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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 23.01.1995
Aktenzeichen: T-84/94
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 59
EWG-Vertrag Art. 86
EWG-Vertrag Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Nichtigkeitsklage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegenüber einer Entscheidung der Kommission erhoben wird, gegen einen Mitgliedstaat kein Verfahren zur Feststellung einer Vertragsverletzung einzuleiten, ist unzulässig.

Zum einen ist die Kommission nicht verpflichtet, ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten, sondern verfügt insoweit über ein Ermessen, das ein Recht des einzelnen ausschließt, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen.

Zum anderen begehrt eine natürliche oder juristische Person mit der an die Kommission gerichteten Aufforderung, ein Verfahren nach Artikel 169 zu eröffnen, in Wirklichkeit die Vornahme einer Handlung, die sie nicht unmittelbar oder individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages betreffen würde und die sie daher jedenfalls nicht mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnte.

Soweit im übrigen die Klage auf die Feststellung gerichtet ist, daß der Mitgliedstaat bestimmte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verletzt hat, steht nach den Artikeln 169 und 170 des Vertrages die Befugnis zur Anrufung des Gemeinschaftsrichters, um feststellen zu lassen, daß ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen verletzt hat, ausschließlich der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten, nicht aber natürlichen oder juristischen Personen zu.

2. Eine Nichtigkeitsklage, die von einer natürlichen oder juristischen Person gegenüber einer Entscheidung der Kommission erhoben wird, an einen Mitgliedstaat keine Richtlinie oder Entscheidung auf der Grundlage ihrer Befugnisse aus Artikel 90 Absatz 3 des Vertrages zu richten, ist unzulässig.

Wie sich aus dieser Vorschrift und aus dem Sinn und Zweck des gesamten Artikels 90 ergibt, schließt die Aufsichtsbefugnis der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, die gegen den Vertrag, insbesondere gegen die Wettbewerbsregeln, verstossen, notwendig ein weites Ermessen dieses Gemeinschaftsorgans ein, dessen Ausübung nicht mit einer Pflicht zum Einschreiten verbunden ist.


BESCHLUSS DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 23. JANUAR 1995. - BUNDESVERBAND DER BILANZBUCHHALTER E.V. GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE T-84/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Der Kläger, der Bundesverband der Bilanzbuchhalter e. V., ein Verein deutschen Rechts, der zur Vertretung der wirtschaftlichen und berufspolitischen Interessen der Bilanzbuchhalter gegründet wurde, legte am 21. August 1992 bei der Kommission eine Beschwerde ein, mit der er das Steuerberatungsgesetz vom 4. November 1975 (BGBl. 1975 I S. 2735) in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 1990 (BGBl. 1990 I S. 2756) beanstandete, da dieses das Recht zur Ausübung von Tätigkeiten auf dem Gebiet der Steuerberatung und auf benachbarten Gebieten den Steuerberatern, den Wirtschaftsprüfern, den Rechtsanwälten und den vereidigten Buchprüfern vorbehalte. Er rügte einen Verstoß dieses Gesetzes gegen die Vorschriften des Vertrages, insbesondere die Artikel 59 und 86 EWG-Vertrag (nunmehr EG-Vertrag, im folgenden: Vertrag), und warf der Bundesrepublik Deutschland vor, die Artikel 5 Absatz 2 und 90 Absätze 1 und 2 des Vertrages dadurch zu verletzen, daß sie dieses Gesetz nicht ändere. Demgemäß forderte er die Kommission auf, nach Artikel 155 des Vertrages für dessen Anwendung Sorge zu tragen.

2 Mit Schreiben vom 22. April 1993 teilte die Generaldirektion "Binnenmarkt und Finanzdienstleistungen" (DG XV) dem Kläger mit, daß seine Beschwerde unter der Nummer 93/4155 registriert worden sei.

3 Mit Schreiben vom 26. Mai 1993 gab die DG XV dem Kläger die Gründe bekannt, aus denen ihrer Ansicht nach im vorliegenden Fall kein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erkennbar sei, und teilte ihm mit, daß sie die Absicht habe, der Kommission vorzuschlagen, die Beschwerde nicht weiterzuverfolgen.

