, in dieser Zeitschrift Werbung zu veröffentlichen.

213 Damit steht fest, daß diese verschiedenen Praktiken, mit denen die Maschinen von Konkurrenten vom Markt verdrängt oder diesen Handelsreferenzen entzogen werden sollten, wie von der Kommission geltend gemacht, bezweckten, die beherrschende Stellung von Tetra Pak im aseptischen Sektor zu verstärken oder Konkurrenten aus dem nichtaseptischen Sektor zu verdrängen, und mithin mißbräuchlich waren.

214 Nach alledem ist der dritte Klagegrund, mit dem das Fehlen eines Verstosses gegen Artikel 86 EWG-Vertrag geltend gemacht wird, in seinen beiden Teilen zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund ° Mißbrauch der Anordnungsbefugnis der Kommission

Vorbringen der Parteien

215 Die Klägerin tritt den in der Entscheidung angeordneten Maßnahmen zur Abstellung der Zuwiderhandlung in den Marktgebieten entgegen, in denen sie ihrer Meinung nach keine beherrschende Stellung hat. Ferner rügt sie insbesondere die Anordnungen in Artikel 3 Absatz 3 Nr. 3 der Entscheidung, wo es heisst: "Tetra Pak wendet keine auf Verdrängung ausgerichteten oder diskriminierenden Preise an und räumt keinem Kunden irgendwelche Nachlässe auf ihre Erzeugnisse oder irgendwelche günstigeren Zahlungsbedingungen ein, die nicht durch eine objektive Gegenleistung gerechtfertigt sind. Im Kartongeschäft sind nur Mengenrabatte für die einzelne Bestellung zulässig, ohne daß dabei die Bestellmengen für verschiedene Kartontypen zusammengerechnet werden dürfen."

216 Hierzu trägt die Klägerin vor, bezueglich der Maschinen gebe die Kommission keine Erläuterung des Begriffs der "objektiven Gegenleistung". Bei den Kartons schließe es das Verbot anderer Rabatte als Mengenrabatte völlig aus, auf Preisinitiativen eines Konkurrenten durch einen auf Leistung gestützten Wettbewerb über die Preise zu reagieren. In der Rechtssache Hilti/Kommission habe die Kommission selbst drei Ausnahmen von der Verpflichtung von Hilti zugelassen, "eine Rabattpolitik zu verfolgen, die auf genauen, systematischen und transparenten Wert-Menge-Tabellen beruht sowie einheitlich und ohne Diskriminierung angewandt wird" (siehe Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, a. a. O., Randnr. 7).

217 Darüber hinaus verstosse Artikel 3 Absatz 3 Nr. 3 der Entscheidung gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil ihr damit Verpflichtungen auferlegt würden, obwohl sie sich dem von der Kommission während der Verhandlungen ausgesprochenen Forderungen gebeugt habe und deshalb habe erwarten dürfen, daß die Kommission ihr keine neuen Maßnahmen auferlegen werde.

218 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin insgesamt entgegen. Mit den in Artikel 3 Absatz 3 Nr. 3 der Entscheidung getroffenen Anordnungen seien lediglich die in der Entscheidung beanstandeten Praktiken und gleichwertige Praktiken untersagt worden. Ferner sei das Verständnis eines Leistungswettbewerbs, wie es die Klägerin vertrete, zu verwerfen. Unternehmen in beherrschender Stellung dürften gegenüber anderen Unternehmen lediglich einen Leistungswettbewerb betreiben, während diese theoretisch auf andere Methoden insbesondere bei den Preisen zurückgreifen könnten. Die Klägerin habe selbst die höhere Qualität und die besonderen Vorteile ihres Produktes für den Benutzer hervorgehoben.

Würdigung durch das Gericht

219 Zu der sachlichen und räumlichen Tragweite der von der Kommission gegenüber der Klägerin getroffenen Anordnungen stellt das Gericht fest, daß die Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), befugt war, die Maßnahmen zu treffen, mit denen die festgestellten Zuwiderhandlungen auf den vier betroffenen Märkten abgestellt werden sollten, auf denen das betroffene Unternehmen, wie im Rahmen der Prüfung des dritten Klagegrundes (siehe Randnrn. 109 bis 122 dieses Urteils) bereits festgestellt worden ist, in der gesamten Gemeinschaft, die, wie das Gericht ebenfalls bereits festgestellt hat (siehe Randnrn. 91 bis 98 dieses Urteils), der relevante räumliche Markt war, den Vorschriften des Artikels 86 EWG-Vertrag unterworfen war.

220 Mit dem in Artikel 3 Absatz 3 Nr. 3 der Entscheidung ausgesprochenen Verbot aller Rabatte oder günstigeren Zahlungsbedingungen ohne "objektive Gegenleistung" sollen alle in der Entscheidung beanstandeten Praktiken abgestellt und alle gleichartigen Praktiken verhindert werden. Insoweit ist daran zu erinnern, daß zu diesen Praktiken sowohl diskriminierende oder auf Verdrängung ausgerichtete Preise als auch bestimmte der beanstandeten Vertragsbedingungen gehörten, mit denen die Kunden an Tetra Pak gebunden werden sollten, indem ihnen insbesondere durch Nachlässe in Form der in den Kaufverträgen über Maschinen (Klausel [vii]) vorgesehenen degressiven Tarifierung der Kosten für Hilfsleistungen, Instandhaltung und Modernisierung oder der degressiven Tarifierung der Monatsmiete bei steigender Abnahme von Kartons gemäß den Mietverträgen über Maschinen (Klausel [xxii]) ein Anreiz dazu geboten wurde, ihre Kartons bei Tetra Pak zu beziehen.

221 Ein solches Verbot von Treuerabatten oder vergleichbarer Praktiken ist weder unverhältnismässig noch diskriminierend und entspricht ständiger Rechtsprechung (siehe insbesondere Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission, a. a. O., und Michelin/Kommission, a. a. O., Randnr. 71). Hiernach ist insbesondere bei den Kartons das Verbot anderer Rabatte als Mengenrabatte ohne Addition der Bestellmengen für verschiedene Kartontypen berechtigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin macht es dieses Verbot nicht unmöglich, daß ein Unternehmen in beherrschender Stellung insbesondere einen Preiswettbewerb betreibt, wenn dieser auf objektiven Erwägungen, wie z. B. der Zahlungsfähigkeit des Kunden, beruht und damit weder diskriminierend noch auf Verdrängung ausgerichtet ist. Demnach widerspricht die Zulassung nur von Mengenrabatten ohne Addition der Bestellmengen für verschiedene Kartontypen nicht der Entscheidung in der Rechtssache Hilti/Kommission, in der die Kommission für das betroffene Unternehmen in ganz bestimmten Fällen eine Ausnahme von der Verpflichtung vorgesehen hatte, genaue Tabellen mit einheitlichen Mengenrabatten anzuwenden (Urteil vom 12. Dezember 1991, Randnrn. 6 und 7). Dieses Urteil ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil die angefochtene Entscheidung Tetra Pak nicht auferlegt, Rabattabellen festzulegen, sondern nur verlangt, daß die Rabatte nach Maßgabe der Bestellmengen gewährt werden. Zwar ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 3 Nr. 2 der Entscheidung eine Verpflichtung zur Mitteilung von Preistabellen, da Tetra Pak aufgegeben wird, jedem Kunden die Möglichkeit zum Bezug von der Tochtergesellschaft seiner Wahl zu deren Preisen einzuräumen, doch schreibt die Entscheidung in Artikel 3 Absatz 3 Nr. 3 keine Rabattabellen vor. Es reicht aus, wenn die Höhe der Rabatte objektiv gerechtfertigt ist, was bedeutet, daß sie weder diskriminierend noch auf Verdrängung ausgerichtet sein darf.