4 Am 4. November 1993 beschloß die Kommission, die Beschwerde des Klägers nicht weiterzuverfolgen, da eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts nicht habe festgestellt werden können. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1993, das dem Kläger am 17. Dezember 1993 zuging, gab die Kommission dem Kläger ihren Beschluß vom 4. November 1993 bekannt.

5 Unter diesen Umständen hat der Kläger mit Klageschrift, die am 23. Februar 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

6 Mit besonderem Schriftsatz, der am 4. Mai 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission die Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 114 der Verfahrensordnung erhoben und beantragt, über diese Einrede vorab zu entscheiden. Der Kläger hat am 13. Juni 1994 seine Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.

7 Mit Beschluß vom 7. Juli 1994 hat das Gericht die Rechtssache an eine Kammer mit drei Richtern verwiesen.

8 Der Kläger beantragt,

° die Entscheidung der Kommission vom 13. Dezember 1993, ihm am 17. Dezember 1993 bekanntgemacht, aufgrund ihres Verstosses gegen Artikel 155 des Vertrages, Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), in Verbindung mit den Artikeln 5, 59, 90 Absatz 1, 86 des Vertrages für nichtig zu erklären.

9 Die Beklagte beantragt,

° die Klage als unzulässig abzuweisen,

° dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

10 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung wird über die Einrede der Unzulässigkeit mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

11 Ist eine Klage offensichtlich unzulässig, so kann das Gericht nach Artikel 111 ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluß entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist. Im vorliegenden Fall hält das Gericht (Vierte Kammer) die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt, die mündliche Verhandlung nicht zu eröffnen.

Zur Zulässigkeit

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

12 In ihrem Antrag auf Vorabentscheidung über die Unzulässigkeitseinrede weist die Kommission darauf hin, daß ihr mit der Klage vorgeworfen werde, nicht gegen die Bundesrepublik Deutschland vorzugehen und die Artikel 59, 86 und 90 Absatz 1 des Vertrages falsch auszulegen. Die Klage sei somit in Wahrheit auf die Nichtigerklärung ihres Beschlusses vom 4. November 1993 gerichtet, kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten.

13 Die Klage sei aber auf jeden Fall unzulässig, ob sie nun gegen den Beschluß vom 4. November 1993 oder gegen das Schreiben vom 13. Dezember 1993 gerichtet sei.

14 Was den Beschluß vom 4. November 1993 angehe, sei der Kläger nicht dessen Adressat; dieser Beschluß betreffe vielmehr ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sei die Kommission aber nicht verpflichtet, ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten, sondern verfüge insoweit über ein Ermessen, das ein Recht einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu erlangen, ausschließe (vgl. Urteile vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 247/87, Star Fruit/Kommission, Slg. 1989, 291, Randnr. 11, vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-87/89, Sonito u. a./Kommission, Slg. 1990, I-1981, Randnrn. 6 f., und Beschluß vom 23. Mai 1990 in der Rechtssache C-72/90, Asia Motor France/Kommission, Slg. 1990, I-2181, Randnr. 11).

15 Der Beschluß vom 4. November 1993 betreffe den Kläger auch nicht individuell. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei, wer nicht Adressat einer Maßnahme sei, nur dann von ihr individuell betroffen, wenn sie ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berühre und daher in ähnlicher Weise individualisiere wie den Adressaten einer Maßnahme (Urteile vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, und vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207). Eine Berufsvereinigung, die zur Verteidigung von Kollektivinteressen einer Personengruppe gegründet worden sei, werde aber von einer die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührenden Maßnahme nicht individuell und unmittelbar betroffen (Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1975 in der Rechtssache 72/74, Union Syndicale u. a./Rat, Slg. 1975, 401, Randnrn. 16 f.).

16 Das Schreiben vom 13. Dezember 1993 sei kein anfechtbarer Rechtsakt im Sinne des Artikels 173 des Vertrages. Wenn, wie im vorliegenden Fall, mit einer Beschwerde die Feststellung begehrt werde, daß ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstossen habe, sei die Mitteilung, mit der der Beschwerdeführer über die weitere Behandlung seiner Beschwerde unterrichtet werde, keine anfechtbare Entscheidung, da die Kommission in diesem Bereich über ein Ermessen verfüge, das ein Recht des einzelnen ausschließe, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen.