222 Schließlich hat die Kommission nicht dadurch gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstossen, daß sie in der Entscheidung zusätzlich zu den Maßnahmen, die sie bereits im Laufe des Verwaltungsverfahrens empfohlen hatte, weitere ergänzende Maßnahmen getroffen hat, mit denen die Zuwiderhandlung abgestellt werden sollte. Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 sieht nämlich lediglich vor, daß die Kommission zur Abstellung von Mißbräuchen Empfehlungen an die beteiligten Unternehmen richten kann, bevor sie nach diesem Artikel eine Entscheidung zur Feststellung einer Zuwiderhandlung trifft. Die Einhaltung solcher Empfehlungen durch das betroffene Unternehmen kann in keinem Fall bewirken, daß die der Kommission gemäß Absatz 1 dieses Artikels übertragene Befugnis eingeschränkt wird, alle Anordnungen zu treffen, die sie für notwendig erachtet, um die bei Erlaß der Entscheidung festgestellten Mißbräuche abzustellen. Das kooperative Verhalten des betroffenen Unternehmens und der Umstand, daß es den Forderungen der Kommission nachgekommen ist, um die Zuwiderhandlung während des Verwaltungsverfahrens abzustellen, können lediglich bei der Bemessung der Geldbusse berücksichtigt werden.

223 Auch der vierte Klagegrund, mit dem ein Mißbrauch der Anordnungsbefugnis der Kommission gerügt worden ist, ist daher zurückzuweisen.

Zu den Anträgen bezueglich der Höhe der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

224 Die Klägerin wendet sich gegen den Betrag der Geldbusse in Höhe von 75 Millionen ECU, der weit über dem Betrag der Geldbussen liege, die die Kommission bisher nach Artikel 86 EWG-Vertrag verhängt habe. Hierfür macht sie folgende Gründe geltend. Erstens sei die Geldbusse, gemessen an der bisherigen Praxis der Kommission, auf jeden Fall sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Grösse von Tetra Pak gesehen völlig unverhältnismässig und überhöht.

225 Zweitens habe die Kommission die Geldbusse so hoch festgesetzt, um insbesondere bestimmte Handlungen auf Märkten zu ahnden, auf denen sie keine beherrschende Stellung innehabe, wie etwa auf den nichtaseptischen Märkten, den Märkten für Anlagen zur Verpackung anderer Flüssigkeiten als Milch und den Märkten in Nordwesteuropa, auf denen sie selbst im Bereich der Milchverpackung keine führende Stellung innegehabt habe.

226 Drittens habe die Kommission sie für ihre Haltung in sämtlichen zwölf Mitgliedstaaten bestraft, obwohl drei dieser Staaten während eines grossen Teils des von der Entscheidung erfassten Zeitraums nicht Mitglied der Gemeinschaft gewesen seien.

227 Viertens macht die Klägerin geltend, die Kommission habe bei der Bemessung der Geldbusse ihr Verhalten in der gesamten Gemeinschaft aufgrund von Beweisen berücksichtigt, die sowohl bezueglich ihrer Verträge als auch hinsichtlich ihrer Preispolitik lediglich einen Mitgliedstaat oder eine beschränkte Anzahl von Mitgliedstaaten betroffen hätten.

228 Die Kommission habe fünftens nicht berücksichtigt, daß es für ihre Methode der Umschreibung des Produktmarktes wie auch für ihre Theorie des "benachbarten Marktes", mit der sie die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag auf den nichtaseptischen Bereich begründet habe, keine Präzedenzfälle gebe.

229 Die Klägerin wirft sechstens der Kommission vor, ihr kooperatives Verhalten während des Verwaltungsverfahrens bei der Bemessung der Geldbusse nicht berücksichtigt zu haben.

230 Siebtens hätten die nach der Verordnung Nr. 17 verhängten Geldbussen Strafcharakter. Die Kommission habe dadurch, daß sie den Betrag der Geldbusse nicht nach den verschiedenen festgestellten Mißbräuchen aufgeschlüsselt und ihr nicht die Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesem Betrag gegeben habe, die Grundsätze der Billigkeit und der ordnungsgemässen Verwaltung sowie die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze verletzt, insbesondere das Recht des betroffenen Unternehmens zu erfahren, welche Sanktion für welche Zuwiderhandlung verhängt werde, sowie das im Common Law anerkannte Recht des Beschuldigten, zum Strafmaß gehört zu werden, nachdem ein Gericht festgestellt habe, daß er strafbare Handlungen begangen habe.

231 Schließlich macht die Klägerin geltend, die Kommission habe die beträchtlichen positiven Auswirkungen ihrer Innovationen und ihrer Investitionen für die Verbraucher und für die Konkurrenz in der gesamten Gemeinschaft nicht berücksichtigt.

232 Die Kommission legt dar, daß der Betrag der Geldbusse eine unmittelbare und unvermeidliche Folge der Schwere und der Dauer der mißbräuchlichen Verhaltensweisen in der Mehrheit der Mitgliedstaaten oder gar in der gesamten Gemeinschaft sei, deren Unvereinbarkeit mit Artikel 86 jederzeit erkennbar gewesen sei. Bei der Bemessung der Geldbusse werde die Grösse des betroffenen Unternehmens berücksichtigt, um die grossen Unternehmen nicht ungebührlich zu begünstigen.

233 Die Geldbusse sei allein aufgrund der Praktiken in den Mitgliedstaaten, in denen sie festgestellt worden seien, verhängt worden, was sich eindeutig aus der Entscheidung ergebe. Ferner habe die Kommission die Entwicklung der Zusammensetzung der Gemeinschaft während des fraglichen Zeitraums berücksichtigt.

234 Zum Verfahren der Bemessung der Geldbusse macht die Kommission geltend, es bestehe keinerlei Verpflichtung zur Aufschlüsselung des Betrages der Geldbusse oder zur Durchführung einer getrennten Anhörung über die Geldbusse.

Würdigung durch das Gericht

235 Zur Höhe der Geldbusse ist vorab darauf hinzuweisen, daß dem in der Randnummer 230 wiedergegebenen Vorbringen der Klägerin, daß die Geldbusse Strafcharakter habe und das betroffene Unternehmen von der Kommission zu ihrer Höhe gehört werden müsse, nicht gefolgt werden kann. Insoweit ist erstens zu bemerken, daß die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Geldbussen schon nach dem Wortlaut des Artikels 15 Absatz 4 nicht strafrechtlicher Art sind. Zum Recht des betroffenen Unternehmens auf Anhörung im Verwaltungsverfahren ist darauf hinzuweisen, daß in Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63 vom 25. Juli 1963 ausdrücklich vorgesehen ist, daß die beteiligten Unternehmen, wenn die Kommission eine Geldbusse verhängen will, Gelegenheit haben müssen, "sich zu den von der Kommission in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten" zu äussern. Der Anhörungsanspruch der betroffenen Unternehmen gegenüber der Kommission wird somit, was die Bemessung der Geldbusse angeht, durch ihre Stellungnahme zu Dauer, Schwere und Erkennbarkeit der Wettbewerbswidrigkeit der Zuwiderhandlung gewahrt. Ausserdem ist zu beachten, daß die Unternehmen bezueglich der Bemessung der Geldbusse über eine zusätzliche Garantie verfügen, weil das Gericht mit Befugnis zu uneingeschränkter Nachprüfung entscheidet und mithin gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 die Geldbusse insbesondere aufheben oder herabsetzen kann.

236 Es ist ferner darauf hinzuweisen, daß die Kommission entgegen der Ansicht der Klägerin nicht verpflichtet ist, den Betrag der Geldbusse nach den verschiedenen Teilen des Mißbrauchs aufzuschlüsseln, damit das betroffene Unternehmen die Rechtmässigkeit der Höhe der Geldbusse beurteilen und sich verteidigen und das Gericht seine Kontrollbefugnis ausüben kann. Eine solche Aufschlüsselung ist insbesondere dann unmöglich, wenn wie im vorliegenden Fall sämtliche festgestellten Zuwiderhandlungen Teil einer zusammenhängenden Gesamtstrategie sind und aus diesem Grund sowohl im Hinblick auf die Anwendung des Artikels 86 EWG-Vertrag als auch hinsichtlich der Festsetzung der Geldbusse in umfassender Weise beurteilt werden müssen. Es reicht aus, wenn die Kommission in der Entscheidung ihre Kriterien für die Festlegung des allgemeinen Niveaus der gegen ein Unternehmen verhängten Geldbusse angibt. Sie ist nicht verpflichtet, im einzelnen darzulegen, wie sie jeden der Gesichtspunkte berücksichtigt hat, die unter diesen Kriterien aufgeführt und bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbusse herangezogen worden sind (siehe analog insbesondere die Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 166, in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, und in der Rechtssache T-3/89, Atochem/Kommission, Slg. 1991, II-1177, in denen das Gericht die verschiedenen abgestimmten Verhaltensweisen als eine einzige Zuwiderhandlung angesehen hat, sowie die Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, und vom 16. Dezember 1975 in der Rechtssache 40/73, Suiker Unie/Kommission, Slg. 1975, 1663).