17 Selbst wenn aber der Beschluß, die Beschwerde des Klägers nicht weiterzuverfolgen und somit kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, auf eine irrige Auslegung des Vertrages gestützt wäre, könnte dieser Umstand nach Ansicht der Kommission nicht einem einzelnen die Möglichkeit zur Erhebung einer Klage gegen ihre Weigerung eröffnen, ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten, und somit nicht zu einer im Vertrag nicht vorgesehenen abstrakten richterlichen Nachprüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidungen der Kommission führen.

18 In seiner Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit weist der Kläger zunächst darauf hin, daß Gegenstand seiner Klage sehr wohl der Beschluß der Kommission vom 13. Dezember 1993 als der einzige ihm bekanntgewordene Beschluß sei. Dieser Beschluß sei ein verbindlicher Beschluß der Kommission, der an den Kläger gerichtet sei. Folglich könne er Gegenstand einer Klage nach Artikel 173 des Vertrages sein.

19 Nach den Artikeln 155 und 169 des Vertrages habe die Kommission grundsätzlich jeden ihr bekanntgewordenen Vertragsverstoß zu verfolgen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei, Slg. 1984, 1051, Randnr. 18). Ferner müsse die Kommission nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einschreiten, wenn sie eine Verletzung der Artikel 5, 86 und 90 des Vertrages feststelle. Im vorliegenden Fall gehe es um eine offenkundige Verletzung des Artikels 59 des Vertrages, da die in diesem Artikel normierte Dienstleistungsfreiheit durch die beanstandeten deutschen Rechtsvorschriften schwer beeinträchtigt, ja sogar unmöglich gemacht werde. Diese Vorschriften verstießen auch gegen die Artikel 5, 86 und 90 des Vertrages, da sie dem Buchführungsunternehmen DATEV ein Monopol einräumten und damit zu einem Mißbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 führten.

20 Der Gerichtshof habe zwar dem einzelnen die Möglichkeit abgesprochen, eine Untätigkeitsklage bei Nichteinschreiten der Kommission zu erheben (Urteil Star Fruit/Kommission, a. a. O., Randnrn. 10 bis 14), doch liege der Fall hier anders, da die Kommission nach der Feststellung, daß die beanstandeten deutschen Rechtsvorschriften Artikel 59 des Vertrages verletzten, die Ansicht vertrete, daß die deutschen Bilanzbuchhalter dies nicht geltend machen könnten. Ein Beschluß der Kommission, einen festgestellten Vertragsverstoß nicht zu verfolgen, könne der richterlichen Kontrolle nach Artikel 173 des Vertrages nicht entzogen sein, da ein solcher Beschluß einen Verstoß gegen Artikel 155 des Vertrages und einen Ermessensmißbrauch der Kommission darstelle.

Würdigung durch das Gericht

21 Das Gericht stellt zunächst fest, daß der Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens der Kommission vom 13. Dezember 1993 in der Sache auf die Nichtigerklärung des am 4. November 1993 gefassten und dem Kläger mit Schreiben vom 13. Dezember 1993 mitgeteilten Beschlusses der Kommission abzielt, die Beschwerde des Klägers vom 21. August 1992 nicht weiterzuverfolgen.

22 Der Beschluß der Kommission, die Beschwerde des Klägers nicht weiterzuverfolgen, ist aber als Ausdruck des Willens der Kommission zu verstehen, kein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten. Die Kommission hätte der Beschwerde des Klägers nämlich nur dadurch stattgeben können, daß sie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hätte.

23 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Kommission nicht verpflichtet, ein Verfahren nach Artikel 169 des Vertrages einzuleiten, sondern verfügt insoweit über ein Ermessen, das ein Recht einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt (Urteil Star Fruit/Kommission, a. a. O., Randnrn. 10 bis 14). Im Rahmen eines Verfahrens nach Artikel 169 des Vertrages haben somit Personen, die eine Beschwerde eingelegt haben, nicht die Möglichkeit, vor dem Gemeinschaftsrichter eine Klage gegen den Beschluß der Kommission zu erheben, ihre Beschwerde nicht weiterzuverfolgen,

24 Folglich ist die vorliegende Klage gegen die Weigerung der Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland einzuleiten, unzulässig (Beschlüsse des Gerichtshofes vom 12. Juni 1992 in der Rechtssache C-29/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1992, I-3935, Randnr. 21, sowie des Gerichts vom 14. Dezember 1993 in der Rechtssache T-29/93, Calvo Alonso-Cortès/Kommission, Slg. 1993, II-1389, Randnr. 55, und vom 27. Mai 1994 in der Rechtssache T-5/94, J/Kommission, Slg. 1994, II-391, Randnr. 15).