237 Unter diesen Umständen hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Zuwiderhandlungen vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sind, und sodann zu untersuchen, ob die Kriterien, auf die die Kommission sich in der Entscheidung bei der Bemessung der Geldbusse gestützt hat, erheblich und ausreichend waren.

238 Was die Frage angeht, ob die Zuwiderhandlungen vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sind, so daß sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 17 mit einer Geldbusse geahndet werden können, hat der Gerichtshof entschieden, daß diese Voraussetzung erfuellt ist, wenn sich das betroffene Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im unklaren sein kann, gleichviel, ob ihm dabei bewusst ist, daß es gegen die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags verstösst (siehe insbesondere Urteil IAZ u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 45).

239 Im vorliegenden Fall ist das Gericht der Auffassung, daß sich die Klägerin nicht im unklaren darüber sein konnte, daß die betreffenden Praktiken aufgrund ihres Umfangs, ihrer Dauer und ihrer Planmässigkeit insbesondere wegen der Quasimonopolstellung der Klägerin auf den aseptischen Märkten und ihrer führenden Stellung auf den nichtaseptischen Märkten schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen nach sich zogen. Ferner konnte sich die Klägerin angesichts ihrer Stellung auf den betreffenden Märkten und der Schwere der Wettbewerbsbeeinträchtigungen nicht im unklaren darüber sein, daß sie gegen das Verbot des Artikels 86 EWG-Vertrag verstieß. Hieraus folgt, daß selbst wenn die Bestimmung der relevanten Produktmärkte und des Anwendungsbereichs des Artikels 86 in bestimmter Hinsicht eine einigermassen komplizierte Aufgabe gewesen sein mochte, dieser Umstand im vorliegenden Fall wegen der Offensichtlichkeit und der besonderen Schwere der sich aus den fraglichen Mißbräuchen ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht zu einer Herabsetzung der Geldbusse führen kann. Den in Randnummer 228 dieses Urteils wiedergegebenen Ausführungen der Klägerin zu bestimmten rechtlichen Wertungen in der Entscheidung, für die es angeblich keine Präzedenzfälle gab, kann daher nicht gefolgt werden.

240 Unter diesen Umständen hat das Gericht zweitens gemäß Artikel 15 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 17 zu prüfen, ob die Höhe der in der Entscheidung festgesetzten Geldbusse in einem angemessenen Verhältnis zu Schwere und Dauer der festgestellten Zuwiderhandlungen unter Berücksichtigung des Umfangs ihrer wettbewerbswidrigen Wirkungen und der durch sie beeinträchtigten Interessen der Verbraucher oder der Mitbewerber (siehe z. B. Urteil vom 12. Dezember 1991, Hilti/Kommission, a. a. O., Randnr. 134) und zur Finanzkraft von Tetra Pak steht.

241 Das Gericht stellt insoweit fest, daß die von der Kommission angewandten und in der Entscheidung dargelegten Kriterien die besondere Höhe der verhängten Geldbusse rechtfertigen. Die Kommission hat insbesondere folgende Gesichtspunkte zu Recht berücksichtigt: die besonders lange Dauer (15 Jahre oder mehr) bestimmter Zuwiderhandlungen, die Anzahl und die Vielfalt der Zuwiderhandlungen, die alle oder nahezu alle Produkte des Konzerns betrafen und von denen einige alle Mitgliedstaaten berührten, die besondere Schwere der Zuwiderhandlungen, die ausserdem Teil einer planmässigen und zusammenhängenden Strategie des Konzerns waren, die darauf abzielte, durch verschiedene Verdrängungspraktiken gegenüber den Wettbewerbern und durch eine Politik der Anbindung der Kunden die beherrschende Stellung von Tetra Pak auf Märkten, auf denen der Wettbewerb bereits eingeschränkt war, künstlich aufrechtzuerhalten oder zu verstärken, und schließlich die besonders schädlichen Auswirkungen der Mißbräuche im Bereich des Wettbewerbs und den Vorteil, den die Klägerin aus ihren Zuwiderhandlungen gezogen hat.