25 Zudem begehrt der Kläger mit der an die Kommission gerichteten Aufforderung, ein Verfahren nach Artikel 169 zu eröffnen, in Wirklichkeit die Vornahme einer Handlung, die ihn nicht unmittelbar und individuell im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages betreffen würde und die er daher jedenfalls nicht mit der Nichtigkeitsklage anfechten könnte (vgl. Urteil Star Fruit/Kommission, a. a. O., Randnr. 13).

26 Soweit im übrigen die Klage so zu verstehen sein sollte, daß sie auf die Feststellung gerichtet ist, daß die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verletzt hat, ist darauf hinzuweisen, daß nach den Artikeln 169 und 170 des Vertrages die Befugnis zur Anrufung des Gemeinschaftsrichters, um feststellen zu lassen, daß ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen verletzt hat, ausschließlich der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten, nicht aber natürlichen oder juristischen Personen zusteht.

27 Der Kläger hat seine Beschwerde ferner als Antrag nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 bezeichnet, da sie eine Verletzung der Artikel 5, 86 und 90 Absätze 1 und 2 des Vertrages betreffe. Er hat jedoch kein Verhalten von Unternehmen, sondern ausschließlich das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland beanstandet. Gleichwohl macht er geltend, gegen dieses Verhalten könne nach Artikel 90 Absatz 3 vorgegangen werden.

28 Daraus ist zu schließen, daß die Beschwerde des Klägers auch als eine Aufforderung an die Kommission verstanden werden kann, von ihren Befugnissen nach Artikel 90 Absatz 3 Gebrauch zu machen.

29 Selbst wenn aber der Beschluß, die Beschwerde nicht weiterzuverfolgen, als eine Weigerung der Kommission verstanden werden kann, eine Entscheidung nach Artikel 90 Absatz 3 des Vertrages zu treffen, ist die vorliegende Nichtigkeitsklage dennoch unzulässig.

30 Artikel 90 Absatz 3 des Vertrages überträgt der Kommission nämlich die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in bezug auf die in Artikel 90 Absatz 1 genannten Unternehmen nachkommen, und verleiht ihr ausdrücklich die Befugnis, erforderlichenfalls zu diesem Zweck unter den Voraussetzungen und mit den rechtlichen Instrumenten, die dort vorgesehen sind, einzuschreiten.

31 Wie sich aus Artikel 90 Absatz 3 und aus dem Sinn und Zweck des gesamten Artikels 90 ergibt, schließt die Aufsichtsbefugnis der Kommission gegenüber den Mitgliedstaaten, die gegen den Vertrag, insbesondere gegen die Wettbewerbsregeln, verstossen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnr. 32), notwendig ein weites Ermessen dieses Gemeinschaftsorgans ein. Folglich ist die Ausübung des durch Artikel 90 Absatz 3 des Vertrages eingeräumten Ermessens bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der staatlichen Maßnahmen mit den Vorschriften des Vertrages nicht mit einer Pflicht der Kommission zum Einschreiten verbunden (Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-32/93, Ladbroke Racing/Kommission, Slg. 1994, II-0000, Randnrn. 36 bis 38). Somit steht natürlichen oder juristischen Personen, die die Kommission auffordern, nach Artikel 90 Absatz 3 einzuschreiten, nicht das Recht zur Erhebung einer Klage gegen den Beschluß der Kommission zu, von ihren Befugnissen nach Artikel 90 Absatz 3 keinen Gebrauch zu machen.

32 Folglich kann der Kläger die Weigerung der Kommission, eine Richtlinie oder eine Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 des Vertrages an die Bundesrepublik Deutschland zu richten, nicht anfechten.

33 Demgemäß ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

34 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger mit seinen Anträgen unterlegen ist und die Kommission seine Verurteilung in die Kosten beantragt hat, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2) Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Luxemburg, den 23. Januar 1995

Ende der Entscheidung

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