242 Es muß nämlich hervorgehoben werden, daß die festgestellten Zuwiderhandlungen insgesamt, die sich in den Zusammenhang einer völlig autonomen Organisation der Produktion und des Vertriebs und einer sehr aktiven Patentpolitik einfügten, die beide für sich betrachtet legitim waren, zu einer langfristigen umfassenden Strategie innerhalb der gesamten Gemeinschaft beitrugen, die Tetra Pak in die Lage versetzte, die nationalen Märkte abzuschotten, ihre beherrschende Stellung im aseptischen Bereich aufrechtzuerhalten und ihre führende Stellung im nichtaseptischen Bereich zu verstärken, wo ihr Marktanteil, der 1980 ungefähr 40 % betrug, 1991 50 bis 55 % erreichte. Durch die in Italien verfolgte Preispolitik wäre, wie die Kommission hervorhebt, wahrscheinlich Elopak aus dem italienischen Markt gedrängt worden, wenn sie nach der von diesem Unternehmen eingelegten Beschwerde weiter verfolgt worden wäre. Tetra Pak konnte somit ihre Gewinne auf den aseptischen Märkten zum Nachteil ihrer Kunden sowie ihrer Wettbewerber sowohl im aseptischen als auch im nichtaseptischen Bereich maximieren. Insbesondere hinderten die Koppelungsklauseln für den Verkauf von Maschinen und Kartons, indem sie den Kunden der Klägerin den Bezug aseptischer Kartons von Mitbewerbern erschwerten, die Hersteller nichtaseptischer Kartons daran, aufgrund von technischen Anpassungsmaßnahmen, die technisch durchführbar gewesen wären, Zugang zum Markt für aseptische Kartons zu erlangen.

243 Insoweit ist jedoch festzustellen, daß entgegen dem Vorbringen der Klägerin bei der Bemessung der Geldbusse lediglich die Zuwiderhandlungen berücksichtigt wurden, die in dem oder den Mitgliedstaaten begangen worden waren, wo sie tatsächlich festgestellt worden waren. Die Kommission hat zwar zu Recht die Schwere jeder dieser Zuwiderhandlungen im Zusammenhang der globalen Geschäftspolitik von Tetra Pak bewertet, sie hat sich aber in keinem Fall auf Beweise gestützt, die eine in einem Mitgliedstaat begangene Zuwiderhandlung betrafen, um die Feststellung dieser Zuwiderhandlung sodann auf andere Mitgliedstaaten oder gar die gesamte Gemeinschaft auszudehnen. Bei der Festsetzung der Geldbusse hat die Kommission so die räumliche Ausdehnung, die Schwere und die Dauer der verschiedenen ° von 1976 bis 1991 geltenden ° mißbräuchlichen Vertragsbedingungen berücksichtigt, von denen einige, wie die Koppelungsklauseln und die Ausschließlichkeitsklauseln, in der gesamten Gemeinschaft galten und andere lediglich einen oder mehrere Mitgliedstaaten betrafen. Desgleichen hat sie die räumliche Ausdehnung, die Schwere und die Dauer der verschiedenen festgestellten Fälle der Anwendung diskriminierender oder auf Verdrängung ausgerichteter Preise in den Mitgliedstaaten berücksichtigt, die zur Zeit der Begehung der Mißbräuche der Gemeinschaft angehörten. Die in den Randnummern 225 bis 227 dieses Urteils wiedergegebenen Rügen der Klägerin sind daher zurückzuweisen.

244 Was im besonderen die Zuwiderhandlungen betrifft, die das Gericht bei der Prüfung der Höhe der Geldbusse im Anschluß an seine Kontrolle der Richtigkeit der in der Entscheidung getroffenen Feststellungen von Mißbräuchen zu berücksichtigen hat, so sind, da sie in rechtlich hinreichender Weise von der Kommission nachgewiesen worden sind, folgende Punkte zu berücksichtigen: die verschiedenen mißbräuchlichen Vertragsklauseln, die von 1976 bis 1991 galten, die je nach Mitgliedstaat diskriminierenden Preise von 1984 bis 1986 bei sämtlichen Maschinen und bei aseptischen Kartons sowie von 1978 bis 1984 bei nichtaseptischen Kartons, die je nach Benutzer diskriminierenden Preise in Italien von 1976 bis 1986, die auf Verdrängung ausgerichteten Preise bei Tetra-Rex-Kartons von 1976 bis 1982 in Italien, die auf Verdrängung ausgerichteten Preise von 1979 bis 1986 bei einer Anzahl von Maschinen in Italien, die auf Verdrängung ausgerichteten Preise bei Kartons von 1982 bis 1984 im Vereinigten Königreich und schließlich die in der Entscheidung festgestellten verschiedenen Verdrängungspraktiken (siehe Randnrn. 212 und 213 dieses Urteils).

245 Dem in Randnummer 229 dieses Urteils wiedergegebenen Vorbringen von Tetra Pak, daß die Kommission, die nach Auffassung der Klägerin die Dauer der Zuwiderhandlung selbst durch eine konsequentere Vorgehensweise hätte verkürzen können, bei der Bemessung der Geldbusse das Bemühen der Klägerin um Kooperation während des Verwaltungsverfahrens hätte berücksichtigen müssen, kann nicht gefolgt werden. Die Dauer der Untersuchung der Kommission, die sich über sechs Jahre hinzog, und dann des zwei Jahre beanspruchenden Verwaltungsverfahrens selbst erklärt sich aus der Komplexität und dem Umfang der Nachforschungen der Kommission, die sich auf die gesamte Geschäftspolitik von Tetra Pak seit 1976 in der Gemeinschaft bezogen. Ferner kann auch der Behauptung der Klägerin nicht gefolgt werden, daß sie sofort den Forderungen der Kommission nachgekommen sei, um die ihr im Verwaltungsverfahrens vorgeworfenen Zuwiderhandlungen abzustellen. Insoweit genügt der Hinweis, daß die Klägerin auf ihre streitigen Vertragsbedingungen erst Anfang 1991 verzichtet hat, obwohl ihr die Mitteilung der Beschwerdepunkte bereits im Dezember 1988 übermittelt worden war. Demnach waren lediglich die Anfang 1991 zu verzeichnenden tatsächlichen Kooperationsbemühungen der Klägerin von der Kommission bei der Bemessung der Geldbusse zu berücksichtigen. Dies ist, wie in der Begründung der Entscheidung ausdrücklich festgestellt wird, tatsächlich geschehen.

246 Schließlich können, wie die Kommission ausgeführt hat, die Vorteile, die sich für die Verbraucher der von Tetra Pak entwickelten Produkte ergeben, nicht zu einer Herabsetzung der Geldbusse führen. Die festgestellten Mißbräuche waren nämlich nicht durch die besonderen Erfordernisse der Entwicklung und des Vertriebs dieser Produkte gerechtfertigt. Das in Randnummer 231 dieses Urteils wiedergegebene Vorbringen der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

247 Angesichts der gesamten vorstehenden Erwägungen, die die besondere Dauer, Ausdehnung und Schwere der festgestellten Mißbräuche klar erkennen lassen, steht die Höhe der in der Entscheidung festgesetzten Geldbusse nicht in einem Mißverhältnis zur Grösse des klagenden Unternehmens. Nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien entspricht diese Geldbusse von 75 Millionen ECU ungefähr 2,2 % des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 1990. Sie hält sich damit in den Grenzen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach sich die Geldbusse auf bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes belaufen darf. Das in Randnummer 224 dieses Urteils wiedergegebene Vorbringen der Klägerin, daß die Geldbusse überhöht und unverhältnismässig sei, ist demnach unbegründet.

248 Folglich kann weder den Anträgen, die die Nichtigerklärung der Entscheidung betreffen, noch den Anträgen, die sich auf die Höhe der Geldbusse beziehen, stattgegeben werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

249 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission beantragt hat, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, und die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, hat die Klägerin die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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